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Full text of "Die Kunstdenkmäler des Kreises Offenburg"

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DIE 


KUNSTDENKMÄLER 

DES 

GROSSHERZOGTUMS  BADEN 

BESCHREIBENDE  STATISTIK 

IM  AUFTRAGE 

DES  GROSSH ERZ Ö GLI CHEN  MINISTERIUMS  DER  JUSTIZ 
DES  KULTUS  UND  UNTERRICHTS 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

GEH.  HOFRAT  DR.  A.  VON  OECHELHAEUSER 

PROFESSOR  DER  KUNSTGESCHICHTE  AN  DER 
TECHNISCHEN  HOCHSCHULE  UND  KUNSTAKADEMIE 
ZU  KARLSRUHE 

UND 

GEH.  RAT  DR.  E.  WAGNER 

OBERSCHULRAT,  DIREKTOR 
DER  GROSSH.  SAMMLUNGEN  FÜR  ALTERTUMS- 
UND VÖLKERKUNDE 

UND  GROSSH.  KONSERVATOR  DER  ALTERTÜMER 

SIEBENTER  BAND 
KREIS  OFFENBURG 

TÜBINGEN 

VERLAG  VON  J.  C.  B.  MOFIR  (PAUL  SIEBECK) 

1908 


GEH.  RAT  DR.,  DR.  ING.  JOS.  DURM 

PROFESSOR  AN  DER  TECHNISCHEN  HOCHSCHULE 
ZU  KARLSRUHE 


DIE 


KUNSTDENKMÄLER 


GROSSHERZOGTUMS  BADEN 


9 


Digitized  by  the  Internet  Archive 
in  2015 


https://archive.org/details/diekunstdenkmaleOOwing 


DIE 


KUNSTDENKMÄLER 

DES 

GROSSHERZOGTUMS  BADEN 


BESCHREIBENDE  STATISTIK 

IM  AUFTRAGE 

DES  GROSSHERZOGLICHEN  MINISTERIUMS  DER  JUSTIZ 
DES  KULTUS  UND  UNTERRICHTS 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

GEH.  HOFRAT  DR.  A.  VON  OECHELHAEUSER 

PROFESSOR  DER  KUNSTGESCHICHTE  AN  DER 
TECHNISCHEN  HOCHSCHULE  UND  KUNSTAKADEMIE 
ZU  KARLSRUHE 

UND 

GEH.  RAT  DR.  E.  WAGNER 

OBERSCHULRAT,  DIREKTOR 
DER  GROSSH.  SAMMLUNGEN  FÜR  ALTERTUMS- 
UND VÖLKERKUNDE 

UND  GROSSH.  KONSERVATOR  DER  ALTERTÜMER 


GEH.  RAT  DR.,  DR.  ING.  JOS.  DURM 

PROFESSOR  AN  DER  TECHNISCHEN  HOCHSCHULE 
ZU  KARLSRUHE 


SIEBENTER  BAND 
KREIS  OFFENBURG 


TÜBINGEN 

VERLAG  VON  J.  C.  B.  MOHR  (PAUL  SIEBECK) 

1908 


DIE 


KUNSTDENKMÄLER 

DES 

KREISES  OFFENBURG 

BEARBEITET 


MAX  WINGENROTH 


MIT  390  TEXTBILDERN,  24  LICHTDRUCKTAFELN,  3 KARTEN 
UND  52  WAPPENBILDERN 


TÜBINGEN 

VERLAG  VON  J.  C.  B.  MOHR  '(PAUL  SIEBECK) 

tgo8 


THE  GETTY  CENTER 


n dem  vorliegenden  VII.  Bande  des  Inventarisationswerkes 
werden  die  Kunstdenkmäler  des  Kreises  Offenburg  be- 
schrieben, eines  Kreises,  der  so  ungefähr  — mit  einer 
beträchtlichen  Ausnahme  im  Norden,  nämlich  den  Ämtern  Achern 
und  Bühl  — den  ganzen  Gau  umschließt,  der  von  alters  her  die  Ortenau 
genannt  wird.  Da  die  Lande,  deren  Kunstdenkmäler  hier  geschildert 
werden,  wohl  mehr,  als  es  bei  den  sonstigen  Kreisen  des  Landes 
der  Fall  ist,  schon  im  Mittelalter  ein  einigermaßen  zusammengehöriges, 
historisches  Ganze  bilden,  so  glaubte  ich  diesem  Umstande  Rechnung 
tragen  zu  müssen.  Ich  habe  deshalb  in  einer  Einleitung  versucht,  ein 
Bild  von  der  geschichtlichen  und  kunstgeschichtlichen  Entwickelung  der 
Gebend  zu  eeben,  ohne  damit  aber  dem  zünftigen  Historiker  Neues 
bringen  zu  wollen.  Dem  Zwecke  des  Inventarisationswerkes  gemäß 
mußte  ich  von  vornherein  auf  eigene  historische  Forschungen  verzichten 
und  mich  damit  begnügen,  das  in  den  bekannten  Werken  und  Zeit- 
schriften Publizierte  zu  benutzen,  um  ein  halbwegs  deutliches  Bild  zu 
gewinnen.  Die  kirchengeschichtlichen  Abschnitte  der  Einleitung  hat 
Herr  Professor  Dr.  J.  SAUER  in  Freiburg  auf  meine  Bitte  verfaßt.  Lim 
dem  Benutzer  des  Werkes  die  politische  Gestaltung  des  Landes  vor 
Augen  zu  führen,  habe  ich  eine  Karte  der  Besitzverhältnisse  in  der 
zweiten  Hälfte  des  15.  Jhs.  beigefügt.  Der  Historiker,  nach  dessen 
Angaben  sie  auf  meine  Bitten  angefertigt  ist,  will  ungenannt  bleiben. 
Ich  habe  weiterhin  eine  Karte  der  ehemaligen  Fürstlich  Fürsten- 
bergischen  Herrschaft  Kinzigtal  beigegeben,  die  mir  in  dem  Original 
von  1655  und  einer  getreuen  Kopie  von  1795  in  liebenswürdigster 
Weise  von  dem  Fürstlichen  Archiv  in  Donaueschingen  zur  Verfügung 
gestellt  wurde.  Da  die  Kopie  ein  besseres  Resultat  in  der  Wieder- 
gabe versprach,  so  habe  ich  sie  dafür  gewählt.  An  die  Einleitung 
schließt  sich  eine  Wiedergabe  der  für  das  ganze  Gebiet,  insbesondere 


.Band  VII. 


II 


VORWORT. 


für  dessen  erhaltene  Kunstdenkmäler,  wichtigsten  Wappen  an,  eine 
Arbeit  des  Herrn  HELD,  Heraldiker  am  Großh.  General-Landes-Archiv. 
Vollständigkeit  war  bei  diesem  ebenfalls  ersten  Versuch  nicht  zu 
erreichen ; es  sollten  die  Beschreibung  entlastet  und  den  Einwohnern 
der  Gegend  selbst  hoffentlich  willkommene  Anhaltspunkte  bei  etwaigen 
heraldischen  Fragen  gegeben  werden.  Die  Wappen  sind  teils  nach 
Siegeln,  teils  nach  den  sehr  schönen  Darstellungen  in  Konrad 
GrUNENBERGS  Wappenbuch  gezeichnet. 

Endlich  ist  auch  bei  den  einzelnen  Orten  ihre  Geschichte  aus- 
führlicher gegeben,  als  es  sonst  in  dem  Werke  — mit  Ausnahme 
einiger  Abteilungen  des  Bandes  IV  — geschehen  ist.  Während  der  Ab- 
fassung des  Bandes  fühlte  ich  mich  durch  die  Erwägung  dazu  veran- 
laßt, daß  der  Zweck  desselben  mit  der  einfachen  Beschreibung  nicht 
ganz  erreicht  sei : es  soll  doch  auch  draußen  im  Lande  die  Liebe  zu 
den  Denkmälern  erwecken.  Dazu  aber  glaubte  ich  den  Denkmälern 
richtiges  Leben  durch  die  Geschichte  verleihen  zu  sollen.  Insbesondere 
bin  ich  auf  die  bauliche  Entstehung  der  Städte  näher  eingegangen. 
Auch  hier,  wie  ich  betone,  ohne  archivalische  Forschungen,  nur  auf 
Grund  des  vorliegenden  Materials.  Ebenso  bei  der  Ortsgeschichte. 
Der  Fachmann  weiß,  wie  schwierig  hier  die  Verhältnisse  liegen,  wie 
insbesondere  im  frühen  und  hohen  Mittelalter  nichts  mit  Sicherheit 
zu  behaupten  ist.  Noch  fehlt  uns,  eben  der  ungeheuren  Schwierig- 
keiten halber,  die  so  wünschenswerte  Territorialgeschichte.  Meine 
Absicht  war  aber  die:  das  Buch  für  den  Benutzer  im  Lande  draußen 
brauchbar  zu  machen.  Dem  stehen  nicht  die  literarischen  Hilfsmittel 
der  großen  Stadt  zur  Verfügung,  er  kann  sich  auch  nicht  neben  diesem 
schon  kostspieligen  Bande  noch  die  wichtigen  Werke  KRIEGERS, 
GOTHEINS,  HEYCKS,  RlEZLERS  u.  a.  m.  anschaffen.  Ihm  vor  allem 
soll  mit  diesen  Abschnitten  des  Werkes  gedient  sein  — ich  bitte 
den  Fachmann,  das  bei  der  Beurteilung  zu  berücksichtigen.  Es  soll 
dem  draußen  Wohnenden  die  Hilfsmittel  der  Bibliothek  etwas  ersetzen, 
nicht  mehr,  vor  allem  nicht  dem  Gelehrten  Neues  bieten. 

Die  Beschreibung  der  prähistorisch-römisch-germanischen  Denk- 
mäler hat,  wie  immer,  Herr  Geheimrat  Dr.  E.  WAGNER  übernommen, 


VORWORT. 


III 


seine  Beiträge  sind  mit  W.  gezeichnet.  Die  kirchengeschichtlichen 
Einleitungen  bei  Allerheiligen,  Gengenbach,  Schlittern,  Wittichen 
und  Haslach  entstammen  wieder  der  Feder  des  Herrn  Professor 
Dr.  J.  SAUER  und  sind  stets  mit  5.  gezeichnet.  Alles  andere  stammt 
von  mir.  Nur  wo  über  den  verantwortlichen  Verfasser  Unklarheit 
entstehen  konnte,  habe  ich  mich  durch  Beisetzung  eines  Wth.  kennt- 
lich gemacht.  Herr  Professor  Dr.  J.  SAUER  hat  auch  die  Liebenswürdig- 
keit gehabt,  die  Korrekturen  mit  mir  zu  lesen.  Einem  nicht  genannt 
sein  wollenden  Gelehrten,  der  sich  der  gleichen  Mühe  unterzogen,  sei 
hiermit  wie  Herrn  SAUER  herzlichst  gedankt. 

Doch  bin  ich  dadurch  der  Dankesschulden  noch  nicht  ledig.  Herr 
'Oberbauinspektor  HOFMANN  in  Offenburg  hat  in  selbstlosester,  hin- 
gehendster Weise  das  Zustandekommen  des  Bandes  befördert.  Er 
hat  nicht  nur  seinen  reichen  Schatz  an  Zeichnungen  zur  Verfügung 
gestellt,  er  hat  bereitwilligst  neue  Aufnahmen  gemacht,  die  ihm  zur 
Prüfung  übersandten  Grundrisse  und  Pläne  kontrolliert  und  durch 
zahlreiche  Notizen  sowie  mit  seinem  regen  Interesse  mir  geholfen. 
Der  Bezirkspfleger  der  Altertümer,  Herr  A.  SlEFERT  in  Lahr,  hat  für 
seine  Vaterstadt  und  deren  Umgegend  seine  reichen  Kenntnisse  mir 
zufließen  lassen  und  auf  Reisen  wie  in  reger  Korrespondenz  mich 
unterstützt.  Herr  Professor  STATSMANN  in  Straßburg  hat  mit  mir 
zusammen  die  Ausgrabungen  in  Allerheiligen  geleitet,  die  dortigen 
Aufnahmen  gemacht,  und  wenn  ich  auch  als  Schreiber  des  Textes 
allein  dafür  verantwortlich  bin,  so  darf  ich  doch  sagen,  daß  ihm 
mit  die  wichtigsten  Feststellungen  über  die  Gestalt  der  Kirche  zu  ver- 
danken sind.  Herr  Regierungsbaumeister  a.  D.  O.  LINDE  in  Baden- 
Baden  hat  mir  äußerst  wertvolle  Dienste  geleistet,  insbesondere  auch 
bei  der  Feststellung  der  Städtebefestigungen.  Desgleichen  haben  die 
Herren  K.  O.  HARTMANN,  jetzt  Gewerbeschulrat  in  Stuttgart,  und 
Herr  Kunstmaler  C.  SCHUSTER  in  Freiburg  i.  Br.,  die  für  das  Werk 
zeichneten,  durch  ihre  Bemerkungen  den  Text  gefördert.  Ihnen  allen 
sei  mein  herzlichster  Dank  ausgesprochen.  Dem  Kaiserl.  Legationsrat 
Herrn  Generalkonsul  Freiherrn  R.  VON  SCHAUENBURG  sei  für  seine  Bei- 
hilfe bei  der  Beschreibung  seiner  Stammburg  lebhaft  gedankt,  ebenso  wie 

i* 


IV 


VORWORT. 


seinem  ehrwürdigen  Vater  Freiherrn  Emil  VON  SCHAUENBURG.  Nicht 
minder  herzlich  den  Herren  Direktor  SUTTERLIN  in  Lahr,  J.  G.  STRAUB 
und  A.  ARMBRUSTER  in  Wolfach,  Lindenwirt  GELDREICH  in  Ober- 
kirch  sowie  allen  Behörden  des  Landes,  insbesondere  den  Herren 
Bürgermeistern  und  Pfarrern. 

Die  Zeichnungen  sind  von  den  obengenannten  Herren  HOFMANN, 
Linde,  Statsmann,  Hartmann  und  Schuster  angefertigt  worden, 
einzelne  auch  von  Kunstmaler  C.  A.  KOCH  in  Ulm.  Einer  Hand  die 
gesamten  Aufnahmen  zu  übertragen,  war  bei  der  großen  Anzahl  nicht 
möglich,  es  konnte  daher  in  dieser  Hinsicht  keine  künstlerische  Ein- 
heitlichkeit erreicht  werden.  Die  Photographien  haben  Herr  Hofphoto- 
graph J.  KRAEMER  in  Kehl  und  Hofphotograph  W.  KRATT  in  Karls- 
ruhe aufgenommen,  einige  wenige  auch  Herr  G.  SALZER  in  Baden- 
Baden.  Die  Lichtdrucke  wurden  von  Herrn  J.  IvRAEMER  in  Kehl  und 
der  Hoflichtdruckanstalt  J.  SCHOBER  (K.  OBRIST)  in  Karlsruhe  her- 
gestellt. Letztere  Firma  hat  auch  einen  Teil  der  Autotypien  und  Zink- 
hochätzungen geliefert,  den  größeren  allerdings  die  Graphischen  Kunst- 
anstalten Meisenbach,  Riffarth  & Cie.  in  München. 

Der  C.  F.  MULLERschen  Hofbuchdruckerei  in  Karlsruhe  sei  für 
die  Sorgfalt  und  Umsicht  bei  der  Drucklegung  des  umfangreichen 
Bandes  der  allerwärmste  Dank  ausgesprochen. 

Von  einer  Teilung  des  starken  Bandes  in  zwei  Hälften  mußte 
diesmal  aus  verschiedenen  Gründen  noch  abgesehen  werden;  doch 
ist  sie  für  den  folgenden  Band,  Kreis  Baden,  bestimmt  vorgesehen. 

Karlsruhe,  November  1907. 


M.  WINGENROTH. 


EINLEITUNG. 


Zur  Ortenau  wird  im  allgemeinen  Sprachgebrauch  der  ganze  Kreis  Offen- 
burg  gerechnet,  mit  Ausnahme  etwa  des  oberen  Kinzig-  und  Gutachtales,  dazu 
vom  Kreise  Baden  die  Ämter  Achern  und  Bühl  sowie  vom  Kreise  Freiburg 
ein  Teil  des  Amtes  Ettenheim.  Das  Hanauer  Ländchen  gehört  auch  dazu,  wie 
es  in  den  obigen  Grenzen  mit  inbegriffen  ist.  Südlich  und  nördlich  bilden  die 
Grenze  die  Bleich  und  die  Oos,  im  Westen  der  Rhein,  im  Osten  die  Schnee- 
schmelze des  Schwarzwaldes.1)  Es  ist  dies  der  geographische  Begriff,  den  wir 
mit  dem  Namen  zu  verbinden  haben ; in  der  politischen  Geschichte  wird 
darunter  im  engeren  nur  die  Landvogtei  verstanden. 

In  jenem  geographischen  Sinne  also  kann  man  ohne  großen  Fehler  sagen, 
daß  in  dem  vorliegenden  Bande  die  Kunstdenkmäler  der  Ortenau  beschrieben 
werden. 

Wann  aber  kommt  der  Name  auf  und  was  bedeutet  er?  Er  erscheint 
zum  erstenmal  als  Mordunowa  763,  allerdings  in  einer  Kopie  bezw.  Fälschung 
von  1457,  dagegen  768  sicher  als  Mordenaugia.  Weiter  heißt  es  dann  Mordinuavia 
(777),  in  pago  Martinhauga  845  (Fälschung  des  n.Jhs.),  in  pagello  Mortinau- 
ginse  861,  Mortonogowa  866,  Mortunowa  888.  Ich  muß  hier  darauf  .ver- 
zichten, all  die  verschiedenen  Formen  anzuführen,  die  der  Name  im  Lauf  der 
Jahrhunderte  angenommen  hat,  und  verweise  dafür  auf  Kr i eger.2)  Mit  dem 
Ende  des  15.  Jhs.  verliert  der  Name  seinen  Anlaut  und  nähert  sich  seiner 
heutigen  Form;  es  heißt  1466  in  der  Ortnow,  1504  in  der  Ortenaw,  1507  noch 
in  der  Ortenaw  und  Mortenaw.  Von  dem  16.  Jh.  aber  verschwindet  die  letztere 
Form  und  wir  hören  nur  noch  von  der  Ortenau. 

Von  einer  sagenhaften  Erklärung  des  Namens,  die  lange  beliebt  war,  hat 
uns  Münster  in  seiner  »Cosmographey«3)  berichtet.  »Die  Mortnaw  ligt  an 
einem  gebirg,«  schreibt  er,  »rinnt  die  kintzig  dardurch,  hat  vorzeiten  die  ortnaw 
geheißen,  aber  von  wegen  der  Mörder,  deren  etwann  viel  darinn  gewesen, 
besonder  am  dorff  Humbßfelden,  das  am  Rhein  ligt,  hat  es  diesen  nammen  die 
Mortnaw  bekommen.«  Münster  spielt  hier  auf  ein  Ereignis  seiner  Zeit  an. 

1)  Kolb,  Topographisches  Lexikon  von  Baden  III,  S.  41,  und  Birlinger,  Rechtsrhein. 
Alemannien,  S.  40. 

2)  Krieger,  Topographisches  Wörterbuch  des  Großherzogtums  Baden,  Bd.  II2,  S.  434. 

3)  Basel  1574,  dccxiiij. 


VI 


EINLEITUNG. 


Damals  hauste  in  dem  Dorf  Hundsfeld  eine  Mordbande,  die  endlich  vernichtet 
werden  konnte:  das  Dorf  wurde  1580  verbrannt  und  die  Gemarkung  mit  der 
Gemarkung  Eckartsweier  vereinigt.  Damit  brachte  man  nun  den  merkwürdigen 
Namen  des  Landes  zusammen.  Eine  richtige  Erklärung  desselben  scheint  bis 
jetzt  nicht  gefunden  worden  zu  sein.  Mortun-  scheint  vordeutsch.  Die  Deu- 
tungen von  Vierordt1  (=  Moorgegend),  Förstemann2  (=  Au  des  Morto) 
und  Birlinger3  (—  kelt.  »Mori-dunum«,  »Murridunum«)  befriedigen  nach 
Krieger  nicht. 

❖ % 

Über  die  Besiedelung  des  Landes  in  prähistorischen  Zeiten  möge  man  aus 
den  Mitteilungen  des  Geheimrat  Wagner  bei  den  einzelnen  Fundorten  das 
Nötige  entnehmen,  ebenso  über  die  römischen  und  frühgermanischen  Funde. 
Es  kann  hier  nicht  versucht  werden,  daraus  ein  Gesamtbild  zu  gewinnen,  da 
unser  Gebiet  keine  besonderen  Schicksale  erlitten  hat  und  man  also  geradezu 
die  Geschichte  der  gesamten  badischen  Lande  erzählen  müßte.  Es  sei  daher 
nur  an  die  wichtigsten  Tatsachen  erinnert. 

Noch  im  2.  Jh.  unserer  Zeitrechnung  war  die  linke  wie  die  rechte  Rhein- 
ebene der  Sitz  einer  reichen  Kultur.  Kelten  und  zwar  Helvetier  waren  ihre 
Träger,  und  nach  dem  angewandten  Material  gehörte  die  Kultur  der  Bronzezeit 
an  und  zwar  der  sogen.  La  Tene-Periode.  Die  Kultur  scheint  ziemlich  hoch 
entwickelt  gewesen  zu  sein:  »der  Ackerbau  war  überall  durchgeführt,  eine  große 
gewerbliche  Kunstfertigkeit  ausgebildet,  und  dem  Verkehr  dienten  zahlreiche 
gebahnte  Wege,  die  zwar  nicht  mit  Steinoberbau  versehen,  aber  an  feuchten 
Stellen  durch  Holzeinlagen  gefestigt  waren.«1) 

Im  Laufe  des  3.  und  2.  Jhs.  v.  Chr.  scheinen  diese  Kelten -Helvetier  das 
Land  nach  und  nach  geräumt  zu  haben,  so  daß  es  ziemlich  verlassen  dalag 
und  in  der  geographischen  Überlieferung  die  Bezeichnung  Helvetier -Wüste 
sich  einbürgerte,  mochte  auch  die  Räumung  nicht  so  vollständig  gewesen  sein, 
als  es  dem  Wort  nach  klingen  möchte.  Wie  Fabricius  in  der  obencitierten 
Schrift  darstellt,  auf  die  ich  ausdrücklich  hinweisen  möchte,  mögen  dann  von 
den  Cimbern  und  Teutonen,  als  diese  den  verhängnisvollen  Zug  nach  Italien 
antraten,  sich  einzelne  Scharen  losgelöst  haben,  in  der  Rheinebene  zurück- 
geblieben sein,  nach  der  Niederlage  ihrer  Stammesgenossen  sich  in  die  Helvetier- 
Wüste  gerettet  und  in  Miltenberg  eine  Zuflucht  gefunden  haben. 

Damit  beginnt  die  Wiederbesiedelung  des  Landes,  das  immer  mehr  von 
wandernden  Germanenscharen  heimgesucht  wurde.  Nach  der  Niederlage  Ariovists 
durch  Cäsar  haben  einige  der  Völkerschaften,  die  ihm  gefolgt  waren,  auf  das 
östliche  Rheinufer  sich  zurückgezogen,  darunter  auch  Markomannen,  doch  wissen 
wir  nicht,  wo  z.  B.  letztere  sich  niedergelassen  und  ob  sie  überhaupt  zur  Seß- 

!)  Die  Besitznahme  Badens  durch  die  Römer,  von  E.  Fabricius,  Neujahrsblatt  der  Bad. 
histor.  Komm.  1905,  S.  17. 


EINLEITUNG. 


VII 


haftigkeit  übergegangen  sind.  Durch  den  Sieg  Casars  war  das  Vordrängen  der 
Germanen  ins  Stocken  gekommen,  und  der  Rhein  blieb  zunächst  die  Grenze. 
Da  unsere  Vorfahren  es  aber  liebten,  zwischen  sich  und  den  Nachbarn  Ödland 
zu  lassen,  so  dürfen  wir  an  keine  große  Besiedelung  des  Landes  denken.  Die 
ersten  70  Jahre  unserer  Zeitrechnung  lag  unser  Land  ziemlich  verlassen  da, 
zumal  Rom  nach  der  Teutoburger  Schlacht  auf  eine  Ausdehnung  seiner  Macht 
über  den  Rhein  verzichtete.  Auch  Rom  wußte  es  zu  schätzen,  daß  zwischen 
ihm  und  den  unruhigen  Germanen  nur  wenig  bewohntes,  ödes  Land  war,  und 
versagte  noch  i.  J.  58  die  Ansiedelung.  Unter  Vespasian  aber  trat  eine  Änderung 
in  dieser  Politik  ein,  sein  Werk  ist  die  Besitzergreifung  unseres  Gebietes,  der 
Vorstoß  erfolgte  in  den  Jahren  73  und  74  unter  dem  Befehlshaber  des  ober- 
germanischen Heeres,  Cn.  Pinarius  Cornelius  Clemens,  der  damals,  noch  während 
des  Krieges,  eine  Militärstraße  von  Straßburg  aus  über  den  Rhein  durch  das 
Kinzigtal  und  über  den  Schwarzwald  hinweg  bis  zur  Donau  erbauen  ließ.  In 
Offenburg  haben  sich  steinerne  Dokumente  derselben  erhalten.  An  dieser  Straße 
lagen  wohl  die  ersten  römischen  Ansiedelungen  im  Lande  oder  Lager,  deren 
Spuren  wir  eben  in  Offenburg  wie  in  Gengenbach  und  Haslach  finden.  Hinter 
Schiltach  erstieg  die  Straße,  heute  noch  deutlich  sichtbar,  die  Höhe.  Das  Land, 
dessen  Wiederbesiedelung  nun  in  die  Wege  geleitet  wurde,  ist  wohl  als  kaiser- 
liche Domäne  behandelt  worden  — soweit  es  nicht  von  abhängigen  Germanen 
bewohnt  war  — , deren  Teile  verpachtet  wurden:  so  entstanden  die  Dekumaten- 
äcker.  Das  rechtsrheinische  Gebiet  aber  wurde  mit  der  Provinz  Germania 
Superior  vereinigt.  In  der  Zeit  Trajans  erfolgte  dann  der  Ausbau  des  inneren 
Straßennetzes;  damals  (etwa  100  n.  Chr.)  wurde  die  Bergstraße  angelegt,  die  am 
Fuße  des  Gebirges  in  nordsüdlicher  Richtung  die  Rheinebene  durchzieht,  wohl 
bis  zum  Rheinübergange  bei  Augusta-Raurica,  Basel-Augst,  führte  und  sich  in 
Offenburg  mit  der  Kinzigtalstraße  kreuzte.  An  ihr  liegen  denn  auch  die  weiteren 
Fundstätten  unserer  Gegend,  so  Dinglingen. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  2.  Jhs.  n.  Chr.  scheinen  die  Germanenvölker  von 
neuem  in  Bewegung  geraten  zu  sein;  es  erfolgten  die  ersten  Vorstöße  gegen 
das  römische  Gebiet,  und  dieses  Drängen  nahm  nun  stetig  zu.  213  erfolgte  der 
erste  große  Ale  manne  neinfall,  notdürftig  wurde  Frieden  geschlossen,  der 
Grenzwall  aufs  äußerste  verstärkt,  was  aber  natürlich  im  Kriege  nutzlos  war. 
Dem  erneuten  Sturme  der  Alemannen  235  hielt  er  nicht  stand,  ein  Teil  der 
Kastelle  ist  schon  damals  zerstört  worden,  nur  mit  Not  wurden  die  wichtigsten 
Punkte  über  das  Jahr  250  hinaus  gehalten.  »Seit  dem  Jahre  260  aber  war  das 
Land  auf  der  rechten  Seite  des  Rheins  dem  römischen  Reiche  für  immer 
verloren.« x) 

Die  Römer  mögen  zuerst  das  Christentum  in  unsere  Lande  gebracht  haben, 
und  es  sei  versucht,  seinen  Spuren,  den  Anfängen  unserer  Kirchengeschichte 


1)  Fabricius,  S.  88. 


VIII 


EINLEITUNG. 


zunächst  einmal  nachzugehen.  (Wth.)  So  wenig  aber  sich  eine  einheitliche  und 
lückenlose  Darstellung  der  geschichtlichen  Entwickelung  der  Kirche  im  Bereiche 
von  Baden  geben  läßt,  so  wenig  oder  noch  viel  weniger  läßt  sich  der  kirchen- 
geschichtliche Verlauf  für  einen  Teil  von  Baden  in  ein  einheitliches,  geschlossenes 
Bild  zusammenfassen.  Hier  noch  weit  mehr  als  bei  der  Rekonstruktion  des 
Geschichtsverlaufes  in  dem  erst  neuerdings  zur  geographischen  Einheit  gewordenen 
Baden  zerfällt  die  Darstellung  der  Vergangenheit  in  Einzelbetrachtungen,  zwischen 
denen  oft  genug  kein  innerer  Zusammenhang  besteht  und  auch  bezüglich  der 
äußeren  Fakta  große  und  bedauerliche  Lücken  gähnen.  Die  Aufgabe  des  Kirchen- 
historikers stellt  sich  demnach  erst  recht  als  ein  »colligere  fragmenta«  dar;  und 
oft  genug  muß  er,  namentlich  für  die  älteste  und  interessanteste  Zeit,  die  all- 
gemeinen geschichtlichen  Verhältnisse  des  gesamten  Gebietes  als  typisch  auch 
für  dessen  einzelne  Teile  zu  Hilfe  nehmen. 

Daß  das  Christentum  bereits  unter  römischer  Okkupation  wie  im  Deku- 
matenland  überhaupt  so  auch  im  heutigen  Baden  Eingang  gefunden  hatte,  wird 
heute  kaum  mehr  zu  bestreiten  sein,  wie  auch  Hauck  die  Wahrscheinlichkeit 
dieser  Annahme  anstandslos  zugibt.1)  Diese  älteste  Christianisierung  unserer 
Lande  muß  aber  lokal  wie  quantitativ  sehr  beschränkt  gewesen  sein ; sie  bestand 
in  der  Hauptsache  wohl  nur  aus  einigen  Ansiedelungen  von  Christen  in  den 
römischen  Niederlassungen.  Schon  die  Spärlichkeit  irgendwelcher  monumentaler 
Zeugnisse  zeigt  das  mit  wünschenswerter  Klarheit.  Aus  der  ganzen  vorkonstan- 
tinischen  Zeit  hat  Baden  nur  ein  einziges  Dokument  von  christlichem  Charakter 
aufzuweisen : das  gnostische  Amulett,  das  in  den  Ruinen  von  Badenweiler 
gefunden  wurde.  Der  gnostisch-christliche  Mischmasch  seines  Inhaltes  ist  eine 
charakteristische  Probe  von  den  synkretistischen  Strömungen  jener  Übergangs- 
zeit, denen  ja  schließlich  auch  der  weitverbreitete  Mithraskult  angehört.  In  dem 
Gemeng  von  griechischen  und  lateinischen  Worten  und  Namen  ist  jene  Amulett- 
umschrift zudem  noch  ein  deutlicher  Hinweis  darauf,  daß  die  ältesten  Träger 
und  Vertreter  des  Christentums  bei  uns  vielfach  dem  östlichen  Reichsgebiet 
angehörten.  Ein  sehr  großer  Prozentsatz  der  ältesten  christlichen  Grabinschriften 
bezieht  sich  auf  syrische  oder  sonstige  orientalische  Kaufleute;  und  einem  solchen, 
vielleicht  auch  einem  ausgedienten,  wohl  ägyptischen  Militär  mochte  das  Baden- 
weilerer  Beschwörungstäfelchen  gehört  haben.2) 

Etwa  unter  Kaiser  Gallienus  (260  bis  268)  dürfte  das  Dekumatenland  und 
damit  auch  Baden  den  Alemannen  zugefallen  sein,  und  zeitweilig  dehnte  dieser 
Stamm  seinen  Besitz  noch  weit  über  das  linke  Rheinufer  nach  Rätien  und  Gallien 
hinein  aus.  Im  3.  und  4.  Jh.  konnten  verschiedene  Erfolge  der  Römer  unter  den 

*)  Hauck,  Kirchengesch.  Deutschlands  I (1904),  S.  94. 

2)  Vgl.  über  diesen  jetzt  ;n  den  Karlsruher  Sammlungen  befindlichen  Gegenstand  Kraus, 
Christi.  Inschriften  der  Rheinlande  I,  S.  7 ff.,  wo  die  frühere  Literatur  verzeichnet  und  verwertet  ist; 
ferner  Kunstdenkmäler  von  Baden,  Kreis  Lörrach,  S.  91,  und  Cabrol,  Dictionaire  d’arch.  ehret.  I 
(Paris  1905),  p.  1837. 


EINLEITUNG. 


IX 


Kaisern  Probus,  Julianus  und  Valentinianus  wenigstens  die  Rheinlinie  als  Grenze 
sichern,  aber  aus  dem  rechtsrheinischen  Gebiet  konnten  die  Alemannen  nicht 
mehr  verdrängt  werden,  und  im  5.  Jh.  drangen  sie  überall  über  den  Rhein  südlich 
und  westwärts  vor.  Am  Ende  dieses  letzteren  Jahrhunderts  jedoch  scheint  ihre 
Expansionskraft  an  der  kompakteren  Masse  der  Franken  sich  gebrochen  zu 
haben.  Ein  zweimaliger  blutiger  Waffengang  entschied  zuungunsten  der  Ale- 
mannen; sie  erkannten  jetzt  die  Oberherrschaft  der  Franken  an,  während  ein 
Teil  sich  südlich  auf  das  Gebiet  des  Ostgotenkönigs  Theoderich,  etwa  die  heutige 
Schweiz,  zurückzog,  geschieden  vom  fränkischen  Alemannien  wohl  durch  den 
Rhein,  536  aber  gleichfalls  an  die  Franken  kam.  Die  Alemannen  waren  zur 
Zeit  dieses  letzteren  Ereignisses,  als  Volksstamm  betrachtet,  sicherlich  noch 
Heiden.  Vereinzelte  Christen  hat  es  aber  jedenfalls  schon  gegeben.  Die  enge 
Berührung  mit  den  Ostgoten  scheint  da  und  dort  dem  Arianismus  schon  im 
5.  Jh.  Eingang  verschafft  zu  haben,  wenigstens  berichtet  Eugippius  (Vita  Severini 
c.  19)  von  einem  arianischen  Alemannenherzog  Gibuld.  Wenn  sich  von  den 
römischen  Anfängen  des  Christentums  im  Dekumatenland  etwas  noch  nach  der 
Rückeroberung  durch  die  Alemannen  erhalten  hat,  so  kann  es  nur  ein  kümmer- 
liches Dasein  gefristet  haben  und  wohl  auch  nur  in  der  Nähe  der  linksrheinischen 
Bistümer  Augst,  Windisch,  Straßburg,  die,  wie  man  annehmen  darf,  die  Stürme 
dieser  Umwälzungen  überdauert  haben.  Die  nationale  Antipathie  gegen  die 
Römer  machte  am  Anfang  sicher  jegliche  Annäherung  der  »immanis  natio«  an 
das  von  jenen  vertretene  Bekenntnis  unmöglich.  Dagegen  haben  ohne  Zweifel 
die  unaufhörlich  im  4.  und  5.  Jh.  über  den  Rhein  bis  tief  ins  romanisierte  Gallien 
unternommenen  Beutezüge  zahlreiche  christliche  Kriegsgefangene  ins  alemannische 
Gebiet  gebracht.  Als  der  Herzog  Rando  zu  Anfang  des  5.  Jhs.  Mainz  überfiel, 
führte  er  die  gerade  beim  Gottesdienst  versammelten  und  wehrlosen  Christen 
»cum  supellectili  non  parva«  mit  sich.1)  Im  6.  Jh.  müssen  sich  diese  immerhin 
dürftigen  Anfänge  schon  bedeutend  konsolidiert  haben;  denn  das  aus  dem  Ende 
dieses  Jahrhunderts  stammende  alemannische  Gesetzfragment  hatte  in  einer 
Bestimmung  auch  christliche  Verhältnisse  im  Auge;  allerdings  dürfte  um  diese 
Zeit,  wenn  wir  dem  Zeugnis  des  Agathias  Glauben  schenken,  der  Alemannen- 
stamm als  Ganzes  noch  heidnisch  gewesen  sein,2)  insofern  er  noch  Basiliken 
und  deren  Metallbedachung  auf  Raubzügen  nach  Oberitalien  plündert  und  Pferde- 
opfer darbringt.  Auch  für  Columban  ist  das  Alemannenvolk  noch  zu  Anfang 
des  7.  Jhs.  heidnisch. 

In  diese  Übergangszeit  hat  man  die  Anfänge  der  Christianisierung  der 
germanischen  Bevölkerung  in  Baden  zu  verlegen  und  auch  die  ersten  spär- 
lichen Zeugnisse  dafür.  Das  wichtigste  und  älteste  ist  der  Silberlöffel,  der  in 
einem  Grab  bei  Sasbach  am  Kaiserstuhl  gefunden  wurde.  Solche  Funde  sind 


9 Ammianus  Marcel!  XXVII,  io.  2. 

2)  Agath.,  Hist.  II,  i ; I,  7. 


X 


EINLEITUNG. 


auch  sonst  noch  im  alemannischen  Gebiet  gemacht  worden,  wie  in  Sierck,  in  Metz, 
in  Sindelfingen,  Espweiler,  Gültlingen  und  Heilbronn.  Die  Bedeutung  solcher 
Löffel  kann  meines  Erachtens  eine  sehr  verschiedene  sein,  und  auch  die  ins 
Grab  mitgegebenen  könnte  man  zunächst  als  einfach  aus  dem  Profangebrauch 
stammende  Grabbeigaben  zu  betrachten  geneigt  sein.  Indes  trägt  der  Sasbacher 
Löffel  den  Namen  Andreas  mit  der  späteren,  seit  der  Mitte  des  4.  Jhs.  vor- 
kommenden Form  des  Monogramms  Christi.  Und  auch  anderwärts  begegnen 
uns  Apostelnamen  — denn  anders  ist  wohl  der  Name  Andreas  nicht  zu  deuten  J)  — 
wie  Johannes,  Matthias,  Matthaios,  Marcos,  Lucas  auf  Löffeln.  Im  Kirchenschatz 
zu  Auxerre  werden  aus  dem  frühen  Mittelalter  zwölf  Apostellöffel  zusammen 
genannt.  Wiederholt  werden  auch  Stiftungen  von  Löffeln  für  Kirchen  erwähnt. 
Die  Beziehung  solcher  Kirchenlöffel  auf  die  zwölf  Apostel  wie  auch  die  Tat- 
sache, daß  in  der  griechischen  Liturgie  die  h.  Kommunion  mittels  eines  Löffels 
gespendet  wurde,  dürften  doch  wohl  genügende  Grundlage  sein,  diesem  Gegen- 
stand eine  liturgische  Bedeutung  zuzuschreiben.  Man  hat  allerdings  darauf 
hingewiesen,  daß  die  römische  Kirche  den  Gebrauch  eines  Löffels  bei  der  Messe 
nicht  kennt,  ja  ihn  im  Gegensatz  zur  griechischen  Kirche  verwirft.  Dabei  hat 
man  aber  übersehen,  daß  die  älteste  Liturgie  in  Gallien-Germanien  nicht  römisch, 
sondern  gallikanisch  war  und  die  engste  Beziehung  zum  Orient  hatte,  wie  auch 
die  Liturgien  von  Ravenna  und  Mailand.  Gerade  in  Oberitalien  aber  wird  uns 
mehrfach  die  liturgische  Rolle  des  Löffels  durch  literarische  wie  monumentale 
Zeugnisse  verbürgt.  Wie  hat  man  sich  aber  die  Mitgabe  solcher  Löffel  ins  Grab 
zu  erklären?  Hofrat  Schliz,  der  den  Heilbronner  Fund  bearbeitet  hat,2) 
betrachtet  den  Löffel  als  Beutestück  aus  christlichem  Gebiet,  das  den  heidnischen 
Germanen  als  geheimnisvoller  Zauber  mit  ins  Grab  gegeben  wurde.  Nun  fand 
sich  der  Heilbronner  Löffel  zusammen  mit  einem  interessanten  Elfenbeindiptychon 
im  Grab  eines  Alemannen.  Im  Boden  des  Löffels  ist  die  Inschrift  Posenna  vivas 
eingegraben.  Ein  anderer  Löffel,  der  in  Espweiler  gefunden  wurde,  trägt  auf 
der  Kehrseite  die  Inschrift  Luciliane  vivas  zwischen  zwei  auf  blühenden  Zweigen 
sitzenden  Tauben.  Gerade  die  letztere  Inschrift  mit  ihren  auf  das  Paradies  und 
seine  Freuden  hinweisenden  Symbolen  schließt  meines  Erachtens  jede  andere 
außer  der  Funeralbedeutung  aus.  Das  Vivas  ist  eine  der  ständig  wiederkehrenden 
Grabformeln  der  Christen,  die  Weiterführung  des  Wortes  des  Herrn:  Qui  credit 
in  me,  vivet  et  non  morietur  in  aeternum.  Diesem  auf  dem  biblischen  Wort 
sich  aufbauenden  Abschiedsgruß  gab  man  noch  einen  besonderen  Nachdruck, 
indem  man  den  Toten  durch  den  liturgischen  Gebrauch  geheiligte  Gegenstände 
mit  ins  Grab  gab.  Sie  sollten  als  Amulette  im  guten  und  erlaubten  Sinn  die 
Grabesruhe  der  Verstorbenen  gegen  alle  dämonische  Zudringlichkeit  sicherstellen. 

*)  Nur  wenn  man  die  frisch-freie,  von  allen  geschichtlichen  Voraussetzungen  absehende  Inter- 
pretationsmanier F.  M o n e s besitzt,  kann  man  darin  auch  den  Namen  des  Goldschmieds  sehen 
(Die  bildenden  Künste  in  Baden  XIV,  37). 

a)  Histor.Verein  Heilbronn,  Bericht  aus  den  Jahren  1900  bis  1903,  Heft  VII (Heilbronn  1904),  S.23fl. 


EINLEITUNG. 


XI 


Das  häufige  Vorkommen  des  Löffels  in  Gräbern  scheint  mir  demnach  geradezu 
die  ursprünglich  liturgische  Bedeutung  solcher  Löffel  zu  bestätigen.  Wie  man 
den  Leichen  oft  Goldgläser,  die  vorher  bei  den  Agapen  gedient,  wie  man  ihnen 
selbst  gegen  das  ausdrückliche  Verbot  der  Kirche  die  Eucharistie  selbst  mit  ins 
Grab  gab,  so  gewiß  auch  die  Utensilien,  die  bei  der  Ausspendung  der  eucha- 
ristischen  Gestalten  ehedem  gedient  hatten.  Wie  somit  die  zwei  Löffel  von 
Heilbronn  und  Espweiler  unzweifelhaft  einem  Christen  und  zwar  aus  einem 
christlich-religiösen  Motiv  ins  Grab  beigelegt  wurden,  so  müssen  wir  auch  bei 
den  anderen  im  alemannischen  Gebiet  in  Gräbern  der  gleichen  Zeit  gefundenen 
Löffeln  dieselbe  Bedeutung  annehmen. 

Im  Laufe  des  7.  Jhs.  wuchsen  sich  die  vorher  noch  spärlichen  Anfänge  des 
Christentums  rasch  aus,  dank  einer  Anzahl  bemerkenswerter  Umstände.  Schon 
der  Verkehr  alemannischer  Großen  am  fränkischen  Hofe  führte  diese  früh  bereits 
dem  Christentum  zu;1)  sodann  haben  die  Grenzbischofsitze  sicherlich  auch  das 
Ihrige  zur  weiteren  Ausbreitung  des  göttlichen  Samenkornes  getan.  Am  nach- 
haltigsten aber  wirkte  der  Einfluß  der  Franken  selbst.  Dadurch,  daß  den  Franken 
offenbar  infolge  der  verschiedenen  Siege  über  die  Alemannen  eine  große  Anzahl 
Krongüter  zufielen,  war  Gelegenheit  geboten  und  auch  durchweg  ausgenutzt, 
auf  alemannischem  Boden  bei  den  einzelnen  fiskalischen  Höfen  Kirchen  zu 
errichten,  in  denen  wir  wohl  die  Uransätze  zur  Gemeindeorganisation  zu  erblicken 
haben.  Es  ist  denkbar,  daß  Gotteshäuser  wie  die  Severinskirche  bei  Denzlingen, 
die  Kirche  in  Burgheim  bei  Lahr  u.  a.  auf  solche  Anfänge  zurückreichen.  Der- 
artige frühfränkische  Kirchen  tragen  zum  Teil  heute  noch  ihren  Ursprungs- 
stempel in  ihrem  Patronus  an  sich.  Ein  sehr  großer  Prozentsatz  der  ältesten 
Kirchen  ist  dem  fränkischen  Nationalheiligen  Martinus  geweiht,  andere  dem 
h.  Hilarius  von  Poitiers  oder  anderen  fränkischen  Heiligen  wie  dem  Remigius, 
Vincentius,  Germanus,  Leonhard,  Urbanus,  Pancratius.  In  nicht  wenigen  Tituli 
und  Patronen  spiegeln  sich  auch  die  orientalischen  Elemente  der  gallikanischen 
Liturgie  der  Franken  wieder,  wie  im  Titulus  des  Kreuzes  (Ebersweier,  Münch- 
weier, Offenburg),  der  wohl  von  Poitiers  aus  zu  uns  kam,  oder  in  dem  sehr  oft 
vorkommenden  Patronat  des  Erzengels  Michael.  Man  bringt  ihn  gewöhnlich  mit 
irgendeiner  germanischen  Gottheit  in  Zusammenhang,2)  indes  wie  erklärt  man 
sich  dann  das  Vorkommen  des  h.  Michael  überall  da,  wo  orientalische  Liturgie 
oder  ihre  Einflüsse  wirksam  waren  (Ravenna,  Süditalien,  Küste  von  Gallien)? 
Dabei  soll  keinen  Augenblick  bestritten  werden,  daß  nicht  nebenher  auch  Rück- 
sichten auf  altgermanische  Kultstätten  da  und  dort  die  Wahl  gerade  dieses 
Patrons  bedingt  haben,  vor  allem  wenn  solche  Kirchen,  wie  in  Riegel,  Unter- 
grombach, bei  Heidelberg,  in  Haigerach,  auf  Anhöhen  lagen.  Gerade  bei  letzteren 
ist  aber  stets  im  Auge  zu  behalten,  daß  es  sich  sehr  oft  einfach  nur  um  eine 


1)  Vgl.  Agathias  I,  7. 

2)  Bossert,  Württemb.  Kirchengesch.  (Calw  1893),  S.  15  ff. 


XII 


EINLEITUNG. 


Nachahmung  des  Mont  Michel  in  der  Normandie  handelt.  Im  Patronatsverhältnis 
des  h.  Michael  zu  vielen  etwas  späteren  Kirchen  ist  sein  doppelter  Charakter 
sodann  verkörpert,  einmal  der  Charakter  eines  Seelengeleiters  (des  »signifer 
sanctus  Michael,  qui  repraesentet  animas  in  triem  sanctum«),  den  man  um  ein 
gutes  Geleit  in  der  Commendatio  animae  wie  im  Totenoffizium  anrief  (daher 
Patron  der  Kirchhofkapellen),  sodann  der  Charakter  des  streitbaren  Gottes- 
kämpfers, der  als  Schlachtenherr  und  Bannerheiliger  der  Deutschen  früh  schon 
nachweisbar  ist  (daher  oft  Patron  von  Burgkapellen). *) 

Weit  mehr  aber  als  all  die  genannten  Momente  trug  zur  Grundlegung  und 
Organisierung  des  Christentums  die  unter  der  Anregung  und  politischen  Unter- 
stützung der  Frankenkönige  sich  vollziehende,  durch  professionelle  Missionäre 
systematisch  vorgenommene  Christianisierung  im  7.  und  8.  Jh.  bei.  Uber  eine 
Anzahl  der  ältesten  bei  uns  wirksamen  Mönchmissionäre,  wie  Fridolin,  Landolin, 
Trudpert,  berichten  nur  spätere  Legenden,  deren  historische  Zuverlässigkeit  nicht 
durchweg  gesichert  ist ; viel  besser  ist  der  h.  Columban  bekannt,  der  im  süd- 
westlichen und  südlichen  Gebiet  Alemanniens  tätig  war  und  durch  die  Gründung 
seines  Schülers,  S.  Gallen,  auch  in  Baden  bis  tief  nach  Norden  durch  weit  aus- 
gedehnten Besitz  Einfluß  bekam,  wie  sich  aus  den  zahlreichen  altes  S.  gallisches 
Gebiet  meist  anzeigenden  Galluskirchen* 2)  ersehen  läßt.  Diese  Sendboten  des 
Christentums  waren  fast  durchweg  Iroschotten.  Völlig  verschieden  von  den 
fränkischen  Mönchen,  die  wie  die  orientalischen  Asketen  ein  völlig  aktionsloses 
Leben  führten  und  in  keiner  Weise  Einflußnahme  auf  ihre  Umgebung  anstrebten, 
brachten  diese  Insulaner  alle  Erfordernisse  eines  Missionarius  Apostolicus  mit: 
vor  allem  Unerschrockenheit  allen  Gefahren  und  Entbehrungen  gegenüber  und 
einen  rastlos  unsteten  Waiidertrieb.  In  dieser  nomadenhaften  Gestaltung  des 
ältesten  germanischen  Christentums  bei  uns  ist  auch  der  Grund  zu  suchen,  wes- 
halb keinerlei  monumentale  Erinnerungen  von  der  römischen  Übergangszeit  bis 
herauf  ins  9.  Jh.  bei  uns  erhalten  sind. 

Die  ältesten  und  zahlreichsten  klösterlichen  Zentren  des  Frühchristen- 
tums in  Baden  sind  in  Mittelbaden,  in  der  Mortenau,  zu  suchen.  Die  Einwirkung 
von  fränkischem  Gebiet  aus  auf  dem  Weg  über  Straßburg  ist  hier  unverkennbar; 
außerdem  scheint  gerade  dieser  Teil  des  badischen  Landes  dem  fränkischen 
Einfluß  ganz  besonders  unterstellt  gewesen  zu  sein.  Wir  haben  hier  in  geringer 
Entfernung  voneinander  die  Gründungen  von  Ettenheimmünster,  Schuttern,  Gengen- 
bach, Honau  und  Schwarzach,  wovon  die  zwei  ersteren  vielleicht  noch  ins  7.  Jh. 
hinab  reichen,  während  die  anderen  sicher  in  der  ersten  Hälfte  des  8.  Jhs.  ent- 
standen sind.  Das  Gebiet  scheint  zu  einem  großen  I eil  fiskalisch  gewesen  zu 
sein;  so  dürfte  es  erklärlich  werden,  weshalb  dem  Frankenkönig  unterstellte  Ale- 

B Andere  alte  Michaelskirchen  in  unserm  Kreise  sind  in  Appenweier,  Honau,  Sand,  Schutter- 
zell, Unterharmersbach. 

2)  Im  Kreis  Offenburg  in  Hofweier,  Ottenheim,  Oberharmersbach. 


EINLEITUNG. 


xin 


mannenherzöge  oder  auch  fränkische  Gaugrafen  wie  Rudhardus  oder  Adeibert 
mit  der  Gründung  von  Schwarzach  und  Gengenbach  bezw.  von  Honau,  d.  h.  mit 
deren  Dotierung,  in  Beziehung  gebracht  und  weshalb  sehr  viel  später  Heinrich  II. 
diese  Klöster,  wie  Schuttern  und  Gengenbach,  dem  neugegründeten  Bistum  Bam- 
berg zuweisen  konnte.  Und  auch  weiterhin  treten  uns  hier  Inhaber  von  Reichs- 
lehen und  eine  enge  Verquickung  der  Schicksale  dieser  Gegend  und  ihrer  Klöster 
mit  der  Reichspolitik  entgegen. 

In  ihren  Anfängen  waren  diese  klösterlichen  Niederlassungen  (Ettenheim- 
münster  und  Schuttern,  vielleicht  auch  noch  Honau)  ursprünglich  Einsiedeleien, 
so  wie  wir  es  auch  von  den  Anfängen  des  Klosters  Münster  in  Gregorienthai 
(Elsaß)  wissen.  Eine  feste,  für  alle  Lagen  bindende  Regel  scheint  nicht  bestanden 
zu  haben;  auch  die  Einwirkung  auf  die  umwohnende  Bevölkerung  dürfte,  nach 
den  kümmerlichen  Nachrichten  zu  schließen,  nicht  sehr  groß  gewesen  sein. 
Solche  Niederlassungen  bestanden  entweder  für  sich  (Schwarzach,  Honau,  Etten- 
heimmünster)  oder  knüpften  an  schon  vorhandene  civile  Gemeinden  an  (wie  in 
Schuttern  und  wohl  auch  in  Gengenbach).  Möglich,  daß  die  nationale  Sonderart 
dieser  Iren  oder,  wie  sie  im  damaligen  Sprachgebrauch  hießen,  Schotten,  eine 
Annäherung  mindestens  erschwerte;  erst  allmählich  ist  wohl  auch  der  Einheimische 
solchen  Niederlassungen  beigetreten.  Aber  noch  in  den  Tagen  Ludwigs  des 
Frommen  zeigen  uns  die  Klosterlisten  einen  großen  Prozentsatz  Iroschotten. 
Eine  gründliche  Reform  dieser  Mönchsgründungen  und  damit  eine  Herbeiführung 
einheitlich  geordneter  und  gefestigter  Zustände  erfolgte  durch  die  Einführung 
der  Benediktinerregel  im  ersten  Viertel  des  8.  Jhs.  Diese  Reform  ist  in  der 
Hauptsache  das  Werk  Pirmins  (gest.  753),  der  außer  verschiedenen  elsässischen 
Klöstern  bei  uns  Gengenbach,  Schwarzach  und  Schuttern  gründete  bezw.  der 
neuen  Regel  zuführte. 

Auf  die  innerkirchlichen  Verhältnisse  in  den  alemannischen  Landen  wirft 
das  in  der  ersten  Hälfte  des  8.  Jhs.  entstandene  Stammesgesetz  scharfe  Streif- 
lichter.1) Das  Volk  ist  der  Hauptsache  nach  christlich,  enthält  aber  noch  einen 
größeren  Prozentsatz  Heiden.  Den  kirchlichen  Personen  und  Einrichtungen  ist 
überall  die  erste  Stelle  eingeräumt,  aber  das  moralische  Niveau  ist,  wie  sich 
aus  all  den  Bestimmungen  ergibt,  ein  nicht  sehr  hohes.  Die  Kirchen  scheinen 
klein  und  sogar  ohne  das  sonst  übliche  Atrium  gewesen  zu  sein,  so  daß  Asyl- 
suchende sich  in  das  Innere  flüchten  mußten.  Im  übrigen  war  das  kirchliche 
Leben  völlig  schon  organisiert ; es  werden  uns  Bischöfe  ebensowohl  wie  Presbyter 
und  Diakone  bezeugt.  Für  uns  kommt  hier  allein  das  Bistum  Straßburg,  dessen 
Grenzen  teilweise  mit  denen  des  nördlichsten  Teiles  alemannischer  Lande  zu- 
sammenlaufen, in  Betracht.  Der  badische  Teil  dieses  Bistums,  der  offenbar  erst 
nachträglich,  infolge  der  Missionierung,  hinzukam,  umfaßte  die  drei  Landkapitel 

■*■)  Vgl.  die  Ausgabe  von  K.  Lehmann  in  Mon.  Germ.  Legg.  V S.  1 (Hannover  1888),  dazu 
Hauck,  Kirchengesch.  Deutschlands  I,  S.  343  ff. 


XIV 


EINLEITUNG. 


(Lahr,  Offenburg,  Ottersweier),  die  das  sechste  Archidiakonat  (seit  12.  Jh.  nach- 
weisbar) des  Bistums,  Ultra  Rhenum,1)  bildeten.  In  der  frühesten  Zeit  begegnen 
uns  in  Honau  Chorbischöfe,  die  zugleich  Äbte  waren.  Ihnen  kamen  offenbar  für 
einen  Teil  dieses  rechtsrheinischen  Sprengels  in  Unterordnung  unter  den  eigent- 
lichen Stadtbischof  gewisse  Rechte  für  das  Land  zu;  der  spätere  »Chorbischof« 
ist  dann  nur  identisch  mit  Archidiakon  und  partizipiert  als  solcher  an  der  Ver- 
waltung der  Diözese.  (S.) 

* * 

❖ 

Uber  die  innere  wirtschaftliche  und  politische  Geschichte  des 
Landes  unter  den  Alemannen  und  Franken  steht  noch  so  wenig  gesichert  fest, 
daß  wir  nur  mit  äußerster  Vorsicht  einige  Andeutungen  geben  können.  Zur 
Zeit,  als  die  ersten  Alemannenscharen  sich  zum  Anstürme  gegen  das  Deku- 
matenland  rüsteten,  dürften  ihre  rechtlichen  und  wirtschaftlichen  Ordnungen  im 
ganzen  noch  dem  von  Tacitus  gezeichneten  Bilde  nahegestanden  sein.2)  Schon 
zu  Cäsars  Zeit  macht  sich  der  Übergang  von  einer  rein  militärischen  zu  einer 
landschaftlichen  Gliederung  bemerkbar,  wenn  wir  von  den  angeblich  ioo  Gauen 
der  Sueben  hören,  von  denen  jeder  angeblich  1000  Mann  zur  Heerfahrt  stellte 
und  ebenso  viele  zu  friedlicher  Arbeit  daheimließ.  3)  »Zu  Tacitus’  Zeit  war  der 
Gau  bereits  zu  einem  räumlich  abgegrenzten  Gebiete  geworden.«  4)  Auch  die 
sonstigen  militärischen  Gliederungen,  von  denen  wir  wissen,  galten  für  Rechts- 
und Wirtschaftsleben,  so  die  Abteilung  in  Hundertschaften  und  die  untersten 
Abteilungen  der  Sippschaften.  Zur  Zeit  des  Tacitus  scheinen  Sippennieder- 
lassungen bereits  existiert  zu  haben,  die  aus  einem  oder  mehreren  Höfen 
bestanden. 

Durch  die  römischen  Geschichtschreiber  hören  wir  aus  der  Epoche,  da 
die  Alemannen  die  rechte  Rheinebene  besetzt  hatten,  von  vielen  gleichzeitigen 
Gaufürsten  oder  Königen,  besonders  zu  den  Zeiten  Julians,  aber  von  den  Namen 
der  einzelnen  Gaue  erfahren  wir  nur  wenige,  so  den  des  Breisgaus.  Mit  der 
Zeit  verwischte  sich  die  Sonderstellung  der  Gaue  sowie  ihre  landschaftliche 
Abgrenzung,  und  statt  der  früheren  Vielzahl  von  Fürsten  und  Königen  finden 
wir  im  5-Jh.  bei  den  Alemannen  nur  einen  Herrscher.5)  Auch  dieser  Zusammen- 
schluß aber  war  nicht  mein;  im  stände,  den  übermächtigen  Ansturm  der  Franken 
zu  bekämpfen.  In  zwei  Feldzügen  — wie  jetzt  angenommen  wird,  allerdings 
nicht  ohne  Widerspruch  — wurden  die  Alemannen  unterworfen;  der  Kampf 

*)  Vgl.  Baumgartner,  Gesch.  und  Recht  des  Archidiakonates  der  oberrheinischen  Bistümer 
(Stuttg.  1907),  S.  74. 

2)  K.  Weller,  Die  Besiedelung  des  Alemannenlandes,  Württemberg.  Vierteljahrshefte  NF. 
VII  (1898),  S.  300. 

3)  Ebenda,  sowie  Schröder,  Lehrbuch  der  deutschen  Rechtsgeschichte  2,  S.  18  ff.  Waitz, 
Deutsche  Verfassungsgeschichte  l3,  S.  212  ff.  Lamprecht,  Deutsches  Wirtschaftsleben  im  Mittel- 
alter  I2  (1880),  S.  1489  ff. 

4)  Weller  a.  a.  O.  S.  307. 

5)  Siehe  auch  Gebhardt,  Handbuch  der  deutschen  Geschichte  I2,  S.  128. 


EINLEITUNG. 


XV 


von  496  brachte  nur  eine  leichte  Abhängigkeit,  nach  einer  Erhebung  der  Ale- 
mannen am  Anfang  des  6.  Jhs.  aber  wurden  dieselben  abermals  besiegt,  ihr 
König  und  Adel  fielen  in  der  Schlacht,  und  die  Alemannen  wurden  nun  stark 
nach  Süden  zurückgedrängt,  obgleich  sie  sich  dem  Schutze  des  Ostgotenkönigs 
Theoderich  übergaben;  die  neue  Grenze  wurde  nach  altgermanischem  Brauch 
aufs  genaueste  festgelegt,1)  sie  zog  vom  Hohenasperg  aus  in  unseren  Landen 
»nach  einer  südlichen  Ausbuchtung,  die  den  nördlichen  Schwarzwald  noch  den 
Franken  zuwies,  in  die  Gegend  der  Hornisgrinde,  von  hier  die  Oos  entlang  über 
den  Rhein«.2) 

Die  Besiedelung  des  Landes  durch  die  Alemannen  hat  sich  in  unseren 
Gegenden  so  ziemlich  auf  die  Ebene,  auf  die  Bergabhänge  und  das  große 
Kinzigtal  beschränkt,  der  Schwarzwald  blieb  im  allgemeinen  frei,  ja  im  Renchtal 
sind  bis  jetzt  nicht  nur  keine  prähistorischen  und  römischen,  sondern  auch  nicht 
die  geringsten  alemannischen  oder  fränkischen  Funde  gemacht  worden. 

Die  Alemannen  scheinen  sich  ähnlich  den  anderen  deutschen  Völkerschaften 
in  größeren  Haufen  gemeinsam  angesiedelt  zu  haben,  wie  das  ja  auch  natürlich 
ist,  und  zwar  nach  Familien  und  Sippen.  Ebenso  ergibt  sich  von  selbst  aus 
der  Sachlage,  daß  in  den  einzelnen  Seitentälern  sich  auch  Einzelhöfe  fanden. 

Bei  der  Anlage  von  größeren  Siedelungsstätten  scheint  man  die  römischen 
Wohnorte  gemieden  zu  haben,  »deren  Ackerland  man  jedoch  gerne  benutzte; 
die  Wohnplätze  liegen  nicht  auf  der  Stätte  der  römischen  Gebäulichkeiten, 
sondern  in  einiger  Entfernung  von  denselben«.3)  Mit  dieser  Regel  scheint  mir 
übereinzustimmen,  was  ich  in  der  Geschichte  der  Stadt  Offenburg  angedeutet 
habe.  Während  nämlich  das  römische  Kastell,  das  auch  Fabricius  hier  ver- 
mutet, allen  Funden  nach  an  der  Stelle  der  erst  im  12.  Jh.  erwähnten  mittel- 
alterlichen Stadt  gelegen  haben  muß,  ist  das  Kinzigdorf,  das  früh  als  Dingstätte 
der  Grafschaft  auftritt,  nördlich  davon  gelegen,  wir  dürfen  in  ihm  wohl  eine 
frühe  Alemannenansiedelung  vermuten.  Gleichermaßen  haben  sich  römische 
Reste  auf  dem  Kastelberg  bei  Gengenbach  gefunden,  und  wenn  wir  alten  An- 
gaben trauen  dürfen,  ist  das  spätere  Kloster  auf  den  Trümmern  eines  immerhin 
möglichen  römischen  Kastells  errichtet  worden,  während  die  früheste  germanische 
Ansiedelung  weiter  westlich  lag,  wo  noch  der  Titulus  der  alten  Pfarrkirche 
ad  S.  Martinum  auf  frühfränkische  Zeit  zurückgeht.  Die  alte  germanisch-gallische 
Bevölkerung  ist  durch  die  Alemannen  teilweise  vernichtet  oder  in  die  Gebirgs- 
täler verdrängt  worden,  in  welch  letzteren  sie  sich  noch  lange  erhalten  haben 
mag,  gerade  im  unteren  Kinzigtal,  in  Gengenbach  und  W elscheristeinach  haben 
wir  interessante  Anhaltspunkte  dafür. 

1)  Weller  a.  a.  O.  S.  325.  von  In  am  a- S t e r n e gg , Deutsche  Wirtschaftsgeschichte  I (1879), 
S.  29  ff. 

2)  Weller  a.  a.  O.  S.  326. 

3)  Ebenda  S.  333. 


XVI 


EINLEITUNG. 


Mit  Sicherheit  einzelne  Orte  unseres  Gebietes  auf  alemannische  Gründung- 
zurückzuführen,  scheint  nicht  möglich,  jedenfalls  lassen  sie  sich  nicht  von  den 
Gründungen  in  der  fränkischen  Zeit  unterscheiden.  Nach  den  Erwähnungen  und 
ihrem  Namen  gehen  aber  ungefähr  folgende  Orte  ziemlich  in  die  Anfänge  des 
Mittelalters  hinauf : im  Amt  Achern : Gamshurst,  Sasbach,  Wagshurst ; im  Amt 
Bühl:  Breithurst,  Schwarzach,  EMzhurst;  im  Amt  Kehl:  Auenheim,  Bodersweier, 
Freistett,  Hausgereut,  Kork,  Willstett;  im  Amt  Lahr:  Burgheim,  Dinglingen, 
Friesenheim,  Schopfheim,  Ottenheim,  Wittelbach;  im  Amt  Oberkirch:  Stadel- 
hofen, Urioffen;  im  Amt  Offenburg:  Appenweier,  Biberach,  Bohlsbach,  Ebers- 
weier, Gengenbach,  Griesheim,  Harmersbach,  Nordrach,  Ortenberg,  Staufenberg, 
Waltersweier,  Windschläg;  im  Amt  Wolfach:  Steinach;1)  wozu  aber  bemerkt 
werden  muß,  daß  in  dieser  Aufführung  weder  Vollständigkeit  erstrebt  noch 
zwischen  alemannischer  oder  fränkischer  Gründung  unterschieden,  noch  überhaupt 
der  Ursprung  vor  dem  8.  bis  9.  Jh.  mit  Sicherheit  behauptet  werden  kann. 

Südlich  von  der  genannten  schwäbisch-fränkischen  Grenze  ist  der  Ausbau 
des  Landes  jedenfalls  ganz  von  den  Alemannen  ausgegangen,  und  die  Franken 
hatten  als  Volksstamm  keinen  Anteil  daran,2)  doch  findet  bei  der  Abhängigkeit 
von  den  Franken  natürlich  in  gewissem  Grade  ein  Eindringen  derselben  statt. 
Vor  allem  aber  dringt  unter  den  Merowingern  ein  Teil  fränkischen  Rechtes  in 
die  alemannische  Gerichtsverfassung  ein,  so  in  der  Grafschaftsverfassung, 
die  charakteristisch  für  das  merowingische  Reich  ist.  In  den  Zeiten  des  Stammes- 
herzogtums wurden  diese  Grafen  wohl  von  dem  Herzog  ernannt.3)  Bis  in  das 
8.  Jh.  nämlich  erhielt  sich  dieses  Herzogtum,  das  schon  bei  der  Einverleibung 
unter  Theudebert  I.  bestand  und  eine  bedeutende  Macht  besaß,  aber  von  der 
Zentralgewalt  des  Reiches  abhängig  war ; gegen  das  Ende  seines  Bestehens  nur 
erscheint  es  fast  völlig  selbständig. 

In  den  Kämpfen  der  beiden  Königinnen  Brunhild  und  Fredegund  tritt  der 
Alemannenherzog  Uncelin  auf,  später  der  tapfere  Gotfrid,  der  den  merowingischen 
Hausmeiern  ziemlich  zu  schaffen  machte,  ihm  folgt  wahrscheinlich 4)  Villehari, 
gegen  den  Pippin  der  Kleinere  mehrere  Züge  unternehmen  mußte,  dann  Lant- 
frid  I.,  Theobald  und  endlich  Lantfrid  II.,  der  von  demselben  Pippin  endgültig 
(748)  niedergeworfen  wurde,  womit  auf  längere  Zeit  das  Stammesherzogtum 
beseitigt  war;  die  Grafen  wurden  von  nun  an  direkt  von  der  Zentralgewalt 
ernannt.  Sie  sind  die  eigentlichen  Provinzialbeamten,  die  einzigen  öffentlichen 
Beamten  ihres  Sprengels;  vom  König  auf  Lebenszeit  ernannt,  konnten  sie  von 
ihm  abgerufen  oder  abgesetzt  werden.  In  der  Regel  ist  der  Bezirk  des  Grafen 
der  Gau.  Solche  aber  kannte  man  nicht  in  Alemannien;  schon  seit  der  zweiten 
Hälfte  des  5.  Jhs.  begegnen  uns  die  alten  Gaue  nicht  mehr.  Auch  gab  es  hier 

*)  Siehe  auch  Schul tze  a.  a.  O.  XXXII  ff. 

2)  Weller  a.  a.  O.  S.  33 1 . 

3)  Ebenda  S.  332. 

4)  Vielleicht  auch  nur  in  der  Ortenau  (s.  unten). 


EINLEITUNG. 


XVII 


keine  römischen  civitates,  die  man  zu  Grafschaftsbezirken  machen  konnte ; also 
faßte  man  eine  Anzahl  von  Hundertschaften  zusammen  und  bildete  so  die  Amts- 
sprengel der  Grafen,  die  aber  vor  dem  8.  Jh.  noch  keinen  festgesetzten  Umfang 
hatten,  für  jeden  Fall  vielmehr  besonders  festgestellt  wurden.  Eine  Festlegung 
wäre  ja  auch  eine  Minderung  der  Rechte  des  Stammesherzogs  gewesen,  der 
aus  seinen  Verwandten  oder  Vertrauten  den  Grafen  ernannte.  Nach  dem  Auf- 
hören des  Herzogtums  ändert  sich  das,  die  Grafen  unterstehen  nun  direkt  der 
fränkischen  Regierung,  und  die  feste  Abgrenzung  der  einzelnen  Grafenbezirke 
wird,  wie  im  übrigen  Frankenreich,  auch  hier  durchgeführt.1)  Erst  seit  der 
Mitte  des  8.  Jhs.  erscheinen  so  die  Gaue  in  den  Urkunden,  zunächst  die 
Bertholdsbaar  am  oberen  Lauf  des  Neckars  und  der  Donau,  die  Ortenau  — seit 
763  genannt  — , als  Gau  erstmals  bezeichnet  845.  Im  Jahre  700  hören  wir  ferner 
in  der  Vita  s.  Desiderii  von  dem  obengenannten  Herzog  Villehari:  »ad  fines 
Alamannorum  ad  locum  cuius  vocabulum  est  Mortenaugia,  ubi  dux  praeerat 
Williarius,«  wobei  möglicherweise  es  sich  nicht  um  einen  Stammesherzog  handelt, 
sondern  nur  um  einen  Herzog  der  Ortenau  (?),  vielleicht  um  einen  »dux«,  einen 
hauptsächlich  militärischen,  höheren  Beamten  als  der  Graf,  dessen  Sprengel 
stets  mehrere  Grafschaften  umfaßt,2)  der  aber  zugleich  Graf  eines  Gaues  sein 
kann.  Direkt  als  Gaugraf  bezeichnet  wird  dann  zu  Zeiten  des  Königs  Arnulf 
ein  Ebarhard.3)  Im  Jahre  926  wird  ein  Graf  Bernold  erwähnt  und  als  Malstätte 
das  oben  schon  besprochene  »oppidum«  »Chincihdorf«.  961  bis  1003  erscheint 
in  den  Urkunden  als  Gaugraf  Cuonrad,4)  dazwischen  aber  994  ein  Graf  Cuno. 
1007  hören  wir  dann  von  dem  »comitatu  Hessini  comitis«,  endlich  gelangt  die 
Grafschaft  an  die  Zähringer,  und  zwar  an  Bezelin,  der  1016  genannt  wird,  denn: 
»in  comitatu  Bertoldi  in  pago  Mortinowa«  wird  man  wohl  mit  Heyck  auf  ihn 
beziehen,5)  da  sein  Sohn  die  Grafschaft  erbt.  Unter  den  Zähringern  wird  nun 
auch  das  bisher  noch  wüste  Renchtal  besiedelt.  Als  dann  Bertold  I.  die  Herzogs- 
würde erhielt,  gab  er  die  Grafschaft  der  schwäbischen  Gaue  auf,  da  das  Ver- 
hältnis zu  dem  Herzog  von  Schwaben,  Rudolf  von  Rheinfelden,  nunmehr  doch 
lästig  wurde,  und  so  treten  andere  Grafen  auf,  1064  ein  Wernhard,  1070  ein 
Luitfrid.6)  Dieser  wird  genannt  in  einer  Urkunde,  in  welcher  der  Franke  Sieg- 
fried sein  Gut  Ulm  mit  Ulmburg  dem  Bischof  von  Straßburg  schenkt,  gelegen 
»in  pago  Mortinowa  in  comitatu  Chinzihdorff  et  Otenheim«.  Man  hat  aus  dieser 
merkwürdigen  Bezeichnung  der  Grafschaft  mit  zwei  Dingstätten  auf  eine  Teilung 
der  Ortenau  in  zwei  Grafschaften  geschlossen,  wogegen  sich  Th.  Müller  in 

*)  Hier  wie  im  vorhergehenden  folge  ich  Wellers  Darlegungen. 

2)  Gebhardt  a.  a.  O.  I2,  S.  164. 

3)  Krieger,  Topograph.  Wörterbuch  II2,  S.  435,  sowie  Schultze,  Die  Gaugrafschaften 
des  alemannischen  Badens. 

4)  Schultze  a.  a.  O.  S.  4 und  Grandidier,  Oeuvres  inedites  II,  S.  34. 

5)  Heyck,  Geschichte  der  Herzoge  von  Zähringen,  S.  13. 

®)  Heyck  a.  a.  O.  S.  31.  Schultze  a.  a.  O.  S.  4.  Mitteil.  d.  Inv.  f.  Österr.  Geschichts- 
forschung V,  S.  406.  Würdtwein  NS.  VI,  S.  243. 


Band  VII. 


II 


XVIII 


EINLEITUNG. 


einem  Aufsatze  gewendet  hat.  ’)  Wie  dem  auch  sei,  scheint  es  doch,  daß  gleich 
nachher  wieder  nur  eine  Grafschaft  bestanden  hat,  die  als  letzter  Burkard  von 

Staufenberg  innehatte,  der  auf  der  gleichnamigen  Burg  über  Durbach  residierte 

\ 

und  bis  1092  regierte.  Aus  welchem  der  bekannteren  Dynastengeschlechter  er, 
sein  Bruder  Bertold,  die  späteren  Heinrich,  Konrad  und  Adalbert  stammten,  ist 
bisher  noch  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt  worden.  Mit  ihm  hört  wahrscheinlich 
die  Gaugrafschaft  auf.  Im  12.  Jh.  hatten  die  Zähringer  bis  zu  ihrem  Aussterben 
die  Ortenau  inne,  wie  es  scheint  als  Lehen  des  Bistums  Bamberg;  nach  dem  Aus- 
sterben des  Herzogshauses  nahm  der  große  Hohenstaufe  Friedrich  II.  das  Land 
wieder  an  sich,  sein  Vogt  residierte  auf  Ortenberg.  Die  kaiserlichen  Gerecht- 
same wurden  von  nun  an  durch  einen  kaiserlichen  Landvogt  ausgeübt ; der  Sitz 
desselben  bezw.  seines  Vertreters  war  sicher  schon  1233  die  Burg  Ortenberg, 
»der  Stein«  Ortenberg,  auf  dem  später  jährlich  zweimal  das  kaiserliche  Hof- 
gericht abgehalten  wurde.  Ihm  war  der  Rest  der  Grafschaft  und  des  Reichs- 
gutes unterstellt,  soweit  es  von  den  Erwerbungen  der  großen  Dynasten  und  des 
Bistums  Straßburg  unberührt  war.  Der  Landvogt  des  Reiches  war  zugleich  der 
Kastvogt  des  Klosters  Gengenbach.  Doch  scheint  in  den  Kämpfen  Friedrichs  II. 
mit  dem  Papst,  in  den  Wirren,  die  das  Reich  damals  durchmachte  und  die  von 
allen  Seiten  zur  Machtvergrößerung  benutzt  wurden,  die  Bedeutung  der  alten 
Grafschaft  bezw.  Landvogtei  sehr  geschwunden  zu  sein,  andere  Mächte  spielten 
jetzt  die  erste  Rolle  in  der  Geschichte  der  Ortenau.  Neben  den  Ansprüchen 
der  Erben  des  Zähringer  Herzogshauses,  der  Grafen  von  Urach,  war  es  das 
Dynastengeschlecht  der  Geroldsecker,  welches  damals  auf  seinem  Höhepunkt 
stand;  in  dem  sogen.  Hanauer  Land  (etwa  Amt  Kehl)  aber  konsolidierte  sich 
im  13.  Jh.  die  Macht  der  Herren  von  Lichtenberg,  die  Reichsstädte  der  Ortenau 
erkämpften  sich  ihre  Selbständigkeit.  Ehe  wir  indes  auf  diese  Verhältnisse  näher 
eingehen,  müssen  wir  einen  Blick  auf  die  kirchliche  Entwickelung  werfen,  zumal 
die  Klöster,  insbesondere  Gengenbach  und  Schuttern,  als  politische  Faktoren 
noch  vor  den  weltlichen  Mächten  in  Betracht  kamen.  (Wtk.) 

* * 

* 

Die  Besiedelung  des  Landes  durch  die  Alemannen,  deren  Unterwerfung 
unter  die  Franken  und  die  dadurch  bedingte  eigenartige  Entwickelung  der  ältesten 
Christianisierung  hat  auch  einen  Niederschlag  aufzuweisen  in  dem  Patronat 
der  ältesten  Kirchen.  Außer  den  fränkischen  und  orientalischen  Elementen, 
welche  die  nationale  Provenienz  dieser  Missionierung  kennzeichnen,  sind  als 
Kirchenpatrone  ganz  besonders  beliebt  die  Apostelfürsten,  oft  noch  neben  Maria, 
Georg  (Berghaupten,  Gaisbach,  Willstätt;  als  Patron  von  Burgkapellen  und  des 
Ritterstandes  auf  Schloß  Staufenberg)  oder  Johannes  Evang.  und  Bapt.,  Stephanus. 

Th.  Müller,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Ortenau  I,  Graf  Burkard  von  Staufenberg  und 
die  Grafen  der  Ortenau,  Z.  NF.  8,  S.  419  ff. 


EINLEITUNG. 


XIX 


Die  Bevorzugung  solcher  Kirchenpatrone  ist  ein  wertvoller  Hinweis  auf  den 
Geist  dieses  ältesten  Kirchentums,  auf  die  engen  Beziehungen  zu  Rom,  mit  dem 
Angelsachsen  wie  das  Frankenland  in  regem  Verkehr  standen.  Namentlich 
mußten  die  Pilgerwallfahrten  an  die  heiligen  Stätten  von  selbst  den  Wunsch 
wecken,  auch  in  der  Heimat  ähnliche  Kultorte  zu  besitzen.  Nur  so  läßt  sich 
meines  Erachtens  befriedigend  die  Tatsache  erklären,  daß  die  Apostelfürsten 
zusammen  so  häufig  in  dieser  Frühzeit  als  Patrone  von  Kirchen  Vorkommen.1) 
Es  ist  gar  nicht  ausgeschlossen,  daß  sie  mancherorts  erst  nachträglich  hinzu- 
gefügt worden  sind,  eventuell  in  der  Pirminschen  oder  Winfridschen  Reform,  um 
dadurch  ein  Bekenntnis  der  Zugehörigkeit  zu  Rom  monumental  festzulegen;  so 
erhält  auch  die  Häufigkeit  von  Doppelpatronaten,  an  denen  sehr  oft  Petrus  und 
Paulus  beteiligt  sind  (Honau,  Burgheim  bei  Lahr,  Schwarzach,  Schuttern  u.  a.), 
eine  natürliche  Motivierung.  Andererseits  hat  offenbar  auch  Straßburg,  und 
dieses  wohl  unmittelbar,  durch  seine  Kirchenpatrone  auf  die  Auswahl  der 
Heiligenpatronate  Einfluß  gehabt.  So  ist  es  leicht  denkbar,  daß  das  Patronat 
des  h.  Stephanus  (Reichenbach),  des  h.  Nikolaus  (Griesheim,  Altdorf,  Haus- 
gereute, Eckartsweier,  Freistett,  Gamshurst,  Seelbach,  Unterentersbach),  des 
h.  Hilarius  (Weilersbach),  des  h.  Michael  u.  a.  auf  solche  Anregung  von  seiten  der 
bischöflichen  Kirche  zurückgeht;  auch  das  Doppelpatronat  der  Heiligen  Nabor  und 
Felix  (Oberweier  bei  Lahr)  scheint  aus  dem  Elsaß,  wo  bei  Rosheim  eine  gleiche 
Kirche  war,  zu  uns  verpflanzt  worden  zu  sein.  Auch  die  Heiligen  Arbogast 
(Marlen,  Haslach),  Gangolph  (Offenburg),  Aper  (ebenda),  Leodegar  (Oberschopf- 
heim, im  Elsaß  Patron  von  Murbach,  Masmünster,  Münster  im  Gregoriental, 
Niedermünster)  dürften  aus  dem  Elsaß  infolge  der  Zugehörigkeit  zur  Straßburger 
Diözese  übernommen  worden  sein.  Von  Honau  erhielten  wohl  Urioffen  und 
Niederschopfheim  die  h.  Brigida  als  Patronin.  Außer  diesen  äußeren  Motiven 
ist  die  Wahl  dieses  oder  jenes  Heiligen  in  der  Frühzeit  meist  auch  noch  bedingt 
durch  eine  innere  Bezugnahme  auf  gewisse  Bedürfnisse  der  Menschen  oder  der 
Gemeinde;  derart  wurde  der  h.  Nikolaus  gerne  an  Flüssen  gewählt  als  Patron 
der  Fischer;  später  überhaupt  ganz  allgemein  infolge  seiner  großen  Volkstüm- 
lichkeit und  als  mildtätiger  Wohltatenspender  verehrt.  Nicht  weniger  beliebt 
waren  die  Patrone  gegen  Krankheiten  (Rochus,  Quirinus,  Sebastian),  der  Vieh- 
zucht (Antonius  der  Einsiedler  in  Antogast,  Schuttertal ; Wendelinus) ; am 
Schlüsse  des  Mittelalters  waren  für  die  Auswahl  entweder  das  Vorhandensein 
hervorragender  Reliquien,  die  Erinnerung  an  berühmte  Wallfahrten  (Jakobus, 
Michael),  der  Bestand  von  Bruderschaften  oder  besonders  gnadenreichen  An- 
dachten (Georg,  Katharina,  Ursula,  Barbara  u.  a.),  die  Zugehörigkeit  zu  den  in 
Leibes-  und  Seelennöten  besonders  verehrten  14  Nothelfern  bestimmend  (Georg, 
Erasmus,  Pantaleon,  Dionysius,  Achatius,  Ägidius,  Katharina,  Blasius,  Vitus, 
Christophorus,  Cyriacus,  Eustachius,  Margareta  und  Barbara). 

*)  Vgl.  hierüber  auch  meine  Zusammenstellung  im  FDA.  NF.  VIII  (1907),  S.  231  ff. 

II* 


XX 


EINLEITUNG. 


Sehen  wir  von  dem  schon  im  früheren  Band  behandelten  Kloster  Ettenheim- 
münster  ab,  das  aus  der  Einsiedelei  des  nur  legendarisch  bekannten  h.  Landolin 
sich  herausentwickelte,  so  ist  im  Mittellande  Schuttern  die  älteste  klösterliche 
Niederlassung,  gegründet  allen  Nachrichten  zufolge  von  Angelsachsen  und  noch 
vor  dem  8.  Jh.  und,  wenn  wir  aus  der  ältesten  Bezeichnung  Offoniswillare, 
nicht  -cella,  Schlüsse  ziehen  dürfen,  in  einem  schon  bestehenden  Gemeinwesen. 
In  den  zwanziger  Jahren  des  8.  Jhs.  sehen  wir  auch  hier  die  Benediktinerregel 
dank  dem  Eingreifen  des  h.  Pirmin  einziehen.  Aus  der  Bruderschaftsliste,  die 
ioo  Jahre  später  bei  der  Aufnahme  Schutterns  in  die  Gebetsverbrüderung  der 
Reichenau  angefertigt  wurde,  sowie  aus  anderen  historischen  Dokumenten  ersehen 
wir,  daß  das  Kloster  eine  angesehene  und  stark  besiedelte  Reichsabtei  war,  die 
aber,  wohl  weil  sie  ursprünglich  aus  Reichsgut  dotiert  wurde,  erst  durch  Otto  II. 
das  Recht  einer  freien  Abtswahl  erhalten  konnte  und  die  nach  mancherlei  Schick- 
salsschlägen 1009  an  das  neugegründete  Bistum  Bamberg  als  Lehen  vergabt  wurde. 
In  welcher  Weise  das  hier  besonders  klar  in  die  Erscheinung  tretende  Kastvogtei- 
system  in  die  inneren  Verhältnisse  des  Klosters  eingriff  und  wie  sich  dessen  Ver- 
hältnisse überhaupt  im  Laufe  des  Mittelalters  gestalteten,  wird  man  weiter  unten 
nachlesen  können.  Das  Kloster  Honau  wurde  ungefähr  um  720  von  dem  Grafen 
Adalbert  und  dem  Abt  Benedikt  gegründet.1)  Es  war  eine  ausgesprochene 
Schottenniederlassung;  die  Namen  der  meisten  ältesten  Äbte  sind  durchaus  irisch: 
Duban,  PIgidan,  Forgal,  Adalloch  u.  a.  Bemerkenswert  ist  außerdem,  daß  die 
sechs  ersten  Äbte  (Benedictus,  Duban,  Stephan,  Beatus,  Egidan,  Thomas)  in 
Urkunden2)  den  Charakter  eines  Bischofs  erhalten.  Sie  können  aber  nichts  anderes 
gewesen  sein  als  Regionarbischöfe,  die  gewisse  weniger  bedeutende  bischöfliche 
Funktionen  neben  dem  Ordinarius  in  einem  Landsprengel  oder  auch  nur  in 
ihrer  Klosterniederlassung  ausüben  durften. 

Wenn  die  Überlieferung  als  Gründer  bald  den  Adalbertus  dux,  einen  Sohn 
Ettichos,  nennt,  bald  den  Bischof  und  Abt  Benedict,3)  eine  Differenz,  die  uns 
auch  bei  Gengenbach  begegnet,  so  läßt  sie  sich  leicht  auf  eine  einheitliche  Tat- 
sache zurückführen,  insofern  Benedict  als  der  seine  Niederlassung  begründende 
Missionär  oder  Peregrinus  zu  fassen  ist,  Adalbertus  als  der  eventuell  in  königlichem 
Auftrag  handelnde  Stifter,  der  das  Besitztum  anweist.  Jedenfalls  unterlag  die 
Abtswahl  bis  zum  Jahre  884  der  Bestätigung  des  Königs;  erst  damals  sprach 
Karl  der  Dicke  auf  Anregung  eines  Klostervogtes  die  Freiheit  des  Besitzes  und 
der  Abtswahl  aus.  Noch  im  8.  Jh.  hatten  sowohl  Pippin  wie  Karl  der  Große 
die  ursprünglichen  Güterzuwendungen  auf  beiden  Seiten  des  Rheines  neu  be- 

*)  Vgl.  Sickel,  Acta  regnum  et  imperatorum  Karolingorum  II  (Wien  1876),  S.216.  — Gran- 
didier, Hist,  de  l’dgl.  et  des  6veques-princes  de  Strasb.  I,  S.  398 — 410,  und  CEuvres  in^dites  I, 
S.  157 — 165.  — Hauck,  Kirchengesch.  Deutschi.  I (1904),  S.  305. 

2)  So  eine  Urkunde  Pippins  etwa  um  748  (Mon.  Germ.,  Diplom.  I),  S.  106;  Böhmer- 
M Uhlbach  er,  Regesta  Imperii  I,  Die  Regesten  des  Kaiserreichs  unter  den  Karolingern  I,  Nr.  60. 

8)  Eine  Urkunde  Karls  des  Großen  vom  Jahre  775.  Böhmer-Mühlbacher  a.  a.  O.  S.  185. 


EINLEITUNG. 


XXI 


stätigt  und  um  ein  beträchtliches  vermehrt  und  in  jeder  Weise  ihre  Gunst  den 
von  den  Einheimischen  nicht  immer  freundlich  behandelten  Fremden  bezeugt. 
Einen  Besitzstreit  zwischen  Honau  und  Corvey  ließ  Karl  der  Große  870  in 
Schlettstadt  durch  die  Kreuzprobe  zugunsten  des  ersteren  entscheiden.  Die 
weitere  Geschichte  des  Klosters  interessiert  hier  weniger,  da  sie  sich  auf  Besitz- 
nachrichten beschränkt.  Ende  des  n.Jhs.  wurde  es  in  ein  weltliches  Chor- 
herrenstift verwandelt,  1290  wegen  Bedrohung  durch  den  Rhein  nach  Rheinau  ver- 
legt und  1398  aus  dem  gleichen  Grund  mit  Alt -S.  Peter  in  Straßburg  vereinigt.1) 

Ungefähr  um  die  gleiche  Zeit  wie  Honau  entstand  auch  das  Kloster  in 
Gengenbach,  offenbar  inmitten  einer  bürgerlichen  Niederlassung.  Als  Gründer 
nennt  die  Tradition  den  Ruthardus  dux  und  auch  Pirmin,  wobei  wohl  das  gleiche 
Verhältnis  anzunehmen  ist  wie  in  Honau.  Nach  der  Reichenauer  Verbrüderungs- 
liste ist  es  in  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jhs.  eine  stark  besiedelte  Niederlassung. 
Wie  Schuttern  kam  auch  Gengenbach  zu  Anfang  des  n.Jhs.  an  das  Bamberger 
Bistum. 

Von  diesen  drei  klösterlichen  Ansiedelungen  sind  es  namentlich  Schuttern 
und  Gengenbach,  die  auch  wesentlich  den  Gang  der  kirchengeschichtlichen 
Entwickelung  während  des  ganzen  Mittelalters  bestimmen.  Nicht  nur  daß  sie 
für  Urbarmachung  der  Gegend  erfolgreich  tätig  waren,  daß  sie  durch  überreiche 
Zuwendungen  und  Privilegienverleihungen  immer  mehr  ihre  Macht  festigten  und 
ausdehnten  und  schließlich  bis  zu  einem  Grade,  daß  heftige  Konflikte  mit  anderen 
Instanzen  sich  daraus  ergaben:  viel  bedeutsamer  ist  es,  daß  ihr  Verhältnis  zum 
Reich  auch  die  Wogen  der  großen  Kämpfe  der  deutschen  Kaiser  hierher  lenkte. 
Welche  Haltung  Schuttern  im  Investiturstreit  einnahm,  entzieht  sich  unserer 
Kenntnis,  da  die  Chronik  gerade  für  diese  100  Jahre  eine  Lücke  aufweist;  um 
so  besseren  Einblick  in  die  bewegten  Verhältnisse  jener  Zeit  gewähren  uns  die 
kaiserfreundlichen  Annalen  von  Gengenbach.  Hier  vollzog  sich  jahrzehntelang 
keine  Abtswahl  mehr  in  ruhiger  und  normaler  Weise.  Anscheinend  stand  die 
Mehrzahl  des  Konvents  zum  Papst,  aber  des  Kaisers  Anhang  war  dafür  um  so 
mächtiger  und  einflußreicher.  Sobald  nicht  die  Wahl  eines  ihm  ergebenen  Abtes 
anzunehmen  ist,  ernennt  Heinrich  IV.  kurzerhand  einen,  wie  1074  den  kurz 
zuvor  in  der  Reichenau  abgesetzten  und  exkommunizierten  Ruotpert,  einen 
simonistischen,  habgierigen  Mann,  der  schon  1075  erschlagen  wurde.  Auch  sein 
Nachfolger  ließ  sich  als  Kaiserlicher  nicht  halten,  und  als  Poppo  1083  gestorben, 
kam  überhaupt  sechs  Jahre  lang  keine  Wahl  zustande.  Der  1089  endlich  Gewählte 
hatte  offenbar  auch  eine  große  Gegnerschaft  im  Kloster,  denn  er  wurde  rasch 
vertrieben  und  konnte  erst  1096  wieder  von  seinem  Posten  Besitz  ergreifen.  Die 
Kämpfe  der  Staufer  mit  den  Päpsten  machten  sich  erst  in  deren  letzter  Phase 
auch  hier  fühlbar;  sie  wurden  nicht  etwa  als  Prinzipienfragen,  sondern  als 
günstige  Gelegenheit  aufgefaßt,  Einfluß  und  Besitzstand  zu  mehren.  Schuttern 


1)  Grandidier,  Oeuvres  inedites  I,  S.  159  ff. 


xxir 


EINLEITUNG. 


stand  anfänglich  auf  seiten  Friedrichs  II.,  verließ  aber  dessen  Sache  wie  auch 
der  Bischof  von  Bamberg,  der  von  Straßburg  und  die  Geroldsecker.  Ob  der  Leut- 
kirchenstreit zwischen  dem  Ortenauer  Adel  und  dem  Stift  Gengenbach  ebenfalls 
einen  solch  politischen  Hintergrund  hatte,  läßt  sich  mit  Bestimmtheit  heute  nicht 
mehr  sagen.  Jedenfalls  standen  die  königlichen  Schultheißen,  die  die  Interessen 
des  Klosters  Gengenbach  in  erster  Linie  zu  wahren  gehabt  hätten,  auf  seiten 
der  Adeligen,  so  daß  die  Gengenbacher  erst  durch  Anrufung  der  Hilfe  der 
Königin  ihr  Recht  durchsetzen  konnten.  In  welcher  Weise  um  dieselbe  Zeit 
der  Bischof  von  Straßburg  die  verworrene  Lage  des  Kaisers  für  sich  in  der 
Ortenau  auszunutzen  wußte,  werden  wir  weiter  unten  noch  erfahren.  Auch  in 
den  Kämpfen  Ludwigs  des  Bayern,  die  hier  gleichfalls  lokal-  und  sonderpolitische 
Färbung  annahmen,  waren  die  zwei  Nachbarabteien  in  ihrer  Stellungnahme  nicht 
Seite  an  Seite ; wenigstens  wird  uns  über  die  Haltung  von  Schuttern  Näheres 
nicht  mitgeteilt.  Wir  wissen  nur,  daß  Kloster  wie  Stadt  in  dem  heftigen  Kampf 
des  antiköniglichen  Bischofs  und  der  Bürgerschaft  von  Straßburg  gegen  das 
feste  geroldseckische  Schloß  Schwanau  verbrannt  und  sonst  schwer  geschädigt 
wurden  (1333/34).  Gengenbach  dagegen  stellte  sich  offen  und  entschieden  auf 
die  Seite  des  Bayern,  freilich  auch  nur,  wie  wir  sehen  werden,  um  für  seine 
Interessenpolitik  gegen  die  Reichsstädte  Gengenbach  und  Offenburg  eine  einfluß- 
reiche und  wirksame  Stütze  zu  erhalten. 

Uber  die  Entwickelung  der  Klöster  im  einzelnen,  über  den  Ausbau  ihres 
Besitzes  wird  weiter  unten  im  einzelnen  noch  zu  handeln  sein.  Während  Schuttern 
bis  in  die  Neuzeit  hinein  seinen  Besitz  und  seine  Rechte  gegen  die  Kastvögte 
zu  verteidigen  hatte  und  meist  in  einer  gewissen  Abhängigkeit  von  der  politischen 
Gemeinde  stand,  besonders  seit  diese  zur  Stadt  erhoben  wurde  (1337),  ist  die 
Haltung  von  Gengenbach  eher  agressiv  gegen  die  Bürgerschaft.  Namentlich  im 
13.  Jh.  hatte  dieses  Kloster  durch  Rodungen  und  Bergbau  wie  auch  durch 
Stiftungen  nahezu  ein  geschlossenes,  das  ganze  untere  Kinzigtal  umfassendes 
Territorium  sich  geschaffen,  innerhalb  dessen  dem  Abt  sehr  weitgehende  Rechte 
und  Privilegien  zustanden,  wie  zwei  Drittel  des  Gerichts  und  des  Allmendgenusses 
und  das  sehr  ausgedehnte  Fallrecht.  Dadurch  ergaben  sich  vielfach  Reibereien 
zuerst  mit  dem  Nachbaradel,  teils  weil  Kompetenzen  strittig  waren,  teils  weil 
widerrechtlich  kirchlicher  Besitz  angeeignet  wurde,  wie  im  Falle  der  Gengen- 
bacher Martinskirche.  In  letzterer  Angelegenheit  mußte  der  Konvent  sich  selbst 
gegen  einen  Gegenabt  wehren,  den  der  Adel  ihm  aufgedrungen  hatte,  und  in 
corpore  die  Hilfe  der  gerade  in  Hagenau  residierenden  Königin  anflehen  (1235). 
Beachtenswert  ist  es,  wie  schon  hervorgehoben,  daß  die  königlichen  Schultheißen 
als  Beamte  der  Ortenauer  Lehen  auf.  seiten  der  Klostergegner  standen,  wie  auch 
nochmals  später  unter  Rudolf  von  Habsburg,  der  ihnen  einschärfen  mußte,  sich 
jeglicher  Schikanen  und  der  Beeinträchtigung  von  klösterlichen  Rechten  und 
Einkünften  zu  enthalten. 


EINLEITUNG. 


XXIII 


Das  wachsende  Selbstbewußtsein  der  Städte,  das  sich  vor  allem  in  der 
Bekämpfung  der  Rechte  und  Privilegien  der  Grundherrschaft  und  ganz  besonders 
der  geistlichen  Herrschaft  äußerte,  nicht  zum  wenigsten  auch  das  Beispiel  von 
Straßburg,  das  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jhs.  in  blutigen  Waffengängen  die 
Gewalt  und  den  Einfluß  des  Bischofs  in  der  Stadt  gebrochen  hatte,  führten 
hauptsächlich  in  Gengenbach  zu  jahrhundertelangen  Reibereien.  Die  Rechte  der 
Abtei  konnten  im  Ernst  kaum  angefochten  werden;  anders  stellt  sich  aber  die 
Frage,  ob  es  klug  war  von  seiten  der  Äbte,  gerade  gegenüber  den  veränderten 
Verhältnissen,  diese  Rechte  mit  aller  Schärfe  zu  betonen  und  die  Privilegien 
wie  unter  Ludwig  dem  Bayern  noch  zu  erweitern  (1331).  Das  fühlte  der  da- 
malige weitblickende  und  das  Ganze  im  Auge  behaltende  Abt  Lambert  von 
Burn,  wenn  er  die  klösterlichen  Vorrechte  auf  ihr  richtiges  Maß  zurückführte. 
Dem  Kloster  wurde  von  Ludwig  das  Recht  der  Ernennung  des  Stadtschult- 
heißen wie  auch  des  Oberboten  und  Stadtmesners  zugesprochen,  während  ihm 
bisher  nur  ein  Einspruchsrecht  zustand.  Was  die  Bürger  aber  ganz  besonders 
rebellisch  machte,  war  die  weit  ausgedehnte  und  mit  Spitzfindigkeiten  ange- 
wendete P'allpflicht,  das  lästige  Forstrecht  des  Klosters  und  namentlich  dessen 
Recht  auf  zwei  Drittel  des  Allmendgenusses.  Die  reichsstädtischen  Freiheiten 
waren  dadurch  gelähmt.  Ebenso  fühlte  sich  Offenburg  durch  die  großen 
Privilegien  und  Rechte  der  Gengenbacher  Abtei  wie  durch  die  Ansprüche  auf 
den  Gotteshauswald  in  seinem  Aufschwung  gehemmt  und  sah  seine  Ausbürger- 
politik durch  die  Ausdehnung  der  Leibeigenschaftsrechte  wie  der  Gefälle  völlig 
bedroht.  Trotz  wiederholter  Mahnungen  Ludwigs,  sich  mit  dem  Abt  zu  ver- 
tragen in  bezug  auf  Gülten  und  Rechte,  blieb  Offenburg  hartnäckig  in  seiner 
Weigerung  und  setzte  es  durch,  daß  in  einem  durch  den  Bischof  von  Straßburg 
vermittelten  Vergleich  die  Wirkungslosigkeit  der  klösterlichen  Leibfallrechte 
gegenüber  allen  Bürgern  der  Stadt,  auch  den  Ausbürgern,  anerkannt  wurde.1) 
In  Gengenbach  selbst  wandelte  Abt  Lambert  das  am  drückendsten  empfundene 
Allmendrecht  in  die  jährliche  Abgabe  eines  kleinen  Guldens  und  einen  un- 
bedeutenden Erschatz  um.  Aber  beseitigt  waren  die  Differenzen  zwischen  den 
Städten  und  dem  Kloster  nicht ; dafür  fielen  die  Interessensphären  zu  oft 
zusammen  und  waren  die  Ansprüche  beiderseits  zu  wenig  fest  umgrenzt.  Noch 
in  den  Tagen  der  beginnenden  Reformation  legte  die  Stadt  all  ihre  Gravamina 
vor,  und  darunter  figurierte  jetzt  auch  die  Exemtion  des  Konvents  von  allen 
öffentlichen  Lasten.  Damals  bildeten  diese  Beschwerden  die  leicht  zu  durch- 
schauende Maske  für  die  eigentlichen  Pläne  einer  Säkularisierung  und  Prote- 
stantisierung  des  Stiftes.2) 

Während  der  Besitzstand  des  Ortenauer  Adels  im  Laufe  des  Mittelalters 
sich  stark  verschob  und  veränderte,  blieb  im  allgemeinen  der  der  Klöster  sich 

1)  Gothein,  Wirtschaftsgeschichte  des  Schwarzwaldes  I,  S.  238  ff. 

2)  Ruppert,  Z.  31,  S.  315  ff.;  Z.  32,  S.  309  ff. 


XXIV 


EINLEITUNG. 


gleich  und  nahm  eher  noch  zu.  Neben  den  klösterlichen  Territorien  bildete  sich 
in  der  zweiten  Hälfte  des  Mittelalters  noch  eine  andere  Grundherrschaft  aus, 
die  des  Straßburger  Bischofs,1)  die  auf  die  Entwickelung  der  kirchen- 
geschichtlichen Verhältnisse  nicht  ohne  Einfluß  war.  Auch  hier  zeigt  sich  trotz 
aller  Zwischenfälle  infolge  von  Verpfändungen  die  Tendenz,  den  Besitz  immer 
weiter  auszudehnen.  Nachdem  die  Bischöfe  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs. 
auf  der  Ullenburg  und  anders\yo  rechtsrheinisch  begütert  waren,2)  suchten  sie 
die  nach  dem  Aussterben  der  Zähringer  geschaffene  unklare  Erblage  und  die 
Gebundenheit  des  Reichsoberhauptes  Friedrich  II.  in  den  kirchenpolitischen 
Kämpfen  zur  raschen  Erweiterung  dieses  Besitzes  durch  Aneignung  zähringischer 
Güter  auszubeuten.  Unterstützt  durch  die  Geroldsecker  brachte  Bischof  Heinrich 
von  Stahleck  Ortenberg  und  die  Städte  Offenburg  und  Gengenbach  an  sich 
und  ließ  sich  diesen  Erwerb  durch  den  Kardinallegaten  Petrus  wie  den  Papst 
bestätigen  (1248).  Als  nun  auch  Graf  Konrad  von  Freiburg  vom  Gegenkönig 
die  Städte  Neuenburg  und  Offenburg  und  die  Landvogtei  Mortenau  sich  zu- 
weisen und  ebenfalls  durch  den  Papst  bestätigen  ließ,  kam  es  zur  kriegerischen 
Auseinandersetzung,  die  für  den  Bischof  erfolgreich  verlief.  Wohl  wurde  1250 
sein  Bundesgenosse  Walter  von  Geroldseck  in  der  Burg  Lahr  gefangen  gehalten, 
aber  im  gleichen  Jahre  noch  gab  Heinrich  von  Fürstenberg,  der  auf  seiten 
Konrads  stand,  seine  Ansprüche  auf  Offenburg,  Ortenberg  und  Gengenbaeh 
auf,  und  ebenso  scheint  auch  gleichzeitig  Konrad  von  Freiburg  zurückgetreten 
zu  sein ; 3)  denn  die  Mortenau  verblieb  vorerst  dem  Bischof,  bis  sie  später  unter 
Rudolf  von  Habsburg  wieder  zurückgegeben  werden  mußte. 

In  den  heftigen  Kämpfen,  welche  die  Stadt  Straßburg  in  der  zweiten  Hälfte 
des  13.  Jhs.  um  ihre  Freiheit  von  der  bischöflichen  Oberhoheit  ausfocht,  hatten 
die  Bischöfe  keine  Zeit,  an  Erweiterung  ihres  Besitzes  in  der  Mortenau  zu 
denken.  Um  so  mehr  war  das  im  14.  Jh.  der  Fall;  damals  wurde  die  bischöf- 
liche Herrschaft  Oberkirch  nahezu  schon  in  ihrem  späteren  Umfang  ausgebaut. 
Von  Udelhildis,  der  Witwe  Heinrichs  von  Fürstenberg,  fielen  dem  Bistum  durch 
Kauf  Fürsteneck  und  Oberkirch  zu  (1303),  während  die  Ullenburg  als  Lehen, 
hernach  als  freier  Besitz  für  kurze  Zeit  an  die  Schauenburger  kam,  um  später 
noch  oft  die  Besitzer  oder  Lehensinhaber  zu  wechseln.  Mit  Oberkirch  gingen 
noch  reiche  zugehörige  Güter  in  der  Umgebung  sowie  im  Oppenauer  Tal  an 
das  Stift  über;  Bischof  Johann  I.  von  Straßburg  verlieh  dem  Mittelpunkt  dieser 
Herrschaft  Stadtrecht  und  eine  Umwallung  (1326).  Von  dieser  Zeit  führt  die 
Stiftsherrschaft  in  der  Ortenau  nicht  mehr  die  Benennung  nach  der  Ullenburg, 
sondern  noch  Oberkirch.  In  Oppenau  war  das  Stift  zum  Teil  schon  ansässig,  zum 

2)  Vgl.  Bader,  Die  ehemals  Straßburg.  Herrschaft  Oberkirch,  Badenia  II  (1840),  S.  219 — 237. 

2)  In  der  zweiten  Hälfte  des  n.Jhs.  war  die  Ullenburg  schenkweise  an  das  Stift  Straßburg 
übergegangen,  von  dem  sie  als  Lehen  an  das  Haus  Zähringen  kam,  bis  sie  nach  dessen  Aussterben 
wieder  an  das  Bistum  heimfiel.  Vgl.  Schöpflin,  Als.  dipl.  I,  S.  J 74 ; II,  S.  124. 

3)  Vgl.  Z.  9,  S.  328,  und  im  übrigen  Ruppe  rt,  Mortenau  I,  S.  36  ff. 


EINLEITUNG. 


XXV 


Teil  erwarb  es  noch  weiteren  Besitz  dazu,  wie  das  Gut  des  Klosters  Aller- 
heiligen mit  der  Burg  Friedberg.  Kaiser  Friedrich  trat  außerdem  (1316)  noch 
die  Reichsdörfer  Renchen,  Ulm,  Sasbach  und  das  Oppenauer  Tal  mit  der  ganzen 
Jurisdiktion,  mit  der  Unabhängigkeit  vom  Landvogt  und  mit  allen  Rechten 
und  1321  die  letzten  Reichsrechte  gegen  eine  Summe  von  300  Mark  an  den 
Bischof  Johann  ab,  welche  Cession  1330  auch  durch  Ludwig  den  Bayern  bestätigt 
wurde.  Dieses  bischöfliche  Territorium  wurde  jetzt  in  die  sechs  Gerichte  zer- 
legt: Oberkirch  (mit  den  Gemeinden  Oberndorf,  Wollfshag,  Winterbach,  Lauten- 
bach, Sendelbach,  Butschbach,  Diepersbach,  Giedensbach,  Ödsbach,  Wälden, 
Hesselbach,  Schlatten),  Kappel  (mit  Bernardshöfe,  Steinenbach,  Am  Bach, 
Grimmerswald , Seebach,  Hagenbruck,  Unterwasser,  Furschenbach,  Waldulm, 
Simmersbach,  Ottenhofen),  Sasbach  (Sasbach,  Ried  mit  den  Zinken  Wegscheid, 
Ottenweier  und  Malchhurst,  Obersasbach  mit  Vogelsberg,  Blumberg,  Ziegelhof, 
Erlenbad,  Kammersbronn,  Heinishof,  Winterbach,  Sasbachwalden  mit  Sandweg, 
Büchelbach,  Lierenbach,  Eck,  Dollen,  Straubenhof  mit  Hagenberg,  Schönbüch, 
Brandmatt,  Bischenberg,  Härchenberg,  Steimelshof,  Murberg,  Ober-  und  Unter- 
Langert,  Kappelberg,  Schelsberg) ; Oppenau  (mit  Guckinsdorf,  Boxberg,  Fohren, 
Ottersberg,  Ebene,  Ansätze  und  Nordwasser,  Heimburgertum,  Ramsbach,  Ibach, 
Löcherberg,  Freiersbach,  Bästenbach,  Döttelbach,  Rench,  Maisach  und  Lierbach) ; 
Ulm  (mit  den  Armenhöfen,  Kayer,  Weingarten  und  Rayersbach,  Stadelhofen, 
Tiergarten  mit  Ringelbach,  Mosbach,  Erlach  und  Haslach);  Renchen  (mit 
Schneckenhöfen,  Wagshurst  und  Honau).  Den  Bischöfen  standen  in  diesem 
Gebiet  völlig  landesherrliche  Rechte  zu,  die  sich  auch  auf  die  unmittelbaren 
Ritterglieder  ausdehnten.  Jedem  der  sechs  Gerichte  waren  der  Schultheiß  und 
Stabhalter  sowie  zehn  von  der  Bürgerschaft  präsentierte  Gerichtsmänner  vor- 
gesetzt, das  Zwölfergericht,  das  für  die  niedere  Gerichtsbarkeit  und  Verwaltung 
zuständig  war,  während  für  die  höhere  der  in  Oberkirch  residierende  Landvogt 
oder  Amtmann  und  Amtsschreiber  in  Betracht  kamen  und  im  Berufungsfall  das 
Hof-  und  Appellationsgericht  in  Ettenheim,  in  früheren  Zeiten  in  Zabern;  die 
Gefälle  waren  der  Amtsschaffnei  in  Renchen  zugewiesen. 

Leider  bildete  die  Herrschaft  Oberkirch  in  den  langen  Jahrhunderten  der 
Zugehörigkeit  zum  Stift  mehr  das  Expediens  zum  Ausgleich  finanzieller 
Schwankungen  denn  einen  Gegenstand  planmäßiger  Verwaltung.  Wie  ein  leicht 
zu  veräußerndes  Objekt  wurde  sie  verpfändet  oder  sonstwie  aus  der  Hand 
gegeben  oder  auch  wieder  eingelöst,  je  nachdem  die  Lage  es  erheischte.  Erst- 
mals erfolgte  eine  Verpfändung  1393.  Damals  überließ  Bischof  Wilhelm  von 
Diest  Fürsteneck  mit  den  zugehörigen  Gütern  pfandweise  dem  Kloster  Aller- 
heiligen ; im  Falle  einer  Wiedereinlösung  hatten  die  Gerichte  Oberkirch,  Ulm, 
Sasbach  und  Renchen  für  den  allenfallsigen  Kaufschilling  aufzukommen.  1399 
kam  gleicherweise  ein  anderer  Teil  der  Herrschaft  mit  Oberkirch  selbst  an  die 
Stadt  Straßburg,  und  als  das  Stift  später  wieder  in  dessen  Besitz  zu  kommen 


XXVI 


EINLEITUNG. 


suchte,  entstanden  schwere  Differenzen  (1428/29),  in  deren  Verfolg  als  Ver- 
bündeter des  Bischofs  Markgraf  Bernhard  von  Baden  ein  halbes  Jahr  erfolglos 
das  Städtchen  Oberkirch  belagerte.1)  Erst  nach  Erlegung  der  Pfandsumme  fiel 
die  Herrschaft  wieder  ganz  dem  Bischof  zu,  aber  nur  um  sofort  einer  schon  seit 
längerem  gemachten  Zusage  zufolge  um  10000  Mark  an  einen  Georg  von  Bach 
(1443)  und  Friedrich  von  Schauenburg  überzugehen.  Jedoch  fand  bald  darauf 
wieder  ein  Rückerwerb  statt.  Von  jetzt  an  war  der  Vogtei  eine  verhältnismäßig 
lange  Zeit  der  Ruhe  und  der  inneren  Ordnung  beschieden.  Selbst  die  Bauern- 
unruhen beeinträchtigten  diesen  Zustand  nur  wenig;  dagegen  hatte  die  Herr- 
schaft vom  Kapitelstreit  des  16.  Jhs.,  wie  wir  sehen  werden,  auch  wieder  die 
unangenehmste  Seite  zu  tragen,  und  als  schließlich  1604  eine  Einigung  erzielt 
wurde,  bildete  sie  für  die  vom  Vermittler,  dem  Herzog  von  Württemberg,  vor- 
gestreckte Entschädigungssumme  von  380000  Mark  an  den  protestantischen 
Markgrafen  Johann  Georg  von  Brandenburg  das  Pfandobjekt.  1665  wurde  sie 
wieder  eingelöst  und  von  jetzt  an  auch  wieder  die  Spuren  des  Protestantis- 
mus, die  mit  den  Württembergern  eingedrungen  waren,  beseitigt,  namentlich 
seit  die  Kapuziner  erschienen  waren.  Den  Greueln  des  Dreißigjährigen  und 
der  späteren  Franzosenkriege  war  das  Gebiet  als  Eingangspforte  zum  Kinzig- 
tale ganz  besonders  ausgesetzt.  Uber  das  alles  ist  noch  an  anderer  Stelle  zu 
berichten.  Erwähnt  sei  hier  nur  noch,  daß  nach  der  Wegnahme  Straßburgs 
durch  die  Franzosen  der  Bischof  dafür  vom  Kaiser  verantwortlich  gemacht  und 
gemaßregelt  wurde,  indem  ihm  die  Herrschaft  Oberkirch  abgenommen  und  dem 
Türkenlouis,  dem  Markgrafen  Ludwig  Wilhelm  von  Baden,  (1683)  zugewendet 
wurde,  bis  sie  im  Ryswyker  Frieden  wieder  ans  Stift  heimfiel  (1697).  Durch 
die  Säkularisation  (1803)  kam  sie  an  Baden. 

Außer  den  Benediktinern,  die  neben  den  genannten  Abteien  noch  ein  zu 
S.  Georgen  gehöriges  Priorat  in  Rippoldsau  (gegründet  1140)  hatten,  waren  in 
unserem  Kreis  noch  die  Prämonstratenser  vertreten,  die  sich  in  dem  unwirt- 
lichen Lierbachtal  eine  von  der  Herzogin  Uta  von  Schauenburg  (1196)  gestiftete 
und  mit  Gütern  in  Renchen,  Ramsbach,  Hesselbach,  Eiesweiler,  mit  dem  Patronat 
über  die  wichtige  Nußbacher  Kirche  dotierte  Heimstätte  Allerheiligen  schufen. 
Heinrich  VII.  erweiterte  1227  und  1233  diesen  Besitz  um  ein  beträchtliches  mit 
dem  Reichsgut  in  der  Ortenau ; auch  von  anderer  Seite  erfolgten  Zuwendungen. 
Entsprechend  ihrer  Ordensregel  treten  die  Klosterinsassen  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte wenig  nach  außen  hervor.  In  der  zweiten  Hälfte  des  1 5.  Jhs.  war  der 
Konvent  infolge  eines  Brandes  genötigt,  nach  seinem  Besitztum  in  Lautenbach 
für  einige  Jahre  überzusiedeln;  es  entstand  hier  damals  (1471  ff)  die  prachtvolle 
Kirche,  eines  der  herrlichsten  gotischen  Gotteshäuser  in  Mittelbaden.  Vom 
16.  Jh.  an  machte  sich  Allerheiligen  weithin  bekannt  durch  sein  treffliches 


*)  Vgl.  Schöpflin,  Hist.  Zaringo  - Badens  II,  p.  1 1 5 ff. 


EINLEITUNG. 


XXVII 


Gymnasium.  Von  den  älteren  Orden  hatten  die  Augustiner  eine  Niederlassung 
in  Lahr  (1259  gestiftet,  1482  in  ein  weltliches  Chorherrenstift  umgewandelt,  1558 
protestantisch  geworden),  der  Dominikanerorden  eine  wohl  bald  wieder  ver- 
schollene Niederlassung  für  Dominikanerinnen  in  Offenburg  (gegründet  1246); 
die  Franziskaner  besaßen  Konvente  in  Seelbach,  in  Offenburg,  wo  sie  seit  1280 
den  Unterricht  in  Händen  hatten ; die  Klarissinnen  die  Niederlassung  in  Wittichen  ; 
die  Kapuziner,  die  im  Dreißigjährigen  Krieg  und  den  späteren  Franzosenkriegen 
durch  ihr  mutiges  Auftreten  wie  durch  mancherlei  Sympathien  bei  dem  Feinde 
zum  Segen  für  ihre  Umgebung  wurden,  Niederlassungen  in  Haslach  (gegründet 
1630),  in  Offenburg  (gegründet  1640)  und  in  Oberkirch  (gegründet  1696).  In 
den  wilden  Kriegszeiten  oblag  den  Kapuzinern  vielfach  ganz  allein  die  Seel- 
sorge, denen  in  Haslach  außerdem  nach  dem  Heimfall  der  Herrschaft  Gerolds- 
eck (1649)  die  Rekatholisierung  dieses  Gebietes  und  des  Oberprechtales. 
Klausnerinnen  und  Beghinen  werden  im  hohen  Mittelalter  in  Gengenbach,  Ober- 
kirch und  Offenburg  erwähnt. 

Für  die  Entwickelungsgeschichte  der  Benefizien  und  Pfarreien  bietet  der 
Kreis  Offenburg  verschiedene  sehr  typische  Beispiele  dar.  Wie  in  diesem  Bezirk 
das  Christentum  vom  fränkischen  Gebiet  aus  über  Straßburg  durch  Kloster- 
niederlassungen einen  sehr  frühen  Einbruch  vornahm,  so  auch  durch  Gründung 
von  Kirchen  und  sonstigen  Gotteshäusern,  offenbar  zunächst  auf  fränkischen  Kron- 
gütern.  Und  wie  die  Circumscription  der  Bistümer  den  alten  frühgermanischen 
Gebietsgrenzen  folgen,  so  spiegeln  sich  noch  oft  in  den  alten  Archidiakonaten 
oder  Dekanaten  wie  in  den  Pfarreien  die  alten  Grafschaften  oder  Hundertschaften 
wieder,  an  die  sich  die  Erinnerung  zum  Teil  bis  zur  Gegenwart  noch  in  den 
Mark-  und  Waldgenossenschaften  erhalten  hat.  Derart  sind  die  uralte  Pfarr- 
kirche und  der  Pfarrsprengel  Nußbach  entstanden.  Noch  im  10.  Jh.  verfügte  der 
Kaiser,  es  war  Otto  III.,  darüber  und  vergabte  den  Kronhof  und  wahrscheinlich 
auch  das  Kirchenpatronat  an  das  Stift  Waldkirch ; 100  Jahre  später  stritten  sich 
um  das  letztere  die  Herzogin  Uta  und  die  Grafen  von  Freiburg.  Ursprünglich 
ging  die  Jurisdiktion  des  Pfarrinhabers  von  Nußbach  noch  über  die  Kapellen  in 
Oberkirch  und  Oberdorf,  in  Oppenau  und  Ebersweiler,  bis  sich  im  13.  Jh.  Ober- 
kirch und  Oppenau  als  selbständige  Pfarreien  loslösten.  Weniger  rasch  erfolgte 
die  Dismembration  der  Offenburger  Pfarrei,  trotzdem  sich  im  17.  Jh.  die  ver- 
schiedenen Filialen  Bohlsbach,  Elgersweier,  Ortenberg,  Rammersweier,  Tutweiler, 
Waltersweier  und  Weingarten  in  den  unsicheren  Zeiten  ewiger  Kriegsläufte  eifrig 
um  eigene  Pfarrechte  bewarben;  erst  Ende  des  18.  und  im  19.  Jh.  wurden  teil- 
weise diese  Wünsche  befriedigt.  Auch  die  uralte,  wohl  in  fränkische  Frühzeit 
noch  hinabreichende  Pfarrei  Burgheim  in  Lahr  ist  durch  ihre  Lage  wie  durch 
ihre  spätere  Verschmelzung  mit  der  Stiftskirche  in  Lahr  ein  gutes  Schulbeispiel 
für  den  Wandel  in  der  Entwickelung  eines  Pfarrbenefiziums ; auch  in  Seelbach, 
dessen  Kirche  schon  1179  urkundlich  Pfarrechte  besaß  und  in  der  Reformation 


XXVIII 


EINLEITUNG. 


die  früheren  Pfarreien  Prinzbach,  Schuttertal  und  Reichenbach  absorbierte,  können 
wir  den  gleichen  Vorgang  der  Zentralisation  wahrnehmen.  ( S .) 

* * 

Neben  den  Klöstern,  unter  denen  Gengenbach  an  politischer  Bedeutung 
weit  hervorragt,  und  dem  Bistum  Straßburg  treten  im  Laufe  des  12.  und  13.  Jhs. 
einige  mächtige  Territorialherren  auf.  Im  Süden  des  Landes  waren  es  die 
Herren  von  Geroldseck,  deren  Macht  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs. 
ihren  Höhepunkt  erreicht  hat.  Der  Sage  nach  war  ihr  Geschlecht  uralt  und 
leitete  seinen  Ursprung  ab  von  einem  römischen  Senator,  namens  Gerold,  der 
Kaiser  Karl  den  Großen  nach  seiner  Krönung  nach  Deutschland  begleitet  und 
ihm  im  Kriege  gegen  die  Sachsen  große  Dienste  geleistet  haben  soll.  Zum 
Lohne  sei  er  zu  einem  Herzog  in  Schwaben  und  später  außerdem  zu  einem 
Markgrafen  von  Österreich  ernannt  worden.  Noch  heute  erinnert  eine  Tafel 
auf  der  Burg  Hohengeroldseck  an  diese  Stammsage.  In  der  Tat  gab  es  nun 
einen  Gerold,  der  aber  natürlich  ein  Deutscher  war,  sich  als  Graf  in  der  Baar 
und  Statthalter  in  Bayern  ein  großes  Ansehen  erwarb  und  auch  in  der  Karls- 
sage eine  Rolle  spielt.1)  Er  scheint  aber  ohne  Nachkommen  gestorben  zu  sein, 
und  für  ein  Anknüpfen  des  Geschlechtes  an  ihn  sind  auch  nicht  die  geringsten 
Beweise  vorhanden.  Urkundliche  Nachrichten,  welche  über  das  II.  Jh.  hinaus- 
reichen, haben  wir  von  den  Geroldseckern  nicht.  1035  wird  ein  Herimannus 
genannt,  der  wahrscheinlich  dem  Geschlecht  angehörte,  dann  ein  Waltherus  de 
Geroldsecca.  Aber  schon  mit  den  folgenden  Otto  und  Burckhardt  stoßen  wir 
auf  die  Schwierigkeit,  welche  die  Aufhellung  der  ältesten  Geschichte  des  Hauses 
überall  hindert,  nämlich  die  Existenz  eines  gleichnamigen  Geschlechtes  im  Elsaß, 
der  Herren  von  Geroldseck  am  Wasichin,  die  nach  dem  Stande  der  heutigen 
Forschung  mit  den  rechtsrheinischen  Herren  nicht  verwandt  waren.  1139  wird 
die  Burg  zum  erstenmal  genannt,  am  Anfänge  des  13.  Jhs.  treten  Mitglieder 
des  Geschlechtes  häufiger  hervor,  erst  mit  Walter  — dem  I.  oder  II.,  wie  man 
will  — gewinnen  wir  einen  sicheren  Boden.  Der  Territorialbesitz  des  Geschlechtes 
hatte  damals  seine  größte  Ausdehnung  erlangt,  ihm  gehörte  das  Schuttertal,  so 
ziemlich  der  größte  Teil  der  Rheinebene  von  Mahlberg  bis  Offenburg,  die  Herr- 
schaft Mahlberg  war  vielleicht  durch  Heirat  an  Walter  gefallen,  einige  Orte  im 
unteren  und  die  kleine  Herrschaft  Schenkenzell  im  oberen  Kinzigtal,  die  Herr- 
schaft Romberg  mit  der  gleichnamigen,  heute  zerstörten  Burg  bei  Schapbach, 
zerstreute  Besitzungen  im  Norden  bis  an  die  Oos,  im  Süden  bis  in  das  Glotter- 
und  Dreisamtal,  im  Westen,  über  den  Rhein  hinüber,  außer  der  Feste  Schwanau 
noch  eine  Anzahl  Besitzungen,  kurz,  es  waren  die  Anfänge  zu  einer  ganz 
bedeutenden  mittelbadischen  Macht  vorhanden. 

1)  Ruppert,  Geschichte  der  Mortenau  I,  Geschichte  des  Hauses  und  der  Herrschaft  Gero'.ds- 
eck,  S.  8. 


EINLEITUNG. 


XXIX 


Damals  mochte  Walter  die  Residenz  hoch  oben  auf  dem  Berge  unbequem 
gewesen  sein,  und  so  gründete  er  sich  eine  zweite  am  Ausgange  des  Schuttertales, 
ziemlich  im  Schwerpunkt  seiner  Macht,  er  erbaute  die  Tiefburg  Lahr.  Schon 
vorher  muß  hier  eine  kleine  Burg  vielleicht  eines  zähringischen  Ministerialen 
gestanden  haben,  von  einem  Dorf  aber  hören  wir  trotz  der  alten  Namensform 
erst  etwa  ein  Jahrzehnt  später:  möglich  also,  daß  es  erst  im  Anschluß  an  diese 
Tiefburg  entstanden  ist. 

Unter  Walter  erfolgte  die  große  Teilung  der  Herrschaft,  die  eine  dauernde 
wurde  und,  wie  stets,  die  Kraft  des  Geschlechtes  lähmte.  Die  Söhne  seines  in 
der  Schlacht  bei  Hausbergen  gefallenen  Sohnes,  des  Landvogtes  Hermann, 
Heinrich  I.  und  Walter  II.,  erhielten  die  Herrschaft  Lahr-Mahlberg  und  alles  Land 
westlich  der  Bischofsmühle,  die  zwischen  Lahr  und  Kuhbach  zu  suchen  ist,  ferner 
halb  Ottenheim  und  alle  Güter  im  Elsaß,  außer  der  Hälfte  der  so  wichtigen 
Rheinfestung  Schwanau.  Diese  Hälfte  wurde  dem  anderen  Zweig  reserviert,  also 
dem  Onkel  der  beiden,  dem  dritten  Sohne  Walters,  Heinrich,  der  die  Erbin  von 
Veldenz  geheiratet  hatte  und  sich  danach  Graf  von  Veldenz  nannte.  Er  erhielt 
alles  Land  östlich  der  Bischofsmühle,  damit  auch  die  Stammburg,  dazu  Zuns- 
weier, Berghaupten  und  »was  gegen  Schwaben  liegt  und  das  Gut  zu  Schwaben  . 
Nach  dem  später  gebräuchlichen  Ausdruck  scheinen  darunter  die  Güter  im 
oberen  Kinzigtal,  die  Herrschaften  Romberg  und  Schenkenzell  gemeint  zu  sein. 
Der  älteste  Sohn  dieses  Heinrich,  Walter,  erbte  in  der  Hauptsache  die  veldenzischen 
Besitzungen,  sein  Interesse  lag  also  ferne  von  den  eigentlichen  Stammlanden, 
obwohl  er  ursprünglich  an  diesen  wie  an  der  Stammburg  Anteil  hatte.  In  der 
Heimat  blieb  Heinrichs  zweiter  Sohn  Hermann,  der  mit  einer  Gräfin  Uta  von 
Tübingen  verheiratet  war,  woher  seine  Bezeichnung  und  die  seiner  Nachkommen: 
von  Tübingen.  Sein  Sohn  Walter  war  mit  einer  Tochter  des  mächtigsten 
Dynastengeschlechtes  der  Umgegend  verheiratet,  mit  Anna  von  Fürstenberg,  er 
war  also  der  Schwager  jenes  so  trotzig  dreinblickenden  Grafen  Götz,  dessen 
Grabplatte  wir  in  Haslach  kennen  lernen.  Trotz  dieser  Verbindung  aber  ging 
es  Walter  herzlich  schlecht.  In  den  verschiedenen  Fehden  zwischen  dem  Bischof 
von  Straßburg  und  dem  Grafen  von  Württemberg,  zwischen  dem  Bischof  endlich 
und  seiner  Stadt,  in  den  großen  Kämpfen  um  die  Kaiserkrone  zwischen  Friedrich 
von  Österreich  und  Ludwig  von  Bayern  benutzte  der  Geroldsecker  seine  Rhein- 
feste Schwanau  zu  einem  ausgedehnten  Erpressungssystem,  insbesondere  gegen 
die  Kaufleute  der  Städte  Zürich  und  Straßburg,  indem  er  das  Recht  der  Grund- 
ruher  auf  gewissenlose  Weise  mißbrauchte.  Da  zogen  die  Straßburger  aus, 
eroberten  nach  heftiger  Gegenwehr  die,  wie  es  scheint,  sehr  gut  befestigte  Tief- 
burg und  verheerten  auch  auf  dem  rechten  Rheinufer  die  Besitzungen  des  Hauses ; 
so  wurde  Stadt  und  Schloß  Schuttern  verbrannt,  bei  welcher  Gelegenheit  das 
Kloster  mit  in  Flammen  aufging  (1333).  Nach  einigen  Nachrichten1)  soll  Walter 

*)  Kindl  er  von  Knobloch,  Oberbad.  Geschlechterbuch  I,  S.  435,  wogegen  Ruppert 
a.  a.  O.  S.  170. 


XXX 


EINLEITUNG. 


selbst  in  Schwanau  gefallen  sein,  was  von  anderen  bestritten  wird.  Von  seinem 
wohl  ältesten  gleichnamigen  Sohn,  der  sich  ausdrücklich  Herr  von  Hohengeroldseck 
nannte,  ging  die  hohengeroldseckische  Linie  aus,  die  alle  anderen  überlebte,  aber 
auch  den  tiefsten  Niedergang  des  Geschlechtes  sah  und  mit  Jakob  1634  endete. 
Einer  der  drei  anderen  Söhne  des  unglücklichen  Schloßherrn  von  Schwanau, 
Georg,  Gangolf  oder  Wilhelm,  war  der  Stifter  einer  Sulzer  Seitenlinie,  die  nur 
dadurch  für  unsere  Gegend  von  Bedeutung  ist,  daß  die  Hohengeroldsecker  Vettern 
in  ihre  Kämpfe  mit  den  Grafen  von  Württemberg  verwickelt  wurden.  Die  Linie 
starb  im  15.  Jh.  aus. 

Vor  der  großen  Familientrennung  i.  J.  1277,  schon  am  Ende  des  12.  Jhs., 
hatte  sich  ein  Zweig  von  der  Familie  losgelöst,  welcher  sich  nach  seiner  Residenz, 
der  Diersburg  in  dem  kleinen  Tal  zwischen  den  Ausläufern  des  Steinfirst,  die 
Herren  von  Tiersperg  nannte.  Zum  erstenmal  hören  wir  1197  von  einem 
Waltherus  de  Tirsperg.  ’)  Sein  Enkel,  Heinrich  II.,  der  mit  einer  Heilika  von 
Lichtenberg  vermählt  war,  fiel  1262  in  der  Schlacht  bei  Hausbergen,  und  da 
sein  Sohn  Ludwig  1279  unverheiratet  starb,  so  fielen  die  Lehen  wohl  an  den 
Hauptstamm  zurück,  die  Allode,  darunter  die  Burg,  aber  kamen  an  den  Gemahl 
der  letzten  Erbtochter,  Wilhelm  von  Schwarzenberg,  und  gelangten,  als  dies 
Dynastengeschlecht  immer  mehr  verarmte,  in  verschiedene  Hände  (s.  unten). 

Neben  den  Geroldseckern  waren  es  die  Erben  der  Zähringer,  die 
Grafen  von  Urach,  die  in  der  Ortenau  zu  großem  Territorialbesitz  gelangten. 
Nach  dem  Aussterben  des  Herzogsgeschlechtes  fielen  die  Reichslehen  an  den 
Kaiser  zurück,  die  Familiengüter  aber  kamen  an  die  beiden  Schwäger  Bertholds  V., 
den  Grafen  Ulrich  von  Kyburg  und  den  Grafen  Egeno  von  Urach.  Letzterer 
erhielt  die  im  badischen  Oberland  gelegenen  Besitzungen.  Doch  hatte  er  sich 
zunächst  mit  dem  König  auseinanderzusetzen,  der  die  allodiale  Eigenschaft  einer 
ganzen  Anzahl  Güter  bestritt.* 2)  Es  kam  zu  einem  ersten  Erbfolgekrieg,  der  in 
einem  Ausgleich  von  1218  sein  Ende  fand.  Die  Masse  des  in  unserer  Gegend 
so  erworbenen  Besitzes  erstreckte  sich  vom  Acher-  und  Renchtal  und  von  Kork 
nach  Süden  weit  über  die  Grenzen  der  Ortenau,  dazu  gehörten  Oberkirch, 
Ilausach  und  Haslach.  Ein  neues  Zerwürfnis  mit  den  Hohenstaufen  wurde  1226 
geschlichtet.  Unter  Egenos  Enkeln,  Konrad  und  Heinrich,  erfolgte  die  Trennung 
in  die  zwei  Linien,  der  ältere,  Konrad  I.,  erhielt  Freiburg  und  die  Güter  im  Breisgau, 
in  unserer  Gegend  auch  Hausach,  das  weitab  von  den  übrigen  Besitzungen  lag. 
Er  und  seine  Nachkommen  nannten  sich  von  nun  an  Grafen  von  Freiburg,  der 
jüngere  Bruder,  Heinrich  I.,  aber  nannte  sich  noch  länger  Graf  von  Urach,  aber 
daneben  schon  seit  1250  Graf  von  Fürstenberg,  nach  seinem  Lieblings- 
wohnsitz. Von  ihm  stammt  das  heute  noch  blühende  Geschlecht  ab.  Ihm  waren 
die  höher  gelegenen,  östlichen  Teile  des  zähringischen  Erbschaftsgebietes  zu- 


*)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  32. 

2)  Riezler,  Geschichte  des  Hauses  Fürstenberg  I,  S.  40. 


EINLEITUNG. 


XXXI 


gefallen  im  Schwarzwalde  und  in  der  Baar,  im  Kinzigtal  Haslach,  Steinach  und 
Biberach,  dazu  schöne  Besitzungen  im  Renchtal  und  ein  Anteil  am  Schultheißen- 
amte in  Kork.  Haslach  wurde  zwar  als  angebliches  Lehen  vom  Reiche  in  An- 
spruch genommen,  und  Heinrich  sah  sich  genötigt,  um  die  Stadt  zu  behalten, 
sie  vom  Bischof  von  Straßburg  zu  Lehen  zu  nehmen.  Auch  verzichtete  er  auf 
seine  Ansprüche  an  Offenburg,  Ortenberg  und  Gengenbach,  auf  die  das  Bistum 
damals  seine  mächtige  Hand  gelegt  hatte.  Der  stammverwandte  König  Rudolf 
sicherte  dann  dem  Hause  Haslach  als  Reichslehen,  dagegen  mußte  der  offenbar 
in  schlechter  finanzieller  Lage  befindliche  Heinrich  die  Hälfte  seines  Dorfes  Ober- 
dorf und  das  Tal  Ramsbach  bei  Oberkirch  1271  dem  Bischof  von  Straßburg  zu 
Lehen  aufgeben.  Durch  Vermählung  seines  ältesten  Sohnes  Heinrich  mit  Udilhild, 
der  Erbtochter  des  Freiherrn  Friedrich  von  Wolfach,  sicherte  er  seinem  Geschlecht 
den  Anfall  der  Herrschaft  Wolfach,  der  auch  etwa  um  1280  erfolgt  ist.  Er 
dürfte  dann  noch  die  Burg  Fürsteneck  im  Renchtal  gegründet  haben,  wohl  zum 
Schutze  der  dortigen  Besitzungen,  von  denen  Ausläufer  bis  in  die  Gegend  von 
Bühl  und  das  Achertal  erkennbar  sind,  denen  gerade  Heinrich  große  Wichtigkeit 
beigelegt  zu  haben  scheint.1)  Sein  gutes  Verhältnis  zu  König  Rudolf  wirkte 
auch  auf  die  Söhne  Friedrich  und  Egeno  nach,  die  so  u.  a.  mit  den  Reichslehen 
zu  Fürsteneck  und  Oberkirch  belehnt  wurden,  nachdem  Markgraf  Rudolf  von 
Baden  darauf  verzichtet  hatte.2)  Wieder  aber  hatte  unterdes  eine  Teilung  der 
Lande  stattgefunden:  Egeno  nahm  neben  Villingen  auch  die  Besitzungen  im 
Kinzigtal  mit  Haslach,  das  nach  dem  Verlust  Villingens  an  Österreich  der  Haupt- 
ort der  Linie  wurde,  die  sich  dann  auch  danach  benannte;  Friedrich  erhielt  die 
alte  Grafschaft  Fürstenberg  mit  der  Stammburg,  den  größeren  Teil  des  Besitzes 
im  Renchtal,  ein  kleinerer  war  gemeinsam.  Wolfach  blieb  als  Erbgut  seiner 
Gemahlin  bei  Friedrich. 

Die  Haslacher  Linie  überdauerte  ein  Jahrhundert,  einer  ihrer  für  die  Geschichte 
unseres  Landes  bedeutendsten  Vertreter  war  der  1341  gestorbene  Graf  Götz, 
der  Schwager  Walters  III.  von  Hohengeroldseck,  der  in  zahllose  Händel  der 
Gegend  verwickelt  war.  Mit  seinem  Enkel  Hans,  der  1386  bei  Sempach  fiel, 
starb  die  Haslacher  Linie  aus,  der  die  Stadt  wohl  ihren  ersten  Ausbau  und  ihre 
Freiheiten  zu  verdanken  hatte,  und  die  Besitzungen  kamen  zurück  an  die 
Hauptlinie. 

Diese,  die  mit  Heinrich  II.  begann,  hatte  gleich  im  Anfänge  eine  Anzahl 
Verluste  zu  erleiden;  so  sahen  Heinrich  und  seine  Mutter  Udilhild  sich  genötigt,  die 
Burg  Fürsteneck  und  die  Stadt  Oberkirch  dem  Bischof  von  Straßburg  zu  verkaufen 
(1303).  Damit  war  die  Hauptmasse  des  Besitzes  im  Renchtal  verloren  gegangen. 
Dafür  aber  brachte  Heinrich  durch  seine  Heirat  mit  Verena,  der  Erbtochter 
des  Grafen  Heinrich  von  Freiburg  (Badenweiler)  und  der  Anna  von  Wartenberg, 


1)  Riezler,  Geschichte  des  Hauses  Fürstenberg  T,  S.  217. 

a)  Ebenda  S.  222. 


XXXII 


EINLEITUNG. 


außer  Wartenberg  usw.  auch  den  altzähringischen  Besitz  Hausach  wieder  seinem 
Stamme  zu.  Dagegen  hatte  eine  andere  Erwerbung,  die  des  Tales  Harmersbach, 
das  ihm  1330  Kaiser  Ludwig  verpfändete,  keinen  Bestand.  Seine  drei  Söline 
nahmen  eine  neue  Teilung  vor,  die  aber  der  Tod  bald  beseitigte,  und  seinem 
Enkel,  Heinrich  IV.,  war  es  beschieden,  alle  Lande  wieder  in  seiner  Hand  zu 
vereinigen,  als  auch  1386  die  Haslacher  Besitzungen  zurückfielen,  die  er  aller- 
dings nicht  ohne  langwierige  Streitigkeiten  mit  den  Ansprüchen  anderer  erhielt. 
Schon  mit  seinen  Söhnen  erfolgt  noch  zu  seinen  Lebzeiten  wieder  eine  Teilung 
der  Lande,  wobei  aber  die  Kinzigtäler  Besitzungen  endlich  vereinigt  blieben, 
welche  Konrad  erhielt.  Mit  ihm  und  seinem  Sohn  Heinrich  VI.  bestand  diese 
Kinzigtäler  Linie  von  1406  bis  1490,  deren  Besitz  sich  etwa  von  Steinach  bis 
Oberwolfach,  zum  Turm  zwischen  Gutach  und  Hausach,  bis  zur  Heidburg  oben 
auf  den  Bergen  erstreckte. 

Gegen  Osten  grenzte  ihr  Besitz  an  Gutach,  welches  damals  noch  den  Frei- 
herren  von  Hornberg  gehörte,  die  auf  der  nahen  Burg  residierten,  aber  im 
Laufe  des  1 5.  Jhs.  sich  genötigt  sahen,  ein  Stück  ihrer  Herrschaft  nach  dem 
anderen  an  die  Grafen  von  Württemberg  zu  verkaufen. 

Außer  dem  Reich,  dem  Bischof,  dem  Kloster,  den  Geroldseckern  und  den 
Lürstenbergern  teilten  sich  in  den  Besitz  unserer  Gegend  noch  die  Herren 
von  Lichtenberg  und  die  Markgrafen  von  Baden.  Erstere  waren  eine  der 
mächtigsten  Dynastenfamilien  des  unteren  Elsaß,  die  ihren  sagenhaften  Ursprung 
auf  Herzog  Lticho  hinaufführten  Doch  treten  sie  urkundlich  erst  im  13.  Jh.  auf. 
Ihre  Stammburg  liegt  auf  einem  hervorragenden  Lelskegel  der  Vogesen,  über  dem 
Dorfe  Lichtenberg,  unweit  von  Niederbronn.1)  Wie  andere  Dynasten  sind  auch 
sie  erst  nach  dem  Niedergange  der  deutschen  Reichs-  und  Kaisermacht  zur 
Selbständigkeit  und  zu  größerem  fest  abgegrenzten  Besitz  gekommen.  Als  erster 
erscheint  ein  Albert  von  Lichtenberc  in  einer  Verschreibung  für  die  Abtei  Selz, 
angeblich  identisch  mit  Albert,  dem  Vogte  von  Rotbach.  Von  seinen  Söhnen 
setzte  Ludwig  I.  das  Geschlecht  fort,  da  der  ältere,  Heinrich  I.,  wie  es  scheint 
nur  eine  Tochter  hinterließ.  Die  Besitzungen  des  Geschlechtes  im  Elsaß  müssen 
damals  schon  ziemlich  bedeutende  gewesen  sein  und  ihre  Macht  im  Aufstreben 
begriffen.  Ludwig  war  der  Schirmvogt  der  Stadt  Straßburg,  und  die  dauernde 
Verbindung  mit  der  mächtigen  Stadt  mag  der  Lamilie  ebenfalls  förderlich 
gewesen  sein.  Nach  dem  Tode  Ludwigs  verwalteten  seine  beiden  Söhne, 
Heinrich  II.  und  Ludwig  II.,  die  Vogtei,  drei  andere  waren  geistlichen  Standes, 
und  zwei  davon,  nämlich  Konrad  und  Lriedrich,  von  größter  Bedeutung  für  das 
Geschlecht.  Hintereinander  bestiegen  sie  den  Straßburger  Bischofsstuhl,  Konrad 
regierte  von  1273  bis  1299,  Friedrich  von  1299  bis  1306.  Ersterer  ist  der  Bau- 

x)  J.  Schaible,  Geschichte  des  Bad.  Hanauer  Landes,  Karlsruhe  1855,  S.  19.  J.  G.  Leh- 
mann, Urkundliche  Geschichte  der  Grafschaft  Hanau-Lichtenberg,  Mannheim  1862.  Kindler  von 
Kn  obloch  a.  a.  O.  II,  S.  492  ff. 


EINLEITUNG. 


XXXIII 


herr  des  Münsters,  der  die  Fassade  Erwin  von  Steinbachs  erstehen  ließ,  auch 
sonst  ein  baulustiger  Herr,  jedoch  ebenso  kriegslustig,  »ein  herrlich  schöne 
Person«,  wie  er  in  einer  gleichzeitigen  Chronik  genannt  wird. 

Als  er  129g  seinem  Neffen  zu  Hilfe  an  der  Spitze  eines  Heeres  von  an- 
geblich 12000  Mann  gegen  die  Stadt  Freiburg  zog,  da  wurde  er,  der  keinen 
Harnisch  trug,  von  einem  Metzger  erstochen.  Schon  vor  seiner  Regierung 
müssen  die  rechtsrheinischen  Besitzungen  seiner  Familie  an  diese  gekommen 
sein,  Willstett  vielleicht  schon  zu  Ende  des  12.  oder  Anfang  des  13.  Jhs.,  doch 
dürfte  er  sie  wesentlich  vermehrt  haben.  Aus  der  Chronik  des  Königshoven 
wissen  wir,  daß  er  1293  das  Städtlein  Sermersheim  bei  Bennfelden  abbrechen 
ließ  sowie  die  Burg  Krax,  und  »die  Steine  wurden  enweg  gefüret  und  die  Stat 
Lichtenowe  wart  darus  gebuwen  und  mit  einer  Mauer  umgeben«.  Es  mag 
dahingestellt  bleiben,  ob  es  sich  dabei  um  eine  völlig  neue  Gründung  handelt, 
wie  allerdings  nach  dem  vollständigen  Mangel  einer  vorherigen  Erwähnung 
scheinen  möchte,  oder  nur  um  einen  Ausbau  und  eine  Befestigung  mit  den 
Mauern,  die  nach  einer  archivalischen  Notiz  1313  fertiggestellt  waren.1)  Lichtenau 
und  Willstett  blieben  jedenfalls  die  Hauptorte  der  nach  ihnen  benannten  Ämter, 
zu  denen  später  gehörten:  zum  Amte  Lichtenau  noch  die  16  Dörfer  Scherzheim, 
Graueisbaum,  Hehnlingen,  Muckenschopf,  Memprechtshofen,  Holzhausen,  Haus- 
gereuth, Diersheim,  Leutesheim,  Freistett,  Bischofsheim,  Linx,  Hohbühn,  Boders- 
weier,  Zierolshofen  und  Rencherlocherhof ; zum  Amte  Willstett  dieses  selber, 
ferner  Kork,  Odelshofen,  Neumühl,  Querbach,  Eckartsweier,  Hesselhurst,  Hohn- 
hurst, Legelshurst,  Bolzhurst,  Sand  und  Auenheim,  endlich  die  ausgegangenen 
Orte  Weißweiler,  Gundesweiler,  Neuland,  Guerge  und  Renchenbach.2)  Ein 
Blick  auf  die  Karte  lehrt,  daß  also  so  ziemlich  das  heutige  Amt  Kehl  die  Masse 
des  Lichtenbergschen  rechtsrheinischen  Besitzes  bildete.  Wie  all  das  an  das 
Haus  kam,  läßt  sich  im  einzelnen  nicht  immer  mehr  feststellen.  Ein  Teil  hatte 
früher  dem  Hochstift  Straßburg,  ein  anderer  den  Geroldseckern,  ein  anderer 
wohl  dem  Reiche  gehört.  Mit  den  Brüdern  des  Bischofs  Konrad,  Heinrich  II.  und 
Ludwig  II.,  teilte  sich  das  Geschlecht  in  zwei  Linien,  aber  verwaltete  zunächst 
noch  die  Besitzungen  gemeinsam;  erst  unter  ihren  Söhnen,  Konrad  I.  und 
Johann  I.,  erfolgte  eine  Teilung.  Letzterer,  von  der  jüngeren  Ludwigschen 
Linie,  behielt  neben  einem  Anteil  an  linksrheinischen  die  rechtsrheinischen 
Besitzungen.  Noch  einmal  spaltete  sich  seine  Linie  mit  seinen  Söhnen  Johann 
und  Ludwig  oder  Ludemann,  um  1335.  Des  letzteren  Nachkommen,  die  jüngere 
oder  auch  lichtenauische  Linie,  erhielt  neben  Buchsweiler  und  zahlreichen 
Orten  im  Elsaß  Burg  und  Stadt  Lichtenau  mit  den  zugehörigen  Orten  jenseits 
des  Rheines.  Da  Ludemann  wie  sein  Sohn  Heinrich  oft  in  Lichtenau  residierten, 
nannten  sie  sich  danach  auch  direkt  Herren  von  Lichtenau.  Da  die  beiden 

*)  Lehmann  a.  a.  O.  S.  24. 

2)  Schaible  a.  a.  O.  S.  17. 


Band  VII. 


III 


XXXIV 


EINLEITUNG. 


anderen  Linien  im  Anfänge  des  15.  Jhs.  ausstarben,  so  vereinigten  schließlich 
die  Urenkel  Ludemanns,  Jakob  und  Ludwig,  die  Besitzungen  des  Hauses  wieder 
auf  sich.  — Verschwägert  mit  den  Markgrafen  von  Baden,  den  Herren  von 
Eberstein,  Klingen,  Teck,  Ochsenstein,  Werdenberg-Montfort,  Veldenz,  Gerolds- 
eck u.  a.,  haben  die  Lichtenberger,  die  erst  1456  in  einer  Urkunde  Friedrichs  IV. 
Grafen  genannt  werden,1)  an  allen  Händeln  der  Gegend  reichen  Anteil  genommen. 

Von  Norden  her  griff  die  Macht  der  Markgrafen  von  Baden  in  die 
Ortenau  über.  Bühl,  das  1 302  als  ein  ebersteinisches  Lehen  der  Windecker 
erscheint,  kam  in  seiner  nördlichen  Hälfte  1386  an  Baden;  Steinbach  gehörte 
schon  seit  älteren  Zeiten  demselben,  1258  hatte  es  Stadtrecht  erhalten  nach 
Freiburger  Muster,  wurde  später  zum  Amtssitz  für  Bühl.  Vimbuch,  Sinzheim 
und  war  befestigt.  Die  badische  Herrschaft  erstreckte  sich  zum  Teil  auf  Grund 
alten  ebersteinischen  Besitzes  östlich  des  Hanauer  Landes  nach  Süden  bis  Neusatz 
und  Gebersberg,  also  in  den  Gegenden  der  Ortenau,  welche  der  heutigen  Kreis- 
einteilung zufolge  nicht  mehr  in  diesem  Bande  behandelt  werden.  Mitten  im 
Herzen  der  Ortenau  aber  lag  eine  badische  Enklave,  die  Herrschaft  Staufen- 
berg, welche  von  den  Zähringern  durch  die  Grafen  von  Freiburg  an  die  Eber- 
stein gekommen,  die  es  1 366  an  Baden  verkauften.  Zu  der  Herrschaft  gehörte 
die  gleichnamige  Burg,  Durbach,  Bühl,  Hespengrund,  Wiedergrün,  Obernessel- 
ried, Illental,  Bottenau,  Spring  etc.  Der  Markgraf  war  so  an  allen  Vorgängen 
der  Ortenau  direkt  interessiert. 

Daneben  sind  noch  eine  Anzahl  Ministerialengeschlechter  zu  erwähnen, 
die  gerade  im  13.  Jh.  zu  blühen  anfangen,  unter  ihnen  als  mächtigste  und 
bedeutendste  die  Herren  von  Schauenburg  und  Windeck,  im  Renchtal  etwa  die 
Herren  von  Neuenstein,  weiter  die  Herren  von  Schopfheim,  von  Bach,  das 
Ministerialengeschlecht  von  Diersburg,  die  späteren  Herren  von  Staufenberg,  die 
auf  dieser  Burg  sitzenden  und  sich  nach  ihr  nennenden  badischen  Ministerialen 
Kolb,  Tarant,  Stoll,  Wiedergrün,  Bock,  Pfau  von  Rüppurr  und  andere  mehr, 
welche  man  am  Schlüsse  dieser  Einleitung  in  der  Wappenzusammenstellung  nach- 
sehen  mag.  Sie  bildeten  zusammen  später  die  Ortenauer  Ritterschaft,  über  die 
an  geeigneter  Stelle  noch  das  Nötige  zu  bemerken  ist. 

Die  Geschichte  des  13.  Jhs.  beginnt  in  der  Ortenau  mit  dem  Kampf 
um  die  zähringische  Erbschaft  und  dem  damit  zusammenhängenden  Vordringen 
der  Macht  des  Straßburger  Bischofs.  Zu  gleicher  Zeit  steigerte  der  Aufstand 
des  Königs  Heinrich  gegen  seinen  Vater  Friedrich  II.  die  Verwirrungen,  die 
eben  wieder  von  dem  Bischof  benutzt  wurden.  Er  führte  von  1228  bis  1230 
einen  Krieg  gegen  den  Grafen  Egeno  von  Freiburg,  in  dem  er  verschiedentlich 
siegte,  aber  die  Verwüstung  seiner  Lande  durch  heuer  und  Schwert  nicht  ver- 
hindern konnte.2)  Erfolgreicher  war  der  Nachfolger,  Bischof  Heinrich  von 

Kindler  von  Knobloch  a.  a.  O.  II,  S.  497. 

a)  Vierordt,  Badische  Geschichte,  8.  280. 


EINLEITUNG. 


XXXV 


Stahleck,  dem  es  in  den  vierziger  Jahren  gelang,  die  Städte  Gengenbach  und 
Offenburg  zu  erobern  sowie  die  Burg  Ortenberg,  auf  welcher  bis  dahin  ein 
Vogt  des  Reiches,  also  des  unterdes  vom  Papst  geächteten  Kaisers  Fried- 
rich II.,  gesessen.  Damit  schien  das  Bistum  die  Ortenau  in  seiner  Hand  zu 
haben,  und  Heinrich  von  Stahleck  begann  sich  häuslich  einzurichten,  u.  a.  die 
Befestigungen  von  Gengenbach  zu  erneuern.  Obgleich  die  Kurie  dem  Grafen 
Konrad  von  Freiburg  den  Besitz  der  Städte  Neuenburg  und  Offenburg  sowie 
des  Schlosses  Ortenberg  bestätigte  und  obgleich  Graf  Konrad  von  Freiburg  die 
Verbündeten  des  Bischofs,  Walter  von  Geroldseck  und  seinen  Sohn  Heinrich, 
in  ihrem  Schlosse  Lahr  gefangennahm  — das  ganze  Jahrhundert  finden  wir  die 
Geroldsecker  im  feindseligsten  Gegensatz  zu  den  Freiburgern,  wohl  weil  sie 
ebenfalls  Stücke  zähringischen  Erbes  an  sich  gerissen  — , trotz  allem  blieb  der 
Bischof  im  Besitz.  Von  ganz  anderer  Seite  wurde  seinen  Machtbestrebungen 
eine  Grenze  gesetzt.  Eine  neue  Macht  trat  auf  den  Plan,  die  der  Städte. 
Wie  in  vielen  Bischofsstädten  hatte  schon  längst  in  Straßburg  das  Streben  der 
Bürgerschaft  begonnen,  die  Herrschaft  des  Bischofs  abzuschütteln,  und  es  sollte 
ihr  auch  nach  langwierigen  Kämpfen  gelingen.  Ein  bischöfliches  Recht  nach  dem 
anderen  bröckelte  ab,  um  so  mehr,  als  auch  die  pekuniären  Mittel  des  Bischofs 
mit  der  Zeit  nicht  Schritt  gehalten  hatten  und  er  sich  nur  zu  häufig  in  die 
Lage  versetzt  sah,  Rechte  an  die  Stadt  zu  verpfänden.  Diese  hatte  zur  Stärkung 
ihrer  Wehrkraft  zugleich  eine  lebhafte  Ausbürgerpolitik  begonnen.  Zu  dieser 
kritischen  Zeit  bestieg  Walter  von  Geroldseck  den  Bischofsstuhl,  ein  Mann, 
welcher  die  Eigenschaften,  die  wir  an  verschiedenen  Mitgliedern  des  Geschlechtes 
beobachten  können,  offenbar  ebenfalls  besaß:  eine  gewisse  Streitlust,  verbunden 
mit  verwegenem  Mut  und  Überschätzung  der  eigenen  Kraft.  Bei  solchen  An- 
lagen mußte  es  zum  schärfsten  Konflikte  kommen;  der  Bischof  begann,  gestützt 
auf  die  damals  so  blühende  Macht  seines  Hauses,  den  Kampf.  Der  Stadt 
hatten  sich  zum  Bunde  gegen  ihn  u.  a.  die  Städte  Neuenburg  und  Colmar,  vor 
allem  aber  der  Graf  Rudolf  von  Habsburg  und  natürlich  Graf  Konrad  von  Frei- 
burg, die  Herren  von  Ochsenstein,  Hohenstein  und  Girbaden  angeschlossen.  In 
der  mörderischen  Schlacht  bei  Hausbergen  (1262),  die  der  trotzige  Mann  trotz 
des  Abratens  vorsichtiger  Freunde  annahm,  wurde  er  besiegt;  zahllose  Mitglieder 
des  Adels  und  seines  eigenen  Geschlechtes,  des  Bischofs  Bruder,  der  Landvogt 
Hermann,  sein  Oheim,  der  Herr  von  Tiersberg,  Johannes  von  Werd  und  viele 
andere  fanden  den  Tod.1)  76  andere  Adlige  waren  in  Gefangenschaft  geraten. 
Der  Bischof  selbst  war,  nachdem  zwei  Pferde  unter  ihm  gefallen  waren,  auf  dem 
dritten  durch  eilige  Flucht  entkommen.  Auch  die  Herren  von  Lichtenberg 
— damals  Heinrich  II.  und  Ludwig  II.  — , obwohl  Schirmvögte  der  Stadt,  standen 
als  Vasallen  des  Bischofs  diesem  bei,  sowohl  in  der  entscheidenden  Schlacht 
als  bis  zu  seinem  Tode,  der  1263  erfolgte.  So  litt  auch  ihr  Land  schwer  unter 


S Ruppert  a.  a.  O.  S.  65. 


III* 


XXXVI 


EINLEITUNG. 


den  Kriegszügen  der  Straßburger  Bürger,  insbesondere  wurde  ihre  Burg  Will- 
stett  von  den  Straßburgern  erobert  und  zerstört.  Mit  dem  neuen  Bischof,  der 
sich  mit  den  Straßburgern  aussöhnte,  kam  auch  der  Friede,  nur  nicht  für  die 
Geroldsecker,  gegen  welche  die  Stadt  den  Kampf  bis  zum  Jahre  1266  weiter- 
führte. Die  Macht  des  Geschlechtes  wurde  in  diesen  Kämpfen  für  immer 
gebrochen,  es  gab  kein  Aufsteigen  mehr,  sondern  nur  noch  ein  wenn  auch  lang- 
sames Niedersteigen.  Eine  Folge  dieses  Kampfes  aber  war  auch,  daß  die 
Bestrebungen  des  Bischofs  um  Ausdehnung  seiner  Territorialmacht  einige  Zeit 
auf  hörten,  da  er  auch  in  den  nächsten  Jahrzehnten  noch  zu  sehr  durch  seine 
Auseinandersetzungen  mit  der  Stadt  beschäftigt  war.  Vor  allem  jedoch  war 
mit  der  Schlacht  bei  Hausbergen  der  endgültige  Sieg  der  Stadt  über  den  Bischof 
gewonnen.  Gewiß  blieb  derselben  noch  viel  zu  wünschen  und  zu  kämpfen 
übrig,  noch  bis  in  das  16.  Jh.  hinein,  aber  es  war  doch  die  Entscheidung 
gefallen. 

Wie  die  Stadt  Straßburg,  so  blühten  im  13.  Jh.  auch  die  kleinen  Schwester- 
städte der  Ortenau  prächtig  auf,  und  zwar  nicht  nur  die  drei  Reichsstädte  (bezw. 
späteren  Reichsstädte)  Offenburg,  Gengenbach  und  Zell,  sondern  auch  die  landes- 
herrlichen Städte  wie  Haslach,  Hausach  und  Wolfach,  vor  allem  aber  das  neu- 
gegründete Lahr,  aus  einem  Dorf  hervorgegangen,  das  möglicherweise  erst  kurz 
vorher  im  Anschluß  an  die  neuerbaute  Tiefburg  der  Geroldsecker  entstanden  war. 
Schon  vor  1279  muß  es  zur  Stadt  erhoben  worden  sein,  wie  aus  dem  Freiheits- 
brief dieses  Jahres  hervorgeht,  welchen  die  sich  nach  der  Trennung  Herren  von 
Lahr-Mahlberg  nennenden  Geroldsecker  Heinrich  I.  und  Walter  II.  ausstellten. 

Das  Beispiel  von  Straßburg  konnte  nicht  verfehlen,  ansteckend  auf  Städte 
wie  Offenburg,  Gengenbach  und  Zell  zu  wirken.  Wie  die  Ortenau  überhaupt, 
war  wohl  auch  das  Terrain,  auf  dem  die  heutige  Stadt  Offenburg  steht,  von 
Kaiser  Heinrich  II.  dem  Bistum  Bamberg  verliehen  worden,  als  Bamberger 
Lehen  an  die  Zähringer  gekommen.  Diese  gründeten  hier  eine  Burg,  von  der 
die  Nachrichten,  aber  keine  Spuren  mehr  sprechen,  und  im  Anschluß  daran 
entstand  die  Stadt,  die  ihr  Marktrecht  wohl  noch  von  den  Zähringern,  ihr 
Münzrecht  vielleicht  von  dem  großen  Hohenstaufen  Friedrich  II.  erhielt,  der 
nach  dem  Erlöschen  des  Herzogshauses  das  Reichslehen  an  sich  zog.  Weil 
auf  freiem  Reichsterritorium  gelegen,  behauptete  die  Stadt  ihre  Zugehörigkeit 
zum  Reich,  stieß  aber  allerecken  an  die  Besitzungen  des  Klosters  Gengenbach, 
mit  dem  der  Konflikt  unvermeidlich  war.  Gengenbach  war  auf  dem  Eigengut 
des  Klosters  angelegt,  und  seine  Bestrebungen,  sich  von  den  drückenden  Ver- 
pflichtungen gegenüber  dem  Abte  frei  zu  machen,  haben  somit  eine  gewisse 
Ähnlichkeit  mit  dem  Vorgehen  der  Stadt  Straßburg  gegen  ihren  Bischof.  Bei 
Zell,  das  von  dem  Kloster  aus  gegründet  worden,  lag  der  Fall  vvie  bei  Gengen- 
bach. — Vorerst  war  allerdings  keine  Gelegenheit  für  die  Selbständigkeitsregungen 
der  Städte,  denn  seit  1247  waren  sie  im  Besitze  des  Bischofs  von  Straßburg, 


EINTEILUNG. 


XXXVII 


der  in  den  Wirren  der  Zeit  sie  erobert  hatte  und  das  ganze  Interregnum  über 
behielt.  1273  aber  bestieg  Rudolf  von  Habsburg  den  deutschen  Königsthron 
und  zog,  wie  überall  verlorenes  Reichsgut,  auch  die  Ortenau  wieder  an  sich ; 
etwa  sechs  Jahrzehnte  blieb  sie  beim  Reich.  Sofort  regten  sich  die  Städte 
und  begannen  eine  lebhafte  Ausbürgerpolitik,  die  natürlich  zu  Konflikten  mit 
den  Rechten  des  Abtes  führte.  König  Rudolf  versuchte  es,  die  Beziehungen 
des  Klosters  zu  seinen  Hintersassen  und  Zinsleuten  zu  regeln.  Besonders  günstig 
wurden  die  Verhältnisse  für  die  Städte,  als  die  großen  Kämpfe  um  die  deutsche 
Königskrone,  die  nach  Rudolfs  Tode  ausbrachen,  sich  auf  dem  Boden  des 
Oberrheins  abspielten.  Denn  nun  vermochte  man  ein  geschicktes  Verhältnis 
zu  dem  König  zur  Ausdehnung  der  Privilegien  zu  benutzen;  in  der  Tat  hat 
denn  auch  Adolf  von  Nassau  die  Städte  sehr  begünstigt,  in  der  Geschichte 
der  einzelnen  Städte  ist  auf  die  Zeichen  dieser  Huld  eingegangen.  Adolf  fiel 
zwar  in  der  Schlacht  bei  Göllheim  1298,  allein  zunächst  änderte  sich  das 
günstige  Verhältnis  zu  dem  Reiche  nicht. 

Die  Stellung  der  Dynasten  des  Landes  zu  Adolf  und  seinem  Gegner 
Albrecht  von  Habsburg  war  eine  verschiedene,  die  ungeschickteste  wieder  die 
der  Herren  von  Geroldseck,  die,  uneinig  wie  immer,  auf  beiden  Seiten  kämpften 
und  von  keiner  Seite  Dank  erhielten.  Zwar  verlieh  Adolf  1296,  nach  Absetzung 
des  Albrecht  nahestehenden  Otto  von  Ochsenstein,  die  Landvogtei  dem  Sohne 
Heinrichs  von  Geroldseck -Veldenz,  Hermann,  der  in  der  unglücklichen  Göll- 
heimer  Schlacht  seine  Treue  mit  dem  Tode  besiegelte.  Die  Anhänger  Adolfs 
traf  nun  die  Rache  Albrechts  I.,  den  Geroldseckern  entzog  er  das  Reichslehen 
Mahlberg  und  verpfändete  es  ihren  alten  Feinden,  den  Grafen  von  Freiburg, 
die  allerdings  nie  in  den  Besitz  gelangen  konnten.  Zu  Heinrich  VII.  müssen 
die  Geroldsecker  dann  wieder  in  besserem  Verhältnis  gestanden  sein,  denn 
1309  wurde  Walter  III.  nach  Johann  von  Saarwerden  Landvogt  der  Ortenau, 
sein  Sohn  trat  in  des  Königs  Dienst  und  begleitete  ihn  auf  dem  unglücklichen 
Römerzug.  Von  den  beiden  anderen  großen  Dynasten  standen  die  Lichten- 
bergs  treu  auf  Habsburger  Seite,  so  auch  zunächst  wie  später  die  Fürstenbergs, 
welches  günstige  Verhältnis  nur  kurz  unter  Albrecht  I.  vom  Grafen  Heinrich  II. 
sehr  zu  seinem  Schaden  unterbrochen  wurde. 

Nach  der  wenigstens  von  Thronstreitigkeiten  freien  Zeit  Kaiser  Hein- 
richs VII.  folgte  1314  die  verhängnisvolle  Doppelwahl  Friedrichs  des  Schönen 
von  Österreich  und  Ludwigs  des  Bayern,  die  neuen  Zwiespalt  auch  in  unsere 
Gegend  brachte.  Wieder  war  die  Stellung  der  Geroldsecker  geteilt : die  in  der 
Ortenau  regierenden  Linien  standen  nun  auf  der  Habsburger  Seite,  fatalerweise 
diesmal  der  unterliegenden,  die  veldenzischen  auf  der  Ludwigs ; die  Häuser 
Lichtenberg  und  Fürstenberg  blieben  habsburgisch.  Die  ganze  oberrheinische 
Gegend  hatte  schwer  unter  den  verheerenden  Kämpfen  der  beiden  Gegner  zu 
leiden,  und  nach  Beendigung  der  Zwistigkeiten,  als  Ludwig  der  Bayer  siegreich 


XXXVIII 


EINLEITUNG. 


war,  da  begann  für  die  Ortenau  eine  neue  Art  der  Beunruhigung:  das  jahr- 
zehntelange schöne  Verhältnis  zum  Reiche  hörte  auf,  die  Könige  begannen 
Reichsgut  und  Stadtsteuern  nur  noch  als  gute  Versatzgegenstände  zu  betrachten. 

Es  fängt  die  Zeit  der  Pfandschaften  an.  Zunächst  verpfändete  1334  König 
Ludwig  »Rudolfen  margrafen  ze  Baden  genant  von  Pfarczheim  und  seinen  erben 
Ortenberg  die  burch,  Offenburg,  Gengenbach  und  Celle  die  stet  und  alles  daz, 
daz  wir  oder  daz  rieh  in  der  Mortenaw  haben,  ez  sein  vogtay,  zins,  stiwr  oder 
gült,  swie  daz  genant  ist«.1)  Zugleich  aber  hatte  er  angefangen,  wie  er  es 
selbst  nannte,  Stücke  aus  der  Landvogtei  herauszubrechen,  und  das  Harmers- 
bacher  Tal  mit  seinen  Seitentälern  an  die  Grafen  von  Lürstenberg  verpfändet. 
1351  wurde  dem  Bistum  Straßburg  das  Recht  gegeben,  die  Pfandschaft  ein- 
zulösen, und  1356  das  gleiche  Recht  für  eine  Hälfte  derselben  dem  Pfalzgrafen. 
Letzterer  machte  zunächst  keinen  Gebrauch  davon,  wohl  aber  der  Bischof, 
dessen  Vögte  von  nun  an  auf  Ortenberg  saßen.  Dieser  versuchte  nun,  auch 
das  Harmersbacher  Tal  wieder  einzulösen,  wogegen  sich  die  Ltirstenberger  aber 
lebhaft  sträubten.  Es  kam  zu  heftigen  Auseinandersetzungen  und  Lehden,  unter 
denen  die  Bauern  sehr  litten,  bis  1367  durch  Vermittelung  der  Städte  Straßburg, 
Lreiburg  und  Offenburg  das  Tal  endlich  dem  Bischof  geräumt  wurde,  der  es 
allerdings  bald  darauf  in  seiner  Geldverlegenheit  an  das  Straßburger  Bürger- 
geschlecht Bock  verpfändete.  Diese  und  ihre  Erben  behielten  es  300  Jahre,  aber 
ihre  Rechte  waren  in  dem  Versatzinstrument  sehr  beschränkt,  durch  die  Zer- 
splitterung in  viele  Geschlechter  wurde  das  Ansehen  der  Gemeinherren  nicht 
erhöht,  und  diese  Verpfändung  von  zweiter  Hand  wurde  durch  geschickte 
Benutzung  die  Vorstufe  zur  völligen  Reichsfreiheit  des  Tales.2) 

Bis  zum  Anfänge  des  15.  Jhs.  blieben  die  Bischöfe  im  Alleinbesitz  der 
Landvogtei;  als  aber  (1400)  Kurfürst  Ruprecht  von  der  Pfalz  den  deutschen 
Königsthron  bestiegen,  da  löste  er  die  eine  Hälfte  für  sein  Haus  ein  (1406),  und 
ein  Jahrhundert  lang  stand  nun  die  Ortenau  unter  zwei  Pfandherren,  dem  Bischof 
und  dem  Pfalzgrafen. 

Die  Geschichte  der  drei  Reichsstädte  war  während  dieser  ganzen  Zeit  von 
zwei  großen  Angelegenheiten  erfüllt.  Es  galt  einerseits  ihre  Selbständigkeit 
gegenüber  den  Pfandherren  zu  wahren,  andererseits  dem  Kloster  Gengenbach 
immer  mehr  Rechte  abzuringen.  Beide  Bestrebungen  waren  von  Erfolg  begleitet. 
Die  Pfandherren,  zunächst  nur  der  Bischof,  versuchten  zwar,  trotz  des  Versprechens, 
die  Rechte  zu  wahren,  die  Städte  unter  ihre  Gerichtsbarkeit  zu  bringen  — mit 
diesem  Anfang  wären  sie  allmählich  zu  Landstädten  herabgesunken  — , der  Bischof 
erlangte  auch  1358  ein  Privileg  des  Kaisers  in  diesem  Sinne,  allein  die  Städte 
protestierten,  und  unter  Beihilfe  des  weitblickenden  Abtes  Lambert  de  Burn 
erreichten  sie  von  Karl  IV.  das  große  Privileg  von  1366,  das  ihre  Reichsfreiheit 

P Krieger  a.  a.  O.  II,  S.  435. 

-)  Siehe  unseren  Text  S.  542,  nach  Gothein,  Wirtschaftsgeschichte  des  Schwarzwaldes  I. 


EINTEILUNG. 


XXXIX 


sicherte;  sobald  die  Städte  versetzt  seien,  sollten  die  Zwölf  ihres  Alten  Rats 
sagen,  was  der  Stadt  Freiheit  sei,  außer  dem  Reichshofgericht  sollten  sie  nur 
ihrem  Zwölfergericht  unterstehen.  In  dieser  Urkunde,  die  sie  sich  unzählige  Male 
neu  bestätigen  ließen,  sahen  die  Städte  mit  Recht  die  Grundlage  ihrer  Reichs- 
freiheit. 

Uber  die  Auseinandersetzungen  mit  dem  Grundherrn  der  Gegend  ist  oben 
in  der  Geschichte  des  Klosters  ausführlich  gesprochen  und  wird  im  Text  selbst 
Eingehenderes  gesagt,  so  daß  hier  nur  das  günstige  Resultat  für  die  Städte  erwähnt 
werden  muß,  die  es  verstanden,  die  Verpflichtungen  gegenüber  dem  Abte  auf 
ein  Minimum  einzuschränken.  Im  Innern  der  Städte  selbst  spielte  sich  unter- 
dessen der  Kampf  zwischen  den  alten  Geschlechtern  und  den  Zünften  ab,  der 
zeitweilig  mit  dem  Sieg  der  letzteren,  dann  aber  mit  einem  Kompromiß  endigte. 
Im  15.  Jh.  finden  wir  überall  neben  den  Zwölfern  des  Alten  Rats  den  Jungen 
Rat  mit  dem  Stettmeister,  der  aus  den  Zünften  gewählt  wurde,  und  diese  Ver- 
fassung, auf  die  unten  im  einzelnen  eingegangen  wird,  blieb  im  wesentlichen 
gleich  bis  zum  Ausgang  des  Römischen  Reiches. 

Die  Geschichte  der  Ortenau  in  den  letzten  Jahrhunderten  des  Mittelalters 
wird  im  wesentlichen  ausgefüllt  durch  die  zahllosen  kleinen  Fehden  zwischen 
den  einzelnen  Territorialherren  untereinander,  unter  denen  mehr  oder  minder 
jeweils  die  ganze  Gegend  litt.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  darauf  näher  ein- 
zugehen, und  so  seien  nur  einige  der  wichtigsten  hervorgehoben,  so  die  Fehden 
zwischen  dem  Markgrafen  Rudolf  III.  von  Baden  und  dem  Bischof  von  Straß- 
burg, die  zunächst  begannen  wegen  dem  Strand-  und  dem  Grundruhrrecht  sowie 
wegen  Ansprüchen  gegen  die  Juden.1)  Andere  Gründe  oder  vielleicht  nur 
Anlässe  waren  Streitigkeiten  zwischen  den  Lehensleuten  der  beiden,  so  z.  B.  wegen 
eines  badischen  Lehensmannes  von  Ow,  der  auf  Staufenberg  saß,  wobei  der 
Markgraf  insbesondere  die  bischöflichen  rechtsrheinischen  Lande  verheerte, 
während  der  Bischof  1327  Staufenberg  eroberte.  Auch  der  Markgraf  Hermann  IX., 
ein  streitbarer  Herr,  geriet  mit  dem  Bistum  in  Händel,  und  wieder  eroberten  die 
Truppen  des  Bischofs  das  Schloß  Staufenberg.2) 

Es  waren  die  Zeiten,  da  die  große  Pest  Europa  heimsuchte  und  auch  in 
unseren  Gegenden  fürchterliche  Opfer  forderte.  Wie  in  vielen  Gegenden 
beschuldigte  man  in  der  Ortenau  die  Juden  der  Brunnenvergiftung,  so  in  Offen- 
burg, wo  man  alle  der  Stadt  verwies;  die  Unglücklichen  zogen  es  aber  vor,  statt 
neuen  Schrecknissen  entgegenzugehen,  sich  in  einem  Hause  gemeinsam  zu  ver- 
brennen. Ähnliches  geschah  in  ganz  Deutschland,  so  daß  Kaiser  Karl  IV.  sich 
zum  Einschreiten  genötigt  sah  und  teils  aus  Menschlichkeit,  teils  um  dem  Reiche 
namhafte  Einnahmen  nicht  entgehen  zu  lassen,  den  Städten  große  Bußen  auf- 
erlegte. Die  Gefahr,  (Jaß  auch  gegen  sie  große  Ansprüche  geltend  gemacht 

1)  Weech,  Badische  Geschichte,  S.  29. 

-)  Das  offenbar  bereits  an  Baden  verpfändet  war,  an  das  es  erst  1366  definitiv  gelangte. 


XL 


EINLEITUNG. 


werden  könnten,  einigte  auf  einen  Moment  die  Reichsstände  der  Gegend,  so 
daß  sie  ein  Bündnis  zusammen  schlossen:  so  Bischof  und  Stadt  Stoßburg,  der 
Markgraf  von  Baden,  die  Grafen  von  Württemberg,  Freiburg,  Hohenberg.  Fürsten- 
berg, die  Herren  von  Eberstein,  Geroldseck  u.  a.1)  Doch  kaum  war  die  Gefahr 
erledigt,  als  die  Fehden  wieder  losbrachen,  für  unsere  Gegend  die  verhängnis- 
vollste, der  sogen.  Dachsteiner  Krieg,  eine  erneute  blutige  Auseinandersetzung 
des  Bischofs  von  Straßburg  mit  der  Stadt.  Wilhelm  von  Diest  benutzte  den 
Auszug  eines  großen  Teils  des  Adels  aus  der  Stadt,  um  zum  Kampfe  zu  ent- 
flammen, an  dem  außer  dem  Markgrafen  von  Baden  und  anderen  Herren  auch 
Ludwig  von  Lichtenberg  auf  des  Bischofs  Seite  teilnahm.  Die  Kriegsscharen 
des  letzteren  und  seiner  Verbündeten  legten  sich  vor  Oberkirch,  das  der  Bischof 
vor  Jahrzehnten  der  Stadt  Straßburg  verpfändet  hatte,  ohne  es  aber  zu  erobern; 
die  Scharen  der  Stadt  verwüsteten  die  Lichtenberger  Lande,  ließen  einige  Orte 
in  Llammen  aufgehen,  so  auch  Bischofsheim,  wo  die  zur  Verteidigung  her- 
gerichtete und  von  Bauern  besetzte  Kirche  mitsamt  ihrer  Besatzung  verbrannt 
wurde,2)  worauf  der  Lichtenberger  mit  den  Straßburgern  Lrieden  schloß.  Im 
Jahre  1429  schloß  auch  der  Bischof  Frieden.  — Kleinere  Fehden  waren  die 
zwischen  den  Badenern,  den  Lichtenbergern  und  den  Ebersteinern  wegen  der 
Schauenburg,  zwischen  den  Hohengeroldseckern  und  den  Grafen  von  Mörs  um 
die  lahr-mahlbergische  Erbschaft  sowie  des  rauflustigen  Diebold  von  Hohen- 
geroldseck  mit  den  Lichtenbergern  um  das  Erbe  seiner  Mutter. 

* * 

* 

Die  Geschichte  der  Kunst  in  der  Ortenau  spiegelt  getreulich  die  Ent- 
wickelung derselben  mit  allen  ihren  Phasen  am  Oberrhein,  von  Basel  abwärts, 
wider.  Wenn  auch  nicht  in  demselben  Grade  wie  das  Elsaß,  ist  das  Land 
kulturell  ein  Zwischenland,  das  abwechselnd  die  Einflüsse  von  dem  östlicheren 
Deutschland,  von  Schwaben  und  von  Frankreich  erfuhr.  Wenn  die  rechts- 
rheinischen Gegenden  begreiflicherweise  weniger  stark  französischen  Einflüssen 
ausgesetzt  waren,  so  ist  für  die  Ortenau  doch  wichtig,  daß  sie  zum  Sprengel 
des  Bistums  Straßburg  gehörte,  also  mit  diesem  Zentrum  der  Kunst  am  Ober- 
rhein in  engster  Beziehung  stand. 

Aus  den  früheren  karolingisch-ottonischen  Zeiten  unserer  Geschichte 
ist,  wie  es  ja  die  Regel,  in  unseren  Landen  nichts  erhalten,  wenn  wir  nicht  das 
kleine  Heidenkirchlein  in  Freistett  in  so  frühe  Zeit  datieren  wollen. 

Dagegen  besitzen  wir  ein  ziemlich  frühes  Denkmal  des  romanischen 
Stils  in  dem  kleinen  Kirchlein  in  Burgheim  bei  Lahr  mit  seinen  gekuppelten 
Rundbogenfenstern  und  dem  um  das  Portal  herum  gezogenen  Sockel.  Wenigstens 
steht  den  Formen  nach  nichts  entgegen,  in  dem  erhaltenen  Bau  jenen  zu  sehen, 
der  1035  an  Stelle  eines  älteren  Gotteshauses  eingeweiht  wurde.  Es  ist  nicht 

')  Weech  a.  a.  O.  S.  37* 

2)  Schaible  a.  a.  O.  S.  27  f. 


EINLEITUNG. 


XLI 


ausgeschlossen,  daß  ungefähr  zu  gleicher  Zeit,  nach  einer  förmlichen  Neu- 
gründung des  Klosters  durch  Heinrich  II.,  die  Kirche  von  Schuttern  entstand, 
die  nach  Beschädigungen  1155  nur  repariert  wurde.  Sie  ist  durch  einen  Barock- 
bau ersetzt,  aber  eine  Ansicht  vor  dem  Umbau  zeigt  uns  eine  große,  drei- 
schiffige  Basilika  mit  schlichtem  Äußeren,  das  nur  durch  einen  Bogenfries  unter 
dem  Dache  geziert  war.  Erhalten  ist  nur  ein  Türsturz  mit  sehr  primitiven 
Skulpturen,  die  zweifellos  symbolische  Bedeutung  haben. 

Im  11./12.  Jh.  setzt  der  obenangedeutete  stärkere  schwäbische  Einfluß 
ein.  Die  Reform  der  Cluniacenser  war  mit  Anpassung  an  deutsche  Verhältnisse 
unter  dem  großen  Abt  Wilhelm  von  Hirsau  in  seinem  Kloster  im  Nagoldtal 
eingeführt  worden,  und  von  dort  wurden  ziemlich  die  meisten  Benediktinerklöster 
reformiert.  Mit  den  Hirsauer  »Consuetudines«  aber  brachten  die  Mönche  auch 
ihre  eigenen  Baugewohnheiten  mit,  so  bei  uns  nach  Gengenbach  wie  in  die 
benachbarte  neue  Gründung  Alpirsbach  im  oberen  Kinzigtal.  Kurz  nach  der 
Gengenbacher  Reform  i.  J.  1 1 1 7 dürfte  auch  im  Anschlüsse  daran  der  Bau  der 
dortigen  Kirche  begonnen  worden  sein,  die  mit  wenigen  späteren  Anbauten 
heute  ziemlich  in  ursprünglicher  Gestalt  dasteht.  Sie  zeigt  die  typische  Hirsauer 
Form  mit  den  über  das  Querschiff  fortgeführten  Seitenschiffen,  wie  der  Haupt- 
chor in  kleineren  Apsiden  endigend,  nach  ihm  zu  sich  in  zwei  Arkaden  öffnend, 
daneben  an  den  Ostwänden  des  Querschiffs  noch  zwei  kleinere  Apsiden,  ein 
Schema,  dessen  Vorbild  in  der  Aurelius-  und  Peterskirche  in  Hirsau  nachgewiesen 
ist,  das  aber  mit  Vorliebe  in  den  niedersächsischen  Klöstern  Hirsauer  Obedienz 
erscheint.  Die  Arkaden  des  Langhauses  werden  abwechselnd  von  Pfeilern  und 
Säulen  getragen  — der  Stützenwechsel,  der  in  Niedersachsen  vor  allem  beliebt 
ist,  der  aber  hier  nicht  wie  dort  zu  einer  Gliederung  der  Oberwand  benutzt  ist. 
Genau  zu  gleicher  Zeit  mag  das  im  Schema  etwas  abweichende  Alpirsbach,  eine 
reine  Säulenbasilika,  entstanden  sein,  das  also  weder  als  Vorbild  noch  als  Nach- 
bild betrachtet  werden  kann.  Wohl  100  Jahre  später  ist  dann,  trotz  ihres  alter- 
tümlicheren Eindrucks,  die  Schwarzacher  Klosterkirche  entstanden,1)  welche  die 
typischen  fünf  Apsiden  aufweist,  im  Innern  aber  keinen  Stützenwechsel,  sondern 
Säulenarkaden.  Gegen  die  schlanken,  klassischen  Verhältnisse  der  Gengenbacher 
Kirche  wirkt  diese  schwer  und  in  ihren  Einzelformen  barock.  Hier  wie  in 
Gengenbach  fehlt  jetzt  die  Vorhalle,  die  ihnen  ursprünglich,  wie  in  Alpirsbach, 
vorgelegt  war.  — Im  Schuttertal  sind  noch  in  Wittelbach  die  Reste  einer 
romanischen  Kirche  zu  erwähnen. 

Was  an  romanischer  Skulptur  in  der  Ortenau  erhalten  ist,  zeigt 
durchaus  einen  frühen  oder  einen  provinzialen,  primitiven  Charakter.  Den  Tür- 
sturz von  Schuttern  haben  wir  schon  erwähnt,  ein  weiterer  Türsturz  hat  sich 
in  Reichenbach  (Amt  Offenburg),  je  ein  Tympanon  in  Haslach  und  Hausach 
erhalten.  In  Gengenbach  müßte  man  der  Eleganz  des  Baues  und  seiner  orna- 


k Ich  stimme  mit  der  Datierung  Sauers  überein. 


XLII 


EINLEITUNG. 


mentalen  Details  entsprechend  eine  hochstehende  Bildhauerarbeit  erwarten,  doch 
existiert  nur  die  thronende  Madonna  im  Giebel,  eine  Figur,  die  noch  sehr 
unbeholfen  im  Block  stecken  geblieben  ist.  Viel  bedeutender  das  Tympanon- 
relief der  Schwarzacher  Kirche,  darstellend  den  thronenden  Heiland  mit  den  zwei 
Apostelfürsten,  das  trotz  seines  archaischen  Charakters  in  der  ungezwung-enen 
Haltung  und  dem  Gesichtsausdruck  als  tüchtige  Leistung  der  Zeit  gelten  kann. 

Eine  eifrige  Bautätigkeit  haben  vom  Ende  des  12.  bis  zum  Ende  des 
13.  Jhs.  die  Herren  von  Geroldseck  entfaltet,  während  der  höchsten  Blüte 
ihrer  Macht,  deren  Schwerpunkt  ja  in  der  Ortenau  lag,  was  bei  allen  anderen 
I erritorialherren  nicht  der  Fall  war.  Von  der  ersten  Gestalt  der  Stammburg 
Hohengeroldseck,  die  1239  zum  erstenmal  erwähnt  wird,  ist  uns  nichts  erhalten, 
ln  ihrer  heutigen  Erscheinung  der  früheste  Bau  des  Hauses  ist  die  entlegene 
Burg  Schenkenzell:  eine  Anlage  mit  zwei  Palasen,  einem  Hof  dazwischen 
und  einem  Bergfried,  deren  schlichte  Fensterformen  noch  durchaus  romanisch 
scheinen.  Den  gleichen  Stil  in  seiner  Ausbildung  zeigt  die  Diersburg,  welche 
die  früh  abgezweigte  Linie  des  Geschlechtes  wohl  um  1200  bezw.  in  den  ersten 
Jahrzehnten  des  13.  Jhs.  erbaut  haben  mag.  Denn  als  noch  vor  der  Mitte  dieses 
Jahrhunderts  Walter  von  Geroldseck  von  der  Stammburg  herabstieg  und  sich  eine 
Residenz  im  Tale  schuf,  die  Tiefburg  Lahr,  da  war  schon  jene  letzte  Blüte 
des  romanischen  Stils  eingetreten,  die  wir  ob  der  spielenden  Verwendung 
französisch-gotischer  Formen  den  Ubergangsstil  nennen.  Die  erhaltenen  Fenster 
des  schönen  Quaderbaues  sind  gute  Beispiele  desselben.  Bei  Betrachtung  dieses 
Baues  und  der  folgenden  möchte  man  beinahe  glauben,  daß  Walter  mit  persön- 
lichem Geschmacke  sich  für  die  Neuerungen  in  der  Kunst  einsetzte.  Natürlich 
ist  das  eine  unbeweisbare  Vermutung.  Denn  nun  überschwemmt  die  ganzen 
oberrheinischen  Lande  auf  einmal  jene  gewaltige  Flutwelle  französischer  Kunst, 
es  beginnt  das  Eindringen  der  Gotik.  Als  Walter  1259  das  Spital  in  Lahr 
gründete  und  es  mit  Augustinermönchen  aus  Obersteigen  im  Elsaß  besetzte,  da 
wird  auch  sofort  der  Bau  der  Stiftskirche  in  den  Formen  und  in  der 
Konstruktion  der  Gotik  begonnen.  Noch  spürt  man  in  den  Seitenschiffen  das 
Raumgefühl  der  früheren  Zeit,  allein  der  hohe,  lichte  Chor  und  die  Verhältnisse 
des  Mittelschiffs,  die  Konzentrierung  des  Gewölbeschubs  auf  die  Pfeiler  und  die 
Strebepfeiler  zeugen  von  einem  Verständnis  für  das  Wesentliche  des  neuen 
Stils.  Allerdings  war  der  Baumeister  des  Konstruktiven  nicht  ganz  sicher  - 
die  Strebepfeiler  zumal  sind  zu  schwach  angelegt  — , zugleich  gingen  den  Bau- 
herren wohl  in  den  schweren  Kämpfen  der  sechziger  Jahre  mit  dem  Verluste 
ihrer  Machtstellung  die  Mittel  aus,  die  geplante  Wölbung  des  Langhauses  unter- 
blieb nach  wenigen  Ansätzen.  Trotzdem  ist  der  Bau,  den  wir  wohl  kaum 
später  als  in  die  Jahre  1260  bis  1280  datieren  dürfen,  ein  interessantes  und  frühes 
Beispiel  für  das  Eindringen  des  neuen  Stils.  Nicht  viel  vorher  mag  der  Neubau 
der  Stammburg  in  Angriff  genommen  worden  sein,  denn  während  die  Tiefburg 


EINLEITUNG. 


XLIII 


Lahr  noch  ganz  im  Ubergangsstil  erbaut  ist,  zeigt  die  weit  in  die  Lande  schauende 
Hohengeroldseck  in  den  gekuppelten  Spitzbogenfenstern,  in  den  gerad- 
sturzigen,  einpfostigen  Fenstern  des  erhaltenen  Palases,  des  »alten  Hauses«  schon 
die  Bauweise  der  Gotik.  Eine  merkwürdige,  vielleicht  nicht  zufällige  Über- 
einstimmung zeigt  sich  in  der  Anlage  mit  der  Diersburg,  in  der  Form  der  beiden 
Palase  und  dem  dazwischen  liegenden  Hof,  dem  Fehlen  einer  Schildmauer  und 
eines  Bergfriedes.  Der  letzte  erhaltene  geroldseckische  Bau  — Burg  Schwanau 
ist  bis  auf  wenige  Grabenreste  verschwunden  — , die  Tiefburg  Dautenstein  bei 
Lahr,  ist  in  dem  allein  alten  Grundriß  als  eine  verkleinerte  Wiederholung  der 
Lahrer  Tiefburg  anzusehen. 

Das  1 3.  Jh.  ist  ja  überall  in  deutschen  Landen  die  Zeit  gesteigerten 
Burgenbaues;  so  auch  bei  uns.  Die  Residenz  Welfs  VI.  bezw.  seiner  Gemahlin, 
die  Schauenburg,  ist  von  dem  jetzt  dort  residierenden  Ministerialengeschlecht 
gänzlich  verändert  und  zu  einem  interessanten  Typus  einer  Ganerbenburg  mit 
drei  Wohntürmen,  merkwürdiger  Zugbrückenanlage,  einer  Schildmauer  mit  ein- 
gebauter Kapelle  umgebaut  worden.  Stärker  noch  als  im  nordöstlichen  Wohn- 
turm kommen  im  südwestlichen  die  Fensterformen  der  Gotik  zur  Geltung. 
Ähnlich  haben  wir  uns  wohl  den  Aufbau  der  Ruinen  Fürsteneck,  Neuenstein, 
Bärenburg,  Schiltach,  Wolfach  u.  a.  zu  denken,  von  denen  heute  nichts  mehr 
steht  als  die  Grundmauern. 

Viel  früher  als  in  den  Bauten  der  Geroldsecker,  vielleicht  mit  am  frühesten 
am  ganzen  Oberrhein,  scheint  die  Gotik  eingezogen  zu  sein  in  dem  um  1 196 
gegründeten  Kloster  Allerheiligen.  Wenn  auch  nicht  in  demselben  Maße 
wie  die  Cisterzienser,  so  sind  doch  die  Prämonstratenser,  deren  Orden  zur  Neu- 
gründung berufen  wurde,  mehr  oder  minder  ebenfalls  die  Pioniere  der  Gotik  in 
Deutschland  gewesen.  Nicht  lange  nach  der  Gründung  begann  man  in  Aller- 
heiligen den  Bau  der  Kirche,  und  zwar  der  Vorhalle  wie  des  Chores  (Sockel) 
noch  in  romanischem  Stil,  um  dann  im  Aufbau  des  letzteren  rasch  durch  den 
Ubergangsstil  zur  Gotik  zu  gelangen.  Vielleicht  wurde  ein  mit  dem  »opus 
francigenum«  vertrauter  Baumeister  direkt  aus  Frankreich  bezogen.  In  rascher 
F olge  ging  man  an  das  Langhaus,  das  nach  allen  Anzeichen  als  Hallen- 
kirche geplant  war.  Allerdings  versagten  da  doch  die  technischen  Fähig- 
keiten  — wenn  die  aufgedeckten  Strebepfeiler  die  ursprünglichen  sind,  so  waren 
sie  freilich  durchaus  ungenügend  — - und  der  Bau  blieb  als  Provisorium  mit 
hölzernen  Stützen  und  hölzernem  Dache  stehen.  In  den  Formen  der  Ostteile, 
besonders  in  der  noch  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jhs.  angebauten  Kapelle 
Allerheiligen  aber  besitzt  die  Gegend  ein  vorzügliches  Beispiel  frühgotischen  Stils. 

Wie  in  der  politischen  Geschichte  mit  dem  13.  und  14.  Jh.  die  Macht 
der  Städte  in  den  Vordergrund  tritt,  so  auch  in  der  Kunstgeschichte.  Es 
erfolgt  ihr  eigentlicher  Ausbau  und  die  Verbesserung  bezw.  Neuanlage  ihrer 
Befestigungen.  Aus  dieser  Zeit  stammen  wohl  die  nur  in  wenigen  Resten 


XLIV 


EINLEITUNG. 


erhaltenen  Offenburger,  welche  uns  verschiedene  ältere  Bilder  zeigen,  wie  auch 
die  Gengenbacher  in  der  Hauptsache,  der  Oberbau  der  Türme  ist  allerdings 
jünger.  Die  schon  in  der  Mitte  des  13.  Jhs.  von  Bischof  Heinrich  von  Stahleck 
verbesserten  Befestigungen  sind  am  Ende  des  14.  Jhs.  von  der  Bürgerschaft 
durchgehends  erneuert  worden.  Typisch  ist,  wie  am  ganzen  Oberrhein,  die 
Anlage  mit  den  zwei  Mauerringen,  ebenso  vielen  Zwingern,  Gräben,  den  kleinen, 
nach  innen  offenen  runden  oder  polygonalen  Mauertürmen,  den  großen  vier- 
eckigen Türmen,  die  ohne  besondere  Ausgestaltung  in  einem  Pyramidendach 
endigen.  Auch  das  Innere  der  Städte  schmückte  sich.  In  Offenburg  erstand 
damals  im  14.  Jh.  der  Neubau  der  Pfarrkirche,  von  welcher  im  Chor  noch  ein 
Rest  erhalten.  Es  entstand  ein  prächtiges  Rathaus,  Pfalz  und  Laube,  das 
Andreasspital  sowie  das  Franziskanerkloster.  Sie  alle  sind  den  Zerstörungen 
des  17.  Jhs.  zum  Opfer  gefallen.  Nur  der  Chor  der  Franziskanerkirche  zeigt  noch 
im  Äußern  seine  alte  Form,  im  Innern  die  hohen,  weiten  und  lichten  Verhält- 
nisse, wie  sie  dem  Bedürfnis  der  Predigerorden  entsprachen.  — Einer  der  merk- 
würdigsten Reste  der  Zeit  aber  ist  das  Judenbad,  das,  aus  rituellen  Ansprüchen 
entstanden,  seinen  früheren  Formen  nach  um  1300,  also  etwa  40  Jahre  vor  der 
großen  Judenverfolgung,  erbaut  worden  sein  muß.  — Die  gleiche  Zeit  brachte 
auch  einen  neuen  Klosterbau  in  W i 1 1 i c h e n , von  dem  aber  nichts  Ursprüng- 
liches mehr  erhalten  ist. 

Am  Ende  des  Mittelalters  beobachten  wir  eine  neue  gesteigerte 
kirchliche  Bautätigkeit.  Überall  wurden,  wie  es  scheint,  die  alten  Kirchen 
zu  enge  und  man  errichtete  neue.  Ihre  Langhäuser  sind  meistens  in  den  späteren 
Jahrhunderten  umgebaut  worden,  ihre  Türme  aber  oft  stehen  geblieben,  ein- 
fache, viereckige  Bauten  mit  einer  kreuzgewölbten  Halle  im  Erdgeschoß,  spitz- 
bogigen  Maßwerkfenstern  im  obersten  Stock  und  schlichtem  Satteldach,  so 
in  Haslach,  Mühlenbach,  Gengenbach  (Martinskirche),  Wolfach, 
Hausach  u.  a.  An  letzterem  Orte  steht  auch  noch  der  reizvolle  Chor  mit 
dem  komplizierten  Netzgewölbe  der  Spätgotik,  ihren  trocken  profilierten  Rippen, 
den  schlanken  Fenstern  mit  dem  flamboyanten  Maßwerk.  Beispiele  des  gleichen 
Stils  sind  die  Friedhofkapelle  in  Oppenau,  die  Wallfahrtskirche  in  Unter- 
harmersbach, das  kleine  Kirchlein  in  Zimmern,  die  Kirche  in  Wein- 
garten bei  Offenburg,  die  dreischiffige  schöne  Kapelle  des  Klosters  in 
Offenburg. 

1470  äscherte  der  Blitz  den,  wie  wir  sahen,  zum  Teil  nur  provisorisch 
hergestellten  Bau  des  Klosters  Allerheiligen  ein,  und  die  Mönche  sahen  sich 
veranlaßt,  bis  zu  erstelltem  Neubau  ihre  Residenz  einstweilen  ins  Renchtal  zu 
verlegen.  Diesem  Umstand  verdanken  wir  den  Bau  der  Wallfahrtskapelle 
in  Lautenbach,  den  in  den  Jahren  1471  bis  etwa  1488  (mit  den  Einbauten) 
der  Meister  Hans  Hertwig  aus  Bergzabern  errichtete,  ein  hochbegabter  Meister, 
der  zweifellos  in  der  Straßburger  Bauhütte  seine  Schule  erhalten.  Die  Gegend 


EINLEITUNG. 


XLV 


besitzt  damit  ein  Juwel  der  Spätgotik,  in  der  Einzelausführung  wie  in  der 
malerischen  Erscheinung  des  Ganzen  gleich  reizvoll.  Die  Bedeutung  der  Kirche 
wird  aber  dadurch  gesteigert,  daß  sie  noch  in  ihrer  alten,  etwa  von  1480  bis 
1524  vollendeten  Innenausstattung  erhalten  ist.  Noch  zieren  sie  die  größtenteils 
vor  1500  entstandenen  Glasgemälde,  welche  denen  der  verbrannten  Magdalenen- 
kirche  so  ähnlich  und  vielleicht  in  gleicher  Werkstatt  gearbeitet  sind.  Noch 
besitzt  sie  ihre  alten  Schnitzaltäre  mit  den  Skulpturen  und  Gemälden. 

In  den  letzten  zwei  Jahrhunderten  des  Mittelalters  war  der  Einfluß  Frank- 
reichs zurückgetreten,  und  die  wichtigsten  künstlerischen  Beziehungen  des  Ober- 
rheins gingen  wieder  nach  Osten  und  Süden,  nach  Schwaben  und  dem  Schwäbischen 
Meere.  Die  Plastik  des  14.  Jhs.  hat  uns  nur  in  dem  Grabmal  des  Götz  von 
Fürstenberg  in  Haslach  ein  etwas  primitives  Beispiel  hinterlassen.  Das  1 5.  Jh. 
bringt  dann  die  glänzende  Ausbildung  des  Schnitzaltars  und  damit  der  Holz- 
skulptur, in  die  um  die  Jahrhundertwende  schon  ein  leichter  Wind  von  Süden, 
ein  Hauch  der  Renaissance  eindringt.  Der  Lautenbacher  Hochaltar  ist  wohl 
eines  der  glänzendsten  Werke  der  Gattung.  Daneben  sind  die  beiden  Seiten- 
altäre sowie  der  ganz  hervorragende  Kruzifixus  zu  erwähnen,  weiter  Holzfiguren 
in  Gaisbach,  Bohlsbach,  Offenburg  und  an  anderen  Orten.  Der  Holzschnitzstil, 
die  Vorliebe  für  außerordentlich  knittrige  Falten,  für  eine  messerscharfe  Behandlung 
der  Flächen  überträgt  sich  auch  auf  die  Steinskulptur,  wie  wir  an  Meisterwerken 
derselben,  an  dem  heiligen  Grab  in  Gengenbach,  dem  Kruzifixus  und  dem  ölberg 
auf  dem  alten  Friedhof  in  Offenburg  beobachten  können.  Letzterer  ist  eine  Kopie 
im  Gegensinne  des  Ölberges  im  Straßburger  Münster;  ersterer  ist  früher  mit 
dem  Badener  Kruzifix  des  Niklas  von  der  Leyen  in  Verbindung  gebracht  worden, 
meiner  Ansicht  nach  ohne  Recht,  es  ist  eine  durchaus  selbständige  Arbeit. 

Für  die  Entwickelung  der  deutschen  Malerei,  für  die  Eroberung  der  Welt 
der  Wirklichkeit  wird  der  Oberrhein  ja  neuerdings  immer  wichtiger.  Dazu  kann 
unsere  Gegend  keinen  Beitrag  bieten.  Die  erhaltenen  Denkmäler  stammen  alle 
erst  aus  der  zweiten  Hälfte  und  dem  Ende  des  15.  Jhs.  So  die  Wandmalereien 
in  Burgheim  wie  die  in  der  Bühlwegkapelle  bei  Ortenberg.  In  den  letzteren 
macht  sich  schon  in  der  Tracht  das  Eindringen  des  neuen  Geschmackes  bemerk- 
lich.  Auch  die  Tafelgemälde  künden  bereits  die  Wendung  zum  16.  Jh.  an. 
Es  sind  meistens  Bilder,  die  zu  Hans  Baidung  Grien  in  irgendwelcher  Beziehung 
stehen,  mögen  sie  nun  vor  ihm  oder  unter  seinem  Einfluß  geschaffen  worden  sein. 
Noch  ist  die  Geschichte  der  Malerei  am  Oberrhein  am  Ende  des  15.  und  Anfang 
des  16.  Jhs.  ein  gänzlich  unerforschtes  Gebiet,  vielleicht  tragen  die  in  diesem 
Band  publizierten  Bilder  in  Lautenbach,  Kehl,  Bohlsbach  etc.,  zum  Teil 
hochbedeutende  Werke,  irgendwie  zur  Klärung  bei. 

Am  Schlüsse  der  mittelalterlichen  Kunstentwickelung  unserer  Gegend  steht 
der  Wiederaufbau  von  Allerheiligen,  die  spätgotische  Herstellung  des 
Langhauses,  der  Neubau  des  Kreuzganges  und  der  Klosterräumlichkeiten,  von 


XL  VT 


EINLEITUNG. 


denen  wir  durch  Grabungen  den  Kapitelsaal  feststellen  konnten,  sowie  der  Um- 
bau des  Rathauses  in  Offenburg.  Nur  ein  kleiner  Rest  ist  noch  erhalten, 
eine  Torhalle  mit  Netzgewölbe,  aus  dem  der  Kopf  des  Baumeisters  hervorlugt, 
zusammen  mit  den  obengenannten  spätgotischen  Kirchen  und  Kapellen  eine 
Andeutung  des  Reichtums  und  der  hohen  Qualität  des  früheren  Kunstbesitzes 
der  Gegend. 

* * 

In  den  Besitzverhältnissen  der  Ortenau  sind  am  Ende  des  Mittel- 
alters kleine  Verschiebungen  eingetreten.  Zwei  Dynastenhäuser  erloschen:  die 
lahr-mahlbergische  Linie  der  Geroldsecker  und  die  Lichtenberger.  Die  Herr- 
schaft Lahr-Mahlberg  kam  1426  an  den  Gemahl  der  letzten  Erbtochter,  an  den 
Grafen  Johann  von  Mörs-Saarwerden,  der  aber  in  schwerem  Kampfe  gegen  die 
Hohengeroldsecker  das  Erbe  seiner  Gattin  zu  verteidigen  hatte.  Die  Grafen 
gerieten  dadurch  in  derartige  Schulden,  daß  sie  1442  die  Hälfte  der  Herrschaft 
zum  Mitbesitz  an  Markgraf  Jakob  von  Baden  verkaufen  mußten.  Baden  ver- 
kaufte zwar  wieder  die  Hälfte  seines  Anteils  1462  an  die  Stadt  Straßburg,  löste 
ihn  aber  schon  1480  wieder  ein.  Auch  der  Mörs-Saarwerdensche  Mannesstamm 
starb  1527  aus,  und  nun  kam  der  Schwiegersohn  des  letzten  Grafen  von  Mörs, 
Johann  Ludwig  von  Nassau-Saarbrücken,  in  den  Gemeinbesitz  mit  Baden.  Dieser 
Zustand  blieb  bis  1629,  wo  u.  a.  auf  Grund  konfessioneller  Bedenken  des  katho- 
lischen Markgrafen  — das  Haus  Nassau  war  protestantisch  — eine  Teilung 
erfolgte,  bei  der  die  Herrschaft  Lahr  an  Nassau,  die  Herrschaft  Mahlberg  aber 
an  Baden  kam. 

Das  Haus  Lichtenberg  erlosch  1480  mit  Jakob,  er  wird  erstmals  1458 
als  »Graf«  von  Kaiser  Friedrich  III.  bezeichnet.  Die  gesamten  rechts-  und  links- 
rheinischen Besitzungen  des  Hauses  waren  in  diesem  Jahrhundert  an  den  jüngsten 
Stamm  gefallen.  Jakob  starb  kinderlos,  sein  Bruder  Ludwig  hatte  jedoch  zwei 
Töchter  hinterlassen,  Anna  und  Else,  deren  Männer,  Philipp  Graf  zu  Hanau  und 
Graf  Simon-Weeker  von  Zweibrücken-Bitsch,  als  Erben  auftraten.  Es  kam  zu 
einem  PIrbfolgekrieg  mit  dem  Bischof  von  Straßburg,  in  dem  letzterer  Willstett 
besetzte.  Doch  wurde  derselbe  bald  durch  Vermittelung  beigelegt,  Philipp 
erhielt  außer  fünf  elsässischen  Ämtern  das  Amt  Willstett  und  Simon  von  Zwei- 
brücken-Bitsch neben  der  gleichen  Anzahl  linksrheinischer  Besitzungen  das  Amt 
Lichtenau.  Doch  waren  die  beiden  rechtsrheinischen  Ämter  als  Kondominat 
gemeinschaftlich. 

Wichtig  für  die  Gestaltung  der  Gegend  war  dann  vor  allem  der  Nieder- 
gang des  Hauses  Hohengeroldseck.  Unglückliche  Kriege,  durch  die  Rauflust 
seiner  Mitglieder  heraufbeschworen,  brachten  es  an  den  Rand  des  Abgrundes. 
Schon  Diebolt  I.  sah  sich  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  genötigt,  sich  in  den 
Erbdienst  der  Pfalz  zu  seinem  Schutze  zu  begeben,  der  auch  Diebolt  II.  1474 
gegen  die  Straßburger  schützte.  Die  pekuniären  Bedrängnisse  aber  wurden 


EINLEITUNG 


XL  VII 


immer  größer,  Dorf  um  Dorf  verpfändet  und  verkauft.  Schon  war  die  Hälfte 
der  Herrschaft  verloren,  da  hatte  Diebolt  II.  auch  noch  den  unglücklichen 
Gedanken,  sich  von  dem  Erbdienst  der  Pfalz  frei  zu  machen  und  dem  Pfalzgrafen 
Fehde  anzukündigen.  Dieser  — damals  Kurfürst  Philipp  — eroberte  i486  nach 
sechswöchiger  Belagerung  die  Stammburg,  und  nun  war  das  unglückliche  Ge- 
schlecht gänzlich  von  Haus  und  Hof  vertrieben.  Auch  die  Herrschaft  Romberg 
sahen  sie  sich  genötigt  1490,  die  Herrschaft  Schenkenzell  1498  (bezw.  1500)  an 
die  Grafen  von  P'ürstenberg  zu  verkaufen,  deren  Gebiet  so  die  wünschenswerte 
Abrundung  erfuhr.  — Kaiser  Max  erteilte  zwar  1 500  Gangolf  von  Hohengeroldseck 
die  Reichslehen,  erst  nach  Jahrzehnten  aber  gelangte  dieser  wieder  in  den  Besitz 
seiner  sehr  ruinierten  Lande. 

Mit  der  Einnahme  der  Hohengeroldseck  schienen  die  Bestrebungen  des 
Pfalzgrafen,  sich  in  der  Ortenau  festzusetzen,  von  Erfolg  gekrönt,  hatte  er  doch 
auch  die  Hälfte  der  Landvogtei  inne.  Da  wurde  der  Sohn  Philipps,  Ruprecht, 
durch  seine  Ansprüche  auf  das  Erbe  Georgs  des  Reichen  von  Landshut  in  den 
bayerisch-landshutischen  Erbfolgestreit  verwickelt,  und  als  er  sich  weigerte,  die 
Teilungsvorschläge  des  Königs  Max  anzunehmen,  wurde  über  ihn  die  Reichs- 
acht verhängt,  die  Hälfte  der  Landvogtei  wurde  ihm  abgenommen,  ebenso  die 
Hohengeroldseck.  Letztere  war  zwar  zunächst  bis  zum  Ausgang  des  Prozesses 
mit  der  Pfalz  dem  Markgrafen  Christoph  von  Baden  zur  Verwahrung  übergeben, 
doch  konnte  endlich  1 5 1 1 Gangolf  wieder  in  sein  Schloß  einziehen. 

So  war  also  das  Vordringen  der  Pfalz  zurückgedämmt.  Die  Reichs- 
städte der  Ortenau  hatten  den  König  dabei  kräftig  unterstützt,  dankbar 
bestätigte  er  jetzt  ihre  alten  Rechte,  beschränkte  auch  den  Anspruch  des  Straß- 
burger Bischofs  als  Pfandherrn  auf  seinen  Anteil  an  der  Reichssteuer  und  schlich- 
tete 1 507  auf  dem  Reichstage  zu  Hagenau  die  Streitpunkte  zwischen  der  Stadt 
Gengenbach  und  dem  Kloster  in  einem  für  erstere  günstigen  Sinne. 

Auch  das  Haus  P'ürstenberg,  das  dem  König  beigestanden  hatte, 
wurde  belohnt.  Die  Kinzigtäler  Linie  war  mit  dem  baulustigen  und  kinderlosen 
Heinrich  VI.  1490  ausgestorben,  die  Besitzungen  im  Kinzigtal  waren  wieder  mit 
den  Stammlanden  vereint  unter  den  Brüdern  Heinrich  und  Wolfgang,  und  da 
ersterer  1499  starb,  in  der  alleinigen  Hand  Wolfgangs.  Der  Vermehrung  der 
Macht  durch  den  Ankauf  geroldseckischer  Besitzungen  ist  bereits  oben  gedacht 
worden.  Jetzt  erhielt  Wolfgang,  der  in  der  Ortenau  mit  gefochten  hatte,  1 504 
die  pfälzische  Hälfte  derselben  in  Pfand.  Er  residierte  von  nun  an  mit  Vorliebe 
auf  der  Burg  Ortenberg.  Schon  fünf  Jahre  nachher  aber  starb  Wolfgang  und 
die  Lande  gingen  an  seinen  Sohn  Wilhelm  über,  der  ob  seines  abenteuer- 
lichen und  bewegten  Lebens,  dem  die  Zimmernsche  Chronik  ein  besonderes 
Kapitel  widmet,  den  Namen  »der  wilde  Graf  von  Fürstenberg«  erhielt.  Er  focht 
bald  im  Dienste  des  Kaisers,  bald  in  französischen  Diensten,  dann  auf  der  Seite 
Sickingens  und  wieder  1528  als  kaiserlicher  Eeldobrist  in  Italien.  Für  die  Sache 


XL  VIII 


EINLEITUNG. 


der  Reformation  hat  er  sich  frühe  interessiert  und  wohnte  1529  dem  Religions- 
gespräch in  Marburg  bei.  Gleich  nachher  dient  er  wieder  dem  König  von 
Frankreich,  zerwirft  sich  aber  mit  dem  Connetable  von  Montmorency,  kehrt 
wieder  zu  den  kaiserlichen  Fahnen  zurück  und  kämpft  gegen  Frankreich,  wird 
gefangen,  vom  Haus  Habsburg  im  Stich  gelassen  und  endlich  von  seinem  Bruder 
Friedrich  ausgelöst,  um  fünf  Jahre  nachher  auf  Ortenberg,  das  auch  er  als 
Residenz  bevorzugte,  an  Geist  und  Körper  zerrüttet  zu  sterben.  Insbesondere 
durch  seine  Stellung  zur  Reformation  — nahm  er  doch  auch  an  dem  Schmal- 
kaldischen  Kriege  teil  — hatten  sich  seine  Beziehungen  zu  dem  Kaiser  immer 
mehr  verschlimmert,  und  so  mußte  er  1548  die  Regierung  an  seinen  Bruder,  den 
Grafen  Friedrich,  abtreten. 

Dies  in  groben  Zügen  die  Lage  des  Landes  um  die  Wende  vom  15.  zum 
16.  Jh.  Unsere  am  Schlüsse  des  Bandes  beigegebene  historische  Karte  ermög- 
licht einen  Überblick  über  die  Besitzverhältnisse:  es  ist  dazu  zu  bemerken,  daß 
auf  ihr  im  allgemeinen  der  Zustand  um  die  Mitte  des  15.  Jhs.  geschildert  ist, 
daß  es  sich  aber  empfahl,  für  die  fürstenbergischen  Lande  schon  die  Abrundung 
derselben  am  Ende  des  Jahrhunderts  durch  die  geroldseckischen  Verkäufe 
wiederzugeben.  (Wth.) 

* * 

* 

Uber  den  kirchlich-religiösen  Geist  am  Schlüsse  des  Mittel- 
alters gewähren  uns  die  zugänglichen  Dokumente  nicht  allzuviel  Einblick. 
Dürfen  wir  aber  einen  Rückschluß  wagen  aus  der  raschen  und  weiten  Verbreitung 
und  den  kirchenfeindlichen  Zug  der  Bauernerhebung  und  der  Reformation,  so 
ergibt  sich  daraus  nicht  gerade  ein  erfreuliches  Bild  von  der  religiösen  Haltung 
des  Volkes.  Im  Anfang  des  17.  Jhs.  schilderte  der  Offenburger  Pfarrektor  Rapp1) 
in  einem  Rückblick  auf  die  Zustände  in  seiner  Pfarrei  während  der  beginnenden 
Reformation,  daß  viele  Pfründeinhaber,  meist  dem  Adel  angehörig,  lieber  nach 
Straßburg  gezogen  und  daß  der  Gottesdienst  auch  von  den  an  Ort  und  Stelle 
Anwesenden  arg  vernachlässigt  worden  sei ; ein  Adeliger  habe  innerhalb  30  Jahren 
die  Kanzel  nicht  betreten.  Man  wird  sich  gewiß  hüten  müssen,  die  schweren 
und  häufigen  Anklagen  eines  Geiler  oder  Sebastian  Brant  gegen  den  Klerus  zu 
verallgemeinern;  aber  die  Zustände  in  den  großen  und  reich  gewordenen  Klöstern, 
in  Gengenbach,  weniger  vielleicht  in  Schuttern,  sowie  in  Wittichen,  am  Schlüsse 
des  Mittelalters  sind  doch  unleugbare  Erscheinungen  und  Zeugen  einer  tiefen 
sittlichen  Verwilderung.  Gengenbach  war  ja  seit  dem  Anfang  des  15-  Jhs.  nur 
noch  eine  Versorgungsanstalt  des  Ortenauer  Adels  geworden;  1461  wurde  der 
Ausschluß  bürgerlicher  Elemente  geradezu  zum  Klosterstatut  erhoben.  Reform- 
versuche wie  durch  Aufnahme  in  die  Bursfelder  Kongregation  (1463),  der  auch 
Schuttern  um  diese  Zeit  beitrat,  oder  der  Reformplan  des  Kardinals  Peraudi 

x)  K.  Walter,  Bericht  des  Kirchherrn  Lazarus  Rapp  über  die  Pfarrei  zu  Offenburg  vom 
26.  Oktober  1616,  Karlsruhe  1892,  und  Staudenmaier  im  Freib.  Kirchenbl.  1880,  Nr.  4 ff. 


EINLEITUNG. 


XLIX 


blieben  ohne  nachhaltige  Wirkung.  Unter  Konrad  von  Müllheim  war  die  Zer- 
rüttung des  Stiftes  Gengenbach  aufs  höchste  vorgeschritten  (1506);  dem  Vorgehen 
gegen  diesen  Prälaten,  der  kurzerhand  gefangen  gesetzt  wurde,  liegt  als  tiefstes 
Motiv  wahrscheinlich  die  Absicht,  das  Kloster  in  ein  weltliches  Stift  umzuwandeln, 
zugrunde ; wenigstens  hat  der  Haupträdelsführer  an  dem  Anschlag  und  der 
Nachfolger  Konrads,  Philipp  von  Eselsberg,  diesen  Plan  mit  größter  Energie 
betrieben  und  in  Rom  auch  vollen  Erfolg  erzielt  (1523).  Nur  legte  der  Kaiser 
diesmal  ein  entschiedenes  Veto  ein.  Auch  im  Stift  zu  Lahr  hatten  »die  Priester- 
mägde« solches  Ärgernis  erregt,  daß  der  Rat  15  39  dagegen  einschreiten  mußte.1) 
Nicht  besser  war  es  in  vorreformatorischer  Zeit  um  Wittichen  bestellt,  wo  eben- 
falls der  Reichtum  eine  bedenkliche  Laxheit  im  Lebenswandel  gezeitigt,  so  daß 
auch  hier  Säkularisierungspläne  auf  seiten  der  Nonnen  bestanden. 

In  bezug  auf  Pflege  der  Volksbildung  und  der  Wissenschaften  lassen 
sich  nur  wenige  Momente  Zusammentragen,  die  uns  dahingehende  Bestrebungen 
bezeugen  können.  Im  Kloster  Gengenbach  war  jedenfalls  in  den  turbulenten 
Zeiten  des  15.  Jhs.  das  Schulwesen  arg  vernachlässigt,  so  daß  zu  Anfang  des 
16.  Jhs.  der  Stadtrat  in  seinen  Beschwerden  dieses  Desiderium  ganz  besonders 
unterstrich;  in  der  kurzen  protestantischen  Periode  konnte  das  protestantische 
Gymnasium  unter  seinem  Begründer,  der  mit  Sturm  in  Straßburg  in  enger 
Fühlung  sich  hielt,  unter  Matthias  Erb,  eine  gewisse  Blüte  erzielen;  dagegen 
ging  es  schon  wieder  unter  seinem  Nachfolger  Dionysius  Reuchlin  (1537)  stark  ab- 
wärts. Auf  katholischer  Seite  hat  Cornelius  Eselsberger,  der  Führer  der  Gegen- 
reformation im  Stift  Gengenbach,  dem  Schulwesen  rühmliche  Förderung  zu  teil 
werden  lassen.  In  Offenburg  scheint  man  früher  denn  anderswo  dem  Unterrichts- 
wesen von  Stadt  wegen  Aufmerksamkeit  und  Förderung  geschenkt  zu  haben. 
Damit  hängt,  wie  wir  sehen,  die  Berufung  der  Franziskaner  zusammen.  Im 
15.  Jh.  weist  die  Stadt  eine  Anzahl  tüchtiger  Gelehrter  und  einen  Kreis  von 
Humanisten  auf,  der  sich  um  eine  1490  hier  errichtete  Buchdruckeroffizin 
scharte,  so  den  Historiographen  Paul  Volz,  den  Straßburger  Rechtsgelehrten 
Dr.  Wendelin  Büttelbronn,  den  gleichfalls  von  hier  gebürtigen  Straßburger  Stett- 
meister  Sturm  von  Sturmeck,  den  Lehrer  der  Lateinschule  Gervas  Sopher. 
Andere  wissenschaftlich  interessierte  Offenburger  dieser  Zeit  sind  der  bischöf- 
liche Offizial  in  Straßburg  Nikolaus  Lindenstumpf,  der  seine  Studien  in  Wien, 
Paris  und  Bologna  gemacht,  1417  am  Konstanzer  und  1431  am  Basler  Konzil 
sich  beteiligt  hatte,  1421  Pfarrer  in  Offenburg,  1441  Kanonikus  von  Jung 
S.  Peter  in  Straßburg  geworden  war;2)  oder  der  in  Bologna  zum  Doctor  juris  promo- 
vierte Nikolaus  Dych,  der  1499  und  1502  als  Clericus  Argentinensis  in  Romana 
curia  causarum  procurator  vorkommt.3)  Über  das  Schulwesen  der  späteren  Zeit 

*)  Ruppert,  Die  Mortenau  I,  S.  369. 

2)  Knod,  Deutsche  Studenten  in  Bologna  (Berlin  1S99),  S.  384  ff. 

3)  Knod  a.  a.  O.  S.  90.  — Z.  NF.  VII,  S.  122,  128  ff. 


Band  VII. 


IV 


L 


EINLEITUNG. 


geben  die  Visitationsberichte  des  17.  Jhs.  einige  kümmerliche  Aufschlüsse,  die 
aber  höchstens  über  das  Vorhandensein  oder  Nichtvorhandensein  sowie  ganz 
allgemein  über  die  Beschaffenheit  der  Lehrer  an  einem  Ort  etwas  besagen. 

Die  kirchlichen  Verhältnisse  waren  somit  auch'  in  der  Ortenau  nicht  besser 
und  nicht  schlechter  am  Schlüsse  des  Mittelalters  als  anderswo;  der  Wetterzeichen 
waren  aber  auch  hier  genug  vorhanden,  die  auf  eine  Katastrophe  hinweisen 
konnten.  Der  weitausgedehnte  Besitz,  den  die  Klöster  und  Stifte  hier  hatten  und 
'der  gewöhnlich  von  keiner  guten  Einwirkung  auf  die  sittlichen  Zustände  war,  die 
mangelhafte  geistige  und  religiöse  Unterweisung  des  gewöhnlichen  Volkes  boten 
um  die  Wende  vom  15.  zum  16.  Jh.  sozial-religiösen  Agitatoren  günstiges  Feld. 
Die  Waldenser,  hier  Winkler  genannt,  hatten  von  Straßburg  aus  im  15.  Jh.  in 
größeren  Gemeinwesen,  wie  Offenburg  und  Lahr,  regen  Anhang  gefunden;  es 
wurden  bei  einem  gerichtlichen  Verhör  von  32  in  Straßburg  gefolterten  Winklern 
die  Häuser  und  Herbergen  der  Sekte  in  den  zwei  genannten  Städten  bekannt 
(1400).  Während  wir  von  den  Straßburgern  wissen,  daß  sie  dem  von  den 
Dominikanern  beantragten  Feuertod  nur  durch  Einspruch  des  städtischen  Rats 
entgingen  und  mit  Verbannung  geahndet  wurden,  ist  uns  über  das  Schicksal 
der  Lahrer  und  Offenburger  Waldenser  nichts  bekannt.  Wir  müssen  aber 
annehmen,  daß  Reste  dieser  Bewegung  sich  bis  ins  16.  Jh.  forterhielten  und  in 
den  zwanziger  Jahren  dieses  Jahrhunderts  in  der  Sekte  der  Wiedertäufer  wieder 
auflebten.  Auch  die  gegen  wirkliche  oder  vermeintliche  Mißstände  in  der  Kirche 
und  auf  seiten  der  Grundherrschaft  gerichtete  Bewegung  unter  der  bäuerlichen 
Bevölkerung  hatte  zu  Anfang  des  16.  Jhs.  hier  Wurzel  gefaßt.  Von  Württem- 
berg aus  war  der  Aufstand  des  Armen  Konrad  auch  aufs  badische  Gebiet 
hinübergedrungen  und  hatte  hier  hauptsächlich  in  Bühl  und  Achern  auf  Anstiften 
des  hernach  hingerichteten  Gugelbastian1)  die  Gärung  eingeleitet,  die  im  Bauern- 
krieg von  1525  ihren  gewaltsamen  Ausbruch  erlebte.  In  dem  uns  hier  zunächst 
interessierenden  Gebiet  vollzog  sich  die  ganze  Bewegung  allerdings  in  harm- 
loseren Formen,  wenn  auch  den  verschiedenen  Klöstern,  die  in  erster  Linie  als 
Angriffspunkte  ausgesucht  wurden,  wie  Schuttern  und  dem  Klosterhof  von  Aller- 
heiligen in  Lautenbach,  beträchtlicher  Schaden  zugefügt  wurde.  Anfangs  schien 
es,  als  ob  die  ganze,  noch  nicht  radikale  Bewegung  durch  Unterhandlungen  ein- 
gedämmt werden  könne.  Solche  führte  der  Beauftragte  des  Straßburger  Bischofs, 
Klaus  Meyer,  in  den  einzelnen  Gerichtsorten  der  Ortenauer  Landvogtei;  nur 
Appenweier  und  Griesheim  hatten  weitergehende  Forderungen  gestellt.  Während 
noch  Mitte  April  überall  eine  friedliche  Lösung  zu  erwarten  war,  brach  schon 
am  27.  April  der  Aufruhr  los.  Offenbar  durch  auswärtige  Agitatoren  geschürt, 
richtete  sich  der  Sturm  zuerst  gegen  Schwarzach  und  verpflanzte  sich  von  dort 
auch  durch  den  Oberkircher  Haufen  von  Aufrührern  in  den  nordöstlichen  und 


*)  H.  Schreiber,  Der  Bundschuh  zu  Lehen  und  der  arme  Konrad  zu  Bühl,  Freiburg  1824. 
Hartfelder,  Zur  Geschichte  des  Bauernkrieges  in  Südwestdeutschland  (Stuttgart  1884),  S.  372  ff. 


EINLEITUNG. 


LI 


südlichen  Teil  der  Ortenau,  wo  Lautenbach  und  Schuttern  besonders  zu  leiden 
hatten.  Der  Abt  von  Schuttern  floh  nach  Freiburg,  nachdem  der  auf  seinen 
Eigenvorteil  bedachte  Kastvogt  Gangolf  von  Geroldseck  nichts  ausgerichtet.  In 
dem  herrenlosen  Kloster  scheint  bei  der  Jugendlichkeit  des  Priors  die  Disziplin 
rasch  in  Verfall  gekommen  zu  sein.1)  Gengenbach  blieb  dadurch,  daß  die  Stadt 
und  der  Graf  von  Fürstenberg  zum  Zweck  der  Säkularisierung  die  Hand  über  die 
dortige  Abtei  hielten,  von  Exzessen  verschont.  Im  übrigen  einigten  sich  die  ver- 
schiedenen Grundherren  mit  den  Bauern  in  dem  Vergleich  von  Renchen  vom 
25.  Mai  1525,  den  der  Markgraf  Philipp,  der  Bischof  von  Straßburg,  die  Grafen 
von  Hanau -Lichtenberg  und  Fürstenberg,  die  Ortenauer  Ritterschaft  und  die 
Schultheißen  der  Hauptorte  Unterzeichneten.  Die  für  uns  hier  in  Betracht  kom- 
menden Punkte  betrafen  die  Anstellung  von  Pfarrern,  die  erst  nach  Anhörung 
einer  Predigt  und  nach  Prüfung  des  Lebenswandels  des  Kandidaten  durch  das 
Ortsgericht  erfolgen  solle ; ferner  die  Verkündigung  des  Gotteswortes  auf  der 
Kanzel,  das  »unverdunkelt  und  lauter«  sein  müsse.  Wer  sich  dessen  als  unfähig 
erweist,  solle  binnen  vier  Monaten  abgesetzt  und  aus  den  Zehntgefällen  pensioniert 
werden.  Zehnten  sollen  nur  vom  Wein  und  allem,  was  die  Mühle  bricht,  gegeben 
werden;  von  Hanf  und  Heu  bloß  der  Zwanzigste.  Der  Zehntherr  muß  für  die 
Pfarrerbesoldung  besorgt  sein,  damit  die  »Nebenschinderei«  durch  Opfer-,  Beicht- 
und  andere  .Gelder  aufhöre.  Für  den  südlichen  Teil  der  Ortenau  wurde  die 
Basis  zur  Verständigung  im  Offenburger  Vertrag  vom  13.  Juni  gefunden,  den 
Markgraf  Philipp  für  die  Herrschaft  Lahr  annahm.  Die  Vorteile,  die  der 
Renchener  Vertrag  garantierte,  fehlten  hier  fast  vollständig,  dagegen  wurden  die 
Aufständischen  zur  Rechenschaft  und  zum  Schadenersatz  angehalten.  Die  Ge- 
meinde Schuttern  wurde  in  Villingen  und  später  auch  durch  den  österreichischen 
Landvogt  von  Ensisheim  zur  Bezahlung  einer  Brandschatzung  an  das  Kloster 
verurteilt  (1526),  die  der  Kastvogt  Gangolf  von  Geroldseck  für  sich  einzutreiben 
suchte  (1527),  bis  man  von  Ensisheim  dagegen  einschritt.  Im  übrigen  wurde 
die  Bewegung,  wie  man  aus  der  Darlegung  der  politischen  Geschichte  dieses 
Gebietes  ersehen  kann,  hier  ohne  die  sonstige  blutige  Strenge  zum  Halt  gebracht. 

In  der  Art  und  Weise,  wie  in  dem  Bauernprogramm  auch  die  Forderung 
eines  sittlichen  Lebenswandels,  der  unverdunkelten  und  lauteren  Verkündigung 
des  Gotteswortes  und  der  Pfarreranstellung  durch  die  Gemeinde  aufgenommen 
ist,  lassen  sich  unzweifelhaft  Nachklänge  der  ersten  Vorstöße  der  lutherischen 
Bewegung  erkennen.  Von  ihr  war  von  allem  Anfang  an  auch  die  Ortenau 
berührt.  Der  allmähliche  Übertritt  Straßburgs  zu  der  religiösen  Neuerung  beginnt 
mit  dem  Jahre  1520,  und  die  meisten  der  ortenauischen  Grundherren  traten  wenn 
nicht  sofort  zu  ihr  über,  so  doch  wenigstens  ihr  nicht  entgegen.  Namentlich 
erwies  sich  der  einflußreiche  und  energische  Graf  Wilhelm  von  Fürstenberg  als 
erfolgreicher  Reformator  des  Kinzigtales2)  und  der  ihm  seit  1504  verpfändeten 

*)  M o n e , Quellensammlung  III,  S.  670. 

-)  V i e r o r d t , Gesch.  der  evang.  Kirche  in  Baden  I,  S.  30S  fl'. 


IV* 


LII 


EINLEITUNG. 


Landvogtei  Ortenau.  Schon  in  den  zwanziger  Jahren  begann  überall  in  diesem 
Gebiete  die  neue  Lehre  vorzudringen;  freilich  war  damals  der  Graf  noch  meist 
auswärts,  aber  überall  unter  den  ersten  Vorkämpfern  dafür.  Nach  dem  Marburger 
Tag  begleitete  er  die  reformierten  süddeutschen  Theologen  Butzer,  Hedio  und 
ökolampad  heimwärts  und  betrieb  1 534  mit  dem  Landgrafen  von  Hessen  die  Heim- 
führung des  Herzogs  Ulrich  von  Württemberg.  Als  er  Ende  der  dreißiger  und 
anfangs  der  vierziger  Jahre  in  sein  Gebiet  heimkehrte,  begann  er  systematisch 
die  Reformation  durchzuführen.  Den  Abt  des  Klosters  Gengenbach,  Philipp 
von  Eselsberg,  hatte  er  seit  1525  durch  allerlei  kleinliche  oder  gewalttätige 
Mittel  zur  Abdankung  zu  bestimmen  gesucht, l)  wodurch  die  auch  von  der  Stadt 
aus  betriebene  Säkularisierung  des  Stiftes  ipso  facto  herbeigeführt  worden  wäre. 
Den  durchaus  schwachen  und  wahrscheinlich  selbst  protestantischen  Nachfolger 
in  der  Abtswürde,  Melchior  von  Horneck,2)  hatte  Graf  Wilhelm  vollständig  in 
der  Hand,  so  daß,  wie  weiter  unten  ausführlich  noch  gezeigt  werden  soll,  um 
das  Jahr  1540  die  Abtei  unmittelbar  vor  dem  Übergang  an  die  neue  Lehre 
stand;  der  Konvent  war  zeitweilig  bis  auf  einen  Pater  zusammengeschmolzen. 
Dieser  eine,  Friedrich  von  Keppenbach,  behauptete  aber  doch  das  Feld,  wenn 
auch  Graf  Wilhelm  mit  allen  erdenklichen  Mitteln  und  zum  Teil  durch  Haft- 
strafe ihn  zur  Nachgiebigkeit  zu  bestimmen  suchte.3)  Tatsächlich  mußte  er  sich 
auch  mit  der  von  seinem  Vorgänger,  Melchior  von  Horneck,  angenommenen 
Säkularisation  und  mit  der  Zulassung  von  aus  Stiftsmitteln  zu  dotierenden  Prädi- 
kanten einverstanden  erklären;  auch  eine  »Statthalterei«  des  siebenjährigen  Otto 
von  Eberstein,  der  nur  der  Stellvertreter  des  jungen  Grafen  von  Salm  war, 
wurde  ihm  aufoktroyiert  und  ein  natürlicher  Sohn  des  alten  Salm,  ein  aus 
Rheims  gebürtiger  Mönch,  als  Prior. 

Auch  anderswo  in  der  Ortenau  fand  unter  der  Einwirkung  des  Grafen  die 
neue  Lehre  Aufnahme,  so  rings  um  Offenburg,  besonders  in  dem  Filialort  Wein- 
garten, wo  1537  ein  Prädikant  eingesetzt  wurde.  Im  Kinzigtal  hatte  Graf 
Wilhelm  erst  nach  dem  Tode  seiner  Mutter  Elisabeth  (1540),  die  sich  für  Lebens- 
zeit einen  Anteil  an  der  Herrschaft  gesichert  hatte,  freie  Hand.  Es  wurde  jetzt 
das  Benediktinerkloster  Rippoldsau  aufgehoben  und  das  Klarisinnenkloster 
Wittichen  aufs  schwerste  beeinträchtigt.  1542  fand  in  Haslach  eine  evangelische 
Synode  von  Prädikanten  der  Landvogtei  Ortenau  und  des  Kinzigtales  statt; 
auf  ihr  wurde  das  Ersuchen  an  den  Grafen  gestellt,  eine  neuerliche  Visitation 
des  Bezirkes  durch  Hedio  vornehmen  zu  lassen  zur  Hebung  der  Kirchenzucht, 
Feststellung  einer  Kirchenordnung  und  Besetzung  der  noch  ledigen  Pfarr-  und 
Schulstellen.  Bei  dieser  Veranstaltung  werden  als  im  Tale  wirkende  Prädikanten 
angeführt:  Magister  Franz  Beckh  und  sein  Helfer  Hans  Jerg  Le  mp,  Martin 

*)  Franck  in  FDA.  VI,  S.  1 — 26. 

2)  Vgl.  über  die  Vorgänge  unter  diesem  Abt  Ruppert  in  Z.  33,  S.  128 — 159. 

8)  Franck  in  FDA.  VII,  S.  83 — 105;  Ruppert,  FDA.  XVI,  S.  196 — 215. 


EINLEITUNG. 


Lin 

Sch  all  in g (von  Straßburg  nach  Wolfach  versetzt),  die  von  Oberwolfach, 
Schenkenzell,  Hausach,  Schappach,  Welschensteinach.  Durch  die  französische 
Gefangenschaft  des  Grafen  wurde  die  weitere  Reformierung  der  Grafschaft  und 
Vogtei  verlangsamt  und  durch  die  Einführung  des  Interims  und  den  baldigen 
Tod  des  Fürstenbergers  (1549)  gewaltsam  unterbrochen.  Der  Erbe  des  Grafen 
Wilhelm,  sein  Bruder  Friedrich,  suchte  die  frühere  Ordnung  mit  Umsicht  und 
Besonnenheit  wiederherzustellen. ’)  In  der  Abtei  Gengenbach  hielt  sich  Friedrich 
von  Keppenbach  allen  Schikanen  zum  Trotz  gegen  den  »wälschen  Prior«  bis 
zu  seinem  unerwartet  raschen  Tod  (1555).  Sein  Nachfolger  Agricola  suchte 
vor  allem  den  letzteren  zu  entfernen,  auf  strikte,  auch  vom  Kaiser  neuerdings 
eingeschärfte  Durchführung  des  Interims  und  damit  auf  Entfernung  der  Prädi- 
kanten aus  dem  Reichsstädtchen  zu  dringen.  Die  eigentliche  Seele  der  Gegen- 
reformation war  aber  der  Stadtpfarrer  Cornelius  Eselsberger,  der  sich  besonders 
um  das  Schulwesen  in  der  Stadt  dauernde  Verdienste  erwarb.  Ruhiger  noch 
scheint  sich  nach  der  Einlösung  der  Reichspfandschaft  über  die  Ortenau  durch 
Österreich  (1551)  die  Rekatholisierung  hier  vollzogen  zu  haben,  soweit  unter 
Graf  Wilhelms  Einfluß  die  neue  Lehre  eingedrungen  war.  Wenigstens  wird  uns 
nirgends  von  einem  Gewaltakt  berichtet,  der  doch  sicherlich  irgendwie  festgelegt 
worden  wäre. 

Bleibende  Zustände  schuf  die  Reformation  im  Gegensatz  zum  Gebiet  des 
Fürstenbergers  in  der  Grafschaft  Hana u -Licht enb  e rg.  2)  Zu  Beginn  der 
Bewegung  stand  der  obere  Teil  der  Grafschaft  auf  badischer  Seite,  das  Amt 
Willstätt,  unter  dem  Grafen  Philipp  III.  Nahm  er  sich  auch  im  Verein  mit  der 
Stadt  Straßburg  des  in  Lichtenau  1525  verhafteten  Prädikanten  Martin  Enderlin 
an,  so  war  er  doch  in  seiner  religiösen  Haltung  zum  mindesten  schwankend, 
wenn  nicht  Gegner  der  weiteren  Entwickelung  der  religiösen  Neuerung,  so  daß 
er  das  Vertrauen  der  Reformatoren  in  keiner  Weise  besaß.  1538  folgte  ihm 
sein  Sohn  Philipp  IV.  im  südlichen  Teile  der  Grafschaft,  indes  er  sich  in  die 
Herrschaft  über  den  nördlichen,  das  Amt  Lichtenau,  ebenfalls  mit  dem  katho- 
lischen Grafen  Reinhard  von  Zweibrücken-Bitsch  teilen  mußte.  Der  Reformation 
offenbar  von  Anfang  an  zugetan,  leistete  er  ihr  aber  erst  nach  dem  Tod  seiner 
Gemahlin  Eleonore  von  Fürstenberg  (1544)  offenen  Vorschub.  Schon  1545 
erbat  er  von  Straßburg  »etliche  taugliche  und  bewährte  Diener  des  h.  Evan- 
geliums für  die  fürnemsten  Orte  der  Grafschaft«.  Er  erhielt  zunächst  nur  drei 
mit  der  Kölner  Reformationsordnung;  während  er  zwei  davon  in  dem  elsässischen 
Teil  seiner  Herrschaft  verwendete,  kam  Anselm  Pflüger  nach  Willstätt,  Ende 
des  Jahres  1 545  finden  wir  ihn  in  Kork  und  Sand  angestellt.  Damals  ersuchte 
der  Graf  die  Stadt  Straßburg  um  dessen  dauernde  Überlassung.  Gleichzeitig 
unterhielt  Graf  Philipp  eine  lebhafte  Korrespondenz  mit  dem  Straßburger  Refor- 

x)  Vgl.  FDA.  II,  S.  11  ff. 

2)  Vierordt  I,  S.  319  fr.  Schaible,  Gesch.  des  bad.  Hanauerlandes  (Karlsruhe  1855), 
S.  45  ff. 


LTV 


EINLEITUNG. 


mator  Hedio.  Zur  Besprechung  des  Reformationsplanes  und  der  kirchlichen 
Organisation  wurde  am  12.  Mai  1545  die  erste  hanau-lichtenbergische  Synode 
in  der  elsässischen  Residenz  des  Grafen,  Buchsweiler,  abgehalten.  Es  beteiligten 
sich  daran  21  Geistliche,  von  denen  aber  nur  ein  kleiner  Teil  sich  unbedingt 
für  Einführung  der  Reformation  aussprach.  Im  allgemeinen  vollzog  sich  das 
Reformationswerk  hier  weniger  schroff  als  vielfach  anderwärts.  Die  erste  wichtige, 
von  Butzer  vorgeschlagene  Maßnahme  war  die  Säkularisierung  des  Kirchengutes. 
Es  wurde  den  Heiligenpflegern  an  den  einzelnen  Orten  mit  der  Begründung, 
daß  die  Verwaltung  vielfach  nachlässig  gewesen,  entzogen  und  in  einer  einzigen 
für  ein  Amt  zuständigen  Kirchenschaffnei  vereinigt,  für  das  badische  Hanauer- 
land  in  der  Schafifnei  Rheinbischofsheim.  Damit  war  allerdings  eine  einheitlichere 
Verwaltung  der  Kirchengefälle  gesichert  und  die  letzteren  wenigstens  teilweise 
ihrem  Zweck  erhalten,  insofern  sie  zur  Bestreitung  der  Kirchen-  und  Schul- 
bedürfnisse verwendet  werden  sollten.  Gleichzeitig  verloren  die  einzelnen  Kirchen- 
gemeinden ihre  Benennung  nach  dem  Orts-  oder  Kirchenpatron  und  behielten 
ausschließlich  die  bürgerliche  Namensbezeichnung.  In  Legelshurst,  wo  das 
Kloster  Eschau  den  Pfarrsatz  hatte,  hielt  sich  der  katholische  Gottesdienst  am 
zähesten;  ebenso  in  der  von  Allerheiligen  abhängigen  Pfarrei  von  Sand,  wo  uns 
aber  auch  schon  1 560  der  Prädikant  Schallesius  begegnet.  In  Rheinbischofsheim 
starb  der  letzte  katholische  Pfarrer,  Martin  Hildbrandt,  1 564 ; aber  auch  er  war 
verheiratet  gewesen,  und  seine  Witwe  bezog  noch  einige  Zeit  das  Benefiziums- 
erträgnis ; pastoriert  wurde  die  Gemeinde  indes  von  Fautenbach  aus.  Schließlich 
zog  auch  hier  nach  langen  Auseinandersetzungen  zwischen  den  zwei  Herrschafts- 
inhabern, Hanau  und  Bitsch,  und  dem  das  Patronatsrecht  ausübenden  Domkapitel 
ein  protestantischer  Geistlicher  ein.  In  Ilonau,  wo  das  Straßburger  Stift  gleich- 
falls das  Patronatsrecht  hatte,  war  schon  in  den  zwanziger  Jahren  ein  Prädikant 
tätig  gewesen.  1532  wurde  zwar  nochmals  ein  katholischer  Pfarrer  angewiesen, 
aber  schon  1559  trat  das  bisher  mit  Ilonau  pastorierte  Bodersweier  zur  neuen 
Lehre  über,  weil  das  Domkapitel  den  dem  Protestantismus  zuneigenden  Geist- 
lichen Koch  von  Bodersweier  absetzen  wollte.  Honau  dagegen  blieb  dank  den 
Bemühungen  des  Kapitels  dem  Katholizismus  erhalten.  Auenheim  hatte  einen 
Prädikanten  seit  1561,  Linx  seit  1566,  Eckartsweier  wohl  schon  seit  1555, 
Freistett,  das  bisher  Filiale  von  Rheinbischofsheim  war,  trotz  Einspruchs  des 
Domkapitels  in  Straßburg  seit  1582,  nachdem  es  zur  Pfarrei  mit  der  Filiale 
Memprechtshofen  erhoben  worden  war.  Im  Amte  Lichtenau  fand  die  Reformation 
nach  dem  Tode  Jakobs  von  Bitsch,  des  katholischen  Mitherrn  (1570),  ebenfalls 
ungehindert  Eingang;  das  Städtchen  Lichtenau  hatte  einen  Prädikanten  schon 
seit  1565.  1 5 72  wurde  eine  neue  Kirchenordnung  von  dem  Grafen  erlassen; 

sie  fügte  der  älteren  manche  aus  den  badischen  und  pfälzischen  entnommenen 
Verordnungen  bei.1)  1578  erschien  ein  vorläufiger  Entwurf  zur  Konkordien- 


x)  Gedruckt  in  Straßburg  1573. 


EINLEITUNG. 


LV 


formel,  den  65  Prädikanten  der  gesamten  Grafschaft  unterzeichnet  hatten;  wer 
ihr  nicht  beitrat,  wie  der  Pfarrer  von  Rheinbischofsheim,  wurde  abgesetzt.  Das 
Hanauerland  war  damit  bis  auf  kleine  Enklaven,  wie  Honau,  dem  Protestantismus 
dauernd  gesichert. 

Weniger  nachhaltig  war  die  Reformationsbewegung  in  der  Herrschaft 
Geroldseck.1)  Von  allem  Anfang  sehen  wir  dieses  freiherrliche  Geschlecht, 
dessen  letzte  Schicksale  von  Verarmung  und  vielfachen  Gewalttaten  berichten,  auf 
seiten  Luthers.  Diesem  letzteren  hatte  Diebolt  von  Geroldseck  als  Admini- 
strator von  Einsiedeln  1519  ein  Asyl  angeboten  und  ein  solches  auch  Ellrich 
von  Hutten  am  Zürichersee  gewährt;  mit  Zwingli  fand  er  einen  gemeinsamen 
Tod  bei  Kappel  (1531).  Sein  Bruder  und  Herrschaftsinhaber  Gangolf  (gestorben 
1548)  war  durch  sein  späteres  Dienst-  und  Lehensverhältnis  zu  Österreich  von 
einer  offenen  Stellungnahme  zum  Luthertum  abgehalten,  dagegen  übte  er  die 
Schirmvogtei  über  Ettenheimmünster  und  Schuttern  in  drückendster  Weise  aus. 
Dagegen  wandte  sich  sein  Sohn  und  Nachfolger  Quirin  unverhohlen,  wie  der 
Abt  Johann  von  Gengenbach  bezeugt,  der  lutherischen  Sekte  zu,  unterstützte 
auch  1 568  mit  dreizehn  Lähnlein  die  Hugenotten,  wobei  er  in  der  Schlacht  von 
Montcontour  (1569)  hei-  Bis  dahin  ist  offenbar  die  Protestantisierung  von  Seel- 
bach, Prinzbach  und  Schuttertal  schon  vollzogene  Tatsache  gewesen;  nicht 
bekannt  ist,  ob  auch  in  den  Orten,  wo  die  Geroldsecker  nur  die  Teilherrschaft 
hatten,  wie  in  Reichenbach,  wo  die  Röder  noch  zuständig  waren,  oder  in 
Berghaupten,  das  auch  noch  der  Herrschaft  des  Bischofs  von  Straßburg  unter- 
stand, während  Münstertal,  Schweighausen  und  Wittelbach  als  straßburgisch 
bischöfliches  Lehen  den  Geroldseckern  verliehen  waren.  Jedenfalls  suchte  Karl 
von  Hohenzollern,  der  Vormund  des  noch  unmündigen  Söhnchens  und  Erben 
Quirins,  Jakobs  von  Geroldseck,  der  1573  in  die  Herrschaft  kam,  den  alten 
Religionszustand  wiederherzustellen,  indem  er  zunächst  vom  Abt  Gisbert  von 
Gengenbach  zwei  »ehrbare  gelarte  und  geschickhte  Priester«  erbat,  »die  mit 
singen,  lesen  und  predigen  wohlgeübt«.  Auf  die  religiöse  Haltung  des  jungen 
Geroldseckers  hatte  er  aber  offenbar  keinen  Einfluß,  denn  kaum  hatte  dieser 
1584  die  Herrschaft  angetreten,  so  nahm  er  mit  allem  Nachdruck  das  Refor- 
mationswerk wieder  auf,  so  daß  bald  alle  Pfarreien  mit  Prädikanten  besetzt 
waren,  mit  Ausnahme  von  dem  von  Ettenheimmünster  abhängigen  Wittelbach, 
das  aber  nach  Wegnahme  der  Kirchengüter  durch  den  Geroldsecker  mit  Schweig- 
hausen vereinigt  werden  mußte.  Reichenbach  bekannte  sich,  nachdem  es  schon 
seit  1 5 5 2 verheiratete  Geistliche  gehabt,  in  einem  tumultuarischen  Akt  1595 
zur  neuen  Lehre.  Als  im  letzteren  Jahre  der  Subprior  von  Gengenbach  zur 
Beerdigung  des  eben  verstorbenen  Pfarrers  und  zur  Besitzergreifung  der  Pfarrei 
nach  Reichenbach  kam,  wurde  er  von  der  durch  geroldseckische  Beamte 
geschürten  Gemeinde  zurückgewiesen.  Als  aber  Jakob  von  Geroldseck  ohne 

E Vierordt  I,  S.  486  ff.;  II,  S.  23S  ff.  Hennig  a.  a.  O.  S.  159  ff. 


LVI 


EINLEITUNG. 


männliche  Erben  starb,  fielen  die  Lehen  an  Österreich  und  Straßburg  zurück 
und  auch  die  Allodien  wurden  der  einzigen  Tochter  weggenommen,  weil  sie  mit 
einem  schwedischen  General,  Grafen  Solms,  verheiratet  war,  und  dem  katholischen 
Grafen  Adam  Philipp  von  Cronberg  verliehen;  wurde  auch  im  Westfälischen 
Frieden  eine  Untersuchung  der  Erbansprüche  der  letzten  Geroldseckerin  in 
Aussicht  gestellt,  so  blieb  sie  doch  gänzlich  wirkungslos,  und  nach  dem  Aus- 
sterben der  Cronberger  wurde  die  Herrschaft  1692  an  die  Freiherren  von  der 
Leyen  vergabt  und  die  Okkupation  des  Markgrafen  von  Baden -Durlach  von 
Österreich  (1697)  zurückgewiesen.  Unter  Adam  Philipp  von  Cronberg  wurde 
alsbald  die  Gegenreformation  durchgeführt  und  nicht  wenig  gefördert  durch  den 
Wirrwarr,  den  die  Kriege  Ludwigs  XIV.  in  den  siebziger  Jahren  des  17.  Jhs. 
über  unser  Land  brachten.  Das  Hauptverdienst  an  der  Rekatholisierung  haben 
die  Franziskaner  von  Kenzingen  und  die  Kapuziner  von  Mahlberg  und  Haslach 
zu  beanspruchen  und  haben  es  auch  zum  Teil  in  rivalisierender  Konkurrenz  mit- 
einander schon  in  gleichzeitigen  Darstellungen  betonen  lassen. *)  Aus  Anerkennung 
für  diese  Verdienste  ließ  Graf  Kaspar  von  der  Leyen  1732  in  Seelbach  ein 
Franziskanerkloster  errichten.* 2) 

In  der  Grafschaft  Lahr-Mahlberg,3)  in  deren  Besitz  sich  die  Grafen 
von  Nassau  und  die  Markgrafen  von  Baden-Baden  teilten,  fand  die  neue  Lehre 
zunächst  nur  sporadisch  Eingang.  So  tauchte  schon  1525  in  Lahr  ein  Prädikant 
auf,  wohl  nur  vorübergehend,  denn  der  eigentliche  Pfarrer  »geigte  damals«,  wie 
ein  Zeitgenosse  sich  ausdrückt,  »noch  auf  der  alten  Geige«.  Dagegen  wurden 
während  des  Bauernkrieges  die  Geistlichen  angewiesen,  das  freie  Evangelium  zu 
verkündigen  und  den  Sterbenden  nach  Wunsch  das  Abendmahl  in  zwei  Gestalten 
zu  spenden.  Entsprechend  der  schwankenden  Haltung  des  Markgrafen  Philipp  I. 
wurden  aber  auch  der  neuen  Lehre  nicht  allzuviel  Konzessionen  eingeräumt  und 
verboten,  »weitre  endrunge  in  den  irrigen  artickeln  zu  lehren«  oder  an  den  bis- 
herigen Gepflogenheiten  etwas  zu  ändern,  solange  nicht  ein  allgemeines  Konzil  oder 
ein  Reichstag  entschieden.  Andererseits  wollte  Nassau  möglichst  ungemildert 
die  Augsburgische  Konfession  schon  1531  durchgeführt  sehen.  Dazu  kam  es 
aber  erst  mit  der  Thronbesteigung  des  Markgrafen  Bernhard  III.  (1533);  aber 
schon  1536  erfolgte  durch  dessen  frühzeitigen  Tod  ein  Umschwung.  Als  Vor- 
mund der  Kinder  übernahm  Herzog  Wilhelm  IV.  von  Bayern  die  Regentschaft 
und  stellte  die  katholische  Religion  wieder  her.  Der  indes  mündig  gewordene 
Markgraf  Philibert  bekannte  sich  zum  Protestantismus  und  führte  ihn  auf  der 
Grundlage  des  Augsburger  Religionsfriedens  seit  1556  überall  durch;  1558 
wurde  zwischen  den  zwei  Herrschaftsinhabern,  Baden  und  Nassau,  eine  Religions- 
ordnung für  das  ganze  Gebiet  erlassen  und  1 567  näherhin  die  Straßburger 

*)  P.  Romuald,  Hist.  Capucinorum,  S.  353.  Greiderer,  Germania  Franciscana  (Inns- 
bruck 1777/81)  II,  S.  98. 

2)  Hennig  a.  a.  O.  S.  214  ff. 

3)  Vierordt,  Hennig,  Gesch.  des  Landkapitels  Lahr,  S.  138  ff. 


EINLEITUNG. 


LVII 


Kirchenordnung  für  alle  Pfarreien  vorgeschrieben.  Es  sollten  nur  noch  pro- 
testantische Geistliche  von  den  Patronatsherren  verlangt  werden.  Der  einzige 
noch  katholische  Pfarrer  der  Grafschaft,  der  von  Altenheim,  dessen  Patronats- 
herr der  Bischof  von  Straßburg  war,  wurde  vor  die  Alternative  gestellt,  ent- 
weder zu  resignieren  oder  zur  neuen  Lehre  überzutreten.  In  Lahr  hielt  sich 
der  katholische  Gottesdienst  bis  zum  Augsburger  Religionsfrieden.  Aber  die 
Lundamente  der  kirchlichen  Autorität  waren  hier  wie  an  anderen  Orten  gründlich 
erschüttert.  Außer  den  Prädikanten  hatten  die  Wiedertäufer,  die  besonders 
stark  in  der  Weberzunft  vertreten  waren,  hier  den  Abfall  vorbereitet;  1528  waren 
alle  Gefängnisse  der  Stadt  damit  angefüllt  und  die  Amtleute  wurden  angewiesen, 
eifrig  nach  diesen  Sektierern  zu  fahnden  und  ihnen  Straffreiheit  zuzusichern,  wenn 
sie  ihren  Irrtum  abschwören  wollten;  falls  sie  aber  nicht  widerrufen  wollten, 
sollte  nochmals  an  die  Regierung  berichtet  werden. *)  Auch  die  Zustände  im 
Stift  waren  nicht  dazu  angetan,  im  Volke  das  Autoritätsgefühl  vor  dem  Klerus 
zu  stärken.  Im  Jahre  1539  ordnete  der  Rat  der  Stadt  an,  daß  die  liederlichen 
Priestermägde  im  Stift,  die  sich  aufs  schändlichste  gegenseitig  beschimpften,  dem 
Volke  großes  Ärgernis  gaben  und  wegen  Diebstahls  und  anderen  bösen  Stücken 
arg  beleumundet  waren,  in  der  Herrschaft  nicht  mehr  geduldet  werden  sollten.1 2) 
Bei  solchen  Zuständen  begegnete  die  endgültige  Berufung  des  ersten  pro- 
testantischen Pfarrers  — vorübergehend  war  schon  1536  einer  angestellt  gewesen  — , 
des  Johannes  Wolph  aus  Koburg,  wohl  keinem  allzu  großen  Widerspruch.  Schon 
1 564  wurden  die  reichen  im  Stift  vorhandenen  und  durch  die  Wappen  als 
Stiftungen  der  ortenauischen  Adelsfamilien  bezeugten  Paramente  verkauft.  An 
verschiedenen  Orten  hatte  der  katholische  Geistliche  vor  der  definitiven  Los- 
reißung  der  Gemeinde  von  der  Kirche  längst  nicht  mehr  seinen  Pflichten  ent- 
sprochen. So  sollten  die  Pfarrer  von  Kürzel  und  Lriesenheim,  an  welch  letzterem 
Orte  auch  Wiedertäufer  in  den  zwanziger  Jahren  tätig  gewesen,  wegen  Kon- 
kubinats oder  wirklicher  Verheiratung  vom  Bischof  abgesetzt  werden  im  Wider- 
spruch mit  der  Gemeinde  und  den  herrschaftlichen  Amtleuten;  und  als  es 
schließlich  doch  dazu  kam,  erfolgte  der  Übertritt  zum  Protestantismus  (1565 
und  1566),  wogegen  der  Abt  von  Schuttern  umsonst  seine  Patronatsrechte 
geltend  machte.  Um  die  gleiche  Zeit  hatte  auch  Kippenheim  einen  verheirateten 
Pfarrer,  ob  noch  katholisch  oder  lutherisch,  ist  nicht  mit  Bestimmtheit  zu  sagen. 
In  Hugsweier  wurde  der  katholische  Pfarrer  durch  Gehaltssperre  (1562)  verjagt 
und  1564  durch  einen  Prädikanten  ersetzt,  und  ähnliches  geschah  um  diese 
Zeit  in  Nonnenweier  (1554),  Oberweier  (um  1570),  Oberschopfheim  (1562), 
Ottenheim,  Sulz  und  Wagenstadt. 

Nach  dem  Tode  des  Markgrafen  Philibert  nach  der  Schlacht  bei  Mont- 
contour  (1569)  hatte  zunächst  Herzog  Albrecht  V.  von  Bayern  die  Vormund- 


1)  Ruppert,  Gesch.  der  Mortenau  T,  S.  279. 

2)  Hennig  a.  a.  O.  S.  125. 


LVIII 


EINLEITUNG. 


Schaft  für  den  minderjährigen  Thronerben  Philipp  II.  zu  führen.  Während  dieser 
Regentschaft  und  der  selbständigen  späteren  Regierung  des  jungen  Markgrafen 
wurde  trotz  Einspruches  des  Nassauer  Mitregenten  der  Versuch  einer  Re- 
katholisierung  gemacht,  indem  man  vor  allem  die  kirchlichen  Rechte  des  Bischofs 
von  Straßburg  und  der  Äbte  von  Gengenbach  und  Schuttern  wieder  zu  berück- 
sichtigen anfing.  Einen  systematischeren  Gegenreformationsplan  besprach  der 
Jesuit  Roberinus  de  Montreal  mit  dem  Abt  von  Schuttern  (1581).  Indes  starb 
der  Markgraf  Philipp  schon  1588,  und  als  die  leichtfertige  Regierung  seines  Nach- 
folgers Eduard  Fortunat  die  Okkupation  der  oberen  Markgrafschaft  durch  Ernst 
Friedrich  von  Baden-Durlach  herbeiführte  (1594  bis  1622),  wurde  der  letzte  Rest 
von  katholischem  Leben  in  dieser  Gegend  vertilgt,  wiewohl  ein  dem  Kaiser  aus- 
gestellter Revers  versprach,  in  Religionssachen  nichts  zu  ändern.  Erst  Eduard 
Fortunats  Sohn,  der  Markgraf  Wilhelm,  konnte  wieder  zur  Herrschaft  gelangen 
(1622).  Sein  erstes  war  die  Rekatholisierung  der  dem  Protestantismus  zu- 
geführten Gebietsteile.  Dabei  konnten  heftige  Differenzen  in  der  auch  von  dem 
protestantischen  Nassau  mitregierten  Grafschaft  Lahr-Mahlberg  nicht  ausbleiben. 
Schon  gleich  der  Plan,  die  Pastoration  des  Lahrer  Schlosses  Konventualen  von 
Schuttern  zu  übergeben,  scheiterte  an  dem  entschiedensten  Widerspruch  des 
Mitregenten;  aber  auch  der  Vorschlag  der  Gebietsteilung  wurde  abgelehnt  und 
mußte  1629  durch  den  Kaiser  vollzogen  werden.  Dabei  fiel  Mahlberg  mit 
Kippenheim,  Kippenheimweiler,  Wagenstadt,  Sulz,  Langenhard,  Kürzel,  Schutter- 
zell, Ichenheim,  Dundenheim,  Ottenheim,  Friesenheim,  Oberweier,  Heiligenzell 
und  Oberschopfheim  an  Baden,  Lahr  mit  Burgheim,  Dinglingen,  Altenheim, 
Hugsweier  und  Mietersheim  an  Nassau.  Der  nassauische  Teil  blieb  naturgemäß 
protestantisch,  während  der  an  den  Markgrafen  gefallene  wieder  teilweise  der  alten 
Lehre  zugeführt  wurde.  Wo  indes  geschlossene  protestantische  Gemeinden 
bestanden,  blieben  sie  auch  meist  erhalten.  Schon  1528  setzte  Schuttern  auf 
Veranlassung  des  Markgrafen  nach  Friesenheim  einen  katholischen  Pfarrer.  Als- 
bald nach  der  Huldigung  des  mahlbergischen  Gebiets  ließ  Markgraf  Wilhelm 
am  30.  Oktober  1629  in  Friesenheim  den  Geistlichen  ihre  Entlassung  mitteilen 
und  wenige  Wochen  später  überall  katholische  Seelsorger  einsetzen.  In  Kippen- 
heim erhielten  die  Jesuiten  eine  Niederlassung  für  zwei  Patres.  Vorübergehend 
wurde  im  Dreißigjährigen  Krieg  die  katholische  Pastoration  noch  wiederholt 
durch  die  Schweden  gestört  oder  durch  eine  protestantische  ersetzt,  wie  in 
Ichenheim  (1633  bis  1635);  auf  Schloß  Mahlberg  saß  ein  schwedischer  Leutnant. 
An  vielen  Orten  war  jede  Seelsorge  ausgestorben,  und  die  moralische  Verwilderung 
nahm  mit  dem  physischen  Elend  erschreckend  zu  Sobald  der  Markgraf  wieder 
sein  Land  betreten  konnte  (1646),  erließ  er  ein  Religionsedikt  zur  Ordnung  der 
religiösen  Verhältnisse  und  schloß  1647  jeden  protestantischen  Gottesdienst  unter 
Androhung  von  Strafen  aus.1)  Jedoch  gestattete  man  den  protestantischen  Unter- 

x)  Vierordt  II,  S.  241  ff.  Hennig,  S.  152  ff. 


EINLEITUNG. 


LIX 


tanen  im  gleichen  Jahr  einen  Prädikanten  in  Kippenheim,  ebenso  erhielt  Friesen- 
heim mit  Oberschopfheim  und  Diersburg  einen,  Ottenheim  einen  weiteren  1650. 
Daß  bei  solcher  konfessionellen  Mischung  im  Laufe  der  Zeit  beiderseits  Über- 
griffe und  ständige  Reibungen  Vorkommen  mußten,  ist  nur  zu  natürlich.  Im 
allgemeinen  aber  fanden  die  berechtigten  Wünsche  und  Beschwerden  der 
Protestanten  bei  dem  Markgrafen  willfährige  Aufnahme,  nicht  immer  aber  bei 
dem  gegen  den  protestantischen  Teil  manchmal  schroffen  Amtmann  Franz  Ernst 
von  Olizy  (seit  1678),  so  daß  die  evangelische  Minderheit  1720  eine  mit  einer 
Widerlegung  beantwortete  (1723)  Beschwerdeschrift  an  die  Regierung  richtete. 
Dieser  Zustand  dauerte  fort,  bis  das  Gebiet  an  die  Durlacher  Linie  (1771)  fiel; 
jetzt  aber  erregten  umgekehrt  die  Errichtung  protestantischer  Pfarrstellen  in 
Friesenheim,  Kürzel  und  Sulz  und  andere  Maßnahmen  den  Widerspruch  des 
Straßburger  Bischofs  Rohan  und  der  Katholiken  des  Bezirks,  die  im  sogen. 
»Syndikatsprozeß«  beim  Reichshofrat  in  Wien  die  Bildung  eines  Syndikats  zur 
Vertretung  ihrer  Interessen  anstrebten. 

In  den  kleineren  Gebietsteilen  der  Orten  au  kam  das  Luthertum 
nicht  weniger  frühzeitig  zur  Einführung,  dank  dem  Nachdruck  der  Gutsherr- 
schaften. So  durch  Egenolph  von  Röder,  der  seit  1523  an  dem  Reformations- 
werk in  Straßburg  mit  Eifer  beteiligt  war,  in  dem  seinem  Patronatsrecht  unter- 
stehenden Hofweier  (Prädikanten  von  1534  bis  1570,  katholisch  von  1570), 
Oberweier  (protestantisch  seit  1570,  katholisch  seit  1647),  in  Oberschopf- 
heim-Diersburg (sehr  früh  protestantisch,  katholisch  seit  1655).  Nach  der 
Rekatholisierung  der  letzteren,  ursprünglich  einheitlichen  Pfarrei  wurde  der  noch 
protestantisch  gebliebene  Teil  von  Diersburg  zur  Pfarrei  Friesenheim  verwiesen 
und  nach  deren  Eingehen  (1676)  zu  Kippenheim.1)  In  Meißen  heim  wirkten 
die  Herren  von  Wurmser  (protestantisch  seit  1533)  für  die  neue  Lehre  (1556 
erster  nachweisbarer  Prädikant),  in  Allmansweier  und  Wittenweier,  wo 
die  Klöster  Schuttern  1540  und  Leberau  1553  der  Einsetzung  eines  Prädikanten 
widersprachen,  die  Freiherren  von  Böcklin.  Auch  die  Reichsstädte  blieben  von 
der  religiösen  Bewegung  nicht  unbeeinflußt.  Namentlich  ließ  sich  Gengen- 
bach sehr  weit  von  ihr  treiben.  Hier  bewirkte  der  Jahrhunderte  alte  Gegensatz 
zur  Abtei  und  der  Einfluß  des  Grafen  Wilhelm  nahezu  den  völligen  Abfall  der 
Stadt.  Schon  in  den  zwanziger  Jahren  dürfte  der  Stadtpfarrer,  ein  scharfer 
Gegner  des  Klosters,  ein  Prädikant  gewesen  sein;  der  Stadtschule,  die  unter  Abt 
Melchior  aus  Stiftsmitteln  errichtet  wurde,  wandte  Hedio  ganz  besondere  Für- 
sorge zu.  1541  unterschrieb  Gengenbach  in  der  Reihe  der  evangelischen  Städte 
das  Protokoll  des  Regensburger  Religionsgesprächs;  unter  den  Auspicien  des 
städtischen  Rats  erschien  hier  1 545  ein  evangelischer  Katechismus  für  die  Stadt 
und  das  Kinzigtal.  Im  Jahr  darauf  hielt  Hedio  eine  Kirchenvisitation  ab.  Das 
Interim,  das  durch  kaiserlichen  Befehl  für  Gengenbach  noch  eindringlich  betont 

1)  Vgl.  Felix  von  Röder -Diersburg  in  FDA.  XIV,  S.  227 — 236. 


LX 


EINLEITUNG. 


wurde,  führte  hier  wie  in  der  Abtei  den  alten  Zustand  wieder  her,  das  treibende 
Element  der  Gegenreformation  aber  war  der  auch  um  das  Schulwesen  hoch- 
verdiente Stadtpfarrer  Cornelius  Eselsberger. ])  Weniger  Wurzel  fassen  konnte 
die  Reformation  in  Offenburg.  Es  dürfte  sich  hier  in  der  Hauptsache  um 
ein  anfängliches  Schwanken  gehandelt  haben ; denn  auf  dem  entscheidenden 
Reichstag  in  Augsburg  (1530)  stellte  sich  die  Stadt  auf  die  Seite  des  Kaisers 
und  wehrte  auch  in  der  Folge  jeder  Neigung  zur  Neuerung,  die  etwa  von  außen 
her,  wie  von  Weingarten,  hätte  genährt  werden  können.  Dadurch,  daß  das 
Straßburger  Domkapitel  später  zu  einem  großen  Teil  hier  Unterkunft  fand,  hatte 
die  Sache  des  Katholizismus  eine  bedeutende  moralische  Stütze  erhalten. 

Den  Anlaß  zu  dieser  Übersiedelung  des  katholischen  Teils  des  Domkapitels 
bildete  der  langjährige  Kapitelstreit  zwischen  den  katholischen  und  protestantischen 
Kapitularen,  der  1 592  nach  dem  Tode  des  Bischofs  Johann  von  Manderscheid 
noch  dadurch  verschärfte  Form  erhielt,  daß  eine  konfessionell  bedingte  Doppel- 
wahl erfolgte.  Die  katholischen  Kapitulare  wählten  den  Kardinal  von  Lothringen, 
die  protestantischen  den  Markgrafen  Johann  Georg  von  Brandenburg,  der  aber 
nur  den  Titel  eines  Administrators  führte  und  dem  die  rechtsrheinische  Herr- 
schaft zufiel.  Die  Verwaltung  darüber  erhielt  der  Kanonikus  Ernst  von  Mans- 
feld als  Amtmann  in  Oberkirch,  dem  auch  Vierordt  bescheinigen  muß,2)  daß 
er  »die  Übermacht  zu  vielen  Gewaltschritten  benutzt  habe«.  Durch  Güte  wie 
durch  Gewalt  suchte  er  das  bisher  noch  wenig  von  der  Reformation  berührte 
Renchtal  zu  protestantisieren.  Wie  er  im  einzelnen  das  Kloster  Allerheiligen 
drangsalierte  durch  Einsetzung  eines  eigenen  Schaffners  und  durch  das  Verbot, 
neue  Novizen  aufzunehmen,  wird  noch  unten  zu  berichten  sein.  Schließlich  zählte 
der  Konvent  nur  noch  vier  Novizen,  und  der  nicht  gefügige  Propst  Jehle  starb 
im  Gewahr  der  Feste  Dachstein  unerklärlich  rasch.  Auch  sein  Nachfolger 
Schüßler,  den  der  Kaiser  von  Strahow  schickte,  sah  sich  zur  Resignation 
genötigt;  endlich  wurde  in  einem  Abkommen  vom  Jahre  1604  der  Administrator 
durch  das  Angebot  einer  bedeutenden  Geldsumme  zum  Verzicht  auf  die  Herrschaft 
Oberkirch  bestimmt.  (S.J 

❖ * 

Von  den  beiden  großen  Bewegungen,  die  am  Anfänge  des  16.  Jhs.  das 
ganze  Deutschland  erschütterten,  ist  die  Verbreitung  und  Geschichte  der  Lehre 
Luthers  in  dem  vorigen  Abschnitt  geschildert  worden.  Auch  der  große  Bauern- 
aufstand ist  soweit  berührt  worden,  als  er  die  Klöster  betraf;  ich  kann  mich 
daher  auf  einen  kurzen  Überblick  über  seinen  Verlauf  beschränken.3) 

x)  Vierordt  I,  S.  314 — 319. 

2)  Vierordt  II,  S.  75. 

3)  K.  Hart  fei  der,  Der  Bauernkrieg  in  der  Ortenau,  Zeitschr.  der  Gesellsch.  für  Beförderung 
der  Geschichts-,  Altertums-  und  Volkskunde  von  Freiburg,  Breisgau  etc.,  Bd.  V (1882),  S.  385  ff. 
Derselbe,  Die  Gesch.  d.  Bauernkrieges  in  Südwestdeutschland,  Stuttgart  1884.  Derselbe, 
Straßburg  im  Bauernkrieg  1525,  Forsch,  z.  deutsch.  Geschichte  XXIII,  S.  221—285.  Der  Bauern- 
krieg am  Oberrhein,  Mone,  Quellensamml.  II,  S.  17  f. 


EINLEITUNG. 


LXI 


Während  in  den  benachbarten  Gegenden  der  Bauernkrieg  schon  längst 
begonnen  hatte,  blieb  die  Ortenau  zunächst  noch  ruhig.  Im  Frühjahr  1525  aber 
regte  sich’s  auch  hier,  überall  hielt  man  Zusammenkünfte  ab  und  machte  seine 
Beschwerden  geltend,  wie  es  scheint,  zunächst  in  der  Renchener  Gegend.  Mark- 
graf Philipp  von  Baden  dachte  zunächst  an  bewaffnetes  Einschreiten,  doch  nahm 
er  bald  die  Ansicht  des  Rates  der  Stadt  Straßburg  an,  zu  versuchen,  die  Sache 
mit  Güte  zu  erledigen.  Der  gleichen  Ansicht  war  das  Domkapitel  von  Straßburg. 
Vorteilhaft  war  auch  das  gute  Verhältnis  der  drei  Reichsstädte  der  Ortenau  zu 
den  Bauern,  die  in  ihnen  immer  einen  Kämpfer  gegen  die  Bedrückungen  des 
Klosters  sahen.  Zunächst  schien  es,  als  ob  die  Gefahr  gänzlich  vorübergehen 
wollte,  Ende  April  1525  aber  kam  es  auch  hier  zu  gewalttätigen  Aufständen. 
In  Schwarzach  hatte  sich  ein  Haufen  gesammelt  und  machte  seinem  Groll  gegen 
das  dortige  Kloster  Luft  durch  Plünderung  und  Brandstiftung.  Ein  anderer 
Haufen  sammelte  sich  bei  Oberkirch.  Dieser  hatte  sich  Oberkirchs  bemächtigt, 
die  dortige  Kirche,  den  Hof  des  Klosters  Allerheiligen,  den  Hof  des  Klosters 
in  Lautenbach  und  endlich  das  Kloster  Allerheiligen  selbst  geplündert.  Mit 
beiden  Haufen  unterhandelten  die  Gesandten  der  Stadt  Straßburg  und  des  Mark- 
grafen, sie  fanden  nur  bei  dem  Oberkircher  einigermaßen  Gehör.  Es  kam  denn 
auch  zu  einer  Art  Waffenstillstand;  die  Bauern  sollten  einen  Ausschuß  wählen, 
der  auf  einem  Tag  zu  Renchen  mit  den  Gesandten  des  Markgrafen  und  der 
Stadt  einen  endgültigen  Vertrag  schließen  sollte.  Es  scheint  doch  auch  auf  der 
anderen  Seite  das  Gefühl  dafür  vorhanden  gewesen  zu  sein,  daß  die  Bedrückungen 
der  Bauern  durch  Adel  und  Klöster  in  der  Tat  auf  ein  unerträgliches  Maß 
gestiegen  waren.  Die  Zusammenkunft  fand  am  22.  Mai  statt;  es  war  außer  den 
Bauern  bei  ihr  vertreten  der  Markgraf  und  die  Stadt  Straßburg,  deren  Räte  den 
Vorsitz  führten,  der  Bischof  von  Straßburg,  die  Grafen  von  Zweibrücken-Bitsch, 
Hanau,  Lichtenberg,  Fürstenberg,  letzterer  als  Landvogt  der  Ortenau,  und  mit 
zwei  Gesandten  die  Ortenauer  Ritterschaft.  Man  einigte  sich  über  zwölf  Artikel, 
über  die  Besetzung  der  Pfarrstellen,  den  Zehnten,  die  Freizügigkeit,  die  Steuern, 
das  Jagdrecht,  die  Forstrechte,  die  Frondienste,  alle  Strafen  und  Abgaben. 
Den  Klöstern  wurde  es  dabei  überlassen,  sich  selbst  mit  den  Bauern  auseinander- 
zusetzen, was  sie  auch  nacheinander  taten. 

Heftiger  war  der  Aufstand  in  der  südlichen  Ortenau.  Hier  richtete  sich 
die  volle  Wut  der  Bauern  gegen  die  Klöster  Schuttern  und  Ettenheimmünster, 
die  sich  um  Hilfe  an  Gangolf  von  Geroldseck  wandten,  allerdings  ohne  großen 
Erfolg.  Die  Bauern  plünderten  die  Klöster,  die  Empörung  wurde  immer  all- 
gemeiner, bis  auch  hier  der  Markgraf,  der  durch  die  Herrschaft  Lahr-Mahlberg 
in  Mitleidenschaft  gezogen  war,  und  die  Stadt  Straßburg,  deren  Besitz  in  Etten- 
heim  bedroht  war,  eingriffen.  Die  Äbte  der  beiden  ausgeraubten  Klöster  waren 
nach  Freiburg  geflüchtet.  In  Offenburg  kam  endlich  im  Juni  ein  Vertrag  zu 
stände,  ungünstiger  für  die  Bauern  als  der  Renchener,  der  aber  doch  den 
Frieden  brachte. 


LXII 


EINLEITUNG. 


Die  innere  Geschichte  der  Gegend  in  den  folgenden  Jahrhunderten  bringt 
wenig  Bemerkenswertes.  1551  war  die  fürstenbergische  Hälfte  der  Pfandschaft 
der  Ortenau,  1556  auch  die  bischöfliche  von  Österreich  eingelöst  worden,  und 
österreichische  Landvögte  saßen  nun  auf  Ortenberg.  Wie  früher  die  Pfand- 
herren, so  versuchten  jetzt  auch  sie  die  Selbständigkeit  der  Reichsstädte  zu 
vermindern,  und  bis  zum  Ausgang  des  Römischen  Reiches  dauerten  deshalb  die 
Streitigkeiten  fort.  Die  Städte  wehrten  sich  mit  Erfolg,  doch  zeigt  sich  schließ- 
lich eine  gewisse  Müdigkeit;  insbesondere  schien  es  bequemer,  bei  der  Langsam- 
keit der  Reichskammergerichtsentscheidungen  das  Gericht  des  Landvogtes  an- 
zurufen. Im  Stadtregiment  selber  bildete  sich,  wie  das  bei  so  abgeschlossenen 
Gemeinwesen  nicht  anders  möglich  war,  eine  üble  Vetterles-  und  Cliquen- 
wirtschaft heraus,  gegen  welche  die  übrigen  Bürger  verschiedentlich  reagierten, 
so  daß  es  zu  Kompromissen  kam,  die  aber  keine  wirkliche  Abhilfe  brachten. 

Die  Besitzverhältnisse  erfuhren  keine  wesentliche  Veränderung,  nur 
daß  in  verschiedenen  Territorien  ein  Wechsel  der  Dynastien  stattfand.  In  der 
Herrschaft  Hanau-Lichtenberg  starb  mit  Johann  Reinhard  III.  der  Mannes- 
stamm der  Grafen  aus  und  die  Herrschaft  kam  an  den  Gemahl  seiner  Tochter, 
an  Ludwig  VIII.,  den  Landgrafen  von  Hessen-Darmstadt,  und  seine  Nachkommen. 
1634  starb  der  letzte  Herr  von  Hohengeroldseck,  nachdem  er  vergeblich  seiner 
Tochter  Anna  Maria  die  Erbfolge  zu  sichern  versucht  hatte.  Nach  seinem  Tode 
überließ  Österreich  die  Lehen  den  ihm  treu  ergebenen  katholischen  Grafen  von 
Cronberg  und  ließ  diese  durch  den  General  Gallas  auch  in  den  Besitz  der 
Allode  setzen.  Anna  Maria,  deren  erster  Gemahl,  ein  Graf  zu  Solms-Rockel- 
heim, 1640  starb,  reichte  1644  dem  Markgrafen  P'riedrich  II.  von  Baden-Durlach 
die  Hand,  der  denn  auch  nicht  versäumte,  die  Ansprüche  auf  ihr  Erbe  zu 
erheben,  und  so  entspann  sich  ein  hundertjähriger  Prozeß.  Nach  dem  Aussterben 
der  Cronbergs  1692  ergriff  der  Markgraf  mit  Gewalt  den  tatsächlichen  Besitz 
der  Lande,  in  die  aber  Österreich  1697  mit  300  Mann  den  Freiherrn  Karl 
Kaspar  von  der  Leyen  als  Herrn  der  Grafschaft  einführte.  Schon  1636  hatte 
es  diesem  treuen  und  gut  katholischen  Geschlechte  die  Anwartschaft  darauf 
gegeben.  Die  von  der  Leyen  blieben  nun  über  100  Jahre  lang  im  Besitz  der 
Herrschaft,  die  am  Ende  noch  von  Napoleon  zum  Fürstentum  erhoben  wurde. 

Die  fürstenbergischen  Lande  wurden  nach  dem  Tode  jenes  Grafen 
Friedrich,  der  auf  seinen  Bruder,  den  wilden  Grafen,  gefolgt  war,  einer  neuen 
Teilung  unterworfen,  sein  Sohn  Christoph  I.  erhielt  die  Kinzigtäler  Herrschaft, 
ihm  folgte  Christoph  II.  Wieder  spaltete  sich  das  Haus  in  zwei  Linien,  die 
Meßkircher  und  die  Stühlinger,  von  denen  die  letztere  das  Kinzigtal  übernahm. 
In  ihr  zeichnet  sich  Maximilian  Franz  als  Bauherr  des  Schloßumbaues  in 
Wolfach  aus. 

Die  Herrschaft  Lahr  kam  von  dem  Hause  Nassau-Saarbrücken  an 
Nassau-Weilburg  und  endlich  Nassau-Usingen  1799,  nicht  ohne  dazwischen  einmal 


EINLEITUNG. 


Lxm 


verpfändet  gewesen  zu  sein,  nämlich  1654  bis  1727  an  die  Markgrafen  von 
Baden-Durlach.  So  hatten  also  zeitweise  beide  badische  Häuser  hier  Posten 
gefaßt  — Mahlberg  war  baden-badisch  — , und  es  mochte  das  um  so  aussichts- 
reicher erscheinen , als  Baden-Durlach  zugleich  die  obenerwähnten  Ansprüche 
auf  das  Geroldsecker  Erbe  machte.  Allerdings  ohne  Erfolg,  auch  die  verpfändete 
Herrschaft  Lahr  mußte  zurückgegeben  werden.  1771  aber  kam  mit  der  Ver- 
einigung der  badischen  Lande  unter  Karl  Friedrich  auch  Mahlberg  unter  dessen 
Scepter. 

Auch  die  Landvogtei  der  Ortenau  war  eine  Zeitlang  badisch  geworden. 
Denn  als  in  den  Kriegen  Ludwigs  XIV.  die  militärische  Wichtigkeit  der  Gegend 
sich  herausstellte,  da  erteilte  man  die  Landvogtei  als  Mannlehen  einem  der 
größten  Kriegshelden  der  Zeit,  dem  Markgrafen  Ludwig  Wilhelm,  und  das 
baden-badische  Haus  blieb  bis  zu  seinem  Erlöschen  1771  im  Besitz  derselben. 

Das  Harmersbach  er  Tal  erringt  in  dieser  Zeit  seine  vollkommene 
Selbständigkeit.  Noch  einmal  versuchte  der  Bischof  von  Straßburg,  damals 
Franz  Egon  von  Fürstenberg,  es  in  seine  Hand  zu  bekommen,  doch  erkannten 
die  Reichsbehörden  seine  Ansprüche  nicht  an.  Auch  das  Verhältnis  zur  Stadt 
Zell  wurde  endgültig  entschieden  i.  J.  1718  zugunsten  der  Bauern,  die  sich  da- 
gegen wehrten,  ein  Teil  des  zellischen  Gemeinwesens  zu  sein.  Sie  erreichten 
ihr  Ziel,  und  die  stolze  kleine  Bauernrepublik  blieb  selbständig  bis  zum  Über- 
gang an  Baden. 

Dies  die  besonderen  Schicksale  der  einzelnen  Landesteile.  Ein  gemein- 
sames schweres  Geschick  aber  hatten  sie  im  17.  Jh.  zu  erleiden:  die  furcht- 
baren Zeiten  des  Dreißigjährigen  Krieges  und  der  Raubkriege 
Ludwigs  XIV.  In  beiden  Fällen  war  die  Ortenau  Jahre  hindurch  der  Kriegs- 
schauplatz, immer  aber,  so  noch  in  den  Kriegen  der  französischen  Revolution 
und  Napoleons,  das  naturgemäße  Durchzugsland  der  Heerscharen. 

Im  Dreißigjährigen  Krieg  waren  es  die  Kämpfe  der  Schweden  unter  Horn, 
Bernhard  von  Weimar  und  der  mit  letzterem  verbündeten  Franzosen,  die  sich 
auf  unserem  Boden  abspielten.  Insbesondere  die  Kinzigtalstädte  waren  den 
Plünderungen  und  Zerstörungen  der  Soldateska  ausgesetzt.  Offenburg  erfuhr 
verschiedene  Besetzungen  und  Plünderungen  1632,  1635,  in  den  gleichen  Jahren 
Haslach,  Staufenberg,  Wolfach,  Oberkirch;  am  schlimmsten  aber  hauste  die 
Armee  Bernhard  von  Weimars,  die  i.  J.  1643  Gengenbach,  Haslach  und  Hausach 
einäscherte.  Der  frühere  Wohlstand  der  Gegend  war  vernichtet,  Offenburg 
z.  B.  konnte  kaum  mehr  die  Zinsen  seiner  Schulden  aufbringen.  Und  kaum  fing 
man  an,  sich  ein  wenig  zu  erholen,  da  brachen  die  Scharen  Ludwigs  XIV.  herein. 
Schon  in  dem  sogen.  Holländischen  Devolutionskrieg  überzogen  französische 
Truppen  das  Land  und  belagerten  1678  Offenburg.  1677  ließ  der  Marschall 
Crequi  Lahr  in  Flammen  aufgehen.  Das  Schlimmste  aber  brachte  der  Pfälzische 
Erbfolgekrieg  1688  bis  1697.  Gleich  im  Anfang  desselben  begann  die  syste- 


LXIV 


EINLEITUNG. 


matische  Verwüstung  unserer  Gegend,  1689  wurde  Ottenburg  vollständig  ver- 
brannt, Gengenbach  eingeäschert,  die  Hohengeroldseck  erobert  und  zerstört, 
um  nur  von  den  größeren  Orten  zu  reden.  Fast  alle  Dörfer  der  Rheinebene 
gingen  in  Flammen  auf.  Bei  der  Beurteilung  des  Denkmälerbestandes  der 
Gegend  ist  die  gründliche  mehrmalige  Zerstörung  immer  im  Auge  zu  behalten. 
— Der  Spanische  Erbfolgekrieg  brachte  noch  ein  kleines  Nachspiel;  als  Marschall 
Villars  durch  das  Kinzigtal  nach  der  Donau  vordrang,  1704,  wurden  Hausach 
und  Haslach  eingeäschert.  Neues  Unheil  brachte  dann  der  Polnische  Erbfolge- 
krieg, in  welchem  die  Franzosen  von  neuem  in  der  Ortenau  übel  hausten  und 
eine  Reihe  kleinerer  Orte  verbrannten.  Erst  von  der  Mitte  des  Jahrhunderts 
an  erfreute  sich  die  Gegend  dauernden  Friedens.  Aber  es  dauerte  begreiflicher- 
weise lange,  bis  sie  sich  von  den  fürchterlichen  Heimsuchungen  erholte,  noch 
am  Ende  des  18.  Jhs.  standen  z.  B.  in  Offenburg  neben  neuen  Häusern  brand- 
geschwärzte Ruinen. 

Die  Kriege  um  die  Wende  des  18.  Jhs.  verschonten  im  allgemeinen  die 
Ortenau,  obgleich  einer  der  wichtigsten  Akte  der  Napoleonischen  Geschichte 
sich  auf  ihrem  Boden  abspielte:  die  Gefangennahme  des  Herzogs  von  Enghien 
in  Ettenheim.  Kurz  nachher  begann  die  Ausbildung  des  heutigen  Großherzog- 
tums Baden,  an  das  im  Verlauf  der  nächsten  Jahre  auch  unsere  Lande  kamen: 
1803  die  Herrschaft  Lahr,  die  bischöfliche  Herrschaft  Oberkirch,  die  Grafschaft 
Hanau-Lichtenberg,  die  drei  Reichsstädte,  1805  die  Landvogtei  Ortenau,  1806  das 
Gebiet  der  Reichsritterschaft,  die  fürstenbergische  Herrschaft  im  Kinzigtal,  zu- 
letzt 1819  die  Herrschaft  Hohengeroldseck.  (Wth.) 

❖ ❖ 

Mit  der  Schilderung  der  Reformationsbewegung  ist  im  allgemeinen  für  das 
uns  berührende  Gebiet  das  kirchengeschichtliche  Leben  erschöpft.  Die  großen 
Richtlinien  wurden  durch  sie  für  die  nächsten  Jahrhunderte  festgelegt.  Hatte 
schon  sie  eine  vielfache  Lockerung  oder  gänzliche  Auslöschung  der  religiösen  und 
moralischen  Verhältnisse  herbeigeführt,  so  vollendete  der  Dreißigjährige  Krieg  noch 
diesen  Niedergang,  namentlich  auch  nach  der  materiellen  Seite.  Daß  auch  der 
Ernst  der  Lage,  der  die  religiöse  Spaltung  geschaffen,  so  wenig  wie  die  positiven, 
durchs  Tridentinum  wiederum  aufgefrischten  kirchlichen  Bestimmungen,  eine 
Schärfung  des  Pflichtbewußtseins  herbeizuführen  nicht  im  stände  war,  ersieht 
man  nicht  nur  aus  den  Zuständen  im  Kloster  Gengenbach  und  Wittichen,  sondern 
auch  aus  mancherlei  durch  Visitationsprotokolle  und  sonstwie  bekannt  gewordenen 
Vorkommnissen  aus  dem  Leben  der  Geistlichen.1)  Auf  dem  Hintergrund  des 
unsagbaren,  gerade  in  Mittelbaden  besonders  großen  Elends  des  17.  Jhs.,  das 
eine  ergreifende  Schilderung  in  Grimmelshausens  »Simplizissimus«  erhalten 
hat,  sowie  der  allgemeinen  sittlichen  Verwilderung  hoben  sich  die  traurigen 


B Vgl.  FDA.  NF.  III,  S.  307,  322. 


EINLEITUNG. 


LXV 


Hexenprozesse  ab,  die  besonders  in  Offenburg  manche  Opfer  forderten,  ’)  aber  auch 
in  Appenweier,  Rammersweier,  Ebersweier,  Zell,  Fessenbach,  Lahr,  Ortenberg, 
Oppenau  und  Haslach.* 2)  An  letzterem  Orte  wurden  die  Erträgnisse  aus  den 
Konfiskationen  des  Vermögens  von  Hexen  teilweise  zur  Gründung  des  Kapuziner- 
klosters verwendet.  Der  Zustand  der  Kirchen  ist  im  allgemeinen  infolge  der 
ständigen  brutalen  Kriege  ein  überaus  bejammernswerter.  Wo  die  Gotteshäuser 
nicht  ganz  niedergebrannt  waren,  da  wurden  sie  doch  beraubt  oder  befanden 
sich  sonstwie  in  trostlosem  Zustand,  so  daß  es  oft  an  den  notwendigsten  Gegen- 
ständen fehlte.  Für  die  Innenausstattung  und  namentlich  die  Aufstellung  der 
Altäre  ist  besonders  bedeutsam  die  Einführung  von  mancherlei  Andachten  und 
Bruderschaften  (Herz  Jesu- Andacht,  Rosenkranzbruderschaft,  Ewige  Anbetung, 
Josephsbruderschaft  u.  a.  m.);  die  würdige  Instandsetzung  der  Kirchen  wurde 
durch  häufige  Visitationen  wie  auch  Synoden  ebenso  gefördert  wie  das  religiös- 
sittliche Leben  von  Klerus  und  Volk.  Nicht  weniger  erfolgreich  für  die  Hebung 
des  religiösen  und  sittlichen  Empfindens  im  Volk  erwiesen  sich  auch  die  Wirk- 
samkeit der  Franziskaner  und  Kapuziner  sowie  die  Missionen  der  Jesuiten,  zu 
deren  Niederlassung  in  Molsheim  die  Stadt  Offenburg  seinerzeit  1000  fl.  bei- 
gesteuert. Zur  Errichtung  eines  Priesterseminars  in  Straßburg  sollten  schon  1669 
und  wieder  1682  auch  die  diesrheinischen  Kapitel  herangezogen  werden,  wo- 
gegen diese  aber  1688  geschlossen  Stellung  nahmen.  Daraus  hat  sich  1696 
die  Verbrüderung  der  drei  Kapitel  ergeben.  Erst  100  Jahre  später  (1770),  ist 
der  Plan  zur  Verwirklichung  gelangt,  ohne  daß  der  diesrheinische  Teil  der 
Diözese,  mit  Ausnahme  des  baden-badischen,  der  Verpflichtung  zu  einem  Bei- 
trag sich  entziehen  konnte.3) 

Die  französische  Revolution  brachte  auch  über  die  Ortenau  in  ihrem 
Gefolge  eine  ganze  Anzahl  von  wichtigen  Veränderungen.  Wenn  auch  nicht 
direkt  von  den  Exzessen  der  Revolutionäre  berührt,  so  litt  dieser  Strich  doch 
unter  der  Nähe  von  Straßburg  und  vor  allem  unter  den  zahlreichen  Kriegs- 
zügen. Der  Straßburger  Bischof,  Kardinal  von  Rohan,  begab  sich  1790,  als  der 
Konstitutionseid  von  den  Bischöfen  verlangt  wurde,  nach  Ettenheimmünster  und 
bald  hernach  dauernd  nach  Ettenheim ; das  Domkapitel  ließ  er  zuerst  nach 
Offenburg  und  dann  gleichfalls  nach  Ettenheim  kommen.  In  ihrem  Gefolge 
brachte  die  Revolution  die  durch  sie  veranlaßte  Neugestaltung  der  politischen 
Verhältnisse  in  Deutschland  und  die  Säkularisation  der  geistlichen  Stifte.  So 
wurde  das  Kloster  Mahlberg  1804  aufgehoben  und  das  Gebäude  in  eine  Schule 
verwandelt;  Schuttern  Dezember  1805,  faktisch  1806;  das  Kapuzinerkloster  in 
Seelbach,  dessen  Insassen  zunächst  noch  in  der  Seelsorge  verwendet  wurden, 

*)  Volk,  Hexen  in  der  Ortenau  und  in  Offenburg,  Lahr  1882. 

“)  Vgl.  die  Zusammenstellung  der  in  den  Jahren  1557  bis  1630  in  der  Ortenau  Justificierten 
bei  Volk  a.  a.  O.  S.  23  ff. 

3)  Vgl.  die  einzelnen  Beiträge  bei  Weiß,  Gesch.  des  Dekanates  und  der  Dekane  des  Rural- 
und  Landkapitels  Offenburg  (Offenburg  1895),  H.  4,  S.  205. 


Band  VII. 


V 


LXVI 


EINLEITUNG. 


1814;  Haslach  1802  bezw.  1823;  Gengenbach  1808,  im  gleichen  Jahre  auch 
das  Franziskanerkloster  in  Offenburg,  das  Oppenauer  schon  1807,  Allerheiligen 
1803.  Aus  dem  Chaos  der  durch  die  Säkularisation  geschaffenen  kirchlichen 
Verhältnisse  erhob  sich  das  Erzbistum  Freiburg  (1827),  dem  die  drei  bisher 
zu  Straßburg  gehörenden  Kapitel  Ottersweier,  Lahr  und  Ofifenburg  einverleibt 
wurden.  fS.J 

Wir  haben  die  Betrachtung  der  Kunstentwickelung  in  unseren  Landen 
da  verlassen,  wo  die  ersten  Anzeichen  eines  neuen  Stils  in  der  Skulptur  und 
Malerei  anfangen,  sich  leise  bemerkbar  zu  machen.  Vom  Schwabenlande  her 
dringt  die  Renaissance  ein.  Ein  typisches  Beispiel  der  Mischung  von  geradezu 
weich  geworden  gotischen  Formen  mit  den  neuen  Formen,  dem  Akanthuskapitell 
u.  a.  bietet  der  Rest  eines  Portals,  der  auf  der  Rückseite  des  Ölbergs  in  Ofifen- 
burg eingemauert  ist.  Die  Pfarrkirche  in  Offenburg  bewahrt  dann  ein  Gold- 
schmiedewerk mit  ähnlicher  Mischung  der  Formen,  das  bekannte  Vortrags- 
kreuz, auf  dessen  Rückseite  vollsaftige  Renaissanceputten  und  die  Madonna 
mit  dem  Kind  nach  einem  Dürerschen  Stich  eingraviert  sind.  Das  Kreuz  trägt 
das  Ofifenburger  Beschauzeichen;  wenn  wir  solche  Werke  sonst  gern  Straßburger 
oder  Freiburger  Künstlern  zuschreiben,  haben  wir  hier  also  ein  zweifellos  ein- 
heimisches vor  uns,  und  zusammen  mit  einer  Notiz  von  1518,  wonach  ein 
Ofifenburger  Augustin  Stoos  nach  Sölden  und  S.  Ulrich  Monstranzen  etc.  lieferte,  ’) 
spricht  das  doch  für  eine  gewisse  Höhe  des  Goldschmiedehandwerkes  in  der 
auch  geistig  damals  sehr  angeregten  Stadt. 

Doch  war  es  wieder  ein  Schwabe,  der  das  erste  Denkmal  reiner  Früh- 
renaissance in  der  Ortenau  schuf:  Christoph  von  Urach,  der  in  Urach  selbst, 
in  der  Stiftskirche  zu  Baden  und  in  Wertheim  arbeitete  und  hier  das  Grabmal 
des  Jörg  von  Bach  schuf,  ein  typisches  Frührenaissancewerk  in  dem  Mangel 
jedes  strengen  architektonischen  Aufbaues  und  der  Frische  der  Behandlung. 
Die  Umarbeitung,  die  der  italienische  Formenschatz  später  in  Deutschland  erfuhr, 
besonders  durch  die  sogen.  Kleinmeister,  die  Ornamentstecher  Augsburgs  und 
Nürnbergs  — diese  Umarbeitung  ins  Nationale  spiegeln  wider  die  übrigen 
Grabmäler  an  der  Offenburger  Kirche.  Geradezu  eine  Musterkarte  der 
ganzen  Formenentwickelung  bieten  die  Grabmäler  an  der  Mauer  des  alten 
Lahrer  Friedhofes,  die  in  ununterbrochener  Reihe  vom  15.  bis  zum  18.  Jh. 
führen. 

Das  Jahrhundert  vor  dem  großen  Kriege  war  wie  in  ganz  Deutschland  so 
auch  hier  die  Zeit  des  größten  Wohlstandes,  und  das  dokumentiert  sich  denn 
auch  in  zahlreichen  Neubauten,  insbesondere  von  Rathäusern.  Im  Anfänge  des 
17.  Jhs.  baute  der  Meister  Wendling  Götz  das  Offenburger,  von  dem  nichts 
mehr  erhalten  ist.  Etwa  zu  gleicher  Zeit  entstand  das  Lahrer,  trotz  seines 

1)  Kunstdenkmäler  des  Großh.  Baden  VI,  1.  Abteil.,  S.  533- 


EINLEITUNG. 


LXVIi 


Umbaues  durch  die  malerische  Altane  mit  dem  säulengetragenen  Dach,  die 
spitz  herausspringenden  Fenstererker  noch  heute  ein  wirksamer  Bau.  Schlichter 
das  Rathaus  in  Schiltach,  das  indes  von  keinem  Geringeren  als  Meister  Beer, 
dem  Erbauer  des  berühmten  Lusthauses  in  Stuttgart,  herrühren  soll.1)  Auch 
von  Privathäusern  sind  einige  Beispiele  erhalten,  so  u.  a.  in  der  Einhornapotheke 
in  Offenburg  und  in  dem  Haus  mit  dem  prachtvollen  Erker  in  Wolfach.  Auch 
noch  in  der  Zeit  nach  dem  großen  Kriege  blieb  die  Bauweise  herrschend,  davon 
zeuyt  der  Umbau  des  Schlosses  in  Wolfach  und  das  Portal  der  Gewerbehalle 
in  Gengenbach. 

Von  der  reichen  Innenausstattung  all  dieser  Gebäude  ist  natürlich  durch 
die  großen  Kriegsbrände  wenig  genug  auf  uns  gekommen,  so  u.  a.  die  Stücke 
eines  figurenreichen  gußeisernen  Ofens  aus  dem  abgebrannten  Wolfacher  Rathaus. 
Besser  haben  sich  die  gemalten  Scheiben  erhalten,  mit  denen  man  die 
Fenster  der  Häuser,  insbesondere  der  Rathäuser,  ausschmückte.  Meistens  setzen 
sich  die  Zwölfer  in  ihnen  ein  Denkmal.  Solcher  nach  ihrem  Hauptfabrikationsort 
so  genannter  Schweizerscheiben  besitzt  unsere  Gegend  noch  eine  stattliche  An- 
zahl auf  Schloß  Staufenberg,  in  Oppenau  und  Zell. 

Neben  dem  Steinbau,  für  den  der  so  reichlich  vorhandene  rote  Sandstein 
durchaus  bevorzugt  wird,  bildet  sich  in  unserer  Gegend  ein  reizvoller  Fach- 
werkbau  aus,  nicht  so  reich  wie  etwa  in  Niedersachsen  und  Franken,  aber 
gerade  in  seiner  größeren  Einfachheit  gute  Muster  bietend.  'In  Offenburg  sind 
leider  die  zwei  besten  Beispiele  neuerdings  zerstört  worden,  ebenso  das  Pfaffsche 
Haus  in  Gengenbach,  doch  bietet  letztere  Stadt  noch  genug.  Ein  malerisches 
Bild  durchgehenden  Fachwerkbaues  würde,  wenn  von  dem  Verputz  befreit,  die 
Stadt  Schiltach  bieten.  Daneben  sei  auf  das  Gasthaus  Zum  Adler«  in  Steinach 
hingewiesen. 

Das  Bauernhaus  der  Gegend  zerfällt  in  zwei  Typen,  das  der  Rhein  - 
ebene,  ein  Riegelbau  mit  gesonderten  Wirtschafts-  und  Wohngebäuden,  in 
reicherer  Ausbildung  im  Hanauer  Land  erhalten,  und  dann  das  sogen.  Schwarz- 
wald haus,  von  dem  vor  allem  Gutach,  Einbach  und  Kirnbach  Beispiele  geben. 
Ja,  an  letzterem  Ort  steht  noch  eines  der  ältesten,  von  1581,  auch  in  der 
Täfelung  der  Wohnstube  interessant. 

Gegen  Ende  des  17.  Jhs.,  als  neues  Leben  aus  den  Ruinen  zu  blühen 
beginnt,  da  dringt  die  letzte  machtvolle  Ausgestaltung  der  italienischen  Spät- 
renaissance, das  italienische  Barock,  ein.  Aber  nicht  von  Schwaben  her; 
seine  T räger  sind  die  Meister  der  Vorarlberger  Bauschule  aus  dem 
Bregenzer  Wald.  Als  Gengenbach  den  Wiederaufbau  des  Klosters  in  Angriff 
nimmt,  da  beruft  es  die  Meister  Franz  Beer,  einen  der  bedeutendsten,  Jakob 
Rischer  u.  a.  dorther.  Ihr  Ruhm  dringt  auch  nach  Offenburg,  der  Wiederaufbau 
der  dortigen  Pfarrkirche  und  der  Franziskanerkirche  wird  ihnen  anvertraut,  und 

1)  Die  Kunstdenkmale  des  Königreichs  Württemberg  I,  S.  563. 

V* 


LXVIII 


EINLEITUNG. 


sie  leisten  Glänzendes  in  dem  originellen  Grundriß  sowie  in  den  flott  aufgebauten 
Türmen,  die  in  der  Gegend  weithin  Nachahmung  finden.  Ist  doch  das  Barock 
überhaupt  die  Kunst  des  Turmbaues,  insbesondere  für  kleinere  Kirchen;  keine 
Epoche  hat  es  wohl  so  verstanden,  darin  jedesmal  Neues  und  Gutes  zu  liefern. 

Die  Vorarlberger  scheinen  nach  den  ersten  Jahrzehnten  des  18.  Jhs.  aus 
der  Gegend  verschwunden  zu  sein,  mag  auch  noch  in  der  zweiten  Hälfte  ein 
wohl  vereinzelt  zurückgebliebener  Maurermeister  aus  dem  Bregenzer  Wald  dem 
Rat  von  Offenburg  seine  Dienste  angeboten  haben.  Dagegen  setzt  wieder,  wie 
im  13.  Jh.,  der  mächtige  Einfluß  Frankreichs  ein,  vermittelt  durch  das  jetzt 
französische  Straßburg,  in  dem  die  aus  königlichem  Geblüt  stammenden  Rohans 
residierten.  Ich  glaube  in  der  stattlichen  Kirche  des  Klosters  Schütter n 
eine  Verwandtschaft  mit  Rohanschen  Bauten  vermuten  zu  dürfen.  Von  Schuttern 
stammt  auch  eines  der  glänzendsten  Skulpturwerke  des  deutschen  Rokoko, 
wie  man  wohl  sagen  darf,  die  holzgeschnitzte  Pieta,  jetzt  in  den  Altertums- 
sammlungen  zu  Karlsruhe.  Der  äußerst  bewegte  Sockel  kündet  die  Zeit  des 
Rocaille  an,  der  uns  dann  überall  in  den  Stuckverzierungen  der  Klöster  — 
z.  B.  Gengenbach  — und  der  Kirchen  — z.  B.  Appenweier  — entgegentritt.  Auch 
jetzt  entstehen  wieder  eine  Reihe  sehr  geschmackvoller  Landkirchen,  wie  Hof- 
weier, Niederschopfheim,  Schenkenzell  und  andere,  auf  die  ich  hier  nicht  näher 
eingehen  kann. 

Die  Ausstattung  ist  die  bekannte,  immer  wirkungsvolle.  Ein  Stück 
hors  ligne  war  das  Gestühl  des  Klosters  Gengenbach,  in  Verbindung  mit  Orgel 
und  Altar  ein  großes,  glänzendes  Ganze.  An  großen  Altären  in  dem  üblichen 
Pilaster-  und  Säulenaufbau  sei  auf  die  in  den  Ofifenburger  Kirchen  und  in 
Schwarzach  hingewiesen. 

Auch  der  Profanbau  blühte  von  neuem,  seine  wichtigsten  Denkmäler  das 
Amtshaus  und  das  Rathaus  in  Ofifenburg.  Ersteres,  in  den  ersten  Zeiten  der 
badischen  Landvogtei  von  dem  markgräflichen  Baumeister  Rohrer  erbaut,  ist 
wie  das  Schloß  in  Rastatt  und  die  Favorite  ein  Beispiel  eines  eigentümlich  aus- 
gebildeten späten  Louis  XlV.-Stils.  Letzteres,  von  dem  Offenburger  Mathias 
Fuchs  errichtet,  bietet  eine  treffliche,  rhythmisch  gegliederte  Fassade. 

Im  Hausbau  macht  sich  dann  zuerst  der  beginnende  Zopfstil,  eine 
strengere  klassizierende  Richtung  geltend,  so  in  dem  Stößerschen  Haus  in  Lahr. 
In  zwei  kleinen  Gartenanlagen,  dem  Löwenbergschen  Pavillon  in  Gengenbach 
und  den  Balustradefiguren  des  Vincentiusgartens  in  Ofifenburg,  hat  endlich  die 
scheidende  Kunst  des  18.  Jhs.  ein  letztes,  bescheidenes,  aber  treffliches  Zeugnis 
ihres  Könnens  gegeben. 

Mit  dem  Übergänge  an  Baden  beginnt  die  Einwirkung  der  mächtigsten 
künstlerischen  Persönlichkeit  des  neuen  Großherzogtums,  Weinbrenners,  also 
des  Vertreters  des  reinen  Klassizismus  bei  uns,  den  man  wohl  als  einen  letzten 
Ausläufer  der  Renaissance  bezeichnen  darf.  Er  hat  damals  für  die  Stadt  Lahr 


EINLEITUNG. 


LXIX 


den  Plan  einer  durchgreifenden  baulichen  Umgestaltung  entworfen,  der  aller- 
dings erfreulicherweise  für  das  alte  Bild  nicht  zur  Ausführung  kam.  Dagegen 
sind  unter  seinem  Einfluß  in  Lahr  eine  stattliche  Menge  größerer  und  kleinerer 
Hausanlagen  entstanden,  im  sogen.  Biedermeierstil,  auf  die  gerade  heute  die 
Blicke  zu  lenken  zeitgemäß  ist. 

Trotz  aller  Zerstörungen  ist  so  noch  eine  erkleckliche  Menge  an  Kunstgut 
in  der  Ortenau  vorhanden  — und  wie  vieles  habe  ich  hier  nicht  erwähnen 
können.  Möge  es  durch  weise  Sorgfalt  ihr  fernerhin  erhalten  bleiben.  (Wth.J 


LXX 


I.  Lichtenau.  S’  oppidi  • in  liehtenowe.  An  Urkunden  von  1407  bis  165g.  Stempel  wahr- 
scheinlich älter.  — 2.  Lahr.  •{*  S’  • : Civivm  • '•  • de  • : • lare  • • An  Urkunden  von  1305  bis  1472. 
Stempel  wahrscheinlich  älter.  — 3.  Gengenbach.  *j*  ’ S’  vniversitatis : civiv  • in  • gengibach  ■ An 
Urkunden  von  1291  bis  1 5 1 1 . — 4.  Oberkirch.  *p  S’  • civitatis  • de  obernkirchen  An  Urkunden 
von  1338  bis  1638.  — 5.  Oppenau.  S’  • civitatis  • in  nopenowe.  An  Urkunden  von  1425  bis  1454- 


LXXI 


i.  Zell  am  Harmersbach.  •j*S>  • civitatis  • d ■ celle  ■ i • kizichtal.  An  Urkunden  von  1351  bis 
H77-  — 2.  Offenburg.  *1*  Sigillvm  ■ civitatis  • de  ■ offenbvrg.  An  Urkunden  von  1284  bis  1595. 
Der  Stempel  wahrscheinlich  älter.  3.  Haslach.  [•}*  Sig]illv  civi[v]m  [in  haselach].  Der  Stempel 
offenbar  aus  dem  13.  Jh.  — 4.  Hausach.  -J-  ■ S • civitatis  : hvsen  : An  Urkunden  von  1453  b's 

1475.  Der  Stempel  zweifellos  älter.  — 5.  Schiltach.  S ■ opidi  • schilttach.  An  Urkunden  von 
1497  bis  1507. 


LXXII 


I.  Wolfach.  • Sigillvm  civitatis  • d’-  wolfa.  An  Urkunden  von  1370  bis  1543.  — 2.  Porträt- 
siegel der  Gräfin  Udelhild,  geborene  von  Wolfach,  Gemahlin  des  Grafen  Friedrich  I.  von  Fürsien- 
berg.  — 3.  Mühlenbach.  Sig : vogt  vnd  gericht  • stab  in  mvhlenbach.  — 4.  Schnellingen- 
Bollenbach.  "i*  Vogt  • v • gricht  • z • schnelingen  • vnd  • Bollenbach  • sig.  — 5.  Steinach.  Sigillvm 
des  fleckens  Steinach.  1680. 


T, XXIII 


I.  Wappen  auf  dein  ältesten  Siegel  von  Rheinbischofsheim,  früher  Bischofsheim  zum  hohen 
Steg.  — 2.  Wappen  auf  späterem  Siegel  desselben  Ortes.  — 3.  Siegelbild  auf  dem  ältesten  Siegel 
von  Willstett  (Willstatt).  Umschrift  unleserlich.  — 4.  Willstett.  Späteres  Siegel:  •}•  Sigillvm  • 
des  • gerichts  • in  • willsetden  • 1...  — 5.  Neufreistett.  Nach  beschädigtem  Oblatensiegel  in 
Akten  1805.  [*j*  ■ sigillvm  • civivm  ■ neufreis[tKltensi]vm]. 


LXXIV 


I.  Der  hochgeborn  Grauffe  von  Wirtteinberg  vnd  zuo  Mümpelgartte  etc.  Grünenberg.  1483. 
Schild  geviert.  Feld  1 und  4 schwarze  Hirschstangen  in  goldenem  Feld,  2 und  3 zwei  goldene  Barben 
in  Rot.  Hehnzier  rechts:  rotes  goldbeschlagenes  Horn  mit  blauem  Träger,  an  der  Mundöffnung  besteckt 
mit  rot-silber-blauen  Federn.  Decken:  rot-golden.  Helmzier  links:  rotgekleideter  goldgekrönter  weib- 
licher Rumpf,  statt  der  Arme  die  goldenen  Barben.  Decken:  rot-golden.  — 2.  Grauf  von  Eberstein. 
Grünenberg.  1483  In  silbernem  Schild  rote,  blaubesamte  Rose.  Zwei  Helme.  Rechts:  weißgekleideter 
Bischofsrumpf  mit  Schildbild  auf  Brust  und  Mitra.  Links:  zwei  silberne  Hörner,  besteckt  mit  goldenen 
Stäben,  woran  goldene  Lindenblätter.  Zwischen  den  Hörnern  die  rote,  blaubesamte  Rose.  Decken  : 
rot-silbern.  — 3.  Friderich  vo  gots  gnaden  Pfalzgraue  by  Rine  Hertzog  in  Beiern  vnd  graue  zu  Span- 
heim. Lehensbuch  des  Pfalzgrafen  Friedrich  I.  (angelegt  1454  bis  1464).  Gevierter  Schild  mit  Herz- 
schild. Letzterer  silber-rot  geschacht.  Feld  I und  4 goldener  rotgekrönter  Löwe  mit  roten  Waffen 
in  Schwarz.  Feld  3 und  4 blau-silberne  Rauten  (Wecken).  Helmzier:  der  Löwe  des  i.und  4.  Schildfeldes 
zwischen  zwei  silber-blau  geweckten  Hörnern  sitzend.  Decken:  schwarz-rot.  - 4.  Der  Lantgrauf  von 

Hessen.  Grünenberg.  1483.  In  blauem  Schild  ein  goldgekrönter  Löwe,  der  von  Rot  und  Silber  viermal 
(oft  auch  mehrmals)  quergestreift  ist.  Helmzier:  zwei  goldene  Hörner,  die  mit  schwarzen  Hahnenfeder- 
büscheln besteckt  sind  auch  silberne  Hörner  mit  goldenen  Lindenzweigen  besteckt).  Decken:  rot-silbern. 


LXXV 


i.  Graufif  von  Frihurg  iin  Brisgo.  Griinenberg.  1483.  In  goldenem  Schild,  umgeben  von 
silber-blauem  Wolkenrand,  ein  roter,  blaubewehrter  Adler.  Zwei  Helme.  Rechts:  ein  goldgekrönter, 
schwarzer  wachsender  Adler.  Links:  auf  silber-  und  blaugestreiftem  Kissen  mit  rot-goldenen  Quasten 
ein  silberner  Ball.  Helmdecken  rechts:  schwarz-golden,  links:  rot-golden.  — 2.  Graufif  von  Fürsten- 
berg, Landtgrauffe  in  Baure.  Grünenberg.  1483.  Schild  wie  Nr.  I.  Helmzier:  auf  rotem  Kissen 
der  Ball  gleich  Nr.  I.  Helmdecken:  rot-golden.  — 3.  Graufif  von  Werdemberg  vnd  graufif  zu  dem 
hailgenberg.  Grünenberg.  1483.  Gevierter  Schild.  Feld  1 und  4 in  Rot  eine  silberne  Kirchenfahne. 
Feld  2 und  3 ein  sparrenweise  gebrochener  Schrägrechtsbalken,  die  sogen.  Heiligenberger  Stiege. 
Zwei  Helme.  Rechts:  eine  rote  Mitra.  Decken:  rot-silbern.  Links:  ein  goldener  Brackenhals.  Decken: 
schwarz-golden.  — 4.  Graufif  von  Mörs  vn  Graufif  zu  Sarwerd  (Mörs-Saarwerden).  Grünenberg.  1483. 
Gevierter  Schild.  Feld  1 und  4 in  Gold  ein  schwarzer  Querbalken.  Feld  2 und  3 ein  silberner, 
rotbewehrter  Doppeladler.  Zwei  Helme.  Rechts : ein  schwarzer  Bärenhals  mit  goldener  Kette. 
Decken:  schwarz -golden.  Links : eine  silberne  Mitra,  besteckt  mit  schwarzem  Hahnenfederbusch. 
Decken  : rot  - silbern. 


I.  von  Kronenberg  (Cronberg).  Griinenberg.  1483.  Gevierter  Schild.  Feld  1 und  4 silbern- 
blaue Eisenhütlein.  Feld  2 rot,  darin  eine  goldene  Krone.  Feld  3 rot.  Helmzier:  schwarzer  Federn- 
büschel. Decken:  blau-silbern.  — 2.  Fry  von  Ochsenstain.  Grünenberg.  1483.  In  rotem  Schild  zwei 
silberne  Querbalken.  Zwei  Helme.  Rechts:  zwei  rote  Hörner  mit  den  silbernen  Querbalken  des 
Schildes  belegt.  Decken:  rot-silbern.  Links:  Rumpf  eines  bärtigen  Mannes,  in  den  Farben  des 
Schildes  gekleidet,  mit  Hermelinhut.  Decken : rot-silbern.  — 3.  von  Ettendorf.  Gevierter  Schild. 
Feld  1 und  4 ein  roter  Adler  in  Gold.  Feld  2 und  3 ein  schwarzes  Andreaskreuz  in  Gold.  Helm- 
zier: der  Adler  über  der  Krone  stehend  mit  ausgebreiteten  Flügeln.  Decken:  schwarz-golden.  — 
4.  Fry  von  Schwartzenberg.  Stiffter  des  barfußen  closters  ze  friburg  im  brisgo'.  Grunenberg.  1483. 
In  silbernem  Schild  ein  goldgeränderter  schwarzer  Sechsberg.  Ilelmzier:  der  Sechsberg,  darauf  eine 
weiße  Kugel  (Ball).  Decken:  schwarz  - silbern. 


LXXVII 


I.  Fry  von  Geroltzegg.  Grünenberg.  1483.  In  goldenem  Schild  ein  roter  Querbalken.  Drei 
Helme.  Mitte : rotgekleideter  Weiberrumpf,  statt  der  Arme  goldene  Hörner  mit  rotem  Querbalken. 
Rechts:  goldener  Flug  mit  rotem  Querbalken.  Links:  roter  Spitzhut  mit  goldenem  Knopf,  aus  welchem 
grüner  Pfauenstoß  hervorwächst.  Decken:  rot-golden.  — 2.  von  Andlaw.  Grünenberg.  1483.  Hier  unter: 
Des  hailgen  Richs  her  Ritter.  In  goldenem  Schild  ein  rotes  Kreuz.  Helmzier:  ein  in  Hermelin 
gekleideter  goldgekrönter  bärtiger  Mann  ohne  Arme.  Links  und  rechts  eine  Fahne  mit  dem  Wappen- 
bild. Decken:  rot-golden.  — 3.  Grauff  von  Salmen.  Grünenberg.  1483.  In  goldenem  Schild  zwei 
abgewendete  rote  Fische  (Salmen).  Helmzier:  zwei  abwärts  gekehrte  rote  Salmen.  Decken:  rot-golden. — 
4.  von  der  Ley  (Leyen).  Grünenberg.  1483.  In  blauem  Schild  ein  silberner  Pfahl.  Helmzier:  silberner 
Rüdenkopf  mit  (zwischen)  blauen  Flügeln.  Decken : blau-silbern. 


Lxxvm 


I.  Graue  zu  Hanawe.  (Pfalz.  Lehensbuch.)  Schild  fünfmal  von  Gold  und  Rot  gesparrt.  Helm- 
zier: weißer  Schwanenhals  mit  Flügeln.  Decken:  silbern.  — 2.  Herr  zu  Lichtenberg.  (Pfalz.  Lehens- 
buch.) In  silbernem  Schild  mit  rotem  Schildrand  ein  schwarzer  Löwe.  Helmzier : weißer  Schwanen- 
hals. Decken : silbern.  — 3.  Grauff  von  Oettingen.  Grünenberg.  1483.  In  rotem  Schild  goldene 
Eisenhütlein,  belegt  von  einem  blauen  Herzschildchen.  Das  Ganze  überlegt  von  einem  silbernen 
Schrägen  Zwei  Helme.  Rechts : auf  blauem  Kissen  ein  rotes  Schirmbrett,  überzogen  von  silbernem 
Schrägen  und  besteckt  mit  Pfauenfedern.  Decken:  rot-golden.  Links:  silberner  Brackenhals  mit 
rotem  Ohr,  das  von  dem  silbernen  Schrägen  belegt  ist.  Decken  : rot-silbern.  — 4.  Herezog  von 
Vrslingen  vnd  von  Schilttach.  Grünenberg.  1483.  In  silbernem  Schild  drei  rote  Schildchen  (2:  1). 
Helmzier:  silberngekleideter  bärtiger  Mann,  auf  der  Brust  die  drei  roten  Schildchen.  Auf  dem  Kopfe 
eine  silberne,  rotgerandete  Mütze,  besteckt  am  vorderen  Rande  mit  drei  roten  Federn.  Decken : 
rot  - silbern. 


LXXIX 


I.  Böcklin  (Böcklin  von  Böcklinsauh  Grünenberg.  1483.  ln  rotem  Schild  ein  silberner  Bock. 
Helmzier:  der  Bock  wachsend.  Decken:  rot-silbern.  — 2.  Zorn  v.  Bullach.  Grünenberg.  1483. 
Geteilter  Schild.  Oben:  in  rotem  Feld  ein  goldener  Stern.  Unten:  goldenes  Feld.  Helmzier:  goldener 
SchwertgrifF.  Decken:  rot-golden.  — 3.  von  Endingen.  Grünenberg.  14S3.  Geteilter  Schild.  Oben: 
in  silbernem  Feld  ein  wachsender  roter  Löwe.  Unten:  blaues  Feld.  Helmzier:  der  Löwe  wachsend. 
Decken:  rot-silbern.  — 4.  von  Landemberg.  Grünenberg.  1483.  In  rotem  Schild  drei  silberne  Ringe 
(2  : l).  Helmzier:  schwarzer,  mit  silbernen  Lindenblättern  besäter  Flug  auf  rotem  Kissen.  Decken:  rot. 


LXXX 


I.  von  Bettendorf.  (Pfalz.  Lehensbuch.)  In  rotem  Schild  ein  silberner  Ring.  Helmzier:  der 
Ring  am  oberen  Rand  besteckt  mit  einem  schwarzen  Hahnenfederbusch.  Decken:  rot.  — 2.  Röder 
von  Diersburg.  (Pfalz.  Lehensbuch.)  In  rotem  Schild  ein  silberner  überzwerch  gelegter  Adler.  Helm- 
zier: silberner  Adlerhals  mit  goldenem  Schnabel  und  Zunge.  Decken:  rot-silbern.  — 3.  von  Schowen- 
burg  (Schawenburg).  Grünenberg.  1483.  Silberner,  von  blau-goldenem  Wolkenrand  umgebener  Schild. 
Das  Ganze  überlegt  von  rotem  Schrägen.  Helmzier:  weißgekleideter  Weiberrumpf.  Auf  der  Brust 
den  Schrägen,  statt  der  Arme  blaue  Hörner,  besteckt  mit  goldenen  Kugeln. 


LXXX1 


I.  von  Wurmser.  (Pfalz.  Lehensbuch.)  Geteilter  Schild.  Oben:  in  schwarzem  Feld  zwei 
silberne  Halbmonde.  Unten:  goldenes  Feld.  Helmzier:  schw'arzgekleideter  Weiberrumpf,  auf  der 
Brust  die  Halbmonde,  anstatt  der  Arme  goldene  Hörner.  Decken  : golden.  — 2.  Kemerer  vö  Dalbg. 
(Pfalz.  Lehensbuch.)  Blauer  Schild,  der  in  das  goldene  Schildhaupt  mit  drei  Spitzen  aufwärtssteigt. 
Im  goldenen  Schildhaupte  ein  schwarzer  Turnierkragen.  Im  blauen  Schild  sechs  silberne  Lilien. 
Plelmzier : Flug  mit  dem  Schildbilde.  Decken:  blau.  — 3.  von  Kippenhaim  (Kippenheim).  Grünen- 
berg. 1483.  In  rotem  Schild  drei  goldene  Fische  im  Dreipaß.  Helmzier:  zwei  gestürzte,  silber- 
schwarz geteilte  Fische.  Decken : schwarz-silbern.  — 4.  von  Blumneg  (Blumenegg).  Grünenberg. 
1483.  Schild  von  rot-  und  silber-blauem  Feh  zu  sechs  Plätzen  geteilt.  Helmzier:  rote  Bischofsmütze 
mit  einem  Fehstreifen  und  die  Spitzen  besteckt  mit  Pfauenfedern.  Decken:  rot -silbern. 


VI 


Band  VII. 


LXXXII 


I.  Pfau  von  Rüppurr.  (Pfalz.  Lehensbuch.)  In  rotem  Schild  zwei  silberne  Schlüssel.  Hehnzier: 
die  Schlüssel.  Decken:  rot-silbern.  — 2.  von  Franckenstein.  (Pfalz.  Lehensbuch.)  In  goldenem  Schild 
ein  rotes  Parteneisen.  Helmzier:  goldener  Flug  mit  Schildbild.  Decken:  rot-golden.  — 3.  vom  Stain. 
Grünenberg.  1483.  In  goldenem  Schild  drei  gestürzte  schwarze  Wolfseisen  (Wolfsangeln)  übereinander. 
Helmzier:  goldene  Wolfsangel,  deren  Spitzen  mit  Pfauenfedern  besteckt.  Decken,  schwarz-golden. 
4.  Frig  von  Flaekenstain  her  zuo  dachstal  (Dachstuhl).  Grünenberg.  1483.  Schild  geviert.  Feld  1 
und  4 von  Grün  und  Silber  siebenmal  geteilt.  Feld  2 und  3 in  Gold  ein  schwarzer  Schrägen.  Helmzier: 
goldgekleideter,  goldgekrönter  Weiberrumpf,  statt  der  Arme  Hörner  mit  den  grün-silbernen  Teilungen. 


LXXXII1 


I. 


i.  Schenken  von  Zell  (Schenkenzell).  Eines  Stammes  mit  den  Schenken  von  Andeck  oder 
Thalheim  und  von  Erpfingen,  auch  von  Stauffenberg.  In  silbernem  Schild  ein  roter  Querbalken.  Über 
und  unter  demselben  ein  blauer  Löwe.  — 2.  von  Windeg  (Windeck).  Grünenberg.  1483.  Ge- 
spaltener Schild.  Rechts:  rote  Hirschstange  in  Silber.  Links:  silberne  Hirschstange  in  Rot.  Helmzier: 
die  Hirschstangen,  gefärbt  wie  im  Schild.  Decken:  rot-silbern.  — 3.  von  Stoffemberg  (Stauffenberg). 
Grünenberg.  1483.  In  silbernem  Schild  auf  blauem  Dreiberg  ein  roter  bedeckter  Becher.  Helmzier: 
rotgekleideter  Weiberrumpf,  statt  der  Arme  silberne  Hörner.  Decken:  rot-silbern. 


LXXXIV 


I.  von  Muellenheim  in  Kalbsgasse.  Roter,  goldgerandeter  Schild  mit  silberner  Rose  und  grünen 
Kelchblättern.  Helmzier:  die  Rose,  deren  Blätter  besteckt  mit  je  einer  Pfauenfeder.  Decken:  rot- 
silbern. — 2.  von  Neuenstein  (Rohart).  Schwarzer  Schild  mit  goldenem  Rad.  Um  den  Schild  ein 
rot-silbern  geschachter  Rand.  Helmzier:  eine  schwarze  Säule  mit  dem  Rad.  Aus  der  Säule  steigen 
Flammen.  Decken:  schwarz-golden.  — 3.  von  Botzheim.  In  schwarzem  Schild  ein  goldenes  Kreuz. 
Helmzier:  ein  wachsender  silberner  Bracke  zwischen  zwei  goldenen  Büffelhörnern.  Decken:  schwarz- 
golden. — 4.  Huelwer.  In  silbernem  Schild,  aus  grünem  Dreiberg  wachsend,  ein  feuerspeiender 
schwarzer  Drache.  Helmzier : der  Drache  wachsend.  Decken : schwarz-silbern. 


LXXXV 


3- 


4- 


I.  von  Homberg.  In  goldenem  Schild  zwei  mit  den  Mundlöchern  auf  einen  schwarzen  Drei- 
berg  gestürzte  schwarze  Jagdhörner  mit  goldenem  Beschlag  an  Mund-  und  Schalloch.  Helmzier:  auf 
schwarzem  Kissen  mit  schwarzen  Quasten  an  goldenen  Knöpfen  ein  schwarzes  Jagdhorn  an  goldener 
Schnur.  Decken:  schwarz-golden.  — 2.  Ilorneck  von  Hornberg.  In  goldenem  Schild  auf  rotem 
Dreiberg  ruhend  ein  rotes  Jagdhorn  mit  verschlungener  schwarzer  Schnur.  Helmzier:  zwei  silbern- 
schwarz  übereck  geteilte  Büffelhörner.  Decken:  schwarz-silbern.  (Nach  Kindler  von  Knobloch  viel- 
fach in  der  Ortenau  auftretend.)  — 3.  Erlach  von  Ulm.  — 4.  Wolff  von  Renchen.  In  silbernem, 
rotumrandelem  Schild  ein  grüner  eingebogener  Sparren  von  drei  roten  Sternen  begleitet.  Helmzier: 
zwei  grüne  Büffelhörner,  begleitet  von  drei  roten  Sternen  (2  : 1).  Decken:  grün -rot. 


LXXXVI 


I.  von  Brumbach.  Wappen  des  Jakob  von  Brumbach  auf  dem  Grabdenkmal  in  der  Stiftskirche 
in  Lahr.  In  silbernem  Schild  ein  rotbewehrter  grüner  Doppeladler  mit  roten  Kleestengeln  in  den 
Flügeln.  Helmzier:  zwei  rotbewehrte  grüne  Adlerhälse  hintereinander.  Decken:  grün -silbern.  — 
2.  von  Bach.  (Pfalz.  Lehensbuch.)  In  blauem  Schild  ein  auch  als  Meerschnecke  bezeichnetes,  von 
Silber  und  Rot  gestücktes  Steinbockshorn  (später  ein  ebenso  geformter  Hut  mit  goldenem  Aufschlag). 
Helmzier:  das  Hcn  wachsend.  Decken:  rot-silbern.  — 3.  Kechler  von  Schwandorf.  In  rotem  Schild 
ein  rechtsgekehrter  silberner  Fisch  mit  goldenem  Rückenkamme.  Helmzier:  ein  rotgekleideter  bärtiger 
Mannsrumpf  mit  dem  Fische  auf  der  Brust.  Helmdecken:  rot-silbern.  — 4.  von  Grebem.  In 
rotem  Schild  ein  schrägrechts  gestellter  silberner  Besen  oder  Mückenwedel.  Helmzier-  ein  am  Rücken 
mit  drei  silbernen  Besen  besetzter  schwarzer  Adlerhals  oder  drei  auf  dem  Helme  fächerförmig  stehende 
silberne  Besen).  Helmdecken:  rot-silbern. 


LXXXVII 


I. 


I.  Kloster  Allerheiligen.  Ältestes  Konventsiegel. 


2. 


2.  Kloster  Schlittern.  Ältestes  Konventsiegel. 


LXXXVIII 


Louis  Ren£  Edouard,  Prinz  von  Rohan-Guemen^e,  Bischof  von  Straßburg. 
(Geboren  25.  Sept.  1735,  gestorben  17.  Febr.  1803  zu  Ettenheim.) 


Diese  Zusammenstellung  von  Siegeln  und  Wappen  soll,  wie  schon  oben  gesagt, 
den  Benutzern  für  die  Denkmäler  eine  gewisse  Unterstützung  geben.  Vollständigkeit 
war  nicht  möglich.  Auch  sind  nicht  nur  eigentliche  ortenauische  Geschlechter  darin 
berücksichtigt,  sondern  auch  solche,  die  irgendwie  der  Denkmäler  wegen  wichtig  schienen. 
Aus  Gründen  des  Raumes  war  eine  streng  systematische  Anordnung  der  Wappen  nicht 
zu  erreichen,  was  ich  zu  berücksichtigen  bitte.  So  konnte  hoher  und  niederer  Adel 
nicht  ganz  geschieden  werden. 


AMT  KEHL 


AUENHEIM 


Schreibweisen:  Ouuanheim  888;  Owenheim  961 ; Öwenheim  1318;  Auenheim  Ende 
14.  Jhs.  (Heim  des  Ouuo,  Owo.) 

Archivalien:  Mitth.  d.  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895),  S.  89. 

Litteratur:  K.  Asbrand,  Die  Fischerzunft  zu  A.  Oberrh.  Ztschr.  IV,  S.  79. 

Ortsgeschichte : Gehörte  zur  Herrschaft  Hanau -Lichtenberg.  1429  gänzlich 
verbrannt.  Auenheim  hatte  eine  Fischerzunft  mit  Fischerordnung  von  1472;  es  wurde 
1803  badisch.  Patronat  und  Zehnt  gehörten  vordem  den  Chorherrn  von  S.  Peter  in 
Strassburg.  Seit  1561  evangelisch. 

Vorgeschichtliches:  Bemerkenswerth  sind  die  wiederholten  Funde  schöner 

geschliffener  Steinbeilklingen  aus  der  späteren  Steinzeit,  oder  auch  noch  nach 
derselben  in  Benützung.  Das  Material  bilden  passend  geformte  und  dann  zugeschliffene 
Rheingeschiebe  von  schwarzem  oder  grünschwarzem  Serpentin ; sie  zeigen  ein  sorgfältig 
gearbeitetes,  rundes,  von  oben  nach  unten  sich  etwas  verengendes  Bohrloch  für  den 
Holzstiel. 

Zwei  solche  fanden  sich  im  Schutt  eines  im  18.  Jh.  vom  Blitz  zerstörten  Hauses, 
und  waren  trotz  dieser  Erfahrung  seither  im  Besitz  der  betr.  Familie  als  »Donnerkeile«, 
d.  h.  als  Verwahrungsmittel  gegen  Blitzgefahr.  Das  eine  18,3  cm  lang,  befindet  sich  in 
der  Grossh.  Alterthümersammlung  Karlsruhe,  das  andere  sei  verloren  gegangen. 

Eine  ähnliche  kleinere  Steinbeilklinge  derselben  Sammlung  (Länge  11,5  cm)  wurde 
1856  bei  Ausgrabung  der  neuen  Mündung  der  Kinzig -Schütter  gefunden. 

Eine  vierte,  in  der  Nähe  des  Orts  wahrscheinlich  beim  Pflügen  gefundene  blieb 
lange  (bis  1856)  in  einer  Familie  als  Donnerkeil  verwahrt,  ist  aber  nicht  mehr  vor- 
handen. 

Endlich  bewahrt  die  städt.  Sammlung  in  Freiburg  i.  Br.  ein  Steinbeil  und  2 solche 
kleinere  Stücke  aus  dem  Torfmoor  »Hüblingswiesen«  (Verzeichniss  ders.  n.  Schreiber 
1841.)  (W.J 

Römisches : Fund  von  drei  römischen  Münzen. 

Evang.  Pfarrkirche.  [Ehemals  ad  S.  Laurentium]  ’),  wie  es  scheint  ein  Bau  des 
17.  Jhs.  der  am  Ende  des  18.  Jhs.  umgebaut  wurde  (1792  eingeweiht).  Auf  ersteres 
deutet  der  mächtige  Giebel  der  Fatjade  mit  Abtreppungen  etc.  Portal  im  späten  Zopfstil 
mit  Säulen  und  Voluten  wie  das  Südportal  mit  Säulen  und  Dreieckgiebel  ganz  monu- 
mental wirkend.  An  Stelle  des  Chors  nach  Osten  hat  die  (einschiffige)  Kirche  einen 
viereckigen  Thurm,  dessen  Erdgeschoss  sich  ehemals  in  einem  jetzt  zugemauerten 
Rundbogen  nach  dem  Langhaus  zu  öffnete.  Weder  dieser  Bogen  noch  das  Bruchstein- 
mauerwerk des  Thurmes  giebt  sichere  Anhaltspunkte  für  ein  immerhin  mögliches  höheres 
Alter  desselben. 

x)  Schaible,  Geschichte  des  Hanauerlandes  S.  54.  — Mone,  Die  bildenden  Künste  in 
Baden.  XIV  (1890),  82. 


Ortsgeschichte 


Vorgeschicht- 

liches 


Römisches 

Pfarrkirche 


4 


KREIS  OFFENBURG. 


Glocke 

Kirchengeräthe 


Ortsgeschichte 


Pfarrkirche 


Urkunden 

Fachwerkhaus 


Eine  Glocke  ist  1720  in  Strassburg  von  Edel  gegossen,  die  anderen  neu. 
Kirchengeräthe:  Kupfervergoldete  Hostienbüchse  des  18.  Jhs.,  zwei  einfache, 
silberne  Kelche  mit  Patenen,  renovirt  1720. 

Auf  dem  Rathhaus  auf  bewahrt  eine  sogen.  Hals  geige  (Marterwerkzeug)  und  eine 
eiserne  Truhe  mit  gutem  Schloss.  (17.  Jh.  ?) 

Ein  Hufeisen  des  18.  Jhs.  und  ein  Ring  aus  Auenheim  stammend  im  Besitz  der 
Grossh.  Sammlungen  für  Alterthums-  und  Völkerkunde  in  Karlsruhe  unter  Nr.  C.  1550. 


BODERSWEIER 

Schreibweisen:  Bothalasvvileri  884;  Boderswiler  14.  Jh.  (Weiler  des  Bodal). 

Ortsgeschichte:  749  und  754  wird  ein  Bodal  genannt.1)  Der  Ort,  der  zur  Herrschaft 
Lichtenberg  gehörte,  wurde  1429  von  den  Strassburgern  verbrannt  und  hatte  auch  in  den 
Franzosenkriegen  viel  zu  leiden.  1803  wurde  Bodersweier  badisch.  Begütert  waren  hier 
ehemals  die  Böcklin  von  Böcklinsau;  1501  aber  kam  der  »Hub-  oder  Liebenzellerhof«  an 
die  von  Rathsamhausen  und  nach  dem  Heimfall  an  die  Freiherrn  von  Berstett.  Das 
Patronatsrecht  stand  vormals  dem  Stifte  Alt-St.  Peter  zu.2) 

Evang.  Pfarrkirche .3)  (Ehemals  ad  S.  Joannem  Baptistam.)  Die  jetzige  Kirche 
erbaut  von  dem  Grafen  Johann  Reinhard  von  Hanau-Zweibrücken  um  1616.  Es  ist  ein 
einschiffiger  Bau  mit  gerader  Decke,  ein  Rundbogen  öffnet  sich  in  den  Thurm,  dessen 
unterstes  Geschoss  als  Chor  dient.  Der  Thurm  hat  im  Erdgeschoss  nach  Osten  ein 
gekuppeltes  Rundbogenfenster,  mit  flachem  Bogen  (s.  Fig.  1,  der  Pfosten  jetzt  weg- 
gebrochen), darüber  dann  Lichtluken,  im  zweiten  bezw.  dritten  Geschoss  gekuppelte 
Rundbogenfenster  des  18.  Jhs.  nach  allen  4 Seiten.  Das  Langhaus  hat  einfache  Spitz- 
bogenfenster, ein  spitzbogiges  Portal  (s.  Fig.  1),  darüber  in  etwas  derber,  aber  flotter 
Umrahmung  das  Hanau -Lichtenberg’sche  Wappen  mit  der  Inschrift: 

IOHANN  REINHARDT  • GRAVE  • 

ZV  • HANAV  • VND  . ZWEY- 
BRVCKEN  • HERR  • ZV  • 

LIECHTENBERCK  • 

VND  • OCHSENSTEIN  • 

ERBMARSCHALK  • 

VND  • OBERVOGT  • ZV  • 

STR ASBVRG  • 1616  • 

An  den  spitzbogigen  Seitenportalen  die  Jahreszahl  1616.  Bruchsteinmauerwerk 
verputzt;  die  Profile  etc.  aus  gelbem  Sandstein.  — Vermuthlich  ist  der  Thurm  in  seinem 
Mauerwerk  ein  älterer  Rest.  Anfang  des  17.  Jhs.  erfolgte  dann  der  gänzliche  Umbau, 
dem  die  Kirche  ihre  heutige  Gestalt  verdankt.  — Orgelgehäuse  mit  Rocailleschnitzerei 
von  1777. 

*)  SehöpfLn,  Alsat.  illustr.  I.,  786. 

2)  Grandidier,  Etat  ecclesiast.  du  diocese  de  Strasbourg  en  1454-  Strassb.  1897  p.  66. 

3)  Fr.  Stengel,  das  älteste  Kirchenbuch  der  Pfarrei  Bodersweier.  Kehler  Zeitung  1905, 
Nr.  177;  das  Zweitälteste  K.  ebenda,  Nr.  289;  die  evang.  Pfarrei  B.  ebenda,  Nr.  268. 


AMT  KEHL.  — DIERSHEIM. 


5 


An  der  Aussenmauer  der  Kirche  einfaches  Epitaph  im  Zopfstyl  der  Maria 
Francisca  Kohlund  gebohrne  von  Helbling  -j-  1794  und  des  Meinrad  Kohlund,  Lieutenant 
unter  dem  Hohenzollern.  Schwaeb.  Kreiskürassierregiment. 


Im  Pfarrhaus  Krankenkommissionsbesteck  mit  der  Inschrift  » Fridericus  Franck 
pastor  in  Bodersweiher « und  » Daniel  Kober  Kirchschaffner  l6j2«,  in  den  flauen 
spätgothischen  Formen  dieser  Zeit,  ohne  Zeichen;  einfacher,  silbervergoldeter  Kelch  von 
1718.  Glocken  neu,  ehemals  Edel’sche  von  1714  und  1728. 

Auf  dem  Rathhaus  eine  grosse  Anzahl  von  Urkunden. 

Am  Ausgange  gegen  Linx  zu  ein  Fachwerkhaus  von  1717. 


DIERSHEIM 

Schreibweisen:  Diersheim  12.  Jh. ; die  zwei  D.  14.  Jh. ; Tiersheim  1390;  Dierß- 
hein  1412;  Dierssheym  1492;  Oberdiersheim  1620. 

Archivalien:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  136. 

Ortsgeschichte:  Die  angeblich  erste  urkundliche  Erwähnung  von  961  ist  eine  Ortsgeschichte 
Fälschung  des  12.  Jhs.  — 1469  verkaufte  Margaretha  Juckmantel,  des  Edelknechts  Anton 
von  Hornberg  Wittwe  den  Gross-  und  Kleinzehnten  an  den  Edelknecht  Johann  Erlin; 

1620  befreite  sich  die  Gemeinde  durch  Zahlung  von  1000  fl.  von  allen  Frohndiensten, 


6 


KREIS  OFFENBURG. 


Pfarrkirche 


Abendmahlkanne 

Glocken 

Grabstein 

Wirthshaus- 

schilde 


Ortsgeschichte 


1731  wurde  Diersheim  Pfarrei,  vorher  war  es  Filiale  zu  Rheinbischofsheim.  Es  gehörte 
zur  Herrschaft  Hanau-Lichtenberg,  Amt  Fichtenau  und  wurde  1803  badisch. 

Evang.  Pfarrkirche  (ehern,  ad  s.  Brigittam),  einfacher  Bau,  nicht  orientirt,  aus 
Bruch-  und  Backsteinmauerwerk  mit  Sandsteinquadern  an  den  Ecken.  Einschiffiges,  flach- 
gedecktes Langhaus  und  viereckiger  Thurm.  Am  Portal  der  Kirche  die  Jahreszahl  1731. 

Der  Thurm  öffnet  sich  in  einem  fast  hufeisenförmigen  Bogen  gegen  das  Langhaus. 
Er  diente  also  früher  als  Chor,  hat  aber  seine  Bestimmung  verloren,  da  er  im  18.  Jh. 
durch  Emporen  verdeckt  wurde.  So  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  er  älteren  Datums 
als  das  Langhaus  ist.  Darauf  deutet  das  bedeutend  stärkere  und  aus  grösseren  Bruch- 
steinen gefügte  Mauerwerk,  die  Rundbogenfenster  mit  abgeschrägten  Gewänden  im 
zweiten  Obergeschoss,  ein  flachbogiges  Fenster  das  über  der  Thür  zum  Dachraum 
zwecklos  in  diesen  hinausschaut.  Für  irgend  welche  Datirung  des  Thurmes  fehlen  aber 
alle  Anhaltspunkte. 

Der  Neubau  des  18.  Jhs.  wurde  aus  den  Steinen  der  damals  abgebrochenen  Kapelle 
in  Zierolzhofen  erstellt  um  3930  fl.  1 b.  6 kr.  ]) 

Das  Innere  der  Kirche  hat  als  einzigen  Schmuck  eine  grosse  Inschrifttafel  in  Stuck 
mit  der  Aufschrift  in  Capitale : REGI  SAECULORUM  IMMORTALI  IUSTO 
BENIFICO  AMANTI  HOMINUM  BONI  AC  DONI  OMNIS  AUTHORI 
L ARGITORI  FONTI  DEO  UNI  ET  TRINO  PATRI  CREATORI  FILIO 
JESU  CHRISTO  IMMANUELI  SERVITORI  ILLUMINATORI  PARACLETO 
DEO  OMNIPOTENTI  BENEDICTO  AEDEM  HANC  SACRAM  GUBER- 
NANTE  HAS  TERRAS  ILLUSTRISSIMO  DN0  DN0  JOHANNE  REIN- 
HARDO  COMITE  H ANO  VI  AE  VERAE  DOCTRINAE  REVERENDI 
PATRIS  MARTINI  LUTHERI  MINISTERIO  REPURGATAE  DOCENDAE 
PROPAGANDAE  DISCENDAE  CUMQUE  VERO  SACRAMENTORUM 
USU  ASSERENDAE  GRATIA  PONUNT  DICANT  CONSECRANT  PACI 
DIERSHEIMENSIS  INCOLAE  ANNO  INCARNATI  CHRISTI  MDCCXXXI. 

Abendmahlkanne  von  1783. 

Die  Glocken  (18.  Jh.)  aus  der  Edel’schen  Giesserei  in  Strassburg. 

An  der  Südwestseite  des  Chorthurms  Grabstein  des  »Georg  Wolfgang  Schnabel 
dieser  Kirche  erster  Pfarrer  J-  10.  November  1735«.  Sandstein,  Rocaille - Cartouche 
und  Gitterwerk. 

Schmiedeeiserne  Wirthshausschilde  des  18.  Jhs.  am  Gasthaus  zum  Adler  und 
zum  Rappen. 


ECKARTSWEIER 

Schreibweisen:  Eckebrehtswilare  1316;  Eckebrehtzwilr  1372;  Eckebrehtzwilre 
1378;  Eckebrechts  wilre  1412;  Eckartzwiller  1480;  Eckhertzweiher  1557;  Eckarts- 
weyer 1770  (Weiler  des  Eckebrecht). 

Ortsgeschichte : Nach  Kolb  I.  249  schon  1005  als  Eckertswyr  genannt  in  der 
Urkunde  des  Bischofs  Wernher  I.  von  Strassburg  über  die  Besitznahme  des  Frauenstifts 
S.  Stephan  v.  J.  1005.  Nach  dieser  (gefälschten?)  Urkunde  soll  es  schon  in  Schriften 

*)  Stöcker,  Schematismus  der  evang.-prost.  Kirche  im  Grossh.  Baden,  Heilbronn  1878; 
(Nachtrag  Karlsruhe  1886),  S.  302. 


AMT  KEHL.  — FREISTETT. 


7 


des  Herzogs  Adelbert  und  in  dem  Freiheitsbrief  des  Königs  Childerich  als  an  S.  Stephan 
gegeben,  bezeichnet  worden  sein.  1005  kam  es  an  Strassburg;  die  Herrn  von  Hunnen- 
burg hatten  hier  ansehnliche  Besitzungen;  ihnen  wurde  es  durch  Conrad  II.  von  Hunnen- 
burg, Bischof  von  Strassburg  zugeeignet;  nach  ihrem  Aussterben  kam  es  an  die  Graf- 
schaft Lichtenberg,  war  dann  als  Lehen  an  die  Liebenzeller  gegeben,  kam  1335  als 
Reinbolt  Liebenzeller  ohne  Erben  starb,  an  die  Lichtenberg  zurück,  die  es  1418  an  die 
Böcklin  von  Böcklinsau  verpfändeten.  Aus  der  Herrschaft  Hanau-Lichtenberg,  wo  es 
zum  Amt  Willstett  gehörte,  bezw.  aus  dem  Besitz  der  Landgrafen  von  Hessen-Darmstadt 
kam  es  1803  an  Baden. 

Evang.  Pfarrkirche.  Ehemaliger  Titel:  ad  S.  Nicolaum.  E.  wurde  1555  prote- 
stantisch 1).  Der  jetzige  Bau  1824  im  Weinbrennerstil.  — Zinnerne  Abendmahlskanne 
mit  der  Aufschrift:  dem  Gericht  zu  Eckartsweier  1761. 

Im  Pfarrhausgarten,  beim  Umgraben  des  Friedhofs  gefunden,  das  mittlere,  leider 
stark  beschädigte  Stück  eines  römischen  Viergöttersteins  aus  rothem  Sandstein  (Höhe 
noch  40  cm).  Von  den  4 Relief- Götterfiguren  ist  nur  der  Rumpf  bis  herab  zum 
Knie  erhalten.  Sicher  erkennbar  ist  Hercules,  in  der  Linken  Aepfel  der  Hesperiden 
haltend,  die  Rechte  auf  die  Keule  gestützt,  und  Jupiter  mit  dem  Blitz  in  der  Rechten. 
Dazu  vielleicht  Mercur  und  eine  weibliche  Figur  (Fortuna?).  (Der  Stein  jetzt  in  der 
Grossh.  Alterthiimersammlung  Karlsruhe.)  (W.) 

FREISTETT 

Schreibweisen:  Fregistatt  828;  Freistetden  1365;  villa  Freistetten  superior  1369; 
obern  Freistetten  1390;  Obern  Freistetden  1414;  nidern  Freistetten  (Freistetden)  1390; 
die  zwey  Freistet  1492;  die  zwey  Frystetten  1509  (Stätte  des  Frego). 

Archivalien:  Mittheil.  d.  histor.  Kommission  Nr.  16  (1894)  S.  136. 

Litteratur:  A.  Leitz,  Gesch.  der  Gemeinden  Freistett  und  Neufreistett  bis  zum 
Uebergange  an  Baden.  Kehl  1890.  Reinfried,  Der  Maiwald-Kanalprozess  aus  dem 
Jahre  1749.  Acherbote  1895,  Nr.  7 5 ff. 

Ortsgeschichte:  Ober-  und  Nieder-Freistett  (letzteres  nicht  zu  verwechseln  mit 
Neufreistett),  die  von  jeher  einen  Bann,  ein  Gericht  und  einen  Pfarrer  hatten,  wurden 
urk.  1507  zum  vierten  Male  vereinigt.  Freistett  hatte  mit  Renchen,  Membrechtshofen, 
Gamshurst,  Wagshurst  und  Ulm  eine  Waldgenossenschaft  (Maiwald) 2).  In  den  Kriegen 
Ludwigs  XIV.  vielfach  verwüstet.  Es  gehörte  zur  Herrschaft  Hanau-Lichtenberg,  zum 
Amt  Lichtenau  und  wurde  1803  badisch.  Das  Patronat  besass  das  Domstift  in  Strassburg. 
Durch  Tauschvertrag  v.  J.  828  erwarb  das  Kloster  Schwarzach  vom  Grafen  Erchanger 
hier  Güter  3). 

Evang.  Pfarrkirche.  Erwähnt  1574  sant  Jörg  und  sant  Niclauß  in  beiden 
cappellen  zu  Freystet.  1582  erfolgte  die  Ernennung  eines  evangelischen  Pfarrers  für 
Freistett  und  zugleich  die  Erhebung  zur  selbständigen  Pfarrei,  während  es  bisher  Filiale 
von  Rheinbischofsheim  war  4).  Der  jetzige  Bau  mit  einschiffigem,  flachgedecktem  Lang- 

1)  Schaible,  a.  a.  O.  54. 

2)  Vergl.  Reinfried,  in  Freib.  Diöz.  Arch.  21,  273  u.  Acherbote  a.  a.  O. 

3)  Vergl.  Reinfried  in  Freib.  Diöz.  Arch.  20,  144. 

4)  Schaible,  a.  a.  O.  54.  — Vierordt,  Gesch.  der  evang.  Kirche  in  Baden.  I,  493. 


Pfarrkirche 

Abendmahls- 

kanne 

Römischer  Vier- 
götterstein 


Ortsgeschichte 


Pfarrkirche 


8 


KREIS  OEFENBURG. 


Thurm 


Orgel  und  Kanzel 
Glocken 

Heidenkirchle 


Glocke 

Rathhaus 


Ortsgeschichte 


haus  und  daran  anstossendem  viereckigem  Thurm  stammt  aus  dem  18.  Jh.,  wie  die 
Jahreszahl  1741  an  dem  flachbogigen  Sturz  der  Faijadenthür  zeigt.  Er  ist  fast  schmucklos, 
aus  Bruchsteinmauerwerk  mit  Sandsteinquadem  an  den  Ecken  und  den  Gesimsen,  über 
der  erwähnten  Fagadenthür  in  Rocaillecartouche  das  zum  Theil  abgeblätterte  hessen- 
darmstädtische Wappen  und  eine  breite  Tafel  mit  gereimter  Inschrift: 

Vor  siebzehnhunderteinundvierzig  Jahren 

Hats  Jesus  Wort  beliebt , im  Fleisch  zu  offenbaren. 

(Siehe  die  weiteren  schwülstigen  Verse  bei  Leitz  a.  a.  O.  S.  177.) 

Der  Thurm , dessen  unterstes  Geschoss  ehemals  als  Chor  diente,  öffnet  sich  in 
einem  jetzt  mit  einem  Verschlag  geschlossenen  Rundbogen  nach  dem  Langhaus.  Er  hat 
im  Erdgeschoss  Rundbogenfenster  mit  stark  abgeschrägten  Bänken,  im  ersten  Stock  ein 
solches  mit  hohen  sitzartigen  Vorsprüngen,  zeigt  im  Aeusseren  zur  Abgrenzung  der  Stock- 
werke ein  Gesims  aus  Platte  und  Hohlkehle,  oben  geht  er  in  das  Achteck  über.  Möglich, 
aber  nicht  zu  beweisen,  dass  seine  unteren  Theile  einer  früheren  Zeit  entstammen. 

Im  Innern  Orgel  und  Kanzel  im  Empirestil. 

Zwei  Glocken  von  Mathäus  Edel  in  Strassburg  1741;  eine  dritte,  kleinere  mit 
der  Minuskelinschrift ; 

Ave  + Maria  + gratia  + plena  + anno  + M + CCCC  + XXXX  + VII. 

Das  sogen.  Heidenkirchle  ziemlich  am  Ausgange  des  Dorfs,  jetzt  unbenutzt,  ist 
ein  einschiffiger  Bau  mit  viereckigem  Thurm,  dessen  Untergeschoss  der  Chor  war,  aus 
Bruchsteinmauerwerk  mit  Sandsteinquadern  an  den  Ecken  und  Fenstergewänden.  Im 
Langhaus  sehr  kleine,  nach  unten  sich  erweiternde  Rundbogenfenster,  eine  Form,  die 
besonders  an  sehr  frühen  romanischen  Bauten  vorkommt;  sie  dürfte  auch  hier  kaum 
viel  späteren  Ursprungs  sein  und  so  bezeugen  diese  einzigen  Anhaltspunkte  eine  Ent- 
stehung des  Kirchleins  in  10.  bezw.  11.  Jh.  Im  Thurmerdgeschoss  ein  gradsturziges 
Fenster  und  ein  spitzbogiges  mit  abgefassten  Ecken  und  Kleeblattbogenfüllung.  Verputztes 
Backsteintonnengewölbe.  Im  Obergeschoss  des  Thurmes  ein  Doppelfenster  mit  flachen 
Rundbögen.  Der  Thurm  ist  mit  einem  Satteldach  gedeckt.  Möglicherweise  stammt  das 
Langhaus  und  das  Untergeschoss  des  Thurmes  (ohne  Gewölbe)  aus  dem  io./ii.  bezw. 
16.  Jh.  und  ist  im  18.  Jh.  zum  letzten  Mal  überarbeitet  worden.  An  der  Nordwand 
Spuren  der  alten  Bemalung  in  den  Resten  einiger  Apostelkreuze. 

Aus  letzterer  Zeit  stammt  auch  die  von  Ludwig  Edel  in  Strassburg  gegossene  Glocke. 

Neben  der  Kirche  das  Rathhaus  im  französischen  Stil  des  1 8.  Jhs.  mit  Mansarden- 
dach. Aehnlich  gebaut  noch  verschiedene  Häuser  im  Dorfe. 

Die  Stadt  Neufreistett  ist  eine  Gründung  der  Kuck’schen  Flosskompagnie  in 
Strassburg  von  1740  und  enthält  nichts  Erwähnenswerthes. 


HAUSGEREUTH 


Schreibweisen:  Husgerute  1163;  Hugsgerüte  1353;  Hugesgerüte  1372;  Hugeß- 
gerut  1547;  Hawsgerait  1525.  (Gereute  [Rodung]  des  Huc.). 

Ortsgeschichte:  1163  besass  das  S.  Thomasstift  zu  Strassburg  hier  einen  Dinghof. 
Eine  Kaplanei,  die  im  folgenden  Jahrh.  zur  Pfarrkirche  erhoben  wurde,  erhielt  das  Dorf 
1288,  nachdem  es  vorher  in  die  Pfarrei  Kork  gehört  hatte;  Patronat  und  Zehnt  hatte 


AMT  KEHL.  — HONAU. 


9 


das  Kloster  Eschau,  bis  es  dieselben  1552  an  das  Domstift  zu  Strassburg  verkaufte. 
1429  war  das  Dorf  von  den  Strassburgern  niedergebrannt  worden.  Es  gehörte  zur 
Herrschaft  Hanau-Lichtenberg,  Amt  Lichtenau  und  wurde  1803  badisch. 

Evang.  Kirche.  Filiale  von  Rheinbischofsheim.  Erw.  1288  s.  o.,  1289  ein 
Oratorium  beati  Jacobi  apostoli  ac  Marie  Magdalene  et  Nicolai  confessoris ; 1425  sanctus 
Nicolaus  patronus  ecclesiae  parrochialis.  Einschiffiger  Bau  aus  Bruchsteinmauerwerk 
mit  Holzbalkendecke  und  viereckigem  Thurm,  dessen  mit  einem  Kreuzgratgewölbe 
gedecktes  Erdgeschoss  als  Chor  dient.  Im  Langhaus  kleine  Fenster,  sowohl  mit  geradem 
Sturz  und  abgefastem,  zweimal  auch  mit  einer  Hohlkehle  profilirtem  Pfosten,  als  auch 
geradsturziges  Doppelfenster  und  ein  schmales  gedrücktes  Spitzbogenfenster.  Thür  mit 
Flachbogen,  sich  kreuzendem  Stabwerk  und  Hohlkehle. 

Der  Thurm  öffnet  sich  nach  dem  Langhaus  im  Spitzbogen,  hat  im  ersten  Geschoss 
Lichtluken,  im  zweiten  schwach  spitzbogige  Fenster.  Die  Balkenlöcher  bezw.  einfachen 
Konsolen  für  die  alten  Decken  noch  überall  sichtbar.  Satteldach.  An  der  Ostwand 
kleine,  kielbogige  Sakramentsnische.  An  den  Thurm  schliesst  die  geradgedeckte  Sakristei 
an  mit  kleiner,  mit  zwei  Seiten  des  Dreiecks  abgeschlossener  Nische.  An  den  Ostecken 
des  Langhauses  und  des  Thurmes  einfache,  einmal  abgeschrägte  Strebepfeiler. 

Das  Kirchlein  gehört  wohl  dem  16.  Jh.  an  und  hat  im  18.  einige  Veränderungen 
erlitten. 

Glocke  von  Matthäus  Edel  1749. 

HONAU 


Schreibweisen:  Hoinaugia  781;  Hoinowa  870;  insula  Honaugensis  1180; 

Honaugia  1191;  Honauwia  1199;  Honowe  1264;  Honow  1268;  Honöwe  Anf.  14.  Jh. 

Litteratur:  Reinfried,  Archivalien  des  Landkapitels  Ottersweier.  Oberrh.  Ztschr.  51 
(1897),  Mittheil.  Nr.  19,  S.  24.  Grandidier,  Hist,  de  l’eglise  de  Strasbourg  I, 
398 — 410  und  Oeuvres  inedites  I,  157 — 165. 

Geschichte : Ehemals  ein  auf  einer  Rheininsel  um  720  gegründetes  Schottenkloster,1) 
dessen  Aebte  den  bischöflichen  Titel  führten.2)  Da  der  Rhein  den  grössten  Theil  der 
Insel  wegfrass  und  die  Stiftsgebäude  selbst  bedrohte,  wurde  das  Kloster  1290  nach 
Rheinau  und  1398  aus  demselben  Grunde  nach  Alt-S.  Peter  in  Strassburg  verlegt,  nach- 
dem es  schon  im  ri.  Jh.  in  ein  Chorherrnstift  verwandelt  worden  war.  — Das  Dorf 
(Mortenau,  Herrschaft  Lichtenberg)  ging  1802  von  Strassburg  an  Baden  über.  — Seit 
1 5 5 9 evangelisch. 

Die  jetzige  kathol.  Pfarrkirche  wurde  1845  erbaut.  Die  alte  Klosterkirche  hatte 
den  titulus  ad  S.  Michaelem  und  als  Nebenpatrone  die  Apostelfürsten  Petrus  und  Paulus. 
Schon  1259  wird  noch  eine  »capella  sancte  Brigide«  erwähnt,  1365  »altare  beate  Marie 
virginis  et  beati  Nicolai  episcopi  situm  in  ecclesia  parrocchiali  ville  Honowe«.  Später 
gehörte  das  Dorf  zur  Pfarrei  Wanzenau,  von  der  es  1730  getrennt  wurde.  — Bauliche 
Reste  einer  älteren  Kirche  sind  keine  vorhanden. 

1)  Vergl.  Sickel,  Acta  regum  et  imperatorum  Karolingorum  digesta  et  narrata.  Wien  1867,  II.  216. 

2)  Der  Sage  nach  soll  357  der  Bischof  Amandus  von  Strassburg  hierher  geflohen  sein  und 
seine  Gebeine  hier  einst  aufbewahrt  worden  sein.  Mo  ne,  Die  bildenden  Künste  etc.  XIV.,  46. 


Kirche 


Thurm 


Glocke 


Geschichte 


Pfarrkirche 


Holzplastik 


Taufstein 

Kirchengeräthe 


IO  KREIS  OFFENBURG. 

Die  Kirche  bewahrt  auf  dem  Nebenaltar  der  Epistelseite  eine  werthvolle  Holzplastik 
vom  Anfänge  des  1 6.  Jhs.,  eine  Krönung  Mariä  in  zweidrittel  lebensgrossen  Figuren. 
Maria  nach  vorn  knieend,  Gottvater  und  Christus  hinter  ihr  sitzend  in  den  jetzt  zwecklos 


Fig.  2.  Holzskulptur : Krönung  Mariä  in  der  Kirche  in  Honau. 


gespreizten  Fingern  ehemals  die  Krone  haltend  (s.  Fig.  2).  Tüchtige  geschmackvolle  Arbeit 
aus  den  ersten  Jahrzehnten  des  16.  Jhs.,  die  Fassung  gänzlich  erneuert. 

Auf  dem  Altar  der  Evangelienseite  kleine  Madonna  mit  Kind  auf  der  Mondsichel ; 
im  Chor  Madonna  mit  Kind;  an  der  Langhausnordwand  Crucifixus,  alles  Holzschnitzereien 
im  Durchschnittscharakter  des  18.  Jhs. 

Einfacher  Rococo-  Taufstein. 

In  der  Sakristei  Kirchengeräthe : einfacher  Kelch,  kupfervergoldet  und  Wettersegen 
mit  geringen,  getriebenen  Rocailleornamenten.  Beide  ohne  Goldschmiedezeichen. 


AMT  KEHL.  — KEHL. 


1 1 

Vor  der  Kirche  Missionscrucifixus  aus  Sandstein.  Auf  mittlerem  bauchigem  Missions- 

crucmxus 

Barocksockel  der  Crucifixus  mit  Magdalena,  auf  zwei  schmäleren  Seitensockeln  Maria  und 
Johannes.  Ueberschlanke  Figuren.  Gestiftet  1779  von  Anton  Knerle  und  Frau. 


KEHL 

STADT  und  DORF 

Schreibweisen  : Kelle  i2  89;Kenle  1326;  Keule  i374;Keyle  iö.Jh. ; Kaile  iö.Jh.; 

Keuhel  16.  Jh.,  Keuln  1576;  Kayl  16. — 18.  Jh.;  Keyl  1681;  Keyhl  18.  Jh. 

Litteratur:  Bader,  Fahrten  und  Wanderungen,  II.  (1856)  S.  204 — 214. 

Alle  Ansichten:  Grundriss  von  Bodenehr.  Kupferst.  Augsb.  ca.  1700.  — Plan  Alte  Ansichten 
der  Stadt  und  Festung  Strassburg,  des  Forts  von  Kehl  mit  allen  neuen  Werken  sammt 
der  Umgebung,  im  Massstab  von  600  toises.  18.  Jh.  Bibliothek  Le  Mans:  Catal.  des 
manuscrits  d.  bibl.  publ.  de  France,  XX.  457. 

Ortsgeschichte : Stadt  Kehl  mit  der  Festung  gegründet,  nachdem  Strassburg  Ortsgeschichte 
in  die  Hände  Frankreichs  gefallen  war,  mehrmals  zurückgegeben  und  wieder  erobert, 
kam  1814  endgültig  an  Baden. 

Dorf  Kehl:  urkundlich  seit  Ende  13.  Jhs.  als  Ueberfahrtsort  erwähnt,  kam  1299 
zum  vierten  Theil  mit  Suntheim  und  Iringheim  als  Geroldseckisches  Pfandlehen  an  die 
Böcklin  zu  Strassburg.  Durch  verschiedene  Erbschaften  hatte  der  Ort  am  Ausgang  des 
Mittelalters  folgende  Herren:  Böcklin  J/4,  das  Domstift  1/2 , Baden  ’/8  und  Nassau  1/g,. 

(Das  Dorf  wurde  1796  und  1797  ganz  zerstört  und  dem  Erdboden  gleich  gemacht. 

Vorgeschichtliches : Eine  Steinbeilklinge,  angeblich  ca.  24  cm  lang,  1851  Vorgeschicht- 

lichcs 

im  Rheinkies  gefunden;  Verbleib  unbekannt.  ( W.) 

Die  simultane  Pfarrkirche  (der  katholische  Titel:  ad  Johann.  Nepomuk),  ein  Pfarrkirche 
Neubau  der  letzten  Jahrzehnte  des  19.  Jhs.  enthält  auf  dem  katholischen  Hochaltar  zwei 
beiderseitig  bemalte  Altarflügel,  die  als  Vermächtniss  des  Dekans  Hirscher  aus  dessen 
bekannter  Sammlung  in  den  Besitz  der  Kirche  gelangt  sind.  Die  Bildfläche  beträgt  je 
1,71  m zu  0,90  m.  Der  eine  Flügel  (s.  Fig.  3)  stellt  die  Anbetung  des  Kindes  dar,  im 
Hintergründe  die  Verkündigung  an  die  Hirten.  Auf  dem  Saum  des  Kleides  Mariä  in 
der  Majuskelschrift  des  späten  15.  Jhs.  das  Ave  Regina.  Der  zweite  Flügel  (s.  Fig.  4)  die 
Anbetung  der  Könige,  im  Hintergrund  Ausblick  auf  ein  Meer.  Die  Rückseiten  der 
Bilder  konnte  ich  nicht  besichtigen,  da  die  Gemälde  leider  unbeweglich  an  der  Wand 
befestigt  sind,  doch  liegen  mir  Photographien  von  Hofphotograph  Krämer-Kehl  vor. 

Danach  waren  die  Rückseiten  je  in  eine  obere  und  untere  Abtheilung  getheilt:  bei  dem 
einen  Flügel  zeigt  die  obere  den  h.  Martin  zu  Pferde  mit  dem  Bettler  in  einer  Wald- 
landschaft, darunter  vor  einem  mit  einem  Brokat  behängtem  Schranke  stehend  die  Hei- 
ligen Sebastian  und  Antonius  Eremita;  auf  dem  zweiten  Flügel  erblicken  wir  oben  den 
h.  Christophorus  durch  das  Wasser  watend,  mit  dem  Christuskind  auf  der  Schulter,  unten 
die  Heiligen  Paulus  Ap.  und  ein  jugendlicher  Heiliger  (s.  Fig.  5).  Diese  Rückseiten 
scheinen  den  Photographien  nach  ziemlich  beschädigt  und  restaurationsbedürftig.  Sie 
sind  übrigens  nicht  ganz  von  der  gleichen  Hand  wie  die  der  Vorderseiten,  sondern 
vielleicht  von  einem  Gehilfen.  Die  Vorderseiten  verrathen  einen  tüchtigen  oberrheinischen 


KREIS  OFKF.NBURG. 


I 2 


Fig.  j.  Altarflügel  in  der  Kirche  zu  Kehl  (Stadt),  V orderseite. 


Meister  vom  Anfänge  des  16.  Jhs.,  wenn  auch  nicht  Baidung,  als  dessen  Jugendwerke 
sie  früher  galten.  Genaueres  über  sie  zu  sagen  ist  bei  dem  noch  so  unerforschten 
Gebiet  der  oberrheinischen  Malerei  unmöglich. 


AMT  KEHL. 


KEHL 


*3 


lüg.  4.  Altarflügel  in  ,ier  Kirche  sn  Kehl  (Stadt),  Forderseite. 


In  der  (kath.)  Sakiistei  zwei  I\clcJte , der  eine  silbervergoldet,  hübsche  getriebene 
Arbeit  der  Mitte  des  18.  Jhs.  mit  Augsburger  Beschauzeichen  und  F^T  (s.  Rosenberg, 
Der  Goldschmiede  Merkzeichen,  S.  109).  — Der  zweite  Kelch,  kupfervergoldet  mit 


Kelche 


14 


KREIS  OKFENBURG. 


Stadt 


Schloss 


eingravirten  Ornamenten  zeigt  am  Fuss  die  Umschrift:  » M . M.  J.  E.  Stebel  Cure  et 
C.  A.  Bergmann  Bourgemaitre  a Kehl  out  Fait  Faire  ce  Calice  en  lySg.'i  (sic!) 

Die  Stadt  trägt,  ihrer 
Geschichte  gemäss,  durchaus 
den  Charakter  der  kleinen, 
französischen  Provinzstadt  des 
18.  Jhs.  Die  wenigen  besser  ge- 
bauten Häuser  mit  Mansarden- 
dach sind  ohne  besonderes 
Interesse,  wenn  auch  durch 
ihre  Schlichtheit  sehr  gefällig. 

In  der  protest.  Kirche 
im  Dorf-Kehl,  zwei  Oel- 
gemälde,  Himmelfahrt  Mariä 
und  Anbetung  der  Könige, 
Kopien  nach  französischen 
Werken  des  17.  Jhs.  Im  Pfarr- 
haus ein  einfacher  Kelch,  silber- 
vergoldet , mit  eingravirtem 
Rocailleornament  und  der  In- 
schrift: »Johannes  Schütterlin 
Schultheis  und  Georg  Jacob 
Sachs  Pfarrer  1733.«  Das 
Strassburger  Beschauzeichen 
(Lilie)  und  der  Goldschmied- 
name Ehrlen. 

Ein  Schloss  Borneck  ') 
(Burneck  1455)  im  16.  Jh. 
durch  den  Rhein  fortgerissen, 
die  Mauerreste  bei  niederem 
Wasserstand  im  Rheinbett  noch 
sichtbar. 

KORK 

Schreibweisen : Corke 

1004;  Chor eka  1004;  Chorcho 
1007  ; Kork  1275;  Korg  13  1 1 ; 
Korcke  1352;  Korck  1366;  Korckh  1561.  (Keltisch,  aus  älteren  Curciacum,  verkürzt 
Kurkium.) 

Archivalien:  Archiv  der  Röder:  Mittheil.  d.  histor.  Kommission  Nr.  16  (1894),  S.  78. 

*)  Vergl.  hierüber  Oberrh.  Ztschr.  XVI,  286.  — Bader,  Badenia  I,  344.  — Ru  pp  er  t, 
Mortenau  I,  319- 


AMT  KEHL.  — KORK. 


15 


Litteratur:  J.  Schaible,  Gesch.  des  bad.  Hanauerlandes  nebst  Topographie  des 
Amtsbezirks  Kork,  Karlsruhe  1855;  Bacmeister,  Alemann.  Wanderungen  74; 

Germania,  Vierteljahrsschr.  f.  d.  Alterthumskunde,  13,  114',  Bad.  Militäralmanach  VII, 

S.  73  bis  74  (Gefecht  bei  Kork  und  Willstett);  J.  B.  Trenkle,  Der  Korker  Waldbrief 
von  1476,  Karlsruhe  1880;  Oberrh.  Ztschr.  NF.  3,  344. 

Ortsgeschichte:  Als  Adelbert,  angeblich  ein  Sohn  des  grossen  Acticus,  Herzogs  Ortsgeschichte 
von  Hohenburg,  i.  J.  717  (der  Sage  nach)  das  Kloster  S.  Stephan  in  Strassburg  stiftete, 
hat  er  unten  an  dem  Rheinflusse  alles  bis  an  die  Grenzen  des  dem  Grafen  Hugo  ’) 
zuständigen  Eigenthums,  Choreck  genannt,  an  die  Stiftung  dieses  Klosters  verwendet. 

930  kam  es  durch  Kauf  an  das  Bisthum  Strassburg,  gegen  Ende  des  13.  Jhs.  als 
Lehen  an  die  von  Lichtenberg.  1275  erwarb  das  Kloster  Allerheiligen  Gefälle  aus  dem 
Schultheissenamt,  das  Ritter  Heinrich  von  Wilre  von  den  Fürstenberg  zu  Lehen  hatte. 1  2) 

Das  Patronat  nebst  dem  Zehnt  war  dem  Kloster  Eschau,  später  dem  Domstift  zu  Strass- 
burg. Gehörte  zur  Grafschaft  Hanau-Lichtenberg,  Amt  Willstett  und  wurde  1803  badisch. 

— Auf  noch  höheres  Alter  will  die  Sage  zielen  mit  dem  Chrimhildestein. 3) 

Evang.  Pfarrkirche.  Ecclesia  parrochialis  etc.  1288;  ehemaliger  Titel:  ad  Pfarrkirche 
S.  Dionysium. 4)  — Die  Kirche,  in  ihren  Chormauern  noch  die  Reste  eines  ehemaligen 
gothischen  Baues  bergend,  ist  jetzt  ein  schlichter  Bau  aus  Bruchsteinmauerwerk  mit  Bewurf 
des  18.  Jhs.  (1732)  mit  einschiffigem  Langhaus,  das  eine  einfache  Stuckdecke  hat  und 
einem  Chor  aus  5 Seiten  des  Achtecks,  ohne  deutliche  Reste  früher  Zeit. 

Am  Westportal  Cartouche  mit  der  Inschrift  in  Capitale:  //  17 p2  / JOHANNES  / 
SCHREIBEISEN  / SCHULZ  IN  KORCK.  // 

Ueber  dem  Südportal  das  Hanau  - Lichtenbergische  Wappen,  darunter  in  ovaler 
Cartouche,  von  Blätterwerk  umgeben,  die  Inschrift  (Capitale):  //  AVSPICIO  / DEI  / TER 
OPTIMI  MAXIMI  / HOC  / ANTE  ANNUM  INCERTUM  / TEMPLUM  / 

TANDEM  CONSUMATUM  / POSTEA  SOLENNITER  INAUGURATUM  / 

EST  / SUB  REGIMINE  / ILLUSTRISSIMI  DOMINI  / DOMINI  JOHANNIS 
REINHARDI  / COMITIS  HANOICI  / ANNO  RESTITUTAE  ORBI 
SALVTIS  / M DCC  XXXII.  // 

In  der  Kirche  an  der  Nordwand  das  Epitaph  der  Maria  Elisabeth  Schaffalizky  Epitaph 
von  Muckodell  geb.  von  Palm.  Sandsteinplatte  mit  Rundgiebel  und  Rocailleornament, 
darüber  die  Wappen  der  Begrabenen  und  ihres  Mannes.  Ein  Vorhang  trägt  die  Cursiv- 
inschrift,  über  der  Todtengebeine  abgebildet  sind.  Sie  lautet:  Hier  ruhet  bifs  zu 

seiner  Verklärung  der  irdische  Ueberrest  der  reichsfrey  hochwoldgebohrnen  Frey- 
frau Frauen  Mariä  Elisabetha  gebohrnen  von  Palm.  Der  Hochseligen  hoch- 
bekümmerter Gemahl  Tit.  Herr  Christian  Friedericli  Schaffalizky  von  Muckodell 
Premier-Maior  des  hochfrst.  Wirt.  Croys.  Regts.  beklaget  den  Verlust  eines  ohn- 
schatzbaren  Kleynods  seine  im  29.  Lebens  - fahr  6 M : 8 Tag  ■ A : C:  iyjg  den 
8ten  octob:  Früh  um  j uhr  leyder  allzufrühe  in  den  Englischen  Orden  erhöhete 
Palmin  und  Hesse  der  Hochseligen  von  Kehl  hierher  gebrachten  und  nächst 
dem  Altar  in  seine  Grufft  eingesenckten  erblassten  Leichnam  difs  Denckmal  ewiger 

1)  Des  ethikonischen  Grafen  Hugo  cf.  Schaible,  a.  a.  O.  14. 

2)  Fürst.,  Urk.  I,  S.  249. 

8)  Mone,  Die  b.  K.  etc.  14,  91. 

4)  Schaible,  a.  a.  O.  54. 


Kanzel 


Glocken 


Aussenwand 


Kirchengeräthe 


Epileptische 

Anstalt 


Privathäuser 


X 6 KREIS  OFFENBURG. 

Treue  und  Liebe  stifften.  Leich.  Text:  Rom.  8.  V.  j8 — jp.  Ich  bin  gewiss,  dass 
weder  Tod  noch  Leben  & vor  der  Liebe  Gottes  die  in  Christo  Jesu  ist  unserm 
Herrn  (sic !).  — Am  Sockel  die  Verse : 

» Mein  Sippschaftsbaum  verblüht  mit  zwo  Elisabeten 
Die  mein  Vergnügen  hier  vollkommen  schön  erhöhten. 

Zwey  Kleynod  sencke  ich  in  ihr  Behältniss  ein 

Ihr  nehmt  mein  Hertze  mit  mein  Gott  gedencke  mein .« 

Die  Kanzel  mit  Holzskulptur  vom  Ende  des  18.  Jhs. 

Im  Chor  unter  der  Tünche  Spuren  von  Wandmalereien  (Apostelkreuze)  durch- 
schimmernd. 

Vier  Glocken  des  1 8.  Jhs.  von  Matthias  Edel  mit  dem  Korker  Wappen ; an  ihnen 
ausserdem  noch  die  Namen  der  damaligen  Gerichtszwölfer.  (Näher  war  nicht  beizu- 
kommen.) 

An  der  Aussenwand  der  Kirche  drei  weitere  Grabmäler: 

1)  Der  »Maria  Elisabetha  geb.  Hammerin,  Frau  des  hochfiirstl.  Lichtenberg.  Hof- 
raths und  Amtmanns  Andreas  Lichtenberger  zu  Kork  -f*  8.  Okt.  1766«  und  der  »Frau 
Margaretha  geb.  Wetzelin,  des  weil.  Georg  Wilhelm  Lichtenbergers  Rektors  und  Predigers 
zu  Colmar  Wittib  *J*  13.  Okt.  1767«.  Sandsteinplatte,  überragt  von  Rocaillewerk  mit 
verwischtem  Wappen,  Sarkophag  und  Todtenschädel. 

2)  In  Volutenumrahmung,  bekrönt  von  kleiner  Rocaillecartouche,  die  Inschrift  in 
Capitale:  »D  O M JACENT  SUB  HOC  TUMULO  FRANCISCUS,  DOROTHEA, 
SAMSON  ET  CAROLUS,  COGN ATIONE  FRATERNA  ET  SORORIA  SE 
1NVICEM  ATTINGENTES  CARISSIMI  LIBERI  JUSTI  JACOBI  OTTONIS 
PRINCIPIS  HEREDIS  HASSIAE  A CONSILIIS  REIPUBLIC AE  MDCCLXI  • 
SIC  PATER  QUOQUE  QUIESCIT  MDCCLXII.«  Sandsteinplatte. 

3)  Oblonge  Sandsteinplatte  mit  stark  erhöhtem  Rand  zeigt  zunächst  in  Rocaille- 
cartouche das  Wappen  (Mann  mit  dem  Schlüssel  in  der  einen  und  Mond  in  der  andern 
Hand),  darunter  in  steifer  Druckschrift:  » Hochfürstlich  Hessen  Honau  Lichten- 
bergischer  Rath  und  Landschreiber  Aembter  Liechtenau  und  Willstett  Friedrich 
Wilhelm  Wildermuth  ward  gebohren  Ao.  1678  d.  2.  November  und  starb  Ao. 
1J46  d.  5.  Septem .«  Grabschrift:  ^ Ein  jeder  lefse  das  der  hier  vorübergeht. 
In  Christo  starb  ein  Christ  und  wird  mit  ihm  begraben , dass  er  in  Christo 
auch  hin  wieder  aujf  ersteht .« 

Kirchengeräthe : Zwei  einfache  silberne,  vergoldete  Kelche  mit  eingeprägtem 
Cäsarenkopf,  eine  silbervergoldete  Empireplatte  mit  Palmettenornament  auf  Löwenfüssen 
und  fünf  Zinnkannen  mit  etwas  reicher  verziertem  Henkel. 

Die  Epileptiker -Anstalt  ist  ein  ehemals  Hanau  - Lichtenbergisches  Lustschloss 
aus  dem  vorigen  Jahrhundert  einfachster,  schmucker  Erscheinung.  In  einem  Zimmer 
des  Erdgeschoss  einfacher  Rocaillewandschrank. 

Eine  Sonnenuhr,  Sandstein,  von  1663;  woher  stammend? 

Im  Privatbesitz  des  Anstaltsleiters  ein  hübsches  Rocaillebuffet  und  ein  grosser 
Schrank  in  gleichem  Stil. 

Von  Privathäusern  seien  das  einfache,  aber  gut  wirkende  Pfarrhaus  des  18.  Jhs.. 
der  Riegelbau  des  Wirthshauses  »zum  Ochsen«  hervorgehoben,  sowie  das  Haus  Nr.  20 


AMT  KEHL.  — LEGELSHURST. 


17 


mit  Mansardendach;  an  einem  Haus  ? die  Jahreszahl  1761  und  ein  Allianzwappen,  rechts 
das  Wildermuth’sche,  links  zwei  gekreuzte  Schwerter,  dazwischen  Lilien. 

Am  Haus  von  Georg  Königs  Wittwe  schmiedeeiserner  Wirthshausschild  »zur  Wirthshausschild 
Krone«  im  Stil  Louis  XVI.,  ein  einfacherer  am  Gasthaus  »zum  Ochsen«. 

Im  Ort  schmiedeeiserner  Pumpenschwengel  mit  der  Aufschrift:  »Joh.  Aug.  Hes  PumpeD- 

Schwengel 

Schultheiss«,  gute  Arbeit  des  18.  Jhs. 


LEGELSHURST 

(mit  B o 1 z h u r s t) 

Schreibweisen:  Leicholczhurst  1364;  Leichen ßhürste  1412;  Lechelßhurst  1443; 
Leuchelßhurst  1480;  Leutzelschurst  1585;  Leuttelßhurst  1585;  Leuchelshurst  1561; 

Legelshurst  1579;  Legelßhurst  1655.  (Hurst  des  Leicholt.) 

Das  Besetzungsrecht  der  Pfarrei  übte  bis  1554  das  Kl.  Eschau  aus,1)  das  wie  das 
KL  Allerheiligen  hier  zehntberechtigt  war. 

Ortsge schichte:  Erste  Erwähnung  als  Leicholczhurst  nach  Grossh.  Baden  S.  882  Ortsgeschichte 
schon  1294.  14 11  gestattet  der  Bischof  von  Strassburg  die  Errichtung  einer  Kapelle  in 

honorem  b.  Mariae  Virg.,  die  1443  von  ihrer  Mutterkirche  zu  Kork  getrennt  und  mit 
Willen  des  KL  Eschau,  des  Patronat- und  Zehntherren  (seit  1 5.  Jh.,  vorher  Allerheiligen), 
zur  Pfarrkirche  erhoben  wurde.  Legelshurst  gehörte  zur  Herrschaft  Hanau-Lichtenberg 
(es  war  wohl  1234  als  Lehen  an  die  Lichtenberg  gekommen),  zum  Amt  Willstett  und 
wurde  1803  badisch. 

Evang.  Pfarrkirche.  Kirchenheiliger  vor  der  Reformation  S.  Valentinus,  Er-  Pfarrkirche 
wähnungen  der  Kirche  s.  oben.  Die  Reformation  wurde  1554  eingeführt.  Es  ist  der  übliche 
einschiffige  Bau  mit  viereckigem  Thurm  aus  Bruchsteinmauerwerk  mit  Sandsteinquadern 
an  den  Ecken.  In  diesem  Falle  ist  aber  das  ältere  Datum  des  Thurms  gesichert.  Er  Thurm 
dürfte  aus  den  Jahren  um  1447  (s.  oben)  stammen.  Gegen  das  spätere  Langhaus  öffnet  er 
sich  im  Rundbogen  und  hat  im  Erdgeschoss  ein  Kreuzrippengewölbe  mit  kleinem  Schluss- 
stein, trocken  profilirten  Rippen,  die  auf  schmalen  Konsolen  aufsetzen,  nach  Süden,  Osten 
und  Norden  einfache  Spitzbogenfenster,  an  der  Nordseite  eine  Sakramentsnische  mit 
Kleeblattbogen  und  Kielbogen,  daneben  führt  eine  (spätere)  Thür  in  die  Sakristei.  Im 
ersten  Obergeschoss  Lichtluken,  nach  Süden  gekuppelte  Rundbogenfenster  des  18.  Jhs. 

In  den  dreieckigen  Giebeln,  mit  denen  jede  Seite  abschliesst,  jeweils  ein  Fenster  im 
Kielbogen  geschlossen,  mit  zwei  Kleeblattbögen,  deren  Pfosten  offenbar  herausgebrochen. 

Auf  der  Bühne  des  jetzigen  Langhauses  am  Thurm  noch  der  Dachansatz  des  alten, 
niederen  Langhauses  zu  sehen. 

Das  ziemlich  einfache  Langhaus  mit  den  üblichen  rundbogigen  Fenstern  zeigt  Langhaus 
über  der  Thür  der  Südseite  das  landgräfliche  Wappen,  darunter  geschwungener  und 
gebrochener  Giebel,  unter  dem  die  Inschrift  in  Capitale : DEO  EIUSQUE  CULTUI 
PUBLICO  LUDOVICUS  H ASSI  AE  PRINCEPS  HEREDIT  ARIUS  ATQUE 
LANTGRAVIUS  AEDIFICIUM  HOC  EXSTRUI  ET  SACRUM  ESSE  VOLUIT 
ANNO  MDCCXLIII  PROCUL  HINC  ABESTE  PROFANI. 

x)  Vierordt  II,  S.  VII. 


Band  VII. 


2 


Glocken 

Kirchengeräthe 


Ortsgeschichte 


Pfarrkirche 

Chorthurm 


I 8 KREIS  OFFENBURG. 

An  dem  Sturz  der  Westthüre  die  Jahreszahl  1743. 

Drei  Glocken  des  18.  Jhs.  aus  der  Edel’schen  Giesserei. 

Kirchengeräthe:  Einfache  Zinnabendmahlkanne  und  ebensolches  Taufgeschirr 
von  1771,  einfacher,  runder,  silbervergoldeter  Kelch  mit  undeutlichem  Goldschmiede- 
zeichen, im  Fuss  eingravirt:  J • G • K • J746. 

Im  Pfarrhausgarten  ehemaliger  gothischer  Taufstein,  mit  achtkantiger  Schale  ohne 
besondere  Dekoration  mit  der  Jahreszahl  flBCCCC  a XLVII. 

In  dem  dazugehörigen  Bolzhurst  sollen  unter  der  Erde  noch  die  Grundmauern 
eines  alten  Schlosses  vorhanden  sein. 


LEUTESHEIM 


Schreibweisen:  Lutensheim  1233;  Lütesheim  14.  Jh. ; Lüteßhein  14.  Jh. ; Lutisheim 
1370;  Lüteßhein  1412;  daz  alte  Lütißheim  1434  (Heim  des  Lütin). 

Ortsgeschichte : Leutesheim  gehörte  zur  Herrschaft  Hanau -Lichtenberg  und  zwar 
zum  Amt  Lichtenau.  Den  Zehnten  hatte  das  Kloster  Honau,  mit  dem  der  Ort  1229 
in  Streit  kam,  später  das  Kollegiatstift  S.  Leonhard  zu  Oberehnheim  im  Eisass.  Seit  1803 
badisch. 

Evang.  Pfarrkirche . Erwähnt  1 434.  Kirchenheilige  vor  der  Reformation  S.  Marga- 
retha. Leutesheim  war  bis  1716  (17)  Filiale  von  Auenheim  5).  1740  wurde  die  Kapelle 

zur  Kirche  erweitert.  Einschiffiges  Langhaus  mit  älterem  Chorthurm  aus  Bruchstein- 
mauerwerk mit  Sandsteinquadern  an  den  Ecken  usw.  Das  jetzt  mit  spitzem  Tonnen- 
gewölbe überdeckte  Erdgeschoss  öffnet  sich  in  Rundbogen  (18.  Jh.)  gegen  das  Langhaus, 
hat  hier  nach  Süden  ein  schmales  kielbogiges  Fenster  mit  eingeschlossenem  gedrücktem 
Kleeblattbogen,  nach  Norden  ebenfalls  Kielbogenfenster  mit  einer  Fischblase,  daneben 
im  Innern  eine  kleine  kielbogige  Sakramentsnische;  im  obersten  Geschoss  nach  Süden 
und  Norden  je  ein  gekuppeltes,  und  nach  Osten  ein  breiteres  Rundbogenfenster  (des 
18.  Jhs.),  Satteldach.  Die  Sakristei  ist  neueren  Ursprungs,  der  Thurm  wohl  16.  Jh. 

Das  Langhaus  hat  im  Sturz  des  Fa^adenportals  die  Jahreszahl  1740;  über  dem 
Stidportal  unter  einem  Giebel  das  landgräflich-hessische  Wappen  und  auf  einer  plastisch 
behandelten  Draperie  in  Capitale  die  Inschrift* 2):  DEM  DREYEINIGEN  GOTT  ZU 
EHREN  UND  ZU  SEINEN  GEFFENTLICHEN  REINEN  DIENST  NACH 
INHALT  DES  GÖTTLICHEN  WOTS  (sic!)  H • SCHRIFT  UND  DER  UN- 
VERENDERTEN  AUGSPURG  • CONFESSION  UNTER  GESEGNETER 
REGIERUNG  DES  DURCHLEUCHTIGSTEN  FIRSTEN  UND  HERRN 
HERRN  LUDWIG  LANDGRAFF  ZU  HESSEN  FÜRSTEN  ZU  HERSFELD 
WARD  DIESE  KIRCHE  ERWEITERT  UND  EINGEWEIHT  DEN  VIII 
NOFEMBER  I74o. 

An  der  Südwand  der  Kirche  zwei  schlichte  Grabsteine : 

1)  der  Juliana  Katharina  geb.  Wildin,  Frau  des  Pfarrers  Carl  Sigm.  Schwind, 
f 22.  Nov.  1753  ; 


Ü Schaible,  a.  a.  O.  55. 

2)  S.  Stöcker,  a.  a.  O.  S.  309. 


AMT  KEHL.  — LICHTENAU. 


19 


2)  der  Frau  Katharina  Salome  r,  Frau  des  Pfarrers  Joh.  Gottfr.  Schuhmeister, 

•}*...  April  1769. 

Kirchengeräthe : Zinntaufschüssel  mit  Aufschrift:  Leutisheim  1741;  Brodschüssel,  Kirchengeräthe 
zwei  Zinnabendmahlkannen,  die  eine  mit  der  Aufschrift: 

Samuel  — Fasco 

Der  erste  Pfarrer  — In  Leutesheim 
Verehrte  dise  Zwei  — Kandten  der  Kirchen 
Alle  Anno  1719. 

Eine  weitere  Kanne  wohl  noch  des  i7-Jhs.  in  guter  Renaissanceform,  amFuss  steht: 

P ■ H • H • S • J • B ■ G ■ Leutesheim  ■ 

Silbervergoldeter  Kelch  mit  noch  gothischem  flauem  Nodus,  innen  am  Fuss  steht 
in  Cursiv:  » Kirch  Lützen  oder  Leutesheim  wigt  26  loth  ■ 3 U ■ 17 o\. 


LICHTENAU 


Schreibweisen:  Liehtenöwe  1316;  Lichtenowe  bürg  und  stat  1362;  Lychtenöwe 
1370;  Liechtenouwe  1412;  Liechnowe  1417;  Liechtenaw  1563  (ahd.  lioht,  lieht-leuchtend). 

Litteratur:  Mer i an,  Topogr.  Alsat.  1635  S.  23.  — Briefe  über  eine  Reise  ins 
Wtirttembergische.  Frauenzimmermagazin  IV.  (Kehl  und  Basel  1783.).  — Näher,  Die 
Ortenau,  Lahr  1888,  S.  33. 

Münzfund:  Makedonischer  Philippeus.  Münzfund 

Ortsgeschichte:  Konrad  III.  von  Lichtenberg,  Bischof  von  Strassburg  zerstörte  Ortsgeschichte 
1293  das  Städtlein  Sermersheim,  wie  auch  Burg  Krax  und  verwendete  die  Steine  davon 
zur  Befestigung  von  Lichtenau1),  dem  König  Albrecht  I.  1300  Stadtrecht  verlieh. 

Lichtenau  gehörte  zur  Herrschaft  Hanau-Lichtenberg,  deren  eines  Amt  nach  ihm  benannt 
war2).  Denkwürdig  ist  der  Vertrag,  den  Joh.  Gutenberg  mit  Hans  Riffe,  Vogt  zu 
Lichtenau,  abschloss3).  Im  30jährigen  Kriege  wiederholt  geplündert.  1637  von  Bern- 
hard von  Weimar  erobert.  1639  klagt  der  Pfarrer,  in  Lichtenau  sei  schon  lange  kein 
Einwohner  mehr  gewesen4 5),  1675  von  Montecuculi  besetzt,  1689  von  Franzosen  nieder- 
gebrannt, die  auch  1707  die  Festungsmauern,  aber  nicht,  wie  Näher  annimmt,  das 
Schloss  zerstörten,  welches  erst  im  Anfänge  des  19.  Jhs.  abgebrochen  wurde,  als  Lichtenau 
1803  badisch  geworden  war. 

Evatig.  Pfa7'rkirc1ie.  1378  eine  Kapelle  erwähnt,  1464  ein  capellanus  sancti  Pfarrkirche 
Andree  und  ein  c.  altaris  sancte  Katharine.  Im  Schloss  eine  Andreaskapelle.  Die 
evangelische  Lehre  wurde  vorübergehend  schon  1524/25  in  Lichtenau  durch  den  ver- 
heiratheten  Priester  Martin  Enderlin  verbreitet;  doch  wurde  dieser  verhaftet  und  erst 
auf  gemeinsame  Bitten  der  Stadt  Strassburg  und  des  Grafen  von  Hanau  nach  Nürnberg 
entlassen“).  Von  1565  aber  war  ein  evang.  Pfarrer  in  Lichtenau6).  Dem  Langhaus  des 

*)  Schaible,  a.  a.  O.  17.  — Königshoven  V.  S.  315. 

а)  Siehe  die  Einleitung. 

8)  Schaible,  a.  a.  O.  32.  v.  der  Linde,  Gutenberg  (1S78)  S.  20  ff.  Hartwig,  Fest- 
schrift zum  5oojähr.  Tag  der  Geburt  Gutenbergs  (Leipzig  1900),  S.  2iSff. 

4)  Schaible,  a.  a.  O.  65. 

5)  Vierordt,  I,  161. 

б)  Ebenda,  I,  494. 


20 


KREIS  OFFENBURG. 


Kirchengeräthe 


Befestigungen 


Oltsgeschichte 

Pfarrkirche 


19.  Jhs.  ist  der  in  diesen  Gegenden  stets  wiederkehrende  viereckige  Thurm  vorgelegt, 
der  sich  in  einem  grossen  Rundbogen  dorthin  öffnet.  Das  Kreuzgratgewölbe  des  Thurm- 
erdgeschosses  bildete  ehemals  wohl  den  Chor  der  (orientirten)  Kirche.  N^ch  Norden 
hat  dies  Geschoss  ein  viereckiges,  innen  flachbogiges  Fenster,  nach  Osten  ein  grosses 
Rundbogenfenster,  nach  Süden  eine  Lichtluke,  in  dem  obersten  Geschoss  nach  allen 
Seiten  je  zwei  Rundbogenfenster  (nach  Osten  nur  eines).  Wir  dürften  einen  in  seinen 
Mauern  mittelalterlichen,  im  18.  Jh.  überarbeiteten  Thurm  vor  uns  haben.  Auf  ihm  eine 
Wetterfahne  mit  dem  Schwan  aus  dem  Stadtwappen. 

Kirchengeräthe : zwei  Kelche.  An  dem  einen  mit  dem  Strassburger  Beschau- 
zeichen steht:  G.  E.  L.  Nessler  Past.  ibid.  1755;  an  dem  andern:  »der  Kirchen  zu 
Lichtenau  Anno  1755  G.  E.  L.  Nessler  Past.  ibid.«  An  der  Westfagade  der  Kirche  ein- 
gemauert das  aus  der  alten  Kirche  stammende  Hanau-Lichtenbergische  Wappen. 

Reste  der  alten  Befestigungen : im  Pfarrhausgarten  die  Mauerreste  eines  vier- 
eckigen Thurmes  aus  Bruchsteinmauerwerk  mit  Backstein  untermischt,  die  Mauern 
ca.  1 '/2 — 2 m dick,  mit  jetzt  formlosem  Eingang.  Es  sind  die  Reste  des  1826  abgetragenen 
Streckthurmes  mit  daran  anstossenden  Mauerzügen.  Etwa  10  m davor  noch  weitere 
Mauerzüge  erkennbar.  Reste  der  Stadtmauer  im  Garten  des  Gasthauses  zum  Ochsen. 
Ihr  Zug  ist  in  der  Anlage  der  Strassen  deutlich  erkennbar.  Ausserdem  erinnern  Namen 
wie  Schanze,  Schlosshof,  Zwinger,  Münzhof,  Münzwald  an  die  alten  Zeiten. 


LINX 


Schreibweisen:  Lincgisen  1x39;  Lingiez  1289;  Lingies  14.  Jh.;  Linkies  1390; 
Lynckgieß  1412;  Linggieß  1477;  Linx  1595.  (Verdorben  aus  Lingisheim  = Heim 
des  Lingo.) 

Archivalien : Auf  dem  Rathhaus  ein  Waldbrief.  ') 

Litteratur:  Schaible,  a.  a.  O.  54. 

Ortsgeschichte : Gehörte  zur  Herrschaft  Hanau-Lichtenberg,  wurde  1803  badisch. 

Evang.  Pfarrkirche.  Patron  vor  der  Reformation  S.  Vincenz. 

Die  jetzige  Kirche  (s.  Fig.  6)  ist  ein  vielfach  überarbeiteter  Bau  aus  verschiedenen 
Zeiten  in  Bruchsteinmauerwerk  mit  Mörtelbewurf,  Gesimse  etc.  aus  rothem  Sandstein. 
Ein  einschiffiges  Langhaus  mit  quadratischem  Chor,  der  das  Untergeschoss  des  Thurmes 
ist,  zu  beiden  Seiten  desselben  je  eine  Sakristei.  Das  gerade  gedeckte  Langhaus  hat  an 
jeder  Seite  drei  einfache  Spitzbogenfenster,  ausserdem  je  ein  Rundfenster  und  je  eine 
spitzbogige  Thür  in  deren  Sturz  die  Zahl  1619  eingehauen  ist. 

Ueber  dem  Portal  der  westlichen  Frontseite  das  Hanau-Lichtenbergische  Wappen 
(Fig.  7),  eine  fast  genaue  Wiederholung  des  Bodersweier’schen,  in  gelbem  Sandstein,  auch 
die  Inschrift  in  Capitale  der  Bodersweier’schen  gleich  mit  geringen  Abweichungen  und 
ohne  Jahreszahl : »JOHANN  REINHARDT  GRAVE  ZU  HANAU  UND  ZWEI- 
BRÜCKEN HERR  ZU  LIECHTENBERG  UND  OCHSENSTEIN,  ERBMAR- 
SCHALCK  UND  OBERVOGT  ZU  STRASSBURG-«  Das  Langhaus  hat  einen 

*)  T r e n k 1 e , a.  a.  O. 


AMT  KEHL.  — LINX. 


2 I 


flachen  Sockel  und  eine  einfache  VVasserschräge  als  Gesims.  An  seiner  Ostwand  zu 
beiden  Seiten  des  Thurmes  zwei  Rundfenster  mit  flamboyanter  Masswerkfüllung. 

Ein  Rundbogen  führt  in  den  ehemaligen,  jetzt  durch  eine  Bretterwand  abgeschlossenen 
Chor,  der  jetzt  gerade  gedeckt  ist.  An  der  Nordwand  dieses  Raumes  führt  eine  mit  Rund- 
stab und  Hohlkehle  profilirte  und  im  Vorhangbogen  abgeschlossene  Thür  in  die  Sakristei. 
Neben  dieser  Thür  eine  kleine,  durch  einen  Wimperg  bekrönte  Sakramentsnische 
mit  ziemlich  zerstörtem  Gewände,  ebenso  zerstörtem  Wappen  und  Jahreszahl  . . 51.  An 
der  Südseite  dieses  Thurm- 
untergeschosses ein  rund- 
bogiges,  einpfostiges  Fenster 
mit  spätem,  rohem  Mass- 
werk,  im  Osten  ein  flach- 
bogiges  Fenster.  Im  Stock- 
werk darüber  eine  Scharte 
und  ein  kleines  flachbogiges 
Fenster. 

Im  folgenden  Geschoss 
noch  an  drei  Seiten  sichtbar 
ein  gekuppeltes,  romanisches 
Rundbogenfenster  mit  einem 
teilenden  Säulchen , das 
eine  attische  Basis  und 
ein  mächtig  ausladendes 
Kämpferstück  hat.  Das  ent- 
sprechende F'enster  an  der 
Westseite  ist  noch  erkenn- 
bar, aber  zugemauert  und 
durch  das  später  höher  ge- 
führte Dach  verdeckt.  Im 
Geschoss  darüber  rund- 
bogige  Fenster  des  18.  Jhs. 

Die  nördliche  Sakristei  Fig.  6.  Kirche  in  Linx. 

mit  Kreuzgratgewölbe  weist 

eine  gothische  Nische  für  Waschungen  auf  und  wird  an  ihrer  Nordostecke  durch  einen 
Strebepfeiler  gestützt.  Die  südliche  Sakristei  ist  viel  späteren  Datums. 

Die  Baugeschichte  lässt  sich  aus  den  Resten  etwa  so  konstruiren : der  Thurm  ist 
der  letzte  Rest  eines  romanischen  Baues  des  12.  bezw.  13.  Jhs.;  im  15.  und  17.  Jh. 
erfolgte  ein  Umbau  und  eine  Erhöhung  des  Langhauses ; letzterer  wohl  die  Spitzbogen- 
fenster angehörig  und  die  Thiiren  mit  der  Jahreszahl  1619,  von  welcher  Bauzeit  auch  die 
Inschrifttafel  zeugt. 

Im  Langhaus  ein  Epitaph:  »Epitaphium  M.  Leonhardis:  Ermingen  pastoris 
ecclesiae  lincensis  pie  defuncti  : XLVI  annorum  : XIII  Maij  anno  MDC  conditur 
hic  tumulo  Leonharts  Erminger  honest  • vir  tonus  ac  justus  tum  pietate  gravis  • 
officio  Christi  viginti  praefuit  annos  quod  mediante  deo  presto  cathedra  dedit-«  Dazu 


Sakristei 


Baugeschichte 


Epitaph 


22 


KREIS  OFFENBURG. 


Friedhof 


in  deutsch  die  an  die  mittelalterliche  Darstellung  li  trois  morts  et  li  trois  vifs 
erinnernden  deutschen  Worte:  »das  du  jetzund  bist  bin  ich  gewesen  und  was  ich 
jetz  bin  wirstu  werden«.  Unten  ein  Schild  mit  verschiedenen  Zeichen. 

Glocken  Von  den  Glocken 

ist  die  grösste  umgegossen 
worden  vor  ein  paar  Jahren, 
eine  zweite  von  Mattheus 
Edel  1770,  die  dritte  auch 
Edel’sche  von  1820. 

Der  Friedhof  war 
ummauert,  was  jetzt  nur 

' - Seiten  führen,  flachbogig 

' . ' ■ , \N|  u «»Ir  8»  geschlossen,  je  eine  Thür 

7^  ^pß  ^y|  für  Wagen  und  Fussgänger 

''V  f \n  der  Smlu.md  dei 

* f £>0  Kirche  drei  Grabsteine 

eingemauert : 

^|r^K  FL  1,  /-  - — " I 

sT,/  V MmitMKrrrir''‘  i)des  Ehnoiirdigen 

' py  3BHPX^  .jfCijr  seeligen  Herrn  Johann 

^ Philipp  Jungen  von 

r.£jl|  f iinnbsheim  her  Creiitz- 
^1  ,uu'/i  Pfarrer. « y 10  De- 

zember 17 11 ; j6  Jahre 
alt ; y>desz  Ampts  10 
Jahr.«-  Von  Voluten  und 
Rankenwerk  umrahmte 
Platte;  in  einem  Oval  ein 
Tisch,  darauf  ein  Herz,  aus 
dem  drei  Blumen  spriessen ; 
dazu  die  oben  angedeutete 
Inschrift  und  auf  einem 

A*.  7.  Wappen  über  dem  Portal  der  Kirche  in  Linx.  plastisch  behandelten  Tuch 

die  Verse : 

» Durchs  Wasser  und  den  Geist 
Bin  ich  ausz  Gott  gebohren 
Obgleich  durchs  Wasser  auch 
Mein  Leben  hab  verlohren 
Ist  doch  mein  Geist  bey  Got 
Der  Leib  thut  hier  sanft  schlafen 
Bisz  dasz  mein  Jesus  ruft: 

Komm  Hirte  mit  den  Schafen .« 


AMT  KEHL. 


MEMPRECHTSHOFEN.  ODELSHOFEN.  RHEINBISCHOFSHEIM. 


23 


2)  Eine  oblonge  Platte  mit  breitem  Rahmen  unten  in  Nische  Todtenkopf  und 
Gebeine  (vor  kurzem  weggemeisselt) : » Hier  ruhen  die  Gebeine  des  weiland  wohl- 
ehrwürdigen  Herrn  Johann  Stephan  Müllers  drey  jahr  und  ein  viertel  allhier 
gewesenen  treuen  Predigers  des  Evangelii  christi  welcher  gestorben  MDCCXXX. 

3)  Schmuckloser  Grabstein  der  Carolina  Wilhelmina  Nesslerin  -j-  1788  mit  Vers: 

0 Kind  du  starbst  zu  unsern  Schmerzen , 

Du  starbst  für  uns  zu  früh 
Jedoch  in  deiner  Eltern  Hertzen 
Da  stirbst  du  nie. 

17S8. 


MEMPRECHTSHOFEN 

Schreibweisen:  Meinbrehteshöwen  1390;  Meinbrechtshoffen  1412;  Meynbrechtz- 
hoffen  1462;  Membrechhofen  1521;  Meimberthhoffen  1521.  (Hofen  des  Meinbrecht.) 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  137. 

Litteratur:  K.  Bissinger,  Münzfund  von  Memprechtshofen.  Gymn.  Progr. 
Donaueschingen  1894,  S.  5. 

Ortsgeschichte : Memprechtshofen  gehörte  bis  1803  zur  Grafschaft  Hanau-Lichten-  Ortsgeschichte 
berg,  Amt  Lichtenau.  — Kirchlich  war  es  bis  1790  Filiale  von  Freistett. 

Die  protest.  Kirche  dementsprechend  ein  Riegelbau  von  1794,  theilweise  renovirt  Kirche 
1816;  von  grösster  Einfachheit.  Empire-Orgel.  Empire-Orgel 

Am  Ausgang  des  Ortes  das  alte  Entenfängerhaus,  wo  der  von  der  Herrschaft  Entenfängerhaus 
Hanau-Lichtenberg  bestellte  Entenfänger  wohnte.  Zweistöckiger  Bau  des  18.  Jhs.  mit 
Mansardendach. 

ODELSHOFEN 


Schreibweisen:  Otoltzhoven  1333;  Oteltzhofen  1341:  Ottolßhoffen  1412;  Ottelß- 
hoffen  1480.  (Hofen  des  Otolt  oder  Otolf.) 

Ortsgeschichte : 1354  wurde  von  Markgraf  Rudolf  dem  Wecker  der  Edelknecht  Ortsgeschichte 
Johann  der  Göler  mit  Odelshofen  belehnt,  1429  von  Bernhard  I.  der  Edelknecht  Reinh. 
von  Neipperg-,  1429  von  den  Strassburgern  abgebrannt.  Der  Ort  gehörte  bis  1803  zur 
Grafschaft  Hanau-Lichtenberg,  Amt  Willstett. 

Am  Haus  Nr.  51  hübscher  Ziehbrunnen  VOn  1783*  Ziehbrunnen 


RHEINBISCHOFSHEIM 


Schreibweisen:  Bischovescheim  1274;  Bischovisheim  1304;  Bischofesheim  prope 
Rhenum  1330  u.  s.  w.  Bischffosheim  zum  Hohensteg  1574.  (Heim  eines  Bischofs.) 

Archivalien:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  138  und  Rosenberg, 
Badische  Sammlung  V (1899),  S.  30. 

Litteratur:  Kurze  Beschreibung  eines  Theils  des  Oberamts  Bischofsheim,  Magazin 
für  Baden  1803,  I,  349 — 384. 


24 


KREIS  OFKENBURG. 


Ortsgeschichte 


Vorgeschicht- 

liches 


Pfarrkirche 


Glocken 


Ortsgeschichte : Erste  urkundliche  Erwähnung  um  noo  als  Biscofesheim  (?),') 
heisst  später  gewöhnlich  Bischofsheim  an  hohen  Steg ; war  1218  schon  eigene  Pfarrei ; 
1429  von  den  Strassburgern  in  Asche  gelegt.  Gehörte  zur  Herrschaft  Lichtenberg 
und  zum  Amt  Lichtenau.  Im  17.  und  zu  Anfang  des  18.  Jhs.  residirten  verschiedene 
Grafen  von  Hanau  daselbst,  die  auch  eine  Münze  und  Kanzley  hier  hatten.  Johann 
Reinhard,  der  letzte  Graf  von  Hanau,  ward  hier  geboren.* 2 3)  Ein  Theil  des  Hauses,  wo 
er  zur  Welt  kam,  stand  zu  Kolbs  Zeiten  noch  als  Wohnung  eines  Hufschmiedes.  Ueber 
das  von  diesem  Grafen  Anfang  des  18.  Jhs.  zu  bauen  angefangene,  aber  nicht  vollendete 
Schloss  s.  u.  — Ging  1803  aus  dem  Besitz  der  Landgrafen  von  Hessen-Darmstadt,  denen 
die  Herrschaft  seit  1736  gehörte,  an  Baden  über.  Das  Patronatsrecht  und  den  Zehnten 
besass  das  Domkapitel  in  Strassburg. 

Vorgeschichtliches.  An  der  Strasse  nach  Wagshurst  fand  man  1854 
im  abgestochenen  Mattengrund  ein  Bronzebeil  älterer  Form  mit  Absatz, 
18  cm  lang  (Bronzezeit).  In  der  Grossh.  Sammlung  Karlsruhe  (s.  Fig.  8).  (IV.) 

Protest.  Pfarrkirche.  Die  ehemaligen  Patrone  sancti  ecclesie 
parochialis  in  Bischovissheim  Argentinensis  diocesis,  videlicet  sanctus 
Johannes  baptista  et  beatus  Adelffus  episcopus  1484.  1574  nur  noch 

sanct  Johans  baptista?  1564  verstarb  der  letzte  (verehelichte)  katholische 
Pfarrer.8) 

Die  jetzige  Kirche  ist  ein  Neubau  von  1873  bis  1876.  Eine  Photo- 
graphie im  Pfarrhaus  von  Diersheim  zeigt  die  alte  Kirche,  welche  den 
üblichen,  wohl  noch  romanischen,  viereckigen  Thurm  mit  Lichtlucken  hatte 
und  ein  teilweiser  Neubau  des  17.  Jhs.  nach  dem  Brande  von  1642  war. 
Der  Wiederaufbau  des  Chors  und  Thurmes  fiel  dem  Strassburger  Domkapitel, 
der  des  Langhauses  der  Kirchenfabrik  zur  Last.4) 

Aus  der  alten  Kirche  sind  noch  zwei  Glocken  vorhanden.  Die  eine 
von  1633  zeigt  oben  die  zweireihige  Inschrift  in  Capitale:  //IHS  SANCTA 
MARIA  ORA  PRO  NOBIS  JEAN  RODER  ESCUIER  SEIGNEUR  DE 
JUBAIN VILLE  LIEUTENANT  GENERAL  AU  BAILLIAGE  DE  16}}  / 
LEVESCHE  DE  TOUL  PARAIN  (sic!)  & DAME  MARIE  OLIVIER  FEMME 
A MONSIEUR  DEBOULET  LIEUTENANT  AU  GOUVERNEMENT  DE 
TOUL  M ARAINE.  //  Darunter  aufgelöthetes  Relief  Maria  mit  dem  Kind,  sehr  plump, 
sowie  der  Gekreuzigte  von  Engeln  gehalten.  Am  untern  Rand  der  Glocke  steht: 
ll  TOBIE  DE  LA  PAIX  MA  FAICT  EN  LAN  16}}  //  in  aufgesetzten  Buch- 
staben und  eine  Kreuzigung. 

Eine  zweite  Glocke  von  1669  hat  oben  die  Inschrift  in  Capitale:  //  DIE  HOCH- 
GRAFFLICHE  H AN  AUISCHE  VORMUNDTSCHAFFT  HATT  DIESE 
KLOCK  IN  DIE  KIRCHE  / BISCHOFFSHEIM  GIESSEN  LASSEN  IM 
JAHR  1669  / AUS  DEM  FEUER  FLOSS  ICH  PETER  SPECK  IN  STRAS- 
BURG GOSS  MICH.  II  In  der  Mitte  der  Glocke  eine  Kreuzigung  und  das  Hanauer 
Wappen. 

*)  Das  Grossh.  Baden,  p.  927. 

2)  Kolb,  I,  p.  1 1 7. 

3)  Schaible,  a.  a.  O.  55. 

4)  Vierordt,  II,  236  und  272. 


Fig.  8. 
Bronzebeil 
aus  Rhein- 
bischof sheim. 


AMT  KEHL. 


SAND. 


2 5 


An  der  Strasse  nach  Freistett  grösseres  Haus  mit  zwei  vorspringenden  Flügeln, 
ein  schmuckloser  Bau  des  18.  Jhs.  (Das  oben  erwähnte  Schloss  gänzlich  abgerissen  in 
den  40  er  Jahren  des  19.  Jhs.) 

Schmiedeeiserner  Wirthshausschild  »zum  Adler«,  18.  Jh. 

(Die  katholische  Kapelle,  ein  einfacher  Bau  der  letzten  Jahrzehnte  enthält  nichts.) 

In  den  Grossh.  Sammlungen  f.  A.  u.  V.  zu  Karlsruhe  wird  unter  C 1628  der 
Deckel  eines  Rauchfasses  von  Bronze  aus  Rheinbischofsheim  aufbewahrt. 

1675  waren  Abendmahlskelch  und  Patene  auf  einer  Rheininsel,  wohin  der  Pfarrer 
sie  geflüchtet,  von  den  Franzosen  erbeutet  worden;  Ende  des  Jahrhunderts  hatte  man 
sogar  versucht,  die  Kirchenfenster  nach  Strassburg  zu  retten,  sie  aber  bloss  bis  Diersheim 
gebracht. ') 


SAND 


Schreibweisen:  Sande  1254;  Sand  1309;  Sant  i353  ;Sanden  1412;  Sannde  1480; 
Alt-  und  Neusand:  de  Sande  antiquo  1311;  vom  alten  Sande  1497;  in  Altensannd 
1526;  zu  nidern  Sant  1372;  in  banno  et  villa  Sande  in  superiori  1294. 

Orlsgescliichte : Kloster  Allerheiligen  erhält  1254  hier  Güter.  Der  Ort  gehörte 
zur  Grafschaft  Hanau-Lichtenberg  und  wurde  1803  badisch. 

Evang.  Pfarrkirche.  Sand  war  zu  Ende  des  1 3.  Jhs.  bereits  Pfarrei.  Erwähnt 
eine  capella  sancti  Bartholomei  1311,  S.  Petri  1383.  Capelle  S.  Peter  und  Paul  (1454).1  2) 
Das  Patronatsrecht  besass  das  Kloster  Allerheiligen,  dem  es  1280  Friedrich  I.  von 
Lichtenberg  Bischof  von  Strassburg  übertragen  hatte.  Da  aber  Sand  evangelisch  wurde 
(1560)  und  blieb,  so  trat  Allerheiligen  dieses  Recht  zu  Anfang  des  18.  Jhs.  an  den 
Landesherrn  ab. 

Die  Kirche  ist  ein  Bau  aus  einfachem  Bruchsteinmauerwerk  mit  Quadern  an  den 
Ecken,  im  Langhaus  mit  später  eingesetzten  Rundbogenfenstern.  Offenbar  ein  Bau  des 
Jahrhunderts,  der  im  j8.  Jh.  umgeändert  und  erhöht  wurde.  Die  Westfront  zeigt  in  dem 
verputzten  Bruchsteinmauerwerk  eine  spitzbogige  Thür  aus  rothem  Sandstein,  das  Gewände 
mit  Hohlkehle  und  sich  schneidenden  Rundstäben  auf  den  üblichen,  hohen,  kleinen 


Basen  der  Späthgothik. 


Im  Sturz  das  Steinmetzzeichen: 


4 


Den  Sockel  der  Kirche 


bildet  überall  eine  Plohlkehle;  unterm  Dach  zieht  sich  eine  Wasserschräge  her,  an  der 


die  Zeichen 


Aund  t. 


zu  bemerken. 


An  der  Fagade  über  der  Thür  zieht  sich 


diese  Wasserschräge  in  die  Höhe  zur  Umrahmung  einer  rechtwinkligen  Tafel  mit  der 
Inschrift  (s.  Fig.  9)  3) : 

Gedenken  soll  ain  jeder  crist 
dass  urtal  gotefs  zu  der  fr  ist 
anno  ■ dni  • ijoö  • jar  ■ 


1)  Vierordt,  II,  275  und  321. 

2)  Grandidier,  Etat  Eccles.  S.  34. 

a)  Vergl.  Mone,  Pie  bild.  Künste  im  Grossh.  Baden  XIV.  S.  59,  der  die  Inschrift  nicht  ganz 
richtig  wieder  giebt. 


Wirthshausschild 


Ortsgeschichte 


Pfarrkirche 


2 6 


KREIS  OFFENBURG. 


Chor 


Sakristei 


Ansichten 

Ortsgeschichte 


(mit  dem  Steinmetzzeichen  dazwischen).  Dieses  Zeichen  und  das  M des  Tausenders 
sind  etwas  verdächtig;  möglich,  dass  der  Stein  beschädigt  und  diese  Stelle  nachgearbeitet 
wurde. 

Das  Langhaus  ist  einschiffig.  Der  viereckige  Chor,  das  unterste  Geschoss  des 
Thurmes  mit  Sternrippengewölbe  — die  Rippen  von  trockenster  Profilirung  — zeigt 

östlich  und  südlich  einfache 
Spitzbogenfenster.  Nördlich 
führt  eine  Thür,  deren  Ge- 
wände durch  Hohlkehle  und 
einen  Rundstab  auf  kleinen, 
gewundenen  Basen  gegliedert 
ist,  in  die  Sakristei.  Diese 
hat  zwei  Kreuzgratgewölbe 
und  öffnet  sich  in  vier- 
eckigem Fenster  nach  Osten. 
Im  Aeusseren  hat  sie  an  der 
Nordseite  drei  kurze,  zwei- 
mal abgetreppte  Strebepfeiler.  In  das  zweite  Geschoss  des  Thurmes  führt  vom  Dach- 
boden des  Langhauses  aus  eine  spitzbogige  Thür  mit  total  zerstörtem  Gewände.  An 

der  Wandung  später  eingehauen : In  der  Scheitelhöhe  des  Spitzbogens  an  der 

Thurmwand  die  Reste  einer  Wasserschräge,  offenbar  war  hier  der  Thurm  ehemals  frei 
und  das  Langhaus  nicht  höher.  In  dem  zweiten  Thurmgeschoss  zwei  schiessscharten- 
artige Oeffnungen.  Glocken  neuesten  Datums. 

In  der  Nähe  von  Sand  befand  sich  ehemals  das  ausgegangene  vom  12. — 16.  Jh. 
in  Urkunden  vorkommende  Dorf  Eicha  oder  Eicher,  von  dem  keine  Reste  vorhanden. 


WILLSTETT 

Schreibweisen:  Gwillisteti  723;  Wilestetin  1254;  Willestetten  1254;  Willstete  1284; 
Willestete  1287;  Willesteten  1309;  Wilstetten  1289;  Wilstette  1318;  Willestette  14.  Jh.; 
bürg  und  stat  1362;  bürg  und  dorf  1409.  (Zu  einem  Personennamen  Willo  oder  ähnlich.) 

Litteratur:  H— r,  Allgemeine  Bemerkungen  über  die  badischen  Entschädigungs- 
ämter Willstett  und  Lichtenau.  Mittheil,  von  und  für  Baden  1802,  zweites  Stück;  Bd.  II, 
S.  100 — 121;  Nachtrag  S.  206. 

Ansichten : Merian,  Topogr.  Alsatiae,  Frankfurt  1643,  S.  43.  (Unsere  Fig.  10). 

Ortsgeschichte:  Angeblich  soll  ein  edler  Franke,  Williharius,  der  Erbauer  Willstetts 
sein.  Schon  früh  muss  der  Ort  befestigt  bezw.  durch  eine  Tiefburganlage  geschützt 
worden  sein.  Zu  Ende  des  12.  oder  Anfang  des  13.  Jhs.  muss  sie  in  den  Besitz  der 
Lichtenberg  gekommen  sein.  Im  J.  1262  in  den  Kämpfen  zwischen  Bischof  Walter  und 
der  Stadt  Strassburg  wurde  Willstett  als  eine  wohlbefestigte  Stadt  von  den  Strassburgern 
erobert  und  zerstört.  Dasselbe  Schicksal  erfuhr  Schloss  und  Stadt  im  Kriege  zwischen 
dem  Markgraf  Rudolf  von  Baden  und  der  Stadt  Strassburg.  1632  von  den  Schweden 
besetzt,  belagerten  es  die  Kaiserlichen  und  verbrannten  es,  endlich  wurde  es  1677  von 
den  Franzosen  gründlich  vernichtet.  Es  war  eines  der  Aemter  der  Herrschaft  Hanau- 


AMT  KEHL.  — WILLSTETT. 


27 


lichtenberg;  1803  wurde  es  badisch.  — Willstett  hat  einen  sehr  berühmten  Sohn  in 
Joh.  Mich.  Moscherosch  (Philander  von  Sittewald),  der  1601  als  Sohn  des  Amtmanns 
hier  geboren  wurde. 

Evang.  Pfarrkirche.  1357  S.  Georg  als  Patron  erwähnt.  Heute  ein  einfacher  Pfarrkirche 
schmucker  Bau  des  18.  Jhs.  aus  Bruchstein  mit  Mörtelverputz.  Die  architektonischen 
Schmucktheile  aus  rothem  Sandstein.  Der  Westfront  ist  der  viereckige  Thurm  vorgelegt,  Thurm 


Fig.  10.  Willstett  im  Jahre  1643  nach  Merian. 

dessen  zwei  unterste  Geschosse  an  den  Ecken  von  Pilastern  mit  Rocaillekompositkapitälen 
verziert  sind.  Im  untersten  Geschoss  öffnet  sich  die  mit  flachrunder  Gesimslinie  abge- 
deckte Thür  in  die  Kirche,  an  deren  Sturz  das  Wappen  des  Landgrafen  Ludwig  von  Thür 
Hessen,  darüber  von  grossen  Voluten  gestützt  ein  flachbogiger  Giebel.  Die  so  umschlossene 
Inschrifttafel  mit  der  Inschrift  in  Cursiv: 

Deo 

TRJUNJ 
Saluti  populi 
poni  jussit 
LUDOWICUS 
Princeps  Hereditarius 
Hassiae  Landgravius 
MDCCLVI 


A.  Das  Schlei. 

3 Die  Stak*  doch  ohrt  „ 
einiges  häuf  mehr. 

C Wercke  so  du  Bpr 
J'acheV  gemacht., 
p Der  Alte  St+H  H><tÜ  ■ 

E . hie  i’A  ein  muht  gewefen. 
F.  ms  Munt?  . 

O . Etliche  Haujer  Jo  noch: 
heu/chnt  werden  . 
kf  • Weg  nah  Strajburg . 

J . Ittep  nah  Ober  furch  . 


28 


KREIS  OFFENBURG. 


Barockkanzel 

Kreuzigungs- 

gruppe 

Orgel 

Zunftkannen 


Häuser 


Ortsgeschichte 


Darunter  je  zwei  Bibelsprüche:  »Es  freue  sich  das  Hertz  derer  die  den  Herrn 
suchen «,  Ps.  CV.,  3 und  » die  Gott  suchen , denen  wird  das  Herz  lehen«,  Ps.  L.  XIX.  33. 

Der  Thurm  wird  in  seinem  zweiten  Stockwerk  von  mächtigen  Voluten  flankirt, 
über  denselben  geht  er  in  das  Achteck  über,  ist  an  den  Ecken  mit  Lisenen  versehen 
und  trägt  ein  Zwiebeldach. 

Das  im  Aeussern  ganz  schmucklose  Langhaus  der  einschiffigen  Kirche  mit  runder 
Nordostapsis  hat  im  Innern  an  dieser  Apsis  eine  reiche  Barockkanzel  in  höchst  geist- 
reicher Verbindung  mit  dem  Altar,  aus  italienischem  Stucco  mit  Imitation  der  ver- 
schiedensten Marmorarten  (s.  Fig.  11).  Auf  dem  Gebälk  der  Kanzel  die  ursprünglich 
nicht  dazu  gehörige  Kreuzigungsgruppe  (2/3  lebensgrosse  Figuren)  in  weissem  Stuck, 
dahinter  eine  Cartouche  mit  den  Evangelistensymbolen.  Auf  den  schmucklosen  Emporen 
eine  Orgel  mit  einfachem,  vergoldetem  Rocailleschnitzwerk. 

Von  den  Glocken,  soweit  beizukommen,  eine  aus  dem  16.  Jh.  mit  ganz  ver- 
wischter zweizeiliger  Inschrift,  eine  mit  Kreuzigungsbild,  eine  dritte  von  Matthaeus 
Edel  1770,  auch  die  vierte  von  den  Edels;  näher  konnte  ich  nicht  heran. 

Im  Gasthaus  »zum  Adler«  aufbewahrt,  dem  Gewerbeverein  gehörig,  zwei  prächtige 
Zunftkannen.  Eine  von  1720  der  ehrsamen  Gesellschaft  der  Zimmerleut  und  Maurer 
Bischen  zum  Hohensteg  (Rheinbischofsheims)  mit  dem  Namen  des  Johann  Michael  Schiele 
der  Zeit  Zunfftmeister.  Im  Schild  auf  dem  Deckel  die  Zunfftzeichen. 

Die  zweite  von  1763,  ebenfalls  als  Griff  des  Deckels  das  Wappen  mit  Werkzeugen, 
gestiftet  »den  10.  Julius  1763«  mit  den  Namen  des  Johann  Gerhard  Jenser,  Oberherr; 
Jacob  Riebel,  Zunfftmeister;  Jeremias  Burg,  aeltester  Geschwohrner ; Jacob  Hörnel,  Jüngster 
Geschwohrner ; Johannes  Wüst;  Johann  Jacob  Stöltzel;  Georg  Krieg;  Friedrich  Stöltzel; 
Johann  Georg  Leicht,  Adler-Wirth  als  Herbergs-Vatter ; die  weitere  Aufschrift  in  einem 
Lorbeerkranz : Meisterkann  einer  ehrsamen  Schneiderzunft  ampts  Willstett.  Ausserdem 
noch  zwei  einfache  Zinnkelche  und  etliche  Zunftschilder. 

Die  Häuser  Nr.  Ij2,  Ij8,  IJQ,  ijß  und  noch  verschiedene  andere  sind  hübsche 
Riegelhäuser.  Ueberhaupt  ist  diese  Bauart  erfreulicher  Weise  in  W.  noch  reichlich 
vertreten. 


ZIEROLSHOFEN 


Schreibweisen:  Cieringeshoven  i4.Jh.;  Zieringeshoven  1390;  Zieringeshofen  1412; 
Zierershoven  1443  (Hof  des  Zierinc). 

Ortsgeschichte:  Zierolshofen  gehörte  zur  Herrschaft  Hanau -Lichtenberg,  Amt 
Lichtenau,  und  wurde  1803  badisch.  Ehemals  stand  eine  Kapelle  hier,  die  1731  abge- 
brochen wurde,  aus  ihren  Steinen  erbaute  man  die  Kirche  in  Diersheim  (s.  dort). 
Schmiedeeiserner  Wirthshausschild  am  Gasthaus  »zum  Ochsen«. 


Wirthshausschild 


Fig.  ii.  Kanzel  und  Altar  in  der  Kirche  in  JVillstett. 


Band  VII.  Zu  Seite  28. 


AMT  LAHR 


§1 


. 

' 


ALLMANSWEIER 

Schreibweisen:  Almensweiler  1016;  Albeswilre  1135,  Kop.  1351,  wohl  irrthüm- 
liche  Lesart  der  Kopie;  Almerswilre  1356;  Almeschwiller  1414;  Almersweyler  1426; 
Almeschwir  1453  u.  s.  f.  (Weiler  des  Almar,  Adelmar.) 

Ortsgeschichte:  A.  gehörte  in  die  Herrschaft  Geroldseck,  kam  1340  durch  Heirath 
an  die  Grafen  von  Werdenberg-Trochtelfingen,  1381  durch  Kauf  an  Strassburger  Bürger, 
1403  an  Ritter  Reinbold  Hüffelin  und  1501  an  die  Stadt  Strassburg.  Seit  1663  gehörte 
]/4  der  Familie  von  Frankenstein,  ’/4  der  von  Berkheim,  1/6  der  von  Böklin  und  ]/3  der 
von  Waldner.  A.  wurde  1806  badisch. 

Evang.  Pfarrkirche . Ecclesia  de  Ottenheim  . . . habet  filiam  seu  capellam 
sitam  in  villa  dicta  Almeswilre  1296.  Magister  Johann  Lentonis  dictus  ad  Angelum, 
quondam  Rector  in  Otenheim  hat  zur  Errichtung  der  Kaplaney  30  Mark  Silber  gestiftet.1) 
1419  hören  wir  von  einem  »Sant  Niclaus  Altar«.  Wilhelm  Bischof  von  Strassburg 
errichtete  1509  die  selbständige  Pfarrei,  die  unter  der  Abtei  Schuttern  stand. 

Der  jetzige  Bau  zeigt  ein  einschiffiges  Langhaus  mit  vorgelegtem,  in  seinem  Kern 
vielleicht  älteren,  Thurm ; es  wurde  1781  bis  1783  gebaut.  Im  Erdgeschoss  des  Turmes 
öffnet  sich  das  flachbogige  Portal,  von  kräftigen  Voluten  bekrönt,  die  eine  Vase  tragen; 
im  Giebelfeld  das  Wappen  der  Böcklin.  Die  Stockwerke  durch  je  zwei  verkröpfte 
Gesimse  von  einander  geschieden,  das  zweite  mit  Rundbogenfenstern,  das  dritte  geht 
unvermittelt  ins  Achteck  über  mit  Lisenen  an  den  abgerundeten  Ecken,  darüber  eine 
sehr  wirkungsvolle  Doppelzwiebel,  mit  Schiefer  gedeckt.  Das  Langhaus,  mit  Achteck- 
schluss, abgerundeten  Ecken,  Fenstern  mit  sehr  flachem,  einfachem  Bogen,  hat  das 
gleiche  doppelte  und  verkröpfte  Gesims  wie  der  Thurm.  In  der  Thurmhalle  die  Inschrift: 
Hoc  templum  exstructum  est  anno  MDCCLXXXIII  cura  et  opere  Dmn.  G.  Schoell  et 
J.  Held  u.  s.  w.  2) 

Sehr  wirkungsvolle  Barockkanzel  aus  Stuckmarmor  mit  den  vier  Holzreliefs  der 
Evangelisten  von  Ignaz  Speckler  in  Offenburg  1783  3);  ähnlich  behandelter  Altar  und 
Orgel  von  Blasius  Schaxel  in  Herbolzheim  1783  mit  feiner  Rocailleschnitzerei. 

Einfacher,  silbervergoldeter  Kelch  mit  Palmettenornament  vom  Anfänge  des  19.  Jhs. 

Eine  Glocke  von  Matthaeus  Edel  in  Strassburg  1789. 

Auf  der  Bühne  aus  der  ehemaligen  Ursulakapelle  (s.  u.) : der  Torso  eines  Cruci- 
fixus,  wohl  aus  der  zweiten  Hälfte  des  1 6.  Jhs. ; eine  Schmerzensmutter  mit  dem  Heiland, 
bessere  Arbeit  des  17.  Jhs.,  und  endlich  der  Torso  einer  jungfräulichen  Heiligen,  wohl 
noch  vom  Anfänge  des  16.  Jhs. 

Diese  eingegangene  Ursulakapelle  (S.  Ursula  Kirchlin  zue  Höfen  1628)  gehörte  zu 
»des  gotzhus  Gengenbach  gülthof  genant  zu  den  Höffen  (1529)«,  im  18.  Jh.  wohnte  ein 
Einsiedler  neben  ihr;  der  letzte  verbrannte  1819  mit  seinem  Haus,  worauf  die  Kapelle 
auf  Abbruch  verkauft  wurde. 

x)  Stöcker  a.  a.  O.  S.  150. 

2)  Die  ganze  Inschrift  s.  Stöcker  a.  a.  O.  Seite  150. 

3)  Aus  den  Pfarrakten,  wie  auch  das  Folgende. 


Oltsgeschichte 


Pfarrkirche 


Kanzel 

Altar 

Orgel 

Kelch 

Holzfiguren 


32 


KREIS  OFFENBURG. 


Oltsgeschichte 


Römisches 


Alemannisches 


Pfarrkirche 


Kruzifix 


Glocken 


DINGUNGEN 


Schreibweisen:  In  comitatu  Mortenuuva  in  villa  Tuntelinga  961;  Dundelingen 
1154;  Duldelingen  1289;  Tundlingen  1341;  Tunglingen  1387.  (Bei  den  Angehörigen 
des  Tuntilo.) 

Ortsgeschichte:  Nach  alter  Ueberlieferung  sollen  auf  dem  »Mauerfeld«  gefundene 
Reste  von  der  ehemals  hier  gestandenen  »römischen«  Stadt  Lahr  gezeugt  haben  (s.  u.). 
Erste  urkundliche  Erwähnung  Dinglingens  Ende  des  10.  Jhs.  (s.  o.).  In  früher  Zeit  war 
das  Bisthum  Chur  hier  begütert;  seine  Besitzungen  kamen  durch  lausch  an  das  Kloster 
Schwarzach.  Patronat  und  Zehnt  kam  1355  an  das  Domstift  zu  Strassburg.  Der  Ort 
gehörte  zu  altem  geroldseckischem  Besitz  und  ging  mit  demselben  in  Nassau-Usingen’schen 
über.  Auf  der  Schutterbrücke  bei  D.  fand  24.  März  1642  die  Auswechslung  Gustav 
Horn’s  gegen  Johann  von  Werth  statt.  1677  wurde  D.  von  den  Franzosen  abgebrannt, 
nachher  wieder  aufgebaut  und  wurde  1803  badisch. 

Römisches:  Das  »Mauerfeld«,  südlich  der  Schutterbrücke,  deckt  eine  grössere 
römische  Niederlassung,  die  sich  auf  den  dortigen  Aeckern  durch  Scherben  von 
römischen  Thongefässen,  auch  solchen  von  roter  terra  sigillata,  Ziegelstücke  und  Mauer- 
trümmer in  verschiedener  Tiefe  unter  dem  Boden  kennzeichnet.  Die  Karlsruher  Samm- 
lung besitzt  einen  1820  beim  Bau  der  steinernen  Schutterbrücke  in  über  5 m Tiefe  mit 
Münzen  von  Augustus  bis  Hadrian  zusammen  gefundenen  römischen  Gefässgriff 
von  Bronze  in  barocker  Zusammensetzung  verschiedener  Thierfiguren. 

Alemannisches:  In  einem  Hausgärtchen  fand  man  1825  eine  alemannische  Grab- 
stätte, in  derselben  ein  kurzes  Eisenschwert,  Eisenspeer  und  Streitaxt,  ein  Glas  und 
einige  Münzen.  Die  Funde  sind,  wie  es  scheint,  in  die  städtische  Sammlung  in  Freiburg 
i.  Br.  gelangt.  Wahrscheinlich  ist  das  Grab  nicht  vereinzelt,  sondern  dürfte  einem 
alemannischen  Friedhof  angehören.  ( IV.) 

Evang.  Pfarrkirche.  Erwähnt  »dominus  Albertus  viceplebanus  in  Tundelingen 
1291«;  ecclesia  parrochialis  in  Dindelingen  1349.  1357  inkorporirt  der  Bischof  Johann 
von  Strassburg  die  Einkünfte  der  Pfarrei  der  Dompräsenz  in  Strassburg  und  beschliesst, 
die  Pfarrkirche  in  Dinglingen  nicht  mehr  durch  einen  Rector,  sondern  durch  einen 
ständigen  Vikar  zu  besetzen.1)  1419  Niclaus  Miige,  lütpriester  zu  Dündlingen.  D.  trat, 
wie  die  ganze  Gegend,  in  der  Mitte  des  16.  Jhs.  dem  Protestantismus  bei  (1553)  und 
blieb  dabei,  da  es  bei  der  Theilung  1629  zu  der  Hälfte  gehörte,  die  dem  Grafen  von 
Nassau-Saarwerden  zufiel. 

Die  jetzige  Kirche,  an  Stelle  einer  älteren  1781  bis  1787  errichtet,  ist  ein  schlichter, 
aber  schmucker  Barockbau  aus  Bruchsteinen  mit  Sandsteinquadern  an  den  Ecken,  Sand- 
stein-Gewänden und  -Gesimsen.  Sehr  gefällig  der  in  Abbildung  Fig.  12  wiedergegebene 
Thurm,  dessen  Anschluss  an  das  Langhaus  durch  Voluten  vermittelt  wird.  Im  Innern 
ist  die  Kirche  1898  gänzlich  restaurirt  worden. 

Kruzifix,  versilberter,  gegossener  Corpus  Christi  auf  schwarzem  Holzkreuz,  vom 
Ende  des  18.  Jhs. 

Glocken:  die  mittlere  mit  der  Aufschrift:  Als  Johann  Georg  Müller  Pfarrer / 
Johann  Wickert  Johann  Bruder  beide  Schultheifsen  / Georg  Genshirt  Jacob 


*)  Stöcker  a.  a.  O.  Seite  153. 


AMT  LAHR, 


DINGLINGEN. 


33 


Band  VII. 


34 


KREIS  OFFENBURG. 


Grabsteine 


Ziehbrunnen 


Ortsgeschichtc 

Rath.  Kirche 

Evang.  Kirche 

Glocke 

Crucifixus 


Ortsgeschichte 


Holderer  beide  Heimburger  zu  Dinglingen  / und  Mietersheim  waren.  / Mathaeus 
Edel  zu  Strasburg  gos  mich  Anno  179 8.  Die  kleinere:  Mathaeus  Edel  u. s.  w.  1774. 

An  der  Aussenseite  der  Kirche  drei  Grabsteine  früherer  Pfarrer  eingemauert: 

1.  des  Jacob  Friedrich  Maler,  37  Jahr,  * zu  Emmendingen  27.  Juni  1652,  1675 
Prediger  in  llugsvveier,  1676  Miitersheim,  1682  Dinglingen,  7 26.  Mai  1718. 
Ovales  Medaillon  von  Kranz  umgeben ; Sandstein ; 

2.  des  Johann  Friedrich  Deußner,  Pfarrers  allhier,  gest.  Ostertag  1759  u.  s.  w. 
Rechteckige  Sandsteinplatte,  ovales  Feld  mit  Inschrift,  darüber  Wappen ; Engels- 
köpfe und  Rocaillevverk ; 

3.  des  Johann  Georg  Müller,  Pfarrer  zu  Dinglingen  (aus  Lahr  geb.),  * 8.  Februar 
1734,  studirte  zu  Jena,  1757  Pastor.  Vikar  zu  Lahr,  12.  Juni  1759  verheirathet 
mit  Friderike  Sophie  Hennings  aus  Karlsruhe,  1768  Pfarrer  dahier,  starb 
12.  Februar  aetat.  38.  7 Tag.  Die  langathmige  Inschrift  auf  steinernem  Vor- 
hang, darüber  gebrochener  Volutengiebel,  Vasen,  Wappen  in  Rocaille-Cartouche; 
oben:  1772. 

Reim  Haus  Nr.  167  Ziehbrunnen  von  1760. 

DUNDENHEIM 

Schreibweisen:  Dundenheim  1289;  Dundenheym  1302 ; Thundenheim  1414; 

Tundenheym  1428.  (Heim  des  Dundo.) 

Archivalien  der  Gemeinde  und  im  Privatbesitz:  Mitth.  der  hist.  Komm.  Nr.  15 
(1893)  S.  99. 

Ortsgeschichte : D.  gehörte  ehemals  zur  Herrschaft  Mahlberg,  also  zu  dem  Theil 
der  Herrschaft  Lahr-Mahlberg,  der  1629  Baden-Baden  zugesprochen  wurde. 

Die  kath.  Kirche  (ad.  S.  Joannem  Baptistam)  ist  ein  Bau  von  1822  bis  1823;  sie 
enthält  eine  kleine  Madonnenholzstatue,  die  noch  dem  16.  Jh.  entstammen  dürfte. 

Die  evang.  Kirche,  erbaut  1790  zu  Ehren  des  dreieinigen  Gottes,  ist  ein  schlichter, 
nur  mit  Lisenen  gegliederter  Bau,  das  schmucklose  Innere  mit  unregelmässiger  Emporen- 
anlage.  Eine  Glocke  von  1791. 

An  der  Dorfstrasse  ein  Rocaille-  Crucifixus  mit  - lebensgrossem  Corpus  Christi. 


FRIESENHEIM 

Schreibweisen:  Frisenhaim  (?);  Friesenheim  1016;  Fresenheim  1259;  Frvsenheim 
1386  11.  s.  w. 

Archivalien:  Mittheil,  der  histor.  Kommission  Nr.  15  (1893)  S.  99;  Nr.  t6  (1894) 
S.  71  — 74.  — Ruppert,  Mortenau  I 272 — 284. 

Ortsgeschichte:  Die  erste  Nachricht  im  Schenkungsbrief  K.  Heinrichs  II.,  der 
dem  Kloster  Schuttern  1016  »unum  mansum  in  Fresenheim  in  comitatu  Bertholdi  in 
pago  Mortinoua«  vergabte.  Das  Kloster  besass  auch  das  Patronatsrecht  Seine  Besitzungen 
wurden  1279  durch  die  Schenkung  des  letzten  Tiersbergers  ansehnlich  vermehrt  u.  s.  w. 
Der  Ort  gehörte  in  die  Herrschaft  Hohengeroldseck,  an  die  er  aber  wohl  erst  nach  dem 


AMT  LAHR.  — FRIESENHEIM. 


35 


Erlöschen  der  Tiersberger  gefallen  ist.1)  Daraus  ist  es  wohl  zu  erklären,  dass  der  Ort 
den  beiden  Linien  Hohengeroldseck  und  Lahr-Mahlberg  gemeinschaftlich  zustand.  1503 
kam  Fr.  an  den  Markgrafen  Christoph  von  Baden  »zu  ewigem  Kauf  und  zu  rechtem, 
stetem  Eigenthum«.  1529  machten  sich  hier  Wiedertäufer  bemerkbar.  Am  8.  August 
1638  wurde  F.  von  den  Schweden  niedergebrannt.  — Die  Klöster  S.  Ulrich  im  Breisgau, 
Ettenheimmtinster,  S.  Arbogast  zu  Strassburg,  Gengenbach,  ausserdem  verschiedene 
Geschlechter  des  Elsasses  und  der  Ortenau  hatten  hier  Besitzungen. 

Vorgeschichtliches : Die  städt.  Sammlung  in  Freiburg  i.  Br.  bewahrt  von  dort  Vorgeschicht- 

liches 

einen  Halsring  von  Bronze  mit  aufgedrückten  Schildchen  und  3 Schüsselchen  zu 
eingelegten  Glasflüssen,  ferner  Fragmente  eines  hohlen  und  eines  derben  Armrings 
von  Bronze  (La  Tene-Periode),  gef.  1828.  (W.) 

Simultankirche  (ad  S.  Laurentium).  Fr.  cum  ecclesia  1136.  Fridericus  rector  Simultankirche 
ecclesie  in  F.,  schon  1272  erwähnt.  1290  inkorporirte  Bischof  Konrad  zu  Strassburg 
die  Pfarrei  dem  Kloster  Schuttern  und  erlaubte  demselben,  wenn  der  derzeitige  Pfarr- 
rector  sterbe,  seine  Stelle  künftig  nur  mit  einem  Vikar  zu  besetzen.  1320  erfahren  wir 
von  der  Weihe  eines  Altars  des  h.  Stephan.  Der  Thurm  der  Pfarrkirche  wurde  1496 
von  der  Gemeinde  erbaut.1)  Mit  der  Reformation  der  Herrschaft  Mahlberg  wird  auch 
hier  die  neue  Lehre  eingeführt;  erst  1628  sandte  Schuttern  wieder  einen  katholischen 
Pfarrer. 

Der  jetzige  Bau  zeigt  ein  Barocklanghaus  und  den  älteren  Thurm  (s.  o.),  der  aus  Thurm 
Bruchsteinmauerwerk  errichtet  ist  mit  Bossenquadern  an  den  Ecken  der  beiden  unteren, 
mit  glatten  Quadern  an  denen  der  oberen  Stockwerke.  Im  untern  sind  im  1 8.  Jh.  grosse 
Rundbogenfenster  eingebrochen  worden,  das  zweite  Stockwerk  hat  Lichtluken,  das  dritte 
nichts,  im  vierten  noch  die  spitzbogigen  gothischen  Fenster  mit  flambovantem  Masswerk, 
der  jeweils  eine  Pfosten  überall  weggebrochen.  LTnter  dem  Dach  des  jetzigen  Langhauses 
sieht  man  am  Thurm  noch  die  Ansatzspuren  des  früheren.  Im  Erdgeschoss  des  Thurmes 
Kreuzgewölbe  mit  trocken  profilirten  Rippen  auf  gefalteten  Konsolen,  ein  gedrückter, 
einmal  abgetreppter  Spitzbogen  führt  in  das  Langhaus.  Dieses,  im  Aeussern  schmucklos,  Langhaus 
hat  im  Innern  ein  flaches  Spiegelgewölbe  mit  einschneidenden  Kappen  auf  einfachen 
Wandpilastern.  Deckengemälde  mit  der  Auferstehung  Christi.  Unter  der  Empore  ein 
solches  mit  der  Austreibung  der  Wechsler;  hier  die  Bezeichnung  »J.  G.  Nussbaumer  pin.« 

An  dem  Südportal  der  Kirche,  das  die  beliebte  Scheinquaderung  aufweist,  die 
Jahreszahl  1768. 

Barock -Hochaltar  mit  einbezogenen  Sakristeithüren.  In  der  kath.  Sakristei  Kirchen-  Hochaltar 
geräthe:  Wein-  und  Wasserkännchen  mit  Tablette,  Silber  getrieben,  feine  Rocaillearbeit  Kirchengeräthe 

I G 

mit  dem  Augsburger  Beschauzeichen,  darunter  C und  ^ ; Monstranz  in  der  Sonnen- 

F T 

form,  Silber,  vergoldet,  getrieben,  Augsburger  Zeichen  und  ^ r (Rosenberg  Nr.  358?); 

ein  Kelch  aus  Kupfer  vergoldet  und  getrieben,  mit  Bandornamenten  vom  Anfänge  des 
18.  Jhs. ; ein  weiterer,  Silber  vergoldet  und  getrieben,  mit  Rocailleornamenten,  gute 
Augsburger  Arbeit,  Meisterzeichen  I • C • B • ; in  Silber  getriebenes  Rauchfass,  Mitte  des 
18.  Jhs.  und  einfachere  Barockholzleuchter.  Ausserdem  eine  nicht  schlecht  gearbeitete 
Holzstatue  der  Immaculata,  etwa  vom  Ende  des  18.  Jhs.  Holzstatue 

*)  Ruppert  a.  a.  O.  Seite  274. 

o* 

J 


36 


KREIS  OFFENRURG. 


Epitaph 


Glocke 


Pfarrhaus 


Crucinxus 


Am  Aeussern  der  Kirche  eingemauert  Epitaphium  in  guten  Renaissanceformen : 
das  Allianzwappen  unter  einem  Bogen,  welcher  von  Säulen  flankirt  wird,  die  das  Gebälk 
tragen  und  von  Rollwerk  umgeben  sind.  Unter  dem  Wappen  die  Inschrift  (s.  Abbild. 
Fig.  1 3)>  wonach  der  edlen,  tugendreichen  Frawen  Justina  von  Giffen  Wittibin  gebornen 
Elhefin  von  Schelnpach  ihr  Sohn  Johann  dies  Gedächtniss  hat  machen  lassen.  Datum: 
4.  Februar  1612.  Eine  Glocke  von  1715. 


^ DEN  HFEBRAL  - K<5r  2 
DER  EDLEN  TVGENTRE1CH  El\l  FRAWEN 
IVSTINAVON  GIFFEN  WITTIBIN  GEBORN. 
E(\l  ELHEFIN  VON  SCHEIN  PACH  HATT 
DERO  HINTERLASENER  SOHN  I0HANN 
VON  GIFFEN  D1SE  GEDECHTNVS  MACHEN 
L'AzREN.  1HESV  DV  SOHN  DAVID  ERBARME  CH  I 


Fig.  13.  Epitaph  an  der  Kirche  in  Friesenheini 


Pfarrhaus.  Am  Portal  des  Gartens  auf  einem  ausgehauenen  Band  die  Inschrift : 
Archipresbyter  Jacobus  Heid  1J22  Conradus  Rieh  Abbas  in  Schlittern  IJ22. 
Das  Pfarrhaus  ein  guter,  einfacher  Bau  des  18.  Jhs. ; über  dem  Eingang  in  reicher 
Rocaille-Cartouche  das  Wappen  des  damaligen  Abtes  von  Schlittern,  umgeben  von  den 
C A 

Buchstaben : Z • S • 

175? 

Auf  dem  Platz  vor  der  Kirche  Crucifixus  mit  Maria  und  Johannes;  Sandstein: 
Barockarbeit. 


AMT  LAHR. 


HUG.SWEIER. 


37 


HUGSWEIER 


Schreibweisen:  Hugesvvillare  ca. 
1007;  Hugeswilre  1341;  Hugeswilr 
1350;  Hügswier  1470;  Hugschwiler 
1536. 


im  Ort  eine  stattliche  Anzahl  alter  Riegelhäuser.  Gerade  die  Hauptstrasse  am 
Bach  hat  noch  mit  geringen  Ausnahmen  ihren  alten,  malerischen  Charakter  bewahrt, 
der  ihr  hoffentlich  erhalten  bleibt. 

Gutes  schmiedeeisernes  Wirths- 
hausschild  am  Gasthaus  »zum 
Ochsen«,  ein  weiteres  am  »Adler«. 

Am  Haus  Nr.  2 interessanter, 
steinerner  Kellerladen  (s.  Fig.  14). 


Fig.  14.  Steinerner  Kellerladen  am  Haus  A'r.  2 
in  Friesenheim . 


Archivalien:  der  Gemeinde  und  Pfarrei  Mittheil,  der  histor.  Komm.  Nr.  15  (1893), 
S.  99.  (Weiler  des  Huc.) 

Ortsgeschichte : Nach  einer  sehr  alten  Notiz  schenkte  Bischof  Richwin  von  Strass- 
burg (916  bis  932)  dem  Kloster  S.  Thomas  in  Strassburg  den  Ort  ’),  dem  er  aber  wieder 
entzogen  und  an  die  Herrschaft  Mahlberg  gegeben  wurde.  Dinghof,  Pfarrsatz  und  Zehnt 
gehörten  dem  Frauenkloster  zu  Waldkirch,  von  dem  sie  1352  an  die  Johanniter  zum 
grünen  Word  in  Strassburg  übergingen.  Erwähnt  auch  noch  ein  Besitz:  »des  huses  ze 
sante  Johans  ze  Friburg  meygertum  ze  Hugswilre  1353«.  Ueber  die  hier  einst  begüterten 
Geschlechter  s.  Ruppert.2)  Der  Ort  gehörte  zur  Herrschaft  Lahr-Mahlberg,  1562  trat 
er  der  Reformation  bei;  bei  der  Gebietstheilung  kam  er  an  Nassau  und  wurde  1803 
badisch. 

Evaug.  Pfarrkirche.  (Ehemaliger  Patron?)  Erwähnt  ecclesia  cum  villa  iuxta 
Scutero  1178;  3)  ein  Henricus  rector  1334;  ein  Bertholt  lütpriester  1419.  — Die  jetzige 
Kirche  ist  ein  Neubau  aus  der  Zeit  von  1755  bis  1790,  wobei  wohl  der  Thurm  zuerst 
fertiggestellt  wurde  und  später  weder  renovirt  werden  musste.  Auf  der  Helmstange 
steht  nämlich  nach  Angabe  des  Pfarrers : (?)  N ■ Johanniter  • orden  ■ in  • Strasburg  • 
commandens  ■ Kleinklaus  : iygg  ■ Johann  ■ Michael  • Knöri  ■ Schulmeister  • Christian  ■ 
Fridrich  ■ Habel  ■ Pfarrer  • Michael  • Ruder  • Schultheis  ■ renoviert  ■ jypo  • comman- 
dens de  Monge  ■ Frid  • Jac  • Thomae  ■ Pfarrer  ■ Andreas  • Gerhard  • Schultheiss. 
Im  Gebälk  des  Thurmes  die  Jahreszahl  1790.  Der  Thurm  besteht,  wie  die  ganze  Kirche, 
aus  Bruchstein  mit  Mörtelverputz,  die  Ecken  wie  die  Gewände  aus  rothem  Sandstein; 
er  hat  im  Erdgeschoss  ein  flachbogiges  Barockportal,  in  den  zwei  nächsten  Geschossen 
Lichtluken  und  geht  im  vierten  ins  Achteck  über.  Das  einfache,  einschiffige  Langhaus 
schliesst  mit  Voluten  an  ihn  an,  es  hat  Rundbogenfenster,  an  der  Nord-  und  Südseite, 
wie  auch  in  dem  Achteckschluss  je  ein  Portal.  Der  Thurm  öffnet  sich  gegen  das  Lang- 


1)  cf.  Strassb.  Urkundenbuch  I,  43.  Yergl.  Deutsche  Städtechroniken,  Strassburg,  p.  1055. 
Ruppert  a.  a.  O.  Seite  297. 

2)  a.  a.  O.  Seite  298  f. 

3)  Auf  H.  zu  deuten  cf.  Ruppert  a.  a.  O.  Seite  297. 


Riegelhäuser 


Wirthshaus- 

schild 


Ortsgeschichte 


Pfarrkirche 


Thurm 


Langhaus 


KREIS  OFFENBURG. 


Grabsteine 


Pfarrhaus 

Kirchengeräthe 


Bauernhof 


Ofenplatte 


Ortsgeschichte 


3^ 

haus  in  einem  Rundbogen  mit  abgefassten  Kanten.  Das  Innere  ist  sehr  schlicht  im 
Empirestil  mit  einfacher,  aber  guter  Empirekanzel. 

In  der  Kirche  Grabsteine : 

1)  des  Willi.  Fnedr.  Roedcr  von  Dierspurg.  H.  Gr.  Hanau-  Liclitenberg. 
Cammer  Juncker  und  Haubtmann  des  lob.  0.  R.  Nassau  zu  Lahr  etc.,  f 21.  Januar 
MDCCXXV.  Die  Inschrift  ist  umgeben  von  den  Wappen  seiner  16  Ahnen,  in  Mitte 
zwischen  kriegerischen  Trophäen  das  seinige ; 

2)  des  zv eil.  hochehrwürdigen  und  hochgelehrten  Herrn  Johannes  Morstat, 
29  Jahr  gezvesten  Pfarres  allhie  f 28.  Juli  1J4.3  etc.  (Langathmige  Inschrift.)  Der 
Stein  ist  oben  zerstört. 

Im  Pfarrhaus  wird  ein  Dachziegel  der  Kirche  aufbewahrt  mit  eingeritzten  Rosetten, 
Blumen  u.  s.  w.  mit  der  Jahreszahl  1791.  An  Kirchengeräthen  eine  versilberte  Rocaille- 
platte ; Kelch,  Silber  vergoldet  und  getrieben  mit  Palmettenornament  vom  Ende  des 
18.  Jhs.,  ein  weiterer  ähnlicher,  Kupfer  getrieben  und  vergoldet.  Im  Garten  die  obere 
Hälfte  eines  achteckigen  Taufsteins  (17.  Jh.). 

Am  Ausgang  des  Ortes  gegen  Schlittern  besonders  hübscher,  typischer  Bauern- 
hof, auch  sonst  einige  hübsche,  zu  erhaltende  Riegelbauten. 

Bei  Herrn  Friedr.  Lang  gusseiserne  Ofenplatte  mit  Elisascenen,  ähnliche  noch 
sonst  im  Ort  bei  Erl.  S.  Suhm  u.  a. 

ICHENHEIM 


Schreibweisen:  Ichinhen  (902)  Fälschung;  desgl.  2.  Hälfte  13.  Jhs.;  Ichelenheim 
vor  1066  (?);  Ichenheim  1136;  Ichinhein  1216;  Eichene  1275;  das  huß  zu  Eiche  1350; 
Ychenheim  1368;  bürg  Aicha  1392  u.  s.  w.  (Heim  des  Icho.) 

Archivalien:  der  Gemeinde  und  (kath.)  Pfarrei;  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  15 
(1893),  S.  100. 

Ortsgeschichte:  I.  gehörte  zur  Herrschaft  Geroldseck;  bei  der  Theilung  1277  war 
es  an  die  Linie  Lahr-Mahlberg  gefallen  und  wurde  1327  an  Hug  von  Geroldseck  am 
Wasichin  verpfändet,  von  diesem  1340  zur  Hälfte  an  die  Strassburger  Patrizier  von 
Miilnheim.  Später  trat  Walter  IV.  v.  G.  »das  huß  zu  Eiche«  an  Graf  Eberhard  von 
Werdenberg,  den  Mann  seiner  Enkelin  ab1),  mit  Bedingungen,  aus  denen  hervorgeht, 
dass  es  sich  um  kein  Schloss  oder  eine  richtige  Tiefburg  handelt,  obwohl  einige  Jahre 
später  die  Bezeichnung  Schloss  vorkommt.  Seine  Spuren  sind  längst  verschwunden. 
Ende  14.  Jhs.  musste  Heinrich  von  G.  das  Haus  dem  Grafen  Eberhard  von  Wirtenberg 
übergeben,  um  es  als  Mannlehen  wieder  zu  bekommen.  Es  kam  dann  an  Mörs-Saar- 
werden;  seit  1477  gemeinsamer  Besitz  derselben  mit  Baden-Baden,  fiel  es  bei  der 
Theilung  von  1629  an  dieses  als  Theil  der  Herrschaft  Mahlberg.  Patronat  und  Zehnt 
gehörten  dem  Kloster  Gengenbach  nebst  einem  Freihof.  In  den  ältesten  Zeiten  war 
S.  Trudpert  hier  begütert,  später  Ettenheimmünster  und  als  weitere  Klöster  noch  Schuttern, 
S.  Arbogast  in  Strassburg  und  Eschau.  — In  dem  Ichenheimer  Bann  lagen  noch  die 
Orte  Hohenwilre  und  Bastolzwilre,  von  denen  das  erste  noch  in  dem  Ottenweirer  Hof 
weiterdauert,  während  das  zweite  eingegangen  ist. 


*)  Ruppert  a.  a.  O.  Seile  313  ff. 


AMT  LAHR. 


ICHENHEIM. 


39 


Die  Simultankirche  (Patron : S.  Nikolaus,  früher  anscheinend  S.  Peter)  ist  ein  Simnitankirciie 
Neubau  von  1819.  Erwähnt  parrochia  ville  Ichenheim  1372;  der  heilige  sant  Peter  und 
die  pfarrkürche  zuo  Ichenheim  1575;  Conradus  plebanus  de  Ichenheim  i2iö;Johans 
von  Bar,  Kirchherre  zu  Ichenheim  1400;  Peter  Böutin  lütpriester  1419.  Das  Patronats- 
recht stand  dem  Kloster  Gengenbach  zu  (schon  1289).  1567  wurde  die  Reformation 

eingeführt,  1629  Ichenheim  mit  der  einen  Hälfte  der  Herrschaft  wieder  katholisch, 
wechselte  dann  noch  mehrmals,  schliesslich  wurden  die  Lutheraner  nach  Ottenheim, 
später  Meisenheim  eingepfarrt,  bis  1765  eine  eigene  Pfarrei  für  sie  errichtet  wurde. 

Von  dem  früheren  Bau  rührt  noch  der  Thurm  her,  der  aus  Bruchsteinmauer-  Thurm 
werk  mit  Quadern  an  den  Ecken  errichtet  ist.  Er  hat  unten  Lichtluken,  im  zweiten 
Geschoss,  nur  von  innen  sichtbar,  die  vier  alten  Spitzbogenfenster  mit  Fischblasen- 
masswerk,  die  Pfosten  theils  weggebrochen.  Die  Fenster  sind  an  drei  Seiten  durch  das 
Dach,  an  der  vierten  durch  ein  Gitter  verdeckt.  Unter  diesem  Stockwerk,  von  der 
jetzigen  Bühne  aus  sichtbar,  die  alte  Wasserschräge,  über  der  eine  ganz  verwischte  Jahres- 


Im  Innern  zeigt  das  Erdgeschoss  des  Thurmes,  das  sich  im  Spitzbogen  zum  Lang- 
haus öffnet,  ein  Sterngewölbe  mit  den  trocken  profilirten  Rippen  der  Spätzeit  und  Schluss- 
stein mit  Wappen : viergetheilt,  I.  Feld  schrägrechts  rother  Balken  in  Blau,  II.  schwarzer 
Balken  in  Gold,  III.  schwarzer  Adler  in  Gold,  IV.  roth  und  schwarzes  Schachbrett. 

Von  den  Glocken  eine  ältere:  Matthäus  Edel  in  Strassburg  gos  mich  1790.  Glocken 


In  der  Sakristei  verschiedene  Paramente  des  18.  Jhs.  (Casein,  Stolen,  Mani-  Paramente 
peln  etc.).  Ein  kleiner,  getriebener,  silbervergoldeter  Kelch  mit  aufgelegten  Silber- 


menten und  Putten;  noch  zwei  einfachere  Kelche  und  ein  Wettersegen  des  18.  Ths. 

Das  kath.  Pfarrhaus , ein  Bau  des  18.  Jhs.,  zeigt  über  dem  Portal  in  Rocaille-  Rath.  Pfarrhaus 


Aufbewahrt  wurde  im  Pfarrhaus  ein  silberner,  gravirter  Abtsring,  die  halblebens- 
grossen Holzfiguren  der  Mutter  Anna  und  der  Maria,  zu  einer  Crruppe  der  h.  Anna  selbdritt 
gehörig,  aus  den  ersten  Jahrzehnten  des  16.  Jhs.  Im  Pfarrhausgarten  ein  Stein,  der  auf 
beiden  Seiten  bearbeitet  ist,  also  wohl  ehemals  über  einem  Einfahrtsthor  angebracht  war; 
auf  der  einen  Seite  ein  Adler  mit  Schild,  worin  Fische;  rechts  im  oberen  Felde  ein 
wachsender  geflügelter  Hirsch,  unten  ein  Schrägbalken  rechts  in  Rocailleumrahmung, 
darunter  steht  1594,  was  auf  dies  Wappen  keinen  Bezug  haben  kann,  wohl  aber  auf  das 
darunter  befindliche  Stück,  auf  dem  über  Rollwerk  in  flachem  Relief  ein  Crucifixus  dar- 
gestellt war  (nur  der  untere  Theil  desselben  erhalten)  mit  Maria  und  Johannes.  Ebenda 
noch  der  Sandsteinfuss  eines  Ofens  mit  Maskeron,  Voluten  und  der  Jahreszahl  1723. 


zahl  eingehauen  war ; hier  auch  die  Steinmetzzeichen : 


(Susanna.) 


cartouche  ein  Abtswappen  (Rebstock  und  Doppeladler),  daneben  j 


40 


KREIS  OFFENBURG. 


Kapelle 


Crucifixus 


Ortsgeschichte 


Kapelle 


Riegelhäuser 


Eine  kleine  Kapelle , gänzlich  schmuckloser  Bau,  wurde  laut  einer  Inschrift  »zu 
Zeiten  Lutheri  in  Grund  zerstört«  und  wieder  aufgebaut:  »zu  Ehren  der  schmerzhaften 
Mutter  Gottes  und  Jungfrau  Mariä  Herz  von  Sigmann  Emele  Bürger  zu  Ichenheim 
geboren  zu  Gengenbach  und  seiner  Ehefrau  Anna  Regina  Michelin  geboren  zu  Wein- 
garten 1736«. 

An  der  Strasse  gegen  Dundenheim  ein  Riegelhaus  (wie  sonst  noch  einige  im  Ort), 
die  Schmiede,  mit  der  Jahreszahl  1687  auf  einem  Holzbalken. 

Das  Wirthshaus  »zum  Schwanen«,  ein  Bau  des  18.  Jhs.,  zeigt  über  seinem  mit 
Pilastern  und  Voluten  geschmückten  Portal  in  Rocaillecartouche  das  Auge  Gottes,  darüber 
die  Jahreszahl  17  - 85,  darunter:  Jacob  Derendinger  Theresia  Kempfin. 

Am  Ausgang  gegen  Kehl  zu  Crucifixus  mit  Rocailleornamenten,  1754  von  Jacob 
Bentz  und  Katharina  Wurtin  errichtet. 

Bei  Herrn  Apotheker  Bauer  befand  sich  ein  Messingmörser  von  1771  mit  dem 
Wappen  des  damaligen  Salemer  Abtes. 


KUHBACH 


Schreibweisen:  Cuobach  1035;  Cübach  1270;  Kubach  1367;  Kubach  1370; 
Kübach  1399;  Khubach  1535. 

Litteratur:  Die  Wallfahrtskapelle  Bruderthal  bei  Kuhbach.  Bad.  Beobachter  1887, 
Nr.  219,  239;  Lahrer  Anzeiger  i887,  Nr.  80. 

Ortsgeschichte:  Der  Ort  gehörte  in  die  Herrschaft  Geroldseck;  es  scheint  jedoch, 
als  ob  es  den  G.  nicht  ganz  gehört  hätte,  sondern  zum  Theil  Baden,  an  das  es  vielleicht 
durch  die  Grafen  von  Freiburg  gekommen  sein  mag  (zweite  Hälfte  des  14.  Jhs.  ?).  Bei 
der  Theilung  von  1277  war  K.  der  oberen  Herrschaft  oder  Hohengeroldseck  zugefallen. 
Es  bildete  mit  Schutterthal,  halb  Reichenbach  und  Selbach  die  Vogtei  Selbach.  Seit 
1819  badisch. 

Kapelle  im  Bruderthal:  dem  h.  Gallus  geweiht.  (?)  1490  hiess  die  Kapelle  zum 

Schweisstuch  Christi ; später  war  die  Andacht  »zur  schmerzhaften  Mutter  Gottes«.  Erwähnt 
der  heylige  sannt  Blesius  zu  Kuobach  (1579).  Jetziger  Bau  nach  dem  Abbruch  des  alten 
1886  erstellt. 

Zu  erwähnen  nur  einige  Riegelhäuser , hübsche  Bauten  mit  sogen.  Erkerfenstern. 
An  einem  Haus  ein  Christuskörper  des  17.  Jhs.,  Sandstein,  eingemauert. 


KÜRZELL 


Schreibweisen:  Kirtzel  1016  (Fälschung);  Cella  1139;  Zelle  1368,  Kirzel  1367; 
Kircelle  1368;  Kirczel  1414;  Kirchzell  1469;  Kürtzlen  1610;  Kertzel  1614.  (Zelle 
mit  oder  bei  der  Kirche.) 


AMT  LAHR.  — KÜRZELL. 


41 


Archivalien:  der  Gemeinde  und  Pfarreien:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  15,  1893, 

S.  100. 

Ortsgeschichte : Nach  Kolb1)  besass  hier  das  Kloster  Schuttern  schöne  Güter,  Ortsgeschichte 
welche  es  theils  durch  die  Offonische  Stiftung  (!),  theils  durch  Kaiser  Heinrich  II.  1016 
erhalten  haben  soll.  Während  erstere  Notiz  sagenhaft  ist,  scheint  letztere  auch  nicht 
gesichert. 2)  Ichenheim  gehörte  zur  Herrschaft  Geroldseck,  fiel  1277  bei  der  Theilung 
an  die  Linie  Lahr-Malberg,  wurde  1321  an  Hug  von  Geroldseck  am  Wasichin  zur  Hälfte 
versetzt,  welche  Hälfte  von  diesem  als  Pfandlehen  an  die  von  Miilnheim  kam.  Was  er 
noch  nicht  verpfändet,  brachte  1355  Heinrich  von  Geroldseck-Lahr  wieder  an  sein  Haus. 

1430  nach  Aussterben  der  Lahr-Malberger  Linie  kam  K.  an  Mörs-Sarwerden ; 1442  durch 
Pfandschaft  zur  Hälfte  an  Baden  »und  erbte,  als  auch  das  Haus  Mörs-Sarwerden  erlosch, 
an  die  Grafen  von  Nassau- Sarbrücken«.3)  Bei  der  Theilung  1629  fiel  es  an  Baden- 
Baden.  — Auf  der  Gemarkung  K.  lagen  die  jetzt  eingegangenen  Dörfer  Meroltsweiler 
und  Mütershofen. 

Die  Simultankirche  (ad  s.  Laurentium)  ist  ein  Neubau  von  1827.  Erwähnt  1136  Simultankirche 
Kirechcella  cum  ecclesia.  Um  diese  Zeit  besass  (Konfirmation  des  Papstes  Innocenz  II.) 

Schuttern  bereits  das  Patronatsrecht  und  einen  Freihof  mit  vielen  Gütern.  Johannes 
papa  XXII  tres  parochias,  nempe  Saspach,  Kirchzell,  Jünswiler  donat  et  monachis 
monasterii  Schutterani  administrandas  comittit  anno  1325.  Er  gestattete  dem  Kloster 
die  Inkorporation  undVersehung  der  Pfarrei  durch  einen  Klostergeistlichen ; was  Bischof 
Johann  I.  von  Strassburg  indess  umänderte.  1419  hierThuman  von  Schuttern  lütpriester 
erwähnt.  In  den  Jahren  1564  bis  1567  vollzog  sich  der  Uebertritt  Kürzells  zur  Augs- 
burgischen  Konfession.  Da  es  bei  der  Theilung  der  Herrschaft  1629  an  Baden-Baden 
kam,  wurde  es  wieder  katholisch,  im  18.  Jh.  aber  wurde  die  Kirche  zum  Simultaneum 
gemacht. 

In  der  Sakristei : Ein  schöner  Kelch,  silbervergoldet,  laut  Inschrift  im  Fuss  eine  Kircheugeräthe 
Stiftung  des  Henricus  Eicharius  und  der  Maria  Magdalena  Funckartin  i6ij.  An  dem 
Fuss  (Sechspass),  der  mit  Rollwerk,  Engelsköpfen  geschmückt  ist,  auf  den  fischblasen- 
förmigen Abtheilungen  Medaillons  mit  Reliefs:  das  Wappen  der  Stifter,  Engel  mit  den 
Leidenswerkzeugen,  Stigmatisation  des  h.  Franz,  Magdalena  am  Fusse  des  Kreuzes. 

Stange  und  Nodus  mit  Beschlägornamenten,  Engelsköpfen  und  Fischblasen  dekorirt, 
die  Cuppa  schmucklos. 

Ein  weiterer,  silbervergoldeter  Kelch,  in  einfachen  Formen,  zeigt  in  hübsch  gravirter 
Rollwerkcartouche  die  Inschrift : Ex  gratia  Sibyllae  Augustae  Marchionissae  Badensis 
und  ihr  Wappen.  — Sonnenmonstranz , silbervergoldet,  getrieben,  von  1770.  — Mess- 
gewänder mit  typischer  Empirestickerei  und  in  den  typischen  Empirefarben. 


L n s.  136. 

2)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  331. 

3)  Ruppert  a.  a.  ü.  S.  334. 


42 


KREIS  OFFENBURG. 


Fig-  IS- 


Wappen  der  Stadt  Lahr.  ( Sandstein . In  der  Städtischen  Sammlung.) 


, ///////  ////////// 


LAHR 


Schreibweisen:  dominus  de  Gerolsegge  in  Castro  suo  Lare  1250;  zu  Lare  1270; 
in  der  stat  1366;  castrum  Lare  et  oppidum  eidem  Castro  annexum  1311;  Lore  1358; 
Lor  1373;  Lar  1401;  Läre  1458;  Lhaar  1576.  (Lar,  in  Ortsnamen  häufig,  vor  allem 
auch  als  zweiter  Bestandteil.  Nach  den  einen  mit  Otfrieds  gilari,  habitalis,  nach  den 
anderen  mit  ahd.  lari  — leer  zusammenzustellen.) 

Archivalien:  der  Stadt  Lahr,  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  12  (1890)  S.  97  — 108; 
Archiv  der  Boeder  von  Diersburg:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894)  S.  78; 
Th.  Müller,  Aus  dem  Lahrer  Stadtarchiv.  Lahrer  Zeitung  1890,  Nr.  168 — 170; 
P.  Staudenmaier;  Mittheil,  aus  den  Kapitelarchiven  Lahr  und  Offenburg.  Freib. 
Diöces.  Archiv  Band  14,  S.  268  ff. 

Litteratur:  Ursprung  der  Stadt  L.  Beil.  z.  Anzeiger  für  Stadt  und  Land  1891, 
Nr.  143,  Zeitschr.  52  (S.  674).  J.  J.  Reinhardt,  Pragmatische  Geschichte  des  Hauses 
Geroldseck,  wie  auch  der  Reichsherrschaften  Hohengeroldseck,  Lahr  und  Mahlberg  in 
Schwaben.  Frankfurt  und  Leipzig  1766.  Ruppert,  Mortenau  I,  S.  338 — 377.  F.  Stein, 
Geschichte  und  Beschreibung  der  Stadt  Lahr  und  ihrer  Umgebung.  Lahr  1827. 
Friedr.  Müller,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Lahr.  Gymn.  Progr.  I 1855,  II  1856. 
P.  Staudenmaier,  Aus  der  Türckheimischen  Bibliothek,  Abdruck  einer  Chronik  von 
1593.  Lahrer  Zeitung  188?.  Ders.,  Ueber  die  nach  dem  Schwedenkriege  einge- 
wanderten Geschlechter.  Ebenda  188?.  Ders.,  Die  adeligen  und  Patriziergeschlechter 
zu  Lahr.  Ebenda  188?.  Ders.,  Lahr  um  1797  und  Lahr  um  1880.  Ebenda  188?. 
Langsdorf,  Erläuterung  und  Erklärung  des  Freiheitsbriefes  von  1877.  Lahr  1795. 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


43 


Rau,  Auslegung  und  Erklärung  des  Freiheitsbriefes  vom  Jahre  1377.  Strassburg  1802. 

Tobias  Bundius,  Lahrische  Bettglocke,  angezogen  den  18.  Octobris.  Strassburg 
1633.  J.  G.  Langsdorf  Aem.,  Abschieds-  und  Antrittsrede,  geh.  21.  März  1803,  als 
die  Herrschaft  Lahr  ...  an  Baden  übergeben  wurde.  Lahr  1803.  K.  Steinmann, 

Der  Lahrer  Prozess  in  Lahrer  Mundart.  Nach  dem  Tagebuche  eines  Zeitgenossen. 

Nebst  dem  Freiheitsbriefe.  Lahr  1855. 

M.  Henning,  Geschichte  des  Landkapitels  Lahr.  Lahr  1893.  Alte  Kapitel- 
statuten von  1450  aus  Registr.  des  Landkapitels  L.  Freibg.  Kath.  Kirchenblatt  1890 
Nr.  38,  39.  P.  Staudenmaier,  Mittheil,  aus  den  Kapitelsarchiven  Offenburg  und  Lahr. 

Diöces.  Archiv.  XIV  (1881)  S.  268 — 279.  Wilhelm  Weiss,  Geschichte  des  Dekanats 
und  der  Dekane  des  Rural  oder  Landkapitels  I.  Offenburg  1895.  Gesch.  und  Statist. 

Nachrichten  über  die  kath.  Stadtpfarrei  L.  Anzeiger  für  Stadt  und  Land  1880  Nr.  85  fg. 

F.  Bauer,  Series  pastorum  Larensium.  Bad.  Geschäftskalender  für  d.  J.  1898.  Ausg. 
für  Geistliche. 

Ad.  Sütterlin,  Lahr  und  seine  Umgebung.  Lahr  1904.  Ders.,  Kleiner  Führer 
durch  Lahr  und  Umgebung.  Lahr  1906.  Album  Lahr.  Den  Festgästen  der  Haupt- 
versammlung des  bad.  Schwarzwaldvereins  26-/28.  Mai  1906  überreicht.  Lahr  1906. 

Ortsgeschichte : Die  Gegend  war,  wie  das  zu  erwarten,  schon  in  frühesten  Zeiten  Oltsgeschichte 
besiedelt,  wie  Funde  aus  der  Steinzeit  und  aus  der  Bronzezeit  (s.  u.)  beweisen.  Auch  die 
Römer  wie  die  Alemannen  haben  Spuren  ihrer  Anwesenheit  hinterlassen,  die  uns  aber 
nicht  das  Recht  geben,  von  einer  grösseren  und  geschlossenen  Ansiedelung  zu  sprechen. 

Die  Stadt  Lahr  verdankt  vielmehr,  wie  es  scheint,  ihren  Ursprung  erst  dem 
Dynastengeschlechte  der  Geroldsecker.  So  alt  ihr  Name  klingt,  dürfte  sie  doch  erst  aus 
den  Ansiedlungen  um  die  Tiefburg  dieses  Geschlechtes  entstanden  sein.  Die  Erwähnung 
eines  »Heinricus  de  Lare  miles«  1215  deutet  schon  auf  das  Vorhandensein  eines  Schlosses. 

Dieser  Ministeriale  des  Markgrafen  Hermann  und  Friedrich  von  Baden  verkaufte  damals 
sein  Lehensgut  Spitzenbach  bei  Breitebnet  dem  Kloster  Tennenbach.  Anhaltspunkte  dafür, 
dass  zur  gleichen  Zeit  schon  ein  Dorf  bestand,  fehlen  gänzlich.  Die  Burg  dieser  Zeit 
aber  war  wohl  eine  ganz  einfache  Anlage,  vielleicht  nur  aus  einem  (noch  später  vor- 
handenen viereckigen?)  Thurm  nebst  Mauern  bestehend.  Ich  werde  weiter  unten  zeigen, 
dass  die  noch  existierenden  Reste  derselben  nicht  früher  als  gegen  die  Mitte  des  1 3.  Jhs. 
erbaut  sein  können;  sie  zeigen  die  Formen  des  entwickelten  Uebergangsstyles.  Nun  hören 
wir,  dass  1250  Walter  von  Geroldseck  sammt  seinem  Sohne  in  seinem  Schloss  Lar  von 
dem  Grafen  Konrad  von  Freiburg  genommen  wurde  ]),  1259  wird  in  der  Stiftungsurkunde 
des  Augustinerklosters  eine  Hofstätte,  iuxta  munitionen  nostram2)  bezeichnet  und  noch 
nicht  von  einem  Dorf  gesprochen.  Mit  der  Annahme  Rupperts,  dass  Lahr  und  andere 
Orte  Zähringer  Güter  gewesen  sind,  die  an  die  Staufer  und  von  da  gegen  die  Mitte  des 
13.  Jhs.  an  die  Geroldsecker  gekommen  sind,  stimmen  diese  Nachrichten  wie  der  bau- 
liche Befund  überein.  Gleich  nach  ihrer  Besitznahme  haben  die  Geroldsecker  gegen 
1250,  nachdem  sie  als  Helfer  des  Bischofs  von  Strassburg  ihre  Herrschaft  durch  den 
Erwerb  Malbergs  vergrössert  hatten  und  durch  die  Auffindung  reicher  Silberadern  zu 
mächtigen,  angesehenen  Herren  geworden  waren 3),  die  einfache  Tiefburg  zu  einem 

*)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  339;  Krieger  II,  S.  7. 

-)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  340. 

a)  Fr.  Müller,  Beiträge  1855  S.  16  ff.  Ruppert  a.  a.  O.  S.  342. 


44 


KREIS  OFFENBURG. 


wohnbaren  und  prächtigen  Schlosse  umgestaltet.  Daran  werden  sich,  wie  immer  sogleich 
Ansiedelungen  geschlossen  haben,  und  bald  konnte  man  von  einem  Dorfe  sprechen. 
Fast  zur  nämlichen  Zeit  aber  wie  die  Schlossbauten  stifteten  die  Dynasten  das  erwähnte 
Kloster  und  begannen  den,  man  darf  sagen,  glänzenden  Bau  der  stattlichen  Kirche,  in 
den  Formen  des  Uebergangsstyles  und  der  frühesten  Gothik,  wohl  ehe  ihre  Mittel  in  den 
Kämpfen  des  Bischofs  Walter  von  Strassburg  so  beträchtlich  geschwächt  wurden.  1267 
endlich  wird  das  Dorf  erstmals  genannt ]) ; es  wird  unter  dem  Schutz  der  aufblühenden 
Herrschaft  mächtig  gewachsen  sein,  so  dass  es  etwa  10  Jahre  später  zur  Stadt  erhoben 
werden  konnte.  Diese  Erhebung  muss  nicht  lange  vor  1279  stattgefunden  haben,  denn 
in  dem  Freiheitsbrief  von  1279  wird  sie  schon  Stadt  genannt. 

Bei  der  Theilung,  die  Walther  I.  1272  vornahm,  war  Lahr  zusammen  mit  Malberg, 
Langenhard  etc.  (s.  Einleitung)  an  die  Söhne  seines  1262  in  der  Schlacht  bei  Hugsberg 
gefallenen  Sohnes,  des  Landvogtes  Hermann,  an  Heinrich  I.  und  Walther  II.  gefallen. 
Diese  verliehen  Lahr  das  Stadtrecht  nach  dem  Freiburger  Muster.  Heinrich  I.  stellte 
den  Freiheitsbrief  J)  aus,  der  die  Stadt  mit  werthvollen  Privilegien  ausstattete.  1301,  1314, 
1320  und  1354  wurde  der  Brief  erneuert  und  erweitert,  der  grosse  Freiheitsbrief  von 
1377  endlich  war  »nur  eine  Vereinigung  und  Erweiterung  dieser  Urkunden«.  2)  An  der 
Spitze  der  übrigens  stets  grundherrlichen  Stadt,  stand  ein  Zwölferrath,  der  jährlich  von  der 
Bürgerschaft  gewählt  wurde;  die  Herrschaft  aber  hatte  sich  das  Recht  Vorbehalten,  ihr 
nicht  gefällige  Personen  auszuschliessen  und  eine  Neuwahl  zu  verlangen.  An  ihrer  Spitze 
stand  der  Vogt,  später  der  von  der  Herrschaft  ernannte  Schultheiss.  Eine  Zeit  lang 
wurden  aus  den  Rathsmitgliedern  »Vierer«  gewählt,  welche  mit  dem  Vogt  zusammen  die 
jährliche  Steuer  zu  bestimmen  hatten,  von  1354  aber  an  verschwinden  sie  und  die  Ver- 
theilung  der  Steuer  wird  zu  einem  Recht  des  gesammten  Rathes,  in  dem  1365  ein  Bürger- 
meister erscheint.  Den  Vorsitz  behielt  der  Vogt  und  der  Schultheiss.  Das  erstere  Amt 
war  als  Zeitlehen  der  Herrschaft  in  den  Händen  von  Vasallen,  während  das  Schult- 
heissenamt  wohl  einem  der  Rathsglieder  von  der  Herrschaft  verliehen  wurde.  Später 
kam  dazu  ein  Amtmann  und  solange  Baden  und  Nassau  sich  in  die  Herrschaft  theilten, 
deren  zwei. 

Die  Stadt  scheint  rasch  emporgeblüht  zu  sein,  obgleich  die  Geroldsecker  ihr  Ver- 
sprechen, sie  nicht  zu  bedrücken,  und  die  Bestimmung,  dass  die  Bürger  von  Lahr  nicht 
gegen  ihren  Willen  haftbar  oder  verpfändet  werden  sollten,  unter  dem  Drucke  der 
schweren  Zeitläufte  oft  nicht  einhalten  konnten.  Die  Stadt  theilte  die  Schicksale  der 
Herrschaft  und  mag  unter  deren  Niedergang  oft  genug  gelitten  haben.  Die  Geroldsecker 
haben,  wie  viele  Geschlechter,  über  fortwährenden  Theilungen  ihre  Macht  eingebüsst. 
1299  theilten  die  Brüder  Heinrich  und  Walter  ihre  Herrschaft  in  Lahr  und  Malberg,  die 
aber  bald  nachher,  nach  dem  Tode  Heinrichs,  wieder  in  der  Hand  Walthers  II.  vereinigt 
wurde.  Er  und  seine  Nachkommen  waren  nun  eifrig  bestrebt,  soweit  es  in  ihrer 
sinkenden  Macht  stand,  die  Stadt  zu  fördern;  die  Rechte  und  Freiheiten  derselben 
scheinen  auch  reichlich  Fremde  herbeigelockt  zu  haben.  Das  Bürgerbuch  von  1356, 
das,  lange  Zeit  fortgesetzt,  noch  im  Stadtarchiv  zu  Lahr  aufbewahrt  wird,  weist  192 
Bürger  und  1 1 o Ausbürger  auf.  Die  letzteren  blieben  in  ihren  nahegelegenen  Heimath- 

*)  Fr.  Müller,  Beiträge  1855  S.  16  ff.  Ruppert  a.  a.  O.  S.  342. 

2)  Abgedruckt  u.  a.  bei  Sütt erlin,  Lahr  (1904),  S.  12. 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


45 


orten  wohnen,  hatten  aber  bürgerliche  Rechte  und  genossen  in  Kriegszeiten  den  Schutz 
der  Stadt.  Wie  schon  Stein  bemerkt,  ergiebt  sich  daraus,  dass  keine  einzige  Familie 
zahlreich  war,  die  Mannigfaltigkeit  der  Namen  daher  gross  war,  dass  alle  vor  mehr  oder 
minder  kurzer  Zeit  eingewandert  sind. 

Kurz  ehe  dies  Bürgerbuch  begonnen  wurde,  hatte  die  Stadt  die  beiden  gewaltigen 
Ereignisse  durchzumachen,  die  ganz  Deutschland  und  mehr  oder  minder  ganz  Mittel- 
europa erschütterten,  das  Erdbeben  von  1348  und  die  grosse  Pest.  Wie  allerwärts,  so 
schrieb  man  auch  hier  die  Schuld  daran  den  Juden  zu  und  beschloss  über  diese  auf 
einem  Landtag  zu  Benfelden  (s.  Einleitung),  dem  auch  Walther  IV.  von  Lare  nebst 
seinen  Vettern  beiwohnte.  Die  Folge  davon  war  eine  schreckliche  Judenverfolgung,  die 
in  Lahr  mit  deren  vollständiger  Ausrottung  und  Austreibung  geendigt  zu  haben  scheint, 
denn  in  dem  Bürgerbuche  von  1356  geschieht  ihrer  keinerlei  Erwähnung  mehr.  Die 
Stadt,  die  sich  immer  mehr  emporhebt,  konnte  1362  daran  denken,  ihr  Ohmgeld  um 
ein  Dritttheil  zu  erhöhen,  allerdings  ohne  grossen  Nutzen  davon  zu  haben,  denn  die 
Geroldsecker  nahmen  nun  häufig  ihre  pekuniäre  Zuflucht  zu  ihren  Mitteln,  wofür  sie 
denn  manche  Privilegien  gewähren  mussten,  so  den  erwähnten  grossen  Freiheitsbrief  von 
1377.  — 1426  starb  ihr  Mannesstamm  aus  und  nun  kam  die  Stadt  mit  der  Herrschaft 
an  Johann  Grafen  von  Mörs  und  Saarwerden,  der  in  schwerem  Kampfe  gegen  die  Erb- 
ansprüche der  Hohengeroldsecker  das  Erbe  seiner  Gattin  zu  vertheidigen  hatte.  Ganz 
besonders  litt  unter  diesen  Kämpfen  die  Stadt,  da  auch  ihr  Markt  von  den  Hohengerolds- 
eckern  durch  Errichtung  eines  neuen  Marktes  in  Selbach  schwer  geschädigt  wurde. 
1444  wurde  endlich  Friede  geschlossen;  die  Grafen  aber  waren  derartig  in  Schulden 
gekommen,  dass  sie  1442  die  Hälfte  der  Herrschaft  zum  Mitbesitz  an  Markgraf  Jakob 
von  Baden  verkauften.  Dieser  verkaufte  wieder  die  Hälfte  seines  Antheils  um  1 5 000 
Gulden  1462  an  die  Stadt  Strassburg,  löste  ihn  aber  schon  1480  wieder  ein.  Auch  der 
Mörs-Saarwerden’sche  Mannesstamm  starb  bald  aus  der  letzte  Erbe  endigte  in  geistiger 
Umnachtung  1527  — , da  kam  der  Schwiegersohn  Johanns  III.,  Johann  Ludwig  von 
Nassau-Saarbrücken  in  den  Gemeinbesitz  mit  Baden.  Stadt  und  Herrschaft  machten 
nun,  wie  so  manche  deutsche  Länder,  jenes  ewige  Hin  und  Her  von  Verpfändungen, 
Rückgabe,  Uebergang  durch  Vererbung  an  andere  Häuser  mit,  welches  die  deutsche 
Geschichte  im  16.  bis  18.  Jh.  so  unerquicklich  macht.  In  der  Einleitung  ist  geschildert, 
wie  auf  die  Nassau- Saarbrücken  die  Nassau-Weilburg  und  die  Nassau-Usingen  folgten, 
wie  die  Herrschaft  bisher  im  Gemeinbesitz  von  Nassau  und  Baden-Baden  1529  zwischen 
diesen  getheilt  wurde,  wesentlich  auf  Grund  konfessioneller  Bedenken  des  badischen 
Markgrafen.  Lahr  kam  dabei  an  Nassau  und  blieb  somit  protestantisch.  1654  bis  1727 
war  es  pfandweise  im  Besitz  des  Markgrafen  von  Baden-Durlach ; endlich  kam  es  1803 
definitiv  an  Baden.  Seit  1527  wird  wohl  kaum  einer  der  Herren  mehr  länger  in  Lahr 
residirt  haben,  ihre  Interesse  an  der  Entwickelung  der  Stadt  mag  unter  derartigen 
Wechselfällen  nicht  sehr  gross  gewesen  sein  und  Lahr  verlor  mit  dem  Erlöschen  des 
Geschlechts  seiner  Gründer  immer  mehr  an  Bedeutung,  es  scheint  selbst  vor  dem 
dreissigjährigen  Krieg  kaum  mehr  Bewohner  gehabt  zu  haben  als  im  Mittelalter,  etwa 
100  Jahre  nach  seiner  Gründung.  Selbstverständlich  nahmen  diese  dann  in  den  Zeiten 
des  grossen  Krieges  rapid  ab,  es  hatte  an  dessen  Ende  drei  Viertel  seiner  Bewohner 
verloren  und  fing  gerade  an,  sich  zu  erholen,  als  die  Kriege  Ludwigs  XIV.  über  die 
Gegend  herein  brachen.  1677  wurde,  wie  andere  Orte,  auch  die  Stadt  Lahr  verbrannt 


46 


KREIS  OFFENBURG. 


Vorgeschicht- 

liches 


und  die  Tief  bürg  mit  ihren  mächtigen  Mauern  ruinirt;  wie  gründlich,  davon  giebt  die 
weiter  unten  folgende  Abbildung  derselben  einen  Begriff  Im  18.  Jh.  begann  die 
Stadt  unter  der  offenbar  nicht  harten  nassauischen  Herrschaft  wiederaufzublühen.  1734 
wurde  sogar  das  Schloss  so  gut  wie  möglich  noch  einmal  befestigt  und  auch  sonst 
manche  Ausbesserungen  vorgenommen.  Die  Ruhe,  die  sich  allmählich  einstellte, 
wurde  indess  im  letzten  Drittel  des  Jahrhunderts  durch  die  Prozesse  zwischen  den 
Bürgern  der  Stadt  und  der  Herrschaft  zerstört,  wobei  erstere  sich  auf  den  alten 
Freiheitsbrief  mit  einseitiger  Auslegung  desselben  stützten.  Es  kam  zu  heftigsten 
Scenen,  die  man  in  Steins  Geschichte  der  Stadt  Lahr  nachlesen  mag;  in  dem 
»Lahrer  Prozess«,  einem  Gedicht  in  Lahrer  Mundart  ’),  sind  diese  Differenzen 
trefflich  geschildert.  Ihren  letzten  Grund  mögen  sie  wohl  darin  gehabt  haben,  dass 
die  grosse  Entfernung  von  dem  Sitz  der  Herrschaft  eine  intimere  Beziehung  zwischen 
Fürst  und  Volk  unmöglich  machten,  welche  natürlich  dadurch  nicht  besser  werden 
konnten,  dass  Nassau  sich  schliesslich  zur  Stillung  des  förmlichen  Aufstandes  300 
Mann  Exekutionstruppen  von  Baden  erbat.  Das  Unnatürliche  solcher  Herrschafts- 
verhältnisse im  alten  deutschen  Reich  offenbart  sich  damit  genügend.  Das  Reichs- 
kammergericht aber  hatte  von  da  an  mit  unendlichen,  bei  den  Haaren  herbeigezogenen 
Prozessen  der  Lahrer  gegen  ihre  Regierung  genügend  zu  thun.  Diese  unglücklichen 
Verhältnisse  haben  natürlich  dazu  beigetragen,  die  Lahrer  Bürger  für  die  Ideen  der 
Revolution,  die  damals  in  Frankreich  ausbrach,  besonders  empfänglich  zu  machen.  Als 
den  13.  Jenner  1792  Prinz  Conde  unter  Husarenbedeckung  durch  Dinglingen  fuhr  und 
sich  gegen  die  Zuschauer  verbeugend  aus  dem  Wagen  lehnte,  schrieen  ihm  die  ver- 
sammelten Lahrer  das  »vive  la  nation«  entgegen.«  (Stein.)  Auch  sonst  ergriffen  die 
Bürger  jede  Gelegenheit,  den  flüchtigen  Aristokraten  ihren  Hass  auszudrücken,  sie 
werden  also  die  Besetzung  Lahrs  am  31.  Juni  1796  durch  die  Republikaner  kaum  ungern 
gesehen  haben.  Lange  dauerte  diese  allerdings  nicht.  Den  Versuchen  aber  des  Erz- 
herzogs Carl  von  Oesterreich,  eine  Art  Landsturm  zu  errichten,  setzten  die  Lahrer  einen 
stillen,  aber  wirksamen  Widerstand  entgegen.  Die  Nassauische  Regierung  behandelte 
die  Stadt,  angesichts  des  Zunders,  der  dort  aufgehäuft  schien,  von  nun  an  äusserst  vor- 
sichtig und  nachgiebig.  Es  schien  sich  daher  ein  besseres  Verhältniss  herauszubilden, 
wie  die  schnelle  Deckung  eines  Anleihens  der  Regierung  im  Jahre  1798  beweist;  indess 
versuchte  die  Stadt  Lahr  doch  noch  einmal  1802  im  sogenannten  Dinglinger  Zollkrieg 
sich  mit  Gewalt  Recht  zu  verschaffen.  So  musste  es  denn  eine  wahre  Erlösung  sein, 
als  Lahr  1803  an  Baden  kam.  Am  26.  September  dieses  Jahres  wurde  von  dem 
Geheimen  Rath  und  Landvogt  zu  Mahlberg,  Freiherrn  von  Roggenbach,  die  Huldigung 
der  Herrschaft  Lahr,  der  Oberämter  Oberkirch,  Lichtenberg,  Ettenheim  und  Schliengen, 
den  Reichsstädten  Offenburg,  Gengenbach  und  Zell  in  der  Stadt  Lahr  entgegengenommen. 
Erst  durch  diesen  Einschluss  in  ein  grösseres  Ganzes  konnte  nun  die  Stadt  emporblühen 
und  sich  zu  ihrer  heutigen  Handelsbedeutung  entwickeln.  Der  Namenstag  Karl  Fried- 
richs, der  Karlstag,  wurde  daher  bis  auf  unsere  Zeiten  in  Lahr  mit  Recht  gefeiert. 

Vorgeschichtliches:  Ueber  ein  1825  von  dem  Geologen  Ami  Boue  in  Wien  aus 
dem  Löss  der  Gegend  von  Lahr  ausgegrabenes  menschliches  Skelett  s.  Albr.  Müller, 


K.  Steinmann,  Der  Lahrer  Prozess  in  Lahrer  Mundart.  Nach  dem  Tagebuch  eines 
Zeitgenossen.  Nebst  dem  Freiheitsbriefe.  Lahr,  Geiger  1855. 


47 


»Die  ältesten  Spuren  des  Menschen  in  Europa«,  Basel,  Schweighauser,  1871.  Auf  dem 
»Burghard«,  ]/2  Stunde  südöstlich  von  der  Stadt,  befindet  sich  ein  grosser  Ringwall, 
oval,  300  auf  200  m,  Höhe  ca.  2,50  m.  Herr  v.  Preen  fand  1896  im  nordöstlichen 


Theil  des  Innenraums  »den  prähistorischen  ähnliche  Scherben«.  Seine  Grabungen  von 
1897  auf  der  Südwestseite  ergaben  nichts  weiteres  der  Art;  in  einer  Tiefe  von  40  cm 
kam  eine  Lage  unregelmässig  aneinander  geschichteter,  20  cm  grosser  Sandsteine  zum 
Vorschein,  der  Wall  selbst  ist  aus  Sandsteinschutt  hergestellt.  »Westlich  davon  die 
Heidenburg  mit  dem  Heidengraben «,  nach  F.  Stein,  Geschichte  und  Beschreibung 


lg.  16.  Plan  der  Stadt  Lahr  164^ 
(Nach  Merian  lopografihia  Alsatiac.) 


48 


KREIS  OFFENBURG. 


der  Stadt  Lahr  1827,  »etwa  1500  Schritte  von  der  Stadt,  auf  der  rechten  Seite  des 
Schutterthals.  Sie  ist  durch  Steinbrüche  umwühlt,  ohne  Spuren  früheren  Mauerwerks. 


Fig.  77.  Ansicht  der  Tief  bürg  Lahr  (von  Südosten). 

(Aquarellkopie  in  den  Städtischen  Sammlungen  nach  verschollenem  .Original.) 


Fig.  18.  Ansicht  der  Tief  bürg  Lahr  (von  Nordwesten). 
( Aquarellkopie  im  Privatbesitz  in  Lahr.) 


An  ihr  zieht  sich  auf  einige  100  Schritte  der  Heidengraben  in  das  Gebirge  hinein,  dem 
Anschein  nach  von  der  Kunst  zur  Vertheidigung  benützt,  an  dessen  linkem  steilen 
Abhange  sowohl  als  auf  der  Höhe  ebenfalls  Verschanzungen  angebracht  sind.« 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


49 


Einige  Steimverkzeuge  befinden  sich  in  der  von  Prof.  Mohr  neu  geordneten 
Städt.  Sammlung  in  Lahr,  darunter  zwei  grosse  Mahlsteine  aus  Gneis  (60  und  65  cm 
lang),  ein  geschliffenes  und  durchbohrtes  Steinbeil  aus  Serpentin,  gef.  1882  bei  Legung 
der  Wasserleitung  in  der  Friedrichstrasse,  ein  weiteres  solches  2 m tief  im  Löss 
gefundenes  (oberes  Stück  abgebrochen).  Ebendort  eine  Bronzebeilklinge  mit  Schaft- 
lappen und  seitlichem  Eingehen,  gef.  in  einer  Felsspalte  im  »Hohberg«. 

Römisches:  In  der  Städt.  Sammlung  von  Freiburg  i.  Br.  befinden  sich  aus  der 
Gegend  von  Lahr  Scherben  von  rother  terra  sigillata  und  2 Ziegelstücke  mit  dem  Stempel 
der  LEG.  VIII  (Verzeichniss  von  Schreiber);  in  der  Sammlung  von  Lahr  ein  kugeliger 
Thonkrug  mit  verziertem  Schulterband,  gef.  1887  beim  Bau  einer  Brücke  über  den 
Schutterkanal,  ca.  300  m öst- 
lich vom  Bahnhof,  vier  weitere 
römische  Thongefässe  aus  der 
Umgegend  und  zwei  Bruch- 
stücke von  römischen  Stein- 
skulpturen, gef.  1891  auf  dem 
rechten  Ufer  der  Schütter;  das 
Kopfstück  eines  Altarsteins  mit 
den  Buchstaben  D E (o)  und  ein 
Fragment  mit  dem  Bein  und 
Stab  des  Merkur  (31  cm  hoch). 

Alemannisches : Beim 

Ausheben  von  Baugruben  im 
»Hagedorn«  stiess  man  1899 
auf  Gräber  eines  alemannischen 

Priedhofs.  An  Beigaben  fanden  Fig.  iq.  Versuchsweise  Rekonstruktion  der  Tiefburg  Lahr. 
sich  ein  langes  zweischneidiges 

Eisenschwert  (Spatha),  zwei  einschneidige  Kurzschwerter  (Scramasax),  Speer-  und 
Pfeilspitzen  und  Schnallen,  von  letzteren  eine  mit  Silbertauschirung.  (W.) 

Da  die  Entstehung  der  Stadt  Lahr  sich  anschliesst  an  die  an  dieser  Stelle  vor- 
handene Tiefburg  der  Geroldsecker,  da  demgemäss  auch  ihre  bauliche  Anlage  nur  aus 
der  Beziehung  auf  diese  zu  verstehen  ist,  so  muss  die  Besprechung  dieser  einstmals  so 
prächtigen  Anlage  aller  weiteren  Beschreibung  vorangehen.  Von  ihr  steht  heute  nur 
noch  ein  Rest  in  dem  sogen.  Storchenthurm  und  den  beiderseitig  an  ihn  anstossenden 
Mauer-  bezw.  Gebäuderesten.  Durch  den  Plan  Merian’s  (s.  Fig.  16)  aber  von  1643, 
sowie  durch  zwei  Aquarelle  — Kopien  in  der  Stadtsammlung  und  im  Privatbesitz,  welche 
(die  Originale  habe  ich  bisher  nicht  auffinden  können)  die  Burg  in  dem  ruinösen  Zustand 
des  18.  Jhs.  wiedergeben  — kann  ihre  ehemalige  Gestalt  einigermassen  festgestellt 
werden  (s.  die  Fig.  17  u.  18).  Das  Bild,  das  die  Burg  bot,  war  der  klassische  Typus 
einer  Tiefburg,  ein  Viereck  mit  runden  Thürmen  an  den  Ecken,  an  die  sich  die  Wohn- 
gebäude anschlossen.  Da  bei  dem  erhaltenen  Theil  die  an  den  Thurm  anstossenden 
Mauern  einen  spitzen  Winkel  bilden  (s.  Fig.  20),  so  war  das  Viereck  nicht  regelmässig, 
sondern  an  der  einen  Ecke  verschoben,  wie  es  unser  rekonstruirter  Plan  (s.  Fig.  19) 
zeigt,  möglicherweise  auch  überhaupt  rautenförmig  gestaltet.  Ein  grosser,  ca.  1 2 m 
und  darüber  breiter  Graben,  der  sein  Wasser  aus  dem  Gewerbekanal,  einem  abgeleiteten 


O 


Römisches 


Alemannisches 


Band  VII. 


4 


5° 


KREIS  OFFENBURG. 


Arm  der  Schütter,  erhielt,  welcher  die  Stadt  durchfliesst,  umgab  das  Viereck.  Erscheint 
von  einer  niederen  (früher  wohl  höheren)  Mauer  nach  aussen  begrenzt  gewesen  zu  sein, 


Fig.  20.  Tief  bürg  Lahr  (sogen.  Storchtnthurni). 


Grvnpri«^ 

MömetA 


AUF 

Höhe  B 


an  ihn  setzte  im  Westen  und  Osten  die  Stadtmauer  an,  Uber  die  die  Bürg  etwa  um  ein 
Drittel  herausragte.  An  dieser  freien  Stelle  scheint  ehemals  ein  Zwinger  vorgelagert 
gewesen  zu  sein,  wenigstens  glaube  ich,  den  auf  unsern  beiden  Aquarellen  angegebenen 


Tafel  I 


Storchenturm  in  Lahr. 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


51 


Lattenzaun  so  deuten  zu  dürfen.  Eine  steinerne  (?)  Bogenbrücke  überschritt  den  Graben 
und  verband  die  Burg  mit  der  Stadt. 

Soweit  die  Gesammtanlage.  Ueber  den  inneren  Ausbau  geben  uns  die  noch 
stehenden  Reste  gute  Auskunft.  Sie  bestehen  zunächst  aus  dem  mächtigen  Thurm 
(A  auf  der  Rekonstruktionsskizze).  Dieser,  von  etwa  8,5  m Durchmesser,  einer  unteren 
Mauerdicke  von  ca.  2 V4  m,  zeigt  im  Aeusseren  eine  ausserordentlich  wirkungsvolle 
Bekleidung  mit  sauberen  Bossen- 
quadern  (s.  Fig.  20),  die  von 
virtuoser  Steinmetztechnik  — 
die  Zeichen  der  Steinmetzen 
ebenfalls  Fig.  20  — zeugen. 

Diese  Quader  greifen  zum 
Theil  merkwürdig  hakenartig 
übereinander.  Sie  sind  aus  dem 
harten,  rothen  Sandstein  der 
Umgegend  (vom  Altvater). 

Der  innere  Mauerkern  besteht 
aus  Bruchsteinmauerwerk.  Der 
Thurm  enthält  drei  Stockwerke 
übereinander.  Man  betritt  ihn 
durch  eine  Thür  mit  geradem 
Sturz,  an  dem  (anscheinend  alt) 
die  Umrisslinien  zweier  Ritter 
auf  Pferden  eingeritzt  sind, 
und  Kleeblattblendbogen.  Fine 
nicht  mehr  zugängliche  Treppe 
führt  von  hier  herunter  in 
einen  verliessartigen  Raum.  Im 
Erdgeschoss  selbst,  durch  eine 
(theihveise  erneuerte)  Mauer 
von  der  Treppe  getrennt  und 
durch  eine  geradsturzige  Thür 
zugänglich , ein  halbrunder 
Raum,  der  wenig  Licht  durch 

Schiessscharten  mit  grosser  Kammer  erhält.  Er  ist  durch  ein  später,  wohl  im  18.  Jh.  ein- 
gezogenes Backsteingewölbe  zu  einer  Art  Wachtstube  hergerichtet.  Zwischen  ihm  und 
dem  zweiten  Stockwerk  führte  eine  jetzt  zugemauerte  Thüröffnung  in  den  Ostpalas.  Man 
sieht  schon  aus  dem  bisherigen,  dass  der  Thurm  in  späterer  Zeit  viele  Ueberarbeitungen 
erfahren  hat,  die  seine  ursprüngliche  Anlage  nicht  mehr  klar  erkennen  lassen.  Das 
wird  sofort  bestätigt  durch  das  folgende,  das  zweite  Stockwerk.  Hier,  wo  sich  nach 
aussen  die  langen,  interessanten  Bogenschiessscharten  (s.  Fig.  21)  öffnen,  ist  von  dieser 
Schiessscharte  zu  der  Thür  die  Mauer  abgespitzt,  neues  Mauerwerk  eingefügt  und  doch 
muss  zu  der  Erbauungszeit  die  Mauer  den  Raum  noch  weniger  eingeengt  haben,  da 
sonst  die  Oeffnung  für  Schützen  ganz  unbrauchbar  gewesen  wäre.  Auch  die  Gurtbögen, 
welche  die  Decke  dieses  ganz  unregelmässigen  Gewölbes  (bei  ebenso  unregelmässigem 


Fig.  21.  Bogenschiessscharte  im  Storchenthnrm  zu  Lahr. 


4' 


52 


KREIS  OFFENBURG. 


Grundriss)  tragen,  sind  zweifellos  erst  im  16.  Jh.  eingezogen  worden,  ebenso  sind  die 
Treppen  zum  Theil  bei  späteren  baulichen  Eingriffen  verändert.  Zwischen  dem  zweiten 
und  dritten,  und  ebenso  über  dem  letzten  Stockwerk  war  die  Treppe  einstmals  durch 
I hiiren  abschliessbar,  deren  Spuren  noch  sichtbar.  Das  nun  folgende  dritte  Stockwerk 
zeichnet  sich  durch  sorgfältigere  Behandlung  aus.  Es  ist  gegen  die  Treppe  durch  eine 
Quermauer  abgeschlossen,  rechts  und  links  von  dem  durch  die  einfache  Thür  Ein- 
tretenden sind  in  der  Mauerdicke  Flachnischen  ausgespart,  während  die  vierte  Seite 


winnen,  da  hier  im  17.  Jh.  durch  Einziehen  schlechter  Riegelwände  Alles  zu  kleinen 
Zimmern  umgeändert  worden  ist.  Ein  ähnliches  Dach  wie  heute  mag  ehemals  die 
Bekrönung  gebildet  haben,  das  heutige,  durch  einen  mächtigen  hölzernen  Dachstuhl 
gehalten,  der  wohl  auch  schon  in  das  17.  oder  16.  Jh.  hinaufragt,  es  trägt  das  Storchen- 
nest, das  dem  Thurm  den  Namen  giebt. 

Die  Thurmmauer  war  nach  dem  Innern  des  Schlosshofes  zu  bis  zu  etwa  2/3  Höhe 
muldenartig  eingeschnitten,  um  dem  hier  sich  anfügenden  Gebäude  den  guten  Anschluss 
zu  ermöglichen,  was  allein  schon  die  Gleichzeitigkeit  der  Bauten  beweist.  Von  diesem 
Gebäude  stehen  nur  noch  die  zwei  an  den  Thurm  anstossenden  Aussenmauern  in  einer 
Stärke  von  etwa  2 ’/2  m.  Diese  Mauern  zeigen  nach  aussen  die  gleiche  vorzügliche 
Bossen-Quaderbekleidung  wie  der  Thurm,  nach  innen  zu  eine  Bekleidung  mit  sauber 
glatt  behauenen  Quadern,  während  der  Zwischenraum  durch  Gussmauerwerk  ausgefüllt 
ist.  Alles  also  in  vorzüglich  oolider  Technik.  Das  nördliche  Mauerstück,  das  noch 
etwa  in  der  Länge  von  8 m erhalten  ist,  hat  im  unteren  Theil  keinerlei  Oeffnung,  im 
oberen  dagegen  die  Hälfte  eines  gekuppelten  Fensters,  zwei  Kleeblattblendbögen 


durch  die  runde  Linie  der  Thurmmauer  das  Ge- 
mach apsidenartig  abschliesst,  welches  von  einem 
Kreuzgewölbe  mit  birnenförmig  profilirten  Rippen 
auf  achteckigen  Konsolen  gedeckt  wird.  Letztere 
sind  leicht  konkav  (s.  Eig.  22).  Der  Schlussstein  zeigt 
verwaschenes,  flaues  Blattwerk,  das  auf  das  15.  Jh. 
weist.  Die  Anlage  des  Raumes  legt  den  Gedanken 
an  eine  Kapelle  nahe;  doch  möchte  ich  mich 
darüber  nicht  sicher  aussprechen.  Dafür  sprechen 
aber  jedenfalls  die  in  den  beiden  Flachnischen  vor- 
handenen, jetzt  theilweise  zugemauerten,  Doppel- 
fenster mit  spitzen  Kleeblattbögen  (s.  Fig.  23).  Von 
hier  aus  führt  wieder  eine  Thür  in  den  Ostpalas, 
sowie  dann,  in  der  Dicke  der  Mauer,  ihrem  runden 
Zuge  folgend,  die  alte  Treppe  zur  Plattform, 
die  von  mächtigen  Zinnen  umgeben  war,  deren 
Zwischenräume  jetzt  zum  Theil  durch  späteres 
Flickmauerwerk  ausgefüllt  sind.  Wir  sehen  im 
Innern  hinter  den  Zinnen  eine  kleine  Aufmauerung, 
die  wohl  einer  Balkenlage  gedient  haben  mag. 
Ueber  die  ehemalige  Gestaltung  dieses  obersten 
Theiles  wie  über  die  Art  der  Endigung  der  Zinnen 
können  wir  keine  sichere  Anschauung  mehr  ge- 


Fig.  22.  Rippe  mit  Konsole  aus  dem  IV.  Stock- 
werk des  Thurmes  der  Tief  bürg  Lahr. 


AMT  l,AHK. 


LAHR. 


53 


(einer  noch  erhalten)  auf  schlanken  Säulchen  mit  Tellerbasen  und  Knospenkapitellen, 
das  Ganze  war  umschlossen  von  einem  grossen  Blendrundbogen  und  der  Zwischenraum 
durch  eine  Platte  mit  geometrisch  geschnittener  Oeffnung  geschlossen  (s.  Fig.  24).  Sichtbar 
auch  noch  die  Löcher  für  die  Verschlussbalken. 

Die  südöstliche  Wand,  etwa  9 m lang  erhalten,  von  der  gleichen  Dicke  wie  die 
andere,  aber  mit  nach  Innen  nicht  so  gut  sauber  hergestelltem  Mauerwerk  und  mit  dem 
Thurm  anscheinend  nicht  bündig,  zeigt  zunächst  dem  Thurm  nicht  ganz  in  der  Höhe 
des  geschilderten  Nordfensters  eine 
schlanke,  im  Kleeblattbogen  abge- 
schlossene Thür,  die  ehemals  zu  einem 
Abort  führte,  dessen  Konsolen  noch 
aussen  sichtbar  sind.  Dann,  ebenfalls 
etwas  tiefer  wie  das  Nordfenster,  ein 
grosses  Doppelfenster,  durch  einen  ab- 
geschrägten Pfosten  getheilt,  geradem 
Sturz  über  den  beiden  Oeffnungen, 
darüber  in  flacher  Ausführung  — 
gleich  der  unteren  Thür  in  den 
Thurm  — Kleeblattblendbögen  und 
eine  geometrisch  ausgeschnittene  Stein- 
platte, das  Ganze  von  einem  runden 
Blendbogen  zusammengehalten.  Im 
unteren  Theil  der  Mauer  über  dem 
jetzigen  Erdboden  ein  gleiches,  lange 
Zeit  als  Hühnerstall  gebrauchtes 
Fenster.  Bei  beiden  sind  die  Ge- 
wände einfach  abgeschrägt.  Im  Innern 
in  der  stattlichen  Mauerdicke  spannt 
sich  über  ihnen  ein  Rundbogen. 

Ueber  dem  unteren  Fenster  ein  Unter- 
stützungsspitzbogen. Im  unteren  Theil 
daneben  vom  Innern  aus  ein  ent- 
sprechender Rundbogen,  aber  durch  sehr  roh  behauene  Steine  gebildet,  der  aber  nicht 
zu  einem  Fenster  gehört,  sondern  schräg  in  die  Tiefe  führt.  Vielleicht  der  auf  der 
alten  Ansicht  angedeutete  Ausgang  in  den  Graben? 

Am  ganzen  Gebäude  zerstreut  die  für  die  Mitte  des  13.  Jhs.  ebenfalls  charak- 
teristischen Steinmetzzeichen  (s.  Fig.  20). 

Und  nun  werfe  man  einen  Blick  auf  die  beiden  in  Fig.  17  und  18  abgebildeten 
Aquarelle.  Auf  dem  einen  (Fig.  18)  sehen  wir  die  Nordostwand  und  zwar  an  den  Thurm 
anlehnend  einen  ziemlich  hohen  Giebel,  in  diesem  in  drei  Stockwerken  übereinander 
zuerst  zwei,  dann  je  ein  Fenster,  unten  aber  im  Hauptgeschoss  des  Gebäudes  ein 
gekuppeltes  Rundbogenfenster,  das  Fenster,  das  wir  in  Fig.  23  wiedergegeben  haben, 
wie  es  deutlicher  und  genauer  der  etwas  unbeholfene  Zeichner  bei  dem  kleinen  Massstab 
gar  nicht  hätte  wiedergeben  können.  Der  Giebel  allerdings  ist  der  Zeit  zum  Opfer 
gefallen,  das  Fenster  aber  steht  noch.  Und  bei  der  Siidostwand  (s.  Fig.  17)  giebt  der 


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Fig.  23.  Doppelfenster  im  Storckenthurm  zu  Lahr. 


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KREIS  OKFENBURG. 


Zeichner  ebenfalls  mit  wünsch ens weither  Deutlichkeit  die  beiden  von  uns  geschilderten 
Fenster  übereinander,  dann  wieder  ein  Fenster,  das  heute  nicht  mehr  vorhanden,  und 

dann,  wohl  dem  Thurm  etwas 
zu  nahe  gerückt,  der  Ausgang  in 
den  Graben.  Aber  nach  Allem 
dürfen  wir,  wenn  auch  nicht  in 
jeder  Kleinigkeit  — z.  B.  nicht 
in  der  Fensterzahl  — seinen 
Angaben  unbedingt  trauen  und 
können  uns  danach  das  Bild 
des  Schlosses  folgendermassen 
rekonstruiren : 

In  dem  unregelmässigen 
Viereck  standen  sich  gegenüber 
die  zwei  palasähnlichen  Bauten 
B und  D.  Beide  schlossen  sich 
an  je  zwei  Thürme  der  Um- 
fassungsmauer an ; die  Innen- 
räume der  Thürme  waren  theil- 
weise  mit  zu  Wohnzwecken  be- 
nutzt. Die  Aussenmauern  des 
Schlosses  waren  zugleich  die 
Aussenmauern  dieser  Gebäude. 
Beide  waren,  wie  es  schien,  im 
edelsten  Uebergangsstyl  erbaut. 
Von  B können  wir  sicher  sagen, 
dass  es  ein  Satteldach  besass, 
noch  sehen  wir  auf  der  Zeich- 
nung den  stattlichen  Giebel,  der 
sich  an  den  Thurm  (A)  anlehnte. 
Der  Bau  scheint  drei  Stockwerke 
gehabt  zu  haben;  der  Erdboden 
bedeckt  heute  das  untere,  das 
sich  in  einer  runden  Ausfallthür 
nach  dem  Graben  öffnete.  Das 
Stockwerk  darüber  zeigt  ge- 
kuppelte Rundbogenfenster  — 
es  mag  wohl  die  Prachtsäle  ent- 

Fig.  24.  Fenster  in  der  Tiefburg  Lahr.  halten  haben  , das  obere 

Stockwerk  ein  derartiges  Fenster 


und  dann  durch  einen  Pfosten  getheilte  geradsturzige  Fenster.  Gegen  den  Hof  f C)  zu 
hatte  der  Bau  Spitzbogenfenster  und  ein  grosses  spitzbogiges  Thor.  Eine  etwas  stärkere 
Mauer  trennte  das  letzte  Drittel  des  Baues  von  dem  andern  Theil.  Von  dem  gegenüber- 
liegenden Bau  können  wir  auf  dem  Aquarell  noch  vier  grosse  gekuppelte  Fenster 
erkennen,  die  gedrückte  Spitzbogen  zu  haben  scheinen,  wenn  das  nicht,  wie  bei  dem 


AMT  I.AHK. 


I.AHK. 


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gegenüberliegenden  Bau  nach  den  Kesten  sicher,  als  missglückte  Rundbogen  auf  Rech- 
nung des  Zeichners  kommt.  Die  Südmauer  des  Hofes  ( C)  scheint  eine  rundbogige 
Ausfallthür  (?)  gehabt  zu  haben  und  eine  grosse  (?)  Schiessscharte,  die  Nordmauer  — an 
der  wir  das  gekuppelte  Fenster  der  Schmalseiten  der  Bauten  B wie  D noch  erkennen  — 
öffnete  sich  in  spitzbogigem  Thor  zu  der  steinernen  Brücke.  Kurzum,  das  klare  Bild 
einer  mehr  für  eine  gewisse  Prachtentfaltung,  als  für  starke  Vertheidigungen  errichteten 
Anlage. 

Indess  scheint  eine  alte  Notiz,  die  Stein  mittheilt  und  die  auch  Ruppert 
abdruckt,  diesem  ziemlich  klaren  Befund  zu  widersprechen.  Danach  stand  nämlich  in 

dem  Schlosse  noch  ein  auf  unsern  Abbildungen  nicht  ersichtlicher  Thurm.  Ich  drucke 
diese  Nachricht  nach  Stein  ab: 

tn  dem  Schlosse  stand  ehemals  noch  ein  viereckigter,  32  Fuss  in  das  Gevierte  haltender, 
Thurm,  der  im  Jahr  1655,  auf  Befehl  der  Regierung,  abgebrochen  werden  sollte.  Sie  trug  dabei 
ihrem  Beamten  auf,  lleissig  zu  achten,  wie  derselbe  inwendig  beschaffen  sey,  »da  in  dergleichen 
alten  Gebäuden  oft  Sachen  wären,  die  nicht  für  Jedermann  passten.»  In  dem 
hierauf  erstatteten  Berichte  heisst  es:  dass  sich  das  Abbrechen  ohne  allzugrosse  Mühe  und  Kosten 
»nicht  machen  lasse,  denn  das  Gezeug  sey  gar  fett  und  viel  härter  und  fester  als  die  Steine  selbst. 

Derowegen  habe  man  den  Thurm  mit  allem  Fleiss  besichtigt  und  gefunden,  dass  noch  ein  Gewölbe 
»30  Werkschuh  tief  darunter  sey,  dieweilen  aber  uns  der  Thurm  zu  besteigen  unmöglich,  auch  bei 
»solchen  Umständen  andern  Leuten  anzuvertrauen  nicht  zu  verantworten  gedacht;  als  haben  wir  dem 
»Boden  gleich  ein  grosses  Loch  eingebrochen.  In  Auswertung  des  Grundes,  so  viel  sich  annoch 
»thun  lassen,  in  Beiseyn  unserer  des  Beamten  und  Maurermeisters)  anders  nichts  als  vermoderte 
»grosse  und  kleine  Menschen  beisamt  verbrannter  Asche,  welches  annoch  auf  sechs  Werkschuh  tief 
»und  Morgens  Tags,  geliebts  Gott,  vollends  ausgeführt  und  nach  Erfund  Bericht  erstattet  werden  soll, 
darin  befunden,  daraus  zu  inuthmassen,  dass  vor  alten  Zeiten  Leut  darein  gethan  und  mit  Feuer 
»erstickt  und  verbrandt  worden.« 

Weitere  Nachrichten  fehlen.  Von  aufgefundenen  Waffen  oder  sonstigen  Geräthschaften  geschieht 
keine  Erwähnung. 

Nach  dem  von  dem  Maurermeister  bei  dieser  Gelegenheit  gefertigten  Plane  enthält  der  Thurm 
drei  viereckigte  Gewölbe  übereinander.  Das  unterste,  14  Fuss  weit  und  30  Fuss  hoch,  wovon  6 Fuss 
in  dem  Boden  und  30  Fuss  im  Lichten,  hatte  9 Fuss  4 Zoll  dicke  Mauern.  Aus  ihm  ging  ein 
2^2  Fuss  weites  Loch  durch  die  Wölbung  in  das  mittlere,  gleich  grosse,  und  1 1 Fuss  hohe  Gemach, 
in  dessen  vier  Seiten  eben  so  viele  innen  3 Fuss  hohe,  aber  enge  auslaufende,  Wartlöcher  angebracht 
waren.  Eine  3'/2  Fuss  lange  und  2 Fuss  breite  Oeffnung  führte  in  das  oberste  Gemach.  Dieses, 
ein  10  Fuss  hohes  Kreuzgewölbe  von  der  nemlichen  Weite  wie  die  übrigen,  hatte  auf  entgegen- 
gesetzten Seiten  zwei  Wartlöcher,  einen  Kamin,  einen  Abtritt  und  eine  Treppe,  auf  der  man  inner- 
halb des  Thurmes  auf  dessen  3^2  Fuss  hohe  Brustwehr  stieg.  Aus  einer  Thitre,  der  einzigen  dieses 
Thurines,  kam  man  auf  die  Fallbrücke,  welche  mit  den  Schlossmauern  oder  Gebäuden  in  Verbindung 
gewesen  seyn  muss.  Der  Thurm  scheint  in  der  Mitte  des  Schlosses  gestanden  und  jenen  Platz  ein- 
genommen zu  haben,  welchen  das  Viereck  des,  vor  dem  Jahre  1643  entworfenen,  Schlossplanes 
bezeichnet.  Diese  Vermuthung  wird  noch  dadurch  sehr  bestärkt,  dass  die  Wohn-  und  Oekonomie- 
Gebäude  an  den  Seiten  angebracht  waren,  und  die  Schlossmauern  allenthalben  Oeffnungen  hatten. 

Der  erwähnte  Regierungsbefehl  nennt  diesen  Thurm  vorzugsweise  den  alten,  und  man  scheint 
ihn  daher  schon  damals  für  älter  als  die  runden  Eckthürme  gehalten  zu  haben.  Auffallend  ist  es, 
dass  das  Innere  desselben  der  Regierung  und  ihren  Beamten  unbekannt  geblieben  war,  und  dass 
man  darin  besondere  und  wichtige  Geheimnisse,  deren  allgemeine  Bekanntwerdung  man  nicht  für 
räthlich  hielt,  verborgen  glaubte. 

Woher  diese  Nachricht  stammt,  habe  ich  bis  jetzt  nicht  konstatiren  können ; sie 
ist  immerhin  so  bestimmt,  dass  wir  ihr  einstweilen  Glauben  schenken  dürfen  und  ich 
möchte  danach  annehmen,  dass  dieser  Wohnthurm,  für  den  in  dem  doch  12  m breiten 
Hofe  ( C)  reichlicher  Platz  war,  stehen  geblieben  ist  als  Ueberrest  der  alten  einfacheren 


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KREIS  OKFENBURG. 


Geschichte 
der  Stadtanlage 


Tiefburg  vor  der  Besitzergreifung  durch  die  Geroldsecker.  Nicht  unmöglich  aber  auch, 
dass  diese  ihn  gebaut  haben,  um  der  Anlage  doch  einen  grösseren,  fortifikatorischen 
Werth  zu  verleihen,  als  sie  nach  unsern  Bildern  zu  haben  schien. 

In  dem  Hofe  bei  dem  Thurm  werden  jetzt  die  Ueberreste  des  alten  Lahrer  Galgens 
aufbewahrt. 

Zu  gleicher  Zeit  etwa  mit  diesem  Burgbau  wurde,  einige  hundert  Meter  davon 
entfernt,  das  Spital  und  die  Stiftskirche  erbaut,  die  unten  besprochen  wird.  — Im  Jahre 
1279,  da  zum  ersten  Mal  von  einer  Stadt  Lahr  gesprochen  wird,  wird  dieselbe  schon 
nicht  mehr  schutzlos  den  Feinden  preisgegeben,  sondern  durch  eine  Befestigung  geschützt 
gewesen  sein.  Welcher  Art  diese  war  und  welchen  Umfang  sie  hatte,  können  wir, 
mangels  irgend  welcher  Anhaltspunkte,  nicht  sagen.  Jedoch  kennen  wir  die  Lage  der 
Schlosskapelle  auf  dem  heutigen  Schlossplatz,  in  der  die  Bürger  bei  geschlossenen 
Thoren  den  Gottesdienst  besuchten ; sie  wird  also  gegen  die  Stadt  zu  gelegen  haben, 
die  sich  demnach  schon  damals  nach  der  gleichen  Richtung  wie  auf  dem  Merian’schen 
Plane  ausdehnte,  wenn  sie  auch  jedenfalls  nicht  so  viel  Raum  einnahm.  Ein  Blick  auf 
den  Stadtplan  lässt  zunächst  eine  älteste  Anlage  vermuthen,  die  durch  die  heutigen 
Metzgerstrasse,  Kirchstrasse,  Bismarckstrasse  und  Waldhorngasse  bezeichnet  wird  und 
mit  dem  darin  einbezogenen  Schloss  etwa  ein  unregelmässiges  Achteck  bildete.  Zur  Zeit 
jenes  Bürgerbuches  1356  scheint  Lahr  trotz  der  nicht  geringen  Zahl  der  Bürger  keine 
grösseren  Bauten  besessen  zu  haben,  auch  die  Zahl  der  aus  Stein  gebauten  Häuser  war 
gering1),  so  dass  es,  wie  Ruppert  sagt,  »Ringmauern  undThore  abgerechnet,  in  seinem 
Aeussern  in  nichts  von  den  benachbarten  Dorfschaften  verschieden  war«.  Unter  den 
erwähnten  Oertlichkeiten  der  Stadt  befindet  sich  eine  Kapelle,  die  Predigerherberge,  ein 
Schulhaus,  das  Friesenthor,  das  Rappenthor,  das  Fulhabernthor,  die  Trinkstube,  die 
Badstube,  die  Brodlaube,  der  Weg,  »do  die  Kefige  (Gefängniss)  stant«  u.  s.  w.  Inner- 
halb der  Ringmauer  befand  sich  noch  die  Stadtmühle,  die  vordem  dem  Kloster  Gengen- 
bach gehört  hatte;  endlich  wissen  wir  noch,  dass  seit  1366  das  Kloster  Schuttern  hier 
ein  Haus  besass  und  etwas  später  auch  das  Kloster  Gengenbach. 

Das  Rappenthor  ist  damals  vielleicht  am  Anfang  etwa  der  heutigen  Rappenthor- 
gasse zu  suchen,  es  hat  auch  zu  Merians  Zeiten  (aber  wohl  an  anderer  Steller)  noch 
so  geheissen,  während  ich  den  Ort  des  Fulhabernthores  nicht  zu  bezeichnen  weiss. 
Durchflossen  wurde  die  Stadt  von  dem  Gewerbekanal,  der  auch  den  Schlossgraben 
bewässerte.  Oestlich,  einige  100  Meter  von  den  Mauern  entfernt,  lag  die  Stiftskirche 
mit  den  Stiftsgebäuden,  um  die  sich  wohl  auch  schon  einige  Ansiedelungen  gruppirt 
hatten.  Vor  der  Stadt  lag  ein  Ackerhof  von  beträchtlicher  Grösse,  der  zum  Schloss 
gehörte.  Weiter  südlich  floss  die  eigentliche  Schütter  dahin,  um  sich  zwischen  Dinglingen 
und  Lahr  wieder  mit  dem  abgeleiteten  Kanal  zu  vereinigen. 

In  den  folgenden  Jahrhunderten  wird  die  Stadt  trotz  mancher  Schwankungen 
allmählich  an  Umfang  zugenommen  haben,  die  alten  Häuser  werden  durch  solche  aus 
Stein  ersetzt  worden  und  mancher  öffentliche  Bau  mag  erstanden  sein.  2)  Allzu  schön 
dürfen  wir  uns  aber  diese  Bauten  nicht  vorstellen;  bezeichnend  genug  ist  der  Umstand, 

1)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  359. 

2)  Es  kann  nicht  die  Absicht  sein,  hier  auf  Grund  neuer  Untersuchungen  die  Baugeschichte 
Lahrs  zu  schaffen.  Es  wäre  aber  sehr  erfreulich,  wenn  unsere  Skizze  dazu  anregen  wollte,  wie  über- 
haupt eine  wissenschaftliche  Geschichte  der  Stadt  Lahr  ein  äusserst  dankenswerthes  Unternehmen  wäre. 


AMT  J,AHk. 


I.AIIK. 


57 


dass  von  Bauformen  des  13.  bis  15.  Jhs.  geradezu  nichts  erhalten  ist,  während  die 
Renaissance  ausser  grösseren  Bauten  auch  zahlreiche  Spuren  hinterlassen  hat,  obgleich 
zwischen  beiden  Perioden  keine  nennenswerthe  Zerstörung  der  Stadt  zu  konstatiren  ist, 
die  das  etwa  erklärte. 

1456  erfahren  wir  von  einem  Rathhaus:  es  findet  »in  der  grossen  ratstube«  ein 
Schiedsgericht  statt  zwischen  den  Klöstern  Schuttern  und  Gengenbach.  ’)  Auch  von 
diesem  Rathhaus  aber  scheinen  mir  keinerlei  Reste  mehr  erhalten.  — 1471  bestätigt 
Kaiser  Friedrich  III.  die  von  Lahr  unternommene  Verlegung  der  Strasse,  d.  i.  also  doch 
der  Schutterthalstrasse,  die  vormals  unter  der  Stadt  hingegangen  und  unbrauchbar  (?) 
geworden  war,  in  die  Stadt.  2)  Diese  hatte  nun  solche  zu  unterhalten  »zu  friedsamer 
Förderung  und  Nothdurft  derer,  die  mit  ihrer  Kaufmannschaft  und  Handthierung  die 
Stadt  besuchten,  in  Bau  und  Besserung.  Aus  diesem  Grunde  erhielt  sie  das  Recht,  im 
Umfange  von  einer  Stunde  ein  Weggeld  zu  erheben.  Zugleich  wurde  ihr,  sowie  andern 
Mauthstädten  die  Bestrafung  der  Defraudanten  überlassen;  doch  durfte  der  gemeine 
Mann  nicht  beschwert  werden  und  den  Rechten  des  Kaisers  und  Reichs,  so  wie  Anderer, 
kein  Eintrag  geschehen«.  Diese  Strasse  ist  nun  sicher  die,  welche  durch  die  ehemalige 
Rappenvorstadt,  die  Rappengasse,  den  Urthelplatz,  die  Spitalgasse  zum  Dinglingerthor 
hinaus  zog  nach  Dinglingen,  oder  wie  es  heute  heisst  (leider  hat  man  auch  hier  mit  den 
alten  Namen  aufgeräumt),  durch  die  Geroldsecker  Vorstadt,  die  Friedrichstrasse  und  die 
Kaiserstrasse  nach  Dinglingen.  Da  nun  Stein  an  anderer  Stelle  (S.  in)  davon  spricht, 
dass  nach  »den  noch  vorhandenen  Trümmern«  — was  ich  heute  nicht  mehr  nachprüfen 
kann  die  ursprüngliche  Stadtmauer  anders  verlaufen  sei,  als  auf  dem  Plane  von  1643, 
nämlich  »in  bogenförmiger  Linie  bei  der  »Krone«  und  dem  Willig’schen  Hause  durch 
die  Stadt,  so  dass  die  nördliche  Grenze  letzterer  nur  wenig  nördlich  der  Obststrasse  und 
des  Marktplatzes  hingezogen  sei,  während  die  ganze  obere  Stadt  erst  die  Folge  einer 
späteren  Erweiterung  ist«,  so  scheint  mir  das  auf  den  wahrscheinlichen  Sachverhalt  zu 
deuten:  vor  dem  Jahre  1471  wurde  der  Umfang  der  Stadt  umschrieben  durch  die 
Mauern,  welche  sich,  selbst  im  heutigen  Plane  noch  erkenntlich,  folgendermassen  herum- 
zogen : im  Nordwesten  etwa  im  äusseren  Eck  der  südlichen  Gebäude  der  Hundstrasse 
beginnend,  zunächst  in  einiger  Entfernung  der  heutigen  Schillerstrasse  dieser  parallel, 
dann  in  einem  stumpfen  Winkel  nach  Westen  umbiegend  mit  einem  weiteren  Knie  zum 
Gewerbekanal,  von  diesem  mit  mehreren  »Knieen«  zum  Graben  des  Schlosses,  das  am 
Südende  der  Stadt  über  die  Mauern  hervorragte.  An  der  Ostseite  des  Grabens  schlossen 
sich  diese  wieder  an,  zogen  in  mehreren  Knicken  etwa  in  der  Linie  der  heutigen  Bismarck- 
strasse (an  Stelle  der  alten  Schäferei)  nordöstlich  zum  Kanal,  dann  etwas  umbiegend 
direkt  nach  Norden  bis  zum  Vogtsthor,  von  hier  durch  die  Gebäude  zwischen  der 
Schnadergasse  und  der  Alleestrasse  endigend  in  einem  Knie  bis  zur  Rappenthorgasse, 
hier  das  ältere  Rappenthor,  dann  etwas  nördlich  der  Obstgasse  und  des  Marktplatzes 
herüber  zum  Anfang.  Hier  scheint  mir  die  Art  des  Anschlusses  nicht  mehr  zu  erkennen. 
In  dieser  älteren  Stadt  waren  die  hervorragenden  Stellen  südlich  das  Schloss  mit  dem 
Schlossplatz  und  nördlich  der  Markt-  oder  Sonnenplatz,  an  dem  wir  wohl  das  alte  Rath- 

*)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  374/375- 

2)  Stein  a.  a.  O.  S.  42.  — Da  Stein  leider  fast  nirgends  seine  Quellen  angiebt,  so  sind 
seine  Angaben  kaum  nachzuprüfen,  doch  ist  er  im  Allgemeinen  verlässig;  hier  aber  habe  ich  gegen 
die  Angabe,  dass  die  Strasse  »unbrauchbar«  geworden  sei,  Zweifel. 


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KREIS  OEKENHURG. 


haus  vermuthen  dürfen.  Nördlich  der  Stadt  nun  zog  die  genannte  grosse  Strasse  vorbei, 
an  der  allmählich  ausser  der  schon  früh  genannten  Rappenvorstadt  auch  nach  Westen 
hin  zahlreiche  Häuser  erbaut  worden  waren.  In  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhs.  machte 
sich  nun  das  Bedürfniss  fühlbar,  auch  diese  Häuser  in  den  Mauerbereich  einzuschliessen, 
womit  denn  auch  die  Strasse  in  denselben  fiel,  was  eben  1471  von  Kaiser  Friedrich  III. 
genehmigt  wurde.  Die  alte  nördliche  Mauer  wurde  niedergerissen,  da  wo  die  Mauer 
von  Süden  herkommend  auf  die  Rappenthorstrasse  stiess,  bog  sie  nun  in  einem  spitzen 
Winkel  nach  Osten,  der  Südlinie^der  Gasse  folgend,  bog  schliesslich  um  und  stiess  etwa 
gegenüber  der  Einmündung  der  Zollamtstrasse  auf  die  Friedrichstrasse  (ehemalige  Rappen- 
gasse). Hier  stand  das  spätere  Rappenthor.  Von  da  zog  die  Mauer  nördlich  der 
Brestenberggasse  und  der  vorderen  Mauergasse  (vor  der  Mauer)  :)  in  mehreren  Knicken 
etwa  bis  zur  Brunnengasse,  von  hier  fast  rechtwinklig  nach  Südwesten  umbiegend  in  der 
Richtung  der  Schillerstrasse  über  die  heutige  Kaiserstrasse  (ehemalige  Friedrichsstrasse); 
wo  sie  diese  traf,  stand  das  Dinglingerthor.  In  der  gleichen  Richtung  zunächst  weiter- 
gehend, bog  sie  dann  etwa  in  der  Höhe  des  Sonnenplatzes  in  fast  rechtem  Winkel  nach 
Südwesten  um  und  traf  hier  auf  die  ältere  Befestigung.  Zu  den  genannten  zwei  Haupt- 
plätzen der  alten  Stadt  kam  nun  der  wohl  schon  vor  der  Einbeziehung  bestehende  Urthel- 
platz,  an  dem  dann  — naturgemäss  an  der  neuen  Hauptstrasse  — das  spätere  Rathhaus 
erbaut  wurde.  So  etwa  scheint  mir  die  Baugeschichte  der  Stadt  zu  rekonstruiren.  Von 
nun  an  fehlen  weitere  Anhaltspunkte,  da  wir  aber  nicht  wohl  Grund  haben,  in  den  zwei 
Jahrzehnten  des  17.  Jhs.  vor  dem  dreissigjährigen  Krieg  eine  bedeutende  Veränderung 
anzunehmen,  so  dürfte  uns  die  Anlage  im  16.  Jh.  durch  den,  den  obigen  Angaben  schon 
zu  Grunde  gelegten,  Me ri  an 'sehen  Plan  vor  1643  erhalten  sein.  Danach  ergiebt  sich 
eben  jener  Mauerumfang,  wie  auch  die  drei  charakterisirten  Hauptstellen  leicht  ersichtlich 
sind,  ebenso  die  grosse  Strasse,  welche  durch  den  oberen  Stadttheil  durchführen  (s.  auch 
Fig.  25,  unterer  Plan).  Wir  sehen  daraus,  wie  sich  um  den  Urthelplatz,  dessen  ursprüng- 
liche Bestimmung  aus  seinem  Namen  erhellt,  die  wichtigsten  Amtsgebäude  gruppiren.  2) 
Noch  in  der  Spitalgasse  die  Landschreiberei,  dann  am  Beginn  des  Urthelplatzes  das 
Rathhaus,  weiterhin  der  Stiftshof,  die  alte  Landschreiberei,  die  herrschaftliche  Trotte, 
das  Pfarrhaus,  der  Speicher,  in  der  Rappengasse  am  Thor  der  Amtshof,  gegenüber  der 
Amtsgarten.  Am  Ausgang  der  Spitalgasse  das  Spital.  An  dem  zweiten  Mittelpunkt, 
dem  Marktplatz,  lagen  Metzig  und  Brodlaub,  am  Ausgang  der  Judengasse  die  Juden- 
schule und  schliesslich  in  der  Nähe  des  Schlosses  am  Kanal  Marstall,  Reitschule  und 
Badhaus,  auf  dem  Schlossplatz  die  Kapelle.  Die  Stadt  hatte  4 Thore,  nach  Westen  das 
Dinglinger  Thor,  nach  Norden  das  offenbar  stattlichste  Obere  Thor,  welches  aus  zwei 
Thoren,  deren  vorderes  mit  einem  Kreuzgewölbe  geschmückt  war,  und  einem  Zwischen- 
hof bestand ; das  Rappenthor,  das  sich  zur  Strasse  ins  Schutterthal  öffnete  und  vor  dem 
später  die  eigentlich  schon  früher  genannte  Rappenvorstadt  lag.  Endlich  nach  Süden 
zu  am  Ende  der  Kirchgasse  das  Vogtsthor,  auch  dies  nach  Fig.  25  aus  zwei  Thoren 
bestehend,  wie  das  ja  überhaupt  üblich  war,  durch  das  man  in  die  Vogtsvorstadt  und 
auf  dem  Kirchweg  zwischen  dem  Schulgarten  und  dem  Pfarrgarten  in  die  Stiftskirche 

x)  In  der  hinieren  Mauergasse  Nr.  6 noch  die  unten  erwähnten  Reste  der  Mauer  und  eines 
halbrunden  Thurmes. 

2)  Ich  entnehme  diese  Angaben  der  Erklärung  Stein’s  zu  seinem  Plan  II  (Fig.  24),  von  denen 
ich  nicht  weiss,  woher  er  sie  hat. 


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f>iBi//Jha/i.\\  /4 Jr/ö* rwJuilr . /Öl Xlctxip.  /6  ßroettau/j.  // Spr/n/ . /ö  / j//ne4vcör  dörre/. . ///  n/dJJb Ery 
Uütitif-fohßf,  Öl/  Alt.  L/tTu/&ckr-döereö.  !i*2  Herrsc/uzjtt  Trott*. . ZfA  Pfa.rrAc/W. %4  Speec/icr.  &')  ■ dattn/u 
20  Afrieyurlen...  2]  ßappcnlhor.  ttA  lApfelhor- . Dcriydnperf/u>r\  AO  O/jerei/cor.  A/  K.i rc/irpe// 

-22  (/firfntrf/tfj-i-e.  A3  Ktrcfipape . A-4  Sira/aAprsfie  Aö  Eft/es/pe/fin . A6  Kuttdör//n//  3J  f/n, Irre.  ädc 
br*üue.  3eJ  ftäberr/zf/Att . Aß  Mark/pa/se . öi-/)  Obeb/ape.  4-1  Flapper/jper/&c . 4%.  Obere  Stnöör/mn 
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Fig.  2g.  Lahr  im  Jahre  1827  und  Lahr  vor  164s. 

( Nach  Stein' s Gesell,  u.  Beschreib,  der  Stadt  Lahr.) 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


59 


gelangte  und  zu  dem  Kloster,  hinter  dem  sich  der  Stiftsgarten  und  der  Dekanatsgarten 
ausdehnte.  Ihnen  gegenüber,  über  dem  Kanal  zwischen  diesem  und  der  Schütter,  der 
Diakonatsgarten  und  die  Klostermatte,  weiter  nach  Westen  die  Amtsmatte  und  vor 
einem  Theil  der  Südseite  die  Schäferei.  Von  Brunnen  finden  wir  vermerkt  auf  dem 


Fig.  26.  Vogtstho > und  Vogtsvorstadt  am  Ende  des  18.  fhs.  (von  der  Schäferei  aus  gesehen). 

Urthelplatz  der  »obere  Stockbrunn«,  am  Ausgang  der  späteren  Hundsgasse  der  »Bader- 
brunn«, am  Beginn  der  Kirchgasse  der  »untere  Stockbrunn«,  in  der  »Kirchgasse«  der 
»Kuttelbrunn«.  Die  Namen  der  Strassen  sind  zum  Theil  dieselben  geblieben  bis  ins 
1 9.  Jh.,  wie  wir  sie  auf  dem  Plan  von  1827  noch  lesen ; nur  der  Name  der  Badergasse 
ist  in  Mühlgasse,  der  Strauchgasse  in  Schnadergasse  umgeändert  worden ; erst  die  unselige 
Umtaufleidenschaft  unserer  Tage  hat  gerade  die  für  die  Geschichte  der  Stadt  charak- 


6o 


KKKIS  OI'i-'ENBURG. 


betrug  1629  ohne 


So  mag  die  Stadt 


teristischen  alten  Namen  hinweggenommen.  Die  Zahl  der  Häuser  1 
die  gefreiten  und  ritterschaftlichen  Sitze  und  ohne  Burgheim  275. 
ziemlich  unverändert  bis  in  das  Ende  des  18.  Jhs.  ausgesehen  haben,  die  Verwüstungen 
der  Franzosenkriege  allerdings  dazu  gerechnet.  1734  wurde  zum  letztenmal  das  Schloss 

mit  Palissaden  und  trocknen 
Mauern  so  gut  wie  möglich 
befestigt,  die  Mauern  längs  der 
Schäferei  abgebrochen  und  vor 
den  Stadtthoren  Gatterwerke 
angelegt.  Ein  Bild  des  Schlosses 
in  damaliger  Zeit  haben  wir 
in  Fig.  17  und  18  gegeben. 
In  dem  Graben  waren  mit  der 
Zeit  Karpfenteiche  angelegt 
worden.  1754  überliess  Fürst 
Carl  von  Nassau  den  ganzen 
Platz  nebst  dem  Graben  und 
der  steinernen  Brücke,  mit  Aus- 
nahme des  zu  Gefängnissen 
gebrauchten  Thurmes  und  des 
Folterhäuschens  der  Stadt  zum 
Anbau  mit  Häusern. 2) 

Eine  Ansicht  eines  Theils 
der  Stadt,  nämlich  des  Vogts- 
thores  mit  dem  Anfang  der 
Vogtsvorstadt  von  der  Schäferei 
aus,  aus  dem  Ende  des  18.  Jhs. 
können  wir  nach  einer  Aquarell- 
kopie aus  den  Städt.  Samm- 
lungen in  Fig.  26  wiedergeben. 
Hier  sehen  wir  auch  die  Stadt- 
mauer, über  deren  üblichen 
Typus  mit  hölzernen  gedeckten 
Wehrgängen  uns  die  Bilder  der 
Tiefburg  ebenfalls  Aufschluss 
gaben,  an  welche  sie  mit 
runden  Thürmen  anschloss.  Als 
Stein  seine  Geschichte  der 
•Stadt  Lahr  schrieb  (1827), 
standen  noch  das  Dinglinger  Thor  und  das  obere  Thor,  aber  seinem  Plan  nach  nur  noch 
zum  kleinen  Theil,  während  das  Rappenthor  mehrere  Jahre  vorher  und  das  Vogtsthor  ein 
Jahr  vorher  abgebrochen  war;  die  Hauptstrasse,  vor  den  Mauern  neue,  in  der  Stadt 
Marktstrasse,  führte  bereits  über  den  Schlossplatz.  Die  Vorstädte,  sowohl  die  alten : die 


Fig.  27.  Alte  Strasse  in  Lahr. 

(Getuschte  Federzeichnung  von  K.  Wey ss er  im  Bilderarchiv 
der  Grossh.  Sammlungen. ) 


1)  Stein  a.  a.  O.  S.  1 12. 
“)  Ebenda  S.  108. 


AMT  LAHR. 


LAHR. 


61 

Rappen-  und  die  Vogtsvorstadt,  als  auch  die  Dinglinger  Vorstadt  hatten  damals  ein 
grosses  Wachsthum  zu  verzeichnen.  In  ihnen  waren  eine  Anzahl,  zum  Theil  sehr  statt- 
licher und  vornehmer  Häuser  im  späten  Zopf-  und  Biedermeierstyl  entstanden,  typisch 
für  Lahr  insbesondere  die  Verbindung  eines  freistehenden  Wohnhauses  mit  zwei  ein- 
stöckigen, vorgelagerten  Flügelbauten,  Magazinen  und  im  Anschluss  daran  noch  Fabrik- 
gebäude, wie  die  verschiedenen  Lotzbeck’schen  Anlagen,  die  Friedrich  Vogel’schen 
Gebäude,  die  Trampler’sche  und  die  Daniel  Völcker’sche  Cichorienfabrik.  Auf  noch 
erhaltene,  charakteristische  Beispiele  werde  ich  unten  eingehen.  Die  Altstadt  bot,  wie 
gesagt,  ziemlich  unverändert  noch  das  alte  Bild.  Aber  auch  diesem  wollte  man  zu 
Leibe  gehen.  Der  Stadtrath  liess  damals  durch  Weinbrenner  einen  Plan  ausarbeiten, 
nach  dem  Lahr  zu  einer  regelmässigen  Anlage  umgeändert  werden  sollte.  ])  Derselbe 
kam  jedoch  nicht  zur  Ausführung.  Indess  hat  das  19.  Jh.  doch  so  gründlich  mit  dem 
Alten  aufgeräumt,  dass  das  Stadtbild  stark  verändert  erscheint.  Die  Grundanlage  blickt 
allerdings  noch  durch  und  besonders  zwischen  Marktplatz  und  Storchenthurm  hat  sich 
der  alte  Charakter  noch  ziemlich  erhalten.  Hier  haben  sich  auch  noch  malerische 
Gässchen  erhalten,  mit  Fachwerkbauten  und  Holzgallerien,  wie  sie  Weysser  in  seinen 
Aquarellen  und  Zeichnungen,  von  denen  wir  eine  (s.  Fig.  27)  abbilden,  festgehalten  hat. 

Ein  besonders  schöner  Blick  von  der  Brücke  bei  dem  Schlossplatz.  Wenn  nun  auch 
nur  ein  Pedant  verlangen  kann,  dass  unbesehen  jedes  alte  Haus  konservirt  werde,  so 
kann  die  Denkmalpflege  doch  fordern,  dass  nicht  lediglich  der  Reisschiene  und  dem 
Zirkel  des  Geometers  zu  Liebe  ohne  dringende  Nothwendigkeit  der  Charakter  dieses 
Stadttheils  verwischt  und  durch  eine  banale  Neuanlage  ersetzt  werde. 

Kirchen : Die  ersten  Ansiedelungen  um  die  Burg  Lahr  gehörten  in  das  Kirchspiel  Kirchen 
Burgheim,  als  aber  nach  der  Erhebung  zur  Stadt  dieselbe  sich  auch  westwärts  ausdehnte, 
überschritt  sie  damit  die  Zehntgrenze  von  Burgheim  und  damit  gehörte  ein  Theil  in  das 
Kirchspiel  Dinglingen.  So  besass  Lahr,  längst  Stadt  geworden  und  an  Bedeutung  allen 
Nachbarorten  überlegen,  bis  zum  Ende  des  Mittelalters  keine  Pfarrkirche.  Denn  das 
vor  den  Mauern  gelegene  Kloster,  über  welches  weiter  unten  gehandelt  wird,  besass  zwar 
eine  stattliche  Kirche,  aber  keine  Pfarrrechte.  In  der  Stadt  existirte  als  älteste  Kaplanei 
die  bei  dem  Schloss.  Die  Schlosskapelle  (unser  liebe  frau  und  die  märtyrer  Crispin  Schloss-Kapelle 
und  Crispinian  in  der  kapelle  zu  Lahr  ad  a.  1497)  stand  an  der  von  uns  schon  ange- 
gebenen Stelle  vor  dem  Schloss.  Später  entstand  dann  die  Kapelle  im  neuen  Spital.  Spitai-Kapeiie 
Während  das  alte  sich  seiner  Stiftung  gemäss  bei  dem  Kloster  befand,  war  dieses  neue 
mindestens  90  Jahre  nach  jenem  schon  in  der  Stadt  gegründet  und  ist,  wenigstens 
später,  an  dem  Dinglingerthore  nachzuweisen.  In  diesem  neuen  Spital  stiftete  Walther  VI. 
am  2.  März  1349  in  honorem  trium  magorum  et  S.  Petri  et  Pauli  eine  Pfründe2),  deren 
Patronat  er  sich  und  seinen  Nachkommen  reservirte.  In  der  Urkunde  ist  sein  Bruder 
Heinrich  »rector  ecclesiae  parochialis  in  Dinglingen«,  in  dessen  Kirchspiel  eben  dies 
Hospital  gelegen  sei,  erwähnt.  Es  ist  dies  der  Bruder,  der  wieder  in  den  weltlichen 
Stand  zurücktreten  musste,  um  das  Geschlecht  weiterzuführen,  als  Walther  noch  in  dem 
gleichen  Jahre  starb.  Sein  Vater,  Walther  V.,  stiftete  dann  am  5.  November  des  gleichen 
Jahres  in  dem  gleichen  Spital  »in  hospitali  novo«  eine  Pfründe  zu  Ehren  der  h.  Nicolaus, 

*)  Stein  a.  a.  O.  S.  113. 

2)  Reinhard  Urk.  S.  57.  — Ruppert  a.  a.  O.  S.  370. 


6 2 


KREIS  OFFENBURG. 


Erhard  und  Leonhard,  deren  Patronat  er  sich  ebenfalls  reservirte.  ])  Erwähnt  wird 
»Ulrich  Pfister  ein  priester,  zu  den  Ziten  spittal  pfleger  zu  Lar  1391«  ; ein  »Jocob  caplon 
zu  sant  Peter  und  sant  Paulus  alter  in  dem  spittal  zu  Lor  gelegen  1419;  capellanus 
sancti  Anthonii  hospitalis  infirmorum  1464;  capellanus  sanctorum  Leonhardi  et  Nicolai 
vel  dominii  in  hospitali  1464.« 1  2)  Wie  bei  der  Schlosskapelle  wurden  auch  diese  Priester- 
präbenden  später  mit  dem  Stifte  vereinigt  und  während  der  Gemeinherrschaft  Badens 
und  Nassaus  von  diesen  abwechselnd  vergeben. 

Der  Mangel  einer  eigenen  Pfarrei  machte  sich  aber  allmählich  immer  fühlbarer, 
denn  nur  in  Nothfällen  dringendster  Art  war  es  den  Geistlichen  oben  genannter  Pfründen 
gestattet,  Funktionen  vorzunehmen,  die  den  Pfarrherrn  von  Burgheim  und  Dinglingen 
zustanden.  Zur  Errichtung  einer  Pfarrei  aber  gehörte  nicht  nur  die  Zustimmung  der 
Herrschaft  und  des  Bischofs,  sondern  auch  des  Pfarrers  und  des  Patronatsherrn  von 
Burgheim,  welches  an  die  Markgrafen  von  Baden  übergegangen  war.  (Das  von  Ding- 
lingen war  an  das  Hochstift  Strassburg  gekommen.)  Erst  als  die  Markgrafen  Mitbesitzer 
der  Herrschaft  Lahr  geworden  waren,  war  es  möglich,  die  Pfarrei  Burgheim  dem  Stifte 
in  Lahr  zu  inkorporiren  (1492).  Die  Einwohner  von  Burgheim  und  Lahr  hatten  nun 
ihre  Pfarrkirche  zu  sehen  in  der  ältern  Stiftskirche.  Der  Frühmesser  im  Spital  und  der 
Kaplan  auf  dem  Schlosse  hatten  sich  aller  seelsorgerlichen  Verrichtungen  zu  enthalten. 
Nur  wenn  bei  Nacht  die  Thore  geschlossen  waren,  der  Zugang  zu  dem  draussen  gelegenen 
Stift  also  nicht  möglich  war,  durften  der  Kaplan  der  Schlosskapelle  und  der  von  Burg- 
heim die  Funktionen  versehen. 3)  Das  Präsentationsrecht  auf  die  Pfarrei  aber  behielt 
sich  Baden  vor  und  ernannte  sofort  den  Pfarrer  Jacob  Boll  von  Stuttgart  dazu,  der 
damit  zugleich  Canonicus  im  Stift  werden  musste. 

Kurz  nach  dieser  Neuordnung  wurde  in  der  Schlosskapelle  eine  Predigerpfründe 
von  den  Meistern  des  Schuhmacher-  und  Gerberhandwerks  zu  Lahr  gestiftet  4)  und  ich 
vermuthe,  dass  die  Schutzheiligen  dieser  Zunft  damals  erst  in  den  Titel  dieser  Kapelle 
hineinkamen.  1518  wird  noch  erwähnt  ein  »Johannes  Schyber  zu  der  zeyt  capplan 
unserer  frowen  in  der  cappelen  by  dem  schloss  in  der  stat  Lore«;  bald  darauf  drangen 
die  Wogen  der  Reformation  auch  nach  Lahr.  Der  neuen  Lehre  war  Nassau  von  vorn- 
herein günstig  gesinnt,  während  Markgraf  Philipp  I.  eine  schwankende  Haltung  einnahm. 
So  konnte  sich  die  neue  Lehre  in  Lahr  leicht  einbiirgern.  Während  des  Bauernkrieges 
und  seiner  Nachwirkungen  hatte  die  Lahrer  Gemeinsherrschaft  die  Geistlichen  ange- 
wiesen, die  Predigten  dem  Evangelium  gemäss  zu  halten,  den  Sterbenden  auf  ihr  Verlangen 
das  Abendmahl  in  beiderlei  Gestalten  zu  reichen  u.  s.  w.  Nach  der  Niederwerfung  der 
Bauern  1526  kamen  von  Baden  aus  entgegengesetzte  Befehle;  als  aber  1533  Markgraf 
Bernhard  III.  an  die  Regierung  kam,  der  wie  Nassau  der  neuen  Lehre  zugethan,  da 
machte  diese  rasche  Fortschritte,  allerdings  traten  noch  mehrere  Schwankungen  ein. 
Etwa  1554/55  aber  wurde  mit  Johannes  Wolph  aus  Koburg  der  erste  eigentliche  prote- 
stantische Pfarrer  in  Lahr  eingesetzt;  1558  an  und  1567  wurde  durch  Beschlüsse  der 
Gemeinherrschaft  die  neue  Lehre  zur  allein  herrschenden  erklärt.  Bei  der  Theilung  1629 


1)  Reinhard  Urk.  S.  59.  — Ruppert  a.  a.  O.  S.  372. 

2)  Krieger  II  S.  8. 

3)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  362. 

4)  Henning  a.  a.  O.  S.  100. 


AMT  LAHR. 


LAHR. 


6 3 

kam  Lahr  an  Nassau  und  blieb  somit  protestantisch.  Erst  im  Jahre  1844  wurde  wieder 
mit  dem  Bau  einer  katholischen  Kirche  begonnen. 

Auch  nach  Einführung  der  neuen  Lehre  blieben  die  Kapellen  bestehen,  auch  das 
Stift  blieb  bei  seiner  Einrichtung  und  erlosch  erst  allmählich.  In  den  Stürmen  der 
Eranzosenkriege  aber  verbrannten  1673  die  Schlosskapelle  und  1677  die  obengenannte 
Spitalkapelle,  während  die  Stiftskirche  als  Pfarrkirche  bestehen  blieb. 

Ausser  diesen  Gotteshäusern  bestand  aber  nach  Stein  noch  eine  Gutleuthaus- 
kapelle ]),  in  welcher  der  Pfarrer  von  Dinglingen  zu  bestimmten  Zeiten  predigen  musste, 
die  ebenfalls  nicht  mehf  existirt.  Bezieht  sich  darauf  etwa  die  Nachricht  von  einem 
»her  Heinrich  von  Gisingen,  lütpriester  ze  Lare  1312«  ?2) 

Das  Augustinerkloster  und  das  ehemalige  Spital  verdankt  seine  Gründung  der 
Gemahlin  Walthers  II.  von  Geroldseck.  Diese  hatte  in  ihrem  Testamente  »pro  sui  ipsius 
ac  suorum  parentum  animarum  remedio«  die  Gründung  eines  Spitals  für  den  freien 
Unterhalt  von  zwölf  Armen  angeordnet  und  ihrem  Gemahle  empfohlen.  3)  Dieser  berief 
zu  diesem  Zwecke  aus  dem  Kloster  Steige  im  Eisass  vier  Brüder  und  zwei  Laienbrüder 
(servos?)  und  übergab  ihnen  am  30.  November  1259  in  der  Nähe  seines  Schlosses  (s.  o. 
iuxta  munitionem  nostram)  eine  Hofstätte,  stellte  ausserdem  noch  drei  Personen  zur 
Pflege  der  Armen  an  und  stattete  diese  Stiftung  offenbar  auch  sonst  reichlich  aus.  (Der 
Stiftungsbrief  ist  stark  beschädigt.)  W’eitere  A^ergabungen  machte  er  dem  Kloster  1265  4) 
und  1275  5).  Auch  sonst  mögen  demselben  von  verschiedensten  Seiten  Gaben  zugeflossen 
sein,  so  dass  dasselbe  rasch  emporblühte,  was  wir  allerdings  nur  aus  den  Baulichkeiten 
schliessen  können;  denn,  da  das  Archiv  des  Klosters  gänzlich  verloren  scheint0),  so  ist 
über  seine  Schicksale  bis  zur  Säkularisation  nur  bekannt,  was  aus  den  sonstigen  Lahrer 
kirchlichen  Verhältnissen  erhellt.  Auch  in  der  Litteratur  scheint  das  Kloster  nicht 
bekannt. 

Die  Mönche  gehörten  dem  »Augustinerorden«  an,  d.  h.  wohl  den  nicht  lange 
vorher  aufgekommenen  Augustiner-Eremiten  und  zwar  einer  Kongregation,  deren  Mutter- 
kloster wohl  das  erwähnte  »Steige«  gewesen  zu  sein  scheint.  Dieser  Gruppe  gehörten 
nur  fünf  Klöster  an,  eben  Steige,  Zabern,  Landau,  Lahr  und  auf  dem  Beerenberge.  Mit 
allen  waren  Spitäler  verbunden.  ')  Angeblich  gab  ihnen  erst  1289  Papst  Nikolaus  die 
Bestätigung  ihrer  Einrichtungen  und  Besitzungen.  Wir  hören  dann  von  einigen  neuen 
Schenkungen  aus  dem  14.  Jh.8),  von  »prior  und  convent  dez  closters  an  der  nider 
steygen  by  Lor  1419«  9)  und  von  einem  »her  peter,  capplon  in  dem  closter  zu  der 
nidern  steigen  by  Lor  gelegen  1419«. 

1482:  »das  closter  zuo  Lar  zu  einem  stiflft  erhoben«.  Aus  einem  Sinne  heraus, 
der  am  Ende  des  15.  Jhs.  manche  ähnliche  Umwandelungen  bewirkte  — die  gesammten 

*)  Stein  a.  a.  O.  S.  122. 

2)  Krieger  II  S.  8. 

a)  Reinhard  Urk,  S.  34. 

4)  Ebenda  S.  35. 

5)  Ebenda  S.  36. 

B)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  367. 

‘)  Stein  a.  a.  O.  S.  1 19. 

8)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  368. 

ö)  Krieger  II  S.  9 u.  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  23,  108. 


Gutleuthaus- 

kapelle 


Augustiner- 
kloster und  Spital 


64 


KREIS  OFFENBURG. 


oben  genannten  fünf  Klöster  sollen  nur  noch  32  Mönche  gezählt  haben1)  — , trug  der 
Generalprior  bei  Sixtus  IV.  auf  Umwandlung  in  weltliche  Stifter  an;  in  der  That  bestätigte 
der  Papst  in  der  Bulle  vom  17.  Juni  1482  die  Umwandlung,  die  Bischof  Albert  von 
Strassburg  schon  am  8.  hebruar  desselben  Jahres  vorgenommen  hatte.  Des  letzteren 
Aufsicht  wurde  das  Stift  fortan  unterstellt,  der  Prior  wurde  Dekan,  von  den  neun  vor- 
handenen Mönchen  fünf  Chorherrn,  die  übrigen  Vikare.  Im  Jahre  1492  wurde  dann, 
wie  oben  erzählt,  die  Stiftskirche  zur  Pfarrkirche,  der  neue  berufene  Pfarrer  musste  damit 
eines  der  Kanonikate  erhalten  und  da  gerade  keines  frei  war,  so  verzichtete  Anton  Sybolt 


Fig.  28.  Ansicht  der  Stiftskirche  ( vom  Eingang  aus)  vor  dem  fahre  1736. 

(Aquarell  in  der  Stadt , Alterthumssammlung  in  Lahr.) 

gegen  ein  Leibgeding  auf  das  seine.  Als  Entgelt  aber  für  seine  Nachgiebigkeit  in  der 
Pfarreifrage  hatte  Markgraf  Christoph  von  Baden  verlangt  und  erhalten,  dass  das  Stift 
sein  bisheriges  Recht,  Dekanat,  Kanonikat  und  Vikariate  selbst  zu  vergeben,  abtreten 
musste,  ersteres  hatte  nun  Baden,  die  beiden  anderen  Stellen  abwechselnd  Baden  und 
Nassau  zu  besetzen.  Wenn  schon  bald  die  Zahl  der  Chorherrn  nie  vollständig  war  und 
das  Einkommen  der  nicht  besetzten  Stellen  zu  Aufbesserung  der  übrigen  Pfründen 
verwendet  wurde,  so  schlich  sich  jetzt  bald  der  Missbrauch  ein,  es  zu  anderen  Zwecken, 
zur  Unterstützung  für  Studierende  auszugeben,  was  natürlich  dem  Stift  nicht  förderlich 
war,  aber  mit  dem  Aufkommen  der  neuen  Lehre  immer  häufiger  wurde.  Endlich  hatte 
die  arge  Verwilderung,  die  so  viele  Klöster  am  Ende  des  Mittelalters  ergriffen  hatte,  auch 

*)  Stein  a.  a.  O.  S.  119. 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


65 


hier  die  gute  Zucht  gelockert;  insbesondere  die  Beziehungen  mit  dem  Kloster  Gengen- 
bach gaben  zu  argen  Skandalen  Anlass  und  die  liederlichen  Priestermägde  erregten 
grosses  Aergerniss.  Bei  den  schwankenden  Religionsverhältnissen  war  eine  Besserung 
dieser  Zustände  kaum  möglich.  1558  aber  wurde  das  Stift  von  den  protestantischen 
Beamten  in  Besitz  genommen. 

Als  Spital  ist  es  wohl  bald  zu  klein  geworden,  wir  hören  daneben  von  einem 
neuen,  offenbar  schon  am  Anfang  des  14.  Jhs.,  gegen  welches  das  alte  immer  mehr 
zurückgetreten  ist.  Von  ihm,  wie  den  Klostergebäuden  ist  heute  nichts  mehr  erhalten. 

Sie  schlossen  sich  (s.  Plan  Fig.  25)  an  die  Südseite  der  Kirche  an  und  bogen  dann  in 
rechtem  Winkel  parallel  zur  Schütter  um;  eine  offenbar  ziemlich  unbedeutende  Anlage, 
die  seit  der  Reformation  allmählich  zerfiel. 

Dagegen  steht  noch  die  ehemalige  Stiftskirche,  jetzige  Pfarrkirche,  ehemaliger 
Titulus:  unserer  lieben  Frau,  später  S.  Jakob;  allerdings  nicht  mehr  in  ihrem  ursprüng- 
lichen Zustand.  In  den  Jahren  1848  bis  1851  wurde  der  schadhaft  gewordene  Bau 
durch  Eisenlohr  restaurirt.  Aus  den  damaligen  Vorlageberichten  an  den  Oberkirchen- 
rath, der  alten  Zeichnung  in  den  Städt.  Sammlungen  vor  dem  Jahre  1736  (s.  Fig.  28) 
und  dem  heutigen  Befund  lässt  sich  der  einstige  Zustand  deutlich  erkennen,  von  dem 
auch  der  restaurirte  Bau,  von  den  Details  abgesehen,  ein  ziemlich  richtiges  Bild  giebt. 

Wir  haben  eine  dreischiffige,  gewölbte,  basilikale  Anlage  ohne  Querschiff  (s.  Fig.  29)  Baubeschrdbung 
vor  uns  mit  aus  dem  Achteck  geschlossenen  Chor,  dem  ein  verhältnissmässig  schmales 
Viereck  vorgelegt  ist.  Die  Seitenschiffe  sind  zu  beiden  Seiten  dieses  Vierecks  in  je 
einer  Kapelle  weitergeführt.  Viereckige  Pfeiler  mit  vorgelegten  Halbsäulen  tragen  die 
Gurtbögen  der  Gewölbe  und  zwar  sind  diese  Halbsäulen  im  Mittelschiff,  wo  sie  bis  zu 
dessen  Gewölben  emporschiessen,  äusserst  schlank  und  von  bedeutend  geringerem  Durch- 
messer sowohl  als  die  unverhältnissmässig  starken  Halbsäulen  vorlagen,  welche  die  Arkaden- 
bögen und  die,  welche  die  Gurtbögen  der  Seitenschiffe  tragen,  als  auch  die  Halbsäulen 
an  den  Wänden  der  Seitenschiffe.  Die  Kreuzrippengewölbe  des  Mittelschiffs  mit  etwas 
ansteigendem  Scheitel  sind  auf  oblongem  Grundriss  errichtet,  ihnen  entspricht  je  ein 
quadratisches  Kreuzrippengewölbe  mit  geradem  Scheitel  in  den  Seitenschiffen.  Einen 
schmalen,  oblongen  Grundriss  weist  dann  das  Gewölbe  vor  dem  Chor  auf,  der  letztere 
hat  die  einfachste  Form  der  Achteckeinwölbung  mit  Rippen  und  Schlussstein.  Acht 
Strebepfeiler  stützen  auf  jeder  Seite  des  Langhauses  das  Gewölbesystem,  vier  an  den 
Ecken  des  Achtecks  dasjenige  des  Chors.  Die  beiden  westlichsten,  sechsten  Joche  des 
Seitenschiffes  flankiren  den  Thurm,  der  in  die  Fagade  eingebaut,  aber  gänzlich  als 
Neubau  des  19.  Jhs.  zu  betrachten  ist,  auch  die  Fagade  ist  so  sehr  erneuert,  dass  nur 
die  drei  bei  der  Restauration  wieder  verwendeten  Portale  für  uns  in  Betracht  kommen. 

Erhellt  wird  der  Chor  durch  ein  zweipfostiges  und  vier  einpfostige  Spitzbogenfenster. 

In  letzterer  Form  wird  auch  den  Seitenschiffen  und  den  beiden  Kapellen  zu  Seiten  des 
Chores  Licht  zugeführt,  während  niedrige  gedrückte  Spitzbogenfenster  über  den  Dächern 
der  Seitenschiffe  dem  Mittelschiff  Licht  geben. 

Dem  alten  Bau  gehören  nun  an  zunächst  die  Grundmauern  der  ganzen  Anlage, 
mit  Ausnahme  der  Fagade.  Der  östliche  Theil  der  Kirche,  der  Chor,  die  beiden 
Kapellen,  das  erste  Joch  des  Mittelschiffes  und  je  die  zwei  östlichsten  Joche  der  Seiten- 
schiffe mit  ihren  Hochmauern,  Pfeilern,  Halbsäulenvorlagen  und  Gewölben  repräsentiren 
mit  Ausnahme  der  wenigen  Ausflickungen  in  Stuck  an  den  Kapitellen  der  Dienste  den 


IUind  VII. 


5 


66 


KREIS  OEFENBURG. 


Fig.  2().  Grundriss  der  Stiftskirche  in  Lahr. 

ursprünglichen  Zustand.  "Nicht  nur  der  Chor  ist«,  schreibt  Eisenlohr  in  einem  der 
erwähnten  Vorlageberichte  an  den  Oberkirchenrath,  »mit  einem  sehr  schönen  und 
wohlerhaltenen  Gewölbe,  sondern  auch  das  zunächst  angrenzende  Viereck  des  Mittel- 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


67 


schiffs  mit  einem  ganz  ähnlichen  versehen,  ja  die  beiden  Seitenschiffe  sind  noch  um  ein 
Feld  weiter  westlich  eingewölbt,  was  beinahe  ihre  (der  Kirche)  halbe  Länge  beträgt«.1) 
Eine  genaue  Untersuchung  dieser  Theile  hat  denn  auch  ergeben,  dass  mit  Ausnahme 
der  Stuck ergänzungen  an  den  Kapitellen,  die,  schon  oben  erwähnt,  zugleich  ein  untrüg- 
liches Kriterium  des  Alten  sind,  Eisenlohr  diese  Theile,  abgesehen  von  dem  Anstrich 
unberührt  gelassen  hat,  was  ich  ausdrücklich  betonen  möchte,  da  die  etwas  flaue  Be- 
handlung der  Kapitelle  den  oberflächlichen  Beschauer  leicht  zu  der  Annahme  verleiten 
möchte,  sie  seien  neu.2)  Nur  die  Pfosten  und  das  Masswerk  der  Fenster  sind  — das 
vollständig  alte  Mittelfenster  des  Chors  ausgenommen  — neuen  Ursprungs,  die  Gewände 
selbst  zum  Theil  auch,  zum  Theil  abgespitzt;  das  Fenster  im  östlichsten  Joche  des  süd- 
lichen Seitenschiffs  ist  — hier  stiess  ehemals  das  Kloster  an  — ebenfalls  erst  bei  der 
Restauration  gebrochen  worden,  wie  auch  das  Fenster  im  zweitöstlichsten  Joche  des 
nördlichen  Seitenschiffs.  Entsprechend  der  alten  Wölbung  dieser  Teile  sind  auch  die 
vier  östlichsten  Strebepfeiler  an  der  Nordwand,  sowie  diejenigen  des  Chores  alt,  während 
an  der  Langhaussüdseite,  wohl  des  angebauten  Klosters  halber  (?)  keine  vorhanden  waren 
(s.  unten).  Von  den  alten  Strebepfeilern  der  Nordwand  an  zieht  sich  ein  Kaffgesims, 
das  zugleich  als  Fensterbank  dient,  mit  starker  Hohlkehle  und  Platte  um  diesen  Theil  der 
Nordwand  wie  um  den  Chor  zu  dessen  erhöhten  Fensterbänken  ansteigend  herum.  Im 
weiteren  Theile  des  Langhauses  sind  zwar  alle  Pfeiler  und  Wandsäulen  wie  die  Wände 
alt,  ihre  Basen  auch  meistens  unberührt,  ihre  Kapitelle  aber  müssen  fast  gänzlich  abge- 
schlagen gewesen  sein,  zum  grossen  Theil  auch  die  über  die  Arkaden  hinaufstrebenden 
Schäfte  der  Dienste  des  Mittelschiffs,  sie  sind  alle  von  Eisenlohr  in  ziemlich  getreuer, 
aber  der  Zeit  entsprechend  trockener  Nachahmung  der  alten  Theile  erneuert  worden. 
Er  hat  hier  denn  auch  die  Gewölbe  eingezogen,  die  Seitenthüren  gebrochen  und  einen 
Theil  der  Fenster  erneuert,  sowie  die  sämmtlichen  Strebepfeiler  an  diesen  Theilen 
errichtet.  Von  dem  Fa^adeneck  aber  bis  zum  zweiten  Fenster  hat  sich  auf  beiden  Seiten 
ein  Stück  des  alten,  niederen,  einfach  abgeschrägten  Sockels  erhalten.  Alt  dann  noch, 
wie  schon  erwähnt,  die  drei  spätgothischen  Portale  der  Fa^ade. 

Da  es  bei  dem  Ineinandergreifen  der  alten,  neuen  und  ergänzten  Theile  nicht  gut 
zu  machen  war,  dieselben  im  Grundriss  durch  Schraffirung  zu  scheiden,  so  gebe  ich 
hiermit  ein  Verzeichniss  der  alten,  der  erneuerten,  und  neuen  Theile  mit  Zugrundelegung 
der  in  dem  Plan  eingeschriebenen  Buchstaben  und  Zahlen : 

Die  Chorgewölbe  / und  II  sowie  das  Mittelschiffgewölbe  alt,  die  Mittelschiffgewölbe  III  bis 
VII  neu. 

Die  Seitenschiffgewölbe  aa  lt  bb  cc±  sind  alt,  d d x,  gg  1 neu. 

Die  Dienste  und  die  Pfeiler  « u j,  ß ß y •/ 1,  ä ö v 1 1 1,  £'C,i  sind  durchaus  alt,  ebenso  die 
Halbsäulen  X).  /(/(  [,  v v 1 ; nur  an  den  Kapitellen  von  f f 1,  finden  sich  einige  Ergänzungen 

in  Stuck. 

Bei  den  Pfeilern  rj  tj  l und  & >9- 1 sind  die  Basen  alt,  alle  Kapitelle  und  wohl  auch  die  die 
Gewölbe  des  Mittelschiffs  tragenden  Dienste  neu,  d.  h.  also  von  Eisenlohr  im  Anschluss  an  die 
alten  Osttheile  ergänzt,  ebenso  sind  die  Halbsäulen  der  Seitenschiffe  o o *,  <p  q>  , in  den  Basen  alt, 

*)  »Im  Jahre  1844  wurde  für  das  Herauswerfen  des  Schuttes,  welcher  auf  den  Gewölben  lag, 
67  fl.  16  kr.  für  Taglohn  bezahlt.  Damals  waren  in  jedem  der  beiden  Flügel  der  Kirche  die  Ge- 
wölbe 47  Fuss  lang  und  16  Fuss  breit.«  (Aus  den  Vorlageberichten  des  Oberkirchenraths.) 

“)  Die  E i s e n 1 o h r 'sehe  Art  ist  eine  ganz  andere,  die  sich  deutlich  in  den  in  obiger  Schilde- 
rung als  neu  angegebenen  Theilen  dokumentirt. 


5* 


68 


KREIS  OFFENBURG. 


Alte  Innenansichi 


Lettner 


in  den  Kapitellen  ergänzt.  Bei  xp  und  ?// 1 scheint  ein  alter  Kern  vorhanden  zu  sein,  doch  hin  ich 
da  nicht  ganz  sicher,  während  / und  i j ganz  neu  sein  dürften. 

Von  den  Fenstern  ist  das  mittlere  Chorfenster  A ganz  allein  intakt  erhalten,  BB  t,  CClt  DDX 
sind  in  dem  Gewände  theilweise  alt,  Pfosleu  und  Masswerk  aber  sind  neu  eingesetzt.  Sie  hatten, 


wie  die  Spuren  zeigen,  die  friih- 
gothische  Theilung  mit  vorgelegten 
schlanken  Halbsäulen  gleich  dem 
Mitteltenster.  Von  den  Fenstern  der 
Nordwand  sind  dann  E,  K und  L 
in  gleichem  Sinne  alt,  F G und  II 
scheinen  auch  nach  den  Vorlagen  des 
Oberkirchenraths  neu  zu  sein;  eben- 
so die  Thiire  bei  F.  Von  den 
Fenstern  des  Mittelschiffes  sind  die 
über  E /"und  K in  ihren  Gewänden 
alt ; Pfosten  und  Masswerk  neu,  wie 
die  Oberfenster  über  G und  II. 

An  der  Südseite  sind  die 
Fenster  E t,  G i,  II i vollständig 
neu;  F K j,  L t,  sowie  das  zuge- 
mauerte Rundfenster  bei  G t in 
ihren  Gewänden  ? alt. 

Alt  die  Portale  X , V,  Z. 
Dieses  Resultat  wird  durch 
die  alte  Innenansicht  (s.  Fig.  27) 
ergänzt  und  bestätigt,  welche  aus 
der  Zeit  zwischen  1717  bis  1737 
stammt,  da  sie  Lettner  und  Barock- 
Orgel  zeigt.  Von  1677  nämlich, 
dem  Jahre  des  Brandes  durch  die 
Franzosen,  bis  1717  war  keine  Orgel 
in  der  Kirche.  In  letztgenanntem 
Jahre  wurde  eine  neue  Orgel  ange- 
schafft  und  auf  den  Lettner  gestellt, 
welcher  den  Chor  von  dem  Lang- 
haus trennte.  1 736  stellte  Stiftsver- 
walter Dreyspring  bei  der  Kirchen- 
behörde den  Antrag  auf  Entfernung 
des  Lettners  und  entwarf  dazu  einen 
Plan  der  Stiftskirche,  welcher  sich 
im  Generallandesarchiv  in  Karlsruhe 
befindet.  Diesem  Antrag  wurde  statt- 
gegeben und  die  Veränderungen 
ausgeführt,  1737  also  der  Lettner 
mit  seinen  Kreuzgewölben  ganz  ent- 
fernt und  die  Orgel  in  den  Thurm 
versetzt;  später,  i.  J.  1754,  wurde 
sie  zwar  wieder  in  den  Chor  ver- 
bracht. Unsere  Zeichnung,  vermuth- 
lich  auch  von  Dreyspring,  giebt  also  den  Bestand  vor  1737,  allerdings  recht  ungeschickt  wieder. 
Wir  sehen  das  heute  noch  stehende  Chorgewölbe,  den  in  drei  Spitzbogen  sich  öffnenden  Lettner, 
die  Orgel  darauf  mit  barockgeschnitzten  Orgelgehäuse  und  Holzgitter  auf  der  Lettnerbrüstung,  wir 
sehen  die  wenigen  alten  Fenster  im  Mittelschiff,  die  Fenster  des  Seitenschiffs  mit  dem  alten  Masswerk, 
die  Dienste  des  Mittelschiffs  in  falscher  Weise  mit  Bogen  verbunden,  die  Balkendecken  der  Schiffe 


Fig.  jo.  Mittleres  Chorfenster  der  Stiftskirche  in  Lahr. 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


69 


— dass  das  erste  Joch  noch  gewölbt  war,  hat  die  Ungeschicklichkeit  des  Zeichners  nicht  anzugeben 
vermocht.  Im  südlichen  Seitenschiff  war  eine  Holzgallerie  eingebaut,  im  nördlichen  sehen  wir  eine 
Thür  mit  Eselsrückenbogen  und  daneben  zwei  offenbar  reichere  Grabmäler. 

Weitere  Anhaltspunkte  giebt  uns  der  Plan  von  Lahr  i.  J.  1827.  Dort  sehen  wir  die  Kirche 
mit  den  von  uns  als  alt  bezeichneten  Strebepfeilern  und  mit  dem  eingebauten,  etwas  über  die 
Fagade  vorspringenden  Thurm,  der  bald  darauf  die  Kirche  mit  Einsturzgefahr  bedrohte. 

In  dem  Chor,  dem  ersten  Gewölbefeld  des  Mittelschiffs,  den  zwei  Seitengewölben 
des  Seitenschiffs  und  den  zwei  Kapellen  (/,  II,  III,  aax,  bbx,  ccx  des  Planes)  haben 


Fig.  31.  Kapitell  und  Rippenansatz  eines  Dienstes  im  Chor  und  einer  Halbsäulenvorlage 
im  Seitenschiff  der  Stiftskirche  zu  Lahr. 


wir  also  mit  Ausnahme  der  ausser  im  mittleren  Chorfenster  ergänzten  Pfosten  und  Mass- 
werke  den  unberührten  alten  Theil  vor  uns,  aus  dem  wir  uns  ein  Urtheil  über  die 
Gestaltung  des  übrigen  und  über  die  Detailbehandlung  bilden  können.  Da  haben  wir 
denn  durchaus  die  Formen  und  die  Anlagen  der  frühesten  Gothik  vor  uns.  Ein 
typisches  Beispiel  derselben  ist  das  Mittelfenster  (s.  Fig.  30)  mit  seinen  zwei  Pfosten  und 
den  vorgelegten  vier  Säulchen,  welche  die  Spitzbogen  tragen,  von  denen  der  mittlere 
höher  ist.  Die  Säulchen  zeigen  noch  die  flachen  Tellerbasen,  das  schmucklose  Kelch- 
kapitell mit  der  flachen  Kämpferplatte,  von  dem  die  runden  Wülste  ausgehen,  welche 
die  Spitzbögen,  den  grossen  Spitzbogen  und  die  drei  Vierpässe  umziehen.  Die  Arbeit 
ist  hier  ausserordentlich  exakt  und  sauber.  Die  schlanken  Dienste,  welche  die  Gewölbe 
des  Chores  tragen,  haben  Tellerbasen  und  zwei  ein  Knospenkapitell  (s.  Fig.  31),  dessen 
stylisirende  Behandlung  fast  noch  an  den  Uebergangsstyl  anklingt  im  Gegensatz  zu  der 
ausgeprägt  gothischen,  hohlgekehlten  und  abgeschrägten  Kämpferplatte.  Die  starken 
Rippen  haben  das  einfache,  abgeschrägte  Profil  der  Frühzeit.  Aehnlich  sind  die  Halb- 
säulen im  Seitenschiff  behandelt,  nur  ist  ihr  Kapitell  reicher  verziert  durch  weniger 


Detail- 

behandlun 


7o 


KREIS  OFFENBURG. 


Portale 


Gesammtanlage 





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l 

. 

f < . 

stylisirte  Knospen  mit  sich  durchschneidenden  Stengeln.  Die  Schiffspfeiler  in  der  ein- 
fachen Form  eines  Quadrates  mit  vorgelegten  Halbsäulen  (s.  Fig.  32)  zeigen  an  den  Kapitellen 
dieser,  also  auch  der  das  Mittelschififgewölbe  tragenden  Dienste,  um  welche  die  Deck- 
platte der  anderen  Halbsäulenvorlagen  wie  ein  Ring  herumzieht,  die  Fortentwickelung 
dieses  Knospenkapitells  allerdings  in  einer  etwas  flauen  Form,  ähnliches  die  übrigen  Chor- 
dienste. Die  Rippen  sind  überall  wie  im  Chor  behandelt.  Die  Schlusssteine  zeigen  ähn- 
liches Blattwerk  wie  die  Kapitelle,  in  den  Kapellen  aax  die  (ja  häufig  vorkommende)  Hand 

auf  dem  Kreuz.  Die  Strebepfeiler, 
von  denen  allerdings  der  erste  alte 
(j  des  Grundrisses)  stark  verändert 
und  geflickt  ist,  sind  einmal  abge- 
treppt durch  die  als  Kaffgesims 
sich  herumziehende  Wasserschräge 
mit  starker  Hohlkehle,  auch  ihre 
schräge  Plattenabdeckung  endigt 
in  einer  Schräge  mit  Hohlkehle. 

Das  Material  des  Baues 
ist  der  rothe  Sandstein  der  Um- 
gegend, dessen  glatt  behauene 
Quader,  abwechselnd  Binder  und 
Stösser,  von  guter  Technik  zeigen. 
Am  Chor  finden  sich  die  in  Fig.  33 
oben  abgebildeten  frühen  Stein- 
metzzeichen. 

Die  drei  Portale  an  der 
Facade  gehören  einer  weit  jüngeren 
Periode,  der  Spätgothik  an.  Ihre 
Gewände  sind  mit  sich  durch- 
schneidenden Rundstäben  auf 
kleinen  steilen,  reich  gegliederten 
Basen  und  Hohlkehlen  profilirt; 
das  mittlere  Portal  (Fig.  34)  ist  ent- 
sprechend reicher  behandelt. 


Fig.  j2.  Pfeiler  im  Mittelschiff  der  Stiftskirche  zu  Lahr. 


Die  Anlage  des  östlichen  Theiles,  die  zugleich  bekundet,  wie  das  ganze  Langhaus 
— im  Sinne  der  heutigen  Ausführung  — gedacht  war,  weist  auf  einen  Meister,  der  noch 
aus  dem  Uebergangsstyl  herausgewachsen,  sich  über  die  konstruktiven  und  ästhetischen 
Vorzüge  des  neuen  Styles  wohl  im  Klaren  war  (s.  Fig.  35  und  36).  Die  Konzentrirung 
der  Last  der  Gewölbe  auf  die  Pfeiler,  die  Begegnung  ihres  Schubes  durch  die  Strebepfeiler, 
die  oblonge  Mittelschifftravee,  die  hohe  luftige  Gestaltung  des  Chores  sind  Beweise  dafür. 
Leider  ist  sein  Plan  nicht  ganz  zur  Ausführung  gekommen  und  der  Bau  später  recht 
verdorben  worden,  wir  besässen  sonst  in  ihm  ein  stattliches  und  wie  mir  dünkt  recht 
frühes  Beispiel  des  Eindringens  der  Gothik  am  Oberrhein  mehr.  Dass  der  Meister  vielleicht 
technisch  ganz  sicher  nicht  war,  darauf  scheint  uns  die  etwas  schüchterne  Ausbildung 
der  Strebepfeiler,  die  möglicherweise  (?)  zum  Aufgeben  der  vollkommenen  Einwölbung 
führte,  zu  deuten.  In  den  verhältnissmässig  niedrigen  Seitenschiffen  und  der  überaus 


AMT  LAHR 


. — LAHR. 


71 


kräftigen  Gestaltung  der  Halbsäulenvorlagen  in  denselben  klingt  doch  auch  noch  das  Gefühl 
des  alten  Styles  nach. 


Der  Verlauf  der 
I laugeschichte  dürfte  fol- 
gender gewesen  sein : 
Bald  nach  der  Grün- 
dung des  Klosters  (1259) 
wurde  mit  dem  Bau 
der  Osttheile  begonnen 
und  die  heute  noch  alt- 
gewölbten Theile,  sowie 
dieser  Annahme  ist 


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Fig. 


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Steinmetzzeichen  an  der  Stiftskirche  in  Lahr. 


Baugeschichte 


das  gesammte  Langhaus  in  rascher  Folge  vollendet.  Mit 
wie  ich  wohl  weiss  — der  Bau  recht  früh  datirt,  er  wäre 


ziemlich  gleichzeitig  mit  den  frühesten  gothischen  Bauten  am  Oberrhein  entstanden. 
Dafür  spricht  aber  die  politische  Geschichte  der  Geroldsecker  sowie  ihre  Vermögens- 
verhältnisse, die  später  wohl  kaum  mehr  günstig  genug  für  die  Inangriffnahme  eines  auch 


72 


KREIS  OL  FENBURG. 


für  ihre  glänzende  Zeit  immerhin  stattlichen  Baues  waren.  Und  da  des  Gründers,  Walters  II. 
Sohn  eben  damals  Domprobst  und  später  Bischof  von  Strassburg  war,  so  haben  wir  damit 
zugleich  einen  Fingerzeig,  woher  der  neue  Styl  in  Lahr  stammt,  ohne  allerdings  ein  Vor- 
bild des  Baues  in  Strassburg  selbst  nennen  zu  können.  Auch  in  Steige  finden  sich  für 
den  Stvl  der  Lahrer  Kirche  keine  Anhaltspunkte  mehr. 


-t****F«H 1 1 1 1 1 1 1 1 — — L 1 1 1 1 1 F 

Fig.  SS-  Querschnitt  durch  die  östlichste  Latighaustravee  der  Stiftskirche  in  Lahr. 

Der  Baumeister,  der  den  Schub  der  Gewölbe  auf  der  Nordseite  auf  Strebepfeiler 
überleitete,  sah  sich  durch  die  an  die  Südwand  anstossenden  Klostergebäude,  die  wohl 
vor  dem  beginnenden  Verfall  des  16.  Jhs.  einen  grösseren  Raum  einnahmen,  als  auf  dem 
Plan  der  Stadt  von  1827  ersichtlich,  hier  an  der  Anbringung  von  Strebepfeilern  verhindert 
und  verstärkte  dafür  diese  Südwand  um  ein  Beträchtliches.  Sie  ist  ca.  3 m stark  gegen  2 m 
der  Nördlichen.  Möglich  nun,  dass  er  als  Neuling  dem  Strebepfeilersystem  noch  nicht 
ganz  traute,  möglich  auch,  dass  eine  ungenügende  Fundamentierung  noch  während  dem 
Bau  Risse  in  den  Flochmauern  zu  Tage  treten  liess,  oder  endlich,  dass  das  Geld  immer 
langsamer  floss  - es  scheint  jedenfalls,  dass  es  nicht  mehr  zu  der  beabsichtigten  Wölbung 


AMT  LAIIR  — LAHR.  73 

der  übrigen  Theile  gekommen  ist.  Dass  man  sie  bei  der  gleich  zu  erwähnenden  Um- 
arbeitung im  18.  Jh.  weggeschlagen  hätte,  scheint  mir  unwahrscheinlich,  da  sonst  doch 
kaum  das  eine  Gewölbe  im  Langhaus  und  die  zwei  in  den  Seitenschiffen  stehen  geblieben 
wären.  Dass  die  Mangelhaftigkeit  der  Fundamente  der  Grund  gewesen  sei,  dafür  spricht 
ein  Vorlagebericht  aus  den  Jahren  1848/51  an  den  Oberkirchenrath:  »Beim  Ausgraben 


■+«+*4 1 1 i 1 [ 1 4 1 4 1 + 1 f 1 f" 

Fig.  j6.  Längsschnitt  durch  die  Ost  theile  der  Stiftskirche  in  Lahr. 

der  Fundamente  zu  den  äusseren  Strebepfeilern  hat  sich  gezeigt,  dass  die  Kirche  in  den 
Seitenschiffmauern  wenig  oder  gar  keine  Fundamente  hat.  Ein  Fuss  unter  der  jetzigen 
Bodenfläche  zeigte  sich  an  einigen  Stellen  ein  Sockel,  an  anderen  auch  keiner;  unter 
dem  Sockel  zeigte  sieh  dann  noch  an  manchen  Stellen  auch  zwei  Fuss  tieferes  Gemäuer 
von  kleinen  Steinen  und  dann  der  natürliche  Boden«.  Und  weiter  »an  der  Nordseite 
am  Seitenschiffe  entdeckte  man  ein  später  eingesetztes  Stück  Mauer,  41  Fuss  lang  und 
30  Fuss  hoch  (wo  die  grossen  Risse  waren)  aus  kleinen  Stücken  schlecht  gemauert.  Hier 
an  dieser  Stelle  muss  die  Kirche  einmal  einen  grossen  Schaden  erlitten  haben.  (Dekan  Doll 


74 


KKKIS  OKFENBURC. 


an  Oberkirchenrath.)  Die  grossen  Hauptrisse  verrathen  ein  grosses  Alter«.  Haben  sich 
wie  höchst  wahrscheinlich  jene  Risse  in  den  vorderen  Mittelschiffmauern  gleich  anfänglich 
bemerkbar  gemacht,  so  könnte  dies  auch  von  gänzlichem  Einwölben  damals  abgehalten 
haben«.  (Eisenlohr.)  Diese  Risse  scheinen  an  den  Mittelschiffmauern  etwa  über  den 
Fenstern  F — K,  an  den  nördlichen  Seitenschiffmauern  etwa  vom  heutigen  Strebepfeiler  j 
bis  zum  Fenster  L gewesen  zu  sein.  Daneben  mag  dann  wohl  der  rasche  politische 
und  pekuniäre  Niedergang  des  Geschlechtes  der  Stifter  die  Mittel  für  eine  genügende 
Ausbesserung  der  erkannten  Mängel  haben  fehlen  lassen.  Damit  hängt  denn  auch 
das  Vorhandensein  der  spätgothischen  Portale  an  der  Fagade  zusammen.  Diese  ist  im 
13.  Jh.  offenbar  nie  ausgeführt  gewesen,  sondern  erst  am  Ausgange  des  Mittelalters 
vollendet  worden.  Weniger  wahrscheinlich  ist  mir,  da  ich  keine  Anhaltspunkte  dafür 
sehe,  dass  die  Kirche  damals  vorgeschuht  worden  sei.  Dass  der  gleichen  Zeit  auch 
erst  der  Thurm  entstammte,  scheint  mir  nach  einer  flüchtigen  Zeichnung,  die  Ingenieur 
Hofmann  1874  anfertigte  (Copie  bei  Dekan  Bauer)  wahrscheinlich.  Ein  offenbar  sehr 
schlichter  viereckiger  Thurm  mit  Spitzbogenfenstern.  — Bis  in  das  18.  Jh.  blieb  die 
Kirche  — abgesehen  von  dem  Brande  durch  die  Franzosen  — unberührt.  1736  aber 
ging  von  dem  Stiftsverwalter  Dreyspring  der  Antrag  auf  gründliche  Wiederherstellung 
aus,  dem  stattgegeben  wurde:  leider  hatte  er  die  Entfernung  des  Lettners  zur  Folge, 
ausserdem  werden  wohl  damals  die  Dienste  der  Mittelschiffgewölbe  abgeschlagen 
worden  sein,  deren  Spuren  Eisenlohr  noch  erkannte.  Vermuthlich  sind  damals  auch 
eine  grosse  Anzahl  von  Grabsteinen  und  andern  Monumenten  aus  der  Kirche  entfernt 
worden.  Ebenfalls  dieser  Zeit  ist  dann  die  Erhöhung  der  Seitenschiffdächer  zuzu- 
schreiben, bei  der  — wie  Eisenlohr  konstatirt  — die  Fenster,  welche  dem  Mittel- 
schiff ihr  Licht  spenden  sollten,  gedeckt  wurden  und  jetzt  gänzlich  vermauert  sind. 
Die  Gurten,  welche  über  den  früheren  Seitenschiffdächern  zur  Abdeckung  ihres  oberen 
Randes  hinwegliefen,  sind  noch  im  Innern  der  jetzigen  Dächer  sichtbar,  sowie  auch 
diejenigen  Theile  dieser  Gurten,  welche  zugleich  als  Bänke  der  oberen  Fenster  gedient 
haben«.  1774  wurde  der  Dachreiter  der  Kirche,  den  wir  uns  also  zu  dem  Bilde  hinzu- 
denken müssen,  entfernt. 

In  den  vierziger  Jahren  des  19.  Jhs.  begann  man  nun,  dem  Gedanken  einer 
umfassenden  Restaurirung  näher  zu  treten,  da  der  Zustand  der  westlichen  Hälfte  die 
Kirche  gefährdet  erscheinen  Hess.  1844  wurden  die  Gewölbe  vom  Schutt  befreit. 
E i s e n 1 o h r untersuchte  damals  die  alte  steinerne  Kanzel  eine  späthgothische  ? — , 
deren  Steine  durch  Brand  so  gelitten  hätten,  dass  sie  nicht  wieder  herzustellen  sei.  ’) 
Im  Oktober  1848  erfolgte  dann  ein  grösserer  Bericht  Eisenlohrs.  Er  verlangte 
zunächst  die  Einwölbung  der  noch  nicht  eingewölbten  Theile,  wodurch  allein  der  Kirche 
fernerer  Bestand  auf  Jahrhunderte  gesichert  werden  könne,  der  sonst  in  nicht  allzulanger 
Zeit  nach  dem  jetzigen  Zustand  der  westlichen  Hälfte  gefährdet  sein  möchte.  Daher 
die  beiden  Spitzbogen  zu  den  Seiten  des  Thurmes  zu  unterfangen,  damit  die  Gesammt- 
last  nicht  mehr  allein  auf  den  etwas  geschwächten  inneren  Thurmpfeilern  ruhe.  Im 
Frühjahr  1850  wurde  die  Räumung  der  Kirche  begonnen,  am  27.  April  1851  wurde 
sie  vollendet.  Ich  habe  in  der  Beschreibung  des  Baues  die  neuen  Theile  von  den  alten 
geschieden.  Eisenlohr  hac  auch  den  Seitenschiffdächern  wieder  die  alte  geringere 

l)  Angeblich  soll  die  neue  Kanzel  mit  ihrem  Fischblasenmasswerk  eine  getreue«  Nachbildung 
der  alten  sein. 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


75 


Höhe  gegeben,  dadurch  die  oben  erwähnten  Fenster  und  die  Gurten  freigelegt.  Den 
alten  Thurm  liess  er  offenbar  mit  den  angegebenen  Korrekturen  stehen,  trotz  letzterer 
aber  scheint  derselbe  später  nicht  mehr  genügt  zu  haben,  er  wurde  1874  durch  den 
jetzigen  ersetzt. 

Der  alte  Lettner  stand  unter  dem  Gewölbe  IV\  wir  dürfen  danach  Chorschranken 
etwa  über  die  Seitenschiffe  oder  zwischen  den  östlichen  Langhauspfeilern  vermuthen,  die 
einen  ziemlichen  Raum  als  Mönchskirche  abtrennte. 

Die  heutige  Ausstattung  der  Kirche  entstammt  mit  geringen  Ausnahmen  dem 
19.  Jh.  Von  den  Grabmälern,  die  sie  einst  enthalten,  sind  nur  kümmerliche  Reste  übrig 
geblieben.  Der  Stifter,  Walther  II.,  soll  nach  der  Pappenheimer  Chronik  »im  Closter 
oder  Stifft  zu  Lare«  begraben  liegen,  doch  ist  keine  Spur  des  Grabes  mehr  erhalten. 
Vor  den  (alten)  Stufen,  auf  welchen  man  zum  Altäre  (wohl  Chor)  steigt,  befand  sich  nach 
Stein  ’)  ein  »bleiernes  Epitaphium  mit  der  Inschrift:  Lonerus  de  Geroldsecke  *{•  anno 
Domini  1348  Pdie  Kl.  Aug.«  Schon  Stein  konnte  aber  die  Inschrift  nicht  selbst  mehr 
entziffern,  da  sie  verwischt  und  unlesbar  geworden,  sondern  gab  sie  nach  einer  alten 
Lesart,  die  er  selbst  als  vermutlich  irrig  erklärt,  da  kein  »Lonerus«  de  Geroldsecke  bekannt 
ist.  — Im  Pfarrhaus  befindet  sich  noch  eine  Zeichnung  eines  Steines,  der  noch  1766  im 
Chor  der  Kirche  gestanden  habe,  aus  der  aber  nur  ein  allgemeiner  mittelalterlicher  Charakter 
desselben  hervorgeht. 

Im  nördlichen  Seitenschiff  befindet  sich  eine  Grabplatte  der  späthesten,  barocken 
Gothik  mit  5 Wappen  und  einer  theilweise  verwischten  Inschrift  in  krausen  Buchstaben: 

II  üHIno  • bnt  • nt  tic  • €Ui  • ottnö  (?)  eloi*  • ftarft  / bei*  cbcl  • un  • erlieft . 
3lacaö  • uo  • öruoöadj  • ano  m \xz  uff  • bc  • tag  ■ ^anuart  • ftarü  • 

bie  / ebcl  • fratu  • cfeoglje  • Uo  mifljei  • fin  clirfjc  ■ / fju^fr  - • ano  • bnt  nt  • iir 
ftrü  • bie  ■ ebcl  • fto5  • Itcljert  • bn  • ßagneeft  • abre  ■ frota  • bene  • ale  • got  • gtia  // 

Hinter  dem  Altar  ein  schöner  holzgeschnitzter  Crucifixus,  aus  der  Barockzeit, 
verhältnissmässig  ruhig  und  vornehm. 

Zwei  von  den  Glocken  der  Kirche  stammen  aus  dem  Jahre  1718  und  sind  von 
Mattheus  Edel  in  Strassburg  gegossen. 

Im  Pfarrhaus  wenige  alte  Kirch  enge  rät  he : Ein  Kelch,  Silber  vergoldet,  mit  getriebenen 
Barockornamenten:  Joachim  Dendele  Capitain  Leutenant  des  Kanofskischen  Regiments 
verehrt  disen  Kelch  der  Statt  Lahr  1646.  Laut  einer  zweiten  Inschrift  1759  »auf  der 
Stadt  Kosten«  renovirt.  Ein  zweiter,  ähnlicher  Kelch : »die  Frau  Maria  Salome  Kanofski 
von  Langendorf  verehrt  diesen  Kelch  der  Statt  Lahr  1650«  und  gleiche  Renovirungs- 
inschrift.  — Ausserdem  ein  hübscher,  silbergetriebener  Bucheinband  einer  Kirchenchronik 
von  1771,  damals  aber  umgearbeitet  aus  einem  ähnlichen,  der  1696  von  »Johannes 
Mörstadt,  gewesenen  Spezialsuperintendenten«  gestiftet  war. 

Auf  dem  Friedhof  grosses  Steinkruzifix  mit  Maria  und  Johannes,  derbe,  aber 
wirkungsvolle  Arbeit  aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhs.  Keinesfalls  von  dem  in  Offenburg 
thätig  gewesenen  Bildhauer  Christoph  von  Urach,  dem  es  Manche  mit  Unrecht  zuschreiben. 

An  der  Mauer  des  Friedhofes  eine  Serie  von  Grabplatten , die  aus  4 Jahrhunderten 
stammen,  für  die  Ortsgeschichte  sehr  interessant  sind  und  man  möchte  sagen,  eine 
Art  Museum  der  Stylentwickelung  durch  die  Renaissance  zum  Barock  und  zum  Zopf 
abgeben.  Wenn  auch  keine  Kunstwerke  ersten  Ranges  darunter  sind,  so  repräsentiren 
sie  doch  einen  guten  Durchschnitt.  Dass  sie  nicht  durch  die  Feuchtigkeit  des  Bodens 


Lettner 

Ausstattung 


Holzgeschnitzter 

Crucifixus 

Glocken 

Kirchengeräthe 


Steinkruzifix 

Grabplatten 


KRKIS  OKFKNUUKCJ. 


76 

schon  stärker  zerstört  sind,  verdanken  wir  nur  dem  energischen  Eintreten  des  Bezirks- 
pflegers der  Alterthümer  in  Lahr,  des  Herrn  A.  Siefert. 

I )a  es  keinen  Zweck  haben  kann,  die  eintönigen,  langen  Inschriften  alle  hier  ab- 
zudrucken, beschränke  ich  mich  auf  die  Angabe  der  Hauptsachen.  Auch  die  künstlerische 
Gestaltung  ist  überall  die  gleiche:  die  Wappen,  gewöhnlich  das  Allianzwappen  des 
Begrabenen,  darunter  die  Inschrifttafel  in  Rollwerkumrahmung  oder  ähnlichem,  das  Ganze 
in  einfacher  Umrahmung  oder  von  Säulen  flankirt  und  mit  einem  Giebel  bekrönt.  Es 
folgen  der  Reihe  nach,  beginnend  mit  dem  südlichsten  ’) : 

1.  Anno  Domini  1613  den  21.  Junius  starb  ....  Fravw  Veronica  vom  Ruest  geb. 
von  Weitterszheim. 

2.  Johann  Burckhart  von  Müllenheim  7 4.  Mai  1623  und  seine  Fraw  Magdalena 
geb.  von  Endingen  16  ? ? 

3.  Balthasar  vom  Ruest  7 1.  Mai  1629,  »seines  Alters  74  Jahr  und  6 Monat«, 
vor  dieser  Zeit  ehemaliger  fiirstl.  Württemb.  Obervogt  zu  Nagold,  dann  Markgr.  bad. 
Amtmann  beider  Herrschaften  Lahr  und  Mahlberg. 

4.  Fraw  »Maria  Salome  Stretiffin  von  Lawenstein  geb.  Böckin  von  Ehrlenburg 
~\-  7.  Sept.  1627,  Frau  des  Philips  Streüffen  von  Lawenstein«,  gräfl.  Nassau-Saarbrückischem 
Rath  und  Amtmanns  beider  Herrschaften  Lahr  und  Mahlberg. 

5.  »Jungfraw  Magdalena  vom  Stein  vom  Reichenstein«  -J*  12.  Okt.  1582.  (Gesetzt 

r 587-) 

6.  Philibert  vom  Stein  vom  Reichenstein  J-  1.  Januar  1608  und  J z vom 

Ruost,  fiirstl.  Markgr.  Rath  und  Landvogt  zu  Rotteln  7 9.  Juli  1597. 

7.  Fraw  Maria  von  Kippenheim  geb.  Rochartin  von  Newenstein  -j-  5.  Juli  1589. 

8.  Hans  Matheus  Musler,  Nassauischer  Amtmann  der  Herrschaft  Lahr  und  Mahl- 
berg auf  Liechteneck  J*  12.  Dec.  1581. 

9.  Andreas  Vinther  »der  Rechten  Docter«  und  fiirstl.  Markgr.  Kanzler  zu  Baden 
-J*  1.  Mai  1573  und  seine  Fraw  Magdalena  Vintherin  geb.  Varnbilerin  2.  Aug.  1584. 
(Gesetzt  1587.) 

10.  Maria  Rebsoeckin  geborne  Brosingerin  24.  April  1576.  (Gesetzt  1578.) 
(Fig.  37-) 

11.  Johann  Jacob  Kirs  von  Oberndorf,  der  Rechte  Doktor,  *J*  19.  Okt.  1573. 
(Gesetzt  1574-) 

12.  Frav  Catharina  Oedtlerin  geb.  von  Tunsel-Silberbergerin  7 28.  Sept.  1586. 

13.  Junckher  Hans  Volmar  von  Bernshofen  *J*  1.  Februar  1572.  (Gesetzt  15 73.) 

14.  Der  »Gattin  Carolina  ? ? gewidmet  von  Conrad  Ludwig  Ehrmann  Amtshafner 
in  Brumath«.  Mit  einem  Medaillon  geschmückt,  vom  Ende  des  18.  Jhs. 

15.  Jacob  von  Endingen  J-  28.  August  1556,  Markgr.  Amtmann  der  Herrschaft 
Lahr  und  Mahlberg,  und  Frav  Rickart  von  Fndingen  geb.  Zornin  von  Bulach  und  die 
Töchter  der  Beiden,  Junckfrav  Jacobe  7 1574  »am  Sant  Anno  Dach«,  Martha  *j*  Christ- 
abend 1575,  Susanna  *j*  1576  den  »20  Dach«. 

16.  Hans  Georg  Wurmser  J-  7.  Nov.  . . 79  (1579),  »desen  Alter  war  i8Woehen«. 

1)  Der  vollständige  Text  der  Inschriften  und  die  Beschreibung  der  Steine  s.  A.  Si  eiert. 
Die  Inschriften  der  Grabsteine  alter  adeliger  und  bürgerlicher  Geschlechter  auf  dem  Friedhof  zu 
Lahr.  Lahrer  Wochenblatt;  Unterhaltungsbeilage  der  l.ahrer  Zeitg.  1903.  Nr.  98  u.  99. 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


77 


17.  Joh.  Adam  Koch.  * 12.  Aug.  1739  zu  Seelbach  im  Herzogthum  Nassau, 
9.  Dez.  1814  zu  Lahr,  Grossherzogi.  Bad.  Dekan  und  erster  Stadtpfarrer  zu  Lahr. 


18.  Adriana  Frie- 
derica geb.  Schneider 
'|*  20.  ? 1791  im  vieren 
. . . . ? » Zum  Andenken 
seiner  werthesten  Gattin 
setzte  ihr  Ehmann  Joh. 

Adam  Koch  Stadt- 
pfarrer«. 

19.  Reichardt  Ro- 
hardt  von  Newenstein 
-f-  ? (Ende  16.  Jh.) 

20.  Inschrift  weg- 
geschliffen, nach  dem 
Wappen  der  Familie 
von  Bernshofen  zuge- 
hörig. 

2 1.  Ebenfalls  ohne 
Namen  und  Datum. 

Wappen  der  Neuenstein, 

Weitersheim,  Endingen 
und  Horneck  von  Horn- 
berg. 

2 2.  Wilhelm  Streüf 
von  Lawenstein  -f- 1 4.  Juli 
1622,  »nachdem  er 
69  Jar  gelebt«,  gräfl. 

Nassauischer  Amtmann 
zu  Lahr  und  Mahlberg 
und  Fraw  Maria  Streüffin 
von  Lawenstein  geb.  von 
Broumbach  7.  Dez. 

1613. 

23.  Georg  Müller. 

Vom  Ende  des  18.  Jhs. 

Ohne  Datum,  mit  langer, 
gereimter  Inschrift. 

24.  Frav  Special 
Müllerin  geb.  Drey- 
springin  -J-  1778. 

25.  Fraw  Juliana  Röederin  von  Dierspurg  geb.  von  Svit  J-  8.  April  1588. 

26.  Die  Reichsfrey.  Hochwohlgeborne  Ehleute  Egenolph  Friedrich  Röder  von 

Thiersberg  de  nat.  undt  Maria  Elisabetha  Eleonora  von  Pistorie  zu  Reicheweiler  de  nat. 
d.  30.  Juni  1727.  Unten  verzeichnet:  Johannes  Kocher  zu 1732. 


Fig.  37.  Grabstein  der  Maria  Rebsoeckin  auf  dem  alten  Friedhof  zu  Lahr. 


78 


KREIS  OFFENBURG. 


Pfarrhaus 

Rathhaus 


27.  Johann  Rauh,  der  22  Jahre  lang  Bürgermeister,  zehn  Jahre  zuvor  des  Raths 
Assessor  in  Lahr  gewesen.  Mit  langer,  gereimter  Inschrift,  »aufgericht  von  seinen 
Kindern  d.  XV.  Apr.  1738«. 

28.  Hartmann  von  Brumbach  und  Frav  Ursella  von  Brumbach  geb.  Zindra  von 
Kenzingen  20.  Juli  1574. 

29.  Arbogast  von  Brombach  7 1.  Febr.  1539  und  Fraw  Maria  von  Brombach 
geb.  Wurmbserin  J*  10.  April  1574. 

30.  (Minuskelschrift.)  Anno  Dm die  II  mensis  Februarij  obiit  honora- 

bilis  dm.  Jacobus ? Also  wohl  aus  dem  15.  Jh.,  ohne  besonderen  Schmuck. 

31.  Fraw  Katharina  Vintherin  »weilandt  Herrn  Johan  Vinthers  gewesten  Stadt- 
schreibers zu  Lohr  eheliche  Hausfraw«  •{*  1600  »uf  Dunerstag  den  26  Brachmunats«. 
»Hodie  mihi  gras  (sic!)  tibi«. 

32.  Johan  Philips  Streif  von  Lawenstein  »seins  Alters  zwey  Jar  und  9 Monat« 
*j-  5.  November  1583.  (Gesetzt  1584.) 

33.  Herr  Birgenmeister  Johan  Jacob  Scnitzl  (?)  * 28.  Febr.  1709  *j-  4.  Jan.  1756. 

34.  Johanni  Morstadio  Consiliario  eclesiastico  Superintendenti  Lahrensi  etc. 
D.  XXI.  Augusti  1719  placide  defuncto  Aetatis  LXXII  ann.  etc.  (mit  Vers). 

35.  Christiano  Henrico  Morstadio  etc.  23.  apr.  ann.  1735  pie  defuncto  aetatis 
44  annv.  etc.  monumentum  ergi  iussit  etc  relicta  Maria  Magdalena  nata  Mulleria. 

36.  Johann  Andreas  Rizhaubt  J*  1.  Nov.  1749,  Specialsuperintendent  und  Pastor 
Primarius  bei  der  Stiftskirche  zu  S.  Jakob  in  Lahr.  Errichtet  von  der  Wittwe  Maria 
Elisabetha  Gerthrud  geb.  Dernin  und  dessen  VI  Waisen.  Dazu  der  Leichentext  und 
der  Vers: 

Herrn  Rizhaubts  Leichenstein 
Darf  nur  acht  Wörter  haben : 

Hier  lieget  Treu  und  Fleis 
Und  Frömmigkeit  begraben. 

37.  Jungherr  Carl  Wilhelm  Baron  von  Terzi  und  Cronenthal  * zu  Kandtern 
28.  Febr.  1722  J*  in  Lahr  18.  Febr.  1741.  »Ledig.  Alt  18  Jahr  11  Monat  18  Tag.« 

Die  freyherrl.  Eltern  weil.  Christian  Casimir  Baron  von  Terzi  und  Cronent.  F.  M. 
Baden-Durlach.  Cammer-Jungkerr  und  Ober-Forstmeister  in  Sausenb.,  Rötlen  u.  Badenw. 

Augusta  Maria  geb.  Baronne  von  Düngern  * 28.  Nov.  1694  J*  in  Lahr  16.  Juni  1777. 

Ebenfalls  mit  gereimten  Sprüchen. 

38.  Herr  Friedrich  Wilhelm  von  Dünger  Edler  zu  Weyher  * 7.  Sept.  1688  in 
Emmendingen,  *j*  29.  Dez.  1748  zu  Lahr  »eines  Alters  60  Jahr  3 M.«  Hofrath,  Ober- 
amtmann und  Forstmeister  in  der  Herrschaft  Lahr. 

Das  Pfarrhaus  ist  ein  einfacher,  vornehmer  Bau  der  Biedermeierzeit. 

Von  öffentlichen  Gebäuden  ist  hier  vor  allem  erwähnenswerth  das  Rathhaus,  das 
leider  i.  J.  1885  etwas  gründlich  verändert  wurde.  Wir  geben  es  in  Fig.  38,  nach  den 
vorhandenen  Zeichnungen  rekonstruirt,  in  seinem  alten  Bestand. 

Das  älteste  Rathhaus  der  Stadt  — vielleicht  jene  Rathsstube,  von  der  i.  J.  1456 
die  Rede  ist,  mag  an  anderer  Stelle  gestanden  haben,  vielleicht  (war  es  das  »alte  Schul- 
haus« ?)  am  Marktplatz,  wenn  unsere  Annahme  (s.  oben),  dass  der  nördlichste  Theil  der 
Stadt  eine  Erweiterung  aus  dem  Ende  des  15.  Jhs.  ist,  richtig  ist.  Das  noch  heute 
stehende  gehört  erst  dem  1 6.  Jh.  an.  Es  war  ein  malerisches  Gebäude,  dessen  Erd- 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


79 


Fig.  3S.  Rathhaus  in  Lahr  iwr  i88j  . 


8o 


KREIS  OFFENBURG. 


Fig.  jg.  Altan  am  Rathhause  in  Lahr. 


geschoss  sich  in  grossen  Spitzbögen 
öffnete  und  eine  Halle  enthielt,  die 
als  Getreidemarkt  diente.  Eine  grosse 
Freitreppe  mit  Masswerkbrtistung 
führte  in  das  obere  Stockwerk.  Sie 
endigt  in  einem  Altan  (s.  Fig.  39) 
mit  ähnlicher  Brüstung,  zwischen  der 
sich  die  diamantirten  Sockel  der  drei 
kannellirten  Kompositsäulen  befinden, 
welche  das  Zeltdach  tragen.  Am 
Kapitell  der  mittleren  dieser  Säulen 
das  Fahrer  Stadtwappen.  An  dem 
spitzbogigen  Thore  unter  dem  Altan 
die  Jahreszahl  1608.  — Eine  im 
Korbbogen  geschlossene  Thür  mit 
sich  kreuzenden  Rundstäben  und 
Hohlkehlen  führt  von  dem  Altan  in 
das  Obergeschoss.  Dieses  hat  an  der 
Längsseite  des  Hauses  einfache  ge- 
kuppelte gradsturzige  Fenster  mit 
hohlgekehltem  Gewände,  an  der 
Giebelseite  springt  jeweils  die  mittlere 
Fensteröffnung  als  über  Eck  gestellter 
Erker  vor.  Darüber  erhebt  sich  der 
in  Voluten  endigende  geschweifte 
Giebel,  der  noch  zwei  Stockwerke 
enthält,  über  ihm  der  Dachreiter. 
Bei  dem  Umbau  wurde  die  Frei- 
treppe weggebrochen,  die  untere 
Halle  zugemauert  und  mit  Fenstern 
versehen,  der  Dachreiter,  vollständig 
verändert,  von  seinem  ursprünglichen 
Platz  weg  nach  vorn  auf  den  Giebel 
gerückt,  ausserdem  noch  im  Detail 
manches  verändert. 

An  öffentlichen  Gebäuden  be- 
sitzt Lahr  sonst  nichts  Bemerkens- 
werthes,  dagegen  sind  eine  Anzahl 
Privathäuser  als  Ganzes,  oder  wegen 
an  ihnen  erhaltener  Details  wichtig. 
Wie  schon  gesagt,  sind  aus  dem 
Mittelalter  keine  erhalten ; auch  aus 
der  Renaissance  eigentlich  nur  Bau- 
reste, die  zeigen,  was  einmal  ge- 
standen hat,  bevor  die  Einäscherung 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


durch  die  Franzosen  es  vernichtete.  Sobald  die  Stadt  sich  dann  wieder  aufrichtete, 
entstanden  einige  Barockhäuser;  entsprechend  dem  Wachsen  des  Wohlstandes  am  Ende 
des  j8.  und  Anfang  des  19.  Jhs.  können  wir  in  dieser  Zeit  eine  sich  immer  mehrende 
Bauthätigkeit  im  sogen.  Zopf-  und  Biedermeierstyl  vermerken. 


Fi«-,  jo.  Stoesser’  sches  Haus  in  Lahr. 

Privathäuser: 

Bismarckstrasse  (Bärenplatz)  Nr.  15a:  Haus  mit  Rocailleornamenten,  Maskerons, 
hohem  Mansardendach  und  grossem  Balkon  auf  Konsolen  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
18.  Jhs.,  leider  durch  Ladenfenster  verunstaltet. 

Bergstrasse  Nr.  1 9 : Sogen.  Leipziger  Hof ; Biedermeierhaus. 

Brestenberggasse  Nr.  1 : Gute  schmiedeeiserne  Thürbänder  des  18.  Jhs.  (1778). 

Ebenda  Nr.  2 : An  der  Thür  Beschläg  des  18.  Jhs.,  das  Gewände  der  Thür  Barock- 
einfassung mit  Oberlicht  und  Jahreszahl  1723. 

Ebenda  Nr.  6 : Zwei  von  anderswo  stammende  Säulen  tragen  das  Eck  des  Ober- 
geschosses, diese  Säulen  sind  gerautet  und  haben  über  Eck  gestellte  Sockel. 


Privathäuser 


Band  VII. 


6 


82 


KREIS  OFFENBURG. 


Gerichtstrasse  Nr.  5 : In  dem  Haus  ein  skulpirtes  Band,  darauf  zwischen  der 

Jahreszahl  1564  ein  Allianzwappen:  Bärtiger  Meergreis  (von  Vinther)  und  Rosette  mit 

Fischhaken  (Augsburger 
Familie  Jörger:  Agnes 
Jörger).  Siehe  auch  S.  78 : 
Grabstein  Nr.  31  und 
S.  84 : Haus  Marktstrasse 
Nr.  15  (Hinterhaus). 

Geroldsecker  Vor- 
stadt Nr.  2 : Rosshaar- 
spinnerei C.  F.  Maurer. 
Die  Barockfenstergewände 
sowie  die  beiden  flotten 
Portale  mit  gebrochenem 
Rundgiebel  und  Vasen 
stammen  von  dem  abge- 
rissenen Kloster  Etten- 
heimmiinster , das  der 
ehemalige  Besitzer  dieser 
Spinnerei  auf  Abbruch 
erstanden  hatte. 

Geroldsecker  Vor- 
stadt Nr.  6 : Gute  Villa 
vom  Anfang  des  19.  Jhs. 

Kaiserstrasse  Nr.  6: 
Haus  des  18.  Jhs.,  die 
Fenster  flachbogig  ge- 
schlossen mit  Wulstprofi- 
lirung  und  gebauchten 
Fensterbänken,  über  der 
Thür  hübsches  schmiede- 
eisernes Oberlicht,  Ro- 
caille  mit  Küferzeichen. 

Ebenda  Nr.  1 1 : Ein- 
faches, gutes  Haus  des 
1 8.  Jhs. 

Ebenda  zwischen 
Nr.  37  und  39  stand  einst 
das  Dinglinger  Thor.  ') 

Fig.  41.  Porta / vom  Hause  Marktplatz  Nr.  2 in  Lahr. 

Ebenda  Nr.  34. 

Ebenda  Nr.  41:  Grosses,  dreistöckiges  Patrizierhaus  (Stoesser)  in  spätem  Zopfstyl 
mit  kräftigen  Urnen  an  dem  Mansardendach  (s.  Fig.  40). 


*)  Abbildung  in  dein  Huch:  Der  Dinglingerthorthunn  oder  die  Verwaltung  Völcker- Fingado. 
Lahr  1842. 


AMT  LAHR.  — LAHR.  83 

Ebenda  Nr.  42  : Lotzbeck’sches  Haus  vom  Ende  des  18.  Jhs.  im  späten  Louis  XVI. 
Styl;  Balkon  mit  schmiedeeisernem  Geländer,  in  dem  das  Lotzbeck’sche  Wappen  an- 
gebracht ist.  Dazu  gehört  noch  ein  erhaltener  Seitenflügel.  Leider  ist  die  Anlage  sonst 
verunstaltet. 

Ebenda  Nr.  43 : Das  kleine  Haus  war  das  ehemalige  Zollhaus  vor  dem  Thore. 


Fig.  42.  Zn  dem  Haus  Marktplatz  Nr.  2 gehöriges  Gebäude  mit  Holzgallerie  in  Lahr. 


Ebenda  Nr.  44 : Gutes  Biedermeierhaus  (mit  neuem  Stockwerkaufsatz  über  der 

Mitte). 

Ebenda  Nr.  52  mit  charakteristischem  Holzunterzugbalken  am  Thore;  am  west- 
lichen Thorpfosten  übertünchte  Inschrift. 

Ebenda  Nr.  56:  Barockhaus  mit  hohem  Mansardendach. 

Ebenda  Nr.  58:  Haus  in  einfachem  Empirestyl. 

Ebenda  Nr.  62:  Haus  im  Biedermeierstyl. 

Ebenda  Nr.  93  : Haus  des  ausgehenden  Empirestyles. 


6 


fzOTfri 


84 


KREIS  OFFENBURG. 


Ebenda  Nr.  60:  Gymnasium,  ehemaliges  Privatgebäude,  in  der  in  Lahr  gerade  in 
der  Biedermeierzeit  vielfach  gebräuchlichen  Anordnung:  das  Wohnhaus  zurückstehend, 
flankirt  von  zwei  einstöckigen  Flügelbauten,  die  sich  bis  an  die  Strasse  erstrecken  und 
einen  Vorhof  oder  Garten  umschliessen.  Hier  ist  leider  der  eine  Flügel  durch  einen 
sehr  unerfreulichen  Bau  aus  der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jhs.  ersetzt  worden. 

Ebenda  Nr.  97:  Haus  im  späten  Empirestyl. 

Ebenda  Nr.  99 : Die  gleiche  Biedermeieranlage  wie  bei  dem  Gymnasium,  hier 
sehr  »behäbig«  wirkend.  Nur  noch  die  geschmackvollen  Flügel  erhalten,  das  Haus  selbst 
in  unseren  Zeiten  umgebaut. 

Kirchstrasse  Nr.  6 : Riegelhaus  mit  vorkragendem  Dachgeschoss. 

Ebenda  Nr.  9:  Der  in  der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jhs.  umgebaute  Gasthof  »zur 
Blume«  weist  noch  die  alte  Fenstergruppirung  auf. 

Ebenda  Nr.  25  und  27:  Empirehäuser. 

Ebenda  Nr.  32:  Durch  Ladenumbau  völlig  verändertes,  ehemaliges  Zollhaus  vor 
dem  Vogtsthor  mit  Lahrer  Stadtwappen  aus  dem  18.  Jh. 

Ebenda  noch  eine  Anzahl  von  gut  wirkenden  Giebelhäusern. 

Lammstrasse  Nr.  10: 
Verputztes  Riegelhaus  mit 
gutem  hölzernen  Unterzug- 
balken des  Thores;  ebenda 
noch  eine  Reihe  leider  ver- 
putzter Riegelbauten. 

Marktplatz  Nr.  2 : Haupt- 

Fig.  4J.  Sturz  eines  ehemaligen  Brunnens  am  Hinterhaus  von  gebällde  in  flottem  Barock- 
Marktstrasse  Nr.  15  in  Lahr.  styl;  die  Sandsteinfenster- 

gewände mit  Muschelbekrö- 
nung, das  Portal  im  Style  des  späten  Louis  XIV.  (s.  Fig.  41)  sollen  vom  Kloster 
Ettenheimmtinster  hierher  transportirt  worden  sein.  Der  oberste  Stock  ist  erst  in 

neuester  Zeit  aufgesetzt.  Das  Haus  ist  angedeutet  im  Hintergrund  von  Fig.  42; 
diese  zeigt  das  dazu  gehörige  langgestreckte  Gebäude  mit  prächtig  wirkender  Holz- 
gallerie,  das  in  dankenswerther  Weise  von  dem  Besitzer  wieder  hergestellt  worden  ist. 
Die  Fenstergewände  des  Erdgeschosses  weisen  Hohlkehlen  auf,  die  in  kleinen  Voluten 
endigen;  der  Bau  dürfte  am  Ende  des  17.  Jhs.  errichtet  worden  sein,  vielleicht  mit 
Benützung  älterer  Mauern.  Darauf  deutet  die  Jahreszahl  am  Thor  gegen  den  Markt- 
platz zu.  In  einem  Rollwerkschild  findet  sich  zu  beiden  Seiten  des  Wappens  der 
Herrn  von  Bemhofen  (Hund  an  Kette  nach  links  springend)  die  Zahl  15-77  und 

das  Zeichen : 

Marktplatz  Nr.  4 : Hohes,  schmales,  zweifenstriges,  gut  wirkendes  Haus,  erste 
Hälfte  oder  Mitte  des  18.  Jhs.  mit  hohem  Mansardendach.  Erwähnenswerth  auch  Markt- 
strasse Nr.  4 und  6. 

Marktstrasse  Nr.  15:  Am  Hinterhaus  gegen  Obststrasse  eingemauert  der  Sturz 
eines  ehemals  im  Hof  stehenden  Brunnens,  an  demselben  die  Wappen  der  Vinther  und 
Jörger  (Augsburger  Familie)  sowie  die  Jahreszahl  1561  (s.  Fig.  43).  Siehe  auch  S.  59: 
Haus  Gerichtsstrasse  Nr.  5,  sowie  S.  56:  den  Crrabstein  Nr.  31. 


AMT  LAHR.  — LAHR. 


85 


Marktstrasse  Nr.  22:  Ein  Thordurchgang  des  18.  Jhs.  in  flachem  Bogen  gewölbt 
mit  einfach  verziertem  Schlussstein. 

Marktstrasse  Nr.  53:  Eine  der  besterhaltenen  Häuseranlagen  der  Biedermeierzeit, 
mit  dem  vornehm  zurückliegenden  Wohnhaus  und  den  zwei  einstöckigen,  an  die  Strasse 
vorspringenden  Magazinflügeln  (s.  Fig.  44).  Besitzer : Geh.  Kommerzienrath  F.  Sander. 

Mauergasse,  Hintere,  Nr.  6 : Hier  (s.  oben)  der  Rest  bezw.  der  untere  Theil  eines 
halbrunden  Thurmes  der  früheren  Stadtmauer,  mit  liegender,  rechteckiger  Schiessscharte, 
hier  auch  die  alte  Stadtmauer  erkenntlich,  die  unter  den  Häusern  durchgeht. 

Mauergasse,  Vordere,  Nr.  10:  Garten-  bezw.  Hofportal  von  1786  mit  Wappen: 
Bretzel  und  Wecken  unter  Kurkrone,  darunter : 

HIB  MSB. 

Ebenda  Bierbrauerei  Dorner:  Eingemauert  ein  Radwappen  (Wappen  der  Familie 
v.  Newenstein),  an  den  Fenstergewänden  die  üblichen  Voluten  des  17.  Jhs.  An  einer 


Fig.  44.  Hausanlage  Marktstrasse  Nr.  jj  in  Lahr. 

Scheune  der  Brauerei  eingemauert  ein  Todtenkopf  mit  Gebeinen  (Sandsteinrelief),  der 
wohl  von  dem  Beinhaus  des  in  der  Nähe  gelegenen  Spitales  und  seines  Friedhofes 
stammt. 

Miihlgasse  Nr.  15:  Die  ehemalige  Stadtmühle;  einen  Theil  des  Erdgeschosses 
bildet  eine  Halle  auf  Holzstützen. 

Oberthorstrasse  Nr.  4:  Haus  des  18.  Jhs.  mit  flachbogigen  Fenstern,  an  deren 
Stürzen  in  barock-ornamentaler  Behandlung  Fische  und  Fratzen  skulpirt  sind,  die  runde 
Ecke  des  Hauses  ist  quaderartig  behandelt. 

Obstgasse  Nr.  3:  Schmuckes,  einfaches  Barockhaus  des  18.  Jhs. 

Rossgasse  Nr.  3 : Eingemauert  ein  Stein  mit  dem  Wappen  der  Gerberzunft,  Jahres- 
zahl 1558  und  dem  Zeichen:  A (Hier  am  Gewerbekanal  die  Gerberwerkstätten). 


86 


KREIS  OFFENBURG. 


Rossgasse  Nr.  4:  Jetzt  zugemauerter  Thorbogen  mit  unkenntlichem  Wappen  und 
Jahreszahl  1727;  altes  Fachwerkdachgeschoss. 

Rossgasse  Nr.  7 : Altes  Badhaus  (angeblich  noch  Geroldseckisch) J)  mit  leicht  vor- 
kragendem Obergeschoss.  Im  unteren  Stock  die  Badstellen  nach  dem  Gewerbekanal  zu. 

Schlossplatz  Nr.  20:  In  der  Wand  eingemauert  flotte  Renaissancecartouche  mit 
Rollwerk  und  Baden-Durlachischem  Wappen;  leider  ist  das  Sandsteinwerk  schon  sehr 
verwittert. 


Städtische 

Sammlungen 


Schlossplatz  Nr.  2 : Eingemauert  ein  kleines  Steinrelief,  Crucifixus  mit  Maria  und 
Johannes. 

Friedrichstrasse  Nr.  2 1 (Grossh.  Bezirksamt),  jedoch  in  der  Brestenberggasse  gelegen : 
Spätgothische  Sandsteinthürgewände  mit  Vorhangbogen. 

Werderstrasse  Nr.  6 : Aehnliche,  aber  nicht  so  gute  Holzgallerie  wie  an  Markt- 
platz Nr.  2. 

Für  die,  wie  in  anderen  Städten,  so  auch  in  Lahr  sich  seit  der  grösseren  Aufmerk- 
samkeit darauf  häufenden  Alterthumsfunde  dienen  als  Aufbewahrungsort  die  städtischen 
Sammlungen,  die  jetzt  in  der  ehemal.  Jamm’schen  Villa  im  Lahrer  Stadtpark  unter- 
gebracht sind.  Es  finden  sich  darin  prähistorisch-römisch-germanische  Funde,  deren 
wichtigste  schon  an  anderer  Stelle  besprochen  worden  sind.  Eine  Anzahl  von  Sachen  aus 
Mittelalter  und  Renaissance,  unter  anderem: 

Ein  Würfelkapitel  mit  Säulenstumpf,  wohl  der  Rest  eines  ehemaligen  Fenster- 
säulchens  vom  Liitzelhard,  das  dort  i.  J.  1905  von  Stadtpfarrer  Bark  gefunden 
wurde,  womit  also  die  Richtigkeit  der  sagenhaften  Angabe  erwiesen  ist,  dass  auf  diesem 
Berg  im  hohen  Mittelalter  eine  Burg  gestanden ; ein  achteckiger  abgebrochener  Sand- 
steinblock, etwa  1 m hoch;  auf  drei  Kanten  steht  in  Majuskelschrift  des  14.  Jhs.  soweit 
lesbar:  SIftö  CVLPH  / ? IG0RHGS  • 0'  ? / HO10R  ? ÄRIL  (?)  //  angeblich  eine 
Mariensäule;  der  Sandstein  mit  dem  Lahrer  Stadtwappen,  der  an  der  Spitze  dieses 
Artikels  abgebildet  ist ; ein  weiterer,  vom  alten  Schulhaus  stammend,  mit  der  nicht  mehr 
ganz  erhaltenen  Jahreszahl  153?;  zwei  Steinkonsolen  vom  ehemaligen  Lagerhaus  Sättele, 
das  1563  erbaut  und  vor  5 Jahren  abgerissen  worden,  mit  Maskerons  und  Rolhverk, 


sowie  dem  Zeichen : 


; steinerne  Reinigungskasten  und  thönerne  Röhren  von  der 


mittelalterlichen  Lahrer  Wasserleitung  aus  der  Bertholdstrasse  (vulgo:  »Kähner(!)-Gässle«); 
ein  Majolikateller  von  Hafnermeister  A.  Litsch  in  Lahr  von  1750;  Ofenkacheln  des  16. 
und  17.  Jhs.  von  der  Hohengeroldseck;  das  Lahrer  Grüselhorn,  das  in  der  Lützelhardt- 
sage eine  Rolle  spielt  und  früher  auf  dem  Vogtsthore  aufbewahrt  wurde:  ein  hübsches, 
kleines  Bronzehorn  mit  einfacher  Gravirung  aus  dem  16.  Jh. ; ein  Wappen  der  Bäcker- 
zunft aus  dem  1 8.  Jh. ; eine  Anzahl  Oelgemälde,  Porträts  von  Lahrer  Bürgern  aus  dem 
17.  und  18.  Jh.  sowie  Herkules,  den  nemeischen  Löwen  erwürgend,  von  einem  Schüler 
bezw.  Nachahmer  des  Rubens;  endlich  eine  Bildersammlung,  unter  denen  sich  Stadt- 
pläne (der  Merian’sche  etc.)  und  Ansichten  der  Stadt  aus  dem  19.  Jh.  befinden,  aber 
auch  die  in  Fig.  17  wiedergegebene  Ansicht  des  alten  Schlosses,  die  A.  Leibiger  1886 
nach  verloren  gegangenem  Aquarell  kopirt  hat,  wie  auch  die  in  Fig.  18  wiedergegebene 


*)  Siehe:  Grundriss  der  Stadt  Lahr  vor  dem  Jahr  1643  >n  »Geschichte  and  Beschreibung  der 
Stadt  Lahr  und  ihrer  Umgebungen«  von  Amtmann  Stein  (Lahr  1827),  Objekt  13  (Erklärung  II). 


AMT  LAHR.  — BURGHEIM  (LAHR). 


8? 


Ansicht  der  Vogtsvorstadt  von  dem  gleichen;  die  alte  Ansicht  der  Stiftskirche  (Fig.  28), 
ein  Plan  der  noch  nicht  näher  durchforschten  Umwallung  auf  dem  Burghard,  Zeichnung 
des  Schlösschens  Dautenstein  u.  a.  m. 

Dazu  eine  kleine  Sammlung  exotischer  Gegenstände,  indische  Speckstein-  und 
Silberarbeiten  etc. 

Im  Besitze  der  Schützengesellschaft,  auf  bewahrt  beim  jeweiligen  Ober- 
schützenmeister, befinden  sich  vier  silberne , theilweise  vergoldete,  Becher  aus  dem 
18.  Jh.  und  zwar: 

1.  Ein  kleiner,  ]/2  Liter  haltender  Becher,  vom  Markgrafen  Carl  Wilhelm  von 
Baden  gestiftet,  mit  eingravirten  Medaillons,  in  denen  die  verschiedenen  Herrschafts- 
wappen des  Markgrafen  von  Baden-Durlach,  das  Monogramm  X und  die  Inschrift : Den 
22  May  1717  von  Ihro  Durchlt.  der  Schützen-Comp.  in  Lahr  verehrt  worden. 

2.  Ein  3/4  Liter  haltender,  glatter  Becher,  vom  Fürsten  Friedrich  Ludwig  von 
Nassau  1726  gestiftet,  mit  eingravirten  Medaillons,  in  denen  eingravirt  das  Nassau- 
Saarbrticken’sche  Wappen,  das  Lahrer  Stadtwappen,  das  Monogramm  F.  L.  und  die 

Sprüche  . Was  schon  über  sechtzig  Jahr 

dem  Haus  Nassau  war  entnommen 
Ist  durch  Friederich  Ludwigs  Sorg 
wiederum  darzu  gekommen  1726 
Lahr 


und : 


Den  Schützen  las  ich  dieses  reichen 
zu  einem  steten  gnadenzeichen. 


3.  J/2  Liter  haltender  Becher,  vom  Fürsten  Wilhelm  Henrich  (sic)  von  Nassau- 
Saarbrücken  i.  J.  1752  gestiftet.  Auf  dem  Deckel  ein  Putte  mit  Lorbeerzweig,  im 
Deckel  das  Nassauische  Wappen  und  die  Umschrift : 


Der  becher  der  mir  jüngst  bey  euch 
zum  preis  geworden, 
bleibt  hier  stets  wohl  verwahrt 
zum  rühm  für  euren  Orden, 

Nehmt  diesen  von  mir  an 
und  wenn  ein  Schusz  gelingt, 
so  seyd  vergnügt,  schenckt  ein, 
gedenckt  an  mich  und  trinckt. 
Wilhelm  Henrich  Fürst  zu  Nassau 
Saarbrücken  etc.  Anno  MdccLII. 


4.  Ein  anderthalb  Liter  haltender  Becher,  wie  Nr.  1 mit  Kugelfüssen,  vom  Fürsten 
Carl  zu  Nassau-Usingen  geschenkt,  mit  Schuppenrand,  mit  der  Inschrift: 

Ihro  Hochfürstliche  Durchlaucht  zu  Nassau-Usingen,  Herr  Carl,  haben  der  hochlöblichen 
Schützen-Compagnie  der  Stadt  Lahr  gegenwärtigen  Silberverguldeten  Becher  gnädigst  verehrt  im 
Jahr  1752. 

BURGHEIM 


Schreibweisen:  Burcheim  1035;  Burkheim  ca.  1235;  Burghein  1367;  Burck- 
heim  1536  etc. 

Archivalien:  der  Roeder  von  Diersburg,  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894), 

S.  90. 

Litteratur:  Staudenmaier  in  der  Lahrer  Zeitung  18?  S.  ? — Näher,  Ortenau. 


Becher 


88 


KREIS  OFFENBURG. 


Oltsgeschichte 


Kirche 


Ortsgeschichte : »Bischof  Wilhelm  von  Strassburg  weihte  am  25.  Juli  1035  unter 
dem  Zuströmen  einer  grossen  Menge  Volkes  aus  der  ganzen  Ortenau  die  Kirche  zu 
Burgheim  zur  Mutterkirche  und  widmete  sie  der  h.  Maria,  dem  Apostel  Petrus  und  allen 
Heiligen.  Durch  die  Hand  des  Vogtes  Hermann  liess  er  das  Widemgut,  Weinberge, 
Felder  und  Leibeigene,  sowie  den  huic  ecclesiae  ab  antiquis  patribus  institutam  Zehnten 
bestätigen,  indem  er  Kubach  und  Diezen,  soweit  es  sein  gehörte,  hinzufügte.  Zugleich 
erklärte  er  öffentlich,  dass  sein  Vorgänger  Erkenbold  von  Tundelingen  ohne  den  Be- 
schluss eines  Konzils  und  gegen  Recht  der  Kirche  einen  Theil  ihres  Zehnten  entzogen 
und  weggegeben  habe  und  zwar  vor  den  Augen  seines  Vorfahren  Werners;  er  versprach 
feierlich,  wenn  er  am  Leben  bleibe  auf  seiner  nächsten  Generalsynode  die  Zurückgabe 
des  Zehnten  zu  bewirken.  Der  Urkunde  beigefügt  ist  das  Verzeichniss  der  Reliquien 
auf  dem  Altäre«.1)  Da  Erkenbold  965  bis  991  Bischof  von  Strassburg  war  und  da  nach 
obiger  Angabe  der  Zehnte  »ab  antiquis  patribus«  angeordnet  war,  so  muss  die  Burgheimer 
Kirche  schon  im  10.  Jh.  für  die  ganze  Gegend  von  grosser  Bedeutung  gewesen  sein. 
Leider  ist  aber  bisher  nicht  viel  mehr  über  die  Geschichte  des  Ortes  im  Mittelalter  be- 
kannt geworden  bezw.  nichts  Sicheres.  War  der  Vogt  Hermann  ein  Geroldsecker  bezw. 
Tiersberger?  Das  Patronat  der  Kirche  zu  Burgheim  war  jedenfalls  an  den  Besitz  des 
Schlosses  Tiersberg  geknüpft.  Wem  gehörte  die  Burg  auf  der  Burghalde,  die  später  von 
Baden  zu  Lehen  ging?  Ruppert  hält  es  für  nicht  unwahrscheinlich,  dass  dieselbe  an 
Baden  kam  mit  den  Ebersteinischen  Gütern  1404,  da  Clara  von  Schwarzenberg,  die 
Tochter  der  letzten  Tiersbergerin  die  Gemahlin  Heinrichs  I.  von  Eberstein  (1 280  bis  1322) 
geworden  ist.  Dagegen  spricht  aber  die  Notiz,  wonach  schon  1381  ein  »Heintzmann 
von  Croswilre  hat  von  den  marggrafen  zu  lehen  eyn  halb  teil  dez  vischewassers  von 
Kubach  untz  Bischoffs  mülin,  daz  halb  gericht  zu  Burgheim  und  eyn  halben  twing  und 
ban«2);  also  nicht  erst  1410  wie  Ruppert  annimmt.  Kam  es  daher  vielleicht  von  den 
Schwarzenbergern  unmittelbar  an  Baden  ? Wer  waren  die  Schenke  von  Burgheim : 
»demüdis  uxor  Heinrici  Pincerne  militis  de  Burchein,  filia  quondam  Alberti  militis  dicti 
Tarant  de  Stouphenberc  1291«  und  »Obrecht  Schenke  selig  zu  Bürckheim  1343«, 
»Heinrich  Schenke  von  Burgheim  1381«3);  waren  sie  identisch  mit  den  Schenken  von 
Bombach?  Das  Geschlecht  scheint  um  1400  erloschen  zu  sein  und  die  Lehen  von 
Burgheim  gingen  an  die  Stoll  von  Stauffenberg  über4),  die  nach  obiger  Notiz  über  die 
Gemahlin  des  Schenken  Heinrich  wohl  mit  ihnen  schon  länger  verschwägert  waren  und 
bis  zu  ihrem  Erlöschen  das  Lehen  behielten.  Die  erwähnte  Burg  aber  ist  heute  voll- 
ständig vom  Erdboden  verschwunden.  — Burgheim  gehörte  im  16.  Jh.  zur  badisch- 
nassauischen  Gemeinherrschaft  Lahr,  bei  der  Theilung  1629  kam  es  an  Lahr  und  wurde 
1803  wieder  badisch. 

Die  Kirche  (in  honorem  Dei  sanctissimaeque  genitricis  suae  Mariae  et  in  comme- 
moratione  sancti  Petri  principis  apostolorum  et  omnium  sanctorum),  offenbar  die  älteste 
der  Gegend  s.  o.,  war  bis  z.  J.  1492  die  Pfarrkirche  auch  für  das  längst  Burgheim 
an  Bedeutung  überflügelnde  Lahr.  Erwähnt  wird  1291  ein  »dominus  rector  ecclesie  in 
Burchein,  frater  Heinrici  Pincerne  militis  de  Burchein«,  1305  und  1312  zwei  der 

*)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  257  (s.  Gail.  Urkundenb.  III  692). 

2)  Krieger  I S.  354. 

a)  Krieger,  ebenda. 

4)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  260. 


AMT  LAHR 


BURGHEIM  (LAHR). 


89 


Fig.  4g.  Kirche  in  Burgheini  (Lahr),  Ostansicht. 


Schenken  v.  B.  als  Kirchherren,  1419  als  solcher  ein  Herr  Johans  und  1458  ein  Herr 
Johanns  Slichlin  von  Urach.  1429  wird  ein  »her  Heinrich  Kleinmann  lütpriester«  ge- 
nannt. — Endlich  übergab,  da  Johann  Schlichlin  freiwillig  verzichtete,  Anton  Röder  die 
Pfründe  mit  all’  ihren  Nutzungen  dem  Lahrer  Stift;  1492  kam  die  Einigung  zwischen 
Baden,  Mörs  und  Strassburg  zu  Stande,  wonach  die  Pfarrei  definitiv  dem  Stfft  einverleibt 


9° 


KREIS  OFFEN  BURG 


Haubeschreibung 


wurde.  An  der  zur  Kapelle  degradirten  Kirche  zu  Burgheim  amtirte  der  seitherige 
Pfarrer  Andreas  Miirr  als  Kaplan  weiter.  Als  die  Herrschaft  Lahr  protestantisch  wurde, 
ging  aber  die  Kaplanei  allmählich  ein. 

Die  malerisch  auf  der  Höhe  über  Lahr  gelegene  Kirche  ist  ein  Bau  aus  verputztem 
Bruchsteinmauerwerk  mit  glatt  behauenen  rothen  Sandsteinquadern  an  den  Ecken ; aus 
Sandstein  auch  die  Gewände  etc.  Die  Kirche  besteht  aus  einem  einfachen  Langhaus, 
welchem  nach  Osten  der  Thurm,  dessen  Erdgeschoss  als  Chor  dient,  vorgelagert  ist.  Im 

Süden  stösst  an  ihn  die 
Sakristei,  im  Norden  führt 
eine  offene,  mit  einem  Dach 
geschützte  Holztreppe  zu 
ihm  empor  (s.  Fig.  45). 

Der  viereckige  Thurm 
hat  im  Erdgeschoss  nach 
Osten  ein  wohl  im  13.  Jh. 
gebrochenes  dreifaches  Spitz- 
bogenfenster, im  zweiten 
Geschoss  einfache  Licht- 
lucken bezw.  Schiessscharten, 
im  obersten,  von  einem 
Satteldach  gedeckten  Ge- 
schoss auf  allen  Seiten  je 
zwei  gekuppelte  Fenster, 
deren  Rundbögen  auf  kleinen 
Säulchen  mit  steilen  attischen 
Basen  und  weit  auslaufen- 
dem Kämpfer  ruhen  (vergl. 
Fig.  46).  Nach  Osten  und 
Westen  statt  der  Säule  ein 
Pfeiler  mit  vorgestellter  Säule.  Im  Innern  ist  das  Erdgeschoss  des  Thurmes,  das  als 
Chor  diente,  von  einem  (alten)  Tonnengewölbe  überspannt,  das  auf  ächtem  roma- 
nischem Gesims  (zum  Theil  für  Eingang  in  Sakristei  später  weggehauen)  mit  Platte, 

Wulst  und  Kehle  ruht.  Der  östlichste  Theil  des  Langhauses,  der  mit  dem  Thurm  heute 
noch  kirchlichen  Zwecken  dient,  dürfte  mit  dem  Thurm  aus  gleicher  Zeit  stammen 
und  den  Umfang  der  alten  Kirche  bezeichnen;  später  (im  19.  Jh.)  sind  zur  besseren 
Beleuchtung  vier  Spitzbogenfenster  eingebrochen  worden,  die  alten,  vermuthlich  rund- 
bogigen  Fenster  sind  heute  nicht  mehr  auffindbar.  In  der  Südwand  befindet  sich  eine 
alte  Sakramentsnische,  mit  spitzem  Kleeblattbogen  in  Kielbogen  und  umrahmenden 
Fialen  aus  dem  Ende  des  15.  Jhs.,  in  der  Nordwand  eine  kleinere  Nische,  die  aber 
laut  Aufschrift  1857  renovirt  wurde.  Der  vordere,  breitere  Theil  der  Kirche,  jetzt  als 
Feuerwehrdepot  dienend,  ist  eine  Erweiterung  späterer  Zeit  und  zwar  aus  dem  1 5.  Jh., 
wie  das  in  der  Südwand  angebrachte  Fenster  mit  flambopantem  Masswerk  beweist.  An 
der  gleichen  Wand  eine  Thür  mit  Blendkielbogen  und  der  Jahreszahl  1X77  (1455). 
Merkwürdiger  Weise  nun  hat  man  bei  dieser  Erweiterung  einfach  das  alte  romanische 
Portal  benüfzt  und  es  an  seine  heutige  Stelle  vorversetzt.  Dieses  Portal  (s.  Fig.  47  u.  48) 


Fig.  46.  Fenster  am  Thurm  der  Kirche  in  Burgheim  ( Lahr). 


Big.  4g.  Der  h.  Christopherus.  Wandgemälde  in  der  Kirche  zu  Burgheim  (Lahr). 


Band  VII.  Zu  Seite  91, 


AMT  LAHR.  — BURGHEIM  (LAHR). 


91 


mit  graclem  Sturz  wird  in  grossem  Blendrundbogen  von  dem  mit  Rundstäben  reich  profi- 
lirten  Sockel  der  alten  Kirche  umzogen.  Im  Tympanon  war  nach  den  erhaltenen  Spuren 
in  gothischer  Zeit  einmal  die  Kreuzigung  gemalt. 

In  dem  vorderen  Theil  der  Kirche  nun  sind  Wandgemälde  erhalten,  für  die  gründ-  Wandgemälde 
liehe  Konservirungsarbeiten  in  Aussicht  genommen  sind.  Und  zwar  sehen  wir  an  der 
Nordwand  der  Kirche  in  zwei  Reihen  übereinander  in  der  üblichen  rothen  Umrahmung 
6 — 3 und  3 Scenen,  von  denen  indess  die  östlichsten  durch  die  eingezogene  Trennungs- 
wand und  da  sie  in  den  unaufgedeckten  östlichen  Theil  sich  weiterziehen,  nicht  erkennt- 
lich sind.1)  Die  anderen 
zeigen  Passionsscenen  und 
zwar  unten  eine  Kreuzi- 
gung, im  Bilde  Lanzen, 

Fahnen,  Männer,  also  wohl 
die  Gefangennahme,  oben 
ist  noch  zunächst  eine 
einzelstehende  Figur  und 
daneben  eine  Dornen- 
krönung kenntlich.  Weiter 
westlich  in  bedeutend 
grösserem  Massstabe  über 
der  Thür  der  h.  Jakob  von 
Compostella  mit  seinem 
Pilgerhut  auf  gothischem 
Throne  sitzend,  zu  seinen 
Füssen  der  Stifter,  daneben 
Spruchbänder,  im  Hinter- 
grund gothische  Archi- 
tektur. Auf  dem  Sturz 
der  Thür  darunter  gemalt 
die  Jahreszahl  1452  (?)  in 
Minuskeln.  An  den  Wänden  Fig  4?  Portal  dey  Kjrche  jn  Burgheim  (Lahr)_ 

ausserdem  noch  Apostel- 
kreuze, an  der  Südwand  Reste  einer  Engelsfigur  und  endlich  an  der  schmalen  Fläche, 
welche  da  geboten  wird  wo  die  Südwand  zur  Erweiterung  der  Kirche  vorspringt  am 
besten  erhalten  der  h.  Christophorus  mit  dem  Kinde,  eine  über  den  Durchschnitt  solcher 
Malereien  ziemlich  herausragende  Gestalt  (s.  Fig.  49). 

Die  Sakristei  zeigt  ein  Kreuzrippengewölbe,  Schlussstein  mit  ehemals  bemaltem  Sakristei 
Schild;  die  trocken  profilirten  Rippen  gehen  ohne  Konsolen  in  die  Wand  über. 

Das  Ganze  stellt  sich  so  dar  als  ein  frühromanischer  Bau  in  Thurm  und  östlichstem  Baugeschichte 
Langhaustheil,  den  in  die  Zeit  obiger  Weihe,  also  in  die  Mitte  des  11.  Jhs.  anzusetzen 
eigentlich  nichts  hindert,  wenn  auch  natürlich  keine  Gewissheit  dafür  beansprucht  werden 
kann.  Das  15.  Jh.  nahm  dann  die  Erweiterung  nach  Westen  vor  (1455)  und  wohl  auch 
den  Neubau  der  Sakristei.  1857  erfuhr  der  Bau  eine  kleine  Renovirung,  hoffen  wir, 
dass  die  jetzt  ins  Auge  gefasste  dem  ehrwürdigen  Kirchlein  den  alten  Charakter  bewahrt. 

*)  S.  Lolz,  Statistik  II  73. 


92 


KKKIS  OFFENBURG. 


Grabplatten 


Vorgeschicht- 

liches 


An  der  nördlichen  Aussenwand  sind  einige,  vielleicht  aus  dem  Innern  stammende, 
zum  Theil  verstümmelte  Grabplatten  aufgestellt.  Davon  sind  vier  sich  sehr  ähnlich,  mit 
in  Umrissen  eingeritzter  Zeichnung. 

1 . Die  grösste  zeigt  ein  gleichschenkliges  Lilienkreuz  und  in  guten  Majuskeln  die 
Umschrift:  //  + 7UW0  • DO  / ÖIIXII  : WCKHIVII  • K 15  ■ I 'Ä  / W . OBII  C . 
hHIttR’  • DOS  • ISBIiLiI  fr 

2.  Die  zweite  zeigt  das  zweite  Kreuz  auf  Stange,  die  unten  noch  einmal  in  Lilie 
endigt,  und  die  Umschrift:  //  + HI/I/O  • Dill  (I)(I(I(I  • VIII  • III  • K L • I)H  . . . 


/ • : ID’  • HDVOLHl  • 


Fig.  48.  Gewändeprofil 
vom  Portal  der  Burgheimer  Kirche  (Lahr). 


DH  • LHBH  II 

3.  Die  dritte  zeigt  nur  das  Lilien- 
kreuz unten  in  einem  Standfuss  ausgehend, 
daneben  Hackbeil  und  Messer. 

4.  Die  vierte  Grabplatte,  ebenfalls 
ohne  Umschrift,  zeigt  ein  eingeritztes 
Standkreuz  mit  Kleeblattendigungen  auf 
breitem  Sockel,  links  ein  Zirkel,  rechts  ein 
Kelch. 

5.  Die  fünfte  Platte  endlich,  nur  in 
ihrem  oberen  Theil  erhalten,  zeigt  in  ver- 
tieftem Schild  den  sehr  schönen  Doppel- 
adler und  die  zum  Theil  verwischte  oder 
abgehauene  Inschrift:  / ÄM II  • DO/SRIIII  : 

W . • (I  • A / 

( ? BVRIIHBÄHl»  //  Die  Buch- 
staben sind  bedeutend  schlechter,  die  N 
zum  Theil  aus  unzusammenhängenden 
Strichen  bestehend,  ausserdem  stehen  die 
Buchstaben  unregelmässig.  Trotzdem  kann 
ihrer  Form  nach  der  Stein  kaum  später  als 
135°  gearbeitet  sein.  Es  handelt  sich  um 
ein  Mitglied  der  Familie  Burnebach,  die 
uns  250  Jahre  später  in  der  Stiftskirche 
begegnet. 


MEISSENHEIM 

Schreibweisen:  villa  Meissenheim  1267;  Missenhein  1270;  Myssenheim  1445; 
Mihssenheim  T464  etc. 

Archivalien:  der  Gemeinde  und  (evang.)  Pfarrei:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  15 
(1893)  S.  100  101  ; Archiv  der  Roeder  von  Diersburg  Nr.  16  (1894)  S.  93 — 96. 

Litteratur . Joh.  Georg  Schilher,  Chronicum  Meissenheimensc.  s.  Huhn  Quellen 
der  bad.  Geschichte  I Hdbg.  1844;  Lahrer  Wochenblatt  1907.  Nr.  6 ff. 

Vorgeschichtliches.  Im  Gemeindewald  »Langenrod«  östlich  vom  Ort  steht  ein 
ansehnlicher  runder  Grabhügel  von  16  m Durchmesser  bei  1,50  m Höhe,  dessen  Unter- 


AMT  LAHR.  — MEISSENHEIM. 


93 


suchung  im  Juni  und  wieder  im  August  1886  vorgenommen  wurde.  Merkwürdigerweise 
befindet  er  sich  in  der  Rheinniederung,  hart  westlich  von  erhöhtem  Terrain,  und  muss 
im  Lauf  der  Zeit  des  Oefteren  überschwemmt  worden  sein.  Während  der  Boden  dort 
kiesig,  mit  schwacher  Humusschicht  gedeckt  ist,  besteht  der  Hügel  aus  fettem  Lehm, 
der  von  15  bis  20  Minuten  östlich  hergeholt  und  festgestampft  worden  sein  muss.  Er 
enthielt  mehrere  Bestattungen,  alle  in  verschiedener  Tiefe  ziemlich  in  der  Mitte.  Die 
wichtigste  in  der  Tiefe  des  gewachsenen  Bodens  kennzeichnete  sich  durch  auf  einer 
schwarz  gewordenen  Tannenholz-Unterlage  gebettete  Skelettreste  einer,  nach  den  Zähnen 
zu  schliessen,  über  dem  mittleren  Lebensalter  stehenden  weiblichen  Person  mit 
einem  8 — 10 jährigen  Kind.  Anziehend  erscheinen  die  Reste  ihres  Schmucks:  In 
der  Halsgegend  sah  man 
rechts  und  links  je  eine 
schwarze  mattgeschliffene 
grosse  Perle  von  Gagat 
kohle  (s.  Fig.  50)  J)  hervor- 
stehen ; beide  mögen  oben 
am  Gewand  befestigt  oder 
an  einem  Halsband  ge- 
tragen worden  sein. 

Zwischen  ihnen  lagen  ein 
grösserer  Bronzering,  Stücke 
einer  wasserblauen  Glas- 
perle und  eine  grössere  An- 
zahl kleiner  Bronzeringchen 
mit  an  ihnen  aufgereihten 
Thonperlchen,  alles  wohl 
Reste  eines  Halsschmucks. 

An  jedem  der  Unterarme 
war  zunächst  der  Handwurzel  ein  breites  offenes,  mit  Strichmustern  verziertes  und  an 
den  Enden  mit  dicken  Knöpfen  endigendes  Armband  (Fig.  1 a)  von  Bronze  zu  sehen, 
hinter  dem  sich  ein  zweites,  6 cm  dickes,  schwarzes,  von  eigentümlichem  kohlen- 
artigem Stoff  (Lignit)  befand  (Fig.  1 b),  dessen  Material,  verschieden  von  der  Gagatkohle, 
südwestdeutschen  Ursprungs  sein  muss,  bis  jetzt  aber  noch  der  Auffindung  harrt.  Die 
Bestimmung  eines  in  der  Nähe  gefundenen  Ringchens  von  feinem  Gold  (Durchmesser 
1,3  cm)  (Fig.  3)  blieb  leider  unaufgeklärt. 

Eine  zweite  ähnliche  Bestattung,  gleichfalls  auf  Holzunterlage,  mit  verziertem  Hals- 
ring, Gürtelblech  und  Beinringen  von  Bronze,  lag  in  halber  Tiefe  des  Hügels,  muss  also 
später  eingesenkt  worden  sein ; wahrscheinlich  war  der  Hügel  längere  Zeit  benützte 
Familiengrabstätte.  Weiter  fanden  sich  noch  zweimal  Armbänderpaare  von  Lignit,  Perlen 
von  Glas  (an  eisernem  Ringchen)  und  Bernstein  und  Scherben  von  zum  Theil  verzierten 
Thongefässen,  auch  ein  Bruchstück  von  einem  grossen  Eisenschwert.  In  einem  oder 

1)  Die  Gagatkohle  (engl,  jet),  durch  alle  Kulturperioden  durch,  ähnlich  dem  Bernstein, 
wegen  ihres  mattschwarzen  Glanzes  als  Schmuck,  besonders  Trauerschmuck,  geschätzt,  findet  sich  im 
unteren  Jura  in  Schwaben,  England  und  Spanien  als  Rohmaterial  (s.  darüber  Corresp.  Bl.  der  West- 
deutschen Zeitschrift  f.  Geschichte  und  Kunst,  Jahrg.  1888  VII  Sept.  u.  Okt.  Nr.  138). 


Gcujaf 


Oloterarm 


Fig.  jo.  Vorgeschichtliches  aus  Meissenheim. 


94 


KREIS  OFFENBURG. 


Ortsgeschichte 


Simultankirche 


zwei  Fällen  dürfte  Leichenbrand  angenommen  werden.  Formen  und  Stoff  der  Fund- 
stücke weisen  auf  die  mittlere  Eisenzeit,  das  Ende  der  sogen.  Hallstadt-Periode,  ca.  500 
vor  Chr.,  hin. 

In  dem  benachbarten  Gemeindewald  von  Altenheim  (Mittelwald,  Schlag  7) 
befindet  sich  ein  ähnlicher  Hügel  von  14  m Durchmesser,  der  aber,  da  sich  in  seinem 

Innern  Mauersteine  und  Dach- 
ziegel fanden,  nicht  als  Grab- 
hügel in  Betracht  kommt.  Es 
soll  hier  ein  Häuschen  ge- 
standen haben.  (W.)  Vergl. 
dazu  noch  Westdeutsche  Ztschr. 
Corr.  VI  5;  Karlsr.  Ztg.  1886 
Nr.  290,  Verh.  d.  naturhistor. 
Ver.  Karlsruhe  X (1888)  114. 

Ortsgeschichte : Zu  m 

ersten  Male  1267  urkundlich 
erwähnt,  befand  M.  sich  damals 
schon  im  Besitz  der  Gerolds- 
ecker, bei  der  Theilung  1277 
kam  es  an  die  Lahrer  Linie, 
ging  aber  nach  einiger  Zeit  ver- 
loren ').  und  kam  an  das  Dom- 
stift Strassburg  als  verfallenes 
Lehen.  1558  besass  Daniel 
Wurmser  das  Lehen  und  nach 
ihm  erscheinen  im  Katalog  der 
Ortenauer  Ritterschaft  eine 
lange  Reihe  von  Mitgliedern 
der  Familie  als  Besitzer.  Bis 
1806  gehörte  M.  zum  schwä- 
bischen Ritterkreis  (Bezirk 
Ortenau)  und  war  eine  Besitzung 
der  Familie  von  Düngern.  2) 

Seit  1418  besass  das 
Kloster  Schuttem  hier  einen 
Freihof,  auch  das  Frauenkloster 
S.  Stefan  zu  Strassburg  hatte 
ums  Jahr  1450  und  später 
hier  Besitzungen,  ebenso  die 
Johanniter  von  Kenzingen. 
Simultankirche:  Ein  lütpriester,  Johans  Fronweier  1419  erwähnt;  Paulus  Joly 
rector  ecclesie  parocchialis  in  Myssenheim  Argentinensis  diocesis  1484.  Um  das  Jahr 
1533  trat  Meissenheim  zum  Protestantismus  über,  der  von  der  Familie  Wurmser  eingeführt 

*■)  Ru  p p e r t a.  a.  O.  S.  389. 

2)  Krieger  II  167. 


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Fig.  S1-  Rocaille -Cartouche  in  der  Kirche  zu  Meissenheim. 


AMT  LAHR.  — MEISSENHEIM.  95 

wurde.  1634  und  1674  bei  Versuchen  der  Rekatholisirung  hielten  die  Einwohner  ihren 
Gottesdienst  auf  den  Rheininseln. 

Die  Kirche  ist  ein  Bau  des  18.  Jhs.  Der  Fagade  ist  der  Thurm  vorgelegt,  dessen 
zwei  unterste  Stockwerke  mit  Rundportal  und  Rundbogenfenster  an  den  abgerundeten 
Ecken  Pilaster  aufweisen,  über  dem  verkröpften  Gesimse  ein  Dreieckgiebel  mit  der 
Umschrift:  Deo  triuni  1766;  darüber  ein  drittes  viereckiges  Geschoss,  worauf  der  Thurm 
in  das  Achteck  übergeht.  Zwei  kräftige  Voluten  flankiren  ihn  und  verbinden  ihn  mit 
dem  einschiffigen  Langhaus,  das  im  Achteck  abgeschlossen  ist  und  durch  Lisenen 
gegliedert  wird. 

Im  Innern  hat  die  Kirche  Emporen  an  den  Seitenwänden  : sie  sind  mit  unbedeutenden 
Bildern  aus  dem  Leben  Christi,  der  Apostel  und  Propheten  in  Rocaillestuckumrahmungen 
geschmückt. 

An  der  südlichen  Langhauswand  grosse,  üppig  schöne,  Rocaillecartouche  in  weissem 
Stuck  mit  langer  Inschrift  zum  Gedächtniss  des  Joh.  Daniel  Voelkers  und  Gottlob  Friedr. 
Benzens,  welche  bey  erbauung  dieser  Kirche  das  Pfarramt  allhier  bekleidet. 

An  der  gegenüberliegenden  Wand  eine  ähnliche,  noch  geschmackvollere  Cartouche 
mit  dem  Wappen  der  Grundherrschaft,  der  Freiherrn  Wurmser  von  Vendenheim,  und 
an  der  gleichen  Wand  eine  dritte  (s.  Fig.  51),  auf  der  verzeichnet  sind:  Christmann 
Fischer  Amt-Schultheiss,  Joh.  Georg  Lux  Bürgermeister,  Christmann  Fischer  Kirchen- 
plleger,  Theobald  Heimburger,  Jacob  Kederlin,  Andreas  Hockenios,  Joh.  Theobald  Kern, 
Johannes  Wenz,  saemtlich  Gerichtsschoeffen,  Henr.  Christoph  Kuhlwin,  Gerichts-Schreiber, 
Johannes  Fischer,  Kirchenpfleger.  MDCCLXVI. 

Die  ausserordentlich  flotte,  freie  Modellirung  dieser  jeweils  mehrere  Meter  hohen 
Cartouchen  lässt  vermuthen,  dass  sich  die  Meissenheimer  hierzu  einen  ganz  besonders 
geschickten,  vielleicht  französisch  gebildeten  Modelleur  etwa  aus  dem  nahen  Strassburg 
dazu  hergeholt  haben. 

An  der  geraden  Decke  des  Langhauses  in  einem  Langbild  die  Himmelfahrt  Christi, 
in  vier  runden  Medaillons  die  Evangelisten  und  in  zwei  ovalen  die  Anbetung  des  Kindes 
und  der  Leichnam  Christi,  derbe  aber  kräftig  wirkende  Malereien  im  Dekorationsstyl  der 
zweiten  Hälfte  des  18.  Jhs. 

Altar:  Mensa  in  italienischem  Stuckmarmor  mit  Rocaille Verzierung  und  achter 
Marmorplatte. 

Kanzel  nebst  Schalldeckel,  über  dem  grosser  Pelikan,  in  gleichem  Geschmack, 
ebenfalls  Stucco.  Auch  die  Orgel  weist,  geschnitzt,  die  entsprechenden  Ornamente  auf. 

Eine  achtstufige  Treppe  mit  schmiedeeisernem  Gitter  und  Gitterthür  führt  zu  dem 
ummauerten  Kirchplatz  hinauf.  (Aus  der  gleichen  Zeit.) 

Auf  dem  Friedhof:  Grabstein  mit  dem  doppelten  Wappen  der  Wurmser;  in  Roll- 
werkcartouche die  Inschrift  (in  Kapitale) : »Anno  domini  1624  den  5 Tag  Novembris 
starb  die  wohledle  und  tugendtreiche  Fraw  Maria  Eusebia  Wurmserin  deren  der  allmechtige 
Gott  am  jüngsten  Tag  in  fro  . . .«  (das  weitere  unter  der  Erde  vergraben). 

Einfacher  Grabstein  aus  dem  18.  Jh.  des  Amtsschultheissen  Christmann  Fischer. 

An  der  Ostwand  der  Kirche  der  Grabstein  Friederike  Brion’s  von  Sesenheim,  der 
Jugendliebe  Goethes,  die  ihre  letzten  Lebensjahre  hier,  bei  ihrem  Schwager,  dem  Pfarrer 
Marx  als  im  ganzen  Ort  geliebte  »Tante«  verlebte  und  1813  hier  starb.  In  hellgrauem 


Stückarbeiten 


Altar 


Kanzel 


Friedhof 

Grabsteine 


96 


KREIS  OFFENBURO. 


Ortsgeschichte 


Kapelle 


Sandstein  erhebt  sich  die  Grabstele,  aus  kranzumgebenem  Medaillon  mit  vergoldetem 
Grund  hebt  sich  in  weissem  Marmor  die  Büste  Friederikens  hervor,  darunter  die  Inschrift: 

Friederike  Brion 
von  Sesenheim  gewidmet. 

Ein  Stral  der  Dichtersonne  fiel  auf  sie, 

So  REICH,  DASS  ER  UNSTERBLICHKEIT  IHR  LIEH! 

(Verse  von  L.  Eckardt.) 

Daneben  deckt  eine  kleine  schwarze  Marmorplatte  das  Grab  der  Schwester,  mit 
dem  Dichternamen  aus:  Wahrheit  und  Dichtung  als  Olivie  (in  der  That  Maria  Salomea 
7 15.  Jan.  1807)  bezeichnet: 

Hier  ruht 

UNSTERBLICH  WIE  FRIEDERIKE 

„Olivie“ 
geb.  Brion 
von  Sesenheim 
Geb.  17+9  — Gest.  I$o7 
Wer  einem  Dichter  hold  begegnet, 

Dess’  Name  bleibt  fortan  gesegnet! 

Vergl.  dazu:  Ph.  T.  Lucius,  Friederike  Brion,  Strassburg  1878,  S.  106:  H.  Düntzer,  Fr.  von 
Sesenheim,  Stuttgart  1893,  S.  136  ff. ; Bielschowsky,  Fr.  Br.,  Breslau  1880,  S.  40:  W.  H.  Das 
Grab  der  Fr.  Br.  in  Meissenheim,  Antiquität.  Zeitschr.  VI  (1894  Nr.  13,  etc. 


MIETERSHEIM 


Schreibweisen:  Mutherisheim  763;  kop.  1457  (Fälschung);  Mötrisheim  1x08;  villa 
Möteresheim;  Mütershein  1270;  Muterzhein  14.  ]h.;  Muetershein  1450  etc.  (Heim  des 
Mötheri.) 

Archivalien.  Der  Roeder  von  Diersburg.  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894) 
S.  1 10. 

Ortsgeschichte:  M.  ist  ein  sehr  alter  Ort,  der  schon  763  (?)  mit  dem  benachbarten 
Kippenheim  dem  Kloster  Ettenheimmiinster  durch  Bischof  Heddo  geschenkt  wurde.1) 
Damals  hiess  es:  Mutberisheim.  1110  erhält  das  Kloster  S.  Peter  auf  dem  Schwarz- 
walde eine  Schenkung  in  M.  Es  gehörte  in  die  untere  Herrschaft  Geroldseck  und  wird 
häufig  in  Schenkungen  genannt.  Pleinrich  von  Geroldseck-Lahr  musste,  betheiligt  an 
dem  Ueberfalle  des  Grafen  Eberhard  von  Württemberg  im  Wildbad,  als  er  sich  mit 
demselben  aussöhnte,  sein  Lehensmann  werden  und  gab  u.  a.  Mietersheim  dem  Grafen 
auf,  um  es  als  Mannlehen  zu  bekommen.  Bei  der  Gebietstheilung  1629  kam  der  Ort 
an  Nassau  und  wurde  1803  badisch. 

Eine  kleine  Kapelle , die  in  die  Pfarrei  Dinglingen  gehört,  befindet  sich  an  der 
Hauptstrasse.  Sie  hat  einen  kleinen  Dachreiter,  schliesst  im  Achteck,  die  Fenster- 
gewände sind  hohlgekehlt,  das  hinterste  Fenster  im  Chor  hatte  einen,  jetzt  weggehauenen 
Pfosten.  Ein  Bau  des  16.  oder  17.  Jhs.  Durch  die  Tünche  im  Langhaus  schimmern 

1)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  395. 


AMT  LAHR.  — NONNENWEIER. 


97 


Apostelkreuze  durch.  Dass  am  Jakobssonntag  hier  Kirche  gehalten,  deutet  vielleicht 
auf  den  früheren  Titel.  Früher  bestand  hier  eine  eigene  Pfarrei. 

An  dem  Kellerzugang  eines  Hauses  (Nr.  12)  die  Jahreszahl  1623;  ausserdem  im  Privathäuser 
Ort  eine  Anzahl  Riegelhäuser,  leider  zum  Theil  verputzt. 


NONNENWEIER 


Schreibweisen:  Nunnewilre  1003;  Nunnenwilr  1270;  Nonnenwilr  1414 ; Nunnen- 
weyler  1426;  Weiler  der  Nonnen. 

Archivalien  der  evang.  Pfarrei:  Kirchenbücher  von  1642  an.  Mittheil.  d.  histor. 

Komm.  Nr.  15  (1893)  S.  101. 

Ortsgeschichte : Nonnenweier  ist  ein  frühe  urkundlich  vorkommender  Ort.  Kaiser  Ortsgeschichte 
Lothar  schenkte  angeblich  845  dem  Kloster  S.  Stephan  zu  Strassburg  unter  anderen 
Höfen  auch  »Nunnenwilre«.  Doch  ist  die  Urkunde  eine  Fälschung  des  11.  Jhs.  Dann 
kam  das  Dorf  an  den  Bischof  von  Strassburg,  von  dem  es  die  von  Windeck  als  Lehen 
trugen.  1316  löste  es  von  Berthold  von  Windeck  der  Bischof  wieder  aus.  Eine  Zeit 
lang  kam  es,  wohl  als  Pfandlehen,  an  die  Geroldsecker,  endlich  nach  verschiedenem 
Wechsel  wieder  an  das  Stift. ')  Später  war  es  eine  ritterschaftliche  Besitzung  der  Rath- 
samhausen,  der  Böcklin  und  der  Oberkirch  und  gehörte  bis  1806  zum  schwäbischen 
Ritterbezirk  Ortenau. 

Evang.  Pfarrkirche:  Erwähnt  1270  Johannes  rector  ecclesie;  1419  Johans  Pfarrkirche 
Wahter  Kircherre  und  Johans  Frügemesser.  1473  war  eine  Kaplanei  hier.  Die  Refor- 
mation führte  der  Strassburger  Rathsherr  Bock  im  Aufträge  des  Rathes  hier  ein.  Die 
Kirche  war  ursprünglich  eine  aus  dem  12.  sec.  stammende  Kapelle,  wie  Stöcker  schreibt, 
welche  noch  das  Langhaus  bildete  und  durch  spätere  Anbauten  vergrössert  wurde.  Leider 
fand  ich  dieselbe,  als  ich  hinkam,  glattweg  abgerissen  und  dem  Boden  gleich  gemacht. 

Nach  einer  Mittheilung,  die  ich  im  Pfarrhause  erhielt,  schloss  der  Chor  mit  grossem 
Rundbogen  an  die  Kirche  an,  die  1727  vergrössert  wurde.  An  Resten  sah  ich  noch 
einen  grossen  Sandstein,  an  dem  vorne  unten  eine  romanische  Fratze  herausgearbeitet 
war  mit  herausgestreckter  Zunge.  Der  Stein  soll  auf  der  südwestlichen  Giebelecke  des 
Langhauses  gelegen  haben.  Ausserdem  war  noch  erhalten  der  Kämpfer  eines  Bogens 
mit  Rundstab  und  weiter  die  Reste  eines  romanischen  Thürgewändes,  sowie  eines  offenbar 
später  eingefügten  Sakramentshäuschen  mit  Fischblasenmasswerk,  ein  mit  Muschel- 
ornament verzierter  Renaissance-Stein  und  eine  Quader  mit  runder  nach  vorn  sich 
erweiternder  Oefifnung.  (Siehe  Nachtrag.) 

Zwei  Grabplatten  mit  vollkommener  Ahnenprobe  in  den  zahlreichen  Wappen-  Grabplatten 
schildern:  der  Anna  Amalia  von  der  Grün  geb.  von  der  Sachsen  *J*  MDCLXXIII 
(genauer  siehe  im  Nachtrag)  und  der  des  Joh.  Christoph  von  der  Grün  J-  21.  Dezember 
MDCLXYI. 

Ein  weiterer  Grabstein,  verziert  mit  skulpirten  Guirlanden  und  Bändern  der  Christina 
Luisa  Frid.  Freifrau  von  Boecklin  zu  Boecklinsau  * 1768  J*  1799  und  ihrer  Tochter 
Luise  Francisca  Caroline  * 1799  J*  1799. 

1)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  396. 


Band  VII. 


7 


98 


KREIS  OFFENBITRG. 


Kirchengeräthe 


«Schloss« 


Riegelhäuser 

Wirthshaus- 

schilde 

Porzellanfabrik 


Ortsgeschichte 


Pfarrkirche 


Im  Norden  der  Kirche  konstatirte  man,  etwa  am  Thurm  beginnend,  von  Süden 
nach  Norden  ziehend  einen  Mauerzug,  vielleicht  von  einem  früheren  Kloster. 

Im  Pfarrhaus  ein  Kelch  aus  dem  17.  Jh.  Cuppa  Silber,  Fuss  kupfervergoldet 
mit  Fischblasen  und  Rautenornament  am  Nodus;  am  Fuss  eingravirt  das  Wappen  von 
der  Grün  und  in  Minuskelschrift:  joerg  maria.  Vier  Zinnkannen  von  »Joh.  Daniel 
Reiser  in  Lohr«.  (18  Jh.)  Seidengestickte  Altar-  und  Kanzelbekleidung  von  1770. 

Das  alte  » Schloss « derer  von  Boecklin,  jetzt  Anstalt  für  evang.  Kinderpflege,  hat 
noch  hübsche  Rocaille-Einfahrtspfosten  aus  Sandstein  und  ein  schönes  Thorgitter  mit 
dem  Wappen. 

Einige  gute  Riegelhäuser,  wie  immer  leider  auch  hier  verputzt,  stehen  im  Ort. 
Schmiedeeiserne  Wirthshausschilde  »zum  Löwen«  und  »zum  Wolf«  (?) 

Im  18.  Jh.  befand  sich  hier  eine  Pot'zellanfabrik,  die  im  Jahre  1786  von  Pfälzer, 
der  die  Fabrik  in  Dautenstein  angelegt  hatte,  gegründet  worden  und  später  als  Filiale 
der  Dautensteiner  Fabrik  weitergeführt  wurde,  aber  keine  grossen  Erfolge  erzielte.  Ein 
einziges  Stück  ist  bisher  mit  Wahrscheinlichkeit  auf  Nonnenweier  zurückzuführen. ') 


OBERSCHOPFHEIM 

(Niederschopfheim  s.  Amt  Offenburg) 

Schreibweisen:  Scopfheim  763;  kop.  1457  eine  Fälschung,  dagegen  in  Morthenania 
Scofhaim  777;  Schopfheim  1050;  Scoppheim  1179;  Schophen  1275  etc. 

In  superiore  Schopffen  1016  ist  wieder  eine  Fälschung,  zum  ersten  Mal  die 
Trennung  erwähnt  wohl  1273  (Oberschopfen)  \ in  villa  et  banus  superioris  ville  Schopf- 
heim 1291;  Obernschopfhein  1388  etc. 

Archivalien  der  Gemeinde  und  kath.  Pfarrei:  Mittheil,  der  histor.  Komm.  Nr.  15 
(1893)  S.  101;  Archiv,  der  Roeder  v.  Diersburg  ebenda  Nr.  16  (1894)  S.  in. 

Ortsgeschichte:  Ursprünglich,  wie  aus  Obigem  ersichtlich,  nur  ein  Dorf,  scheint 
dasselbe  sich  im  13.  Jh.  in  Ober-  und  Niederschopfheim  getrennt  zu  haben.  Das  Kloster 
Ettenheimmiinster  war  in  alten  Zeiten  hier  begütert,  später  das  Kloster  Schuttern,  eine 
Zeit  lang  auch  Alpirsbach,  von  1300  bis  1509,  wo  ihm  Schuttern  diese  Besitzungen 
abkaufte,  und  Gengenbach.  Der  Ort  gehörte  in  die  Herrschaft  Geroldseck,  kam  1629 
an  Baden-Baden.  (Herrschaft  Mahlberg.) 

Schon  ziemlich  früh,  im  12.  Jh.,  lernen  wir  ein  Ministerialengeschlecht  in  Schopf- 
heim kennen,  das,  solange  die  Grafschaft  der  Mortenau  bei  den  Zähringern  war,  zu 
deren  Dienstadel  gehörte.  Ihr  Siegel  zeigt  im  Schild  einen  aufrecht  stehenden,  nach 
rechts  schauenden  Vogel  mit  ausgebreiteten  Flügeln.  Am  Anfang  des  14.  Jhs.  scheint 
ihr  Mannesstamm  ausgestorben  zu  sein. 

Kath.  Pfarrkirche : ad  S.  Leodegarium  episcopum.  Im  Mittelalter  scheint  im 
Ort  selbst  nur  eine  Kaplanei  bestanden  zu  haben,  ursprünglich  verbunden  mit  dem  Hof, 
den  das  Kloster  Gengenbach  hier  besass,  während  die  vor  dem  Ort  liegende  Leutkirche 
als  Pfarrkirche  genannt  wird  (s.  unten).  Erwähnt  capella  annexa  curie,  quam  habet 

x)  Abgeb.  bei  K.  F.  Gutmann.  Die  Kunsttöpferei  des  18.  Jhs.  im  Grossh.  Baden.  S.  180. 
Ueber  die  Fabriken  ebenda  S.  165  ff. 


AMT  LAHR.  — OBERSCHOPFHEIM. 


99 


monasterium  de  Gengenbach  in  Oberschopfen ; capella  in  obem  Schopfheim  1452. 

1666  dagegen  wird  von  der  »ecclesia«  geredet,  als  Collator  der  Abt  von  Schuttern 
genannt  — Oberschopfheim  war  als  baden-badisch  katholisch  geblieben  — >>animas 
regendas  habet  ca  200;  adsunt  et  plures  haeretici«. 

Der  heutige  Bau  stammt  wohl  ganz  aus  derZeit  um  1715,  welche  Jahreszahl  über 
dem  Portal  steht.  Es  ist  eine  einschiffige  Kirche,  der  Chor  in  drei  Seiten  des  Achtecks 
schliessend,  der  viereckige  Thurm,  welcher  der  Kirche  vorgelegt  ist,  geht  in  seinen 
oberen  Stockwerken  in  das  Achteck  über  und  endigt  in  einem  Zwiebeldach.  Das 
Aeussere  der  Kirche  mit  Lisenen  etc.  gegliedert.  Das  Ganze  steht  vorzüglich  in  der 
Landschaft.  Im  Innern  einfachere  Barock-,  Hoch-  und  Seitenaltäre. 

Kirchengeräthe : Sonnenmonstranz,  theilweise  restaurirt,  mit  dem  Augsburger  Kirchengeräthe 

FT 

Zeichen  und  ^ . Zwei  reichere  und  ein  einfacher  Rocaillekelch,  Silber  getrieben,  ver- 
goldet, wieder  Augsburger  Arbeit,  die  reicheren  mit  Silberfiligran  und  Steinen  haben  die 
Meisterzeichen:  B und  I ■ C • M.  Silbergetriebene  Messkännchen  der  gleichen  Zeit. 

Einige  Kirchengewänder  des  18.  Jhs. 

Die  Glocken  sind  neu.  An  der  Kirche  Trümmer  eines  Rocaille-Grabsteins ; vor 
derselben  ein  Crucifixus,  am  Kreuzesfuss  die  Madonna,  1764  von  Franz  Werterer  und 
Elisabetha  Roderin  seiner  Ehefrau  gestiftet. 

Etwa  20  Minuten  westlich  vor  dem  Ort  die  Reste  der  Giitleulkirche  (s.  Näher  Gutleutkirche 
Ortenau  S.  41  und  Tafel  IX),  die  schon  1362  erwähnt  wird:  Kirche  zu  Lütkirche ; 
parochia  in  Ltitkilch  1366,  parocchialis  ecclesia  in  Lütkirch  1394,  und  also  im  14.  Jh. 

Pfarrkirche  war,  die  1409  dem  Kloster  Schuttern  inkorporirt  wurde.  Sie  wurde  in  dem 
spanischen  Erbfolgekrieg  mit  dem  Dorf  zerstört,  worauf  man,  wie  es  scheint,  nur  den 
Chorthurm  wiederhergestellt  und  als  Kapelle  benützt  hat,  während  das  Langhaus  in 
Ruinen  liegen  blieb.  In  den  letzten  Jahren  wurde  dasselbe  zur  Hälfte  wieder  eingedacht 
und  ausgebaut.  Von  dem  ehemals  sicher  damit  verbundenen  Siechenhaus,  das  auch 
verbrannte,  ist  heute  keine  Spur  mehr  zu  sehen. 

Die  Kirche  war  ein  einschiffiger  Bau,  mit  ziemlich  langem  Langhaus,  dem  das 
Erdgeschoss  des  Thurmes  als  Chor  diente.  Dies  Erdgeschoss  ist  mit  einem  Kreuzrippen- 
gewölbe gedeckt,  mit  trocken  profilirten  Rippen  der  Spätzeit,  die  heutigen  Fenster  sind 
nach  der  Zerstörung  eingebrochen.  Der  Thurm  selbst  ist  nur  noch  ein  Stumpf,  da  nur 
ein  Obergeschoss,  ebenfalls  nach  dem  17.  Jh.  wieder  ausgeflickt,  vorhanden  ist.  Im  Lang- 
hause die  Reste  spitzbogiger  Fenster  zum  Theil  mit  Fischblasenmasswerk,  ausserdem  noch 
die  Konsolen  sichtbar,  die  wohl  einer  Empore  gedient  haben  mögen.  Auf  der  noch 
stehenden  Fagadenwand  eine  stark  beschädigte  Kreuzblume,  in  ihr  ein  spitzbogiges  Thor. 

Der  Bau  besteht  aus  schlechtem  Bruchsteinmauerwerk  mit  Sandsteinquadern  an  den 
Ecken  und  Sandsteingewänden. 

In  dem  Chörlein  ein  ganz  wirkungsvoller  Barockaltar,  in  Verbindung  mit  den  zwei 
Seitenthtiren  zu  kleinen  Aufbewahrungsorten  für  die  Geräthe.  Hinter  dem  Altar  und 
an  der  Decke  dekorative  Barockmalereien.  Im  Jahre  1905  sind  hier  ausserdem  die 
Reste  von  Wandgemälden  aus  dem  Anfänge  des  16.  Jhs.  hervorgetreten.  An  den  ■ Wandgemälde 
beiden  Seitenwänden  des  Chores  fanden  sich  die  zweidrittellebensgrossen  Gestalten  der 
Apostel,  je  vier  auf  jeder  Seite,  der  fünfte  ist  durch  das  später  eingebrochene  Fenster 
vernichtet.  Engel  hielten  hinter  ihnen  ausgespannt  Teppiche.  Diese  Figuren  begannen 

7* 


I oo 


KREIS  OFFENBURG. 


Kruzifixe 


Ortsgeschichte 


Pfarrkirche 


etwa  i ]j2  m vom  Boden,  unter  ihnen  zog  sich  eine  Bordüre  hin,  in  der  nach  den  erhaltenen 
Spuren  auf  deutsch  in  Minuskelschrift  die  Worte  des  Credo  standen.  In  die  Kappen 
des  Gewölbes  wuchsen  leichte,  spätgothische  Ranken  empor.  Die  Gestalten  wiesen  auf 
einen  Durchschnittsmaler  vom  Anfänge  des  1 6.  Jhs.  Sie  waren  sehr  schlecht,  zum  Theil 
nur  in  wenigen  Resten  der  Umrisse  erhalten  und  wurden  1905/6  durch  den  Maler  Kolb 
aus  Offenburg  übermalt,  leider  etwas  stark.  Besser  erhalten  waren  die  Halbfiguren  der 
klugen  und  thörichten  Jungfrauen  in  halbrund  abgeschlossenen  Nischen  an  den  Laibungs- 
flächen des  Triumphbogens.  Manches,  so  die  Haartracht  und  die  Schapel,  welche  die 
Köpfe  der  klugen  Jungfrauen  schmücken,  deuten  auf  eine  vielleicht  im  1 6.  Jh.  restaurirte 
Grundlage  des  14.  Jhs.?  Erfreulicher  Weise  ist  hier  die  Uebermalung  unserer  Zeit  nicht 
so  weit  gegangen. 

In  der  Nähe  finden  sich  an  der  Strasse  noch  zwei  einfache  Kruzifixe , das  eine 
datirt  von  1779  und  ein  Bildstock  des  18.  Jhs. 


OBERWEIER 


Schreibweisen:  Obernwilire  1064;  kop.  17.  Jhs.;  Oberwilr  1350;  Obenvilre  1363; 
villa  1368  etc. 

Archivalien  der  Gemeinde  und  kath.  Pfarrei:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  15 
(1893)  S.  1 xo — 1 1 1. 

Ortsgeschichte : O.,  in  die  Kastvogtei  von  Schuttem  gehörig,  war  bambergisches 
Lehen,  und  gelangte  nach  dem  Aussterben  der  Tiersberger  Linie  an  die  Geroldsecker, 
also  erst  1 2 7 7 1)  nach  der  Theilung;  es  blieb  daher  als  ungetheilter  Besitz  beiden  Linien 
gehörig,  denen  es  allmählich  gelang,  es  in  ein  Reichslehen  umzuwandeln.  Mit  der  Hälfte 
der  Herrschaft  Lahr-Mahlberg  kam  die  eine  Hälfte,  1475  mittelst  Verkauf  durch  Diebolt 
von  Hohengeroldseck  das  eine  Viertel  der  zweiten  Hälfte  an  den  Markgrafen  Christoph 
von  Baden,  nach  dem  Aussterben  des  Geschlechts  das  letzte  Viertel  ebenfalls,  somit 
war  O.  baden-badisch. 

Das  Patronat  kam  von  den  Tiersbergern  als  Allod  an  die  Schwarzenberger ; war 
mit  der  Feste  Tiersberg  verbunden  und  wechselte  mit  dieser  die  Besitzer.  Lehen 
besassen  hier  die  Schauenburg  und  die  Brombach  und  von  den  Klöstern  der  Umgegend 
war,  seiner  Lage  gemäss,  vor  allem  Schuttern  hier  begütert.  Ein  Ortsadel  1361, 
1365  und  1370  erwähnt. 

Kath.  Pfarrkirche:  Sancti  Naboris  et  Felicis  (später  hinzu  gekommen),  heute 
S.  Michaelis.  Erwähnt  1414,  1545;  parocchialis  ecclesia  1400;  Heinrich  Esel,  der 
kirchherre  der  pfarrekirche  zu  Obenvilre  1377;  Cunrat  Pawel,  lütpriester  1413.  Durch 
die  Reformation,  die  theilweise  auch  hier  vorzudringen  versuchte,  war  die  »olirn  insignis 
parocchia«  1666  sehr  zusammengeschmolzen:  »parochiani  ibidem  sunt  numero  pauci, 
haereticorum  vero  numerus  satis  magnus«. 

Die  kath.  Pfarrkirche  ist  ein  Bau  von  1876  bis  1880.  Damals  wurden  Theile 
der  alten  Kirche  im  Fundament  vermauert.  Schon  diese  aber  soll  ein  Bau  im  Wein- 
brennerstyl gewesen  sein.  Nur  die  zwei  untersten  Geschosse  des  Thurmes  sind  in  ihrem 

x)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  397  ff. 


AMT  LAHR. 


OTTENHEIM. 


IOI 


Kern  alt,  mit  Cement  bekleidet.  Im  Erdgeschoss  Portal  im  Kielbogen  geschlossen,  mit 
sich  schneidenden  und  todt  auslaufenden  Rundstäben  auf  steilen  Basen  (natürlich  Sand- 
stein), der  Jahreszahl : ll  <5  l } i X und  dem  Steinmetzzeichen : “JT  . Kreuzgewölbe 

im  Innern  mit  einmal  hohlgekehlten  Rippen,  die  ohne  Konsolen  an  der  Wand  verlaufen, 
und  Schlussstein  mit  dem  Agnus  dei. 

Auf  dem  Friedhof  aufgestellt  der  obere  Theil  eines  verstümmelten,  naturalistischen  Crudfixus 
Crucifixus  an  baumartig  gestaltetem  Kreuz  (16.  Jh.),  an  dem  ehemaligen  Postament 
eine  verwischte  Inschrift.  An  der  Friedhofmauer  alte  Grabsteine  mit  mehrmals  wieder- 
kehrendem Streüf  von  Lawenstein’schem  und  Brombach’schem  Wappen,  deren  Inschriften 
durch  Erhöhung  des  Friedhofniveaus  zugeschüttet  wurden,  jedoch  gut  erhalten  sind. 


OTTENHEIM 

Schreibweisen:  Othenhen  845  Fälschung  d.  n.Jhs. ; Ottenheim  1016;  Oten- 
heim  1225  etc.;  Heim  des  Otto. 

Archivalien  der  Gemeinde  und  Pfarreien : Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  15  (1893) 

S.  101— 102. 

Litteratur:  Heimburger  Grammat.  Darstell,  der  Mundart  des  Dorfes  O.  Halle  1887; 

Götz,  A.,  Volkskunde  von  Siegelau,  nebst  Mittheilungen  aus  O.  Alemannia  XXV  1 — 62. 

Ortsgeschichte : In  O.  amtirte  1070  der  letzte  Gaugraf  der  Ortenau,  Luitfrid.  Ortsgeschichte 
Wie  es  an  die  Geroldsecker  kam,  ist  unbekannt.  Bei  der  Theilung  von  1277  behielt 
sich  beide  Linien  den  gemeinsamen  Besitz  von  O.  und  dem  gegenüberliegenden  Schwanau 
vor,  da  mit  beiden  Orten  die  Rheinschifffahrt  beherrscht  wurde.  Schwanau  war  eine 
mächtige  Tiefburg,  nach  den  Nachrichten  fortifikatorisch  vorzüglich  ausgestattet.  So 
wurde  denn  auch  im  Anfang  des  14.  Jhs.  Raub  und  Schädigung  der  Schifffahrer,  ins- 
besondere der  Strassburger,  Züricher  Kaufleute,  mit  Erfolg  betrieben  und  die  Gerolds- 
ecker standen  diesem  Treiben  nicht  fern.  Das  wurde  schliesslich  so  arg,  dass  die  Strass- 
burger mit  ihren  Verbündeten  vor  die  Burg  zogen,  nach  langwieriger  Belagerung  sie 
eroberten  und  dem  Erdboden  gleich  machten.  Damit  war  auch  die  Bedeutung  des  auf 
der  andern  Seite  liegenden  Ottenheim  dahin.  1481  ging  die  der  Linie  Hohengeroldseck 
gehörige  Hälfte  erst  pfandweise,  dann  1503  als  Eigenthum  an  Baden  über,  während  die 
andere  Hälfte  bei  der  Theilung  von  1629  der  Herrschaft  Mahlberg  zugewiesen,  ihm 
ebenfalls  zufiel.  O.  war  also  baden-badisch.  Unter  den  Geroldseckischen  Vasallen  hatte 
Hans  Truchsess  verschiedene  Güter  hier.  Ein  Ortsadel  wird  erwähnt  1256,  1288 
und  1317. 

Simultankirche  (ad  s.  Gallum).  Ecclesia  erwähnt  1136,  Johannes  dictus  ad  Simultankirche 
Angelum  quondam  rector  ecclesie  in  Otenhein  1296  ; Walramus  de  Veldencze,  canonicus 
eccl.  Arg.  et  rector  eccl.  de  Otenheim  1311.  Bald  aber  hatte  Ottenheim  zwei  Pfarr- 
kirchen, zwei  Pfarreien  und  zwei  Pfarrherren.  Die  erste  Erwähnung  derselben  geschieht 
1326,  wo  ein  Acker  »bi  der  nuwen  kirchen«  angeführt  wird2),  dann  1422  bei  der 

*)  Hertzog,  Edelsasser  Chronik  (1 592)  S.  108  ff.  Zimmer’sche  Chronik  Ed.  Barack  I.  365. 

Strobel,  Gesch.  d.  Elsasses  II  199  ff.  Badenia,  Alte  Folge  II  301. 

2)  Ruppert,  a.  a.  O.  403. 


102 


KREIS  OFFENBURG. 


Ablösung  einer  Gült  von  »der  alten  kirchen  in  Ottenheim«.  1419  erfahren  wir  von 
Johans  Bromber,  Kircherre  zu  Altenotenheim,  1452  von  den  »kylichherren  der  zweyer 
Pfarrkirchen  zuo  Otenheim«  oder  auch  von  den  »herren  Thoman  und  herren  Johannes« 
kilchherren  und  lutpriester  der  zweier  Pfarrkirchen  zu  Ottenheim.  Am  Anfänge  des 
16.  Jhs.  aber  ging  die  alte  Kirche  ein,  auf  die  Gründe  deutet  die  Notiz:  »Wilhelmus 
episcopus  Arg.  ius  parochiale  apud  ecclesiam  vetus  Ottenheim  nuncupatam,  quia  timetur 
propediem  eandem  ecclesiam  ex  vi  fluminis  Rheni  demoliri,  ad  ecclesiam  Ottenheim 
nova  dictam  transferimus  1509«.1)  Mit  der  ehemaligen  Existens  zweier  Kirchen  hängt 
es  wohl  zusammen,  dass  1692  als  »patronus  coeli  S.  Johannes  Baptista«  genannt  wird, 
1699  S.  Dionysius  Ep.  et  mart.  und  später  im  18.  Jh.  der  h.  Gallus.2)  Das  Patronat 
stand  dem  Kloster  Schuttern  zu;  wie  gewöhnlich  ward  dann  auch  Ottenheim  inkorporirt, 
was  1401  durch  Papst  Bonifaz  bestätigt  wurde.  Schuttern  besetzte  nun  die  (eine?)  Pfarrei 
mit  ständigen  Vikaren.  — Auch  hier  fand  die  Reformation  bald  Eingang  und  in  jener 
Notiz  von  1692  (s.  o.),  in  der  auch  als  collator  et  decimator  domnus  marchio  Badensis 
genannt  wird,  heisst  es:  »animas  habet  ca  50,  reliqui  sunt  haeretici«.  Da  die  Herrschaft 
aber  katholisch  war,  so  blieb  die  Kirche  den  Katholiken,  bis  sie  1765  zum  Simultan- 
gebrauch bestimmt  wurde. 

Der  heutige  Bau  stammt  in  den  Untertheilen  des  als  Chor  dienenden  Thurmes 
aus  älterer  Zeit,  im  Langhaus  von  1771.  Der  Thurm  weist  unten  Spitzbogenfenster  aut 
mit  theils  noch  vorhandenem,  theils  herausgebrochenem  Masswerk,  welches  ebenso 
wie  die  Profilirung  der  Laibungen  schon  auf  das  späte  16.  wenn  nicht  17.  Jh.  deutet,  im 
zweiten  Geschoss  Lichtluken,  im  dritten  Rundbogenfenster,  die  er  einer  Restauration 
i.  J.  1791  zu  verdanken  hat.  Sein  Mauerwerk  besteht  aus  Bruchsteinen  mit  Sandstein- 
quadern an  den  Ecken.  Das  schlichte  Langhaus  weist  Rundbogenfenster  auf  und  ein 
einfaches  Barockportal  mit  dem  Datum  1771. 

Im  Innern  hat  der  Thurm  unten  ein  Sterngewölbe  mit  trocken  profilirten  Rippen 
ohne  Konsolen  und  unverziertem  Schlussstein.  Eine  Thür  mit  geradem  Sturz,  sich 
kreuzendem  Stabwerk  auf  steilen  kleinen  Basen  führt  zur  Sakristei,  die  mit  zwei 
Kreuzrippgewölben  (ohne  Konsolen)  mit  geradem  Scheitel  bedeckt  ist.  — Das  Langhaus 
zeigt  ein  Spiegelgewölbe  mit  einschneidenden  Kappen  auf  schlanken  Pilastern.  An  der 
Decke  ein  Gemälde  der  Himmelfahrt  des  seeligen  Bernhard,  gut-dekorative  Malerei 
von  Morathi,  in  kleineren  Bildern  die  Sinnbilder  Christi,  dann  die  Weihe  eines  Bildes 
durch  den  Markgraf  Georg  August  und  endlich  die  Seeligsprechung  Bernhards,  die 
eben  damals  geschehen  war. 

Altäre  In  der  Kirche  drei  Altäre  mit  Altarbildern,  eine  Kanzel  und  Orgel,  von  1773 

K '''rau'fstem1  '*  in  dem  üblichen,  wirksamen  Rocaillegeschmack.  Ein  Taufstein,  verziert  mit  Beschläg- 
ornament  von  1630,  renovirt  1771. 

docken  Die  vier  Glocken  stammen  aus  der  Edel’schen  Giesserei  in  Strassburg  und  zwar 

die  grösste  von  1777,  dem  h.  Gallus  geweiht,  eine  von  1750,  eine  kleine  von  1791 
(h.  Sebastian)  und  die  vierte,  deren  Jahreszahl  ich  nicht  beikommen  konnte. 

Kirchengerathe  Kirch engeräte : Silber  getriebener  vergoldeter  Rocaillekelch  ohne  Zeichen,  des- 

gleichen gravirt  und  getrieben  im  Uebergang  zum  Zopfstyl,  wohl  nach  1771,  und  ganz 

x)  Krieger  II  S.  451.  — Ruppert  S.  403  meint,  die  Rechte  der  einen  Pfarrei  seien  1509 
auf  die  neu  errichtete  Kirche  in  Almersweiler  transferirt  worden  ; also  wohl  die  der  neuen  Kirche. 

2)  Stöcker  a.  a.  O.  S.  162. 


AMT  LAHR.  — PRINZBACH. 


I03 


schlichter  aus  dem  17.  Jh.  Aus  dem  18.  Jh.  (nach  1771?)  die  silbergetriebene,  vergoldete 
übliche  Sonnenmonstranz  ohne  Zeichen  und  die  Kreuzpartikel. 

An  der  Nordwand  der  Kirche  Empir z-Epitaph  des  Joh.  Ant.  Ed.  Sartori  Pfarrer 
•j-  14.  Dez.  1807  und  vor  der  Kirche  grosser  Crucifixus  mit  Maria  und  Johannes,  derbe 
Arbeit  von  1740. 

Kath.  Pfarrhaus  von  1749  bezw.  1782,  schlichter  Bau. 


PRINZBACH 

Schreibweisen:  Bmnsebach  1270;  Brunspach  1367;  Brünsebach  1368;  Printzbach 
1493;  Brinspach  16.  Jh. 

Archivalien  der  Gemeinde  und  Pfarrei:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  15  (1893) 
S.  102. 

Ortsgeschichte : Die  Sage,  für  die  aber  nicht  die  geringsten  Anhaltspunkte  vor- 
handen sind,  erzählt  von  einer  römischen  Stadt  und  römischen  Silberbergwerken,  auch1) 
von  einem  Fund  römischer  Münzen  von  Hadrian  und  seinen  Nachfolgern.  Wenn  letzteres 
wohl  nicht  undenkbar  ist,  so  beweist  es  doch  nichts  für  das  Erstere,  ja,  könnte  geradezu 
der  Ursprung  der  Sage  sein.  Wie  es  scheint,  sind  Erwähnungen  des  Ortes  vor  dem 
13.  Jh.  nicht  zu  konstatiren.  Erst  aus  dieser  Zeit  finden  sich  denn  auch  Nachrichten 
über  die  während  einer  kurzen  Periode  ergiebigen  Silberbergwerke,  die  offenbar  die 
Hauptquelle  für  Walters  II.  Macht  und  Reichthum  gewesen  sind. 2)  Möglich,  wie 
Ruppe rt  bemerkt,  dass  in  dem  spärlich  bewohnten  Thal  sich  daraufhin  die  Zahl  der 
Ansiedler  mehrte,  aber  eine  Stadt  war  P.  nie.  Die  aus  verschiedenen  Gründen  unmög- 
liche Notiz  Kolb’s3),  dass  die  Stadt  (!)  Prinzbach  i.  J.  1008  (sic!)  am  Charfreitage  von 
den  Freiburgern  überfallen  und  geplündert,  die  Schmelzöfen  und  Münzwerkstätten  aber 
zerstört  worden  seien,  mag  vielleicht  auf  ein  ähnliches  Vorgängniss  im  13.  Jh.  im 
Zusammenhang  mit  der  Gefangennahme  Walters  durch  den  Grafen  von  Freiburg  zurück- 
zuführen sein.4)  Dass  bei  der  Theilung  1277  Prinzbach  wie  alles  Land  ostwärts  der 
Bischofsmühle  in  den  Besitz  Heinrichs  von  Geroldseck -Veldenz  kam  und  die  Lahrer 
Linie  sich  nicht  den  Mitbesitz  sicherte,  wie  seinerseits  Heinrich  an  dem  in  ihrem  Theil 
gelegenen  Schwanau,  könnte  meines  Erachtens  darauf  hindeuten,  dass  die  Bergwerke 
erschöpft  waren  und  man  ihnen  keinen  Werth  mehr  beilegte.  Später  hat  man  ver- 
schiedentlich nach  Silber  wieder  gesucht,  aber  ohne  grossen  Erfolg,  weder  bei  den 
Nachforschungen  durch  Bischof  Friedrich  von  Blankenheim5)  (1375  bis  1393),  noch  als 
Pfalzgraf  Friedrich  i486  die  Herrschaft  erobert  hatte  und  nach  Silber  oder  Blei  suchen 
liess.  Es  werden  erwähnt  1496  »zwo  gruben  mit  namen  sant  Mauricius  fundtgrub  im 

4)  Kolb  III  73  und  Berstett  Münzgesch.  p.  171. 

2)  Anhaltspunkte  dafür  hat  Ruppert  (S.  247)  gefunden  in  Richerius  Senon.  und  in  den 
Colmarer  Annalen,  die  z.  J.  1257  bemerken:  »In  Brusbach  monte  Brisgaudie  inveniebant  argentum 
in  magna  quantitate«. 

s)  Kolb  III  74. 

4)  Wie  Ruppert  wohl  mit  Recht  vermuthet,  der  die  früheste  Notiz  darüber  (S.  247)  in  einem 
Kopialbuch  des  XVI.  Jhs.  gefunden  hat,  das  sie  einem  alten  Messbuche  entnommen  haben  will. 

5)  Königshofen  Deutsche  Städtechroniken.  Strassburg  1679.  Mone  Quellensammlung  I 

S.  267. 


Epitaph 


Kath.  Pfarrhaus 


Ortsgeschichte 


Pfarrkirche 


Ausstattung 


Glocken 


Kirchen  geräthe 


I04  KREIS  OFFENBURG. 

Brunspach  und  sant  Lendlins  grub  im  Emellspach«.  J)  1530  waren  in  Prinzbach  drei 
Gruben  in  Betrieb,  im  Emersbach  und  im  Harmersbach  je  eine  und  Markgraf  Philipp 
von  Baden  gerieth  mit  Gangolf  von  Hohengeroldseck  wegen  deren  Verleihung  in  Streit. 
Der  Ertrag  war  jedenfalls  nicht  gross,  denn  man  hört  kaum  mehr  etwas  davon.  Kolb 
berichtet  zwar,  dass  1790  noch  das  Silber-  und  Bleiwerk  Marianna  im  Betrieb  war. 
Man  will  in  unserer  Zeit  beim  Kellerbau  des  Zimmermann  Josef  Rosenthal  noch  das 
frühere  »Stadt «pflaster  gefunden  haben,  ebenso  den  Eingang  zu  dem  früheren  Bleiberg- 
werk, endlich  sollen  noch  Reste  einiger  »Stadt«mauern,  Theil  vom  Erdwall,  Stadtgraben1) 
gefunden  worden  sein.  Bis  auf  geringe  thatsächliche  Gemäuerreste  (s.  unten)  unkontrollir- 
bare  Nachrichten.  Prinzbach  hatte  mit  der  ganzen  Herrschaft  Hohengeroldseck,  bei  der 
es  verblieb,  1485  die  Verwüstungen  durch  den  Pfalzgrafen  zu  erleiden.  Mehrere  Jahre 
nachher  noch  waren  die  Einwohner  nicht  im  Stande,  ihre  Steuern  zu  entrichten.  1670 
kam  neues  Unheil,  der  Ort  wurde  durch  die  Franzosen  unter  Crequi  verbrannt.  1819 
wurde  er  badisch. 

Ein  Ritter  Johannes  von  Schutterthal,  Lehensmann  der  Geroldsecker,  hatte  um  1350 
in  P.  seinen  Wohnsitz,  ausserdem  werden  im  14.  Jh.  verschiedene  Edelknechte  von  Pr. 
erwähnt. 

Die  kath.  Pfarrkirche:  Ad  S.  Mauritium.  1291  einWaltherus  clericus  de  Brunse- 
bach  genannt,  1464  ein  rector  ecclesie.  Die  Collatur  sowie  der  Zehnten  gehörten  von 
altersher  zu  Hohengeroldseck,  daher  wird  der  Besitznachfolger  »praenobilis  liber  baro 
de  Leuen«  1699  als  »collator  et  simul  decimator«  genannt. 

Der  heutige  Bau  ist  im  Wesentlichen  einer  Wiederherstellung  nach  der  letzten 
Zerstörung,  also  Ende  des  17.  oder  im  18.  Jh.  zuzuschreiben.  Ein  einschiffiges  Lang- 
haus mit  östlichem  Thurm,  der  wie  üblich  als  Chor  dient.  Dieser  Thurm  Bruchstein- 
mauerwerk mit  Sandsteinquadern  an  den  Ecken,  hat  an  diesen  schwach  hervortretende 
Strebepfeiler;  an  deren  südöstlichstem  eingeritzt  die  Linien  einer  Sonnenuhr.  Während 
er  im  Süden  ein  späteres  gradsturziges  Fenster  mit  abgefastem  Gewände  aufweist,  ist 
das  östliche  ein  doppeltes  Spitzbogenfenster  mit  nach  Innen  kurzer,  nach  Aussen  sehr 
starker  Abschrägung.  Die  noch  viereckigen  Geschosse  darüber  haben  schmale  Licht- 
luken, der  Thurm  endigt  in  einem  achteckigen  Geschoss  aus  Riegelwerk  und  dessen 
Bedachung  aus  dem  18.  Jh.  Im  Erdgeschoss  ein  Kreuzgewölbe  mit  plumpen  Rippen 
auf  merkwürdig  primitiven  achteckigen  Konsolen.  Der  Schlussstein  zeigt  das  Lamm 
Gottes  und  weist  auf  spätgothische  Zeit.  Der  Chor  öffnet  sich  in  gedrücktem  Spitzbogen, 
der  auf  spätgothischen  Kämpfern  aufsitzt,  gegen  das  schlichte  Langhaus;  die  Fagade 
öffnet  sich  in  gradsturziger  Thür,  darüber  Oculus  und  Spitzbogenfenster. 

Der  Taufstein  mit  gebauchtem  Fuss  und  muschelartig  verzierter  Cuppa  stammt  aus 
dem  16.  bis  17.  Jh.;  ebenso  ein  Weihwasserstein  am  Nordportal.  Die  Altäre  sind  im  üb- 
lichen Barockstyl,  die  Kanzel  dagegen  schon  Louis  XVI.  mit  den  Reliefs  der  Evangelisten. 

Drei  Glocken  sind  neu,  die  vierte  von  1765,  also  wohl  aus  der  Edel’schen  Giesserei. 

In  unserm  Jahrhundert  hat  die  Kirche  eine  Erneuerung  ihrer  Bedachung  erfahren. 

Zwei  silbervergoldete  Kelche , der  eine  von  1750  mit  Augsburger  Zeichen,  zwei 
schlichte  Empire-Kelche,  entsprechendes  Versehkreuz  und  übliche  Sonnenmonstranz, 
Kupfer,  versilbert  und  vergoldet  mit  Rocailleornamenten. 


*■)  Krieger  II  503. 


AMT  LAHR.  — REICHENBACH.  I05 

Vor  der  Kirche  Crucifixus  mit  Magdalena,  Sandstein,  1762  gestiftet  von  Maria 
Magdalena  Steigerin.  Der  Friedhof  hat  alte  Ummauerung  mit  abgeschrägten  Deckplatten. 

Fünf  Minuten  östlich  der  Kirche  Reste  eines  alten  Mauerzuges,  etwa  zwanzig 
Schritte  langes,  ziemlich  regelmässiges  Granit-Bruchsteinmauerwerk ; ausserdem  glaubt 
man  noch  die  Anlage  eines  Grabens  zu  entdecken. 

An  dem  gegenüber  der  Pfarrei  gelegenen  Hause  Brunnensäule  mit  Menschen- 
fratze als  Ausfluss.  Diese  Fratze  mit  merkwürdig  stylisirtem  Haar  könnte  noch  romanischen 
Zeiten  nahe  stehen. 


REICHENBACH 


Schreibweisen:  Richenbach  cum  vallibus  suis  scilicet  Diezzen  et  Weiler  1270; 
Richembach  1466;  Langenrichenbach  1322  und  1476;  zu  Richenbach  unden  im  dorff 
16.  Jh. 

Archivalien  der  Gemeinde  und  (kath.)  Pfarrei:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  15 
(1893)  S.  102;  Archiv  der  Röder  von  Diersburg;  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16 
(1894)  S.  96. 

Ortsgeschichte : Ruppert  sieht  irriger  Weise  in  dem  R.,  das  in  dem  Schirmbrief 
Innocenz  II.  von  1139  ftü  das  Kloster  Gengenbach  erwähnt  wird,  das  Dorf  bei  Lahr. 
Dieses  scheint  zum  ersten  Male  (s.  oben)  1270  erwähnt  zu  werden.  Bei  der  Theilung 
kam  es  zur  Grafschaft  Hohengeroldseck  zur  Hälfte,  während  die  eine  Hälfte  als  Zu- 
behörde zu  Schloss  Tiersberg  und  Allod  die  Geschicke  des  Schlosses  theilte,  1466  als 
badisches  Pfandlehen  bei  den  Rödern  war,  durch  einen  gemeinsamen  Vogt  dieser  und 
der  Geroldsecker  verwaltet  wurde  (gegenseitige  Freizügigkeit  bestand)  etc.1)  Es  machte 
die  Schicksale  der  Hohengeroldsecker  mit  und  wurde  18x9  erst  badisch. 

Kirche  (h.  Stephan):  ecclesia  Rychenbach  apud  castrum  Geroltzecke  1332;  sännet 
Steffins  (sic)  der  heilige  und  die  Kirche  Richenbach  etc.  Das  Patronat  hatte  schon  1289 
hier  das  Kloster  Gengenbach.  Die  Pfarrei  wurde,  wie  es  scheint,  im  Anfänge  des  16.  Jhs. 
dem  Kloster  inkorporirt.  1666  erscheint  als  collator  et  decimator  ecclesiae  d.  comes 
de  Gerolzeck  und  es  wird  weiter  berichtet,  dass  es  damals  1200  Seelen  zählte.  Der 
heutige  Bau  ist  vollständig  neu. 

Auch  das  Schlösschen  im  Weilerthal  ist  spurlos  verschwunden.  Es  war  als  Gerolds- 
eckisches  Mannlehen  ein  Sitz  verschiedener  kleiner  Adeliger.2)  In  den  Kämpfen  dieser 
mit  dem  Pfalzgrafen  wurde  es,  um  letzterem  keinen  Stützpunkt  zu  geben,  von  Diebold 
von  Hohengeroldseck  selbst  verbrannt. 

Im  Ort  eine  stattliche  Reihe  malerische  Riegelhäuser,  in  ihrer  Gesammtheit  gut 
wirkend. 

Am  Südausgang  des  Ortes  ein  Kruzifix  von  1756  und  in  der  Nähe  der  Kirche 
ein  kleines  Bildstöckle  des  18.  Jhs. 


Mauer 


Brunnensäule 


Ortsgeschichte 


Kirche 


Schlösschen 


Riegelhäuser 


Kruzifix 


1)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  406. 

2)  Ebenda. 


io6 


KREIS  OFFENBURG. 


SCHÖNBERG 

Schreibweisen:  am  Schünberg  1444;  Schyberg  1476;  Schymberg  1496;  Schyn- 
berg  1522;  auf  dem  Schimperg  1530. 

Der  Zinken,  der  nur  wenige  Häuser  enthält,  gehörte  zur  Grafschaft  Geroldseck 
und  wurde  1819  badisch. 

Das  Gasthaus  »Zum  Löwen«  aus  dem  16.  Jh.,  laut  Jahreszahl  1732  im  18.  Jh. 
umgebaut,  hat  im  Innern  spätgothische,  gebauchte  Holzstützen  des  grossen  Durchzugs- 
balken mit  schachbrettartiger  Verzierung  am  Gebälkstück. 

Ihm  gegenüber  liegt  die  (s.  Fig.  52): 


RUINE  HOHENGEROLDSECK 


Fig.  52.  Die  Ruine  Hohengeroldseck  ( Schönberg). 


Schreibweisen:  castrum  Gerolteshecke  1139;  kop.  1276;  Geroltseck  1228;  Gerols- 
eke  1253;  Geroltsecke  1260  etc.  Hochengeroltzeck  1449;  zuo  der  hochen  Geroltzeckh 
1487;  Hoengeroltzeck  1504.  Steyn  Geroltzeck  1500.  (Eck  des  Gerolt.) 

Litteratur : Fr.  Gessler,  Hohengeroldseck.  Sage  und  Dichtung.  Lahr,  Schauen- 
burg 1887.  — Krieg  von  Hochfelden,  Ueber  die  alte  Befestigung  der  Burg  Hohen- 
geroldseck in  Mo  ne ’s  Bad.  Archiv  II  S.  307.  — Näher,  Ortenau  S.  14  ff.  und  'I’afel  III. 
— N.  Nickles,  Das  röm.  Ehl,  Hohenburg  und  Hohengeroldseck,  nebst  den  Sagen 
dieser  Gegend.  Abdr.  a.  d.  elsäss.  Samstagsblatt.  Mülhausen,  Rissler  1866.  - — Ruppert 
a.  a.  O.  S.  3 u.  284  ff.  — Schulte  vom  Brühl,  Hohengeroldseck.  Bad.  Volkserzählung. 
Lahr,  Schauenburg  1893.  — Oskar  Schwebel,  Die  Geroldsecker  und  ihre  Burgen. 
Vom  Fels  zum  Meer  1888/89,  Heft  12.  — Alfr.  Siefert,  Eine  Wanderung  von  Lahr 
nach  den  Ruinen  Hohengeroldseck  und  Lützelhart.  Lahr  1890.  — Ders.,  Die  Sage 
von  Walter  von  Geroldseck  und  Diepolt  von  Lützelhardt.  Lahr,  Geiger  1895.  — Ders., 
Ursage  von  Hohengeroldseck.  Lahr  1895.  — C.  A.  Wo  11,  Genealogie  und  Besitzungen 
der  Reichsgrafen  von  der  Leyen.  Pfälz.  Mus.  IX  31 — 32,  40 — 42.  A.  Siefert,  Burg 
Hohengeroldseck  etc.  Burgwart,  II.  Jahrg.,  S.  25  ff. 


*)  Die  Litteratur  ist  hier  nur  soweit  angegeben,  als  sie  das  Schloss  selbst  betrifft,  da  die 
Geschichte  der  Dynasten  und  ihrer  Herrschaft  in  der  Einleitung  gegeben  ist  mit  den  Litteraturangaben. 


AMT  LAHR.  — SCHONBF.RG.  (RUINE  HOHENGEROLDSECK.) 


107 

Ansichten:  Federzeichnung  von  Grimmeishausenf?)  in  den  Akten  des  30jährigen  Ansichten 
Krieges  im  Reichsarchiv  zu  München  (s.  Fig.  53).  - — Ansicht  des  .Schlosses  H.  von  1645 
o.  O. (?)  — Aus  dem  19.  Jh.  in  Badenia  II,  1840;  in  Näher,  Ortenau,  Tafel  III;  ebenda 
Grundriss,  ein  solcher  auch  in  Mones  Bad.  Archiv  II  (zu  dem  Aufsatz  Kriegs  v.  H.) 
v.  J.  1693,  aufgenommen  von  dem  österr.  Genieoffizier  Boulaincourt. 

Geschichtliches:  Es  ist  nicht  die  Aufgabe  dieses  Abschnittes,  die  Geschichte  der  Geschichtliches 
Geroldsecker  zu  erzählen,  da  dies  in  der  Einleitung  zu  dem  Bande  in  Verbindung  mit 
der  gesammten  Geschichte  der  Mortenau  geschehen  ist.  Nur  diejenigen  Vorgänge  und 
Thatsachen  sollen  hier  rekapitulirt  werden,  die  geeignet  sein  könnten,  ein  Licht  auf  die 
Baugeschichte  des  Schlosses  zu  werfen. 

Urkundliche  Nachrichten,  welche  über  das  11.  Jh.  hinaufreichen,  haben  wir  von 
den  Geroldseckern  nicht.  »1035  wird  ein  Herimannus  advocatus  aecclesiae  in  Burcheim« 
erwähnt,  der  möglicherweise  — auch  Krieger  scheint  es  für  wahrscheinlich  zu  halten  — 
dem  Geschlecht  angehörte,  dann  wird  ein  Waltherus  de  Geroldsecca  im  Cod.  Hirsaug.  26 
genannt,  der  etwa  von  1061  bis  1105  gelebt  haben  muss.  1141  hören  wir  von  »Otto 
et  Burchardus  de  Geroldisecco«,  die  aber  wohl  dem  elsäss.  Geschlecht  angehörten  (?). 

Die  Burg  wird  erwähnt  zum  ersten  Male  1139  in  dem  Schirmbrief  Innocenz  II.  für  das 
Kloster  Gengenbach.  Wir  dürfen  also  annehmen,  dass  im  xi.  und  12.  Jh.  das  Geschlecht 
bereits  seinen  Hauptsitz  auf  der  späteren  Burg  gehabt  hat,  die  damals  schon  im  Mittel- 
punkt der  noch  bedeutend  kleineren  Besitzungen  gelegen  haben  mag.  Häufiger  treten 
die  Mitglieder  dann  mit  Beginn  des  13.  Jhs.  hervor,  wir  hören  von  einem  Heinri- 
cus  1218,  von  einem  Burchardus  1232  und  von  »B.  et.  B.  de  Geroltsecke«  1236.  Erst 
mit  Walter  II.  aber,  dem  Vater  des  gleichnamigen  Bischofs  von  Strassburg,  dem  Erbauer 
der  Tiefburg  in  Lahr  und  des  Stiftes  Lahr  gewinnen  wir  einen  sicheren  Boden.  Zu  seinen 
Lebzeiten  lieferten  die  Silber-  und  Bleigruben  bei  Prinzbach  jene  reichen  Erträgnisse, 
die  die  Grundlage  seiner  Macht  bildeten,  offenbar  der  grössten,  wie  sie  nie  vorher  und 
nachher  mehr  ein  Geroldecker  besessen.  Aber  in  demselben  Augenblick,  in  dem  der 
Gipfelpunkt  erstiegen  war,  begann  auch  schon  das  Sinken.  In  den  Krieg  des  genannten 
Bischofs  mit  der  Stadt  Strassburg  verwickelt,  erlitten  sie  schwere  Wunden.  Dazu  kam  die 
Theilung  1277  zwischen  den  Enkeln  Walters  II.,  Heinrich  und  Walter,  welche  Lahr  bekamen, 
und  ihrem  Oheim  Heinrich  von  Geroldseck-Veldenz,  der  alles  Land  ostwärts  der  Bischofs- 
mühle (in  der  Mitte  des  Weges  zwischen  Lahr  und  Kuhbach)  und  somit  auch  die  Stamm- 
burg erhielt,  sowie  das  württembergische  Sulz.  Er  scheint  sich  mehr  auf  den  ihm  durch 
seine  (zweite?)  Frau  zugefallenen  niederrheinischen  Besitzungen  und  in  den  schwäbischen 
Landen  aufgehalten  zu  haben,  als  in  dem  alten  Erbsitz  seines  Geschlechtes. *)  Von  seinen 
Söhnen  bezw.  Nachkommen  stammen  die  zwei  Linien  Hohengeroldseck  und  Sulz, 
während  die  Kinder,  welche  die  Veldenzer  Länder  erhielten,  sich  Grafen  von  Veldenz 
nannten,  doch  hatten  sie  auch  ein  Erbrecht  auf  die  Geroldseckische  Hinterlassenschaft. 

Es  waren  die  Zeiten  der  äussersten  Verwirrung  Deutschlands  durch  die  Kämpfe  um 
die  Kaiser-  bezw.  Königskrone  und  die  Familie  Heinrichs  I.  wurde  aufs  lebhafteste 
mit  hineingezogen.  Und  zwar  stehen  die  verschiedenen  Mitglieder  dabei  in  schärfstem 
und  merkwürdigstem  politischem  Gegensatz.  Als  dann  Albrecht  von  Oesterreich  siegte, 
da  konnten  die  auf  seiner  Seite  stehenden  Veldenzer  ihre  Erbansprüche  wirksam 


*)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  108  ff. 


io8 


KREIS  OFFENBURG. 


vertreten  und  es  kam  zu  einem  Vertrag  mit  den  andern  Nachkommen  Heinrichs  I. 
Im  Laufe  des  14.  Jhs.  aber  verloren  die  Veldenzer  allmählich  ihren  Besitzantheil.  Was 
die  Genealogie  der  Sulzer  und  Geroldsecker  Linie  betrifft,  so  ist  hier  Verschiedenes 
noch  unklar.1)  Es  ging  ihnen  indess  genau  wie  ihren  Lahrer  Vettern,  in  innern 
Zwistigkeiten  und  äusseren  Kämpfen  rieben  sie  sich  auf,  jeder  Vater  hinterliess  seinen 
Söhnen  eine  grössere  Schuldenlast,  Verkauf  folgte  auf  Verpfändung.  Der  Landvogt 
Hermann  2)  war  zwar  durch  seine  Gemahlin  Uta  von  Tübingen  in  ein  verwandtschaft- 
liches Verhältniss  zu  König  Rudolf  getreten  und  hatte  daher  auch  von  diesem  ver- 
schiedene Reichslehen  erhalten.  Er  starb  aber  bald,  noch  ehe  sein  Sohn  Walter 
mündig  geworden.  Dieser  war  mit  einer  Anna  von  Fürstenberg  verheirathet.  Er 
hatte  wegen  der  Erbansprüche  der  Veldenzer  verschiedene  Schwierigkeiten  zu  bestehen. 
Sein  Sohn  Walter  ist  dann  jener  »böse  Geroldsecker«,3)  der  von  der  Veste  Schwanau 
aus  die  Rheinfahrer  ausplünderte  und  schliesslich  den  Feldzug  der  Strassburger  und 
ihrer  Verbündeten  1333  gegen  diese  veranlasste,  welcher  sich  auch  über  den  Rhein  aus- 
dehnte, Schuttem  in  Flammen  setzte  und  gewiss  viel  Elend  über  die  Grafschaft  brachte. 
Sein  Sohn  Walter  (IV.)  scheint  verhältnissmässig  friedliche  Zeiten  gehabt  zu  haben.  Ein 
Neffe  4)  von  ihm  Namens  Walter  scheint  sich  an  den  Kämpfen  Erzherzogs  Leopold  von 
Oesterreich  in  der  Schweiz  betheiligt  zu  haben.  Unter  seinen  Söhnen  aber  Georg  und 
Heinrich  brach  ein  heftiger  Bruderzwist  aus,  der  schliesslich  1370  zu  einer  Theilung 
ihrer  Lande  führte  und  da  erfahren  wir  denn  auch  von  der  Stammburg,  dass  Heinrich 
das  »vorder  Huss«  erhielt,  Georg  das  »hinder  Huss«.5)  Da  sie  an  dem  Ueberfall  des 
Grafen  Eberhard  von  Württemberg  im  Wildbad  beteiligt  gewesen  waren,  so  richtete  sich 
derselbe  auch  gegen  sie  und  nötigte  sie,  Heinrich  und  Georg,  1375  und  1377  ihm  die 
Oeffnung  zu  Geroldseck  zu  verschreiben.6)  Georg  starb  ohne  Erben  und  damit  fiel  die 
ganze  Herrschaft  Hohengeroldseck  wieder  an  Walter,7)  seines  Bruders  Sohn  von  einer 
Ochsenstein,  der  mit  einer  Elisabeth  von  Lichtenberg  verehelicht  war,  von  welcher  er 
fünf  Söhne  und  zwei  Töchter  hatte.  Er,  der  i43z(?)  gestorben  ist,  hat  wie  es  scheint  noch 
einmal  eine  gewisse  Rolle  gespielt  auf  dem  Konstanzer  Konzil.  Dann  aber  brach  wieder 
der  Verwandten-  und  Bruderzwist  in  dem  Hause  aus,  die  Söhne  Diebold  und  Heinrich 
empörten  sich  gegen  den  Vater,  der  bei  Heinrich  von  Fürstenberg  Zuflucht  suchte. 

Unterdess  war  1427  der  Mannesstamm  der  Lahrer  Linie  ausgestorben  und  die 
Besitzungen  derselben  kamen  an  die  Mörs-Sarwerden,  wogegen  nun  die  Hohengerolds- 
ecker  protestirten,  insbesondere  Diebold,  der  die  Wittwe  des  früh  verstorbenen  Erbsohnes 
des  letzten  Lahrers  zur  Gattin  hatte.  Bei  dem  Krieg  stand  aber  Walter  V.  mit  seinen 
Söhnen  Johann  und  Georg  gegen  die  anderen  Söhne,  wobei  es  ihm  gelang,  die  Stammburg 
zu  erobern.  Endlich  1434  nach  langem  verderblichen  Kriege  kam  es  zu  einer  Einigung 
und  einer  neuen  Theilung  zwischen  den  übrig  gebliebenen  Brüdern  Diebold,  Georg  und 
Hans.  Die  Urkunde  darüber  ist  für  das  Schloss  wieder  wichtig.8)  Danach  sollte  Diebold 

*)  Kindler  v.  Knobloch,  Oberbad.  Geschlechterbuch  I S.  433  ff. 

2)  Ich  folge  hier  im  Wesentlichen  Ruppert. 

3)  »Der  böse  Geroldsecker«,  Badenia  II  1840,  S.  301. 

4)  Reinhardt,  Pragmat.  Gesch.  S.  39. 

5)  Ebenda  S.  42. 

6)  Ebenda  S.  43,  Ruppert  S.  285. 

7)  Reinhardt  S.  43. 

8)  Reinhard  Urkunde  LXIII. 


AMT  LAHR.  — SCHONBERG.  (RUINE  HOHENGEROLDSECK.)  109 

erhalten  zu  Geroldsecken  der  Vesten  »das  nuwe  Huss«,  Georg  und  Hans  »das  ander 
alt  huss  uff  dem  Velsen,  unnd  dazu  Ruprechts-Stocke«.  Alles  Andere  soll 
richtig  vertheilt  werden  und  zwar:  »sunst  allen  andern  Gebuwe  und  was  noch 
in  dem  Gebuwe  uff  und  inn  dem  Sloss  Geroltzecke  ist,  und  darzu  die 
andern  steynen  Stöcke  inn  der  nidern  Bürge,  sollent  glich  eynem  als  vil  als 
dem  andern,  und  on  alle  Geuerde,  geteyltt  werdenn«.  Des  weiteren  heisst  es:  »Es  ist 
auch  berett  und  beteydingett,  als  das  Hinderhuss  und  Ruprechtsstock  den 
obgenannten  Hern  Jörgen  undjunckher  Hansen  werden  und  zugehören 
soll ; wer  es,  dass  under  den  zweyn  Gebrüdern  eyner  abging,  so  soll  das  Huss  unnd  der 
Stock  an  den  andern  und  sin  Erbenn  fallen«.  Aehnliches  wiederholt  dann  ein  weiterer 
Theilungsbrief  von  1435.1)  , Durch  einen  Burgfrieden,  dessen  Weitreiche  bei  dem  Brück- 

lein am  Schimberg  anfing,  den  Weg  hinab  bis  zu  dem  Bache,  aufwärts  bis  zum  Kalkofen 
am  Eichberg,  bis  an  den  Ruchkasten,  auf  den  Kopf,  »als  man  die  schneit  hinabgeht«, 
sich  erstreckte,  wurde  bestimmt,  dass  jeder  der  Brüder  drei  wehrhafte  Knechte  auf  dem 
Schlosse  haben  solle,  dass  jeder  zu  gleichen  Theilen  an  den  Bau-  und  Unterhaltungs- 
kosten beizutragen  habe  und  jeder  abwechselnd  zwei  Jahre  Baumeister  sein  solle’.2) 
1451  starb  Hans  ohne  Erben,  1453  theilten  die  übrig  bleibenden  Diebold  (I.)  und  Georg 
(der  Domherr  zu  Strassburg  blieb)  und  zwar  erhielt  Diebold  Geroltzeck  und  alle  Güter 
der  Umgegend.  Er  musste  sich,  um  eine  Stütze  zu  haben,  1454  in  den  Erbdienst  des 
Pfalzgrafen  Friedrich  begeben.  Das  so  stolze  Geschlecht  war  also  schon  tief  gesunken. 
Als  er  1461  starb,  hinterliess  er  drei  Söhne,  Diebold  (II.),  Walter  und  Gangolf,  die  indess 
erst  1466  mündig  wurden,  als  ihr  Vormund  und  Onkel,  Georg,  der  Domsänger  in  Strass- 
burg, gestorben  war,  womit  sie  auch  seine  Lande  wieder  erbten.  Sie  theilten  unter  sich 
i.  J.  1470  3);  Diebold  (II.),  als  dem  »eitesten  derselben  Herren  ist  zugetailt  auch  vorenz 
worden  und  belieben  sollent,  die  Mannschaften  und  Lehenschafften  zu  der  Herrschafft 
Geroltzeck  gehörig«  und  »Geroltzeck  das  Schloss  mit  aller  Gerechtigkeit  und  Zugehörde«. 
»Wäre  auch,  dass  dieselbe  zween  mine  Geprudere  Gangolff  und  Walther  ihre  Behausung 
und  Wohnung  uff  dem  Schloss  Geroltzeck  auch  haben  wolten,  das  mögent  sie  wohl  thun, 
doch  ungevarlich  und  ohne  min  Diepolts  Schaden.  Dagegen  sollen  Gangolff  und 
Walter  das  Hinterhauss  zu  Geroltzeck  auch  im  Bau  und  Ehren  halten 
inn  ihren  Costen  ohne  mins  Diepolts  Schaden.  Dye  sollent  auch  in  dem  Schloss  Geroltzeck 
ihr  Hofung  haben  etc.«  Diebold  (II.)  war  vermählt  mit  Elisabeth  geb.  Frau  von  Rode- 
machern, Wittwe  des  Lahrer  Herren  Grafen  Friedrich  zu  Mörs  und  Sarwerden.  Seine 
Regierung  bedeutete  einen  weiteren  Niedergang.  Da  er  von  Ottenheim  aus  die  Räubereien 
seines  Ahnen  auf  dem  Rheine  wieder  aufnahm,  insbesondere  die  Eidgenossen  auf  dem 
Rheine  belästigte,  so  zogen  die  Strassburger  1474  wider  ihn,  eroberten  und  zerstörten 
Stadt  und  Schloss  Schlittern  und  belagerten  dann,  allerdings  wie  es  scheint  ohne  Erfolg, 
die  Hohengeroldseck.  Nur  das  Eingreifen  des  Pfalzgrafen  half  zum  Frieden.  4)  Die 
pekuniären  Bedrängnisse  aber  wurden  immer  grösser,  Dorf  nach  Dorf  wurde  verpfändet 
oder  auf  Wiederkauf  verkauft.  Die  Hälfte  der  Güter  waren  so  verloren  gegangen.  Trotz 
dieser  Lage  suchte  er  sich  noch  von  dem  Erbdienst  der  Pfalz,  den  sein  Vater  zu  seinem 

*)  Ebenda  Urkunde  LXV. 

2)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  283. 

3)  Reinhard,  Urk.  XCIII. 

4)  Reinhard,  S.  60. 


I IO 


KREIS  OFFENBURG. 


Schutze  eingegangen,  freizumachen  und  kündigte  dem  Pfalzgrafen  Fehde  an,  während  er 
zugleich  versuchte,  sich  in  den  oesterreichischen  Schutz  zu  stellen1)  (i486).  Die  Folge 
davon  war,  dass  er  alles  verlor,  was  er  noch  hatte,  nämlich  die  beiden  Vogteien  Brins- 
bach  und  Schimberg  und  die  Stammburg.  Diese  hatte  Pfalzgraf  Philipp  sechs  Wochen 
lang  belagert,  Bresche  geschossen,  worauf  sie  ihm  übergeben  wurde.2) 

Von  dem  offenbar  händelsüchtigen  Diebold  hören  wir  nichts  weiter,  als  dass  er 
1498  noch  einmal  eine  Fehde  mit  dem  Bischof  von  Strassburg  hatte.  Da  er  ohne  Erben 
starb,  sein  Bruder  Walther  von  einem  wtithenden  Hund  gebissen,  sich  in  das  Kloster 
Ettenheimmünster  zurückgezogen  und  daselbst  geendet  hatte,  so  empfing  der  letzte 
Bruder,  Gangolf,  1500  von  Kaiser  Maximilian  I.  die  Reichslehen.  Als  der  Kaiser  1507 
die  Pfalz  besiegt  hatte,  stellte  er  das  Schloss  bis  zum  Ausgang  des  Prozesses  zwischen 
Gangolf  und  der  Pfalz  dem  Markgrafen  Christoph  von  Baden  zu  »in  truwes  handen«. 
Endlich  1 5 1 1 sollte  der  Geroldsecker  wieder  in  sein  Schloss  einziehen,  Baden  verlangte 
nun  aber  1500  Gulden,  die  es  über  die  Einnahmen  der  Zinsen  und  Gefälle  an  dem 
Schloss  verbaut  habe.  Dasselbe  muss  also  in  den  Kriegsfällen  arg  gelitten  haben.  Infolge 
dieser  Schwierigkeiten  gelang  es  erst  seinen  Söhnen  Gangolf  (II.)  und  Walter  in  den 
Besitz  des  Schlosses  etc.  zu  kommen,  nachdem  sie  ihre  Stammburg  und  die  beiden 
Vogteien  Prinzbach  und  Schimberg  von  Oesterreich  zu  Lehen  genommen  hatten  3)  und 
zwar  als  Mannlehen,  aber  mit  der  Bedingung,  dass  nach  dem  Aussterben  des  Mannes- 
stammes auch  Töchter  erbberechtigt  sein  sollten.  Im  gleichen  Jahre  wurden  sie 
mit  der  Herrschaft  Sulz  belehnt,  die  der  Familie  verloren  gegangen  war,  und  nannten 
sich  nun  wieder  von  Geroldseck-Sulz.  Sie  suchten  wenigstens  einen  Theil  der  Güter 
durch  Rückkauf  von  Baden  an  sich  zurück  zu  bringen,  was  auch  nach  allerlei  Prozessen 
gelang.  Und  so  hatten  sie  denn  eine  allerdings  sehr  zusammengeschmolzene  Herrschaft 
wieder  beisammen.  Gangolf  II.  war  1549  tot.  Sein  Sohn  Quirin-Gangolf  besass  dann 
bis  zu  seines  Onkels  Walters  Tode  (1555)  mit  diesem  die  Herrschaft,  dann  mit  seinem 
Vetter  Walter,  der  offenbar  bald  starb,  danach  allein.  Quirin  Gangolf,  der  sich  1558 
mit  Maria  Gräfin  von  Hohenstein  verheirathet  hatte,  fiel  am  15.  Sept.  1569.  Er  hinter- 
liess  einen  unmündigen  Sohn  Jacob,  den  letzten  des  Mannesstammes.  1584  mündig 
geworden,  verheirathete  er  sich  mit  Barbara  von  Rappoltstein,  dann  mit  Elisabeth  Schenk 
von  Limburg,  von  der  er  eine  Tochter  Anna  Maria  hatte.  Er  hatte  unter  anderem  durch 
Vertrag  mit  der  letzten  Erbin  von  Dautenstein  dies  Schloss  wieder  an  sich  gezogen,  es 
vollständig  wieder  aufbauen  lassen  und  residirte  sehr  häufig  hier.  Er  scheint  bemüht 
gewesen  zu  sein,  seine  Herrschaft,  in  welcher  er  auch  den  Protestantismus  einführte, 
durch  geordnete  Verwaltung  wieder  in  die  Höhe  zu  bringen.  Vor  seinem  Tode  suchte  er 
noch  die  Erbfolge  seiner  Tochter,  die  mit  dem  schwedischen  Obersten  Grafen  Friedrich 
zu  Solms-Roedelheim  verheirathet  war,  sicher  zu  stellen.4)  1634  schloss  er  seine  Augen,5) 
die  bambergischen  und  strassburgischen  Lehen  gingen  zurück,  während  Anna  Maria 

4)  Reinhard,  Urk.  C.  und  S.  62. 

2)  B.  Hertzog,  Edels.  Chronik  (1592)  II  S.  128  und  Reinhard. 

3)  Reinhard,  Urk. 

4)  Siehe  Reinhard,  S.  73  ff.  auch  für  die  folgende  Darstellung. 

5)  Zwei  Kupferstiche  zeigen  uns  den  letzten  Geroldsecker  und  zwar  der  eine  zu  Pferd,  der 
andere  ein  Brustbild  (Exemplare  davon  in  der  Lahrer  Sammlung). 


AMT  LAHR.  — SCHONBERG.  (RUINE  HOHENGEROLDSECK.) 


III 


zunächst  die  Reichs-  und  österreichischen  Lehen  behielt  bis  zur  Aussonderung 
ihres  Eigengutes.  Ein  Jahr  nachher  aber  wurden  diese  Lehen  den  Grafen  von  Cron- 
berg  übergeben,  die  ein  grösseres  Guthaben  bei  dem  Hause  Oesterreich  hatten, 
und  dieselben  auch  durch  die  Truppen  des  Generals  Gallas  in  den  Besitz  gesetzt, 
selbst  der  Orte,  die  Anna  Maria  als  Allod  beanspruchte.  Ihr  erster  Gemahl  starb 
1640, ')  sie  verheirathete  sich  1644  mit  dem  Markgrafen  Friedrich  V.  von  Baden- 


Fig.  SS-  Die  Hohen  geroldseck. 

(Nach  einer  Federzeichnung  von  Grimm  eis  hausen  (?)  im  Reichsarchiv  zu  Muttchen  von  164g.) 


Durlach  und  nun  begann  ein  über  hundertjähriger  Prozess  um  die  Allodien,  in  dessen 
Verfolg  Reinhard  seine  oft  citirte  pragmatische  Geschichte  des  Hauses  Geroldseck 
schrieb  zur  Verteidigung  der  badischen  Ansprüche,  die  zunächst  sich  nicht  auf  das  Schloss 
richteten.  Dieses,  im  Besitz  der  Cronberg,  hatte  unter  ihnen  seine  endgültige  Zerstörung 
zu  erleiden  in  den  Kriegen  Ludwigs  XIV.  Ende  1688  zogen  sie  auch  vor  die  alte 
Dynastenburg  und  wenige  Tage  nach  Dreikönig  1689  wurde  dieselbe  erobert,  in  Brand 
gesteckt  und  zerstört.  Von  da  an  lag  sie  in  Ruinen,  an  einen  Wiederaufbau  wurde  nicht 


1)  Kind  ler  v.  Kn  obloch  a.  a.  S.  234. 


I I 2 


KREIS  OFFENBURG. 


mehr  gedacht,  obwohl  die  Oesterreicher  1693  um  die  ganze  Burg  herum  Schanzen 
anlegten. !)  Als  seine  Besitzer,  die  Cronberg,  ihrem  Ende  nahten,  da  ertheilte  der  Kaiser 
Leopold  den  Herren  von  der  Leyen  die  Anwartschaft  (eigentlich  schon  1636,  1677  nur 
erneuert)  auf  deren  Besitz,  trotz  der  Ansprüche  Baden-Durlachs.  Letzteres  aber  setzte 
sich,  nach  dem  Aussterben  1692  mit  Gewalt  in  den  thatsächlichen  Besitz  der  Lande, 
in  die  dagegen  Oesterreich  i.  J.  1697  mit  300  Mann  den  Freiherrn  Karl  Kaspar 
von  der  Leyen  als  Herren  der  Grafschaft  einfiihrten.  Das  neue  Haus  war  ein  altes, 
niederrheinisches  Geschlecht,  nach  seinem  Schloss  Leye  an  der  Mosel  benannt ; es  hatte 
indess  auch  einige  Besitzungen  in  der  Triberger  Gegend.  Manche  Aebte  und  Bischöfe 
waren  aus  ihm  hervorgegangen.  Schon  die  treue  katholische  Gesinnung  mochte  es  den 
Habsburgern  empfehlen,  auch  sonstige  politische  Gründe  sprachen  dafür,  und  so  wurde 
der  Familie  bereits  1636  die  Anwartschaft  auf  die  Grafschaft  gegeben.  1653  wurde 
sie  in  den  Freiherrenstand  erhoben,  1677  die  Anwartschaft  erneuert,  1697  kamen 
sie  in  den  Besitz  und  wurden  endlich  1 7 1 1 von  Karl  VI.  in  den  Reichsgrafenstand 
erhoben.  Sie  hatten  den  Vortheil,  dass  im  18.  Jh.  wie  in  ganz  Deutschland,  so  auch  in 
ihrer  Grafschaft,  die  wirthschaftlichen  Verhältnisse  sich  allmählich  besserten,  so  dass  ihr 
Andenken  kein  schlechtes  ist.  Im  Geiste  des  Jahrhunderts  schufen  sie  auch  eine  Schul- 
ordnung und  manche  andere  gute  Einrichtungen.  Ihre  Residenz  war  Dautenstein.  Auf 
Karl  Kaspar  folgte  Friedrich  Ferdinand,  dann  Franz  Karl  und  endlich  Philipp  Franz 
(J*  1829),  dem  in  den  napoleonischen  Zeiten  eine  weitere  Rangerhöhung  zu  Theil  wurde. 
Zunächst  allerdings  verlor  er  durch  den  Luneviller  Frieden  die  alten  linksrheinischen 
Besitzungen  des  Geschlechtes.  Bei  den  berühmten  Entschädigungsverhandlungen  war 
er  in  Paris  anwesend.  Trotzdem  gelang  es  ihm  jetzt  und  bei  der  Gründung  des  Rhein- 
bundes nicht,  irgend  etwas  anderes  zu  erlangen,  als  die  Erhebung  in  den  Fürstenstand. 
1815  kam  das  kleine  Fürstenthum  wieder  unter  oesterreichische  Staatshoheit,  die  Territorial- 
kommission nach  dem  Wiener  Kongress  aber  machte  1819  diesem  Zustand  ein  Ende, 
die  Herrschaft  kam  an  Baden.  Die  Burg  Hohengeroldseck,  Dautenstein  und  einiges 
andere  verblieb  der  Familie  als  standesherrlicher  Besitz. 

Konservirungs-  Die  Ruine  blieb  unaufgebaut  und  wurde,  wie  es  ja  überall  geschehen,  auch  als  Stein- 

arbeiten 

bruch  benützt.  Als  man  i.  J.  1860  Ausbesserungen  zur  Erhaltung  vorschlug,  hat  man  statt 
dessen  die  gefahrdrohenden  Mauern  niedergerissen.  Erst  am  Ende  des  19.  Jhs.  begannen 
unter  Leitung  des  Konservators  der  Baudenkmale,  Oberbaurath  Kircher,  durchgreifende 
Wiederherstellungsarbeiten,  bei  der  längst  verschüttete  Theile,  wie  Felsenbrunnen  und 
Brunnenhaus,  wieder  freigelegt  wurden,  wie  auch  der  alte  Zugang  zur  oberen  Burg.  1892 
wurde  mit  den  Bauarbeiten  begonnen,  die  i.  J.  1901  fertiggestellt  wurden.  Diese  Instand- 
setzung der  Burg  wurde  mit  Genehmigung  und  Unterstützung  des  Eigenthiimers  durch 
die  Grossh.  Regierung  und  die  Stadtgemeinde  Lahr  ermöglicht.  Diesen  schloss  sich 
dann  in  thatkräftiger  Weise  der  Schwarzwaldverein,  Sektion  Lahr,  an,  welcher  auch 
dauernd  diesem  Denkmal  seine  Unterstützung  zuzuweisen  die  Absicht  hat.2) 

x)  Siehe  die  Schanzen  auf  dem  Plan  bei  Krieg  v.  Hochfelden  a.  a.  O.  und  auf  unserem 
Plan  Fig.  54. 

2)  Siehe  die  Berichte  des  Konservators  der  Baudenkmale  in  der  Karlsruher  Zeitung  1899  Nr.  28 
und  1902  Nr.  49.  — Da,  so  viel  ich  weiss,  Oberbaurath  Kircher  die  Absicht  hat,  Ausführlicheres 
über  die  Ruine  und  ihre  Herstellung  zu  publiziren,  so  beschränke  ich  mich  bei  folgender  Beschreibung 
auf  das  für  die  Zwecke  vorliegenden  Werkes  Nothwendigste  an  Text  wie  Abbildungen. 


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_ vorhsnd «ne  Spuren  ehemaliger  ««werzuge 
I vorh»rideneo  MÄuerwerV.  .Untere  Burgbn.uici) 
■ desgleichen,  obere  Burg  i«u[  dem  Telsen 


Fig.  54.  Platt  der  Ruine  Hohengeroldseck. 

(Im  Aufträge  des  Konservators  der  Baudenkmale,  Oberbaurat  Kircher,  auf  genommen.) 


Band  VII.  Zu  Seite 


113. 


AMT  LAHR.  — SCHONBERG.  (RUINE  HOHENGEROLDSECK.)  I I 3 

Beherrschend  über  dem  Kinzigthal  und  dem  Schutterthal,  auch  dem,  der  im  Rhein- 
thal mit  der  Bahn  vorübersaust,  von  weitem  sichtbar,  liegt  die  alte  Burg,  recht  im  Mittel- 
punkt der  Besitzungen  des  mächtigen  Geschlechtes  in  seiner  grössten  Blüthe,  als  diese 
von  Schwarzach  bis  Schenkenzell,  von  da  bis  nach  Mahlberg  und  zur  Landeck  und  bis 
über  den  Rhein  nach  Schwanau  und  Ehrstein  reichten.  Sie  krönt  die  mittlere  Spitze 
des  Schimberges  (525  m über  dem  Meere)  einem  der  drei  Berge  — Steinfirst  und  Rauh- 
kasten heissen  die  anderen  — welche  die  Wasserscheide  zwischen  Kinzig  und  Schütter 
bilden.  Eine  schöne  Strasse  unter  Grossherzog  Ludwig  erbaut  und  ihm  zu  Ehren  Ludwig- 
strasse genannt,  führt  heute  in  bequemster  Steigung  in  der  Einsattelung  des  Berges  von 
Biberach  herauf  und  herunter  in’s  Schutterthal;  ihrem  höchsten  Punkt  gegenüber  liegt 
eben  jene  Spitze,  welche  die  Burg  trägt.  Schon  in  alten  Zeiten  mag  hier  ein  alter  Pfad 
herübergeführt  und  die  Burg  so  mit  beiden  Thälern  verbunden  haben  (s.  Fig.  54). 

Wir  verlassen  die  grosse  Strasse  und  folgen  dem  Fussweg,  der  uns  in  die  Ein- 
sattelung hinab,  dann  ziemlich  rasch  emporführt.  Doch  biegen  wir  auf  halber  Höhe 
links  ab,  um  dem  alten  Aufgang  zur  Burg  zu  folgen.  Dieser  führte  von  Nordwesten 
herauf,  bog  dann  nach  Norden  um  und  passirte  in  einem  Thor  die  Befestigung,  die  die 
Oesterreicher  1693  angeblich  angelegt,  in  der  That  aber  nur  erneuert  haben  und  die 
einen  breiten  äusseren  Vorhof  umschloss.  An  der  nordöstlichsten  Ecke  desselben  gelangte 
man  zu  dem  Hauptthor  mit  einigen  Vorwerken  und  einer  Zugbrücke,  von  denen  heute 
nur  noch  Spuren  vorhanden  sind.  Dieser  Haupteingang  bestand  aus  einem  vorderen  und 
20  m zurück  einem  hinteren  Thor.  Der  Thorweg  war  nördlich  von  der  hier  nur  (Mauerdicke 
ca.  2,05  m)  etwa  80 — xoo  cm  starken  äusseren  Umfassungsmauer  und  südlich  von  einer 
den  Zwinger  von  dem  Thorweg  trennenden  etwas  stärkeren  Mauer  umschlossen.  Durch  das 
zweite  Thor  hindurchgeschritten,  befinden  wir  uns  auf  dem  Plateau  der  »niederen  Burg«, 
wie  es  in  den  Urkunden  heisst,  den  Ausdruck  Zwinger  finde  ich  hier  nirgends  angewendet. 
Das  Plateau  des  Berges  von  unregelmässiger  Form,  gegen  Südosten  spitz  auslaufend,  von 
etwa  95  m grösster  Länge  und  60  m grösster  Breite,  ist  zum  grössten  Theil  in  den 
Bereich  der  Mauer  eingezogen,  sie  folgt  seinem  Abhang  im  Norden  und  Westen  ziem- 
lich getreu,  während  sie  an  den  andern  Seiten  etwas  zurücktritt.  Hier  hatten,  nach  der 
Krieg  von  H o ch fe  1 d en 'sehen  Zeichnung,  die  Oesterreicher  1693  glacisförmige  Ver- 
schanzungen angelegt  und  damit  vielleicht  das  Bild  einer  ehemals  hier  vorhandenen 
weiteren  kleinen  Zwingeranlage  verwischt.  In  der  »niederen«  Burg  befanden  sich 
Wirthschaftsgebäude,  im  Nordosten  ein  anscheinendes  Wohngebäude,  ein  Bau,  der  früher 
als  Thurm  gedeutet  wurde,  an  der  südöstlichen  Spitze.  Ziemlich  in  der  Mitte  dieses 
Plateaus  erhebt  sich  dann  etwa  6 — 8 m hoch  ein  länglicher  Porphyrfelsen,  dessen  obere 
Fläche  etwa  50  m zu  15  bezw.  19  m gross  ist.  Auf  ihr  stand  die  eigentliche  Burg, 
das  alte  oder  hintere  und  das  neue  Haus,  wie  sie  in  den  Urkunden  genannt  werden,  in 
dem  dazwischen  gelegenen  Burghof  zwei  kleinere  Gebäude  mit  leichterem  Mauerwerk. 
Den  Aufgang  zu  dem  eigentlichen  Schloss  bildete  eine  in  der  Nordecke  beginnende 
Treppe,  die  zwischen  dem  hier  dem  Felsen  vorgelegten  Brunnenhaus  und  der  Nord- 
mauer des  neuen  Hauses  emporführte  und  an  der  Nordostecke  des  neuen  Hauses  über  eine 
Zugbrücke  hinüber  in  dem  etwas  vorspringenden  Thorthurm  rechts  umbiegend  in  den 
Burghof  mündete. 

Von  allen  Gebäuden  am  besten  erhalten  ist  das  südöstliche  Wohnhaus,  das  »alte 
huss  uff  dem  velsen«  oder  auch  das  »hinterhuss«,  wie  es  in  den  Urkunden  genannt  wird. 


Band  VII. 


KREIS  OFFENBURG. 


114 


Es  ist  ein  unregelmässiges  Viereck,  dessen  Mauern  noch  15 — 20  m hoch  emporragen, 
sie  stehen  auf  dem  gewachsenen  Fels  und  haben  eine  Stärke  von  etwa  2 m.  Die  längeren 


Fig.  33.  Der  Südostpalas  der  Hohengeroldseck  vor  den  Konservi/'tmgsarbeiten. 

Seiten  des  Wohnhauses  sind  etwa  15  m lang,  von  den  Schmalseiten  die  nordwest- 
liche (immer  im  Innern  gerechnet)  ebenfalls  fast  15,  die  südöstliche  ca.  8 m.  Fig.  55 


AMT  LAHR.  — SCHONBERG.  (RUINE  HOHENGEROLDSECK.) 


US 

zeigt  uns  den  alten  Zustand  der  Burg  vor  der  Restauration,  Fig.  56  denjenigen  nach 
derselben. 

In  vier  Stockwerken  steigt  der  Palas  auf.  Das  Erdgeschoss  zeigte  nach  Süd- 
osten einfache  Schiessscharten,  die  bis  auf  Geringes  erhalten  waren.  Dagegen  waren  die 


Fig.  56.  Der  Siidostpalas  der  Hohengeroldseck  nach  den  Konservirungsarbeiten. 


Scharten  der  Südwestwand  ihrer  Gewände  beraubt,  die  wiederhergestellt  werden  mussten. 
Die  Nordostwand  zeigt  fünf  Schiessscharten  mit  geradem  Schlitz,  eine  davon  mit  grösserer 
Kammer.  In  der  Wand  gegen  den  Hof  zu  eine  Thür,  in  ihrer  ursprünglichen  Form 
nicht  mehr  erkennbar,  welche  in  den  Anbau  führte,  zwei  Schiessscharten,  eine  grössere, 
spitzbogige  Thüre,  nach  Innen  zu  im  Scheitel  noch  der  Platz  für  die  hier  ehemals 

8* 


KREIS  OFFENBURG. 


1 16 


angebracht  gewesene  Laterne  und  wieder  eine  Nische,  d.  h.  ehemaliges  Thürchen,  das  bei 
geschlossener  Hauptthür  den  Ausgang  gestattete,  dann  die  Thür,  welche  in  den  sich  hier 
an  der  Nord  westecke  anlegenden  Treppenthurm  führt.  Dies  Erdgeschoss,  dessen  Oeffnungen 
nicht  überall  mit  dem  Bau  gleichaltrig  sein  dürften,  hat  also  wesentlich  Vertheidigungs- 
zwecken  gedient.  Es  war,  wie  auch  die  oberen  Geschosse,  in  verschiedene  Räume 
abgetheilt,  deren  Mauerspuren  noch  in  unserm  Plane  erkenntlich  sind.  Die  Balkenlöcher 
und  die  grösstentheils  abgehauenen  Kragsteine  zum  Auflegen  der  Decke  sind  noch  deut- 
lich sichtbar.  Das  Geschoss  darüber  zeigt  in  der  Nordost-  und  Südwestwand  gerad- 
sturzige  Fenster  mit  jetzt  theiweise  erneuerten  Pfosten,  deren  Spuren  aber  vorhanden 
waren,  und  Sitzbänken.  In  der  Südostwand  war  später  einmal  eine  flachbogige  grössere 

Oeffnung  eingebrochen,  die  nun 
wieder  durch  ein  entsprechen- 
des Fenster  ersetzt  ist.  In  der 
Nordwestwand  eine  grosse  flach- 
bogige Oeffnung,  die  ohne 
Zweifel  ehemals  ein  gekuppeltes 
Spitzbogenfenster,  wie  oben 
aus  zweimal  drei  Spitzbogen- 
öffnungen bestehend,  die  durch 
eine  Säule  getrennt  waren,  um- 
schloss. In  den  beiden  Seiten- 
gewänden auch  noch  die  Reste 
der  Sitzbänke.  Weiter  nach 
Südwesten,  über  der  unteren 
Eingangsthür,  beginnt,  von  Back- 
steinen gemauert,  ein  schmaler 
Schacht,  der  bis  in  das  vierte 
Geschoss  hinaufführt  und  dort 
in  einer  flachbogigen  Nische 
endigt;  er  diente  der  grossen 
Uhr  und  ihren  Gewichten  und 
ist  natürlich  späteren  Ursprungs. 
Daneben  dann  ein  gut  erhal- 
tenes, einpfostiges  Fenster  mit 
flachbogigem  Sturz,  gut  erhaltenen  Sitzbänken  und  deutlich  sichtbarer  Vorrichtung  für 
die  Fensterriegel.  Das  gleiche  Fenster  kehrt  an  dieser  Stelle  in  den  beiden  oberen 
Geschossen  wieder,  wir  geben  daher  hier  als  Beispiel  dasjenige  des  vierten  Obergeschosses 
wieder  (s.  Fig.  57).  Daneben  dann,  die  ebenfalls  in  den  drei  Stockwerken  wieder- 
kehrende Thür  in  den  Treppenthurm,  hier  im  Rundbogen  geschlossen,  dann  gerade, 
endlich  flachbogig  (die  ich  später  wie  das  Fenster,  nicht  mehr  erwähnen  muss).  Auch 
hier  wie  überall  die  Kragsteine  zum  Auflager  der  Balken.  Das  dritte  Stockwerk  scheint 
den  eigentlichen  Zwecken  der  Prunkentfaltung  gedient  zu  haben,  es  enthält  nach  Nord- 
osten, Südosten  und  Südwesten  die  gekuppelten  Spitzbogenfenster,  von  denen  wir  in 
Fig.  58  eines  abbilden.  Sie  mussten  bei  der  Restauration,  das  eine  durch  Doppelsäulchen 
aus  Granit,  die  zwei  anderen  durch  einen  Granitpfosten  gestützt  werden. 


Fig.  57.  Fenster  von  dem  Südostpalas  der  Hohengeroldseck. 


AMT  LAHR.  — SCHONBERG.  (RUINE  HOHENGEROLDSECK.) 


1 1 7 


Die  Nordost-  und  die  Südwestwand  haben  gegen  die  Nordwestmauer  zu  noch  je 
ein  einpfostiges  (wiederhergestelltes)  Fenster;  die  Nordwestwand  zwei  solche;  zwischen 
ihnen,  d.  h.  schon  ein  Stockwerk  tiefer  und  zwischen  ihnen  emporführend,  beginnt  die 
Ausmauerung  des  grossen,  bis  zum  Giebel  hinaufführenden  Kamins.  Das  darübergelegene 
Geschoss  zeigt  ebenfalls  wieder  einpfostige  (theilweise  erneuerte)  geradsturzige  Fenster; 
darüber  erhoben  sich  nach  Südosten  und  Nordwesten  mächtige  zinnenartig  abgetreppte 
Giebel  mit  weniger  starkem  Mauerwerk,  auf  etwas  vorkragenden  Konsolen  (s.  Fig.  59). 
Der  Bau  ist  aus  Bruchsteinmauerwerk  (aus  dem  Urgestein  des  Felsens)  aufgeführt,  an 
den  Ecken  mächtige  Sandsteinquader  in  unregelmässiger  Abwechslung  von  Läufern  und 
Bindern.  Aus  Sandstein  sind  auch  die  Gewände  der  Fenster  etc.,  sowie  das  abgeschrägte 
Sockelgesims,  das  an  der  Südostseite,  wo  der  Fels  höher  hinaufragt,  emporsteigt  und 
diesen  umrahmt.  Am  Aeussern  unter  dem  III.  Prunkgeschoss  ein  Zurückspringen  der 
Mauer  mit  einfach  abgeschrägtem  Gesims,  auf  dem  die  Fenster  mit  ihrer  Sohlbank  auf- 
sitzen.  Unter  dem  Dach 
schloss  eine  Hohlkehle 
den  Bau  ab. 

An  seiner  Hofseite 
finden  wir  neben  der 
Thür  des  Erdgeschosses 
die  Inschrift-  und  Wappen- 
tafel eingemauert,  die  nach 
Prinzbach  verschleppt, 
von  dort  wieder  hierher 
zurückgebracht  worden  ist 
(s.  Fig.  60),  die  in  ihren 
gebauchten  Säulchen  mit 
Kompositkapitellen  und 
die  die  Bauchung  beglei- 
tenden Akanthusblättern 
auf  die  Frührenaissance 
weist.  Die  Inschrift  be- 
zieht sich  auf  die  sagenhafte  Gründung  der  Burg  durch  den  angeblichen  Schwaben- 
herzog Gerold : 

hohen  gerolt-seck  mich  bau 

von  ehrn  reich  herr  geroldt  hiesz  i dem  grosz- 
en  Kaiser  Kario  werdt  l in  vil  riterlichen  • thate  • 
bewert  l wardt  auch  margroff  in  Oesterreich 
in  schwoben  hertzog  zugleich  l auch  groff  zu 
bussen  sich  genandt  den  namen  tragen  in  solchem 
standt  • do  disz  ehrn 

her  ■ sein  no  woppen  • fie 

chgeboren  ret  recht, 

geschlecht 

Die  heruntergekommenen  und  verarmten  Herren  mochten  in  dieser  stolzen  Ursprungs- 
sage einen  Trost  in  ihrem  Leid  finden. 


Fig.  58.  Fenster  im  Südostpalas  der  Hohengeroldseck. 


1 18 


KREIS  OFFENBURG. 


Den  Zugang  zu  den  einzelnen  Stockwerken  des  Palas  bildete  ein  Treppenthurm, 
der  den  Steinmetzzeichen  nach  gleichzeitig  sein  dürfte  (s.  Fig.  61).  Der  Eingang  (s.  Fig.  62) 

in  ihn,  dessen  gerader  Sturz  auf  vorkragenden  Konsolen 
ruht  und  in  merkwürdiger  Schweifung  an  den  Thurm 
anschliesst,  zeigt  noch  die  Vorrichtungen  für  die  Thür. 
Der  Thurm  mit  geradsturzigen  Lichtluken  besteht  aus 
hervorragend  gut  gearbeiteten  Sandsteinquadern.  In  der 
Höhe  des  dritten  Palasgeschosses  öffnet  er  sich  nach  Süd- 
westen  auf  einen  Abort,  dessen  Vorkragungen  noch  sicht- 
bar sind.  Abgedeckt  war  der  Thurm  durch  einen  nach 
innen  geschweiften  Helm  aus  Steinplatten  (s.  Fig.  63).  Am 
Thurm,  wie  am  Palas  selber  findet  sich  eine  stattliche 
Reihe  von  Steinmetzzeichen  (s.  Fig.  64),  welche,  denen 
am  Storchenthurm  zu  Lahr  verwandt,  in  ihrer  Form  auf 
das  13.  Jh.  hinweisen.  Einen  weiteren  Anhalt  für  die 
Datirung  des  Baues  bieten  uns  die  gekuppelten  Spitzbogen- 
fenster, die  nach  aller  Analogie  mit  anderen  oberrheinischen 
Burgbauten  ebenfalls  in  das  13.  Jh.  zu  setzen  sind.  Aus 
der  Geschichte  des  Geschlechtes  möchte  man  dann  den 

Fig. 59.  Ostgiebel  vom  Südostpalas.  Schluss  ziehen,  dass  noch  unter  Walter  (II.),  auf  dem 

Höhepunkt  der  Macht  und  des  Reichthums,  dieser  Palas 
erbaut  und  überhaupt  die  Burg  angelegt  worden  ist,  da  der  schon  im  12.  Jh.  vor- 
handene Bau,  von  dem  keine  Spur  mehr  vorhanden,  den  Bedürfnissen  nicht  mehr 


Fig.  60.  Inschrift-  und  Wappentafel  auf  der  Hohengeroldseck. 


genügte.  Eine  zu  frühe  Datirung  lassen  allerdings  die  schon  hochgoihisch  anmuthenden 
einpfostigen  und  geradsturzigen  Fenster  nicht  zu  — dass  sie  einem  späteren  Umbau 
zu  verdanken  sind,  scheint  durchaus  unwahrscheinlich  — und  so  möchte  man  annehmen, 


AMT  LAHR.  — SCHONBERG.  (RUINE  HOHENGEROLDSECK.) 


H9 


dass  die  Anlage  vielleicht  erst  unter  Walters  Sohn,  Heinrich  I.  von  Geroldseck- Veldenz 
(-f-  1294),  vollendet  wurde. 

Gegenüber  diesem  Palas  erhob  sich  »das  nuwe  huss«,  das  — nach  den  Berichten 
von  1860  damals  noch  weit  besser  erhalten  — heute  nur  noch  in  den  Grundmauern 
steht.  An  seiner  Westecke  sind  bei  den  Konservirungsarbeiten  mit  geringer  Ausnahme 
neue  Bossenquader  wieder  eingemauert  worden,  die  den  Beschauer  über  die  ehemalige 
Behandlung  der  Ecken  aufklären  sollen.  In  der  Südwestwand  die  Spuren  zweier  Fenster 
bezw.  Thüröffnungen,  die  auf  eine  Altane  herausführten,  deren  Untermauerung  auf  dem 
hier  vorspringenden  Fels  noch 
sichtbar.  Dieser  Südwestpalas 
hatte  — in  umgekehrtem 
Sinne  — etwa  die  gleiche 
Form,  wie  das  »alte  Haus«, 
doch  misst  er  im  Innern  nur 
etwa  1 1 m zu  14  m.  Eine  noch 
erhaltene  Stiege  mit  flacher 
Wölbung  führte  in  ihm  herunter 
in  den  in  seinem  nordwest- 
lichen Theil  gelegenen  Keller. 

Auch  in  diesem  Bau  vermittelte 
ein  angebauter  Wendeltreppen- 
thurm, der  nur  noch  in  seiner 
Rundung  in  der  Südwestmauer 
und  in  der  Mauer  des  hier 
anstossenden  Gebäudes  er-  • 
halten  ist,  den  Zugang  zu  den 
verschiedenen  Stockwerken. 

In  diesem  Treppen thurm  führte 
eine  Thür  auf  die  Abortanlage 
dieses  Palas.  Vom  älteren  zum 
jüngeren  Bau  zog  auf  der 
Breite  der  - Ringmauer  ein 
Wehrgang  bezw.  Verbindungs- 
gang hin  mit  vier  nach  den 
alten  Spuren  erneuerten  Schiess- 
scharten. Unter  dem  Treppen- 
thurm des  alten  Hauses  etwa  und  unter  der  Ringmauer  hat  der  Burgfelsen  einen  starken 
Einschnitt;  ein  mächtiger  Entlastungsbogen  stützt  die  oberen  Mauern,  der  Felseinschnitt 
darunter  ist  mit  Mauerwerk  ausgefüllt.  — Daraus,  dass  der  jüngere  Palas  1434  das 
»nuwe  huss«  genannt  wird,  zu  schliessen,  dass  er  erst  kurz  vorher  erbaut  worden,  ist 
nicht  wohl  angängig;  er  kann  sehr  wohl  irgendwann  im  14.  Th.  entstanden  und  den 
Namen  im  Gegensatz  zu  dem  älteren  Bau  behalten  haben.  Zwischen  den  Treppen- 
thürmen beider  Bauten  lag  ein  kleineres  Gebäude,  das  mit  seinen  Mauern  von  nur 
ca.  65  cm  an  die  alte  mächtige  Aussenmauer  des  Beringes  angelehnt  worden  ist  und 
von  dem  wir  nichts  weiter  zu  sagen  vermögen.  In  seinem  unteren  Geschoss,  wo  bei 


npnmQEKOjpsFctv 
TAjJASEINqANCj 
TREPPE  nTuWTijK.' 


Fig.  61.  Die  südliche  Burghof  ecke. 


120 


KREIS  OFFENBURG. 


Fig.  62.  Eingang  in  den  Treppenthurm  des 
Südostpalas. 


den  Grabarbeiten  Pfeifenköpfe  gefunden  wurden,  ein  Schütt-  bezw.  Ausgussstein,  der 
auf  eine  ehemalige  Töpferei  deutet.  Darüber  Fenster  und  daneben  im  Erdgeschoss  ein 

zweites  jetzt  zugemauertes.  Auch  von  dem 
gegenüberliegenden,  an  die  Nordostmauer 
des  Burghofes  angelehnten  kleineren  Gebäude 
sind  nur  noch  die  Mauerzüge  erkennbar.  Es 
waren  drei  Räume  wohl  zu  wirthschaftlichen 
Zwecken  (Waschküche),  wie  aus  der  Gestalt 
auf  der  Grimmelshausen’schen  Zeichnung 
hervorgeht. 

An  der  Nordostwand  des  neuen  Hauses, 
die  Löcher  für  das  hier  angebrachte  Ge- 
länder noch  sichtbar,  nun  stieg  die  Treppe, 
welche  den  Zugang  zu  diesem  oberen  Bering 
bildete,  in  mehreren  Absätzen  empor.  Sie 
war  etwa  2,50  m breit;  einige  ihrer  alten 
Stufen  sind  noch  erhalten.  Der  Weg  über 
sie  durchschnitt  — nach  der  offenbar  recht 
getreuen  alten  Zeichnung  — den  kleinen 
Thurm,  dessen  Wendeltreppe  — heute  von 
der  Kellertreppe  des  neuen  Hauses  zugäng- 
lich — unter  ihr  hinunter  mit  vier  alten,  sonst 
erneuerten  Stufen  zum  Brunnenhaus  führte.  Nach  diesem  Thor  folgte  eine  Felsen- 
aussprengung  mit  einer  Fallbrücke,  über  die  man  in  ein  weiteres  Thürmlein  und  von  da 
in  den  innem  Hof  gelangte.  Das  auf  dem  unteren  Plateau  erbaute,  an  den  Felsen 
angelehnte,  eben  durch  jene  Wendeltreppe  zu- 
gängliche Brunnenhaus,  dessen  Mauern  noch 
ca.  1 J/2  m über  dem  Boden  stehen,  ist  zur  Ver- 
theidigung  eingerichtet  mit  5 Schiessscharten, 
worunter  auch  eine  zur  Durchführung  eines 
Geschützrohres  nachträglich  erweiterte.  Vom 
Wendeltreppenthurm  aus  führt  merkwürdiger 
Weise  eine  liegende  Scharte  in  das  Brunnenhaus. 

Es  umschliesst  den  etwa  2,80  zu  3 m (im 
Lichten)  weiten  Brunnenschacht,  der  durchaus 
sauber  und  präcis  ausgearbeitet  etwa  65  m tief 
hinunter  steigt.  Er  ist  in  den  Felsen  gesprengt 
und  nur  gegen  die  obere  Oeffnung  zu  auf  einer 
Höhe  von  etwa  5 m auf  eingezogenen  Flach- 
bogen gemauert,  um  den  Schacht  zu  verengern. 

Er  soll  etwa  300  Hektoliter  reinen  Quellwassers 
enthalten.  Im  Aeussern  umzog  das,  wie  alle 

Gebäude  aus  Bruchsteinen  des  Urgesteines  gemauerte  Brunnenhaus  ein  abgeschrägter 
Sandsteinsockel.  Nach  seiner  Verbindung  mit  der  oberen  Burg  und  seinem  Mauerwerk 
scheint  das  Haus  noch  zu  der  Anlage  des  13.  Jhs.  gehört  zu  haben.  Dies  kann 


Fig.  63.  Thurmkrönung  und  Heltnansatz 
am  Treppenthurjn  des  Südostpalas. 


AMT  LAHR.  — SCHONBERG.  (RUINE  HOHENGEROLDSECK.) 


I 2 I 


dagegen  von  den  in  dem  unteren  Plateau  in  Mauerspuren  noch  vorhandenen  Gebäuden 
nicht  sicher  mehr  ausgesagt  werden.  An  die  Nordwestmauer  angelehnt  war  ein  aus 
zwei  Räumen  bestehendes  Gebäude  (Stallung?),  mit  der  Nordostmauer  in  Verbindung 
ein  ausgedehnteres  mit  einem  Wendeltreppenthurm,  von  dessen,  im  Gegensatz  zu  den 
oberen,  dünnen  Mauern  noch  etwas  mehr  erhalten  ist  — letzteres  wohl  irgend  ein 
Dienerschaftswohngebäude.  An  der  Südostecke  vermuthete  man  ehemals  einen  Thurm, 
doch  giebt  das  geringe  hier  aufgedeckte  Mauerwerk  nur  Kunde  von  einem  zweigetheilten, 
viereckigen  Raum  (wohl  kaum  ein  Thurm). 

Die  äussere  Ringmauer,  in  der  Stärke  von  ungefähr  2 m zeigt  von  dieser  Südecke 
an  bis  etwa  in  die  Mitte  ihrer  Südwestausdehnung  den  oberen  Absatz  für  den  hier  auf- 
gesetzten Wehrgang  und  noch  weiterhin  die  Löcher  der  Balken,  die  diesen  stützten.1) 
An  ihren  Knicken  scheint  nach  der  alten  Zeichnung  die  Mauer  überall  mit  kleinen  erker- 
artigen Vorbauten  besetzt  gewesen  zu  sein.  In  der  Mitte  des  genannten  Theiles  finden 
wir  die  Reste  eines  Kamines  — möglicherweise  die  Burgschmiede  — und  daneben 

Arr  lac, 

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t4±l)  + ± 


Fig.  64.  Steinmetzzeichen  vom  Südostpalas  und  Treppenthurm. 

einen  aus  einem  Stein  gehauenen  runden  Abfluss.  Hier  auch  noch  die  abgespitzten 
Stufen  der  steinernen  Treppe  erkenntlich,  die  zum  Wehrgang  hinaufführte. 

So  steht  also  das  Bild  der  Burg  ziemlich  deutlich  vor  uns  — besonders  wenn 
wir  die  Grimmelshausen’sche  Zeichnung  auf  Grund  der  vorhandenen  Bauformen 
ergänzen ; deutlich  in  den  zwei  Palasen,  die  man  auch  wohl  Wohnthürme  nennen  könnte, 
ihren  Treppenthtirmen,  dem  Zugang  und  dem  Brunnenhaus.  Deutlich  auch  in  dem,  was 
fehlt,  einem  eigentlichen  Berchfried.  Nur  den  in  den  Urkunden  erwähnten  »Rupprecht- 
stock«  können  wir  nicht  bezeichnen,  auch  nicht  einmal  vermuthen,  welches  Gebäude 
in  ihm  gemeint  gewesen  sei,  ebensowenig  die  anderen  Stöcke,  während  das  sonstige 
»Gebuwe«  sich  leicht  aus  den  Resten  erklärt. 

Allzu  grosse  Zerstörungen  hat  die  Burg,  nach  dem  ganzen  Befund,  vor  der  Zer- 
störung durch  die  Franzosen  nicht  erlitten.  An  einigen  Stellen  nur  können  wir  die  wohl 
bei  der  pfälzischen  Belagerung  geschlagenen  Breschen  und  ihre  eilfertige  Ausbesserung 
nachweisen,  so  an  der  Südwestmauer  etwas  nördlich  der  Wehrgangstreppe. 


|w)  vv  xx 


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An  Brvhhehbw 

( yovc'j'f  ^CHARTE  ) 


1)  Der  Wehrgang  mit  seinen  Schiessscharten  bei  Grimmelshausen  sehr  deutlich. 


122 


KREIS  OFFENBURG. 


Ortsgeschichte 


SCHUTTERN 

Schreibweisen:  Scutura (?) ; Schuttura  nach  1129;  Schutera  1235;  Schötere  1258; 
Schutere  1258;  Schlittern  1328  etc.  (Nach  dem  Flussname  Schütter.) 

Archivalien  der  Gemeinde:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  15  (1893),  S.  102; 
Archiv  der  Reeder  von  Diersburg  ebenda  Nr.  16  (1894),  S.  113.  (Litteratur  siehe 
unter  Kloster.) 

Ortsgeschichte : Mit  der  Legende  von  dem  britischen  König  oder  Prinz  Offo 
verliert  sich  die  Geschichte  in  das  Sagenhafte.  In  der  That  wird  sich  wohl  aus  einer 
ursprünglichen  Ansiedelung  das  Dorf  allmählich  an  das  hier  gegründete  Kloster  angeschlossen 
haben.  Es  war  offenbar  alte  Geroldseckische  Besitzung,  gehörte  aber  zunächst  der  Linie 
Tiersperg,  die  auch  die  Kastvogtei  des  Klosters  hatten,  an  ihre  Stelle  traten  dann  die 
Geroldsecker.  Möglicher  Weise  damit  zugleich  ’)  wurde  es  zur  Stadt  erhoben,  als  welche 
es  in  dem  Vertrag  von  1327  genannt  wird.  Der  Abt  war  jetzt  Grundherr,  er  gestattete 
aber  den  Geroldseckern  »eine  statt  uff  des  closters  eigen  und  hofe  zu  buwende  und  zu 
machende  zu  Schlittern  in  gemarken  und  zilen,  als  die  in  derselben  statt  besonder  und 
ussgescheiden  sint«.  *)  Damals  stand  also  das  Schloss  mit  seinen  Burggräben,  die  in  dem 
Vertrag  genannt  sind,  schon,  wie  Ruppert  bemerkt,  es  mag  wohl  schon  von  den  Tiers- 
pergern  erbaut  worden  und  eine  (natürlich  kleinere)  Tiefburganlage  wie  Lahr  gewesen 
sein.2)  In  dem  Schwanauer  Krieg  zogen  die  Strassburger  mit  ihren  Schaaren  auch  vor 
dieses  Schloss,  verbrannten  es,  wobei  auch  Stadt  und  Kloster  in  Flammen  aufgingen,  und 
zerstörten  es  von  Grund  aus.  Wohl  wurde  das  Städtchen  wieder  aufgebaut,  vierzig 
Jahre  später  eben  der  Geroldsecker  halber  wieder  verbrannt,  zum  dritten  Male  dann 
1433  ü1  dem  Erbstreit  zwischen  Diebold  von  Hohengeroldseck  und  Mörs-Sarwerden. 
Diebolds  Bruder  wurde  bei  dem  Sturm  erschlagen.  Abermals  1473  zogen  die  Strass- 
burger gegen  Schuttern  gegen  Diebold  II.,  stürmten  es  und  rissen  es  nieder.  Da  nahm 
sich  der  Pfalzgraf  der  Sache  Diebolds  an.  Nach  den  Wirren,  die  dann  über  die  Gerolds- 
ecker kamen,  gelangte  es  endlich  wieder  an  Gangolf  zurück,  aber  seine  Bedeutung  war 
sehr  gesunken.  Bald  mussten  die  Geroldsecker  das  Schlösschen  verpfänden.  — - Das 
Dorf  — es  hatte  nach  1525 : nur  »31  hüser  von  gemeynen  lütten,  item  7 hüser  sind  diener 
des  apts  von  Schütter,  item  2 witwe  hüser,  item  1 1er  hüs«,  und  so  hiess  es  jetzt  an 
Stelle  von  Stadt  Flecken  — gehörte  wie  die  Abtei  zur  Landvogtei  Ortenau  und  wurde 
1805  badisch.  (Wth.) 


KLOSTER  SCHUTTERN 

Literatur:  Chronik  von  Schuttern  vom  9.  bis  15.  Jh.  bei  Mone,  Quellensammlung III, 
41  — 132.  — Anonymi  Chronicon  Coenobii  Schutterani  bei  Schannat,  Vindemiae 
litt.  I,  17  ff.  — Monumenta  historico-chronologica  monastica  collecta  a P.  Gallo 
Mezler,  herausgegeben  von  J.  G.  Mayer  im  Freib.  Diöz.-Arch.  XIV,  55  — 167. 
— Handschriftl.  Diarium  des  Abtes  JacobusII.  Vogler  von  1689  bis  1702  im 
Grossh.  Generallandesarchiv  (vgl.  Freib.  Diöz.-Arch.  III  [1868],  168  ff.,  und  XX,  126  ff). 

x)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  426. 

2)  S.  Näher,  Ortenau,  S.  40. 


AMT  LAHR.  - SCHUTTERN.  (KLOSTER  SCHOTTERN. ) 


I23 


Vgl.  May,  Zur  Kritik  der  Annalen  von  Schlittern.  Z.G.O.  NF.  VIII,  256 — 288.  — 

Ders.,  Paul  Volz  von  Offenburg  und  die  Annalen  von  Schuttern.  Leipz.  1898.  — 

H.  Bloch,  Die  Urkundenfälschungen  Grandidiers.  I.  Die  Kaiserurkunde  für  das  Kl. 

Schuttern.  Z.G.O.  NF.  XII,  460—471.  — A.  Gasser,  Grandidier  est-il  faussaire? 

Paris  1898. 

Trithemius,  Annal.  Hirsaug.  I,  151.  — Jod.  Coccius,  Dagobertus  Rex 
(Molsheim  1623),  S.  72 — 85.  — Austria  Sacra  II,  148 — 178,  400 — 435.  — Gerb  er  t, 

HNS.  I,  44  ff.  — Grandidier,  Hist,  de  l’eglise  et  des  eveques-princes  de  Stras- 
bourg I,  337 — 340,  und  Oeuvres  hist,  inedites  de  Grandidier  I (Colm.  1865), 

108 — 117.  — ■ Kolb,  Histor.  Topogr.  Lexikon  von  Baden  III,  191.  — Rettberg, 
Kirchengesch.  Deutschi.  II,  85.  — Friedrich,  Kirchengesch.  Deutsch!  II,  528  ff.  — 

Hauck,  Kirchengesch.  Deutsch!  i3  (1904),  350.  — Das  alte  Kloster  Schuttern  oder 
Offonszel!  Bad.  Landesztg.  1884  Nr.  157  II.  — Das  Kloster  Schuttern  und  seine 
Beziehungen  zur  Stadt  Lahr  und  Umgebung  nach  P.  Marquard  Benders  (1750)  Annalen. 

Anzeiger  f.  Stadt  und  Land  (Lahr)  1891  Nr.  135 — 136.  — Hennig,  Gesch.  des  Land- 
kapitels Lahr  (Lahr  1893)  S.  20 — 24.  — Wilh.  Weiss,  Gesch.  des  Landkapitels  Offen- 
burgin Fred.  Mones  »Die  bildenden  Künste  im  Grossherzogthum  Baden«  XIV,  20 — 23. 

— Ruppert,  Gesch.  der  Mortenau  I (1883),  425 — 440.  — Krieger,  Topograph. 

Wörterbuch  II2,  918 — 923. 

Geschichtliches:  Die  Anfänge  dieser  frühesten  klösterlichen  Niederlassung  des  Geschichtliches 
bad.  Landes  verlieren  sich  in  völligem  Dunkel.  Die  älteste  Bezeichnung  Offoniswilare  oder 
Offunwilare,  die  in  Urkunden  aus  dem  ersten  Viertel  des  9.  Jhs.  begegnet,  macht  es  ziemlich 
wahrscheinlich,  dass  die  Klostergründung  an  eine  schon  vorhandene  bürgerliche  Nieder- 
lassung anknüpfte  und  dass  Offoni  nur  als  Namengeber  bezw.  ursprünglicher  Besitzer, 
vielleicht  auch  als  Gründer  der  letzteren,  nicht  aber  der  ersteren  in  Betracht  kommen 
kann.  Die  spätere  Tradition  kehrte  dieses  Verhältniss  um  und  identifizirte  den  Kloster- 
gründer (603)  mit  dem  irischen  König  oder  könig!  Prinzen  Offa,  dessen  Schicksale  durch 
Beda  (Hist.  eccles.V,  19)  bekannt  waren,  und  dem  man  in  gleicherweise  auch  die  Gründung 
von  Offenburg  zuschrieb.  Die  Entstehung  dieser  Legende  giebt  sich  in  der  späteren 
Benennung  Offoniscella,  Kloster,  nicht  Weiler  des  Offoni  (1016  in  einer  Urk.  Hein- 
richs II.;  schon  964  in  einem  gefälschten  Diplom),  zu  erkennen;  sie  wird  noch  später 
gefestigt  durch  Errichtung  eines  Grabes  und  durch  die  liturgische  Feier  des  Jahres- 
gedächtnisses des  Heiligen  (14.  Januar).  Nicht  unwesentlich  mag  zur  Bildung  der  Legende 
die  durch  die  Verbrüderungsliste  der  Reichenau  belegte  Anwesenheit  von  angelsächsischen 
Klosterinsassen  beigetragen  haben.1) 

Diese  Liste  im  Verbrüderungsbuch  von  Reichenau,  sowie  das  Capitulare  Ludwigs 
des  Frommen,  in  dem  es  unter  den  14  bedeutendsten  Reichsabteien  rangirt,  die  zu 
Abgaben  und  Stellung  von  Mannschaften  in  Kriegsfällen  verpflichtet  sind  (dona  et 
militiam  facere  debent), 2)  lassen  Schuttern  als  ein  stark  besiedeltes,  hochangesehenes 
Kloster  erscheinen,  dessen  Anfänge  noch  über  das  8.  Jh.  hinabreichen.  Zwar  lässt  sich 
der  geschichtliche  Wert  der  Urkunde,  durch  die  K.  Dagobert  auf  Anregung  des  Bischofs 

1)  Die  indifferente  Bezeichnung  Scutura,  Schuttern,  nach  dem  Flüsschen,  kommt  schon  in  der 
Vita  S.  Pirminii  (Mon.  Germ.,  Sript.  15,  26)  vor  und  wird  im  spätem  Mittelalter  die  ausschliesslich 
übliche. 

2)  Mon.  Germ.,  Legg.  Sect.  II.  Tom.  I (Capitu!)  350. 


KREIS  OFFENBURG. 


I 24 

Arbogast  der  Niederlassung  einen  Hof  in  Herlisheim  geschenkt  haben  soll  (630,  bezw. 
705),  J)  heute  nicht  mehr  festhalten,  nachdem  sie  als  Fälschung  des  12.  Jhs.  erkannt  ist. 
Zur  Zeit  Pirmins  aber  bestand  jedenfalls  schon  eine  Klosterniederlassung  in  Schuttern, 
denn  dieser  Reformator  des  alemannischen  Mönchsthums  gab  ihr  eine  feste  Kloster- 
regel, d.  h.  die  des  h.  Benedikt  (vgl.  Gerbert,  HNS  I,  45).  In  vorpirminischer  Zeit 
war  die  Organisation  wahrscheinlich  wie  in  Ettenheimmünster  und  Honau  eine  weniger 
feste,  bei  der  das  monachale  Leben  mehr  die  Form  des  Eremitenthums  annahm.  Auch 
das  Kloster  Münster  im  Gregorienthai  (Eis.),  dessen  Gründung  legendarisch  zur  selben 
Zeit  wie  die  von  Schuttern  erfolgt  sein  soll,  hat  die  gleiche  Entwickelung  aufzuweisen. 
Vielleicht  lässt  sich  damit  auch  die  Thatsache  in  Zusammenhang  bringen,  dass  die 
Klosterkirche  von  Schuttern  zwei  Kirchenpatrone  aufzuweisen  hat,  S.  Maria  bezw.  der 
spätere  Titulus  Assumptio  beatae  Mariae  Virg.  und  Peter  und  Paul. 

Die  lange  Abtsliste,  welche  die  Klosterchronisten  Volz  und  Mezler  für  die  Früh- 
zeit aufstellen,  und  Grandidier  (Hist,  de  l’egl.  de  Strasb.  I,  337  ff.)  und  Kolb  (a.  a.  O.) 
wiederholen,  muss  als  völlig  unhistorisch  abgelehnt  werden.  Für  die  Reihenfolge  der 
Aebte  bis  ins  i2.Jh.  hat  Fred.  Mone  in  seiner  gründlichen  Einleitung  zur  Kloster- 
chronik2) hinreichend  Klarheit  geschaffen.  Geschichtlich  beglaubigt  sind  .als  erste 
Schütterer  Aebte  nur  die  fünf  dem  Ende  des  8.  und  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jh.  an- 
gehörenden, im  Reichenauer  Verbrüderungsbuch  aufgeführten,  Beretrich,  Erchanpert, 
Weinbert,  Adalbert,  Petrus.3) 

Für  das  J.  937  oder  938  ist  der  erste  grosse  Klosterbrand  bezeugt;  Bischof 
Erchenbald  von  Strassb.  konsekrirt  zu  Beginn  seiner  Regierung  (965)  die  neue  Kirche.4) 
Was  Trithemius5)  kurz  hernach  (963)  von  einem  Reformkonzil  in  Worms  und  der 
Schlichtung  eines  langjährigen  Streites  zwischen  dem  Kloster  und  dem  Weltklerus  wegen 
verschiedener  Servitien  und  des  Todgefälles  zu  berichten  weiss,  kann  auf  historische 
Giltigkeit  keinen  Anspruch  erheben;  hingegen  kann  die  bemerkenswerthe  Begünstigung 
der  Abtei  durch  Otto  II.  und  Heinrich  II.  nicht  bestritten  werden,  auch  wenn  verschiedene 
darauf  sich  beziehende  Urkunden  bei  Grandidier  Fälschungen  sind.  Otto  II.  verlieh  975 
das  Recht  der  freien  Abtswahl6)  und  Heinrich  II.  hob  die  durch  Brand  und  anderes 
Unglück  in  tiefste  Armuth  gerathene  Abtei  dadurch,  dass  er  unter  Bestätigung  ihrer 
Privilegien  sie  mit  anderen  alemannischen  Klöstern  als  Lehen  dem  neugegründeten  Bisthum 
Bamberg  und  zugleich  dessen  Schutze  gegen  die  Willkür  der  Kastvögte  unterstellte7)  1009 
und  1016.  Gleichzeitig  erfolgte  die  Zuweisung  von  Gütern  in  Heiligenzell,  Friesenheim, 
Plobsheim,  Oberschopfheim,  Zuntzweier,  Kürzel,  Almenschweier  und  Ottenheim,  mit 
denen  der  jeweilige  Abt  bei  seiner  Investitur  vom  Bischof  von  Bamberg  belehnt  wurde.8) 
Heinrich  II.,  der  auf  einer  Reise  von  Basel  nach  Strassburg  eine  Nacht  in  Schuttern 

4)  Oberrh.  Ztschr.  III,  94.  Erstmals  von  Coccius  in  Dagobertus  Rex  erwähnt  S.  75  ff. 

2)  Quellensammlung  III,  50 — 57. 

8)  Mon.  Germ.  Libri  Confraternit.,  ed  Pieper,  p.  213.  Abt  Petrus  ist  auch  im  Reichenauer 
Todtenbuch  zum  21.  Febr.  (ca.  830)  vermerkt  (Mon.  Germ.,  Necrol.  Germ.  I,  273. 

4)  Gerbert,  HNS.  I,  197. 

5)  Annal.  Hirs.  I,  108. 

6)  Mon.  Germ.,  Dipl.  reg.  et  imper.  Germ.  2,  138. 

7)  Trithemius,  Annal.  Hirs.  I,  1 5 1 . Schannat  Vindem.  lit.  I,  19. 

8)  Krieger,  Topogr.  Wörterbuch  H,  918. 


AMT  LAHR.  — SCHOTTERN.  (KLOSTER  SCHOTTERN.) 


I25 


zugebracht,  galt  in  der  Folge  geradezu  als  zweiter  Gründer;  sein  Gedächtniss  wurde  als 
festum  duplex  secundae  clorsis  gefeiert. 

Aus  dem  12.  und  13.  Jh.  berichtet  die  Klostertradition  von  zwei  grossen  Bränden, 
um  11 6g  in  Folge  des  Ueberfalles  durch  Graf  Berthold  von  Neuenburg1)  und  1240  unter 
Abt  Heinrich.  Bald  nach  der  letzteren  Katastrophe  wurde  eine  kleine  Marienkapelle  kon- 
sekrirt,  welche,  wie  auch  das  Johannesspital,  bis  zur  Wiederherstellung  der  Klosterkirche 
für  den  Gottesdienst  in  Gebrauch  genommen  wurde  (abgebrochen  unter  Abt  Konrad 
Frick  1527).2)  Schon  1153  war  das  Innere  des  Chores  durch  Feuer  schwer  beschädigt 
worden.  1155  fand  danach  die  Konsekration  des  wiederhergestellten  Chores  statt : 
usque  ad  parietem,  qui  ecclesiae  corpus  a choro  disterminat.  Mit  dem  Hochaltar  wurden 
noch  drei  Seitenaltäre  konsekrirt.  Abt  Friedrich  (1256 — 62)  wie  sein  Nachf.  Hermann 
von  Burner  (1262 — 95)  besassen  beachtenswerthe  Grabmonumente  in  der  neuen  Kirche 
mit  entsprechenden  Inschriften.3)  Der  Wiederaufbau  nach  der  Brandkatastrophe  von 
1240  ging  offenbar  sehr  langsam  vor  sich.  1268  konnte  erst  der  Aussentheil  des 
Gotteshauses,  corpus  ecclesiae  nempe  pars  exterior  monasterii,  geweiht  werden  und 
zwar  durch  den.  im  gleichen  Jahr  auch  in  Freiburg  nachweisbaren  Albertus  Magnus.4) 
Die  eigentliche  Konsekration  wurde  aber  erst  1283  vorgenommen  und  zwar  an  der 
Kirche  und  an  sechs  Altären,  darunter  ein  hochgelegener  Altar  (altare  superius  in 
testudine)  offenbar  über  der  Eingangshalle  in  einem  Obergeschoss  zu  Ehren  des 
h.  Michael  und  aller  h.  Engel.  Die  Ruhestätte  der  Prälaten  im  Kreuzgang  vor  dem 
Kircheneingang,  die  zu  gleicher  Zeit  konsekrirt  wurde,  trug  die  Aufschrift:  Coemeterium 
hoc  venerabilium  Abbatum  huius  Monasterii  Schuttern  Anno  Domini  MCCLXXXIII  XIX 
Cal.  Dec.  sub  Abbate  Hermanno  de  Burner,  quousque  est  consecratum,  quousque  incisae 
pictaeque  Cruces,  muros  utrosque  insignient. 3)  Unter  diesem  letztgenannten  Abt  erhielt 
das  Gotteshaus  ein  neues  Monument  des  Stifters  Offo,  eine  Sakristei,  deren  Baudatum 
der  Custos  und  Chronist  Nikolaus  von  Gerau  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhs. 
fand  in  defluxu  muri  versus  orientem : 1290  Hermannus  abbas,  Gotfridus  custos  me 
fecerunt;  ferner  zwei  silbervergoldete  Vortragskreuze,  deren  eines  verschiedene  bildliche 
Darstellungen  hatte.  Von  Strassburg  kam  nebst  anderen  Passionsreliquien  eine  Reliquie 
vom  kostbaren  Blut.5)  Eine  Quelle  unaufhörlicher  Belästigungen  und  Schädigungen  während 
des  ganzen  Mittelalters  bildete  das  Verhältniss  zu  den  Kastvögten,  wodurch  Schuttern 
wiederholt  dem  Untergang  nahegebracht  wurde.  Zur  Hebung  seiner  materiellen  Lage 
wurden  der  Abtei  eine  Anzahl  Pfarreien  inkorporirt,  so  Wippertskirch  und  Unter- 

1)  Grandidier,  Oeuvres  inedites  I,  1 1 5 und  Freib.  Diöz.-Arch.  XIV,  159.  — Mone,  Quellen- 
sammlung III,  91. 

2)  Grandidier,  1.  c.  p.  117.  — Ruppert,  Mortenau  I,  436. 

3)  Schannat,  1.  v.  p.  20.  — Mone,  Quellensammlung  III,  97. 

3)  Mone,  Quellensammlung  III,  99,  und  Schannat,  Vind.  litt.  I,  20.  Ueber  andere  Grab- 
legen von  Tierspergern  und  Geroldseckern  im  Kloster  Schuttern  vgl.  Mone,  Quellensammlung  III,  96  ff. 

4)  Ueber  die  Anwesenheit  des  Seligen  am  Oberrhein  i.  J.  1268  vgl.  Michael,  Gesch.  des 
deutschen  Volkes  III,  104. 

5)  Freib.  Diöz.-Arch.  XIV,  159.  Das  alljährlich  am  Freitag  nach  Weissen  Sonntag  abgehaltene 
Fest  vom  kostbaren  Blut  wurde  von  zahlreichen  Wallfahrern  besucht.  Nach  Coccius  (Dagobertus 
Rex,  p.  81)  hat  der  berühmte  Tübinger  Theologe  Konrad  Summenhart,  der  1502  im  Kloster 
Schuttern  starb  und  in  der  dortigen  Kirche  beigesetzt  wurde,  eine  besondere  Abhandlung  De  sanguine 
Christi  geschrieben,  die  handschriftlich  in  der  Klosterbibliothek  aufbewahrt  wurde.  Vgl.  auch  Mone, 
Quellensammlung  III,  106  ff. 


KREIS  OFFENBURG. 


I2Ö 

Bahlingen  (127 6),1)  Friesenheim  (1290),  Sasbach,  Kürzel  und  Zunzweier  (1325), 2)  und 
Köndringen  (1328).  Die  letztere  Inkorporation  ist  ausdrücklich  damit  motivirt,  dass 
das  Kloster  durch  Plünderungen  einiger  Adliger  in’s  tiefste  Elend  gerathen  sei,  so  dass  die 
Insassen  wiederholt  an  verschiedenen  Orten  getrennt  leben  mussten,  und  ausdrücklich 
wird  in  dem  Schreiben  Johanns  XXII.  über  die  Inkorporation  Köndringens  festgestellt, 
dass  die  Beeinträchtigungen  des  Klosters  von  Parteigängern  Ludwigs  des  Bayern  erfolgt 
seien.3)  Ueber  die  Mehrzahl  dieser  Kirchen  stand  der  Abtei  schon  vorher  das  Patronats- 
recht zu.  Besonders  verhängnisvoll  für  das  Kloster  war  die  Fehde  mit  den  Städten 
Kenzingen  und  Endingen  zu  Anfang  1304,  wobei  u.  a.  auch  das  Grabmonument  Offos 
zu  Grunde  gegangen  sein  soll;  und  der  Strassburger  Krieg  gegen  die  Herrn  von 
Geroldseck,  dem  1333/34  das  Kloster  zum  Opfer  fiel;4)  ein  zweites  Mal  wurde  es,  eben 
erst  aufgebaut,  durch  die  Strassburger  1372  zerstört. 

Das  Vogteirecht  über  die  Abtei  stand  ursprünglich  den  Herzogen  von  Zähringen 
zu,  ging  von  diesen  auf  die  Grafen  von  Diersburg  (Tiersperg)  und  zu  Anfang  des  1 4.  Jhs. 
an  die  Geroldsecker  über.5)  Die  beiderseitigen  Verpflichtungen  waren  durch  eine  Anzahl 
Verträge  normirt,  die  ein  gutes  Bild  über  die  Entwickelung  dieser  Institution  gewähren. 
Der  Klostervogt  hatte  die  Gerichtsbarkeit  in  Kriminalfällen,  während  die  niedere 
(über  dub  und  vrevel)  dem  Abte  zustand;  von  den  Gerichtsgebühren  hatte  der  Vogt 
ein  Drittel,  der  Abt  zwei  Drittel.  Ausserdem  beanspruchte  der  Erstere  Naturalienabgaben, 
Steuern  im  Dorfe  Schlittern  und  Reisekosten,  was  das  Kloster  möglichst  in  eine  feste 
Abgabe  umzuwandeln  suchte.  Sonderbestimmungen  regelten  auch  das  Verhältniss  der 
Klosterleute  zum  Kloster  und  dessen  Vogt.6)  Mit  der  Erhebung  Schutterns  zur  Stadt 
(1327)  wurde  die  Sicherheit  des  Klosters  noch  mehr  gefährdet,  als  schon  bisher.  Trotz- 
dem K.  Sigismund  1418  ihm  seinen  besonderen  Schutz  zugesagt,  zogen  die  Gerolds- 
ecker Vögte  es  in  ihre  unselige  Streitpolitik  hinein.  Im  Kriege  Diebolds  I.  gegen  Moers- 
Sarwerden  waren  die  Klostergebäude  z.  T.  zu  Vertheidigungszwecken  umgewandelt  und 
benutzt  und  deren  Insassen  zur  Auswanderung  genöthigt  worden,  bis  1434  der  frühere 
Zustand  wiederhergestellt  werden  konnte.  Im  Pfälzer  Krieg  kam  die  Kastvogtei  über 
Schuttern  1497  an  den  Pfalzgrafen;  1506  konnte  sie  von  K.  Maximilian,  der  im 
bayerischen  Krieg  in  Schuttern  einzog,  der  Familie  Geroldseck  wieder  zurückgegeben 
werden,  wenngleich  die  Aebte  nach  einander  dagegen  protestirten  und  wiederholt  beim 
Hause  Habsburg  Schutz  und  Recht  suchen  mussten. 

Zur  inneren  Reform  des  Klosters  wurde  Ende  des  15.  Jhs.  von  Hirsau  aus  eine 
tüchtige  Persönlichkeit  als  Abt  nach  Schuttern  geschickt,  Johann  von  Widel,  der  das 
Kloster  der  Bursfelder  Kongregation  anschloss.  Der  Bauernkrieg  hatte  für  die  Abtei 
und,  wie  besonders  erwähnt  wird,  für  deren  Kirchenschatz  schwere  Schädigungen  zur 
Folge;  der  Konvent  musste  zeitweilig  das  Kloster  verlassen.  Aber  auch  später  noch, 

x)  Regesten  der  Bischöfe  von  Konstanz  I,  278. 

2)  Vgl.  die  betreffende  Bulle  Johanns  XXII.  und  das  Erläuterungsschreiben  des  Strass- 
burger Bischofs  Johanns  I.,  Freib.  Diöz.-Arch.  XIX,  305. 

3)  Regesten  der  Bischöfe  von  Konstanz  II,  132.  Die  vorn  Bischof  vorgenommene  Inkor- 
poration erfolgte  erst  1332,  ebenda  p.  148. 

4)  Vgl.  Vita  Bertholdi  de  Buochecke  bei  Studer,  Die  Chronik  des  Matthias  von  Neuenburg, 
Bern  1866,  S.  230. 

5)  Vgl.  Mone,  Quellensammlung  III,  57  ff- 

6)  Vgl.  Mone  a.  a.  O.  — Ruppert,  a.  a.  O.  426  ff. 


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Band  VII,  Zu  Seite 


(Siehe  Narh 


Fig.  65  a.  Ansicht  des  Klosters  Schlittern  vor  feiner  Zerstörung. 
(Radierung  des  F.  X.  Schönbachl.) 


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AMT  LAHR.  — SCHUTTERN.  (KLOSTER  SCHUTTERN.) 


127 


selbst  noch  im  18.  Jh.,  hören  wir  von  grosser  Unzufriedenheit  der  dem  Kloster 
inkorporirten  Ortschaften.  In  ihnen  hatte  auch  von  allem  Anfang  an  die  Reformation 
starke  und  leichte  Verbreitung  gefunden,  während  die  Klosterinsassen,  mit  seltenen 
Ausnahmen,  wie  der  Klosterchronist  Paul  Volz,  der  alten  Lehre  treu  blieben.  Zum 
Elend  der  Zeiten,  das  vor  Allem  in  Form  von  Türken-  und  Reichssteuern  schwer 


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Kirche  zu  Schuttern 


drückte,  kam  1548  noch  ein  Brand,  der  sämmtliche  Gebäulichkeiten  einäscherte.  Die 
immer  mehr  sich  häufenden  Reichsabgaben,  die  unaufhörlichen  Kriegszüge  im  17. 
und  18.  Jh.,  denen  Schuttern  als  wehrloses  Opfer  preisgegeben  war,  die  Sperrung  oder 
Wegnahme  der  Einkünfte  durch  Schweden  und  die  Markgrafen  von  Baden,  brachten 
die  alte  Niederlassung  wiederholt  an  den  Rand  des  Verderbens.  1744  verhütete  der 
französische  Dauphin,  der  4 Tage  im  Kloster  weilte,  den  gänzlichen  Ruin  durch 


128 


KREIS  OFFENBURG. 


Pfarrkirche 


Thurm 


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Fig.  66.  Thurmfagade  der  Kirche  in  Schlittern. 


materielle  Unterstützung.  Zur  Erinne- 
rung an  den  Durchzug  der  Marie 
Antoinette  (1770)  erhielt  der  Abt  ein 
kostbares  Pektorale  und  eine  goldene 
Medaille.  Unter  dem  letzten  Abt 
Placidus  Bacheberle  wurde  das  Stift 
säkularisirt  (1803).  (Sauer.) 

Von  den  mittelalterlichen  Kloster- 
bauten steht  heute  nichts  mehr.  Die 
grossen  Brände  und  Zerstörungen  von 
1334,  am  Ende  des  14.  Jhs.,  sowie 
1433,  dann  aber  vor  Allem  die  Ein- 
äscherung durch  die  Franzosen  haben 
nichts  davon  übrig  gelassen.  Möglich, 
dass  ein  unten  erwähnter  romanischer 
Thürsturz  von  Kloster  oder  Kirche 
stammt,  sicher  ist  es  nicht.  Der  Ver- 
lust ist  für  die  Kunstgeschichte  des 
rechten  Oberrheins  aufs  Höchste  zu 
beklagen,  da  dies  so  bedeutende  wie 
alte  Kloster  baulich  sowohl  wie  in 
seiner  Ausstattung  vom  höchsten 
Interesse  gewesen  sein  muss. 

Die  heutige  kath.  Pfarrkirche 
(ad  S.  Virginem  Mariam  Assumtam)  ist 
ein  wirkungsvoller  Bau  des  18.  Jhs,, 
der  nach  einem  Brande  im  19.  Jh.  in 
seiner  Thurmbedachung  und  in  seiner 
Innenausstattung  renovirt  worden  ist 
(s.  Fig.  65).  Eine  einschiffige,  kreuz- 
förmige Kirche,  die  Ecken  des  Quer- 
schiffs und  des  Chors  konkav,  die 
Wände  dieser  Theile  konvex  ge- 
schwungen bezw.  ausbauchend.  Der 
Chor  enthält  zu  beiden  Seiten  Sakri- 
steien. Dem  Langhaus  ist  der  Thurm 
vorgelagert,  der  etwa  der  Chorbreite 
entspricht  und  daher  zu  beiden  Seiten 
von  langgestreckten  einstöckigen  Vor- 
hallen begleitet  wird,  die  mit  einer 
Plattform  abgedeckt  und  mit  einer 
Balustrade  umgeben  sind,  so  dass  der 
Thurm  daraus  hervorzuwachsen  scheint 
(vergl.  Fig.  66).  Das  Erdgeschoss  des 
Thurmes  enthält  die  geradsturzige  Thür, 


Fig.  6y.  Die  unteren  Thurmgeschosse  der  Kirche  zu  Schlittern. 


Band  VII.  Zu  Seite  129. 


*■ 


AMT  LAHR.  — SCHUTTERN.  (KLOSTER  SCHUTTERN.) 


129 


welche  flankirt  wird  durch  je  zwei  dorisirende  Vollsäulen  mit  Rustikaringen  auf  jeweils 
gemeinsamem  Sockel,  die  den  dorischen  Triglyphenfries  mit  verkröpftem  Gebälk  tragen 
(s.  Fig.  67).  Ueber  dem  Wappen  des  Hauptportals  zieht  sich  dies  Gebälk  in  einer 
geschwungenen  Linie  herum.  Darüber  ein  von  Voluten  flankirter  Aufsatz,  der  in  hübschem 
Bänderrahmen  ein  Relief,  Halbfigur  der  Madonna  mit  Kind  enthält.  Ein  flachbogiger 
Giebel  schliesst  diesen  Aufsatz  ab;  in  dem  Giebelfeld  Puttenköpfchen  mit  dem  Auge 
Gottes  und  auf  dem  Giebel  die  Freifigur  der  Madonna  mit  dem  Kind. 

In  flotter  Rocaillecartouche  über  dem  Hauptportal  das  Wappen  Schutterns  (der 
Pelikan)  (s.  Fig.  68),  unter  demselben  steht: 

AEDES  HAS.  B.  V.  MARIAE  ASSUNTAE  • SACRAS 
EXTRUXIT  EXCELLENTISSIMUS  D.  D.  CAROLUS 
ABBAS  • MDCCLXXIII 


Zu  beiden  Seiten  die 
Fenster  der  Vorhallen  mit  ge- 
schwungenem Gebälk  und 
Konsole,  darüber  Rocaille- 
cartouchen  und  Füllfelder. 

Die  Ecken  der  Vorhalle  durch 
Pilaster  gebildet  vor  einer 
Scheinquaderung.  Der  um  die 
ganze  Vorhalle  sich  herum- 
ziehende Triglyphenfries  ist 
an  Stelle  der  Metopen  mit 
Früchtekränzen  geschmückt. 

Eine  Balustrade  mit  bauchigen 
Rocaillevasen  krönt  die  Vor- 
halle; neben  dem  Portalauf- 
satze stehen  die  flotten  Barock- 
figuren eines  Kaisers  und 
eines  Königs  mit  jeweils 
einer  Kirche  im  Arm,  wohl 
Heinrichs  II.  und  des  sagen- 
haften Offo.  Ueber  den  Vor- 
hallen erheben  sich  die  zwei  viereckigen  Geschosse  des  Thurmes  unten  mit  dorischen, 
oben  mit  jonischen  Pilastern  und  entsprechenden  Vollsäulen  an  den  eingeschnittenen 
Ecken,  die  verkröpftes  Gebälk  tragen ; das  obere  Stockwerk  von  einer  Balustrade 
gekrönt.  Darüber  dann  das  Achteckgeschoss  mit  korinthischen  Dreiviertelsäulen  an 
seinen  Ecken  und  den  Figuren  zweier  mönchischer  Heiligen;  die  Bedachung  ist  nicht 
gerade  günstig  im  19.  Jh.  ergänzt  worden. 

Der  Thurm  besteht  durchaus  aus  bestem  Sandstein ; das  Langhaus  dagegen  zeigt 
den  Sandstein  nur  an  den  architektonischen  Gliederungen  und  ist  sonst  aus  verputztem 
Bruchsteinmauerwerk  errichtet.  Mächtige  Pilaster  gliedern  das  Langhaus  und  flankiren 
die  abgerundeten  Ecken,  sie  tragen  ein  hohes  verkröpftes  Gebälk  mit  Tröpfchen. 
Zwischen  ihnen  unten  kleinere,  theilweise  blinde  Fenster,  oben  hohe  flachrundbogige 
Fenster  mit  kleinen  Konsolen  im  Sturz,  die  sich  an  das  Gebälk  anschliessen. 


Fig.  68.  Wappen  über  dem  Portal  der  Kirche  in  Schuttern. 


Band  VII. 


9 


Portalthüren 

Altäre 


Gemälde 


Holzskulpturen 

Glocken 

Schrank 

Paramente 


130  KREIS  OFFENBURG. 

Wir  haben  in  der  Kirche  einen  hervorragenden,  äusserst  gut  durchdachten  und 
dabei  doch  frisch  wirkenden  Barockbau  vor  uns,  der  alle  andern  derartigen  Provinz- 
bauten weit  überragt  und  es  ist  nicht  nur  die  allgemeine  Aehnlichkeit  gleichzeitiger 
Bauten,  sondern  verschiedentliche  nahe  Verwandtschaft  zu  dem  Palais  der  Rohan  in 
Strassburg,  die  uns  vermuthen  lässt,  dass  der  Erbauer  der  Kirche  in  einem  nahen  Schul- 
verhältniss  zu  dem  Architekten  des  Palais  gestanden  haben  mag. 

Das  einschiffige  Innere  hat  leider  bei  dem  Brande  besonders  gelitten  und  ist  dess- 
halb  stark  modernisirt.  Zwei  Reihen  schwach  hervortretender  Pilaster  übereinander  mit 
entsprechendem  Gebälk  gliedern  die  Wände  und  ziehen  sich  um  Querschiff  und  Chor 
herum.  Diese  doppelte  Pilasterstellung  hat  ihren  Grund  in  der  ehemals  im  Langhaus 

vorhandenen  Empore,  die  in  unserm  Grundriss  ge- 
strichelt eingezeichnet  ist.  Von  ihr  steht  noch  der 
an  den  Thurm  anschliessende  Theil  auf  zwei  Pfeilern 
und  zwei  Säulen  mit  einer  ähnlich  wie  im  Aeusseren 
behandelten  Balustrade.  Das  wegen  des  Balkenauflagers 
Schwächer-Werden  der  Wände  und  eine  diesbezügliche 
schriftliche  Notiz  im  Pfarrhaus  beweist  die  angedeutete 
Fortführung.  Aus  dieser  Empore  erklärt  sich  auch  die 
doppelte  Fensteranlage ; da,  wo  die  Empore  noch  vor- 
handen, sind  die  unteren  Fenster  nicht  blind.  — Die 
Kirche  hat  heute  eine  neue,  flache  Balkendecke. 

Auch  die  Ausstattung-  ist  natürlich  nur  noch  zum 
kleinsten  Theil  die  ursprüngliche.  Alt  die  schönen, 
geschnitzten,  in  ihrem  oberen  Theil  mit  Wappen  be- 
krönten, Thürflügel  des  Portals.  Der  Hochaltar  und 
die  Seitenaltäre  — wenn  auch  gleichzeitig,  vielleicht 
doch  nicht  für  Schlittern  gearbeitet  — sind  die  üblichen, 
nicht  besonders  hervorragenden  Säulen  - Altäre  der 
Barockzeit.  Auf  dem  Hochaltar  eine  geschnitzte 
Kreuzigungsgruppe  und  ein  Gemälde  der  Himmelfahrt 
Christi,  auf  dem  rechten  Seitenaltar  Kreuzigung  und 
darüber  h.  Martyr,  auf  dem  linken  Maria  in  Wolken 
mit  Engeln,  darüber  ein  h.  Dominikaner.  Alles  Durch- 
schnittsbilder des  18.  Jhs.  Aehnlich  an  den  Wänden 
des  Langhauses  die  Himmelfahrt  eines  graubärtigen  bischöflichen  Heiligen,  ein  h.  Sebastian 
und  eine  Copie  des  Rubenschen  Kindermordes;  geringer  und  theihveise  übermalt  Jacob 
und  Rebecca  und  Esther. 

An  Holzskulpturen  findet  sich  ausser  der  der  Kreuzigungsgruppe  des  Hochaltars 
und  einer  rohen  Pietä  noch  ein  eindrittellebensgrosser  manirirter  Barockcrucifixus,  eine 
recht  gute  Arbeit. 

Die  Glocke7i  der  Kirche  sind  neu. 

In  der  Sakristei  ein  Schrank  mit  guter  Rocailleschnitzerei,  einige  Casein  und 
Levitengewänder  und  einige  nennenswerte  Kirchengeräthe'.  eine  silbervergoldete, 
getriebene  Monstranz  mit  Steinauflagen,  Silberfiligran,  getriebenem  Verkündigungsrelief, 
noch  vom  Anfang  des  18.  Jhs.  Das  Zeichen  verwischt.  Geringes  Versehkreuz.  Cuter 


AMT  LAHR.  — SCHOTTERN.  (KLOSTER  SCHOTTERN. 


Fig.  70.  Madonnenstatue  am  Pfarrhaus  in  Schlittern. 


Rocaillekelch,  silbergetrieben  und  vergoldet,  mit  Emails  am  Fusse  (s.  Fig.  6g),  den  Buch- 
staben LH.,  den  verwischten  Wappen,  darüber  1787  und  darunter  7.  O. 

Ein  silbergetriebenes  Weihrauchschiffchen  mit  grossem  Blumenmuster,  wohl  noch 
aus  dem  17.  Jh. 


9: 


132 


KREIS  OFFENBURG. 


Pfarrhaus 


Fig.  71.  Ziehbrunnen  von  1623  in  Schuttern. 


Auf  den  Schränken  holzgeschnitzte  Putten,  wohl  von  früherer  Dekoration. 

An  den  Chor  stösst  ein  Rest  des  ehemaligen  Klosters  an,  der  jetzt  als  Pfarrhaus 
dient,  ein  Bau  des  16.  bezw.  17.  Jhs.,  der  im  18.  renovirt  worden.  Ein  Portal  mit 
gebrochenem  Giebel  führt  zum  Pfarrhaus.  Es  zeigt  die  Inschrift : 

refeCtorI  VM 
ABBATE  pLaCID  • TERTlO 
eXtorto 

renoVatVr  et  eXornatVr, 


AMT  LAHR.  — SCHUTTERN.  (KLOSTER  SCHUTTERN.) 


133 


also  1788.  Die  reichgeschnitzte  Thür,  welche  ehemals  den  Kellereingang  verschloss, 
soll  angeblich  vor  einigen  Jahren  nach  Karlsruhe  verkauft  worden  sein.  Pfeiler  an  der 
Treppe  im  Innern,  auf  mit  eierstabverzierten  Konsolen  stammen  noch  vom  ehemaligen 
Renaissancebau.  Im  Pfarrhaus  die  Kupferplatte  mit  dem  Grundriss  des  Klosters  (s.  Fig.  65) 
und  ein  gutes  Gemälde : Brustbild  des  letzten  Mönches. 

An  der  Ecke  des  Pfarrhauses  gegen  den  Garten  zu  jetzt  aufgestellt  die  halblebens- 
grosse Sandsteinfigur  der  gekrönten  Madonna  mit  Kind  (s.  Fig.  70),  ein  Werk  aus  den  Madonnenstatue 
ersten  Jahrzehnten  des  16.  Jhs.,  das  sich  weiter  als  es  die  schwer  herzustellende  Photo- 
graphie zeigt,  über  den  Durchschnitt  erhebt. 

Im  Pfarrhausgarten  steht  auf  einem  Steinpfosten  eine  Sonnenuhr,  auf  der  gravirten 
Zinkplatte  das  Schütterer  Abtswappen  im  Styl  des  späten  17.  Jhs.  Ebenda  noch  ein 
Taufstein  der  gleichen  Zeit. 

Von  den  Umfassungsmauern  des  Klosterbezirkes  aus  erstreckt  sich  bis  hinter  die 
gleich  unten  erwähnte  Mühle.  Die  Schütter  floss,  wie  auf  Fig.  65  ersichtlich,  durch 
den  Klosterbezirk  durch.  An  der  flachbogigen  Brücke,  da  wo  sie 
in  die  Mauern  eintritt,  steht  die  Jahreszahl  1519,  dessgleichen  an 
dem  darauffolgenden  Thor;  daran  setzte  die  Stadtmauer  an. 

Die  Klostermühle,  ein  sonst  schmuckloser  Bau  des  17.  Jhs., 
hat  im  Innern  noch  die  alten  Mahlgänge  und  die  einfachen  Holz- 
stützen für  die  Durchzugsbalken. 

Auf  dem  vor  dem  Ort  gelegenen  Friedhof  eine  schmucklose 
Kapelle \ die  das  vorkragende  Dach  stützenden  Holzpfeiler  stehen 
auf  Renaissancepostamenten.  In  der  Kapelle  ein  holzgeschnitztes 
Kruzifix  des  18.  Jhs. 

Grabsteine:  der  eines  Abtes  von  Schuttern  mit  dem  Abtei- 
wappen und  verwischter  Schrift  18  Jh.;  ein  weiterer  mit  hohem 
Kreuz  und  Rocailledekoration,  aber  von  1807.  Auf  dem  Friedhof 
ferner  ein  Steinkruzifix  mit  Maria  und  Johannes  auf  Rocaillesockel. 

Von  dem  Schloss  oder  wohl  besser  der  Tiefburg,  das  die 
Geroldsecker  hier  besassen,  sind  keine  Spuren  mehr  vorhanden, 
wenn  nicht  ihm,  statt  dem  Kloster,  der  romanische  Portalsturz 
(s.  unten)  entstammt.  Erwähnt  wird  es  zum  ersten  Male  1327, 
dann  1433,  1451  »bürg  und  stat«,  »das  schloss  mit  dem  burgkhoff«  im  16.  Jh.,  ja  noch 
1648  als  »schlösslin  und  burckstall«  zu  Schuttern  1648.  Bald  danach  wird  es  wohl 
gänzlich  eingegangen  sein. 

Das  Haus  der  Josefine  Obert,  schlichter  Bau  des  18.  Jhs.,  weist  in  Stein  das 
Wappen  des  Klosters  auf  und  die  Inschrift: 

Franciscus  abbas  huius 

NOMINIS  PRIMUS 
HOC  AEDIFICIUM  FIERI 
CURAVIT  1747. 

Am  Schulhaus  über  dem  Eingang  ebenfalls  Abtswappen  (im  Wappen  ein  Gebäude, 
darunter  ein  Eber  auf  Fluss)  und  die  Jahreszahl  1788. 

Haus  Nr.  165  Hofthorpfosten  mit  Rankenornamenten  des  18.  Jhs. 


Klostermühle 


Friedhof 

Kapelle 


Grabsteine 


% 0/ 

Fig.  72.  Figurenfragment 
in  Schutt  er n% 


Schloss 


*34 


KREIS  OFFENBURG. 


Ziehbrunnen 


Thürsturz 


Pieta 

Holzplastik 


Am  Haus  des  Franz  Breger  geschnitzte  Thür  (mit  grossen  Ranken)  vom  Anfang 
des  18.  Jhs. 

Schmiedeiseme  Wirthshausschilde  am  Gasthaus  zum  Adler  und  zum  Prinzen 
(Empire). 

Im  Ort  einige  alte  Ziehbrunnen , vor  Allem  einer  mit  trefflicher  Renaissance- 
omamentik  und  der  Jahreszahl  1623  (s.  Fig.  71). 

Endlich  noch  ein  Figurenfragment  (s.  Fig.  72)  von  einem  irgendwo  einst  verwendeten 
Steinpfeiler  aus  der  gleichen  Zeit. 

In  der  Grossh.  Alterthümersammlung  zu  Karlsruhe  wird  unter  Nr.  C.  5139  und  40 
in  zwei  Sandsteinstücken  ein  romanischer  Thürsturz  aufbewahrt,  den  der  Direktor  und 
Konservator  der  Alterthtimer  E.  Wagner  dort  in  der  Kirchhofmauer  unbeachtet  vermauert 
aufgefunden  und  geborgen  hat.  Er  zeigt  einen  Löwen,  der  ein  Rind  verschlingt,  und  dann 


Fig.  7J>.  Thürsturz  aus  Schlittern  (in  der  Grossh.  Alterthümersammlung  zu  Karlsruhe). 


das  Obertheil  eines  Ritters,  der  einen  Löwen  tödtet  (s.  Fig.  73).  Die  dreieckige  Thür- 
öffnung mass  im  Lichten  95  cm.  Es  muss  — wie  oben  erwähnt  — dahingestellt 
bleiben,  ob  dieser  Thürsturz  aus  dem  Kloster  oder  aus  dem  Schlosse  stammt,  das  auch 
trotz  fehlender  Erwähnungen  bereits  im  12.  Jh.  gestanden  haben  kann. 

Des  weiteren  bewahrt  die  Sammlung  aus  Schuttern  eine  eiserne  Thüre  des  17.  Jhs. 
(C.  6806)  und  vor  Allem  eine  ganz  hervorragende  holzgeschnitzte  Gruppe  der  Pieta 
(Tafel  II)  aus  etwa  der  Mitte  des  18.  Jhs.  Die  das  Haupt  klagend  zum  Himmel 
erhebende  Jungfrau  mit  dem  todten  Sohn  auf  dem  Schooss  sitzt  auf  einer  Felsgruppe, 
die  unten  in  üppigem  Rocaillewerk  endigt.  Bei  der  Vornehmheit  der  beiden  Gestalten, 
dem  ergreifenden  Ausdruck  der  Mutter,  dem  geschlossenen  Umriss  und  der  ganz 
vorzüglichen  Detailbehandlung  stehe  ich  nicht  an,  die  Gruppe  für  ein  Meisterwerk  der 
deutschen  Rococoskulptur  zu  erklären. 

Vor  dem  Ort  Bildstock  des  17.  Jhs.  mit  leerer  Aedicula. 


Fildstock 


Tafel  II 


Pieta,  Holzgruppc  ans  Kloster  Schlittern,  jetzt  in  den  Großh.  Sammlungen  fü, 
Altertums-  und  Völkerkunde , Karl  sinke. 


AMT  LAHR.  — SCHUTTERTHAL. 


1 35 


SCHUTTERTHAL 

(Bestehend  aus  Oberthal  und  Unterthal  mit  Rheinmühle  und  Schäferhof.) 

Schreibweisen:  Schutertal  1270;  Schutterdal  1368.  Archivalien:  der  Gemeinde 
und  kath.  Pfarrei.  Mittheil,  der  histor.  Komm.  Nr.  15  (1893)  S.  102  f. 

Ortsgeschichte : Sch.  ist  und  war  offenbar  immer  kein  zusammenhängendes  Dorf, 
sondern  besteht  und  bestand  aus  vielen  einzelnen  Gehöften,  die  im  Schutterthal  und 
in  den  Seitenthälern  oder  an  den  Bergen  liegen.  Bei  der  Theilung  1277  kam  es  zur 
Herrschaft  Hohengeroldseck,  der  es  bis  1819  angehörte,  wo  es  mit  dem  gesammten 
Fürstenthum  badisch  wurde. 

Den  Mittelpunkt  des  Ortes  bildete  die  Kirche  des  hl.  Antonius  (s.  unten).  Wir 
hören,  dass  1463  Georg  von  Hohengeroldseck  als  Vormund  der  Kinder  seines  Bruders 
dem  Konrad  von  Girsperg,  genannt  von  Hohenstein,  drei  Fronberge  zu  Sankt 
Antonien  im  Schutterthal,  genannt  an  der  »vorhen«,  verlieh.1) 

Auch  das  Schloss  hat  in  der  Nähe  gelegen.  Wir  hören  von  »hus  und  bürg 
zu  Schuttertal  gelegen  by  Sant  Antoniien  1470«.  Dass  es  eine  Tiefburg  gewesen  ist, 
dafür  spricht  der  Ausdruck  das  »wasserhus«  von  1515.  1531  hören  wir  noch  einmal 

von  dem  »burgstadel,  wie  das  zu  Sant  Anthonien  im  Schutterthale  der  herrschaft  Geroltz- 
eck  gelegen«,  wissen  aber  heute  nur  noch  im  Terrain  seinen  Platz  nachzuweisen.  Im 
15.  Jh.  hatte  es  das  Geschlecht  der  Wallstein  als  Geroldseckisches  Lehen  inne;  wir 
hören  von  »gräben  und  gärten,  schüre,  hus  und  hof  vor  dem  sloss.«  1531  brachte 
Gangolf  von  Hohengeroldseck  die  Lehen  wieder  an  sich  zurück. 

Ein  Vogt  Wilhelm  von  Schutterthal  wird  schon  1277  in  der  Theilungsurkunde 
als  Zeuge  genannt;  1336  ein  Hermann  von  Sch.  edelknecht;  1341  »Johans  von  Sch.  ein 
ritter  und  Anna  Müllerin  sin  elich  wip ; Hans  von  Sch.  1406;  Wilhelm  von  Sch.  ein 
edelknecht  1352.  Möglich,  dass  mit  jenem  Hans  das  Geschlecht  ausstarb  oder,  wie 
Ruppert  annimmt,  dass  nur  Mitglieder  irgend  eines  der  benachbarten  Geschlechter  sich 
nach  ihrem  Sitze  hier  nannten«. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad.  S.  Antonium).  Erwähnt  ein  »sacerdos«  in  Sch.  1314, 
Johans  Replin,  lütpriester  1419;  zu  S.  Antonien  in  Sch.  1436  und  1463;  1464  ein 
»rector  ecclesie  in  Sch.;  Ende  15.  Jh.  die  pfarr  zu  Schuttertal  hat  ein  priester,  heisset 
her  Anthonius  von  Elmatingen,  hat  im  juncker  Depolt  von  Geroltzegk  geluhen«.  Sie 
scheint  ein  beliebter  Wallfahrtsort  gewesen,  aber  nach  der  Reformation  nicht  mehr  so 
besucht  worden  sein:  »haec  ecclesia  pro  patrono  honorat  s.  Antonium,  et  ante  Lutheranis- 
mum  fuit  in  hoc  loco  celeberrima  peregrinatio,  quae  autem  tempore  apostaziae  defecit« 
heisst  es  1666.  Jm  17.  Jh.  wurde  die  Kirche  Filiale  von  Selbach:  »Schutterthal, 
Prinzbach,  Reichenbach,  fuere  hae  tres  etiam  parochiae,  sed  jam  a longs  tempo  admini- 
strantur  per  parochum  in  Seelbach«  (1692).  Kollatur  und  Zehnt  gehörten  zu  Hohen- 
geroldseck. 

Der  heutige  Bau  stammt  aus  etwa  drei  Perioden.  Der  älteste  der  dem  Langhaus 
vorgelagerte  Thurm , wie  immer  Bruchsteinmauerwerk,  an  den  Ecken  Sandsteinquader, 
einfach  abgeschrägter  Sockel,  spitzbogige  Eingangsthüre  mit  Hohlkehlen;  gegen  das 
Langhaus  zu  öffnet  sich  der  Thurm  in  abgefastem  Spitzbogen.  Zwei  Stockwerke,  durch 


Ortsgeschichte 


Schloss 


Kath.  Pfarrkirche 


Thurm 


x)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  441. 


136 


KREIS  OFFENBURG. 


Langhaus 


Sandsteinepitaph 


Glocken 


Wetterfahne 


Epitaph 


Kirchengeräthe 


Piivathäuser 


Ortsgeschichte 


Wasserschrägen  von  einander  getrennt,  im  unteren  Lichtluke,  im  Obergeschoss  ge- 
kuppelte, runde  Kleeblattbogenfenster  mit  ausgebrochenen  Pfosten;  darüber  Satteldach. 
Das  Ganze  ein  möglicher  Weise  älterer  Kern,  der  im  16.  Jh.  überarbeitet  und  seine 
heutige  Gestalt  erhielt. 

Der  Eingang  zum  Thurm  ist  durch  ein  Vordach  geschützt,  das  auf  Konsolen  ruht 
und  in  der  Gegend  sehr  malerisch  wirkt.1) 

Das  einschiffige  Langhaus  mit  abgeschrägtem  Sockel,  Rundbogenfenstem  mit 
Hauer  Hohlkehlung  dürfte  noch  dem  17.  Jh.  angehören;  doch  ist  im  Langhaus  selbst 
eine  Bauunterbrechung  zu  bemerken,  die  Kirche  ist  also  wohl  vergrössert  worden.  In 
der  Südseite  an  den  Fenstern  theilweise  noch  die  Ansätze  von  Masswerk.  Der  Chor 
ist  in  drei  Seiten  des  Achtecks  abgeschlossen;  die  Sakristei  zeigt  die  Flachbogenfenster 
des  18.  Jhs. 

Im  schlichten  Innern  Sandsteinepitaph  des  F.  A.  Schmelzer,  aet.  53,  1765  aus 
der  Barockzeit,  das  Christuskind  mit  Fahne  in  sonnenartigem  Medaillon. 

Orgel  mit  Rocailleschnitzerei  und  entsprechendem  anschliessenden  Gitterwerk; 
gute  Arbeit;  Rococogestühl. 

Von  den  Glocken  stammen  zwei  aus  der  Edel’schen  Werkstätte  in  Strassburg, 
eine  ältere  mit  Inschrift,  der  ich  leider  nicht  beikommen  konnte. 

Auf  dem  Thurm  originelle  Wetterfahne  mit  drachenartiger  Gestalt  und 
Doppelkreuz. 

Neben  dem  Thurmportal  Epitaph',  Protonotarshut  und  Wappen:  drei  Berge,  aus 
denen  Rosen  hervorspriessen,  Helmkleinod,  Haltfigur  mit  Soutane.  Die  Inschrift  besagt : 
Anno  1736  die  5.  Feb.  obiit  et  7 m sepultus  est  P.  R.  Praenobilis  et  clarissimus  D.D. 
Franciscus  Sigebertus  Dombltiet  ven.  capit.  Lahrens,  Archipresb.  protonotar.  apostol. 
etc.  40  Ann.  Paroch9  in  Seelbach  et  Schutterthal.  aet  septuagen.  requiescat  in  pace.  etc. 

An  Kirchengeräthen  silbervergoldeter  Kelch  im  Zopfstyl  mit  verwischtem  Zeichen 
und  F h Kupfer  getriebener  vergoldeter  Empirekelch ; ein  weiterer  befand  sich  nicht 
zugänglich  im  Altar;  Kreuzpartikel,  silbergetrieben  und  vergoldet,  Zopf,  ohne  Zeichen. 

Hinter  der  Kirche,  sowie  auf  der  Anhöhe  nach  Wittelbach  zu  einige  charak- 
teristische Riegel-  und  Holzhäuser. 


SCHUTTERZELL 


Schreibweisen:  Blenzenzell  nidewendig  Kircelle  1279;  Blenzenzelle  1367;  Blienzen- 
zell  1367;  zu  Zelle  1346;  Celle  1368;  Zell  by  Kurtzell  1498;  das  dorff  Zelle  by 
Schlittern  1513;  Schutterzell  1524. 

Archivalien:  der  Gemeinde:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  15  (1893)  S.  103. 

Ortsgeschichte : Schon  1139  und  1288  in  päpstlichen  Schirmbriefen,  die  Besitzungen 
des  Klosters  Gengenbach  betreffend,  wird  der  Ort  genannt,  1279  belehnen  Heinrich 
und  Walter  von  Geroldseck  (Lahr)  den  Ritter  Konrad  Walpot  damit;  nach  dem  Aus- 
sterben dieser  Familie  ging  das  Lehen  an  Hug  und  Hans  von  Linstetten  über.  Der 

1)  Leider  soll  die  Kirche  abgebrochen  werden,  was  sehr  bedauerlich  wäre,  denn  das  Ganze, 
insbesondere  der  Thurm,  steht  besser  in  der  Landschaft  als  irgend  ein  sogenannter  »Styl «-bau. 


AMT  LAHR.  — SEELBACH. 


137 


Zehnte  gehörte  dem  Kloster  Schuttern.  Der  Ort  gehörte  zur  Herrschaft  Lahr-Mahlberg, 
kam  bei  der  Teilung  1627  an  Baden-Baden. 

Simultankirche  (ad.  S.  Michaelem) : 1513  erwähnt  »sanct  Peters  und  sancte  Simultankirche 

Barbare  althar«.  Wie  in  der  ganzen  Gegend  drang  auch  hier  die  Reformation  ein  und 
machte,  trotz  der  nach  anfänglichem  Schwanken,  katholischen  Herrschaft,  Fortschritte, 
so  dass  es  1666  heisst  in  einem  Visitationsprotokoll:  »parochianos  catholicos  habet  50; 
haereticorum  vero  ultra  120«,  wobei  übrigens  als  »huius  ecclesiae  patronus  coeli 
S.  Laurentius«  genannt  wird.  Allmählig  aber  mag  das  katholische  Bekenntniss  der  Herr- 
schaft über  das  andere  gesiegt  haben;  jedenfalls  war  es  im  Besitz  der  Kapelle.  1798 
wollten  die  Evangelischen  eine  neue  Kirche  erbauen,  standen  aber  davon  ab  und  sprachen 
das  Simultaneum  an  der  1752  aus  Gemeindemitteln  erbauten  Kapelle  an,  welches  ihnen 
auch  1804  zugesprochen  wurde.  Die  heutige  Kirche  aber  wurde  aus  gemeinsamen 
Mitteln  1859  bis  1861  erbaut.  Alt  zwei  Kelche  aus  der  Mitte  des  18.  Jhs.,  der  eine  silber-  Kelche 
getrieben,  vergoldet,  in  reicherem  Rocaillestyl ; Augsburger  Zeichen,  darunter  Y und 
PDS;  der  andere  einfacher,  sowie  ein  Rauchmantel , mit  bunter  Seide  und  Silber  reich  Rauchmantel 
gestickt  auf  Damast ; laut  Schrift  unter  der  Cappa : paramenta  circa  annum  1760  a rev. 

Dno  Abb.  Joanne  Baptista  comparata,  Plw-  R.  Benedictus  Dehm  Prior  sub  felici  regimine 
R dm-  Dui  Augustini  Abbatis  reparari  et  ornari  duravit  1763;  also  aus  Schuttern 
stammend. 

Haus  Nr.  10  hübsches  Fachwerkhaus , in  der  Nähe  davon  Crucifixus,  Sandstein  Fachwerkhaus 
auf  üblichem  Rocaillesockel  von  1783.  Crucifixus 

SEELBACH 

Schreibweisen:  Seilebach  1179;  Sellibach  1257;  Selbach  1270;  Seilbach  iö.Jh. ; 

Seylbach  im  dorff  1500  etc. 

Archivalien  der  (kath.)  Pfarrei:  Mittheil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  15  (1893)  S.  103. 

Litteratur:  J.  R.  Saltzmann,  kurtze  Beschreibung  des  heylsamen  Badts  und 
Brunnens,  der  Sahlbronnen  oder  das  Sehlbacher  Bad  genannt,  in  der  Herrschaft  Hohen- 
Göroltzeck,  Strassburg  16x2;  L.  Thurneysser  zum  Thurn,  Zehen  Bücher  von  kalten 
warmen  Minerischen  und  Metallischen  Wassern,  dem  eine  kurze  Beschreibung  des  Sehl- 
bacher Brunnens  hinzugethan  (von  Saltzmann),  Strassburg  1612.  — O.  Himmels- 
bach, Geschichte  des  Marktfleckens  Seelbach,  Hauptort  der  ehemaligen  Herrschaft 
Hohengeroldseck.  1906. 

Ortsgeschichte : Unter  den  Besitzungen,  welche  i.  J.  1179  dem  Kloster  Ortsgeschichte 

S.  Georgen  auf  dem  Schwarzwald  durch  Papst  Alexander  III.  bestätigt  wurden,  befand 
sich  auch  die  Kirche  zu  Selbach,  in  der  wir  wohl  dieses  Seelbach  zu  sehen  haben.  Der 
Ort  gehörte  zu  der  Herrschaft  Geroldseck,  bei  der  Theilung  von  1277  kam  er  wie  alles 
Land  ostwärts  der  Bischofsmühle  an  Hohengeroldseck,  das  wegen  des  Patronats  mit 
dem  Kloster  S.  Georgen  in  Streit  kam;  trotz  eines  Vertrages  von  1330  mit  dem  Kloster 
besassen  die  Geroldsecker  ihn  später.  — Als  die  Herrschaft  Lahr  1427  an  Mörs-Sar- 
werden  überging,  trotz  der  Erbansprüche  der  Hohengeroldsecker,  die  darum  jenen 
ruinösen  Kampf  begannen,  da  suchten  letztere  Seelbach  zum  Hauptort  ihrer  Herrschaft  zu 
machen  und,  indem  sie  einen  Markt  daselbst  errichteten  sowie  ihre  Leute  zwangen,  den 


KREIS  OFFENBURG. 


Pfarrkirche 


Hochaltar 

Seitenaltäre 

Kanzel 

Orgel 


138 

Lahrer  Markt  zu  meiden,  Lahr-Mahlberg  empfindlich  zu  schädigen.  Bei  der  Theilung 
zwischen  den  Brüdern  erhielt  Diebolt  die  Vogtei  S.,  der  Markt  mit  allem  Einkommen 
daraus  sollte  aber  allen  Drei  gemeinsam  gehören.  Diebolt  sollte  einen  kaiserlichen 
Brief  für  die  Errichtung  und  den  Schutz  des  Marktes  herbeischaffen;  das  geschah  auch 
und  1455  erneuert  Kaiser  Friedrich  III.  Diebolt  II.  das  Marktrecht.  Das  gab  natürlich 
Unzuträglichkeiten  mit  Lahr-Mahlberg,  die  zunächst  aufhörten,  als  1482  Diebolt  II.  in 
seiner  Geldnoth  genöthigt  war,  die  Vogtei  S.  auf  Wiederkauf  an  den  Markgrafen 
Christoph  von  Baden  zu  verkaufen.  Mittelst  eines  langen  Prozesses  kamen  dann  die 
Söhne  Gangolfs  I , der  vergebens  die  Schuldsumme  an  der  Münze  in  Strassburg  hinter- 
legt hatte,  endlich  1538  wieder  in  den  Besitz.  Wie  die  ganze  Herrschaft  Hohen- 
geroldseck  kam  Selbach,  das  deren  Hauptort  blieb  — der  letzte  Hohengeroldsecker 
residirte  mit  Vorliebe  auf  dem  nahegelegenen  Dautenstein  — , an  die  Cronberg  und 
dann  an  die  Freiherren,  späteren  Grafen  und  Fürsten  von  der  Leyen,  die  hier  bezw. 
in  Dautenstein,  ihre  Residenz  aufschlugen.  1819  wurde  es  mit  dem  kleinen  Fürsten- 
thum badisch. 

Im  16.  und  17.  Jh.  war  S.  ein  Badeort,  dessen  Quellen,  wie  aus  oben  zitierten 
Büchern  hervorgeht,  Heilkraft  zugeschrieben  wurde.  Es  soll  zahlreich  von  Einheimischen 
und  Fremden  besucht  worden  sein.  Indess  scheint  es  diese  Bedeutung  bald  verloren 
zu  haben.  Vor  einiger  Zeit  erst  soll  man  den  tiefen  Schacht,  mit  behauenen  Steinen 
ausgemauert,  in  dem  die  Quelle  gefasst  war,  zugeworfen  haben.  ')  Nicht  nach  den 
Quellen  übrigens  erklärt  sich  der  Name  des  Orts,  er  ist  wohl  zu  erklären  als  »Bach,  an 
dem  (Sal)  Weiden  stehen«. 

Kathol.  Pfarrkirche  S.  Nicolaum  episcopum)  erwähnt  ecclesia  Sellebach  1179, 
Kirche  1370.  1330  verzichtet  Walter  von  Geroldseck  auf  seine  Forderungen  etc.,  die 

er  für  sich  und  seine  Nachkommen  an  das  Kloster  S.  Georgen  auf  dem  Schwarzwalde 
hatte,  »von  dez  Kirchensatzes  wegen  der  Kirchen  zu  Selbach  gelegen  in  Strasburger 
bistume«.  Doch  hatten  die  Hohengeroldsecker  bald  darauf  Kollatur  und  Zehnt.  — 
1366  wird  ein  dominus  Georgius  de  Geroltzeck,  plebanus  in  Selbach  erwähnt;  1419 
Johans  Reype  lütpriester;  von  Ende  des  15.  Jhs.  wird  berichtet:  pfarr  zu  Selbach  hat 
ein  priester,  heisset  her  Johans  Schriber  von  Mossbach,  die  ist  ime  von  juncker  Depolt 
von  Geroltzegk  geluhen«.  Die  Reformation  kam  auch  hierher,  wurde  aber  wieder 
zurückgedrängt  und  die  Gemeinden  Schutterthal,  Prinzbach  und  Reichenbach  wurden 
dann  von  Selbach  aus  pastorisirt,  gutthatsweise  auch  Wittelbach,  das  nach  Schweighausen 
eingepfarrt  war. 

Die  heutige  Kirche  ist  ein  einschiffiger  schlichter  Bau  mit  Chor  aus  drei  Seiten 
des  Achtecks  und  ebenso  einfachem  Aeussern.  Ueber  der  Fagadenthür  im  Sturz : 
Anno  1749. 

Im  Innern  der  Hochaltar  in  dem  bekannten  Barockaufbau,  Säulen,  durch  Voluten 
verbunden,  welche  die  Krone  halten ; hübsches  Rocailletabernakel.  Aehnlich  die  beiden 
Seitefialtäre  mit  guten  Holzfiguren  von  Heiligen  und  Engeln,  gute,  bewegte  Rococo- 
figuren.  In  gleichem  Styl,  ruhig,  aber  mit  geschmackvollen  Schnitzereien  und  dem 
Wappen  des  draussen  begrabenen  Hofrats  Schmelzer,  die  Kanzel  und  ebenso  die 
Orgel.  An  dem  nördlichen  Seitenaltar  Holzmedaillon  mit  dem  Rosenkranz,  den  Leiden 


1)  Himmelsbach  a.  a.  O.  S.  105. 


AMT  LAHR.  — SEELBACH.  (SCHLOSS  DAUTENSTEIN.) 


z39 


Christi,  etwas  flüchtige  Schnitzerei  des  17.  Jhs.  Alles  andere  Angeführte  aber  aus  der 
Zeit  des  Baues  der  heutigen  Kirche.  Das  Gleiche  gilt  von  dem  halblebensgrossen 
Crucifixus  am  Triumphbogen,  während  der  Taufstein  (Sandstein)  mit  Beschlägornament 
wieder  dem  17.  Jh.  entstammt. 

Am  Aeusseren  der  Kirche  einige  Grabsteine  im  späten  Empirestyl,  darunter  der 
des  Leyen’schen  Hofrathes  und  Oberamptmanns  Sigbert  von  Schmelzer  *J*  1798. 

In  der  Sakristei  Kirchengeräthe : Monstranz  in  der  üblichen  Sonnenform,  Kupfer 
getrieben,  vergoldet;  eine  kleinere  Sonnenmonstranz  mit  Zeichen  Jesu  und  v.  Leyen’schem 
Wappen;  silbervergoldeter  getriebener  Kelch  mit  Rocailleornamenten,  laut  Inschrift  am 
Fuss  ein  Geschenk  der  Mar.  Antonia  Vischerin  Abbatissa  Beixiniensis  1774  mit  ver- 
wischtem Zeichen,  ein  zweiter  einfacher,  silbergetrieben,  an  den  Buckeln  des  Fusses 
das  Leyen’sche  Wappen,  ein  dritter  mit  Augsburger  Zeichen  und  B ; Versehkreuz  kupfer- 
vergoldet vom  Anfang  des  18.  Jhs.;  Weihrauchschiffchen  ebenfalls  des  18.  Jhs.;  und 
drei  Zinnteller.  — Ebendaselbst  wird  eine  schwungvolle  und  doch  vornehme  eindrittel- 
lebensgrosse Holzfigicr  der  Madonna  aus  dem  18.  Jh.  aufbewahrt,  mit  einem  Rosen- 
kranz geschmückt,  an  dem  eine  Medaille  des  17.  Jhs.  mit  der  Geschichte  Davids  und 
Bethseba’s  hängt.  — Eine  Casel,  Handstickerei  aus  der  Mitte  des  18.  Jhs.  mit  dem 
Wappen  Derer  v.  Leyen. 

Das  jetzige  Schulhaus  ist  der  ehemalige  Franziskanerkonv ent,  aus  zwei  im 
rechten  Flügel  an  einander  stossenden  Flügeln  und  einer  oblongen  Kirche  bestehend. 
Möglich,  dass  dies  die  Kirche  zum  h.  Michael  ist,  von  der  Kolb1)  spricht.  Sie  ist 
heute  zu  einer  Wohnung  umgebaut.  Das  ganze  Gebäude  ist  von  äusserster  Schlichtheit. 

Die  Ruine  Lützelhard,  von  Kolb  erwähnt,  der  angebliche  Sitz  des  in  die  Sage 
der  Geroldsecker  verflochtenen  Geschlechtes,  deren  Existenz  vielfach  bezweifelt  wurde, 
hat  nach  dem  auf  dem  Lützelhard  gefundenen  romanischen  Kapitell,  jetzt  in  der  Fahrer 
Alterthumssammlung  (s.  dort),  thatsächlich  hier  gestanden ; durch  Grabungen  liesse  sich 
wohl  noch  Manches  zu  Tage  fördern.  Bei  ihrer  Lage  auf  dem  Berge,  welcher  den  Aus- 
gang des  Thaies  beherrscht,  durch  das  die  Strasse  von  der  Hohengeroldseck  in  das 
Schutterthal  führt,  musste  es  für  die  Geroldsecker  bei  wachsender  Macht  eine  Lebens- 
frage sein,  diese  Burg  entweder  zu  besitzen  oder  zu  vernichten. 


SCHLOSS  DAUTENSTEIN 

Schreibweisen:  Toutenstein  1251,  Tutenstein  1291,  Dutenstein  1308,  Dutten- 
stein 16.  Jh.,  Tuttenstein  1571  (Stein,  Fels  des  Tuto.) 

Litteratur : Ausser  Ruppert  a.  a.  O.  s.  Himmelsbach,  der  Marktflecken  Seelbach. 

Geschichte:  Wenig  von  Seelbach  entfernt,  am  linken  Ufer  der  Schütter  liegt  das 
Schlösschen,  das  zum  ersten  Male  1251  erwähnt  wird.  1249  schon  wird  ein  »Albert 
de  Dutenstein  genannt,  ebenso  1260,  seine  Gemahlin  Petrissa  und  Heinrich,  Johannes 
und  Abreht  ir  beder  süne  von  Bossenstein,  1313  der  Tochtermann  Albrechts,  Rein- 
bolt  Stubenweg  von  Straspurg  und  weitere  Mitglieder  der  Familie  bis  z.  J.  1428.« 
Von  den  Söhnen  des  ersten  Albrechts  nennt  sich  Heinrich  von  Tutenstein,  seine 

z)  Kolb  a.  a.  O.  III,  S.  227. 


Crucifixus 

Taufstein 

Grabsteine 

Kirchengeräthe 


Holzfigur 

Franziskaner- 

konvent 

Ruine  Lützelhard 


Geschichte 


1 40 


KREIS  OFFENBURG. 


Brüder  von  Bosen  stein,  nach  der  Burg,  die  ihr  Vater  mit  den  dazugehörigen  Gütern  im 
Acherthal  erworben  hatte.  Die  einzige  Nachricht  von  einer  Begtiterung  des  Geschlechtes 
in  der  Herrschaft  Geroldseck  stammt  aus  den  Zeiten  Walters  II.,  der  zwei  von  dem 
genannten  Ritter  Albrecht  von  T.  erkaufte  Höfe  dem  Bischof  Heinrich  als  Sühne  zu 
Lehen  aufgab.  Da  nun  auffallender  Weise  in  keiner  der  anderen  so  zahlreichen 
Geroldsecker  Urkunden  ein  Mitglied  des  Geschlechtes  erwähnt  wird,  so  schliesst 
Ruppert  — wohl  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  — , dass  die  Familie  zu  den 
zähringischen  Ministerialen  gehörend,  durch  das  Aussterben  des  Herzogsgeschlechtes 


H-h-H-i  i ' i F 1 H + J , 

O /O  20  30  U> 

Fig.  74.  Plan  des  Schlosses  Dautenstein  bei  Seelbach. 

den  Uebergang  Mortenauischer  Güter  an  die  Hohenstaufen,  die  mit  deren  Ausgang  ver- 
bundenen Wirren  und  Fehden  aus  ihrer  Heimath  vertrieben  worden  sind;1)  eben  also  zu 
Zeiten  Walters  II.,  unter  dem  die  Geroldseckische  Macht  auf  ihrem  Gipfel  stand.  Dauten- 
stein kam  dann  wohl  mit  Selbach  etc.  bei  der  Familienfheilung  an  die  Hohengerolds- 
ecker.  1437  belehnt  Diebolt  I.  seinen  unehelichen  Bruder  Hans  und  dessen  Schwager 
Rudolf  Lumbart ; 2)  letzterer  erwarb  dann  allmählich  durch  Kauf  das  ganze  Lehen,  das 


1)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  459. 

2)  Reinhardt  Urk.  CXXII. 


AMT  LAHR.  — SEELBACH.  (SCHLOSS  DAUTENSTEIN.)  14! 

aber  im  Anfang  des  16.  Jhs.  wieder  in  die  Hände  Gangolfs  I.  gekommen  war,  der, 
wohl  in  seiner  Geldnoth,  es  1514  dem  Landschreiber  Siegfried  Pleuss  zu  Lahr  als  Erb- 
und  Kunkellehen  verlieh,  dessen  Nachkommen  sich  nun  Pleuss  von  Dautenstein  nannten. 
Im  Bauernkriege  ward  das  Schloss  zerstört,  aber  nachher  und  zwar  auf  Kosten  der 
Bauern  wieder  errichtet.  Als  1580  der  letzte  Pleuss  ohne  Leibeserben  starb,  gelang  es 
Jakob  von  Hohengeroldseck  nach  Verhandlung  mit  der  Schwester  des  Verstorbenen 
und  ihrem  Mann  sich  auf  einen  Auskauf  des  Lehens  zu  einigen.  Jakob  Hess  nun  an- 
geblich das  Schloss  abbrechen  und,  wie  seine  Tochter  Anna  Maria  später  in  ihren 
Klageschriften  ausführte,  mit  mehr  als  40,000  Thalem  als  eine  schöne  und  herrliche 
Residenz  wieder  auf  bauen,  die  er  seiner  Tochter  zu  sichern  hoffte,  da  Hohengeroldseck, 
Schönberg  und  Prinzbach  als  Lehen  an  Oesterreich  zurückgingen,  Selbach  und  Dauten- 
stein aber  ihm  zu  eigen  waren.  Nach  seinem  Tode  1635  aber  wurde  trotzdem  auch 
dies  von  den  Cronbergern  beansprucht,  1636  das  Schloss  von  der  Kaiserlichen 
Soldateska  geplündert  und  angeblich  bis  auf  den  Grund  in  Asche  gelegt.  Die  Cron- 
berger  begannen  mit  dem  Wiederaufbauen  — zwischenhinein  war  es  auch  einmal  im 
badischen  Besitz  (der  Erben  der  Anna  Maria)  — , das  aber  erst  die  von  der  Leyen  aus- 
führten. Eine  Abbildung  dieses  Baues,  eines  stattlichen  Barockpalais,  den  Strassburger 
Bauten  der  Zeit  entsprechend,  mit  zwei  vorspringenden  Seitenflügeln,  ist  erhalten.  ’) 
Ehe  sie  es  aber  beziehen  konnten,  brach  Feuer  aus  und  das  Schloss  brannte  nieder 
(nach  1755),  nur  der  grosse  gewölbte  Keller  unter  dem  östlichen  Flügel  blieb  unversehrt, 
auf  dem  der  heutige  einstöckige  Bau  errichtet  wurde. 

Ein  Blick  auf  den  Grundriss  (s.  Fig.  74)  giebt  uns  das  typische  Bild  einer  Tiefburg, 
ähnlich  der  zu  Lahr,  das  Viereck  mit  den  vier  Rundthürmen  und  dem  Graben  und  so 
möchte  ich  glauben,  dass  trotz  aller  Nachrichten  über  Brände  und  Verwüstungen  die 
Grundmauern  die  des  mittelalterlichen  Schlosses  sind,  das  entweder  die  Tutensteiner 
oder  wahrscheinlicher  die  Geroldsecker  hier  erbaut  haben.  In  der  That  liegt  die  Ver- 
mutung wohl  nahe,  dass  entweder  Walter  II.  vor  oder  die  Hohengeroldsecker  nach  der 
Theilung  nach  dem  Vorbild  von  Lahr  die  Burg  anlegten;  begreiflich,  dass  ihnen  dann 
im  15.  Jh.  der  Gedanke  kam,  hier  in  Seelbach  und  Dautenstein  ein  Gegengewicht  gegen 
Lahr  zu  schaffen. 

Heute  stehen  nur  noch  die  niederen  Stumpfe  der  vier  Thürme,  in  den  Oberbauern 
aus  Bruchsteinmauerwerk.  Während  der  dem  Haus  zunächst  gelegene,  jetzt  nicht  mit 
einem  Dach  versehen,  sondern  als  Altane  dienende  B I noch  ein  Kreuzgratgewölbe  in 
dem  inneren  Rund  zeigt  und  vier  sehr  sauber  gearbeiteten  Maulscharten  (s.  Fig.  /),  die 
dem  1 6.  Jh.,  also  wohl  dem  Umbau  unter  Jakob  entstammen,  sind  die  anderen  mit 
niederm  Kegeldach  bedeckten  Thurmstümpfe  mit  Erde  ausgefüllt  und  ohne  Oeffnungen ; 
ihr  Obergeschoss  besteht  jetzt  aus  Riegelwerk.  Das  Gebäude  A ist  der  angeblich  stehen 
gebliebene  Keller  des  Ostflügels,  des  projektierten  Leyen’schen  Baues ; jedenfalls  stammt 
der  untere  Theil  des  Gebäudes  aus  besseren  Zeiten.  Das  eingezeichnete  Gratgewölbe 
und  die  viereckigen  Pfeiler  bestehen  aus  sauber  behauenen  Sandsteinquadern.  Durch  eine 
eingezogene  Zwischenmauer  und  Verstärkung  der  Pfeiler  wurde  er  später  verändert; 
eine  rundbogige  Thür  fuhrt  zu  ihm.  Der  Oberbau  von  A aber  ist  ein  schlichter  Riegel- 
bau des  18.  Jhs.,  dem  auch  der  kleine  Anbau  sowie  der  gegenüberliegende  Bau  C 


Bau- 

beschreibung 


*)  Abgeb.  bei  Himmelsbach  a.  a.  O.  S.  80  nach  einem  Kupferstich. 


142 


KREIS  OFFENBURG. 


Oltsgeschichte 


Römisches 


Simultankirche 


Barocktaufstein 


Glocken 


Kirchengeräthe 


Riegelhäuser 


entstammt.  Die  Vierecksmauer  besteht  aus  Bruchsteinmauerwerk,  sie  ist  geflickt  und 
verputzt.  Noch  ist  die  Mauer  ausserhalb  des  Grabens  und  die  Stelle  der  alten  Brücke 
über  denselben  sichtbar. 

Besitz  der  Fürsten  von  der  Leyen,  dient  das  Schlösslein  heute  als  Sitz  des  fürst- 
lichen Rentamtes. 


SULZ 


Schreibweisen:  Sulz  cum  vallibus  suis  1270,  Sultz  1275,  Sulcze  1364  (ahd.  sulza 
Salzwasser,  Salzloche). 

Ortsgeschichte : 1275  erfahren  wir,  dass  Walter  II.  von  Geroldseck  dem  Kloster 
zu  Lahr  den  Frohnhof  und  den  Schenkenhof  zu  Sulz  schenkte.  1351  schenkten  die 
Geroldsecker  Patronat  und  Zehnt  an  das  gleiche  Kloster,  das  dafür  den  Pfarrer  besoldete. 
Den  No valzehnten  beanspruchte  die  Gemeinsherrschaft,  die  im  16.  Jh.  auch  den  Kirchern- 
satz  an  sich  zog.  Sulz  gehörte  zur  Herrschaft  Lahr-Malberg,  bei  der  Theilung  1627  kam 
es  zu  Mahlberg,  wurde  also  baden-badisch. 

Römisches.  Näher  (Bauliche  Anlagen  der  Römer,  Anh.  II)  giebt  am  Sulzbach 
Baureste  eines  römischen  Gehöftes  an  Römische  Ziegel-  und  Thongefässscherben 
der  städt.  Sammlung  in  Freiburg  könnten  dorther  stammen.  Vom  Langenhard  bei 
Sulz  ist  der  Fund  einer  Bronzefibula  und  von  röm.  Ziegelbruchstücken  bezeugt. 

Am  Sulzberg:  Fund  einer  römischen  Heftnadel  (Fibula),  Form  des  2.  bis 
3.  Jhs.  nach  Chr.,  im  dortigen  Domänenwald  (1872);  jetzt  in  der  Karlsruher  Sammlung.  (W.) 

Simultankirche  (ad  S.  Petrum  et  Paulum;  vor  der  Reformation  Petrus,  um  1700 
findet  sich  S.  Agatha  als  Nebenpatronin).  Genannt  »ecclesia  1364,  ein  rector  ecclesie 
1464,  als  patronus:  S.  Petrus  apostolus  1692.  — 1419  ein  herr  Peter  lütpriester  zuo 
Sulz  genannt.  Das  Kloster  zu  Lahr  bestellte  (s.  oben)  bis  in  das  16.  Jh.  den  Pfarrer. 
Während  der  Reformationszeit  machte  Sulz  die  religiösen  Schicksale  der  Herrschaft 
Mahlberg  durch. 

Die  heutige  Kirche  ist  ein  Neubau  von  Hübsch  von  1865.  Die  angeblich  interes- 
santen Architekturtheile  der  alten  Kirche  wurden  angeblich  verhauen  und  bei  Häusern 
verwendet. 

In  der  Kirche : Barocktaufstein  von  1631  mit  gewundenem  Fuss  und  natura- 
listischen Blumen  an  der  Achteckschale.  Nach  Angabe  des  *j*  Pfarrers  Staudenmaier 
noch  ein  Holzkruzifix  aus  dem  17.  Jh. 

Glocken:  Zwei  von  Edel-Strassburg,  die  eine  von  1749  Maria  und  Agatha,  die 
andere  von  1775  Petrus  und  Martha;  die  dritte  von  1805  wurde  1823  umgegossen. 

Kirchengeräthe : Sonnenmonstranz,  1754  wohl  von  Markgräfin  M.  Victoria  gestiftet; 
zwei  einfache  Kelche  kupfervergoldet.  Zinnkelch  von  1772. 

Auf  dem  Friedhof  roher  Grucifixus  1772  von  Martin  Eisenbeiss  in  Heiligenzell 
gefertigt. 

Im  Ort  die  Häuser  Nr.  9,  10,  11,  14  und  andere  mehr  als  Riegelhäuser  zu 
erwähnen.  Am  Gasthaus  zur  Sonne  guter,  schmiedeeiserner  Wirthshausschild,  Rocaille. 
In  der  Nähe  eine  originelle  schmiedeeiserne  Laterne. 

Vor  der  Kirche  mächtiger  Brunnentrog  aus  Monolith  mit  verwischter  Inschrift 
und  Wappen. 


AMT  LAHR.  — WITTELBACH. 


143 


Im  Thal  bei  der  Sägemühle  und  auf  dem  Langenhard  schlichte  Kapellen  im 
Riegelbau  aus  dem  18.  und  19.  Jh.  Auf  letzterem  beim  Wirthsbaus  zur  Eiche  Kruzifix 
des  18.  Jhs.,  eines  auch  auf  dem  Weg  nach  Kippenheim.  Auf  dem  Langenhard  und 
am  Weg  nach  Mietersheim  Bildstöcke. 

WITTELBACH 


Schreibweisen:  Wittilnbach  902,  Fälschung;  Wittilunbach  1144;  Witilinbach  1185; 
Wittilinbach  1186;  Witteinbach  1270;  Wittelbach  16.  Jh.  etc.  (Bach  des  Wittilo). 

Ortsgeschichte:  Wie  schon  aus  dem  Namen  hervorgeht,  ein  ziemlich  alter  Ort. 
1144  hatte  das  Kloster  S.  Trudpert  irgendwelche  Besitzungen  hier,  die  es  1363  an  das 
Kloster  Ettenheim  verkaufte.  Möglicherweise  gehörte  der  Ort  ursprünglich  den  Dauten- 
steinern,  von  denen  nach  Rupperts  Vermuthung  die  zwei 
Drittel  des  Klosters  erkauft  waren ; ein  Drittel  ging  später 
mit  Dautenstein  von  Geroldseck  zu  Lehen.  Wegen  der 
Ausübung  der  Gerichtsbarkeit,  die  die  Geroldsecker  bean- 
spruchten, kam  es  zu  verschiedenen  Streitigkeiten  mit  dem 
Kloster.  — Bis  1803  gehörte  der  Ort  zum  weltlichen  Be- 
sitz des  Hochstifts  Strassburg  (Herrschaft  Ettenheim)  und 
wurde  dann  badisch. 

Die  Kirche  (ad  S.  Petrum  et  Paulum)  wird  1132 
geweiht  und  zwar  merkwürdiger  Weise  von  dem  Konstanzer 
Bischof,  trotzdem  sie  in  der  Strassburger  Diözese  gelegen 
ist,  anno  1132  imperante  Wernero  abbate  dedicatae  sunt 
ecclesiae  a venerabili  Udalrico  Constantiensis  ecclesiae 
episcopus  in  honores  trinitatis  Witilinbach  quidem  et 
Derlinbach.  1699  heisst  es:  Wittelbach  ecclesia  filialis 
matricis  in  Schweighausen,  cujus  patronus  in  coelis 
s.  Petrus  apostolus;  collator  et  decimator  d.  abbas  in 
Ettenheim  mtinster.  — 1419  Walther  Wetzel  lütpriester 
erwähnt,  1464  plebanus  in  Wittelbach. 

Die  Kirche,  ein  Bau  aus  Bruchsteinmauerwerk,  mit  Sandsteinquadern  an  den  Ecken, 
besteht  aus  einem  kurzen,  einschiffigen  Langhaus  (mit  einfacher  Balkendecke  des  18.  Jhs.), 
dem  das  Untergeschoss  des  viereckigen  Thurmes  als  Chor  dient.  An  den  Thurm  stösst 
die  viel  später  (18.  Jh.)  angebaute  Sakristei  an.  Der  Thurm,  dessen  besseres  Mauerwerk 
durch  zum  Theil  gut  hergerichtete  Bruchsteine  sich  von  dem  des  Langhauses  unter- 
scheidet, hat  im  Erdgeschoss  ein  Kreuzrippengewölbe,  dessen  einfach  abgeschrägte 
Rippen,  mit  merkwürdiger  Verzierung  am  Ende  der  Abschrägung,  auf  Konsolen  ruhen, 
deren  Verzierung  fratzenartige  Köpfe  bilden  (s.  Fig.  75).  Der  Thurm  öffnet  sich  in  das 
Langhaus  im  Rundbogen,  dessen  Kämpferprofil  auf  der  einen  Seite  vielfache  Abtreppung, 
auf  der  andern  Seite  den  runden  Wulst  in  einer  Abtreppung  zeigt.  Während  das  untere 
Thurmfenster  im  18.  Jh.  eingebrochen  ist,  zeigt  dagegen  die  kleine  Rundbogenthür  mit 
Billeten  (Kugeln)  in  ihrer  Abfasung  ächt  romanischen  Charakter.  An  seiner  Südseite 


Fig.  75.  Gewölberippe 
mit  Konsole  i??i  Erdgeschoss  des 
Thurmes  zu  Wittelbach . 


Kapellen 

Kruzifix 

Bildstöcke 


Ortsgeschichte 


Kirche 


144 


KREIS  OFFENBURG. 


hat  der  Thurm  ganz  primitive  Strebepfeiler  (einfache  Schrägen),  seine  zwei  oberen 
Geschosse  treten  jeweils  ein  wenig  zurück,  im  ersten  Obergeschoss  hat  er  im  Dreieck 
geschlossene  Lichtluken,  im  Geschoss  darüber  gekuppelte  Spitzbogenfenster,  von  einem 
Spitzbogen  umfasst,  in  dessen  Platte  ein  Vierpass  eingeschnitten  ist.  Das  Satteldach 
des  Thurmes  ruht  auf  Konsolen  auf.  Im  Langhaus  gegen  den  Thurm  zu  schlichte 
Fenster  des  17.  od.  18.  Jhs.,  dann  eine  Thür,  bei  der  man  einen  alten  romanischen 
Sturz  verwendet  hat,  der  in  eingeritzten  Linien  ein  Kreuz,  eine  Rosette  und  eine  Art 
Baum  aufweist.  Zwei  kleine,  kaum  spitzbogige  Fenster  mit  nach  Innen  und  Aussen 
gleichermassen  abgeschrägten  Laibungen,  dann  an  der  Fagade  eine  Rundbogenthür, 


Fig.  76.  Portal  der  Kirche  in  Wittelbach. 


wieder  mit  Billetenverzierung  (s.  Fig.  76),  neben  ihr  aus  dem  Achteck  konstruirter 
Weihwasserstein;  darüber  kleines,  schlankes  Rundbogenfenster  und  ein  weiteres  leis 
spitzbogiges  Fenster.  — Die  Kirche  ist  somit  im  Wesentlichen  ein  spätromanischer  Bau, 
aus  Zeiten,  wo  auch  schon  der  Uebergangsstyl  in  der  Gegend  vertreten  war,  also  Mitte 
des  13.  Jhs.;  am  Ende  des  16.  Jhs.  hat  das  Langhaus  aus  irgend  welchem  Grunde 
Ausbesserungen  und  Veränderungen  erfahren. 

Barockkanzel  Bemalte  Barockkanzel,  zu  der  eine  steinerne  Treppe  mit  plumpen  Ornamenten 

und  der  Jahreszahl  1767  führt. 

Barocksäulen-  Ueblicher  Barocksäulenaltar. 

Altar 

Glocken  Eine  Glocke  von  1681,  die  andere  von  1761  aus  der  Edel’schen  Werkstatt. 


AMT  LAHR.  — WITTENWEIER.  145 

WITTENWEIER 


Schreibweisen:  iuxta  Renum  villa  Wittenwilr  1270;  Wittenwilre  141 1 ; Wietlen- 
wilr  14x4;  Wyttenweiler  1426  etc. 

Archivalien  der  Gemeinde  und  (evang.)  Pfarrei : Mittheil,  der  histor.  Komm.  Nr.  1 5 
(1893)  S.  103. 

Ortsgeschichte : W.  gehörte  zur  Herrschaft  Geroldseck  (Lahr-Mahlberg),  kam  aber 
schon  im  14.  Jh.  durch  Heirath  an  die  Grafen  von  Werdenberg-Trochtelfingen,  dann  durch 
verschiedene  Käufe  an  Strassburger  Familien.  Anfang  des  19.  Jhs.  war  es  zu  7/12  in  dem 
Besitz  der  von  Berkheim,  zu  ]/4  der  von  Frankenstein  und  zu  ]/6  der  von  Böcklin. 
Patronat  und  Zehnt  hatte  das  Spital  zu  Strassburg  von  den  von  Hohenstein  erkauft. 
Am  9.  August  1638  siegte  Bernhard  von  Weimar  hier  über  die  Kaiserlichen  unter  Götz 
und  Savelli.  Ein  Kupferstich  (von  ?)  stellt  dies  Ereigniss  dar ; darauf  sehen  wir  auch  den 
kleinen  Ort  mit  seiner  offenbar  gothischen  Kirche.  Diese  (erwähnt  14x9  ein  Johans 
Nuweneck  Kirchherre,  1464  ein  rector  ecclesie),  dem  h.  Dionysius  geweiht,  oder  ein 
späterer  Neubau,  wurde  am  Ende  des  18.  Jhs.  von  den  Fluthen  des  Rheines  weg- 
geschwemmt. Die  heutige  ist  ein  schlichter  Bau  von  1806.  Von  den  Glocken  stammt 
die  eine  von  Matthaeus  Edel  1727. 

Das  Pfarrhaus  ist  ein  einfacher  Bau  von  1765  mit  der  stolzen  Inschrift:  haec  domus 
parocchialis  sub  quaestura  Stoeserich  et  pastoratu  Wiedemanni  ab  architectis  Freisingero 
et  Hasio  structa  est  MDCCLXV. 

Im  Ort  einige  gute  Typen  des  alemannischen  Bauernhofes , leider  zum  Teil 
durclji  moderne  Back-  und  Sandsteinbauten  ersetzt. 


Band  VII. 


IO 


Ortsgeschichte 


Kirche 


Glocken 


Bauernhofes 


AMT  OBERKIRCH 


BUTSCHBACH 


Schreibweisen:  Buspach  by  Fursteneck  1360;  Buspach  1381;  in  dem  Kirspil  zu 
Buspach  1381;  in  dem  Buspache  1417;  Bußbach  1432;  Butschbach  1441  etc.  (Eine 
Erklärung  des  Namens  sehr  zweifelhaft,  vielleicht:  Bach  des  Buso?) 

Ortsgeschichte : Der  Ort,  eine  zerstreute  Talgemeinde,  wird  seit  1300  oft  in  Ortsgeschichte 
Allerheiliger  Urkunden  genannt.  1381  hören  wir  von  einem  Giigelhirnenhof.  B.  ge- 
hörte zum  weltlichen  Gebiet  des  Hochstifts  Straßburg  und  zwar  zur  Herrschaft  Ober- 
kirch.  1803  wurde  es  badisch. 

Eine  Kirche  oder  erwähnenswerte  Kapelle  ist  hier  nicht  vorhanden.  In  einer 
Bergsattelung  steht  ein  spätgotisches  Bildstöckchen  (s.  Fig.  77),  vielleicht  das  künstlerisch 
ausgebildetste,  das  wir  in  Baden  besitzen.  Der  Fuß  hat  abgefaste  Ecken,  die  Ädicula 
ist  von  Rundstäben  und  Hohlkehlen  eingefaßt;  an  ihr  in  eingravierten  Linien  die  Dar- 
stellung der  Madonna  und  des  h.  Georg  (?)  sowie  die  verwischte  Inschrift:  fät  lll(aria) 
und  fallt  jÖl*0,  außerdem  die  Reste  der  Jahreszahl:  I -7?$  (1508?). 

Am  Übergang  zum  Fuß  das  Wappen  der  Pfau  von  Rippur. 

Das  Bildstöckchen,  in  weichem  Sandstein  gehauen,  bröckelt  ziemlich  ab. 

Weiter  gegen  das  Renchtal  zu  ein  Kruzifix  mit  Maria  auf  Rocaillepostament. 


RUINE  FÜRSTENECK 

Schreibweisen:  Vurstenecke  1263;  Furstenegge  1275;  die  burch  zu  Fürstenegge 
1298;  Fürstenecke  1299;  der  statt  Straßburg  sloß  Fürstenecke  etc. 

Literatur:  Näher,  Ortenau,  S.  13.  J.  Fritz,  Das  Territorium  des  Bistums  Straß- 
burg, Köthen  1885,  S.  148  ff. 

Die  Burg,  die  zum  erstenmal  1263  erwähnt  wird,  gehörte  ursprünglich  den  Geschichtliches 
Zähringern  und  kam  aus  deren  Erbschaft  mit  der  Herrschaft  Oberkirch  an  die  Fürsten- 
berg, was  König  Rudolf  1286  dem  Friedrich  und  Egeno  von  Fürstenberg  bestätigt. 

Bereits  1303  aber  verkaufte  die  Witwe  Friedrichs,  Udelhildis,  das  Schloß  Fürsteneck 
mit  der  Stadt  Oberkirch  und  allen  Pertinenzien  an  den  Bischof  von  Straßburg,  Friedrich 
von  Lichtenberg.  Zu  diesen  Pertinenzien  gehörten  außer  Oberkirch  und  Oberndorf 
Güter  in  Ringelbach,  Geldengrunt,  Frawensberge ; sodann  im  Noppenouwer  Tal  in 
Gerwinsberge,  Nortwasser,  Meisahe,  Rotschier,  Breitenberg,  Dettlinsbach,  Bestenbach, 
Eberlinsberge,  In  dem  Springe,  Löhern,  In  der  Gassen,  Ruprehtsbühele,  Sigmannes- 
gassen,  An  der  Matten,  Ibach,  Ramesbach,  Richenbach.  Es  war  einer  der  bedeu- 
tendsten Schritte  zur  Ausbreitung  bischöflichen  Territorialbesitzes  auf  rechtsrheinischem 
Boden  zur  Abrundung  desjenigen  Distriktes,  der  nach  der  ältesten  festen  Nieder- 
lassung Ullemburg  genannt  wurde.  Die  Burg  wurde  1395  an  den  Propst  von  Aller- 


1S° 


KREIS  OFFENBURG. 


Beschreibung 
der  Ruine 


heiligen  und  von  diesem 
1405  an  die  Stadt  Straß- 
burg verpfändet.  1606 
kam  sie  an  Württemberg, 
1664  zugleich  mit  dem 
Amte  Oberkirch  wieder  zu- 
rück an  das  Bistum  Straß- 
burg. Noch  einmal  wurde 
sie  diesem  genommen 
wegen  Begünstigung  der 
Einnahme  von  Straßburg 
durch  die  Franzosen  1683 
und  vom  Kaiser  dem 
Türkenlouis  (MarkgrafLud- 
wig  Wilhelm  von  Baden) 
übergeben;  1697  aber  kam 
sie  an  das  Bistum  zurück. 
Unterdes  war  unsere  Burg 
den  Flammen  der  Fran- 
zosen zum  Opfer  gefallen 
und  liegt  seither  als  Ruine 
da.  Fleute  ist  sie  im  Privat- 
besitz (s.  Fig.  78). 

Allein  die  Mauerzüge 
lassen  sich  erkennen,  sie 
ragen  noch  ca.  1 m aus 
dem  Boden  hervor,  nur 
nach  Westen  hin  stehen  sie 
noch  höher,  aber  ohne  uns 
irgendwelche  Bauformen  zu 
verraten.  Andere  Mauer- 
züge sind  nur  noch  in  ihrer 
Richtung  erkennbar.  Wie 
man  sieht,  liegt  die  Burg 
auf  der  länglichen  Kuppe 
des  in  die  Ebene  vor- 
springenden Vorberges, 
dessen  Form  sich  ihre  ca. 
1 1/2  m dicke  Umfassungs- 
mauer anschließt.  An  der 
westlichen  Spitze  dürfen 
wir  in  D wohl  einen  Wohn- 
turm vermuten,  in  C ein 
kleineres  Gebäude.  Was  bei 
A gestanden  hat,  können 


Fig.  77.  Bildstöckchen  bei  Butsrhbach. 


AMT  OBERKIRCH.  — ERLACH. 


1 5 1 


wir  nicht  mehr  erkennen,  dagegen  sind  bei  B noch  die  Spuren  des  Brunnens  bezw.  der 
Cisterne  nachweisbar. 


Auch  über  das  Alter  der  Burg  gibt  uns  der  Befund  keine  Auskunft.  Wenn  Kolb 
behauptet,  sie  sei  ca.  1260  von  den  Fürstenbergern  zum  Schutz  von  Oberkirch  angelegt 
worden,  so  fehlen  dafür  alle  Anhaltspunkte;  ebensogut  können  das  schon  die  Zähringer 
getan  haben. 

ERLACH 

Schreibweisen:  Erlehe  1285;  Erlech  14.  Jh. ; Erloche  14.  Jh. ; Erleiche  1411; 

Erlach  1533.  (Ort,  wo  viele  Erlen  stehen.) 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  19  (1897),  S.  23. 

Literatur:  K.  Fehrenbach,  Auszüge  aus  einer  Erlacher  Ortschronik  des  Joachim 
Kupferer,  Oberkircher  Bote  1894,  Nr.  144 — 151;  1895  Nr.  3 — 70. 

Ortsgeschichte : E.  ist  seit  dem  13.  Jh.  bekannt.  Es  mag  damals  wohl  in  den  Ortsgeschichte 
Besitz  des  Bischofs  von  Straßburg  gekommen  sein,  dem  es  bis  1803  gehörte;  es  lag  in 
der  Herrschaft  Oberkirch  bezw.  im  Distrikt  Ullemburg.  1250  schon  besaß  das  Kloster 
Allerheiligen  hier  einen  Hof,  außerdem  waren  die  Neuenstein  und  Schauenburg  hier 
begütert.1)  Auch  gab  es  ein  Geschlecht:  »die  Erlach  von  Ulm«,  das,  in  Offenburg 
ansässig,  im  14.  und  15.  Jh  genannt  wird  und  Ende  des  16.  Jhs.  ausstirbt.2) 

Die  kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Anastasium),  als  Kapelle  seit  15x1  laut  ihrer  Inschrift  Pfarrkirche 
bestehend,  1876  zur  Pfarrkirche  erhoben ; früher  war  Erlach  Filiale  der  Pfarrei  Ulm.  3) 

*)  Das  Großh.  Baden,  S.  814. 

2)  Kindler  v.  Kn  ob  loch,  Oberbad.  Geschlechterbuch  I,  107. 

3)  Bad.  Beobachter  1882,  Nr.  175. 


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KREIS  OFFENBURG. 


Die  Kirche  ist  ein  einschiffiger  Bau  mit  östlichem  Turm,  dessen  Erdgeschoß  als 
Chor  dient.  Dieses  ist  mit  einem  spätgotischen  Netzgewölbe  bedeckt  und  öffnet  sich 
in  großem  Spitzbogen  nach  dem  Langhaus.  In  dem  Schlußsteine  die  Hand  Gottes. 


Fig.  79.  Nördlicher  Seitenaltar  (Mittelschrein)  in  der  Kirche  in  Erlach. 

Die  Rippen  haben  die  übliche,  trockene  Profilierung  der  Spätzeit.  An  beiden  Seiten- 
wänden des  Chors  je  ein  spitzbogiges  Maßwerkfenster.  Drei  solche  (das  vierte  jetzt 
wohl  durch  das  Dach  verdeckt)  zeigt  das  erste  Obergeschoß  des  Turmes,  alles  weitere 


AMT  OBERKIRCH.  — ERLACH. 


153 


Fig.  80.  Südlicher  Seitenaltar  in  der  Kirche  in  Erlach. 

stammt  von  dem  Neubau  i.  J.  1884.  Durch  ihn  erhielt  auch  das  Langhaus  seine  heutige 
Gestalt;  nur  die  zwei  spitzbogigen  Fenster  mit  Maßwerk,  die  dem  Chor  am  nächsten 


r54 


KREIS  OFFENBURG. 


Altäre 


Kruzifix 


Bildstock 


Wirtshausschild 


Ortsgeschichte 


Kapelle 


liegen,  sind  alt,  ebenso  das  an  der  Fassade  wieder  verwendete,  kielbogige  Portal,  mit 
sich  durchkreuzenden  Rundstäben  auf  kleinen,  steilen  Basen;  über  ihm  die  Jahreszahl 

und  das  Steinmetzzeichen : onu 

An  der  Nordwand  des  Chores  noch  eine  kleine  Sakramentsnische  zu  verzeichnen, 
umrahmt  von  sich  kreuzenden  Rundstäben. 

Drei  Altäre:  der  Hochaltar,  ganz  flotter  Barockaufbau  aus  dem  18.  Jh.  mit  der 
Statue  des  h.  Anastasius.  Der  nördliche  Seitenaltar  ein  vorzügliches  Schnitzwerk  der 
frühesten  Renaissance  oder,  wenn  man  so  will,  unserer  spätesten  Gotik  mit  geschwellten, 
in  der  Mitte  zusammengefaßten  Säulchen  und  gutem  Rankenwerk  (s.  Fig.  79).  In  ihm 
die  Gestalten  der  Mutter  mit  dem  Kind,  über  der  Engelchen  die  später  erneuerte  Krone 
halten,  der  h.  Katharina  und  der  h.  Barbara,  gleichzeitigen  sehr  guten  Skulpturen  (ca.  85 
bis  95  cm  hoch).  Später  als  diese,  wohl  bald  nach  dem  Bau  der  Kirche  1511  ent- 
standenen Werke  in  dem  im  19.  Jh.  hergestellten  Aufbau  die  h.  Anna  selbdritt,  wohl 
aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhs.  stammend.  Neu  auch  das  Innengemälde  der  Flügel, 
während  die  Außenbilder,  der  Schmerzensmann  und  die  Schmerzensmutter,  geringe 
Bilder  etwa  von  1600  sind. 

Aus  der  zweiten  Hälfte  des  1 6.  Jhs.  stammt  der  südliche  Seitenaltar  (s.  Fig.  80), 
ein  typischer  Renaissancebau  mit  dem  Relief  der  Kreuzigung  Christi,  des  Veroneikon, 
Gottvaters  und  den  kleinen  Freifiguren  des  h.  Kaisers  Heinrich  (?)  und  der  h.  Kunigunde, 
der  Apostelfürsten  und  der  Pietä.  Die  oberste  Bekrönung  ist  erneut. 

In  der  Kirche  noch  ein  schlichter  Weihwasserstein;  vor  ihr  Kruzifix  mit  Maria 
und  Johannes  auf  zopfigen  Postamenten,  von  einer  Anzahl  Erlacherinnen  1782  gestiftet. 
In  der  Gemarkung  u.  a.  ein  Bildstock  mit  dem  Relief  der  h.  Barbara,  Rokoko,  von  1764 
und  ein  solcher  von  1688  mit  später  aufgesetztem  Kruzifix. 

Am  Wirtshaus  »Zur  Krone«  schmiedeeisernes  Wirtshausschild. 


GAISBACH 


Schreibweisen:  In  dem  Geißbach  1255;  Gaisbach  1313;  In  dem  Geisbach  1365; 
Geispach  1476. 

Ortsgeschichte : Die  Annahme  liegt  nahe,  daß  der  Weiler,  der  1225  in  den  Zehent- 
bezirk der  Pfarrei  Oberkirch  gehörte,  im  Anschluß  an  die  auf  dem  Berg  über  ihm 
liegende  Burg  entstanden  ist.  Die  Geroldsecker  waren  auch  hier  begütert,  wir  hören, 
wie  aus  der  ganzen  Gegend,  von  Belehnungen,  die  sie  den  Herren  von  Schauenburg 
erteilen ; J)  aber  auch  der  Straßburger  Bischof  hatte  Besitzungen,  wir  hören  1351  von 
homines  Berth.  episcopi  Argentinensis  in  dem  Giesbach.  — Für  den  Zusammenhang 
des  Ortes  mit  dem  Schloß  spricht  wohl  auch,  daß  er  bis  1806  ritterschaftliche  Besitzung 
der  Familie  von  Schauenburg  war. 

Kapelle:  1531  wird  sie  erwähnt;  es  heißt:  bey  sännet  Jorgen,  sie  ist  also 
nicht,  wie  man  gemeint  hat,  erst  1623  von  Hannibal  von  Schauenburg  gestiftet. *  2)  Damit 

*)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  475. 

2)  Wie  J.  Hofmann  meint.  (Der  Schulkreis  Offenburg,  S.  359.) 


AMT  OBF.RKIRCH.  — GAISBACH. 


1 55 


stimmt  auch  der  Befund.  Eine  einschiffige  Kapelle,  in  die  sich  der  aus  drei  Seiten  des 
Achtecks  geschlossene,  verhältnismäßig  lange  Chor  im  gedrückten  Spitzbogen  öffnet. 
Die  einpfostigen  Fenster  zeigen  Fischblasenmaßwerk. 

1899  wurden  Wandgemälde  aufgedeckt,  die  in  dem  Anfänge  des  17.  Jhs., 
möglicherweise  bei  einer  Erneuerung  der  Kapelle  durch  Hannibal  von  Schauenburg  gemalt 
worden  sind.  Es  sind  im  Chor  zweimal  fünf  Figuren  in  Lebensgröße:  der  Heiland  mit 
der  Weltkugel,  die  Rechte  segnend  erhoben,  die  Heiligen  Petras,  Paulus,  Andreas  und  Katha- 
rina etc.,  unter  jedem 
der  Name,  unter  dem 
Andreas  steht  außerdem 
noch  H • ANDRES  • 

CRIST-  Unten  weih- 
räuchernde Engel.  Der 
Urheber  der  Bilder- 
reihen, S.  Keller  von  Oberkirch,  nennt  sich 
selbst  unter  den  linksseitigen  Bildern.  Die 
ganze  Kirche  war  bemalt,  leider  waren  die 
Bilder  der  Mutter  Gottes,  der  Himmelfahrt 
und  des  h.  Georg  zu  sehr  ruiniert.  Die  anderen 
Bilder  wurden  in  den  Jahren  1901  und  1902 
von  J.  Mader  restauriert,  wozu  die  Regierung 
und  der  kath.  Stiftungsrat  in  Gaisbach  die 
Mittel  hergaben. 

Am  Bergrücken  steht  das  in  seinem 
Hauptgebäude  neue  Schloß  der  Freiherren 
von  Schauenburg.  Seit  dem  16.  Jh.  etwa  wird 
hier  ein  Wohnhaus  der  Familie  gestanden 
haben  — man  verließ  ja  damals  überall  die 
unbequemen  Burgen  — , 1655  hören  wir,  daß 
Karl  von  Sch.  sein  »adelig  Haus  im  G.«  nebst 
drei  Rebhöfen  an  Johann  Reinhard  von  Sch. 
abtrat.  Wohl  aus  dem  16.  oder  17-  Jh.  Fig.  81.  Hohsäule  im  Nebengebäude 
etwa  mögen  die  Gebäude  auf  der  nörd-  des  Schlosses  zu  Gaisbach. 

liehen  Hofseite  stammen.  Das  eine  hat 

im  Erdgeschoß  einen  saalartigen  Raum  mit  großem  Unterzugsbalken  und  abgefaster 
Holzstütze  (s.  Fig.  81),  an  der  Wand  gemalt  die  Wappen  des  H.  Reinhard  von  Schauen- 
burg und  seiner  Gemahlin  Walpurgis  geb.  von  Wachenheim,  1654.  Der  anstoßende 
Riegelbau,  an  dem  ein  Stein  mit  der  Inschrift  1661  sich  befindet,  zeigt  Schießscharten 
(Gewehr),  unten  im  Kreis  endigend.  Eine  weitere  Anzahl  von  Schießscharten  ist  hier 
eingemauert,  die  von  der  Burg  stammen.  Das  rundbogige  Eingangstor  trägt  die  Jahres- 
zahl 1619. 

Im  Besitz  des  Freiherm  von  Schauenburg  eine  Anzahl  erwähnenswerter  Altertümer : 

1.  ein  Türsturz  (Sandstein)  mit  Blendspitzbogen,  darin  das  Wappen  der  Schauen- 
burg und  das  der  Windeck  (s.  Fig.  82);  wohl  noch  aus  dem  ausgehenden  14.  Jh.  und 
möglicherweise  von  der  Burg,  nach  andern  Angaben  von  der  Altwindeck  stammend; 


Wandgemälde 


Schloß 


Altertümer 


*56 


KREIS  OFFENBURG. 


2.  ein  kreisrunder  Stein  (Fig.  83)  mit  spätgotischem,  krausem  Blätterwerk,  darin  vier 
Wappen  der  Berlichingen,  Schauenburg,  Landschaden  von  Steinach  und  Neuneck ; die 
Umschrift  in  Minuskeln  lautet: 

fcfjlntcftüi*  • ba  fcfjaubdiiirg  '3Cimo  • öomni  • m • mc  ■ i+  + + tbm; 


Fig.  82.  Türsturz  im  Besitz  des  Freiherrn  von  Schauenburg  in  Gaisbach. 


4-f  Pz  cm/. ‘■--Jl 


3.  ein  Epitaplt  (Sandstein),  der  obere  Aufsatz  möglicherweise  nicht  zum  unteren 
gehörig,  zeigt  ein  Allianzwappen,  von  dem  nur  noch  das  schauenburgische  kenntlich  ist ; 

in  dem  unteren  vertieften  Viereck  ausgehauen 
wieder  ein  Allianzwappen  und  die  Inschrift : 

pljüijpö  taetjcl  bau  marfili  claranna  bon 
Jirfjaiienfturg, 

oben  die  Zahl  1475  (s.  Fig.  84); 


4.  ein  Türsturzrest,  von  der  Burg  stammend 
mit  dem  Wappen  und  einem  Band,  auf  dem  die 
Jahreszahl  (s.  Fig.  85); 

5.  ein  hübsches  Epitaph  im  Zopfstil; 

6.  eine  Rocaillekartitsche,  in  der  das  Wappen 
eines  Malteser  Großmeisters  von  Schauenburg,  um- 
geben von  Putten,  die  mit  den  Insignien  spielen, 
vom  Bezirksamt  in  Kenzingen  stammend; 

Fig.  83.  Schlußstein  im  Besitz  des  7-  ein  Holzrelief  von  1610  mit  der  Verkün- 

Freiherrn  von  Schauenburg  in  Gaisbach,  digung  Mariä  in  schön  mit  Rankenwerk  geschnitztem 

Rahmen,  am  bekrönenden  Gesims  die  Inschrift: 


HANS  REINHARD  VON  CLAUDIA  VON  SCHAUENBURG 

SCHAWENBURG  l M • DC  • X • GEBORNE  VON  LÜTZELBURG; 

1905  im  Kunsthandel  erworben; 


AMT  OBERKIRCH.  — GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


157 


8.  eine  Standuhr  mit 
in  Silber  getriebenem  Ziffer- 
blatt ; 

9.  ein  silbergetriebe- 
ner Becher,  vergoldet, 
mit  Augsburger  Beschau- 
zeichen und  B ; eingraviert 
das  Allianzwappen  der  Frau 
des  Ulrich  Diebold  von 
Sch.,  der  Ursula  geb. 

Bärenfels ; 

1 o.  ein  holzgeschnitzter 
h.  Georg  des  17.  Jhs. ; 

1 1 . Votivsporen  des 
Hannibal  von  .Schauen- 
burg aus  der  Kirche  in 
Gaisbach ; 

12.  einige  Ölgemälde, 

Familienporträts,  aus  denen 
ich  hervorhebe  das  des 
Ulrich  Diebold  und  der 

. Ursula  vom  Anfänge  des 
18.  Jhs.;  das  eines  Herrn 
zu  Rhein,  wohl  französische 
Arbeit  aus  dem  Anfänge 
des  18.  Jhs.;  zwei  hübsche 
Pastellporträts  u.  a.  m. 

(Die  hier  aufbewahr- 
ten Funde  von  der  Schauen- 
burg werden  in  der  folgen- 
den Beschreibung  dieser 
erst  erwähnt.) 

Uber  diesem  Wohnsitz  liegt,  auf  einem  Vorhügel  des  Solbergs  von  etwa  379  m 
Höhe,  die 


Fig.  84.  Epitaph  im  Besitz  des  Freiherrn  von  Schauenburg  in  Gaisbach. 


RUINE 

SCHAUENBURG 

Schreibweisen : Scowen- 

burc  ca.  1x50;  Scouvenburg 
1167;  Scowenburg  1x96; 

Fig.  Sg.  Türsturz  von  der  Burg  im  Besitz  des  Freiherrn  Schowenburg  1213;  Schom- 
von  Schauenburg  zu  Gaisbach.  bürg  1 343  i Schonburg  1 3 5 G 

Schawemburg  1441  ; in  Castro 
Schawenburc  1301;  zu  Schowenburg  in  der  bürge;  Schauwenburg  das  schloß 
1452. 


KREIS  OFFFNBURG. 


Geschichtliches 


158 


Literatur:  J.  Bader,  Frau  Uta,  Herzogin  zu  Schauenburg,  Badenia  I (1839), 
S.  114 — -118.  Ruppert,  Regesten  des  Mortenauer  Adels:  2.  Die  von  Schauenburg, 
J.  39,  S.  83 — 180.  Bodo  Ebhardt,  Deutsche  Burgen,  Liefer.  4 und  5,  S.  178  ff. 

Geschichtliches : Ursprünglich  war  die  Burg  zähringische  Besitzung.  Als  Liut- 
gard,  die  Tochter  Bertholds  II.,  den  Grafen  Gottfried  von  Calw  heiratete,  dem  Heinrich  V. 
i.  J.  11 13  die  rheinische  Pfalzgrafschaft  anvertraute,  da  befand  sich  die  Feste  Schauen- 
burg unter  ihrem  Heiratsgut.1)  Sie  scheint  vor  ihrem  Gatten  ins  Grab  gesunken 
zu  sein,  ebenso  ihr  einziger  Sohn.  Als  Pfalzgraf  Gottfried  1136  starb,  blieben  nur 
Töchter  übrig;  die  eine,  Liutgard,  war  zu  einer  nicht  standesgemäßen  Ehe  gezwungen 
worden  und  schied  somit  von  der  Erbberechtigung  aus.  Die  andere,  Uta,  hatte  auf 
Betreiben  Heinrichs  des  Stolzen  dessen  Bruder  Welf  VI.  die  Hand  gereicht,  und  dieser 
trat  nun  die  Erbschaft  aller  Lehen  und  Güter  seines  Schwiegervaters  an.  Dagegen 
aber  erhob  der  Sohn  eines  Bruders  desselben,  Albert,  Einspruch,  der  mindestens  die 
Hälfte  des  Calwer  Gutes  fordern  zu  können  glaubte.  Es  kam  zur  Fehde,  bei  welcher 
Welf  die  Burg  Alberts  verbrannte.  Nun  griff  auch  Herzog  Konrad  von  Zähringen  ein. 
Er  war  nicht  willens,  die  Mitgift  seiner  Schwester  ohne  weiteres  dem  angeheirateten 
Welfen  zu  überlassen,  zog  mit  Heeresmacht  heran  und  belagerte  die  Schauenburg.3) 
Da  aber  trat  der  Kaiser  (Lothar)  dazwischen.  Es  muß  dann  zu  einem  Vergleich  gekommen 
sein,  denn  als  Uta  hochbetagt  starb,  kam  die  Schauenburg  nebst  Zubehör  nicht  (?)  in  das 
zähringische  Gut  zurück.4)  Uta,  von  ihrem  Gemahl  über  der  Liebe  zu  anderen  Frauen 
vergessen,  saß  von  ihm  getrennt  auf  der  Burg,  nach  der  sie  sich  Herzogin  von  Schauen- 
burg nannte.  Sie  kommt  noch  ca.  1196  urkundlich  vor,  1200  ist  sie  schon  tot,  da  es 
heißt:  »Felicis  memoriae  Uta  ducissa  de  Sowenburg«.  Die  Burg  kam  an  den  nächsten 
Erben  der  Uta,  an  Eberhard  von  Eberstein,  5)  dessen  Ansprüche  nach  Ruppert  aus 
Calwischer  Heirat  herrührten.  Wohl  erheben  die  Erben  der  Zähringer,  die  Uracher, 
Ansprüche,  die  aber  schließlich  erledigt  werden. 

Möglich,6)  daß  die  Burg  schon  damals  ein  Lehen  des  heute  noch  blühenden 
Geschlechtes  war.  Schon  zwischen  1120  und  1150  hören  wir  von  einem  Rödolfus,  miles 
de  Scowenburc.  Die  Familie  muß  schon  im  1 2.  Jh.  in  stattlichem  Ansehen  gestanden  haben, 
dafür  spricht  ihr  bereits  zahlreiches  Vorkommen  in  Zähringer  Urkunden.  Am  Ende  des 
i2.Jhs.  erscheint  in  dem  Stiftungsbrief  von  Allerheiligen  ein  Fridericus  de  Scowenburg  als 
kaiserlicher  Landvogt  im  Elsaß  und  als  königlicher  Ministeriale.  Während  man  früher  die 
Zugehörigkeit  zum  Herrenstande  annahm  und  ein  altes  schauenburgisches  Herrengeschlecht 
konstruierte,  an  dessen  Stelle  nach  seinem  Aussterben  im  14.  Jh.  die  jetzige  Familie 
getreten  wäre,  wird  wohl  Ruppert  recht  haben,  wenn  er  den  Schluß  auf  Herrenmäßig- 
keit nicht  fiir  richtig  erachtet  und  deshalb  eine  Kontinuität  der  Familie  vom  12.  Jh.  bis 
auf  unsere  Zeit  wohl  für  möglich  hält.7)  Die  Familie  hat  für  die  Gegend  eine  größere 

4)  Heyck  a.  a.  O.  S.  221. 

2)  Ebenda  S.  286. 

8)  Ebenda  S.  286. 

4)  Ebenda  S.  287. 

5)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  84. 

6)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  84. 

7)  Ebenda  S.  85  ff.  Nicht  zu  verwechseln  ist  die  Familie  mit  den  gleichnamigen  Dynasten 
an  der  Bergstraße  sowie  einem  wtirttembergischen  Geschlecht  von  gleichem  Namen. 


Tafel  III 


liuivc  Schauenburg,  Ansicht  von  Südwesten. 


AMT  OBERKIRCH.  — GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


1 59 


Bedeutung  gehabt  als  die  Neuensteiner  u.  a.  »Mit  größerem  Besitz,  mit  vielen  Lehen 
ausgestattet,  beschränkten  die  Schauenburger  den  Schauplatz  ihrer  Tätigkeit  nicht  auf 
den  heimatlichen  Boden,  auf  das  enge  Renchtal,  wir  finden  ihre  Glieder  an  den  Höfen 
von  Baden,  von  Wirtemberg,  der  Pfalz,  an  dem  Hofe  des  Bischofs  von  Straßburg  und 
der  Erzherzoge  von  Österreich ; wir  finden  sie  auch  als  fromme  Ordensritter,  als  Mönche 
und  Äbte.«1)  Den  Stammbaum  mit  Sicherheit  weiter  hinaufzuführen  als  bis  zum  Ende 
des  13.  Jhs.,  scheint  nach  Ruppert  unmöglich.  Schon  damals  scheint  zeitweise  eine 
Trennung  in  zwei  oder  mehrere  Linien  zu  bestehen.  Am  Ende  des  15.  Jhs.  (ca.  1474) 
spaltete  sich  das  Geschlecht  auf  die  Dauer  in  zwei  große  Linien,  die  Elsässer  oder 
Herrlisheimer  Linie,  die  mit  Reinhard,  und  die  Luxemburger  oder  Harthartsche  Linie, 
die  mit  Friedrich  ihren  Anfang  nimmt.  Von  der  Elsässer  Linie  zweigten  sich  verschiedene 
Seitenlinien  ab,  die  aber  mit  der  Zeit  ausstarben,  so  die  alte  Gaisbacher,  die  gräfliche, 
die  Jungholz-  oder  Niederherckheimsche,  die  in  den  Freiherrn  von  Schauenburg  zu  Hoch- 
felden  weiterlebt,  die  mährische  und  endlich  die  Herrlisheimer  Linie,  welche  in  Gaisbach 
residiert  und  welcher  wir  die  Erhaltung  des  alten  Stammsitzes  zu  danken  haben.  Die 
zur  Zeit  lebenden  Mitglieder  der  Luxemburger  Linie  wohnen  in  Oberkirch  am  Ausgang 
gegen  Lautenbach.  2) 

Wir  hören  außerdem  vom  13.  bis  15.  Jh.  noch  von  den  Winterbachen  und  den 
Kalwen  von  Schauenburg  in  der  Gegend,  von  denen  es  sicher  ist,  daß  sie  nicht 
der  gleichen  Familie  entstammten.3)  Doch  erscheinen  sie  seit  dem  Ende  des  13.  Jhs. 
als  Ganerben  auf  der  Burg;  außerdem  scheinen  sie  verschiedentlich  in  eheliche  Ver- 
bindung mit  der  Familie  getreten  zu  sein.  Dagegen  erklärt  Ruppert  die  Zugehörigkeit 
zur  Familie  bei  den  ebenfalls  vorkommenden  Höfinger  von  Sch.  für  möglich,  bei  den 
Burggrafen  von  Sch.  und  bei  dem  Neunecker  ist  sie  zweifellos.  1320  erscheint  dann 
noch  ein  her  Albrecht  der  Roder  von  Negewils  von  Schowenburg  genant  und  1235 
Conradus  et  Heinricus  dicti  Schidelin  fratres  milites  de  Schowenburg,  die  nur  des 
Wohnsitzes  halber  diesen  Namen  erhielten. 

Uber  das  Wappen  der  Sch.  (mit  dem  Schrägen)  siehe  Einleitung  und  Ruppert; 
letzteren  auch  über  die  Familienlehen,  deren  älteste  die  ebersteinischen  sind,  die  Burg, 
die  Dörfer  Gaisbach,  Fernach  etc.,  dann  die  badischen,  vor  1366  freiburgischen,  im 
Renchtal  mit  Altneuenstein  etc. ; die  geroldseckischen  (später  sarwerdischen)  Lehen  in 
Nesselried,  Sinzenhofen,  Haslach  etc.,  stülingen-lupfisches  Lehen  zu  Mosbach,  Ober- 
stadelhofen; die  bischöflich  straßburgischen  Lehen  in  der  Ortenau;  bedeutender  jedoch 
auf  elsässischem  Boden  die  bischöflich  straßburgischen,  die  österreichischen,  marbach- 
lüdersschen  und  rappoltsteinischen  Lehen. 

Die  Burg  war,  wie  aus  den  von  Ruppert  publizierten  Regesten  hervorgeht,  ein  Baunachrichten 
Ganerbensitz  und  zerfiel,  wie  wir  sehen  werden,  in  mehrere  Teile.  Doch  läßt  sich  auf 
Grund  der  Nachrichten  der  Anteil  der  verschiedenen  Besitzer  nicht  bestimmen.  Die 
erste  bauliche  Angabe  enthält  die  Notiz,  daß  1275  Graf  Heinrich  von  Fürstenberg  mit 
dem  Verzicht  auf  alle  Ansprüche  an  den  unteren  Hof  zu  Nußbach  auch  auf  das  dazu- 
gehörige Patronat  der  »capella  de  Schowenburg«  verzichtet.4)  1300  bezieht  das  Stift 

4)  Ebenda. 

2)  Becke-Klüchtzner,  Stammtafeln  des  Adels  des  Großh.  Baden,  S.  402 — 406. 

3)  Ebenda  S.  99. 

4)  F.  V.  I,  S.  241.  — Ruppert  a.  a.  O.  S.  110. 


1 6o 


KREIS  OFFENBURG. 


Straßburg  Einkünfte  aus  einem  Grundstück  Hahnrain  »prope  fossatum  castri  Schawen- 
burc«.  Aus  einer  Erbverschreibung  von  1331  geht  hervor,  daß  ein  Ganerbenanteil  aus 
»dum,  hus  und  hof«,  Garten  und  zwei  Pfistereien  bestand.1)  1 333  hören  wir  u.  a. 
davon,  daß  nach  einer  Fehde  mit  dem  Bischof  von  Straßburg,  der  die  Burg  ohne 
Erfolg  belagert,  aber  die  schauenburgischen  Besitzungen  arg  beschädigt  hatte,  die 
Schauenburger  versprechen,  den  Teil  ihrer  Burg,  den  Johann  und  Kunze  von 
Winterbach  und  Heinzelin  Burggraf  besaßen,  dem  Bischof  zu  übergeben,  diesem  jederzeit 
die  Schauenburg  zu  öffnen,  doch  nicht  wider  ihren  Herrn  von  Eberstein,  von  dem  sie 
dieselbe  Burg  zu  Lehen  haben.  Bald  nachher  aber  wird  dieser  Vertrag  wieder  auf- 
gehoben. 1388  hören  wir  wieder  von  einem  Vertrag  zwischen  den  Verwandten  über 
den  Anteil  an  der  Burg,  ohne  daraus  etwas  über  die  Bauten  zu  erfahren,  1402  aber 
hören  wir,  daß  Egenolf  Kalwe  von  Schauenburg  und  sein  Bruder  Kunemann  vom  Mark- 
grafen Bernhard  von  Baden  die  Lehen  empfangen  haben,  die  ihr  Vater  selig  getragen, 
darunter:  »das  vorderhus,  das  stoßet  an  Sigelin,  das  hinderhus,  stoßt 
ein  site  an  den  mantel  und  den  alten  Kelre  unter  der  capeilen  und  den 
vorhof  am  weg  in  die  kapellen  und  in  des  Winterbachs  hus,  item  den 
hof  uff  dem  graben  neben  herrn  Conrads  sun  und  an  des  bischofs 
gut,  item  ein  garten  an  der  gaß  uff  den  Spring  und  am  gemeinen  wald  etc.«2)  1403 

gibt  es  wieder  Streitigkeiten  wegen  Ludwig  von  Winterbachs  selig  Anteil  an  der  Feste, 
da  der  Markgraf  diesen  Anteil  durch  den  kinderlosen  Tod  Ludwigs  als  heimgefallen 
betrachtete,  während  die  Schauenburg  dieser  Ansicht  widersprachen,  weil  Ludwig  von 
Geburt  von  Schauenburg  gewesen  und  sie  untereinander  eine  stete  feste  Gemeinschaft  zu 
Schloß  und  Berg  und  allen  Zugehörden  hätten.  Bei  dem  Manngericht  am  24.  September 
1403  schwören  die  Gemeiner  von  Schauenburg  u.  a. : »Darzu  hettent  sie  ein  starck 
gemeinschaft  miteinander  an  der  vestin  zu  Schowenburg,  an  dem  berge,  an  dem  velsen, 
an  dem  mantel,  an  muren,  porten,  brücken,  graben,  an  der  cappelen,  an 
der  drinckstuben,  an  wege  und  Stege,  an  walt,  wasser,  weyde,  und  wer  anders  kein 
sunderheit  do,  wen  daz  ihre  vorderen  und  sie  sundere  hüszer  und  wonunge  do 
hettent,  und  die  werent  vor  zyten  ußgezeichnet,  wo  ir  jeglicher  mit  sime  wibe  und  kinde 
ire  hüszer  und  gemache  hettent  und  als  schier  ir  einer  für  sin  turn  keme,  so 
were  er  uff  irer  gemeinschaft«  etc.3)  Wir  hören  nichts  Genaueres;  1405  aber  am 
26.  Januar  belehnt  Graf  Bernhard  von  Eberstein  den  Volmar  von  Schauenburg  mit  den 
Gütern,  welche  Ludwig  von  Winterbach  selig  zu  Lehen  gehabt,  welche  nachher  an  Heinze 
Truchseß  von  Hofingen  verliehen,  von  diesem  aber  an  Volmar  abgetreten  waren,  darunter 
ein  »ußteil«  an  Schauenburg,  der  Burg  mit  Wald,  Weid  und  Wasser,  ein  Garten 
zu  Schauenburg  neben  Konrads  von  Schauenburg  selig  Sohn,  neben 
Ottemann  von  Schauenburg,  Winterbachs  Anteil  am  gemeinen  Berg  und  dem  Spring, 
und  mit  einer  Hofstatt  am  Graben.4)  1407  belehnt  derselbe  Eberstein  Rudolf 
von  Sch.  mit  einem  Vierteil  ar.  der  Burg.5)  1432  rückten  in  gemeinsamem  Zuge  Graf 

1)  Ebhardt  a.  a.  O.  S.  183,  wohl  aus  dem  Archiv  in  Gaisbach. 

2)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  146. 

3)  Ebhardt  a.  a.  O.  S.  183. 

4)  Ebhardt  a.  a.  O.  S.  183.  Aus  »Historia  und  Geschieht,  so  herr  Wilhe'm  von  Schauwen- 
burg  selbsten  verzeichnet*.  Straßburger  Archiv:  Argentor.  hist,  politica. 

5)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  I So. 


AMT  OBERK.IRCH.  — GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


IÖI 


Ludwig  von  Württemberg  und  die  Straßburger  vor  die  Burg.  Der  Grund  der  Belagerung 
war,  daß  Wilhelm  von  Sch.  dem  Friedrich  Bock  von  Staufenberg,  der  mit  ihm  in  Fehde 
gegen  Württemberg  lag,  Aufenthalt  auf  der  Burg  gewährte  und  daß  dessen  Knechte  einen 
Straßburger  Bürger,  Lingers  Clauß,  »ein  würdt  zu  Schauwenburg«,  erschlagen  hatten. J)  Sie 
beschossen  die  Burg  etwa  1 7 Tage  lang,  und  zwar  pflanzten  die  Straßburger  ihr  Geschütz 
dem  Teil  der  Burg  gegenüber  auf,  der  Wilhelm  von  Schauenburg  gehörte,  die  Württem- 
berger  mußten  sich  eine  andere  Seite  aussuchen  und  »schußent  do  Vollmars  husze  die 
eine  seidten  nider«.* 2)  Aber  auch  die  Straßburger  müssen  etwas  erreicht  haben,  denn 
in  der  Aufzeichnung  des  Wilhelm  von  Sch.  heißt  es:  »Und  ich  W.  v.  Sch.  fing  an  daz 
haus  wider  zu  bauwen,  das  danider  gesch ossen  ward  mit  nammen  den 
türm  bey  dem  thor  uff  die  liechtmeß  Anno  1433.  Und  ward  vollbracht  mit  allem 
baw  in  demselben  ior  vor  St.  Gallentag«3)  (16.  Oktober),  also  in  Monaten.  Durch 
Vermittlung  des  Bischofs,  des  Pfalzgrafen  Ludwig  und  des  Markgrafen  von  Baden  wurde 
die  Fehde  beigelegt  und  der  Schaden  repariert.  Am  14.  November  1433  schlossen 
dann  Matheus  von  Schauenburg  und  sein  Sohn  Wilhelm,  Volmar  von  Sch.  und  seine 
Söhne  Bechtold  Cunemann  und  Ludwig,  Bernhard  von  Sch.  und  sein  Sohn  Jörg,  Rudolf 
von  Sch.  und  sein  Sohn  Jörg  und  Adam  Kalwe  von  Sch.  Edelknechte  einen  Burg- 
frieden. 4)  Unter  anderem  heißt  es  darin : die  Burg  solle  jederzeit  mit  4 Knechten, 
einem  Torwart  und  einem  Förster  versehen  sein  und  in  Kriegszeiten  deren  Anzahl  nach 
Ermessen  vermehrt  werden.  Für  jedes  Burgviertel  sollen  2 Büchsen,  2 Armbruste  und 
500  Pfeile  vorhanden  sein  und  dazu  jeder  nach  Verhältnis  seines  Burganteils  beitragen. 
Der  Baumeister  soll  alljährlich  durch  Stimmenmehrheit  gewählt  und  ihm  von  jedem 
Burgviertel  6 fl.  bezahlt  werden,  um  sie  nach  seinem  Gutdünken  für  die  bauliche  Unter- 
haltung der  Burg  zu  verwenden  usw.  1438  erfolgte  eine  neue  Belagerung,  diesmal  durch 
den  Markgrafen  von  Baden,  doch  kam  es  nicht  zu  einer  Erstürmung,  da  man  sich 
einigte.5)  Um  diese  Zeit  beginnen  die  Baumeisterrechnungen,  die  noch  im  Archiv  zu 
Gaisbach  erhalten  sind.6)  Eine  Anzahl  von  Ausgaben  beziehen  sich  ersichtlich  auf 
diese  Belagerung,  andere  sind  1442,  1443  und  1447  datiert.  Sie  geben  manchen 
interessanten  Einblick  in  die  Bewaffnung  und  die  Lebensgewohnheiten,  hier  und  da  auch 
Notizen  über  Bauten  auf  der  Burg,  die  ich  im  folgenden  wiedergebe.  Nach  dem  Burg- 
frieden war  jedes  Jahr  einer  der  Bewohner  Baumeister,  und  so  finden  wir  nacheinander 
»juncher  Rudolffs  uz  geben,  juncher  Wylhelms«  etc.  Unter  Ersterem  ist  verrechnet: 
»dz  tore  und  dz  slosß  wyder  dor  ane  zu  slahen«.  Unter  Wilhelm  hat  »meyster  Ulrich 
von  Offenburg  daz  boiwerk«  gemacht.  Von  Häusern  hören  wir  nennen:  Adern  huß, 
Rudolff  huß,  Wilhelm  huß,  des  grosenjergen  huß,  dz  kalben  huß.  Wir 
erfahren  von  dem  »werck«,  das  Wernher  »machen  sol  Im  zwinolff«  (Zwinger). 
Eine  Anzahl  von  Posten  bezieht  sich  auf  Reparaturen  im  Graben,  andere  auf  das 
»hinder  huß«.  Bei  der  Besichtigung  durch  den  Baumeister  (damals  Ludwig  von  Sch.) 
werden  1442  erwähnt:  Adams  huß;  Behtolt,  C unmann  und  Ludewigs  teyl, 

*)  Aus  obenzitierter  Handschrift  des  Wilhelm  von  Schauenburg,  s.  Ebhardt  a.  a.  O.  S.  183. 

2)  Ebenda. 

8)  Ebenda. 

4)  Ruppe  rt  a.  a.  O.  S.  167. 

5)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  1 7 r . 

b)  Publiziert  in  der  ersten  Urkundenbeilage  zum  Burgwart  (Nr.  4,  III.  Jahrg.). 

1 1 


Band  VII. 


KREIS  OFFENBURG. 


IÖ2 

Jörgen  des  alten  teyl,  Rudolffs  teyl;  Wilhelms  huß«;  also,  wie  es  scheint, 
fünf  Sitze.  Derselbe  Ludwig  verzeichnet:  »Item  ich  han  geben  tl  vn  ß -A  umb  funffzig 
Tylen  zu  der  brücken«,  also  zu  einer  Holzbrücke,  wie  auch  aus  anderen  Angaben 
hervorgeht.  »Item  ich  han  geben  xxxvij  ß dem  Wemher  Im  Geyßpach  von  dem 
gründe  In  den  hindern  zwingolff  zu  ziehen,  der  do  lag  vor  Rudolffs 
und  Wilhelms  husern«.  »Item  ich  han  geben  der  Gerdruten  ein  dag  v A moß 
zu  brechen  zu  dem  graben«.  Ähnlich  muß  ein  Knecht  Wilhelm  tun  und  dem 
»Frießen«  auch  helfen  arbeiten  in  dem  Graben.  Wir  hören  von  einer  »Kamertur  zu 
hencken  uff  der  Stuben«,  von  zahlreichen  Arbeiten  an  der  Brücke,  von  »des  geppfers 
hu  sei  in«  im  Zwinger,  von  Stolljeckelins  Stube  (der  Wirt,  der  die  Verpflegung  der 
Arbeiter  besorgte),  von  Ausgaben  für  den  Zimmermann,  »der  unß  den  b urnen  uff 
wal  ruß  legen  solle«,  »uff  den  brunnen,  also  er  in  unß  hin  In  füren 
solle«  (es  handelt  sich  also  wohl  um  das  Holzwerk  an  dem  Brunnen);  von  den  »zu ne 
In  dem  felßen  under  des  großen  Jergen  huß«,  wozu  ein  Knecht  »stecken 
und  gertden«  beibringt;  »von  dem  dolen,  der  dz  wasser  von  dem  kenner 
In  den  burggraben  treyt  und  von  dem  durlin  In  dem  zwynel  bey 
Wilhelms  turnes  eck«,  also  von  einer  Entwässerungsanlage  und  von  einer  Tür  in 
den  Zwinger;  von  Arbeiten  an  dem  »bollwerck«  ; von  dem  »brunnen  In  graben  zu 
legen«  und  von  »kachelen  die  zu  dem  brunnen  ouch  gebrucht  sint«,  also  wohl  einer 
Ziegelummauerung  usw. ; vom  »hynder  dorlin«  und  einem  »krumen  Isen  an  den  stocke«; 
von  neuen  Ausgaben  für  den  Zimmermann,  »als  er  dz  holz  feit  zwen  dag«  und  die 
»Steg  über  den  graben  by  des  Kalwen  vihe  huß«  und  zu  der  »brust  gewer 
uff  den  graben«  und  »von  dryen  thüren«;  von  Holz,  das  beigeführt  wird  zu 
dem  »bol wecke«  (sic!),  von  dem  »bollwerck  zu  machen  zwuschen  dz  Jergen 
huß  und  Kumans  huß«;  von  einem  Maurer  für  »die  muren  zu  belegen,  d o 
die  diellen  waren  für  den  Regen«,  was  nicht  ohne  weiteres  mit  Ebhardt  auf 
Holzbrustwehren  vor  den  steinernen  Zimmern  gedeutet  werden  darf;  von  einer  »leyter, 
dz  man  uff  den  mantel  got«;  von  den  »swarten,  die  dath  ich  (Ludwig)  auf  die 
falb  rucken«  usw.  Am  11.  Februar  1441  belehnt  Graf  Hans  von  Eberstein  Wilhelm, 
also  wohl  den  Sohn  des  unterdes  gestorbenen  Matheus,  mit  einem  Viertel  von  der  Burg, 
und  in  demselben  Jahre  am  15.  Mai  verkauft  der  obengenannte  Adam  Kabve  von  Sch. 
mit  Willen  des  Lehnsherrn  an  die  Gebrüder  Bechtold,  Konrad  und  Ludwig  von  Sch. 
Hausund  Hofstätte  in  der  Burg:  »stoßet  hinten  an  minen  türm,  einsit 
an  den  mantel,  andersite  an  den  alten  keller  unter  der  kapelle«, 
auf  Wiederlösung  um  100  fl.  Am  26.  November  aber  erklären  Bechtold  und  Konrad 
von  Sch.,  daß  die  100  fl.,  mit  welchen  Adam  Kalwe  von  Sch.  ein  Haus  in  der  Burg 
erkauft  habe,  von  ihrem  Bruder  Ludwig  allein  hergegeben  worden  seien.  1447  beschwört 
Reinhard  von  Sch.  für  seinen  Anteil  an  der  Sch.  (von  seinem  Vater  Rudolf)  den  Burg- 
frieden. 1450  am  22.  November  ward  Schauenburg  von  den  Herren  von  Lichtenberg 
und  dem  eigenen  Lehnsherrn  von  Eberstein  angeblich  genommen  und  zwar  »durch 
verrätherey  einer  kuchenmagd,  die  da  Wortzeichen  gab,  das  man  in  der  portstuben 
zu  abent  zehrt«.1)  Und  sie  »gewonnent  auch  onseglich  gut  daruf,  wan  er  viel  ge- 
meiner het,  der  etlich  doben  gesessen  warent«.2)  Graf  Johann  von  Eberstein  verkauft 

Ruppe  rt  a.  a.  O.  S.  179.  — Mone,  Quellens.  II,  S.  140. 

2)  Ebenda. 


AMT  OBERKIRCH.  — GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


163 

nun  dem  Markgrafen  Jakob  eine  ewige  Öffnung  des  Schlosses  Schauenburg,1)  i.  J.  1451 
machen  die  beiden  einen  Burgfrieden,2)  und  1452  verpfändet  der  Graf  dem  Markgrafen 
das  Schloß  um  1000  rhein.  Gulden  auf  Wiederlösung ; 3)  die  Schauenburger  aber  suchten 
Hilfe  beim  Pfalzgrafen,  dessen  Lehensleute  sie  waren  und  der  ihnen  auch  half,  das 
Schloß  wieder  zu  erobern,  »und  gab  ine  das  wieder  mit  behaltung  eines  unverteilten 
ewigen  vierteils  und  der  lehensschaft,  das  es  vorbaß  von  der  Pfaltz  empfangen  werden 
sollt«.4)  Dies  Ereignis  hat  in  Michel  Beheims  Reimchronik  eine  poetische  Schilderung 
erhalten : 5 *) 

» Schouwenburg  in  der  Mortenaw 
ein  schloß , gut  vest  für  alle  traw 
ward  den  stamen  von  Schouwenberck 
angewunnen  mit  ruiters  werk 
von  dem  graven  Johanne 
von  Eb erstein  dem  Manne.« 
usw. 

(Die  noch  folgenden  drei  Strophen  abgedruckt  bei  Ruppert.) 

Die  Kämpfe  gingen  nun  hin  und  wider,  noch  einmal  wurde  die  Schauenburg  vom 
Markgrafen  eingenommen,  durch  den  Pfälzer  ihm  wieder  abgenommen,  1460  berannte 
er  sie  zum  letztenmal  vergeblich;  endlich  1465  sühnten  sich  die  Schauenburger  mit 
dem  Markgrafen,  und  1471  ist  wieder  der  Ebersteiner  ihr  Lehensherr.  Aus  einem  Lehens- 
revers Reinhards  von  Sch.  gegen  Graf  Bernhard  von  Eberstein  lernen  wir  sein  Sechstel 
an  der  Burg  kennen,  nämlich:  »das  Vorderhaus  neben  seines  Vetters  Sigelin 
Sohn,  das  Hinterhaus,  ein  seit  der  Mantel  und  der  alte  Keller  unter 
derKapelle,  anderseit  derVorhof,  stoßt  auf  den  Weg,  der  in  die  Kapelle 
und  in  Volmars  Haus  führt«.*5) 

1 5 1 1 wurden  eine  Anzahl  Reparaturen  vorgenommen.7)  Die  Schmiede  wurde 
neu  gedeckt;  sie  erhielt  Fenster  und  Laden  sowie  einen  Helm  mit  einem  kupfernen  Knopf, 
den  ein  Offenburger  Maler  in  den  scbauenburgischen  Farben  anstrich;  neu  gedeckt  wird 
der  »Wasserdurn«  und  das  »wechterheislin  davur«,  des  weiteren  zwei  »dirnlein«  und 
das  »Porthaus«.  Repariert  wird  auch  das  Dach  »ob  der  gemeinen  Stegen,  der 
mantel  und  die  kirch  (uf  einer  siten)«,  ferner  das  »kleine  beiglin  oben  an  der 
Stegen  und  das  kleine  beiglin  bei  dem  pordthaus«  (Wehrgänge  oder  Erker?), 
endlich  das  gemeine  Haus  »da  der  gal  der  burkust  innen  sitzt«  (der  Burgwächter  Gal). 
Bei  dieser  Gelegenheit  erfahren  wir  auch  von  einem  »kipferin  ofenhaffen«  von  Michel 
Keßler  zu  Offenburg,  einem  neuen  Ofen  und  »ofenhaffen«  von  Hafner  Friedrich  Frick 
im  Loh.  Weitere  unbedeutende  Reparaturen  ergeben  sich  aus  den  Rechnungen,  auch 
daß  1523  ein  Stück  Mauer  in  den  Graben  fällt  und  erneuert  wird. 

1)  Regesten  de  Markgrafen,  Nr.  7284. 

2)  Ebenda,  Nr.  7295. 

3)  Ebenda,  Nr.  7342. 

4)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  180. 

5)  Michel  Beheims  Reimchronik,  Quellen  zur  bair.  und  deutschen  Geschichte  III,  S.  163  f. ; 
abgedruckt  bei  Ruppert  a.  a.  O.  S.  180. 

*’)  Gaisbacher  Archiv. 

‘)  Ebenda  C VI.  F.  46,  Nr.  2.  Ebhardt  a.  a.  O. 

11* 


KREIS  OFFENBURG. 


164 


Obzwar  es  scheint,  daß  die  Mitglieder  des  Geschlechts  nicht  mehr  regelmäßig  auf 
der  Burg  gewohnt  haben,  wurde  dieselbe  doch  stets  in  wohnlichem  Zustand  erhalten  und 
die  schon  genannten  Teile  öfters  ausgebessert,  ja,  es  muß  in  den  ersten  Jahrzehnten  des 
16.  Jhs.  sogar  ein  Neubau  entstanden  sein;  in  einer  Erbteilung  von  1541  ist  die  Rede 
von  »des  Junkern  seligen  angebewe«  ')  und  weiterhin  von  dem  »newen  haus  so  Junkher 
Schwickhardt  selig  gebawen«.  Dieser  Schweikardt  kann  wohl  kein  anderer  gewesen 
sein,  als  derjenige  dieses  Namens,  welcher  um  1500  lebte.  Wie  aus  verschiedenen  Teil- 
büchern sich  ergibt,  hatte  die  eine  Linie  drei  Türme  zu  verteilen,  den  »hintern  Thurn 


Fig.  86.  Plan  der  Ruine  Schauenburg. 


sampt  der  Capell  dabey,  den  größeren  Thurn  und  des  bösen  Jergen 
Thurn  sampt  dem  Keller  unter  der  Capell«,  die  andere  Linie  zwei  weitere 
Türme.  Wir  hören  im  ganzen  16.  Jh.  von  weiteren,  offenbar  geringeren  Reparaturen, 
einer  vermutlich  größeren  um  1600.  Damals  war  auch  ein  Streit  wegen  eines  erledigten 
Lehens  mit  den  Grafen  von  Eberstein  entstanden,  der  aber  1600  erledigt  wurde.  Die 
Schauenburger  erhalten  den  Teil  der  Burg,  sollen  ihn  aber,  da  er  verwahrlost  war, 
reparieren.  Verschiedentlich  werden  dann  aus  dem  17.  Jh.  Reparaturen  an  der  Brücke 
gemeldet.  Der  Dreißigjährige  Krieg  hat  auch  auf  der  Schauenburg  manchen  Schaden 


1)  Ebhardt  a.  a.  O.  S.  189. 


AMT  OBERKIRCH. 


GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


165 


Fig.  Sy.  Ruine  Schauenburg.  Ansicht  von  der  Westseite. 


KREIS  OFFENBURG. 


Bau- 

beschrcibung 


1 66 

angerichtet,  neue  Fenster  mußten  für  die  zerschlagenen  eingesetzt  werden  u.  a.  m.,  Leisten 
auf  die  Sparren  »uffen  Kirchlin«  geschlagen  werden.  Um  die  Mitte  des  Jahrhunderts 
war  Grimmelshausen  Schaffner  auf  dem  Schloß,  seine  Rechnungen  u.  a.  von  1653  und 
rö59  berichten  aber  nur  Geringes,  so  von  dem  Brunnendeckel.  Im  letzteren  Jahre 
verpflichten  sich  die  Schauenburger  ihrem  Lehensherrn  gegenüber,  den  zerfallenen  Teil 
der  Burg  mit  dem  neuen,  1614  aufgerichteten  Bau  zu  ersetzen.  1686  wird  Holz  bei- 
geschafft, »umb  die  Oberbruck  sampt  einem  Steeglein  auf  dem  Schloß 
Schawenburg  von  newem  zu  machen«,  auch  waren  Ausbesserungen  an  der  »linderen 
Brucken«  nötig.  1689  wird  wieder  der  Wasserturm  genannt.  Im  gleichen  Jahre  aber 
wurde  das  Schloß  von  den  Franzosen  gesprengt,  nicht  wieder  repariert  und  lag  so  seit 
dem  18.  Jh.  ganz  in  Ruine.  Erst  der  heute  in  Gaisbach  residierende  Freiherr  Emil  von 
Schauenburg  wendete  der  alten  Stammburg  die  nötige  Sorgfalt  zu  ; ihm  ist  deren  Erhaltung 
zu  danken.  Er  erhielt  dann  auch  die  Beihilfe  des  Staates,  und  der  Konservator  der 
Baudenkmale  hat  umfassende  Konservierungsarbeiten  vorgenommen.  Neuerdings  hat 
ferner  der  Sohn  des  genannten  Freiherrn,  Kaiserl.  Legationsrat  Freiherr  R.  von  Schauen- 
burg, umfassende  Ausgrabungen  zusammen  mit  Erhaltungsmaßregeln  begonnen,  die  schon 
sehr  wichtige  Resultate  zutage  gefördert  haben  und  noch  fördern  werden. 

Die  angegebenen  Nachrichten  über  den  Bau  scheinen  sehr  reichlich,  bieten  in  der  Tat 
aber  recht  wenig  Aufschlüsse,  da  mit  wenigen  Ausnahmen  (die  wir  im  folgenden  bemerken 
werden)  alle  Anhaltspunkte  fehlen,  um  die  berichteten  Gebäude  genau  zu  lokalisieren 
und  also  mit  etwa  heute  stehenden  zu  identifizieren,  mit  Ausnahme  einer  Anzahl  von 
Bauten,  wie  Torhaus,  Kapelle,  Brücke,  Zwinger,  Bollwerk  usw.,  von  denen  die  Notizen 
lediglich  das  Vorhandensein  ebenso  wie  der  heutige  Befund  ergeben.  Wir  sind  also  für 
eine  wirkliche  Baugeschichte  auf  letzteren  angewiesen.  Rekapitulieren  wir  immerhin  das 
Wichtigste  aus  dem  vorstehenden : Aus  der  bedeutendsten,  tatsächlichen  Bauzeit,  dem 
12.  und  13.  Jh.,  hören  wir  nichts.  Nur  von  der  Kapelle  ist  schon  1275  die  Rede. 
1300  hören  wir  vom  Graben,  1388  von  verschiedenen  Häusern,  von  denen  mir  das 
»Hinterhuß«  identifizierbar  scheint,  ebenso  die  1450  erwähnte  Hofstätte.  Sonst  wechseln 
aber  die  Namen.  Es  müssen  eine  stattliche  Anzahl  Häuser  hier  gestanden  haben, 
größtenteils  Wohntürme.  Um  die  Mitte  des  15.  Jhs.  werden  fünf  Häuser  genannt,  die 
vielleicht  heute  noch  im  Grundriß  erhalten  sind.  Auch  im  16.  Jh.  werden  nur  fünf 
Türme  genannt,  allerdings  auch  ein  angeblich  Schweickardtscher  Neubau.  Wir  hören 
von  dem  Mantel,  womit  nicht  allein  die  Schildmauer,  sondern  die  ganze  Umfassung 
gemeint  gewesen  sein  kann,  für  deren  Besteigung  man  eine  Leiter  brauchte.  Hier  waren 
Wehrgänge  und  Erker,  wie  auch  an  dem  Torhaus.  Mindestens  zwei  Brücken  waren  da, 
eine  Hauptbrücke  und  ein  wohl  kleinerer  Steg,  Bollwerk,  Zwinger,  dann  war  eine  Wirts- 
stube da,  wohl  für  die  Knechte  und  Handwerker,  eine  Schmiede,  für  derartige  Zwecke 
auch  im  Zwinger  Gebäude.  Ein  Wasserturm  wird  genannt,  daneben  aber  ein  Brunnen, 
vielleicht  identisch,  so,  daß  ein  Gebäude  den  Brunnen  umgab,  verschiedene  Wege,  ein 
Vorhof  u.  a.  m. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  der  Betrachtung  der  Ruine  selbst  und  ihres  Planes  (Fig.  86). 
Das  oblonge,  nach  Westen,  der  Bergseite,  zu  sich  verschmälernde  Plateau  der  Burg  ist 
von  einer  1 ]j2 — 2 m starken  Mauer  aus  Bruchsteinmauerwerk  mit  Bossenquadern  an  den 
Ecken  umschlossen,  welche  Mauer  zugleich  die  Außenwand  der  daran  anstoßenden 
Gebäude  bildet.  Nach  der  Angriffseite  zu  war  die  Burg  durch  eine  mächtige  Schild- 


AMT  OBERK1RCH.  — GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


167 


nordwestlicher  Wohntwrnv 
innere  Swihvfcstliche  Ec-TCe- 
a,b  > vorKVo^endes  Steiabdnd  Ziim. 
/yuflager  das  StockcjeViilKfo 
c = mit  Spuren.  einer  frü- 

heren "Treppe . 


Fig.  88.  Ruine  Schauenburg.  Nordwestlicher  Wohntur?n. 


1 68 


KREIS  OFFENBU.RG. 


mauer  geschützt,  die,  3,70  m stark,  heute  noch  in  einer  Höhe  von  8,20  m steht.  Sie 
ist  ebenfalls  aus  Bruchsteinmauerwerk  mit  Bossenquadern  an  den  Ecken  gebildet  (siehe 
die  Ansicht  der  Siidecke  auf  Tafel  III).  Mit  der  übrigen  Umfassungsmauer  ist  sie  nicht 
bündig;  da  nach  Norden,  Westen  und  Süden  der  Berg  ziemlich  schroff  abfällt,  so  mag 
man  sich  hier  ursprünglich  mit  geringerer  Befestigung  begnügt  haben,  die  Schildmauer 
also  vielleicht  den  ältesten  Teil  noch  aus  der  Weifenzeit  (?)  darstellen.  Denn  alles  andere 
stammt  zweifellos  erst  aus  dem  13.  Jh.  Die  nächstälteste  Anlage  ist  die  Gebäudegruppe 
an  der  Westseite  (s.  Fig.  87),  die  beiden  Wohntürme,  von  denen  der  nordwestliche  noch 
ziemlich  gut  erhalten,  der  südwestliche  dagegen  bis  auf  sein  unterstes  Stockwerk  zerstört 
ist,  und  das  dazwischenliegende  Gebäude  mit  den  fünf  Lichtluken. 

Der  nordwestliche  Wohnturm  (s.  Fig.  88),  ein  unregelmäßiges  Viereck  von  ca.  8 
zu  7 m innerer  Weite  und  bis  zu  2 m dicken  Wänden,  zeigt  noch  die  Einteilung  in  fünf 


Stütze  aufruhte,  zusammengeschlossen  waren.  Dieser  Bogen  ist  im  dritten  Geschoß 
noch  erhalten,  im  vierten  noch  ein  seitliches  Gewände  mit  Sitzen,  im  fünften  noch 
ein  genügend  andeutender  Rest  des  Gewändes.  Neben  diesen  großen  Fenstern  je 
ein  Doppelspitzbogenfenster  mit  Sitzen  (s.  Fig.  89),  im  dritten  und  vierten  Stock  voll- 
kommen (ihr  Gewände  zeigt  interessanten  Ablauf),  im  fünften  wenigstens  in  der  unteren 
Hälfte  erhalten.  Also  die  genau  gleiche  Anordnung  wie  auf  der  Hohengeroldseck. 
Uber  dem  dritten  und  vierten  Stockwerk  ist  an  Süd-  und  Nordwand  ein  vorkragender 
Gurt  als  Auflager  der  Balken  zu  konstatieren,  an  der  Nordwand  des  dritten  Stockwerkes 
die  schon  vorhin  genannte  spitzbogige  Eingangstür,  deren  äußere  Erscheinung  mit  tadel- 
loser Bossenquaderumrahmung  in  Fig.  90  wiedergegeben  ist.  Nur  mittelst  einer  Holz- 
treppe war  wohl  der  Zugang  zu  ihr  möglich.  Die  Abarbeitung  der  Bossen  über  ihr 
deutet  darauf  hin,  daß  diese  Treppe  eingedacht  war.  In  der  Nordwand  des  dritten 
Stockwerkes  Konsolen  und  daneben  die  Tür  auf  den  Abort,  dessen  nach  außen  vor- 
kragende Doppelkonsolen  innen  einen  senkrechten  Schlitz  aufweisen,  in  den  ein  Brett 


Stockwerke.  Unten  ein  Kellergeschoß 
mit  schlichten  Lichtluken  nach  Westen 
und  Norden;  in  der  Nordwand  die 
Löcher  für  die  Balken  der  ‘Decke. 
Im  zweiten  Geschoß  in  den  gleichen 
Wänden  ähnliche  Lichtluken,  es  mag 
also  auch  zu  Wirtschaftszwecken  ge- 
dient haben;  an  der  Südwand  noch 
eine  größere  erhaltene  Verputzfläche, 
in  ihr  Treppenstufen  erkennbar,  die 
zu  der  Eingangstür  des  Gebäudes  im 
Stockwerk  darüber  führten.  Dies  Ge- 
schoß diente  mit  den  zwei  darüber 
gelegenen  zu  den  eigentlichen  Wohn- 
zwecken. Sie  hatten  alle  drei  nach 
Westen  zu  je  ein  großes  Fenster  mit 
vermutlich  drei  und  drei  Spitzbogen- 
öffnungen, welche  von  einem  flachen 
Bogen,  der  in  der  Mitte  auf  einer 


Fig.  Sq.  Ruine  Schauenburg. 
Fenster  im  nordwestlichen  Wohnturm. 


AMT  OBERKIRCH.  — GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


169 


eingelassen  werden  konnte,  um  die  Blöße  der  Benutzer  vor  unberufenen  Augen  zu 
schützen.  In  der  Westmauer  ist  ein  Raum  ausgespart,  das  vollständige  Aufschlagen 
der  Tür  zu  ermöglichen  (s.  Fig.  91).  In  der  Westwand  dieses  Stockwerkes  Konsolen 
bezw.  ihre  Spuren  für  den  Mantel  des  Kamins,  dessen  Schlotreste  wir  in  der  Wand 
darüber  erkennen.  Das  vierte  Stockwerk  zeigt  in  der  Nordwand  ebenfalls  Konsolen  und 
die  Reste  eines  Doppelfensters  (s.  Fig.  91),  das  fünfte  endlich  in  der  Westwand  gegen 
die  Südwestecke  zu  eine  Tür,  die  ins  Freie  zu  einem  Wehrgang  oder  einer  Altane  (?) 
führte.  Der  Turm  enthielt  also  eine  Anzahl  immerhin  stattlicher  Gelasse.  Er  ist  aus 
Bruchsteinmauerwerk,  an  den  Ecken  mit  sauber  gearbeiteten  Bossenquadern  versehen,  diese 
wie  sämtliche,  außerordent- 
lich exakt  gearbeitete  Fen- 
ster- und  Türgewände  hier 
aus  Granit.  Uber  dem  vierten 
Stockwerk  tritt  von  außen 
das  Mauerwerk  etwas  zurück. 

Seine  Mauern  sind  wohl  mit 
dem  südlich  anstoßenden 
Gebäude,  nicht  aber  mit  der 
Nordmauer  der  Burg  bündig. 

Das  anstoßende  Ge- 
bäude ist  nur  noch  in  Resten 
des  Erdgeschosses  erhalten. 

In  seiner  Westwand  hat  es 
fünf  Lichtluken,  die  außen 
rundbogig,  während  die  nach 
innen  sich  stark  verbreiternde 
Schartennische  spitzbogig 
geschlossen  ist  (s.  Fig.  92). 

Mauerreste  teilen  von  diesem 
Gebäude  einen  größeren 
Raum  ab,  der  sich  in  großer 
Tür  gegen  die  Burg  zu  öffnete.  Ein  weiterer,  nicht  recht  erklärlicher  Mauerzug  zieht 
von  hier  in  den  Vorhof. 

Von  dem  südwestlichen  Wohnturm  sind  nur  noch  die  untersten  Mauern  erkennbar. 
Nach  Westen  scheint  mir  die  Form  der  Mauerreste  auf  ein  ehemals  hier  vorhandenes  Fenster 
hinzuweisen,  an  der  Nordwand  finden  sich  zwei  Konsolen  und  etwas  darüber  eine  weitere, 
die  wohl  irgendwie  als  Balkenauflager  gedient  haben  mag.  In  der  Mauer,  die  von  hier 
zum  Torhause  führt,  findet  sich  eine  den  fünf  westlichen  durchaus  gleiche  Schießscharte. 

Der  heutige  Torbau  ist  jedenfalls  ein  Produkt  verschiedentlicher  Umbauten.  Seine 
Wände  bestehen  aus  Bruchsteinmauerwerk,  sein  Tonnengewölbe  dürfte  erst  dem  Anfänge 
des  19.  Jhs.  entstammen,  der  Zeit  um  1835,  da  nach  Inschrift  die  Türen  repariert 
wurden.  Die  stehen  gebliebene  Fortsetzung  der  West-  und  Ostmauern  des  Tores  deutet 
auf  einen  weiteren  Torweg  oder  einen  kleinen  Vorhof,  vielleicht  denjenigen,  der  in  den 
Urkunden  genannt  wird.  Nördlich  vom  Torbau  die  Reste  des  runden  Brunnens,  der 
noch  zugeschüttet  ist,  mit  Bruchsteinummauerung. 


'T'DnjfgtffeöÄifunn 
Kr  oer5üt>- 


Fig.  90.  Ruine  Schauenburg.  Tür  in  den  nordwestlichen  Wohnturm. 


170 


KREIS  OFFENBURG. 


Fig.  gi.  Ruine  Schauenburg,  nordivestlicher  Wohnturm.  Nordostecke. 


AMT  OBERK1RCH.  — GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


171 


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Der  nun  folgende  südöstliche  Wohnturm  ist  der  besterhaltene  Teil  der  Burg.  Er 
ist  jedenfalls  um  einige  Jahre  jünger  als  der  Nordwestturm,  wie  die  Formen  beweisen, 
auch  sind  bei  ihm  die  Gewände  nicht  mehr  Granit,  sondern  Sandstein,  und  Granit  nur 
an  den  Bossenquadern  der  Ecken  verwendet,  die  aber  von  viel  geringerer  Bearbeitung 
sind  als  an  dem  ersten  Turm.  Der  Turm  hatte  unten  ein  heute  noch  nicht  ganz 
ausgegrabenes  Kellergeschoß;  ein  Mauerabsatz  an  Nord-  und  Ostwand  trug  dessen 
Balkendecke.  Letzteres  kehrt  im  ganzen  Gebäude  wieder,  so  auch  im  nächsten  (zweiten) 
Geschoß,  das  nur  nach  der  Außenseite  der  Burg  zu,  nach  Süden,  zwei  einfache,  schlitz- 
artige Schießscharten  aufweist.  Im  darüber  folgenden  dritten  Wohngeschoß  befand  sich, 
wie  am  Nordwestturm,  der  wohl  durch  Holztreppen  vom  Burghof  aus  zu  erreichende 
spitzbogige  Eingang.  In  der  Südaußenwand  erhellten  zwei  Doppelspitzbogenfenster  die 
hier  ehemals  liegenden  Wohnräume,  neben  ihnen  noch  eine  kleine  Tür,  die  zu  einem 
dauernden  oder  nur  für 

den  Moment  herzu-  Jruut  .-^insuHt'. 

stellenden  Steg  auf  die 
äußere  Zwingermauer 
führte.  In  der  Westwand 
noch  das  Loch  für  einen 
großen  (Durchzugs-  ?) 

Balken.  Das  vierte  Ge- 
schoß muß  eine  Art  Prunk- 
saal  enthalten  haben, 
der  in  zwei  dreifachen 
Spitzbogenfenstern  nach 
Süden  schaute  (s.Fig.  93). 

In  ihren  Seitenwänden 
schlichte  Sitzbänke.  Vier- 
eckige kleine  Konsolen 
(s.  Fig.  93),  teilweise 
mit  skulpierten,  ehemals 
wohl  bemalten  Schild- 
chen, sind  zu  den 
Seiten  jeden  Fensters  als 

Balkenträger  angeordnet.  Da  sie  in  der  Höhe  des  die  Fenster  umrahmenden  Flach- 
bogens liegen,  so  scheinen  sie  mir  auf  eine  gewölbte  Holzdecke  zu  deuten,  wie  solche 
ja  sehr  beliebt  waren.  Für  ihre  Konstruktion  wäre  dann  der  Mauerabsatz  an  der  Ost- 
seite mit  einer  Balkenlöcherreihe  darüber  zu  beachten.  In  der  Westwand  finden  sich 
hier  noch  größere  Verputzreste,  der  Beginn  eines  Kamins  und  eine  Tür  wohl  zum  Abort. 
Das  Stockwerk  darüber,  das  fünfte,  ebenfalls  wieder  Wohnräumen  dienend,  öffnet  sich 
nach  Süden  in  zwei  spitzbogigen  Doppelfenstern,  nach  Westen  in  einer  kleinen  Lichtluke. 
In  der  Nordwand  sind  noch  die  Spuren  der  Treppe  erhalten,  die  auf  zwei  Konsolen  und 
backsteinuntermauert  zur  Plattform  bezw.  zum  Wehrgang  emporführte.  Überhaupt  fällt  an 
diesem  Turm  die  starke  Verwendung  von  Backstein  bei  den  Fensterflachbögen  usw.  auf. 

Die  an  den  Turm  anstoßende  Außenmauer  ist  mit  diesem  bündig,  dagegen  nicht 
mit  der  Schildmauer,  auf  die  sie  zufiihrt.  Letztere  zeigt  gerade  an  der  Anschlußstelle 


^S^huitT. 

Jea-bter  der  "West-  \ JSiüsaUe  • 


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Fig.  92.  Ruine  Schauenburg.  Fenster  der  IVest-  und  Südseite. 


172 


KREIS  OFFENBURG. 


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die  alten  Bossenquadem,  es  war  also  hier  ein  Ansatz  bei  Erbauung  der  Schildmauer 
nicht  beabsichtigt.  An  der  äußeren  Ostmauer  des  Turmes  ist  noch  die  Ansatzlinie  eines 
Pultdaches  für  ein  an  die  Außenmauer  angelehntes  Gebäude  erkenntlich.  Da  nun  die 
Kapelle  gleich  daneben  liegt,  so  glaube  ich  hierin  — falls  an  der  Nordseite  des  Komplexes 
nicht  noch  ein  Turm  festgestellt  werden  sollte  — Haus-  und  Hofstätte  zu  sehen,  die 
Adam  Kalwe  von  Sch.  1441  an  die  Brüder  Bechtold,  Konrad  und  Ludwig  verkaufte 
und  von  der  es  heißt:  »stoßet  hinten  an  minen  turn,  einsit  an  dep  mantel,  andersite  an 
den  alten  Keller  unter  der  Kapelle«.  Dann  hätten  wir  aber  in  dem  soeben  beschriebenen 

Südostturm  der  Kalwe  Haus  vor  uns.  An  diesem 
Teil  der  Schildmauer  finden  sich  zwei  Konsolen, 
vielleicht  trugen  sie  eine  Holzplatte,  auf  die  man 
mit  der  Leiter  hinaufgelangte. 

An  die  Schildmauer  angebaut  ist  die  Kapelle. 
In  ihrem  Erdgeschoß  ein  Keller,  zu  dem  ein  spitz- 
bogiger  Eingang  mit  abgefastem  Gewände  führt. 
Da  dieser  Keller  in  obiger  Stelle  als  alt  bezeichnet 
wird,  so  haben  wir  in  ihm  vielleicht  die  Reste  der 
ersten  Kapellenanlage  (1235  erste  Erwähnung)  vor 
uns,  die  später  umgebaut  wurde,  denn  die  Formen 
der  oberen  Kapelle  weisen  durchaus  auf  das  15.  Jh., 
wenn  nicht  auf  das  Ende  desselben.  Eine  Wendel- 
treppe führte  zu  ihr  hinauf,  mit  in  starker  Hohlkehle 
elegant  geschwungener  Spindelbasis.  Die  erhaltenen 
Konsolen  und  Rippenanfänger  lassen  uns  das  Innere 
der  Kapelle  einigermaßen  rekonstruieren  (s.  Fig.  94). 
Ein  Steinfragment  mit  einem  kielförmig  endigenden 
spitzen  Kleeblattbogen1)  dürfte  wohl  zu  einer  Sakra- 
mentsnische gehört  haben.  Ein  Stück  eines  Fenster- 
pfostens läßt  auch  die  einstigen  Fenster,  aber  nicht 
den  Ort  ihrer  Anbringung  erkennen.  Ein  aus  der 
Schildmauer  herausgehauener,  kleiner  viereckiger 
Raum  diente  als  Chor.  Die  Abmessungen  des 
Kapellenraumes  im  Innern,  etwa  4 zu  7 1/2  m,  boten 
immerhin  genügenden  Raum. 

An  der  Nordmauer  sind  eine  Anzahl  von  Kellerräumen  neuerdings  aufgedeckt, 
ein  größerer  mit  den  Spuren  einer  Mauerteilung  darin  und  einem  Tonnengewölbe,  in 
ihn  führt  eine  Rundbogentür  mit  abgefastem  Gewände  und  Treppen.  Nach  Osten  zu 
ein  kleiner  Vorkeller,  nach  Westen  wieder  ein  größerer  Kellerraum  und  daneben  ein 
kleiner  ohne  eigenen  Ausgang,  der  von  dem  größeren  aus  nur  durch  ein  Loch  zugänglich 
war  und  wohl  zu  Gefängniszwecken  gedient  haben  dürfte.  Ob  das  sich  über  ihnen 
ehemals  erhebende  Haus  das  1541  erwähnte  neue  Haus  des  Schweickardt  oder  der 
Neubau  von  1614  war,  kann  ich  nicht  mehr  entscheiden,  das  ganze  Aussehen  weist  fast 
auf  das  letztere. 


Fig.  9J>.  Ruine  Schauenburg, 
südlicher  bezw.  südöstlicher  Wohnturm. 
Fenster  im  vierten  Stock. 


1)  Abgeb.  bei  Ebhardt  a.  a.  O.  Fig.  194. 


AMT  OBERKIRCH.  — GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


173 


Von  Steinmetzzeichen  am  südöstlichen  Bollwerk  finden  sich  nur  spätgotische: 


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Die  Burg  ist  in  geringem  Abstande  von  einem  Zwinger  umgeben,  dessen  Mauern, 
nach  Norden  und  Osten  am  besten  erhalten,  eine  ungefähre  Dicke  von  2 m zeigen. 
An  der  Nordostecke  ist 

/’<0-lPiUEKI  BOR<5 


'GEWÖl.BERE'jTE'-'0’-  ßvRQ KAPELLE 


ein  bastionartiger  runder 
Vorsprung  zu  sehen,  in 
welchem  wir  wohl  das 
öfters  ausgebesserte  Boll- 
werk erkennen  dürfen ; 
nach  Norden  und  Südosten  je  ein 
Bollwerk  von  etwa  fünfeckigem 
Gnindriß,  in  der  Verdickung  seiner 
vorderen  Spitze  wohl  auf  die  Ab- 
wehr von  Feuergeschossen  berech- 
net, also  erst  Ende  des  1 5.  Jhs. 
oder  Anfang  des  16.  Jhs.  angelegt. 

In  der  nördlichen  eine  liegende 
Scharte  mit  runder  Mittelöffnung 
und  weiter,  flachbogig  geschlossener 
Kammer.  An  der  südlichen  eben- 
falls eine  Schießscharte ; hier  die 
interessante  Ausbildung  der  Spitze, 
die  Fig.  95  wiedergibt. 

Aus  allen  Anlagen  ersieht 
man,  wie  sorgsam  die  Burg  gegen 
die  Angriffseite  nach  Osten  zu 
geschützt  war. 

Um  die  ganze  Burg  zog  sich 
ein  künstlich  vertiefter  Graben, 
von  dem  wir  schon  aus  früher 
Zeit  wissen,  daß  er  mit  Wasser 
angeflillt  war.  Um  diesen  Graben  r 
zog  sich  herum  ein  Wall  bezw.  ein  _ 

ö <ÖEWOLBE- 

zweiter  Zwinger,  von  dessen  Mauern 
wir  im  Südwesten  und  Nordwesten 
noch  Spuren  sehen,  an  denen  ver- 
schiedene Maueransätze  auf  wei- 
tere Abteilungen  schließen  lassen. 

Das  erste  Tor  zur  Burg  mag  im  Norden  oder  Osten  gelegen  haben.  Von  dort 
aus  ging  man  dur,ch  einen  Teil  des  äußeren  Zwingers  bis  zu  dem  südlichen,  in  seinen 
Grundmauern  noch  erhaltenen  Tore.  Kaum  hatte  man  dieses  durchschritten,  so  befand 
man  sich  vor  der  Zugbrücke,  die  zu  dem  merkwürdigen  Brückenbau  in  den  oberen  Zwinger 


Bildung 


Fig.  Q4.  Ruine  Schauenburg.  Reste  der  Kapelle. 


ig.  q6.  Ruine  Schauenburg.  Zugbrückentorbau. 


174 


KREIS  OFFENBURG. 


AMT  OBERKIRCH.  — GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


175 


hinüberleitete  (s.  Fig.  96).  Dieser  Brückenbau  schob  sich  vom  oberen  Zwinger  aus  als 
langgestreckter  Trakt  in  den  Graben  hinein.  In  seinem  Untergeschoß  besaß  er  vorn 


Fig.  gs . Ruine  Schauenburg. 
Eckausbildung  an  der  südlichen  Bastion. 


zunächst  eine  Art  Wachtstube,  mit  ganz  schmalem  Türschlitz  und  liegenden  Scharten, 
sogen.  Maulscharten.  Dahinter  ein  längerer,  oben  durch  Fenster  erhellter  Raum.  Die 


Fig.  97.  Ofenkachel 
von  der  Ruine  Schauenburg. 


Fig.  q8.  Ofenkachel  von  der  Ruine  Schauenburg. 


Zugbrücke  kann  wohl  erst  über  diesem  Kellergeschoß  angelegt  gewesen  sein.  Hier  waren 
die  Mauern  des  Baues  von  auf  Rundbogenfriesen  runenden  Wehrgängen  begleitet.  Unter 


KREIS  OFFENBURG. 


Kachelfunde 


176 


dem  Rundbogenfries  der  Westseite  noch  bemerkbar  ein  Entlastungsflachbogen.  Da  der 
zweite  Zwinger,  in  den  dieser  Bau  führte,  immer  noch  ca.  7 m unter  dem  oberen  Burg- 
niveau lag,  so  muß  eine  Treppenanlage  zu  dem  nahen  Torhause  emporgeflihrt  haben.1) 


Fig.  <p<?.  Ofenkachel  von  den  Ruine  Schauenburg. 


Von  den  Funden  sind  die  Architekturteile,  die  möglicherweise  von  hier  stammen, 
schon  im  Vorstehenden  unter  Gaisbach  beschrieben  worden.  Außerdem  wurden  schon 


Fig.  100  a. 


1 


7/tMs. : 


Spätgotische  Ofenkacheln  von  der  Ruine  Schauenburg. 


die  von  der  Burg  herrührenden,  jetzt  dort  eingemauerten  Schießscharten,  meist  aus  dem 
16.  Jh.,  erwähnt.2)  In  neuester  Zeit  sind  dann  noch  eine  große  Fülle  von  Kacheln  gefunden 

*)  Ebhardt  gibt  eine  versuchsweise  Rekonstruktion  des  eben  geschilderten  Ganzen,  die  aber 
von  etwas  kühner  Phantasie  zeugt.  Er  hat  zwar  die  historischen  Notizen  fleißig  zusammengetragen, 
sie  aber  nicht  auszunutzen  versucht,  überhaupt  die  Bauten  nur  sehr  flüchtig  geschildert,  wie  auch 
sein  Grundriß  teils  flüchtig,  teils  falsch  ist.  Schade  um  die  Mängel  in  dem  so  schön  ausge- 
statteten Buche. 

2)  Einige  davon  abgebildet  bei  Ebhardt  a.  a.  O.  Fig.  198. 


AMT  OBERKIRCH.  — GAISBACH.  (RUINE  SCHAUENBURG.) 


177 


worden.  Aus  hochgotischer  Zeit 
hebe  ich  hervor  das  Stück  eines 
Drachen  (s.  Fig.  97),  die  gut- 
erhalten£  Kachel  mit  der  Figur 
eines  Greifen  (s.  Fig.  98),  die 
mit  einem  Papageien  (s.  Fig.  99). 
Die  ersten  beiden  kehren  auf 
Schloß  Hohenbaden,  aber  nicht 
aus  demselben  Model  gepreßt, 
wieder.  Dann  die  spätgotischen 
Stücke:  Rest  einer  Engelsfigur 
(Fig.  100  a),  ein  Mann  mit 
Schriftrolle  über  einer  Nische 
(Fig.  100b),  ein  Ritter  (Fig.  100  c), 
auf  vorzügliche  Model  zurück- 
gehend. Aus  der  Renaissance- 
zeit vor  allem  eine  weibliche 
Figur  (s.  Fig.  101),  in  zahl- 


j4-‘-  2 ;| 


Fig.  101.  Renaissancekachel  von  der  Ruine  Schauenburg. 


reichen,  glasierten  und  unglasierten  Exem- 
plaren erhalten.  Des  Aveiteren : Teileines 
runden  Aufsatzes  mit  Rautenverzierung, 
Reste  eines  Zinnenkranzes  mit  Blend- 
fenstern, Teil  eines  Adlers  sowie  eines 
Pfauenschweifhelmschmuckes,  beide  aus 
dem  Anfänge  des  16.  Jhs.,  letzterer  von 
der  Bekrönung  eines  offenbar  sehr  reichen, 
grünglasierten  Ofens,  eine  Kachel  mit 
einem  thronenden  König,  ca.  1500,  dann 
eine  Anzahl  von  schwarzglasierten  Stücken 
des  17.  Jhs.,  wie  sie  bei  dem  damaligen 
schwunghaften  Modelhandel  überall  Vor- 
kommen, kurz,  nach  Zahl,  Verschiedenheit 
und  Glasur  die  Reste  von  etAva  10 — 20 
Öfen  von  1400  bis  gegen  1650.  Einige 
Tonziegel  Avurden  AAreiter  gefunden,  ein 
Stück  einer  Pulvermühle,  ein  sehr  früher 
Sporn  (Stachelsporn),  ein  kleines  Bischofs- 
köpfchen, ca.  2 cm  hoch  aus  Ton  mit 
niederer  Mitra  (i3./i4.  Jh. ??),  ein  Spiel- 
zeug (?),  eine  Anzahl  Pfeilspitzen  u.  a.  m. 


Band  VII. 


12 


KREIS  OFFENBURG. 


Ortsgeschichte 


,7s 


GRIESBACH 


Schreibweisen:  Grußenbach  1330,  1396;  Grußpach  1476;  Greyspach  1605; 
Grießbacher  7617  GLA.  (In  ahd.  groz  = Sand,  Kiessand.) 

Litei-atur:  J.  Zentner,  Das  Renchthal  und  seine  Bäder,  Freiburg  1827.  J.  Bader 
und  Kiefer,  Führer  für  Freinde  durch  die  Umgegend  von  Achern  und  die  Renchthal- 
und  Kniebisbäder  nach  Allerheiligen,  Karlsruhe  1849.  W.  J.  A.  Werber,  Der  Stahl- 
säuerling zu  Griesbach  am  Fuße  des  Kniebis,  Karlsruhe  und  Freiburg  1840.  Ehrhardt, 


Fig.  102.  Griesbach  im  Jahre  164g  (nach  Merian). 


Bad  Griesbach,  Straßburg  1855.  von  Weech,  Zur  Gesch.  der  Renchbäder,  Antogast, 
Freiersbach,  Griesbach,  Peterstal,  Z.  28,  S.  438 — 466.  R.  Kraus,  Zur  Gesch.  der 
Renchtalbäder  Griesbach  etc.  unter  württ.  Herrschaft,  Z.  NF.  21,  S.  101.  Uber  die 
sonstige  reiche  Literatur  s.  Kienitz  und  Wagner  S.  360. 

Ansichten'.  Von  älteren  Ansichten  kenne  ich  nur  die  bei  Merian,  Topographia 
Alsatiae  (S.  30),  die  unsere  Fig.  102  wiedergibt. 

Ortsgeschichte : Im  Mittelalter,  wie  es  scheint,  noch  nicht  von  Bedeutung,  hat  Gr. 
eine  solche  erst  durch  seine  Heilwasser  erhalten.  Die  älteste  Nachricht  über  diese  ver- 
danken  wir  dem  bekannten  Arzte  Jacob  Theodor  aus  Bergzabern,  genannt  Tabernae- 
montanus,  der  in  seinem  1393  zu  Frankfurt  erschienenen  Buche  »New.  Wasserschatz« 
auf  S.  423 — 434  über  die  Renchbäder  handelt.  Seiner  Erzählung  nach  hat  zuerst 


AMT  OBERKIRCH.  — HASLACH.  HERZTAL  (S.  WENDEL). 


179 


ein  Wilhelm  von  Schauenburg,  als  ihm  geraten  wurde,  einen  Sauerbrunnen  zu  gebrauchen, 
diesen  in  der  Nähe  gelegenen  aufgesucht,  mit  Erfolg,  und  ließ  ihn  dann  fassen;  er  wurde 
nach  ihm  der  Schauenburger  Brunnen  genannt.  Es  läßt  sich  daraus  entnehmen,  daß 
schon  früher  die  Heilkraft  erkannt  und  benutzt  wurde.  Ende  des  16.  Jhs.  ließ  dann 
der  Landesherr,  Bischof  Johann  von  Manderscheid  — Griesbach  gehörte  zum  weltlichen 
Territorium  des  Bistums  Straßburg,  Herrschaft  Oberkirch  — eine  dringend  nötige 
stattliche  Behausung  errichten.  Mit  der  ganzen  Herrschaft  Oberkirch  kam  Gr.  eine 
Zeitlang  an  Württemberg,  das  sich  sehr  für  Bad  und  Badeordnung  interessierte,  kam  an 
das  Bistum  zurück  und  wurde  1803  badisch.  Hier  in  dem  rings  von  den  Ausläufern 
des  Kniebisstockes  umschlossenen  Griesbach  Unterzeichnete  am  22.  August  1818  Groß- 
herzog Karl  die  badische  Verfassungsurkunde. 

Kapellenreste : Bei  der  jetzigen  (neuen)  Badkapelle,  als  Schutzgeländer  gegen  den  Kapellenreste 
Abhang  benutzt  die  fünf  spätgotischen  Maßwerkfüllungen  der  Fenster  der  alten,  leider  im 
19.  Jh.  abgebrochenen  Badkapelle,  die  diesen  Resten  nach  ein  hübscher  spätgotischer 
Bau  war. 

Im  Betsaal  des  Badgebäudes  geringe  Reste  aus  der  alten  Kapelle : Barockaltar 
und  entsprechende  Figuren,  Holzwappen  der  Äbte  von  Schlittern  in  Barockrahmen. 

An  das  Remisengebäude  angelehnt  abgetretene  Grabplatte:  Totengerippe  im 

Relief,  darüber  Astwerk.  16.  Jh.? 

HASLACH 


Schreibweisen:  Hasilach  prope  Obirkilke  1247;  Haselahe  1348;  Haseloch,  Hasela 
1347;  Haßlach  1660. 

Ortsgeschichte:  Der  Ort,  der  nach  Ulm  eingepfarrt  war,  zum  Ulmer  Gericht  Ortsgeschichte 
gehörte,  wie  bis  in  die  Mitte  des  19.  Jhs.  zum  Schulverband,  war  irrt  Distrikt  Ullemberg 
gelegen  bezw.  der  Herrschaft  Oberkirch  und  weltlicher  Besitz  des  Bistums  Straßburg.  Die 
Nachrichten  über  ihn  sind  dürftig.  Wir  hören  1247  von  einer  curia  sita  in  H.  1519 
wird  ein  Schlößchen  zu  Valwen-Hasloch  genannt.  Letzteres  war  eine  ödung,  der 
Name  ist  noch  heute  als  Flurname  Halbhaslach  zwischen  Stadelhofen  und  Tiergarten 
erhalten.  An  das  Schlößchen  mag  wohl  auch  der  1526  vorkommende  Flurname 
»Burg«  erinnern. 

Im  Ort  nichts  Altes  mehr  erhalten.  Die  Kirche  (ad  S.  Aloj^sium)  ist  ein  Neubau 
von  1866. 


HERZTAL 

(S.  WENDEL) 

Schreibweisen:  zu  Hetzelis  tal  1346;  Hetzelstal  1361;  Hetzlinstal  1381;  Heetz- 
dall  1571.  (Tal  des  Hetzelin.) 

Der  Ort  gehörte  zur  Landvogtei  Ortenau,  zum  Landgericht  Appenweier.  Er  kommt 
seit  dem  13.  Jh.  in  den  Allerheiliger  Urkunden  vor.  Seit  1805  badisch. 

Im  Ort  nichts  Erwähnenswertes.  Dazu  gehört  aber  die 

1 2* 


i8o 


KREIS  OEFENBURG. 


Fig.  ioj.  S.  Wendelin,  Wallfahrtskapelle  hei  Oberkirch. 

WALLFAHRTSKAPELLE  S.  WENDELIN 

von  der  wir  bisher  nicht  nachweisen  können,  daß  sie  schon  vor  dem  18.  Jh.  bestand. 
Aus  der  Mitte  uesselben  stammt  der  Bau,  eine  einschiffige  Kapelle  mit  flacher  Apsis. 
Schlichte  Seitenwände.  In  der  Fassade  eine  Tür  mit  geteiltem  Volutengiebel,  in  origineller 
Verbindung  damit  die  Außenkanzel  mit  dem  Schalldeckel,  der  gefällige  Rocailledekoration 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH.  l8l 

aufweist  (s.  Fig.  103).  Darüber  noch  ein  Rundfenster  und  dann  der  abgetreppte  Giebel. 
Auf  dessen  First,  leider  in  falschem  Klassizismus  in  der  zweiten  Hälfte  des  19.  Jhs. 
erneuert,  ein  Glockentürmchen,  auf  dem  — alt  — die  Figur  des  h.  Wendel,  deren  Sockel 
von  vier  naturalistischen,  liegenden  Tieren  getragen  wird. 

Im  Innern  an  der  Apsis,  auf  die  anstoßenden  Kirchenwände  übergreifend,  ein  großes 
Gemälde,  auf  die  Stiftung  der  Kapelle  bezüglich,  im  rauschenden  Dekorationsstil  des 
18.  Jhs.,  von  tüchtiger  Schulung,  leider  von  nicht  sehr  geschickter  Hand  restauriert.  Es 
stellt  den  h.  Wendel  dar,  die  Schafe  hütend ; ein  anbetendes  Ehepaar,  eine  Vision  mit 
Engeln,  darüber  die  h.  Dreieinigkeit,  im  Hintergrund  Nußbach,  offenbar  mit  der  alten 
romanischen  Kirche  usw.  Das  Ganze  umrahmt  von  einer  Architektur  mit  Vorhängen, 
von  Engeln  gehalten. 

Der  Altar  im  Rocaillestil  mit  Putten  an  dem  Tabernakel. 


LAUTENBACH 


Schreibweisen:  Lutenbach  1233;  Lutembach  1452;  Lütembach  1484;  Luttembach 

i486. 

Manuskript:  Eine  Beschreibung  der  Kirche  von  Peter  Adalbert  Hardt,  Rektor  in 
Lautenbach  von  1740  bis  1755,  im  Pfarrarchiv  aufbewahrt.  (Auf  sie  geht  die  Sens- 
burg’sche  Beschreibung  im  wesentlichen  zurück.) 

Literatur:  Sensburg,  Beschreibung  der  merkwürdigen  Kirche  zu  Lautenbach, 
Freiburg,  Herder  1830.  Ph  Ruppert,  Die  Kirche  zu  Lautenbach  im  Renchtal,  FDA.  24, 
S.  273  — 290. 

Ortsgeschichte : L.  war  wohl,  zur  Zeit  als  das  Kirchlein  gebaut  wurde  (1471),  das 
dem  Ort  die  kunstgeschichtliche  Bedeutung  gibt,  noch  kein  Dorf.  Damals  lagen  hier 
nur  einige  Gehöfte,  die  in  die  Pfarrei  Oberndorf  bei  Oberkirch  gehörten  und  wie  der 
Grund  und  Boden,  auf  dem  die  Kirche  liegt,  zum  Teil  ebersteinisch-badische  Lehen  der 
Edlen  von  Bach  und  Schauenburg  waren,  (:)  ])  Diese  Gehöfte  werden  sich  naturgemäß 
schon  in  der  Nähe  der  Renchtal  Straße  gruppiert  haben.  Der  Weiler  aber  gehörte  seit 
1 303  (s.  Fürsteneck  usw.)  in  das  weltliche  Territorium  des  Bistums  Straßburg:  »homines 
Bertholdi  episcopi  Argentinensis  in  dem  Lutenbach«  heißt  es  1351.  Auch  Allerheiligen  war 
hier  frühe  begütert.  Als  daher  im  Jahre  1 470  das  Kloster  zum  größten  Teile  abbrannte  und 
auf  Jahre  hinaus  nicht  bewohnbar  war,  da  nahmen  die  Mönche  einstweilen  hier  Wohnsitz 
und  begannen  mit  dem  Bau  der  Kapelle  und  des  daranstoßenden  Klosters,  das  später  als 
Klosterhospiz  diente.  Ja,  eine  Zeitlang  war  die  Neigung  vorhanden,  das  in  schwer  zugäng- 
licher Höhe  gelegene  alte  Kloster  überhaupt  zu  verlassen  und  dauernd  hier  in  dem 
bequemen,  fruchtreichen  sowie  anmutigen  Tale  Aufenthalt  zu  nehmen.  Darüber  gab  es 
manches  Für  und  Wider,  bis  schließlich  die  Partei  siegte,  welche  für  das  Verbleiben  an 
der  alten  Stätte  war.  Ja,  es  wurde  1484  ausdrücklich  festgesetzt  in  einer  Urkunde, *  2) 
daß  kein  Propst  oder  Mönch  in  das  Kloster  aufgenommen  werden  dürfe,  der  nicht 
geschworen  habe,  nie  zu  einer  Verlegung  des  Klosters,  sei  es  irgendwohin,  seine  Zu- 


Gemälde 


Altar 


Oltsgeschichte 


x)  Ruppert,  FDA.  24,  S.  273. 

2)  Ebenda  S.  281. 


I 8 2 


KREIS  OFFENBURG. 


Kirche 


Stimmung  zu  geben.  Immerhin  erfreuten  sich  Kapelle  und  Hospiz,  wo  ein  ständiger 
Kaplan  residierte,  häufigen  Besuches  und  der  steten  Gunst  der  Pröpste,  und  damit  gedieh 
auch  der  Ort.  Der  erste  Kaplan  an  der  neuen  Kirche  (B.  V.  Mariae),  der  Konventuale 
Heinrich  Yehl  von  Allerheiligen,  der  auch,  als  er  15x7  Propst  geworden  war  — er 
dankte  übrigens  1531  ab  — , die  Kaplanei  behielt,  muß  nach  allem  ein  guter  Verwalter 
und  Mehrer  des  Vermögens  gewesen  sein.  Die  Kapelle  erhielt  immer  neue  Geschenke, 
so  1483  von  dem  Junker  Volmar  von  Schauenburg,  1491  dann  durch  Verfügung  des 
Bischofs  Albert  von  Straßburg  vom  14.  Mai  allen  Besitz  der  Frauenklause  zu  Oberndorf.  ’) 
Von  den  Schwestern  dieser  Klause  heißt  es,  sie  führten  ein  äußerst  tadelnswertes  Leben, 
ja,  sie  kämen  anscheinend  aus  allen  Gegenden  der  Welt  hier  zusammen  wegen  der 
größeren  Gelegenheit  zu  sündigen.  Wegen  dieser  abscheulichen  Lebensführung  sei  die 
Klause  aufgehoben,  die  offenbar  ziemlich  gut  ausgestattet  war.  Es  mögen  das  wohl  nicht 
ganz  aus  der  Luft  gegriffene  Beschuldigungen  gewesen  sein,  war  es  doch  überhaupt  die 
Periode  größter  Lockerung  der  Klosterzucht.  Allerheiligen  wußte  sich  die  Vorwürfe  gut 
zunutze  zu  machen.  Im  Herbst  des  gleichen  Jahres  konfirmierte  Papst  Innocenz  VIII. 
die  Aufhebung  des  Klosters  und  dessen  Inkorporation  zur  Kapelle  in  Lautenbach. *  2)  So 
ganz  waren  aber  offenbar  die  Stifterfamilien,  welche  die  Klause  seit  Jahrhunderten  bedacht 
hatten,  mit  diesem  Vorgehen  doch  nicht  einverstanden,  und  wohl  auf  ihr  Drängen  mußte 
der  Bischof  anordnen,  daß  in  der  Kapelle  in  L.  wöchentlich  eine  Messe  gehalten  werde 
für  die  Stifter  der  aufgehobenen  Klause  sowie  für  den  ganzen  Adel  der  Ortenau. 3) 
Einer  der  früheren  Insassen,  Anna  Riisch  von  Reutlingen,  die  sich  durch  die  Aufhebung 
ihrer  Pfründe  und  Wohnung  entsetzt  sah,  mußte  auf  das  Drängen  der  Ortenauer  Ritter- 
schaft hin  Heinrich  Vehl  als  Schaffner  des  Propstes  und  des  Klosters  1492  12  gute 
rheinische  Gulden  auszahlen,  wofür  sie  auf  ihre  Ansprüche  verzichtete. 4) 

Am  nördlichen  Ufer  der  Rench,  auf  dem  Kapelle  und  Hospiz  eben  an  der  Tal- 
straße lagen,  mehrten  sich  nun  die  Ansiedlungen.  Der  Ort  scheint  in  den  folgenden 
Jahrhunderten  von  aller  Unbill,  die  die  Umgegend  so  reichlich  erfuhr,  ziemlich  verschont 
geblieben  zu  sein.  Zwar  hören  wir,  daß  im  Bauernkriege  ein  stattlicher  Haufen,  wie  in 
dem  Oberkircher  Klosterhof,  auch  hier  übel  gehaust  habe,  allein  so  wie  dort  kann  er 
nicht  auch  hier  die  Heiligenbilder  zertrümmert,  die  Wappen  in  den  Fenstern  zer- 
schlagen, die  Grabsteine  geraubt  haben;  dafür  ist  die  Kapelle  heute  noch  zu  gut  mit 
allem  Inhalt  erhalten,  was  auch  beweist,  daß  sie  sowohl  im  dreißigjährigen  Krieg  wie 
auch  in  den  Franzosenkriegen  verhältnismäßig  schadlos  durchgekommen  ist.  Den  ver- 
schiedenen Besitzwechsel,  nämlich  die  zeitweise  württembergische  Herrschaft,  dann  die 
Rückgabe  an  das  Bistum,  machte  der  Ort  wie  die  ganze  Gegend  mit,  1803  wurde  er 
badisch.  Die  Eisenschmelzerei,  die  der  Bischof  Franz  Egon  von  Straßburg  im  16.  Jh. 
hier  begründet  hatte,  bestand  bis  1780. 

Die  Kirche  (B.  V.  Mariae),  mit  ihrer  fast  vollständigen  Innenausstattung  aus  der 
Zeit  ihrer  Gründung,  ist  in  den  Jahren  147  1 bis  1488  fast  fertiggestellt  worden  (s.  Fig.  104). 
Begonnen  wurde  ihr  Bau  unter  dem  offenbar  sehr  kunstverständigen  Propste  Andreas 
Rohart  von  Neuenstein  (7  1474)  aus  dem  Oberkircher  Geschlechte,  das  mit  den 

*)  Ruppert,  FDA.  24,  S.  286. 

2)  Ebenda  S.  287. 

3)  Ebenda  S.  287. 

4)  Ebenda  S.  289. 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH.  183 


Fig.  104.  Grundriß  der  Kirche  in  Lautenbach. 


Gütern  auch  den  Namen  der  ausgestorbenen  Adelsfamilie,  deren  Burg  ganz  in  der  Nähe 
auf  den  Bergen  am  linken  Ufer  der  Rench  lag,  übernommen  hatte,  etwa  um  1470. 


184 


KREIS  OFFENBURG. 


Die  alte  Angabe,  daß  der  Bau  auf  dem  Erbgute  des  Propstes  Rohart  von  Neuen- 
stein selbst  erstanden  sei,  scheint  nicht  stichhaltig  zu  sein.  Der  Vertrag  über  die  Dotierung 
der  Kirche  und  über  den  Bau  ist  wohl  nicht  mehr  erhalten.  Eine  Urkunde  von  1526 
berichtet  aber,1)  der  Boden,  auf  dem  die  Kirche  steht,  habe  zu  dem  Bachschen 
Lehensgut  gehört,  das  ein  gewisser  Peter  Danner  als  Zinslehen  bebaute.  »Als  man  nit 
platz  hatte,  daruff  man  gebuwen  möcht«,  kauften  die  Bauherren  des  Danners  Gütchen, 
»samenthaft  und  um  das  halb  geschenkt«.  Und  »da  der  erst  stein  gesetzt  was,  da  legt 
ir  jeder  ein  gülden  uff  den  stein  und  rittent  hinweg«.  Bauherren  waren  nach  Ruppert 
»der  Propst  von  Allerheiligen,  der  als  Pfleger  die  Bauverträge  abschloß,  das  Vermögen 
der  Kirche  verwaltete  und  dieselbe  in  allen  Streitigkeiten  vertrat,  der  Junker  Georg 
von  Bach  und  der  Junker  Friedrich  von  Schauenburg«.2)  Am  Portal  (s.  unten)  findet  sich 
das  Wappen  der  beiden  letzteren,  außerdem  zweimal  dasjenige  des  obengenannten 
Bischofs  Albrecht  von  Straßburg,  nicht  des  Markgrafen  von  Baden,  wie  irrtümlich 
behauptet  worden.  Die  Wiederholung  deutet  wohl  auf  einen  besonderen  Anteil  des 
kunstsinnigen  Bischofs. 

Als  Baumeister  hatte  man  den  Meister  Hans  Hertwig,  Steinmetz  aus  Bergzabern, 
berufen,  der  einmal  1000  fl.,  dann  70  und  wieder  38  fl.  erhalten  hatte.  Es  »habe«, 
heißt  es  in  einer  Urkunde,3)  »derselbe  meister  Hans  drey  verding  an  unserer  lieben 
frawen  capell  zue  Luttenbach  getan,  das  ein  umb  tausend  gülden,  das  ander  um 
sibenzig  gülden,  das  dritt  umb  acht  und  dreisig  gülden  in  einer  benannten  zit  ußzu- 
machen,  alles  nach  Inhalt  dreier  Zettel  darüber  begriffen«.  Der  Propst  Andreas  Rohart 
von  Neuenstein  war  unterdes  (1474)  gestorben,  auf  ihn  war  Georg  Federle  gefolgt 
(*j*  1477).  Auch  er  sah  aber  die  Vollendung  der  Kapelle  nicht,  dagegen  wohl  sein 
Nachfolger  Johannes  Magistri  (•{*  1492).  Um  Mittel  für  den  Bau  flüssig  zu  machen, 
erlaubte  1480  der  Bischof  von  Straßburg  die  Aufstellung  eines  Opferstockes  zum  Ausbau 
und  zur  Erhaltung.  Meister  Hans  aber  wurde  nicht  zur  richtigen  Zeit  fertig.  Der 
Propst  klagte  daher  i.  J.  1481  beim  Gericht  zu  Oppenau,  aus  dessen  Urteilsurkunde 
vom  12.  November  obige  Sätze  entnommen  sind,  »es  seye  dieselbe  zit  verschinen  und 
deren  keins  noch  nit  ußgemacht  und  darzu  über  die  obgemelt  drey  summa  me  uff- 
genommen  und  hoff,  er  solt  ihm  Sicherheit  geben,  die  gemelten  drey  verdinge  noch  heut 
bey  tage  ußzemachen,  und  ihn  auch  umb  solches,  so  er  me  über  die  obgemelten  drey 
summen  uffgenommen  hat  ußzerichten  und  ein  gnügen  zue  thun«  etc.  Meister  Hans 
mußte  die  Anklagen  zugeben,  »aber  er  wer  frembt  und  wißte  solche  Sicherheit  nicht 
uffzebringen  und  begerte  gnad«.  Die  Zwölfer  zu  Oppenau  aber  urteilen:  »dieweyl  der 
antwurter  frembd  sey  . . . .,  woll  dann  der  cläger  nit  entbeeren,  so  soll  der  antwurter 
schwören,  solche  drey  verding  ußzemachen  und  solle  der  cläger  ihme  dieweyl  essen 
geben«.  Doch  war  bis  zum  4.  Februar  1482  das  Ausbedungene  noch  nicht  völlig 
fertiggestellt,  und  in  einer  Urkunde  von  diesem  Datum  bekennt  das  der  Meister,  der 
160  fl.  über  die  vereinbarte  Summe  aufgenommen  hatte;  er  gelobt,  den  Bau  zu 
vollenden,  und  verzichtet  für  sich  und  seine  Nachkommen  auf  alle  Ansprüche,  die  aus 
dem  Bau  hergeleitet  werden  könnten.  »Ich  Hans  Hertwig  von  Bergzabern, 
Steinmetz,  bekenne  offenlich  in  disem  brieff,  als  ich  der  capellen  halb  unser  lieben 

1)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  294. 

2)  Ebenda. 

3)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  279  f.  — GLA.,  Allerh.,  Kopialbuch  3,  5,  S.  292. 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


i85 


frawen  zu  Luttenbach  drey  verding,  eins  umb  tusent,  das  ander  umb  sibenzig,  das  dritt 
umb  dreißig  und  acht  gülden  getan  han,  die  capell  und  etliche  stuck  darinnen 
in  einer  gesetzten  zit  in  kerfzedeln  darüber  vergriffen,  bestimbt,  auch  ußzumachen  und  zu 
vollnbringen,  und  aber  in  gesetzten  vergangen  zilen  ich  solche  gebuwe  nit  volnbracht 
und  dannoch  gemelte  summa  gülden  uffgenommen,  auch  hundert  und  sechzig  gülden 
mehr,  dann  die  verding  inhaltent,  uffgenommen  han.  Darumb  ich  bekenne,  solche 
verdinge  ußzumachen,  auch  die  mehr  uffgenommene  hundert  und  sechzig  gülden 
zu  bezahlen  schuldig  bin. 

Wann  ich  aber  armut  halb  daß  nit  vermag,  so  han  ich  mit  andern  minen  guten 
gönnern  den  würdigen  geistlichen  herren  Johannsen,  probst  des  closters  zu  Alienheiligen 
im  Schwarzwald,  pfleger  der  obgenannten  capellen  ernstlich  gebetten  und  erbetten,  daß 


Fig . 105.  Ansicht  der  Kirche  in  Lautenbach  aus  dem  Jahre  i486. 


der  mich  egemelter  verding  und  darüber  uffgenommene  summe  hundert  und  sechzig 
gülden  gnediglich  erlassen  und  quittirt  hat.  Haruf  so  verzihe  ich  Hans  Hertwig  für 
mich  und  alle  mine  erben  in  craft  diß  brieffs  uff  alle  forderung  und  ansprach,  so  ich 
oder  mine  erben,  noch  jemand  von  unseretwegen  gemelter  verdings  und  buws  halb  gegen 
den  obgenannten  minen  gnedigen  herren  probst  sinen  nachkommen,  sine  closter  und 
der  capellen  zu  Luttenbach  und  welchen  das  beriiren  mag,  immer  erdenken,  fümehmen, 
suchen  noch  finden  möchte  in  dhein  weg,  alle  geverde  und  argelist  gar  ußgeschlossen. 

Deß  zu  urkunde  han  ich  Hans  Hertwig  mit  vliß  gebetten  den  frommen  und  vesten 
junker  Hans  von  Nüvenstein  und  junker  Stefan  Mollenkopf  vom  Ryse,  daß  der  ir 
yeglicher  sin  eigen  ingesigel  an  diesen  brief  hat  lassen  henken.  Des  wir  dieselben  Hans 
und  Stefan  bekennen,  also  umb  siner  ernstlichen  bitte  Mallen  getan  hant,  doch  uns  und 
unsern  erben  on  schaden. 

Der  geben  ward  uff  montag  nechst  nach  unser  lieb  frowentag  der  liechtmeß  in 
dem  jare  als  man  zalte  nach  Christi,  unsers  lieben  herrn  gebürt  1482  jare.«1) 


1)  GLA.,  Allerh.,  Kopialbuch  (4)  6,  S.  672.  — Ruppe  rt  a.  a.  O.  S.  280  f. 


KREIS  OFFENBURG. 


Baubeschreibung 


Umbau 


1 86 


Diese  wichtige  Urkunde  kann  ich  nicht  mit  Ruppert  dahin  interpretieren,  daß 
der  Meister  damit  von  seinem  Werk  geschieden  sei.  Ich  glaube  eher  annehmen  zu 
dürfen,  daß  er  dasselbe  in  den  kommenden  Jahren  vollendet  hat,  und  da  von  »etlichen 
stuck  darinnen«  die  Rede  ist,  als  Steinmetzarbeiten  aber  doch  eigentlich  nur  noch  die 
prachtvolle  Gnadenkapelle  mit  der  Jahreszahl  1485  und  der  Lettner  mit  dem  Datum  1488 
in  Betracht  kommen,  so  möchte  ich  glauben,  daß  der  Künstler  auch  diese  ausgeführt 
und  dann  erst  die  Stätte  seiner  Wirksamkeit  verlassen  hat.  Die  Inschrift  am  Portal: 

anno  l tnir  l fc  i\  j \i  pribie 
Men  1 angnöti  i inceptu  i 
e£t  1 Ijoc  1 ebifirium  i 

die  den  Beginn  des  Baues  auf  den  August  1471  festsetzt,  läßt  es  auch  für  damalige  Zeit 
als  nicht  gerade  erstaunlich  erscheinen,  daß  er  1482  noch  nicht  durchaus  vollendet 
war,  und  so  werden  die  Pröpste  keineswegs  gesonnen  gewesen  sein,  den  hervorragenden 
Künstler  zu  entlassen,  sondern  vielmehr  ihn  genau  zu  binden.  1488  konnte  die  Kirche 
geweiht  werden. 

Die  jetzige  Pfarrkirche,  ehemalige  Kapelle  B.  V.  Mariae  zu  Lautenbach  (s.  Fig.  1 05),  ist 
ein  einschiffiger  Bau,  aus  vier  Gewölbejochen  bestehend.  Das  unregelmäßige  Netz- 
gewölbe wird  von  Halbpfeilern  getragen,  die  in  tiefen  Hohlkehlen  und  Rundstäben 
profiliert  sind,  welch  letztere  in  die  Gewölberippen  übergehen  Diese  haben  das  trockene 
Profil  der  Spätzeit  mit  flacher  Hohlkehlung.  In  den  neun  Schlußsteinen  fünfmal  krauses 
Rankenwerk,  dann  vier  Wappenschilde  mit  neu  aufgemalten  Wappen.  An  das  Schift 
schließt  sich  der  Chor,  der  im  Lichten  11,3  m lang  und  7 m breit  ist;  er  endigt  in  fünf 
Seiten  des  Achtecks.  Sein  Netzgewölbe,  dessen  Rippen  auf  polygonalen  Konsolen  auf- 
ruhen. Wie  aus  dem  Plan  ersichtlich,  steht  der  Chor  nicht  genau  in  der  Achse,  sondern 
weicht  um  über  1 m nach  Süden  ab,  was  indes  durch  den  vorgelegten  Lettner  dem 
Beschauer  kaum  zum  Bewußtsein  kommt.  Ein  Grund  dafür  ist  nicht  ersichtlich,  es  sei 
denn  der,  daß  damit  die  Nordwand  der  angebauten  Sakristei  in  einer  Linie  mit  den 
Strebepfeilern  steht.  Gegen  das  Langhaus  zu  öffnet  sich  der  Chor  in  großem  Spitz- 
bogen, dessen  Laibung  durch  einen  starken  Wulst  und  zwei  Hohlkehlen  profiliert  ist. 
Strebepfeiler  mit  zweimaliger  Abtreppung,  deren  eine  als  Wasserschräge  und  Kaffgesims 
sich  um  den  ganzen  Bau  herumzieht,  und  leicht  konkaver  Abdeckung  stützen  die  Gewölbe 
der  Kirche,  deren  Langhaus  an  der  Nordseite  durch  zwei  einpfostige  und  zwei  zwei- 
pfostige  Spitzbogenfenster  mit  flamboyantem  Maßwerk  erhellt  wird,  während  an  der  Süd- 
wand das  westlichste  Fenster  wegen  des  Klosteranbaues  hier  wegfällt.  Vier  ähnliche 
zweipfostige  Fenster  erhellen  den  Chor,  den  Gewölben  unter  dem  Lettner  wird  durch 
zwei  kleine,  geradsturzige  Fenster  Licht  zugeführt.  Die  Fassade  des  alten  Baues  zeigte 
das  unten  besprochene  Spitzbogenportal,  über  dem  sich  die  Wasserschräge  in  die  Höhe 
zog,  bis  zu  der  zweiten  Schräge,  auf  welcher  ein  großes  dreipfostiges  Spitzbogenfenster 
mit  flamboyantem  Maßwerk  aufsaß.  Den  einfachen  Giebel  der  Fassade  bekrönte  ein 
kleines  Dachreiterchen  mit  Glöckchen.  In  einem  provisorischen  Bau  des  16.  Jhs.  auf 
der  Nordseite  befanden  sich  die  Glocken. 

Eine  spitzbogige  Tür  mit  abgeschrägtem  Gewände  gestattet  den  Eingang  in  das 
Langhaus  von  Norden ; eine  geradsturzige  mit  Hohlkehlen  und  sich  kreuzendem  Stabwerk 
führt  vom  Chor  in  die  Sakristei,  eine  dritte  in  den  Pfarrgarten. 


Tafel  IV 


Lantenbach,  Portal  der  Kirche. 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


I87 


Der  Bau,  in  den  archi- 
tektonischen Teilen  aus  dem 
roten  Sandstein  der  Umgegend, 
besteht  im  übrigen  aus  ver- 
putztem Bruchsteinmauerwerk. 

— Er  hat  schon  länger  den  Be- 
dürfnissen der  Gemeinde  nicht 
mehr  genügt,  und  mir  liegt 
ein  Plan  und  eine  Fassaden- 
ansicht von  1847  vor,  wodurch 
das  Äußere  der  Kirche  gründ- 
lich mit  einem  Turm  nach  dem 
Vorbild  des  Freiburger  Münsters 
verändert  worden  wäre.  Dieser 
Plan  kam  jedoch  glücklicher- 
weise durch  das  Eingreifen  des 
Konservators  von  Bayer  nicht 
zur  Ausführung,  erst  im  Anfänge 
des  jetzigen  Jahrhunderts  ist 
durch  den  damaligen  erzbischöf- 
lichen Baudirektor  Meckel  der 
Wunsch  nach  Erweiterung  und 
nach  einem  Turme  erfüllt 
worden.  Wie  sehr  dabei  das 
Alte  geschont  wurde,  geht  aus 
unserem  Grundriß  deutlich  her- 
vor. Der  an  die  Nordseite 
angebaute  Turm  paßt  in  seiner 
einfachen  und  doch  schmucken 
Erscheinung  durchaus  hierher, 
die  Fassade  ist  in  der  alten 
Schlichtheit  aufgebaut,  in  ihr 
das  alte  Portal  mit  dem  er- 
neuerten Holzdach  und  das 
alte  Spitzbogenfenster. 

Die  Gewände  (Tafel  IV) 
des  Portals  sind  in  Hohl- 
kehlen und  Wülsten  profiliert ; 
an  dem  Mittelpfosten  greift 
der  mittlere  Wulst  auf  das 
Tympanon  über  und  endigt 
hier  in  einem  krausen  Laub- 
kapitell, das  der  fast  lebens- 
großen Gestalt  der  Madonna 
mit  dem  Kind  (s.  Fig.  106)  als  Fig.106.  Madonna  mit  Kind,  vom  Portal  der  Kirche  in  Laute?ibach. 


i88 


KREIS  OFFENBURG. 


Inneres 


Postament  dient  (aus  gelbem  Sandstein),  über  ihr  zwei  Engel  mit  gefiederten  Körpern, 
sie  hielten  wohl  mit  ihren  jetzt  abgehauenen  Händen  die  Krone.  Darüber  ein  Baldachin 
mit  knorrigem  Astwerk. 

Zu  beiden  Seiten  der  Madonna,  fast  in  Vollplastik  durchgeführt,  zweimal  das  Wappen 
des  damaligen  Bischofs  von  Straßburg,  Albrecht  von  Wittelsbach,  dann  das  Wappen  der 
von  Bach  (die  Schnecke)  und  der  von  Schauenburg.  Auch  in  diesen  Wappen  eine 
technisch  hervorragende  Steinmetzarbeit,  gehören  die  Skulpturen  des  Portals,  vor  allem 
die  Madonna  mit  dem  Kind  und  die  Engel,  zu  den  allervorzüglichsten  Werken  des  aus- 
gehenden 15.  Jhs. 


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Fig.  107.  Leittier  in  der  Kirche  zu  Lautenbach.  Ansicht  vom  Langhaus. 


Uber  dem  Spitzbogen  des  Portals  die  schon  oben  wiedergegebene  Inschrift. 

Im  Innern  an  der  Südseite  des  Langhauses  die  Gnadenkapelle  angebaut,  welche 
das  wundertätige  Gnadenbild  umschließt  (Tafel  V),  durch  das  die  Kirche  zu  einer 
vielbesuchten  Wallfahrtskirche  wurde.  Die  Kapelle  ist  ein  üppiger  Bau  der  Spätgotik, 
dem  aber  trotz  der  überreichen  Formengebung,  den  sich  durchschneidenden  Bögen,  den 
Fialen,  den  Krabben  und  den  Fischblasen  die  Klarheit  des  Aufbaues  nicht  verloren 
gegangen  ist.  Ein  Fenster  nach  Osten,  zwei  nach  Norden,  eines  mit  eingefügter  1 ür 
nach  Süden ; zwischen  ihnen  Pfeiler  mit  Hohlkehlen  und  Rundstäbchen  auf  hohen, 
steilen,  gerauteten  oder  geriefelten  Basen,  Wimpergen  etc.  in  Nachbildung  üppigst  ent- 
wickelter Strebepfeiler.  Die  sie  verbindenden  Bögen  durchschnitten  von  den  kielbogigen 
Wimpergen  der  Fenster.  Der  Sockel  durch  Kleeblattblendbögen  geziert.  Ein  Netz- 


Tafel  V 


Lantenbach,  Gnadenkapelle  in  der  Kirche. 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH.  189 

gewölbe  deckt  das  Ganze,  dessen  Rippen  sich  am  Ende  kreuzend  in  der  Wand  ver- 
laufen. In  den  Schlußsteinen  die  Wappen  der  Bach,  der  Schauenburg  und  ein  schwarzer 
Adler  in  Gold  (Bemalung  neu).  — An  einem  der  Pfeiler  der  Kapelle  am  Äußern  die 
Jahreszahl  1X87  eingehauen.  Nach  dem  Manuskript  des  Pater  A.  Hardt  wäre  sie  1488 
geweiht,  was  mir  zu  spät  scheint  und  wohl  aus  falscher  Lesung  obiger  Jahreszahl  (statt 
1485:  1487)  entstanden  ist.  Das  Mauerwerk  der  Kapelle,  aus  etwas  hellerem  Sandstein, 
ist  mit  dem  des  Langhauses  nicht  bündig;  da,  wo  sie  an  die  Pfeiler  desselben  etwas 
unvermittelt  anstößt,  ist  die  Ritze  durch  Mörtel  zugeschmiert,  auch  reicht  das  Langhaus- 
fenster mit  seiner  Sohlbank  noch  ziemlich  unter  das  Gewölbe  herunter.  Daraus  darf 
man  aber  den  Schluß  ziehen,  daß  die  Kirche  selbst  schon  spätestens  1485,  vor  dem 
Beginn  dieses  Einbaues,  fertiggestellt  war,  also  etwa  zwei  Jahre  nach  dem  obenerwähnten 
Geständnis  des  Meisters. 

Drei  Jahre  später  ist  der  Lettner  (s.  Fig.  107)  fertiggestellt  worden,  der  sich  in  der 
ganzen  Breite  des  Langhauses  vor  den  Chor  legt;  vier  schlanke,  achteckige  Pfeiler  mit 
steilen  Basen  und  Kapitellen,  die  aus  zwei  Hohlkehlen  und  einem  Plättchen  bestehen, 
tragen  die  fünf  Spitzbogen ; die  Archivolten  sind  mit  sich  schneidenden  Stäben  profiliert, 
an  dem  Schlußstein  des  einen  Bogens  die  Jahreszahl  1X88.  Das  Netzgewölbe  des 
Lettners,  dessen  Rippen  einesteils  in  den  Pfeilerkapitellen,  andererseits  sich  durch- 
schneidend an  der  Wand  verlaufen,  weist  14  Schlußsteine  auf,  darin  die  vier  Evangelisten- 
zeichen in  Flachrelief,  die  Halbfigur  der  Madonna  mit  Kind  und  der  h.  Norbert  ab- 
wechselnd mit  krausem  Blattwerk.  Der  mittleren  Arkade  entsprechend  führt  in  der 
Rückwand  eine  spitzbogige  Öffnung,  deren  Gewände  in  Hohlkehlen  und  Rundstäben 
profiliert  ist,  in  den  Chor.  Verschlossen  wird  sie  durch  ein  schönes  altes  Gitter  mit 
Rauten-  und  Quadratmuster  in  Gußarbeit.  Die  Arkadenzwickel  sind  durch  kleine 
Kleeblattblendbogen  belebt,  darüber  erfolgt  der  Abschluß  durch  eine  Balustrade  mit 
Eischblasenmaßwerk ; eine  entsprechende  schließt  nach  dem  Chor  zu  ab,  von  dem  aus 
eine  sehr  malerische  Wendeltreppe  mit  Stabgehäuse,  die  Tür  im  Kielbogen  geschlossen, 
mit  ähnlicher  Balustrade  emporführt  zu  seiner  Plattform,  auf  der  noch  die  alte  Mensa 
des  Kreuzaltares  steht. 

Wenn  auch  einfacher  gehalten,  so  zeigt  der  im  gleichen  Sandstein  gehaltene 
Lettner  doch  in  den  Einzelheiten  so  viel  Anklänge  an  die  Gnadenkapelle,  daß  man 
beide  dem  gleichen  Künstler  zuschreiben  wird.  Auch  der  Lettner  ist  ursprünglich  nicht 
geplant  gewesen,  wie  sich  aus  dem  Anschluß  an  die  Mauer  ergibt.  Das  hindert  aber 
meines  Erachtens  nicht,  in  ihm  und  der  Gnadenkapelle  Werke  des  Hans  Hertwig  zu 
sehen:  die  »etliche  stuck  darinnen«,  wie  es  oben  heißt,  die  derselbe  auf  Grund  eines 
neueren  Beschlusses  der  Bauherren  einfügte. 

An  der  Südwand  des  Chors  befindet  sich  eine  Kredenznische  mit  geradem  Sturz, 
Rahmenwerk  aus  Hohlkehlen  und  sich  durchkreuzendem  Stabwerk.  An  der  Nordwand  ist 
die  Sakristei  angebaut,  aus  zwei  Jochen  mit  Netzgewölbe  bestehend  und  mit  einpfostigen 
geradsturzigen  Fenstern  erleuchtet.  Sie  ist  gleichzeitig  mit  dem  Hauptbau  entstanden. 

Der  ganze  Bau  aber;  auf  den  wir  zum  Schlüsse  noch  einmal  einen  Blick  werfen, 
ist  das  hervorragende  Werk  eines  feinen  Künstlers.  Ungeachtet  der  hier  und  da 
trockenen  Behandlung  des  Details  ist  er  so  gut  durchgeführt,  in  der  eher  sparsamen 
Ausschmückung,  die  nur  an  zwei  bevorzugten  Stellen,  der  Gnadenkapelle  und  dem 
Lettner,  üppig  wird,  so  wohl  erwogen,  daß  wir  gerne  die  weiteren  Spuren  des 


Lettner 


Kredenznische 


Sakristei 


190 


KREIS  OFFENBURG. 


Meisters  verfolgen  möchten.  Daß  bei  der  Lage  seines  Heimatsorts  lind  der  Lauten- 
bachs wir  das  Elsaß  und  vermutlich  Straßburg  als  seine  künstlerische  Heimat  ansehen 
müssen,  darüber  wird  kein  Zweifel  bestehen.  Aber  wohin  er  sich  von  Lautenbach 
gewendet,  kann  ich  bis  jetzt  nicht  nachweisen.  Man  könnte  sich  versucht  sehen,  ihn  in 
dem  Meister  Hans  wiederzufinden,  der  1497  am  Theobaldmünster  zu  Thann  tätig  war, 
über  dessen  Tätigkeit  wir  indes  auch  nichts  Genaueres  erfahren. ') 

Von  Steinmetzzeichen  finden  sich  an  den  Pfeilern: 


Ausstattung 

Hochaltar 


XJYLtvY  TTF2‘ 

an  der  Fassade : 

an  der  Gnadenkapelle:  YIYttTtTIILlL 

°-ntt 

Äußeren  des  Langhauses : { Hk  vV- 


am 


am 


Ausstattung:  Der  Hochaltar  (s.  Fig.  1 08),  ein  großer  Flügelaltar,  zeigt  im  Mittel- 
schrein unter  einem  äußerst  kapriziösen  spätgotischen  Gewölbe,  dessen  Rippen  wie 
Astwerk  behandelt  sind,  in  Nischen  aus  dem  Achteck,  die  durch  sich  durchkreuzende 
Rundbögen  verbunden  sind,  die  Holzstatuen  der  Maria  mit  dem  Kind,  über  der  Engel 
die  Krone  halten,  den  h.  Johannes  den  Täufer  und  Johannes  den  Evangelisten,  ca.  1,50  m 
hohe  Gestalten.  Darüber  in  graziösem,  leichtem  Aufsatz  aus  Stabwerk,  Fialen  und 
Krabben  die  in  kleinerem  Maßstab  gehaltene  Figur  des  Schmerzensmannes.  Auf  den 
Flügeln  innen,  links  vom  Beschauer,  die  Geburt  Christi,  unten  die  Beschneidung,  rechts 
oben  die  Anbetung  der  Könige  und  unten  die  Darstellung  im  Tempel.  Diese  Bilder, 
wie  auch  die  der  Außenflügel  1,60  m hoch  und  1,20  m breit,  sind  an  ihrem  oberen  Rand 
jeweils  durch  ein  geschnitztes  gotisches  Rankenwerk  abgeschlossen,  während  die  Bilder 
der  Außenflügel  durch  in  vergoldete  Kreide  eingedrückte  Frührenaissanceornamente 
abgeschlossen  werden.  Sie  stellen  dar:  links  oben  die  Geburt  Mariä,  unten  die  Heim- 
suchung, rechts  oben  die  Verkündigung,  links  den  Tod  Mariens. 


Nach  P.  Hardt  sind  an  dem  Saum  des  oberen  Kleides  der  Marienstatue  7, u lesen  neben 
anderen  anmutigen  Lobsprüchen : »die  zwey  altar  fassen  undt  vergolden  Joseph  Rier  der  meister  und 
fixel  sein  gesell«,  wovon  ich  indes  nichts  konstatieren  kann. 

Zu  dem  Bilde  der  Geburt  Mariä  auf  dem  einen  Außenfiügel  mit  der  Figur  des  knieenden 
Stifters  in  Gestalt  eines  Propstes  von  Allerheiligen  mit  dem  Wappen,  der  Mond  und  ein  Stern, 
bemerkt  dasselbe  Manuskript,  daß  »dessen  nahm  an  dem  ranft  der  tafel  geschrieben  wardt  nemmlich 
petrus  Burckardi«.  Auf  dem  Bilde  des  Englischen  Grußes  findet  sich  die  kleine,  knieende  Gestalt 
eines  Prämonstratensermönches,  »dessen  nahm  ebenfalls  an  dem  ranft  deß  fltigels  zu  lesen  war: 
nemmlich  F:  Fidentius  Jehle : Dieser  beider  Herrn  nahmen  sind  nunmehro  mitt  färben  überfahren 
undt  zugedecket«.  In  der  Zeit,  als  P.  Adalbert  Hardt  in  Lautenbach  Rektor  war,  hat  man  die 
Renovierung  des  Altares  vorgenommen,  bei  der  dies  Überstreichen  stattfand.  Ob  er  richtig  gelesen 


1)  Woltmann,  Deutsche  Kunst  im  Elsaß,  S.  188. 


Tafel  VI 


Lautenbach,  Mittelschrein  des  Hochaltars. 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


I9I 


Fig.  108.  Hochaltar  in  der  Kirche  in  La7itenbach. 


192 


KREIS  OFFENBURG. 


hat,  ist  unsicher;  statt  Fidentius  Jehle  wäre  Heinrich  Vehle  verständlicher.  Ebensowenig  wissen  wir, 
ob  diese  Beischrift  ursprünglich  war;  die  Art,  wie  sie  angebracht  gewesen  sein  soll,  ist  nicht  gerade 
vertrauenerweckend;  immerhin  kann  sie  auf  einer  guten  Tradition  beruhen.  Bei  jener  Renovation 
wurden  zuerst  einmal  die  Holzteile  gründlich  gereinigt,  und  der  Pater  erzählt  uns:  »Die  Vergoldung 
deß  ganzen  altars  ist  also  dauerhaft  aufgetragen,  daß  wir  bey  Renovierung  desselben  3—4  Kübel 
voll  wasser  an  die  bilder,  selbige  von  dem  s.  v.  vogelsunrath  zu  säubern,  geschüttet  undt  ist  noch 
nit  eines  hellers  groß  gold  davon  gefallen ; eben  dieser  altar  ist  laut  einer  gothischen  schrift  mittsampt 

der  Kirchen  consecriert  und  ein- 
geweyhet  worden : Anno  1483 
in  hon.  B:  M:  v:  Joannis  Bap- 
tistae  et  Joannis  Evangelistae 
Dominica  proxima  ante  festum 
S.  Michaelis.  Darum  ist  allzeit 
der  nächste  sonntag  vor  diesem 
fest  begängung  der  Einweihung 
der  großen  Capelen  bey  dieser 
wallfahrt.«  Das  Datum  kann 
nun  natürlich  nicht  für  den  Auf- 
satz, sondern  nur  für  die  Ein- 
weihung der  Kirche  und  die 
Weihe  derMensa  gelten.  Wichtig 
aber  ist  die  Notiz  über  die 
Renovierung,  der  in  unserem 
Jahrhundert  eine  zweite  gefolgt 
ist,  so  daß  die  Fassung  nur  noch 
zum  Teil  die  ursprüngliche  ist. 

Gelegentlich  der  vom 
Großherzog  von  Baden  i.  J.  1902 
einberufenen  Konferenz  über  die 
Bai  düng  zugeschriebenen  Ge- 
mälde im  Kloster  Lichlental 
wurden  auch  diese  Gemälde  den 
in  Baden  versammelten  Forschern 
vorgezeigt,  deren  Urteil  dahin 
ging,  daß  die  Bilder  auf  Schul- 
verwandtschaft mit  B a 1 d u n g 
hin  weisen.1) 

Die  Holzskulpturen 

(Tafel  VI)  des  Altars  in  ihrer 

c-.  , „ n , • ■ rj , . , etwas  manierierten  Haltung 

rig.  10g.  Darbringung  im  Tempel.  » 

( Gemälde  vom  Hochaltar  in  Lautenbach.)  und  Fußstellung  (s.  insbeson- 

dere die  beiden  Johannes), 

in  den  überaus  reichen,  in  tiefen  Falten  gebauschten  Gewändern  sind  echte  Kinder  der 
Spätgotik.  Aber  die  dabei  weiche  Behandlung  des  Ganzen,  die  freien  und  gut  individuali- 
sierten Haare,  wie  die  Behandlung  des  Fleisches  und  der  Köpfe  weisen  sie  schon  in  die 
Zeit  der  beginnenden  Renaissance.  Ebenso  der  Typus  der  Madonna  und  des  aufrecht 
sitzenden  Kindes,  in  dessen  auffallender  Haltung  der  Künstler  wohl  die  Bedeutung  des 
Heilandes  ausdrücken  wollte.  Originell  auch  das  Motiv  des  langen,  offenen  Hemdes. 
Das  Kind  legt  jetzt  der  Madonna  eine  Birne  auf  die  äußere  Handfläche,  was  sinnlos  ist; 


x)  Gemälde  des  XV.  und  XVT.  Jhs.  im  Kloster  Lichtental,  Repertorium  für  Kunstwissen- 
schaft XXV,  S.  477. 


L'ig.  iio.  Detail  von  der  Darbringung  im  Tempel.  ( Gemälde  vom  Hochaltar  in  Lantenbach.) 


Band  VII.  Zu  Seite  192. 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


193 


da  die  Hand  der  Jungfrau 
aber  angesetzt  ist,  so  dürfen 
wir  wohl  annehmen,  daß  sie 
erneuert  und  daß  ursprüng- 
lich die  Mutter  die  Birne  dem 
Kind  hinreichte.  Die  gleiche 
zierliche  und  manierierte  Bein- 
stellung wie  die  zwei  Heiligen 
zeigt  der  Schmerzensmann 
des  Aufsatzes.  Das  Taber- 
nakel mit  den  kleinen  Figuren 
der  Evangelisten  zwischen  den 
Spitzbögen  seiner  Maßwerk- 
fenster entstammt  der  gleichen 
Zeit,  auf  die  auch  die 
Schnitzerei  der  Bögen,  Krab- 
ben und  Gewölbe  hinweist: 
dem  ersten  oder  zweiten  Jahr- 
zehnt des  1 6.  Jhs.  Denn  dahin 
wird  man  doch  wohl  die 
Figuren  ansetzen,  von  denen 
ich  nicht  zu  viel  sage,  wenn 
ich  sie  für  Meisterwerke  ersten 
Ranges  erkläre.  Einen  Schul- 
zusammenhang vermag  ich 
nicht  zu  konstatieren , es 
sind  eben  Werke  der  ober- 
rheinischen Plastik,  ’)  die  im 
Anfänge  des  16.  Jhs.  insbe- 
sondere in  Colmar,  Breisach 
und  Freiburg  so  schöne 
Früchte  gezeitigt  hat. 

Bei  den  Gemälden  macht 
sich  auf  den  ersten  Blick 
eine  gewisse  Verschiedenheit 
geltend;  die  der  Innenflügel 
stehen  beträchtlich  über  denen 
der  Außenflügel  und  scheinen 
auch  von  anderer  Hand.  Auf 
den  Innenbildern  fällt  uns 
neben  der  vorzüglichen  Kom- 

*)  Ich  sage  ausdrücklich  nicht 
elsässischen , da  das  meines  Er- 
achtens eine  unstatthafte  Ver- 
engerung des  Begriffes  ist. 


Fig.  m.  Der  Kerzenträger  auf  der  Darbj'higung  im  Tempel. 
(Gemälde  vom  Hochaltar  in  Lazitenbach.) 


1 


Band  VII. 


1 94 


KREIS  OFFENBURG. 


Position  ein  ausgebildeter  Geschmack  in  schönen  Stellungen  (s.  Fig.  iii),  hübschen 
Kopfhaltungen,  eleganten  Gewändern  auf ; daneben  der  Männertypus  mit  dem  stark 
gewölbten  Schädel,  einer  Einziehung  über  den  Augen  und  stark  hervortretenden  Augen- 
knochen, kräftig  und  gut  wirkend  (s.  Fig.  no).  Leer  und  nur  in  den  seltensten  Fällen 
gefällig  der  übrigens  noch  nicht  feststehende  Frauentypus,  der  einmal  sogar  mit  dem 
kleinen,  runden  hervorspringenden  Kinn  und  dem  mächtig  runden  Oval  des  Gesichtes 

die  Karikatur  streift,  d.  h. 
vollständig  verzeichnet  ist. 
Auch  die  meist  fetten 
Hände  leiden  oft  an 
Zeichenfehlern  (s.  Fig.  1 1 1) 
und  erwecken  nicht  den 
Eindruck  des  wirklichen  Zu- 
greifens. Erstaunlich  dem- 
gegenüber die  so  aus- 
drucksvollen, in  ihrer  Be- 
wegung ausgezeichnet  auf- 
gefaßten Gestalten  Simeons, 
des  H ohepriesters  und  des 
Beschneiders  (s.  Fig.  112), 
die  schönen  Figuren  der 
Kerzenträger  (s.  Fig.  1 1 3), 
die  ja  nur  wenig  hervor- 
tretende, dann  aber  flott 
hingemalte  Felsenland- 
schaft. — Die  Malerei, 
nicht  sehr  pastös,  zeigt  bei 
den  besten  Figuren  satte 
Farben  in  geschmackvoller 
Zusammenstellung,  sonst 
hier  und  da  etwas  Ver- 
blasenes.  Das  Kosttim 
(s.  den  Mohr,  sowie  überall 
,,  , , die  Schuhe)  scheint  mir 

t ig.  1 12.  Die  Beschneidung  Christi.  ' 

(Gemälde  vom  Hochaltar  in  Lantenbach.)  auf  das  zweite  Jahrzehnt 

des  16.  Jhs.  hinzudeuten 

(s.  Fig.  114).  — Die  Ungleichheit  auf  den  Bildern  lediglich  aus  der  mehr  oder  minder 
guten  Nachahmung  eines  größeren  Meisters  zu  erklären,  scheint  mir  bei  der  auch  bis 
ins  einzelne  der  Köpfe  vorzüglichen  Durchbildung  des  Besten  nicht  statthaft ; wir  haben 
eher  hier  ein  junges  Talent  vor  uns,  das  noch  nicht  gefestigt  in  seiner  Naturanschauung  ist. 

Schablonenhafter  muten  uns  die  Außenflügel  (s.  Fig.  1 1 5)  an.  Jenen  charakteristischen 
Männertypus  finden  wir  hier  nicht  wieder,  auch  nicht  das  Frauenantlitz.  Letzteres  zeigt 
mehr  den  hergebrachten  und  wie  mir  scheinen  will,  schwäbischen  Typus,  das  erstere 
ist  schwächlicher  und  hat  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  Typen  der  späten  Schongauer- 
schule  (?).  Architektur,  Landschaft  und  alles  Beiwerk  treten,  nicht  zugunsten  der  Kom- 


Big.  iij.  Detail  aus  dem  Gemälde  der  Beschneidung  Christi  vom  Hochaltar  in  Lautenbach. 


Band  VII.  Zu  Seite  194 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


195 


Fig.  114.  Anbetung  der  Könige.  ( Gemälde  vom  Hochaltar  in  Lautenbach.) 

Position,  stärker  hervor.  Auf  dem  Bilde  der  Heimsuchung  werden  wir  entschädigt  durch 
einen  sehr  geschickten  Ausblick  in  ein  felsiges  Flußtal  mit  weich  verschwimmender  Ferne. 


KREIS  OFFENBURG. 


Rechter 

Seitenaltar 


196 


Den  Gesamteindruck  möchte  ich  dahin  formulieren : wir  haben  die  Arbeit  einer 
älteren  Werkstatt  vor  uns,  in  der  ein  junges  Talent  nur  zum  Teil  zum  Wort  kommt. 
Auch  für  die  Bilder  aber  ergeben  sich  die  Anfangsjahrzehnte  des  16.  Jhs.  als  Ent- 
stehungszeit, und  so  gewinnt  die  Notiz  des  P.  Hardt  über  den  Namen  des  Petrus 
Burkard,  der  von  1492  bis  1514  Propst  von  Allerheiligen  war  und  im  Chor  der  Kirche 
zu  Lautenbach  begraben  liegt,  einigermaßen  an  Wahrscheinlichkeit.  Jedenfalls  werden 
die  deshalb  hier  etwas  ausführlicher  besprochenen  Bilder  bei  jeder  Untersuchung  der 
oberrheinischen  Malerei  am  Anfänge  des  16.  Jhs.  von  großer  Wichtigkeit  sein. 

Auf  dem  Altartisch,  an  den  Aufsatz  angelehnt,  zwei  Gemälde  mit  den  Brustbildern 
der  Heiligen  Gregor  und  Ambrosius,  die  Reste  der  alten  Predella. 

Auf  der  Rückseite  der  Predella  die  Brustbilder  der  h.  Katharina  und  Magdalena, 
Ursula  und  Margaretha,  jeweils  mit  dem  Veronikon  dazwischen,  leider  bei  der  Herrichtung 
des  Altares  sehr  zerstört. 

Der  rechte  (vom  Eintretenden)  Seitenaltar  (s.  Fig.  116)  »zu  Ehren  der  h.  Beichtiger 
und  Bischöfe  und  der  h.  Wittwen  und  Jungfrauen«  zeigt  im  Mittelschrein  unter  einem 
Doppelbogen,  der  auf  gewundener,  in  der  Mitte  zusammengefaßter  Säule  ruht,  die 
Statuen  der  Heiligen  Wolfgang  und  Martin  (ca.  1 m hoch),  über  dem  Bogen  Rankenwerk- 
füllung, auf  den  Seitenflügeln  innen  im  Flachrelief  die  Heiligen  Antonius  Eremit  und 
Wendelin,  in  ihren  Heiligenscheinen  eingepreßt  die  Inschriften  in  mißverstandenen 
Majuskeln : 

O * HER  * SANTA  * ANDONI  * BIT  • • 

und 

* O HER  * SANTA  * VENDEL  * BIT  • • 

Auf  den  Außenseiten  der  Flügel  gemalt  die  Heiligen  Wolfgang  und  Martin,  letzterer 
im  Kostüm  vom  Anfang  des  1 6.  Jhs.  mit  Schaube  und  Mütze.  In  den  Heiligenscheinen 
wieder  die  Inschriften: 

O SAH  (sic!)  T * WOLGAN  * BIT  * GOT  * 

und 

O SANT  * MARTNI  a BIT  4 • • 

Auf  der  Predella  gemalt  die  Halbfiguren  der  h.  Jungfrauen  - Märtyrer : Agatha, 
Margaretha,  Dorothea,  Agnes  und  Apollonia.  Da  die  Predella  bei  geschlossenem  Altar 
über  denselben  herausragt,  so  ist  anzunehmen,  daß  er  noch  zwei  hintere  feststehende 
Flügel  gehabt  hat;  auch  berichtet  uns  der  oftzitierte  Pater:  »an  den  zwey  hindersten 
flüglen  aber  sindt  angemahlet  die  h.  wittfraw  Elisabetha  undt  anderer  seith  die 
h.  Maria  Magdalena.«  Also  nichts  anderes,  als  die  heute  oben  auf  den  Altarschrein 
gestellten  Gemälde,  die  wir  uns  zu  dem  Bilde  des  Altars  hinzuzudenken  haben 
(s.  Fig.  1 1 7). 

Bilder,  Skulpturen  (in  erneuerter  Fassung)  und  der  ganze  Altaraufbau  weisen  wieder 
zweifellos  in  die  ersten  Jahrzehnte  des  16.  Jhs.  Die  Skulpturen  stehen  zwar  hinter 
denen  des  Hochaltars  zurück,  sind  aber  doch,  trotz  einiger  Ungeschicklichkeiten,  tüchtige 
Werke.  Die  Bilder,  jedenfalls  etwas  später  als  die  des  Hochaltars  (nach  ihnen  wird  man 
den  Altar  auf  etwa  1520  bis  1530  datieren  dürfen)  entstanden,  sind  ebenfalls  recht 
erfreuliche  Leistungen.  Die  Außenbilder  der  vorderen  Flügel  in  der  Ausführung  und  in 
den  guten  Typen  den  hinteren  Flügeln  überlegen. 


Rand  VII.  Zu  Seite  196. 


Fig.  jt6.  Fechter  Seitenaltar  in  der  Kirche  in  Lantenbach. 


Band  VII.  Zu  Seite  197. 


Fig.  i/S.  Linker  Seitenaltar  in  der  Kirche  in  Lantenbach. 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


197 


Fig.  11 5.  Tod  Mariä.  (Gemälde  vom  Hochaltar  in  Lautenbach.) 


Der  linke  Seitenaltar  (s.  Fig.  1 1 8)  der  schmerzhaften  Mutter  Gottes,  daher  auch  der 
schmerzhafte  oder  gnadenreiche  Altar  genannt,  zeigt  im  Mittelschrein  unter  erhöhtem 


Linker 

SeiteDaltar 


KREIS  OFFENBURG. 


198 


Bogen  die  Gruppe  der  Pietä,  unter  den  zwei  Seitenarkaden  die  Apostel  Philippus  und 
Jakobus.  Auf  den  zwei  Seitenflügeln  die  Relieffiguren  der  h.  Katharina  und  h.  Barbara; 
in  den  Heiligenscheinen  ihre  Namen; 

O SANCTA  ■ K A : HERIN A * OR  . 

S * BÄRBEFH  a BIT  * GOT  * FIR 


Die  Holzfiguren 
dieses  Schreines,  obgleich 
ziemlich  gleichzeitig,  sind 
zweifellos  wieder  von 
einem  anderen  Künstler, 
der  im  Gegensatz  zu 
dem  des  vorigen  Altares 
bei  seinen  Freifiguren 
schlanke  Proportionen 
liebt.  Insbesondere  zeigen 
das  die  überschlanken 
Apostel,  bei  denen  der 
Künstler  Kontraposte  ver- 
sucht hat;  man  sehe  nur 
die  verschiedenen  Dreh- 
ungen und  Wendungen 
des  Philippus;  auch  die 
Köpfe  der  Apostel  sollen 
möglichst  viel  ausdrücken. 
Die  Falten  haben  hier 
etwas  Krauses,  Knittriges, 
wie  es  bei  manchen 
Künstlern  derZeit  beliebt 
ist.  Die  beiden  weib- 
lichen Relieffiguren  sind 
schöne,  weiche  Gestalten 
in  einer  gewissen  Renais- 
sancefülle der  Formen. 

Auf  den  Außen- 
seiten der  Flügel  das  Ge- 


Fig. 117.  Ehemalige  Rückfliigelbilder  von  dem  rechten  Seitenaltar 
in  Lautenbach. 

schaft  empfängt,  gewährt  aus  einem  Seiten-  und  einem  Rückfenster  den  Ausblick  in 
eine  felsige  Flußlandschaft  mit  Burgen,  von  der  Decke  des  Gemaches  hängen  schwere 
F'ruchtgirlanden  herab.  Neben  dem  Engel  kniet  der  Stifter,  eine  gut  durchgefiihrte 
Porträtfigur,  nach  P.  Hardt  der  Propst  von  Allerheiligen:  »herr  Henricus  Fehl,  welcher 
diesen  und  den  S.  Martinsaltar  hatt  faßen  laßen,  wie  es  die  seinem  lebenslauf  gleich 
lautende  Jahrzahl  1523  so  in  einem  kleinen  beygemahlten  täfelin,  allwo  auch  dieses 
Distichon  stehet  bey  Gemahlet  ist;  nemmlich: 


mälde  der  Verkündigung 
(Tafel  VII).  Das  Gemach, 
in  dem  Maria  die  Bot- 


Tafel Via 


Rechter  Seitenaltar  in  der  Kirche  zu  Lautenbach  (in  geschlossenem  Zustande) 


Tafel  VII 


Außenansicht  des  linken  Seitenaltars  in  der  Kirche  zu  Lautenbach. 


. 


AMT  OBERKIRCH.  - LAUTENBACH. 


199 


O miseris  patrona  reis  fac  redde  benignum 
filiolum  misero  propitiumque  mihi, 


zu  teutsch: 


O Patronin  großer  Sünder 
und  verfallener  Adamskinder 
schaff,  daß  auch  dein  söhnelein 
mir  Elenden  thue  gnädig  sein.« 

Auf  der  Vase  der  Anfang  des  Eng- 
lischen Grußes.  — Die  Rolle  oder  die 
Tafel  mit  der  Inschrift  ist  bei  der 
Restauration  i.  J.  1903  verschwunden  als 
spätere  Zutat.  Die  Schrift  schien  auf  das 
19.  Jh.  und  eine  damalige  Restauration  zu 
deuten,  indes  war  sie  schon  nach  Hardt, 
also  in  der  Mitte  des  18.  Jhs.,  vorhanden. 

Sollte  man  etwa  im  19.  Jh.  eine  alte  vor- 
handene Tafel,  mit  gleichlautender  In- 
schrift, die  sehr  zerstört  gewesen  sein 
mag,  durch  eine  neue  ersetzt  haben?  Die 
Jahreszahl  stimmt  jedenfalls  mit  dem  Stil 
des  Bildes  überein.  An  der  Vase  steht: 

AVE  MARIA  GRA  • • • 

Ob ')  der  dargestellte  Stifter  tatsäch- 
lich der  Propst  Heinrich  Vehl  ist,  können 
wir  natürlich  nicht  mit  Bestimmtheit  fest- 
stellen. Immerhin  werden  wir  sehen,  daß 
manches  dafür  spricht. 

Das  Bild  ist  zweifellos  das  beste 
Gemälde,  welches  die  Kirche  besitzt; 
ebenso  zweifellos  steht  es,  insbesondere 
die  Figur  der  Jungfrau,  Baidung  sehr  nahe, 
sowohl  in  der  Zeichnung  wie  auch  in  dem 
sehr  weichen  Kolorit,  in  dem  tiefen  Blau- 
grün ihres  Gewandes  etc.  Trotzdem  hat 
die  genannte  Konferenz  sich  nicht  ent- 
scheiden können,  es  ihm  zuzuschreiben. 

Bei  dem  Dunkel,  das  noch  über  der  ober- 
rheinischen Malerei  dieser  Zeiten  liegt, 
wird  man  sich  damit  begnügen  müssen. 

Möglich,  daß  hier  eine  andere  Persönlich- 
keit vorliegt,  die  uns  erst  allmählich  klar 
wird.  Jedenfalls  aber  gehört  die  Gestalt  der  Madonna  zu  dem  formal  Schönsten,  was 
unsere  Malerei  am  Anfänge  des  16.  Jhs.  geschaffen  hat. 


Fig.  119.  Holzstatuette  der  Madonna  mit  Kind  vom 
Altar  in  der  Gnadenkapelle  der  Kirche  in  Lautenbach. 


1)  Siehe  auch  S e n s b u r g a.  a.  o.  S.  1 5 , 
gefrischt  ist. 


nach  dem  die  Inschrift  ursprünglich,  aber  auf- 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENßACH. 


201 


Im  Langhaus  liegt  begraben  Petrus  Ellnhard,  Statthalter  in  Straßburg,  -f*  1 7.  September 
1533,  daneben  sechs  Schauenburgsche,  vier  größere  und  zwei  kleinere,  abgeschliffene 
Grabsteine;  ähnliche  Grabsteine  zweier  Neuenstein.  In  der  Nähe  der  Gnadenkapelle  der 
zweite  Abt  des  Klosters  Allerheiligen  (seit  1657  Abtei),  -j-  2.  April  1707;  dann 
der  Prior  Georgius 
Hempfer,  Novizen- 
meister in  Allerhei- 
ligen. Seine  Inschrift- 
platte  (von  den  an- 
deren ist  nichts  mehr 
vorhanden)  ist  an  dem 
Gehäus  der  Lettner- 
treppe angebracht,  sie 
lautet : 

Hic  ex  adverso 
quiescit  reverendissi- 
mus  ac  eruditione 
et  pietate  clarissimus 
D.  Georgius  Hempfer 
sacrae  theologiae  Li- 
centiatus  qui  annis 
multis  officio  Prioris 
ad  omnes  sanctos  per- 
fungens  et  doctrina 
ex  exemplo  discipli- 
nam  collapsam  egregie 
restauravit.  Mortuus 
XXV.  Martii  anno 
MDCXLVIII  cujus 
animam  Deus  pro 
meritis  condingne  re- 
muneret.  Amen. 

Neben  seiner 
Grabstätte  die  des 
Abtes  Isfrid  Bresle, 

. . Fig.  120.  Glasgemälde  aus  der  Kirche  in  Lautenbach. 

f 5-  Jum  1 7 1 8. 

Vielleicht  den  wertvollsten  Schmuck  der  Kirche  bildet  aber  der  große  Schatz  an 
Glasgemälden  aus  der  Zeit  um  1500,  welche  sie  noch  besitzt.  Dieselben  stellen 
in  ganzer  Figur  in  etwa  l/;s  Lebensgröße  eine  stattliche  Anzahl  von  Stiftern  bezw.  Gut- 
tätern dar,  fast  alle  den  bekannten  Familien  der  Umgegend  entstammend,  Pröpste  von 
Allerheiligen  etc.,  in  Andacht  vor  der  Mutter  Gottes  oder  einer  Passionsszene  oder 
Heiligen  knieend. 

Leider  wurden  die  Bilder  in  den  neunziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  bei  einer  Restauration 
nicht  sorgfältig  genug  behandelt,  d.  h.  die  Glasmalereianstalt  (Beiler  in  Heidelberg)  scheint  unnötig 
viele  ältere  Stücke  durch  neue  ersetzt  zu  haben,  wie  Mone  behauptete,  sogar  absichtlich  unter- 


Glasgemälde 


202 


KREIS  OFFENBURG. 


schlagen  zu  haben,  Stücke  davon  seien  in  den  Kunsthandel  gelangt.  Diese  Beschuldigung  führte  zu 
einem  Prozeß,  der  aber  mangels  Beweises  zu  Gunsten  der  Glasmalereianstalt  entschieden  wurde.  Fest- 
steht für  uns,  daß  leider  zu  viel  erneuert  worden.  An  der  Hand  der  (wenigstens  von  einem  Teil) 
vorher  aufgenommenen  Photographien,  der  Beschreibung  des  P.  Hardt  (dem  Sensburg  folgt)  und 
dem  Befund  können  wir  einigermaßen  Altes  und  Neues  feststellen. 

Wir  beginnen  die  Betrachtung  an  der  nördlichen  Langhausseite  vom  Eingang  aus 
und  finden  hier  im  neuen  Anbau  in  dem  Fenster 

I.  neun  alte  Scheiben  eingesetzt.  In  der  drittuntersten  Reihe  beginnend,  zeigen 
die  Scheiben 

I. -3.  die  spätgotische,  gänzlich  erneuerten  Baldachine  5 

in  der  Reihe  darunter : 

4.  den  h.  Joseph  (mit  dem  Schiff),  scheint  neu  und  zwar  von  Börner  in 
Offenburg ; 

5.  h.  Ursula,  vor  der  Restauration  photographiert,  durchaus  alt,  mit  ergänztem 
Hintergrund;  sie  muß  sich  früher  irgendwo  an  einem  Chorfenster  befunden 
haben ; 

6.  h.  Bischof  mit  Monstranz  (h.  Norbert?),  neu; 

in  der  untersten  Reihe : 

7.  spätgotisches  Postament,  neu; 

8.  Wappen  des  Bischofs  Albrecht  von  Straßburg  (regierte  1478  bis  1506),  von 
einer  barfüßigen  Nonne  gehalten,  vor  der  Restauration  photographiert,  alt; 

9.  wie  7. 

Im  obersten  Teil  des  Fensters  zehn  neue  Ornamente. 

II.  Das  folgende,  alte  Fenster  an  der  nördlichen  Langhauswand  ist  einpfostig,  es 
zeigt  unten  unter  alten  Baldachinen  mit  Fialen  etc. 

i.u.  2.  die  Verkündigung; 

3.  die  Jungfrau  vor  ihrem  Gebetpult  und 

4.  den  Engel  mit  dem  Spruchband,  worauf  die  Worte: 

abc  • m plcna  tromrnu*»  tecum* 

Im  Hintergrund  des  Gemaches  das  Bett,  rechts  eine  Bank,  dazu  eine  Reihe  Haus- 
haltungsgegenstände, Tasse,  Dose,  Messer  usw.  — Beide  Figuren,  die  nach  Hardt  und 
Sensburg  sich  am  Fenster  der  Westfassade  befanden,  sind  alt,  bei  dem  Engel  aller- 
dings das  Gewand  stark  ergänzt. 

III.  Das  nächste  Fenster,  wieder  zweipfostig,  enthält  in  der  viertuntersten  Reihe  in 
den  Scheiben 

1..-3.  leichte  spätgotische,  alte  Bekrönungsomamente; 
in  der  Reihe  darunter: 

4.  Mann  und  Frau  zusammen  knieend,  unten  ihr  Wappen,  in  dem  Wappen  steht: 
notariatu«*  / SVoljannt#  noret  (?)  (undeutlich) 
über  ihnen  stand  nach  der  alten  Photographie  (s.  Fig.  120): 

*».  jocop  ein  Mgcr  gut  Ijaft  unß  in  Ijfit  i 

Heute  heißt  es  statt  dessen,  leider  ein  trauriger  Beweis  für  die  Sorglosigkeit 
der  Restaurierung:  S.  Maria  bit  für  unß ! Der  untere  Teil  des  Gewandes 
der  Frau  ist  neu,  er  war  ehemals  mit  anderswoher  genommenen  Stückchen 
ausgeflickt.  (Nach  Hardt  südlich  über  der  Altane.) 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


203 


5.  die  Madonna  mit  dem  Kinde  in  der  Mandorla.  Eine  Photographie  aus  der 
Zeit  vor  der  Restauration  liegt  mir  nicht  vor;  hier  sind,  besonders  in  den 
oberen  und  unteren  Teilen,  starke  Ausflickungen  vorgenommen  worden. 
Nach  Hardt  an  dem  Nordfenster  über  dem  Lettner; 


Fig.  121.  Glasgemälde  aus  der  Kirche  in  Laiitenbach. 


6.  knieender  Mann  und  Frau,  Unterschrift : 

fjßtnrirf)  Incgstüi  bö  oüctfetti)  uff  fearfera  fjusfro 

und  im  Spruchband  darüber: 

a maria  ftit  bin  feint  für  miß. 

Gehörte  nach  Hardt  zu  5.  und  befand  sich  am  gleichen  Fenster.  Das  Bild 
war  nach  der  alten  Photographie  sehr  gut  erhalten,  hier  ist  mit  Ausnahme 
eines  kleinen  Stückes  im  Bogen  alles  alt  (s.  Fig.  121); 
in  der  zweituntersten  Reihe 


204 


KREIS  OFFENBURG. 


7.  ein  knieender  Bürger  mit  der  Unterschrift:1) 

canrat  lucgbtcF  bö  obiTintdj 

und  im  Spruchband  darüber: 

0 jofjauueb  gottcb  früut  bit  für  tmb  niaria  unb  it*  liebes  feint. 

Befand  sich  ursprünglich  mit  den  zwei  folgenden  8.  und  9.  zusammen  an 
dem  vom  Lettner  aus  zweiten  großen  Fenster  der  Langhausnordwand.  Sehr 
gut  erhalten; 

8.  Johannes  der  Täufer,  mit  7.  und  9.  zusammengehörig.  Ebenfalls  fast  tadellos 
erhalten ; 

9.  die  Frau  des  Konrad  Wegstein  (wie  alle  knieend)  mit  der  Unterschrift: 

tui  liattjcrin  bin  ljubfratu 

und  im  Spruchband : 

0 jolianncb  bei*  Ijciligci:  man  tjilff  unb  511  rrot  uff  bie  pan 

(Hardt  las  hier:  uff  die  »rechte«  pan;  doch  scheint  mir  das  eine  Ergänzung 
von  ihm  zu  sein) ; 

in  der  Reihe  darunter 

10.  12.  neue  gotische  Postamente;  neu  auch  die 
13.  Ornamentfüllung  am  Scheitel  oben. 

IV.  Das  folgende,  doppelpfostige  Fenster  enthält  in  vier  Reihen  übereinander 
Glasgemälde,  und  zwar  in  der  obersten 

1.-3.  die  teilweise  ergänzten  Endigungen  der  Baldachine;  darunter 

4.  ein  knieender  Bürger,  ohne  Unterschrift,  im  Spruchband,  durch  Nachbildung 
ersetzt  (!), 

O baut  jocop  bit  got  für  unß; 

5.  der  h.  Jakob  von  Compostella.  Hier  scheint  das  noch  gut  erhalten  gewesene 
Original  durch  eine  vollständige  Nachbildung  ersetzt  zu  sein ; 

6.  die  Frau  des  Obigen  (Nr.  4),  im  Spruchband : 

0 baut  jatop  bil'gcr  gut  tjalt  unb  tu  brr  ljut, 

nicht  in  einer  Photographie  vor  der  Restauration  vorliegend ; vermutlich  wie 
die  obigen,  in  alter  Photographie  erhaltenen,  unnötigerweise  durch  Nach- 
bildung ersetzt.  4.-6.  befanden  sich  nach  Hardt  an  dem  südlichen  Fenster 
über  dem  Lettner; 

in  der  weiteren  Reihe  darunter 

7.  knieender  Ritter  mit  Wappen  und  Unterschrift: 

SClltljnU  ...  JlaUlftCÜl  (Hardt  las  noch  richtig  Anthoni  von  Ramstein), 
vor  ihm  das  Wappen;  moderne  Nachbildung,  ich  gebe  die  Photographie 
nach  dem  alten  Original.  Es  kann  sich  hier  doch  wohl  kaum  um  das 
Geschlecht  handeln,  das  sich  nach  seiner  Burg  bei  Triberg  nannte,  2)  sondern 
vermutlich  um  ein  im  Renchtal  bei  Ramsbach  ansässiges,  bisher  unbekanntes 
Geschlecht ; 

8.  der  Gekreuzigte  mit  einigen  aufgespießten  Heiligen  aus  der  Marter  der  Zehn- 
tausend ; 

*■)  Die  Unterschriften  immer  nach  der  alten  Photographie  gegeben;  große  Abweichungen  im 
neuen  Zustand  werden  angeführt. 

2)  Krieger  a.  a.  O.  II,  S.  16. 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


205 


9.  ^Sarßata  bon  ^tauffDnbßtg,  die  Gemahlin  des  Anton  von  Ramstein, 
mit  der  Unterschrift: 

25arbra  bau  «jtanffcnbeug 

und  dem  Wappen.  Diese  Scheibe  ist  alt.  Nr.  7.-9.  befanden  sich  nach 
Hardt  an  dem  gleichen  Fenster  wie  heute. 

Darunter  10  bis  12  neue  gotische  Füllungen. 

V.  Wir  wenden  uns  nun  zur  südlichen  Langhauswand  und  finden  an  dem  ersten 
zweipfostigen  Fenster  über  der  Gnadenkapelle  in  der  Mitte  des  Fensters  drei  Reihen 
übereinander : 

in  der  obersten  Reihe 

1.  3.  gotische  Baldachine,  zum  Teil  erneuert,  darunter  in 

4.  ein  knieender  Bürger  in  weitem  roten  Gewände,  neue  Nachbildung,  auf 
der  alten  Scheibe  war  die  Unterschrift  nach  Hardt  zu  lesen: 

ßrinrirfj  bp^telstarig  511  abcrinrrij, 

im  Spruchbande  steht  heute  noch,  wie  auch  nach  Hardt: 

0 maria  ein  mutter  501t  Ijilf  un£  51t  43ott  uff  tue  2im*b. 

An  der  Unterschrift  zu  zweifeln,  besteht  kein  Grund,  da  Hardt  dieselben 
überall  richtig  wiedergibt;  sie  ist  aber  ganz  besonders  wichtig  für  uns,  weil 
wir  wissen,  daß  Heinrich  Diestelzweig  1480  Schultheiß  in  Oberkirch  war;  ]) 

5.  die  h.  Jungfrau  sitzend  mit  dem  Kind  auf  ihrem  Schoß  und  zwei  Lilien- 
stengeln. In  alter  Photographie  erhalten  und  bis  auf  geringe  Flicken  alt; 

6.  die  Ehefrau  des  Diestelzweig  mit  der  Unterschrift: 

unb  anna  £in  fju**froulti , 

im  Spruchband  steht: 

Äaria  ein  ßünigin  biß  ttn^er  £clen  ein  Pflegerin, 

alte,  gut  erhaltene  Scheibe,  4.-6.  an  der . alten  Stelle  wie  bei  Hardt; 
darunter  in 

7.-9.  gotische,  neue  Postamente; 

oben  in  dem  Scheitel  des  Bogens 
10.  moderne  Ornamente. 

VI.  Das  folgende  zweipfostige  Fenster  hat  unten  in  drei  Reihen  übereinander 
folgende  Scheiben: 

zu  oberst 

1-3.  gotische  Baldachine,  zum  Teil  erneuert;  in  der  folgenden  Reihe 

4.  knieender  Mann  mit  der  Unterschrift: 

bcniijart  uß  bem  ^ultjbab, 

im  Spruchband: 

oD  Ijcu  burclj  bin i laß  un£  Ijicr  bin  fnrtö  riuerimi, 

diese  Inschrift  heute  ergänzt  (nach  Hardt:  wegen  dym  kinds  sterben),  die 
Figur  alt,  wenn  auch  ergänzt; 

5 . eine  Pietä,  daneben  die  Henkerwerkzeuge,  in  Photographie  vor  der  Restauration 
erhalten,  alt; 


K r i e g e r a.  a.  O.  II,  S.  380. 


200 


KREIS  OFFENBURG. 


6.  die  Frau  des  Obengenannten,  Unterschrift: 

unö  €I£a  (Hardt  liest:  <£iia)  £in  fjußfrabu 
im  Schlußband  steht: 


® Üßr  burrfj  biiiß  ötttrcn  bat  ijilff  unß  uß  . . . not. 


Fig.  122.  G/asgemä/de  im  Choi ■ der  Kirche  in  Lautenbach. 


Das  Schlußband  ist  stark  ergänzt, 
der  Hintergrund  ist  neu,  die  Figur  alt 
(alte  Photographie).  Nr.  4.-6.  befinden 
sich  an  derselben  Stelle  wie  bei 
Hardt;  darunter  in 

7.-9.  neue  Postamente, 

im  Scheitel  des  Bogens  in 
10.  neue  Ornamente. 

VII.  Ich  gehe  nun  zu  den  Fenstern 
des  Chores  über.  Das  westlichste 
Fenster  desselben  sowohl  in  der 
Nord-  wie  der  Südwand  enthält  heute 
keine  Glasgemälde.  Das  auf  der 
Nordseite  folgende,  in  der  nordöst- 
lichen Achteckseite  befindliche  zeigt 
dagegen  eine  stattliche  Reihe:  in 

den  oberen  zwei  Reihen  in 
1.-3.  und 

4.-6.  die  teilweise  erneuerten  Bal- 
dachinbekrönungen, in  der  fol- 
genden Reihe  in 

7.  knieender  Ritter  mit  dem 
Schwert  in  der  Hand,  vor  ihm 
sein  Wappen;  Unterschrift: 

tfribrriilj  bö  4£ßtaßn£tcni, 

in  dem  Spruchband: 

& 3.  üarftra  junftb  rßin  tut 
baß  tutr  gdjßii  in  Ijtnnnßl  ßin. 

Völlig  neu,  ohne  alle  Vorlage, 
war  nach  Hardt  durch  Unge- 
witter zerstört,  auch  bei  Sens- 
burg  nicht  vorhanden; 


8.  die  h.  Barbara,  alt,  Hintergrund  ergänzt; 

9.  Veronika  von  Neuenstein,  geborene  von  Schauenburg,  in  hermelinbesetztem 
Brokatkleid  mit  Wappen  und  Unterschrift  (s.  Fig.  122): 

un  bronica  £tn  iju 


im  Spruchband: 

a fiarfrra  ßhiß  junfrolu  jart  tut  für  un*»  Ijtß  itn  hart. 

Die  Unterschrift  ist  ergänzt,  der  größere  Bruchteil  des  Gewandes,  der  Brustteil 
desselben  und  der  Hintergrund,  das  andere  ist  alt.  8.  und  9.  befanden  sich 
früher  nach  Hardt  an  dem  gegenüberliegenden  Fenster ; 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


207 


in  der  nächsten  Reihe : 

10.  S.  Leonhard  mit  Geißel  und  Ketten.  Die  Photographie  des  alten  Zustandes 
liegt  vor:  der  Hintergrund  ist  erneuert,  die  Kirche  eine  Zutat,  ebenso  das 
Spruchband.  Die  Scheibe  befand  sich  früher  mit  der  h.  Ursula  am  südlichen 
Fenster  unter  dem  Lettner; 

1 1 . ein  größtenteils  erneuerter  Baldachin ; 

12.  ein  Propst  von  Allerheiligen  in  seinem  Chorpelz,  im  Spruchband  die  Schrift: 

<£*»ta  ♦ *>atutata  • birgo  ♦ cü  ♦ prolr  »beata  ♦ 

€t  ♦ genitrp:  ♦ pia  ♦ midji  ♦ ^uccurre  * maria  . . . 

(So  nach  der  Photographie  vor  der  Wiederherstellung;  der  P.  Hardt  schreibt: 
sis  mihi  dux  in  morte  maria.)  Befand  sich  nach  Hardt  am  mittleren  Chor- 
fenster, ist  alt,  aber  an  einigen  Stellen  des  Spruchbandes  und  des  Hinter- 
grundes ausgeflickt; 

in  der  untersten  Reihe: 

13.  in  voller  Rüstung  betend  ein  Ritter  mit  seinem  Wappen;  Unterschrift: 

jfriberiilj  bon  ^rijataßnburg, 

im  Spruchband : 

<&  joijanne**  baptiät  fjeliger  mä  fjüf  um»  5Ü  got  uff  bi . rerijt  bau  1 

(Hardt  las:  bitt  uff  daß  er  uns  neme  an.)  Das  Spruchband  scheint  neu  (?), 
ebenfalls  einzelne  Teile  an  der  Rüstung  sowie  der  Hintergrund,  während  die 
Scheibe  nach  der  Photographie  sehr  gut  erhalten  war; 

14.  Johannes  der  Täufer  mit  Buch,  Lamm  und  Kreuzfahne;  gut  erhalten; 

15.  die  knieende  Frau  mit  der  Unterschrift: 

ufl  fratljn  bä  «jult5&arij  st  jjußfrä 

(so  nach  der  Photographie  vor  der  Restaurierung;  Hardt  und  Sensburg 
lasen  allerdings  nur:  Kattryn  syn  haußfrow),  dagegen  ist  das  Wappen  vor- 
handen ; 

im  Spruchband  steht: 

<0  joijamicb  3Du  gottrö  frünt  bit  fite  tttib  inane  biuL 

Die  Scheibe  scheint  sehr  stark  erneuert,  Kopf,  Gewand  und  Spruchband, 
obwohl  das  nach  ihrer  guten  Erhaltung  nicht  nötig  war.  13.- 15.  befanden 
sich  nach  Hardt  schon  hier  an  diesem  Fenster; 

16.- 18.  größtenteils  neue  gotische  Postamente; 

19.  neue  Ornamente. 

Ein  Friedrich  von  Schauenburg  wird  1509  mit  seinen  Brüdern  erwähnt. 

VIII.  Das  mittlere  Chorfenster  enthält  in  den  Feldern 

1.-4.  Baldachine  aus  Astwerk  in  Gold;  alt,  aber  restauriert  auf  blauem  neuen 
Hintergrund,  vier  durchaus  alte  Rankenornamente.  Darunter  in  den  Feldern 
5.  u.  6.  die  Verkündigung ; 

7.11.8.  die  Heimsuchung; 

5.  der  Engel  mit  dem  Spruchband: 

5tbe  ♦ maria  ♦ gratta  ♦ blena  ♦ (sic !)  bni£  ♦ tc  rum  ♦ a 

mit  den  beiden  letzten  Worten  ragt  es  hinüber  in  das  Feld  6,  worin  die  Madonna  an 
ihrem  Lesepult  kniet.  Von  beiden  existieren  alte  Photographien  vor  der  Restauration, 


208 


KREIS  OFFENBURG. 


nach  denen  diese  Stücke  alt  sind,  während  die  Heimsuchung  der  Maria  in  Feld  7 nicht 
photographiert  war,  dagegen  die  h.  Anna.  Die  Maria  der  Heimsuchung  ist  völlig  neu; 
über  ihr  die  Worte  nach  Hardt: 

Äagnificat  antma  mca  dominum, 

über  der  h.  Elisabeth: 

25eata  quae  crcbibiäti. 

Die  Gestalten  scheinen  nach  Holzschnittvorlagen  vom  Ende  des  15.  Jhs.  gearbeitet 
zu  sein. 

Nach  Hardt  war  an  dem  mittleren  Chorfenster  noch  dargestellt  ein  Guttäter  aus 
dem  Hause  Kurbayern,  ein  Bischof  von  Straßburg,  also  wohl  der  Wittelsbacher  Albrecht ; 
diese  Scheibe  wird  schon  bei  Sensburg  nicht  mehr  erwähnt,  nach  Hardt  trug  sie  die 
Umschrift:  Spes  mea  in  hacce  via  post  Christum  sola  Maria  cresco  roges  quem  tune 
parcere  coges;  darauf  folgte  der  im  vorigen  Fenster  untergebrachte  Allerheiliger  Propst 
und  ein  weiterer  Flügel,  der  schon  zu  Hardts  Zeiten  durch  Ungewitter  zerstört  war; 
ebenso  fehlte  schon  1830  der  hier  dargestellte  Jörg  von  Bach. 

IX.  Das  folgende  Fenster  an  der  Südostachteckseite  hat  in  sechs  Reihen  über- 
einander folgende  Glasgemälde : 
oberste  Reihe 

1.-3.  heraufragende  Endigungen,  Fialen  etc.  der  unteren  Baldachine  in  dem  spät- 
gotischen knorrigen  Astwerk ; in 

4.-6.  und  in  der  dritten  Reihe  darunter  noch 

7.  die  wenig  ergänzten  Baldachine;  in  der  Mitte  der  dritten  Reihe 

8.  die  h.  Katharina,  die  ganz  neu  ist,  auf  einem  hohen,  in  derselben  natura- 
listischen Weise  wie  die  Baldachine  verzierten  Sockel,  der  das  Feld  11.  der 
folgenden  Reihe  ausfüllt.  Zu  beiden  Seiten  dieses  Sockels  in 

10.  Ritter,  betend,  mit  dem  neuensteinischen  Wappen;  die  ganze  Scheibe  ist 
hier  neu,  an  Stelle  einer  sicher  noch  ziemlich  gut  erhaltenen  alten,  die  sie 
in  täuschender  Weise  kopiert.  Nach  Hardt  und  Sensburg  scheint  nur 
das  Wappen  die  Persönlichkeit  erklärt  zu  haben,  vielleicht  auch  Stücke  des 
Namens  Neuenstein;  bei  der  Kopie  hat  man  das  in  Hans  von  N.  falsch 
ergänzt,  nach  seiner  Gattin  ist  es  Melchior  von  N.,  der  mit  ihr  1477  !)  und 
1478 *  2)  erwähnt  wird,  u.  a.  bei  einem  Verkauf  an  die  Klause  von  Oberndorf. 
Im  Spruchband  stand  nach  Hardt: 

<0  fjcifui  jumjfroUi  g.  ßattrnn  lütt  für  unä  mariam  ttnb  üjr  innt, 

im  heutigen,  offenbar  getreu  kopierten  Spruchband  heißt  es : 

0 fjcü0  junji(!)frota  äiit  fiatfjrin  füt  für  üä  mar . . tili  tr  fünb(t); 

12.  auf  der  anderen  Seite  des  Sockels  kniet  die  Gemahlin  des  Melchior  (Fig.  123) 
mit  der  Unterschrift: 

fuejä  bä  iiroßlni(yr  syn  housfrou) 

(das  Eingeklammerte  ist  neue  Ergänzung,  wie  die  Photographie  vor  der 
Restauration  lehrt;  die  Inschrift  stimmt  mit  Hardt,  der  nur  Großwyr  las); 
im  Spruchband: 

<0  ♦ . fjatljen  in  mine  Kctic  £ cf)  aff  b$  mi’  al  nun  äünbt  tnrdt  b’ctcöcn. 


x)  Krieger  a.  a.  O.  II,  S.  312. 

2)  Ruppert  FDA.  39,  S.  182. 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


209 


Der  Hintergrund  ist  hier  ergänzt,  wie  gesagt  auch  die  Hälfte  der  Unter- 
schrift, das  Übrige  mit  geringen  Ausflickungen  alt.  Nr.  8.,  10.,  n.,  12.  befanden 
sich  nach  Hardt  in  gleicher  Zusammenstellung  an  dem  jetzt  leeren  Nordfenster 
des  Chors. 

In  der  Reihe  darunter 
13.  ein  ritterliches  Ehepaar,  er  in 
voller  Rüstung  betend,  sie 
hinter  ihm,  beide  mit  dem 
gleichen  Radwappen  der  Neuen- 
stein und  der  Unterschrift: 

(g)ßfiljact  (heute  »ochhart«)  tlO 
(ne)llicnötdn (Hardt  las:  Newstain), 
im  Spruchband : 

1 1 & 1 . ba^tian  tuir  üit . . 

tricfj  üit  got  für  miß  fU^eftlü 

(So  nach  der  Photographie  vor 
der  Restauration ; Hardt  las : 
kräfftiglich.) 

Es  ist  der  1479  erwähnte 
»jungher  Gebhart  Rohart  von  Neuen- 
stein«,1) der  nach  Ruppert2)  bis 
1546  lebte,  mit  seiner  ersten  Ge- 
mahlin Anna  von  Neuenstein  (seine 
zweite  war  eine  Pfau  von  Rippur, 
hatte  also  ein  anderes  Wappen),  was 
für  die  Datierung  der  Gemälde  nicht 
unwichtig. 

Ergänzt  ist  die  Unterschrift, 

Teile  des  Fußbodens;  neu  eingesetzt 
die  Figur  des  Ritters ; wo  das  Original 
hingekommen,  weiß  ich  nicht. 

In  Nr.  14.  der  h.  Sebastian; 

nicht  das  einstens  vorhandene  Ori-  ,,  , , . r , , 

Fig.  123.  Glasgemälde  aus  dem  Lhor  de?'  Kirche  in  Lautenbach. 

ginal,  sondern  ganz  neu ! 

Daneben  in  15.  wieder  ein  knieender  Neuensteiner  in  voller  Rüstung  mit  Wappen, 
dahinter  seine  Frau  mit  Wappen,  nach  Hardt: 

hans  von  newenstein  (dies  wohl  nach  alter  Unterschrift)  und 
seine  Gemahlin  Magdalena  von  Zellwang  3). 

Im  Spruchband  steht: 

a tjiiig  ♦ »Sebastian  in  nfiten  ln  a llst  uns  bubtaljii; 


1)  Krieger  a.  a.  O.  II,  S.  312. 

2)  FDA.  S.  130  ff.,  Stammtafel. 

3)  Der  Name  war  1882  unter  den  alten  Scheiben  noch  erhalten. 


Band  Vtl. 


4 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


2 1 1 


AUS  DEM  FEYR  BIN  ICH  GEFLOSSEN  DURCH  STEFFENN  NICOLAUS 
ARNOLD  PETTER  BERNAR  (sic!)  AUS  LOTHRINGEN  BIN  ICH 
GEGOSSEN  ANNO  • l7oo  • • ; 

aufgelötet  das  Bild  der  Schmerzensmutter  und  auf  der  anderen  Seite  das  des  Ge- 
kreuzigten. 

Die  zweite  Glocke  zeigt  oben  einen  Früchtekranz  und  die  Umschrift: 

feLix  abbas  aD  oMnes  sanCtos  renoVari  feCIt  rUpta  fUI, 

unten : 

MATTHEUS  EDEL  ZU  STRASSBURG  GOS  MICH  1781, 
aufgelötet  das  Bild  eines  h.  Abtes  (Norbert?)  und  eine  Kreuzigung. 

Die  kleinste  Glocke  trägt  die  Inschrift:  Ego  sum  effusa  in  honorem  S.  Barbarae 
1590  e monasterio  ad  omn  . . sanctos. 

Kirchengeräte,  teilweise  in  der  Sakristei  und  teilweise  im  Pfarrhaus  aufbewahrt: 
Sonnenmonstranz,  silbergetrieben  und  vergoldet,  Relieffiguren,  getriebene  Medail- 
lons am  Fuß,  darin : Abendmahl,  büßende  Magdalena  und  Abtswappen  von  Allerheiligen 
mit  der  Umschrift  in  Kursiv : Josephus  D.  G.  Abbas  Collegii  Con.  Praemonstrad.  ad 
omnes  Sanctos.  Augsburger  Beschauzeichen  und  I Z (?)  (Johann  Jeckel?),  cf.  Rosen- 
berg Nr.  292. 

Speisekelch,  silbervergoldet,  getrieben ; nicht  so  stattliche  Arbeit,  Augsburger  Be- 

ß 

schauzeichen  und  ^ (B.  Wentzel?,  J-  1704,  Rosenberg  Nr.  228). 

Kelch,  silbervergoldet  mit  Silberfiligranwerk  an  der  Cuppa  und  am  Fuß  Email- 
medaillons aus  der  Passion,  Augsburger  Zeichen  und  I Z (s.  oben). 

Desgleichen  mit  getriebenen  Rocailleornamenten  und  Steinchen,  Augsburger  Zeichen 
und  R. 

Desgleichen  ebenfalls  mit  Rocailleornamenten,  Beschauzeichen : Kreuz  in  schräg 

I A 

quadriertem  Schild  und  ^ . 

Wettersegen  18.  Jh.  mit  Silberranken  in  den  Kreuzecken. 

Meßkännchen,  silbervergoldet  mit  kräftigen  getriebenen  Blumenornamenten ; am 
Weinkännchen  das  Straßburger  Feingehaltszeichen  von  1750  bis  1796  (cf.  Rosenberg 
Nr.  1505)  und  nochmals  die  Lilie,  worunter  D (Jahresbuchstabe  für  1755?,  Rosen- 
berg Nr.  1513);  außerdem  I M L I N;  das  Wasserkännchen  nur  mit  D unter  der  Lilie. 
Die  Platte,  wohl  kaum  dazugehörig,  in  kräftigen  Formen  getrieben,  Früchte  und  Engels- 
köpfe zieren  sie;  in  dem  vertieften  Standort  der  Kännchen  Namenszug  Mariä  und  Jesu. 
Augsburger  Zeichen  und  IBE  (Joh.  Baptist  Ernst,  J-  1697,  Rosenberg  Nr.  258). 
Treffliche  Arbeit  vom  Ende  des  17.  Jhs. 

Madonnenstatuette  (s.  Fig.  124),  silbervergoldet,  getrieben.  Die  Madonna  auf  der 
Mondsichel  (ca.  1 7 cm  hoch)  mit  reichgelocktem,  über  die  Schultern  fallendem  Haare, 
trägt  die  (später  aufgesetzte)  Krone  und  hält  in  beiden  Händen  das  unbekleidete  Kind, 
hinter  ihr  die  Strahlenmandorla ; sie  steht  auf  spätgotischem,  achteckigem  (gegossenem) 
Postament,  in  dessen  Nischen  zwischen  fialengeschmückten  Strebepfeilern  kleine  Engelchen 
musizieren.  Das  Ganze  ein  hübsches  Werk  aus  dem  Anfänge  des  16.  Jhs.,  mit  den 
deutlichen  Zeichen  der  eindringenden  Renaissance.  Es  steht  jetzt  auf  einem  silbernen 


Kirchengeräte 


r4 


212 


KREIS  OFFENBURG. 


Pfarrhaus 


Schrank 


Ölgemälde 


Brunnen 


Schluß- 

betrachtung 


Fuß  späterer  Zeit  mit  getriebenen  Früchteornamenten  und  gegossenen  Engelsköpfen,  am 
Fuß  das  Zeichen  F ? ; ein  Rosenkranz  umrahmt  die  Figur. 

Auf  dem  Altar  vier  silberne  Barockleuchter  aus  Allerheiligen. 

An  alten  Gewändern  ist  die  Kirche  ziemlich  reich ; ich  zählte  3 Pluviales,  1 8 Kasein, 
ziemlich  noch  mit  allem  alten  Zubehör.  Es  sind  durchgängig  Produkte  des  18.  Jhs., 
teils  mit  eingewebten  Blumen,  teils  gestickt,  von  dem  vornehmen  Geschmack  und  oft 
zarten  Farbensinn  dieser  Zeit  zeugend.  Vor  allem  hervorzuheben  ein  weißer  Rauch- 
mantel nebst  Kasel,  Levitenkleider,  Mitra  etc.  mit  prächtiger  Hochstickerei  in  Silber, 
Gold  und  bunter  Seide  im  Rocaillestil.  Die  Sachen  dürften  größtenteils  aus  Allerheiligen 
stammen. 

Das  Pfarrhaiis,  zwischen  dem  ersten  und  zweiten  südlichen  Strebepfeiler  an  das 
Langhaus  angebaut,  also  ursprünglich  über  die  Kirche  etwas  herausragend,  und  in  einem 
Flügel  nach  Osten  umbiegend,  aus  Bruchsteinmauerwerk,  verputzt,  mit  Sandsteingewänden, 
zeigt  an  seinen  Eingangstüren  kielbogigen  Sturz,  ein  kleines  Fenster  mit  ähnlichem  Sturz, 
die  anderen  alle  mit  geradem  und  mit  hohlgekehltem  Gewände;  eine  Wasserschräge 
trennt  das  untere  vom  überkragenden,  oberen  Geschoß,  welch  letzteres  nur  aus  Riegel- 
werk besteht. 

Im  Innern  führt  eine  interessant  angelegte,  spätgotische  Tür  in  das  einstige  Refek- 
torium der  Mönche;  hier  sehen  wir  auch  noch  die  Öffnung  in  das  Armenspeisezimmer. 

Aufbewahrt  werden  sie  zum  Teil  in  einem  reich  geschnitzten,  spätgotischen  Schrank , 
der  in  seiner  Bekrönung  köstliches  Rankenornament  aufweist  und  größtenteils  noch  die 
alte  Fassung  besitzt. 

In  dem  Schrank  zwei  Glasscheiben  aus  der  Kirche  auf  bewahrt,  Stücke  von 
Baldachinen. 

In  einem  Zimmer  des  Erdgeschosses  hängt  ein  dekorativ  sehr  tüchtiges,  leider 
stark  beschädigtes  Oelgemälde  von  einem  guten  Rubensschüler,  eine  Anbetung  der 
Könige  darstellend : nach  der  Aufschrift  auf  der  Rückseite  von  dem  Maler  und  Kupfer- 
stecher Paneels,  ')  der,  1600  in  Antwerpen  geboren,  1630  über  Köln  nach  Mainz  und 
Frankfurt  gezogen  ist.  !) 

Im  Garten  des  Pfarrhauses  ein  Brunnen:  Achteckschale,  worin  achteckiger  Stock 
mit  Maskaronausflüssen,  auf  ihm  Statue  der  Madonna  mit  Kind:  aus  der  ersten  Hälfte 
des  17.  Jhs. 

In  der  Gartenmauer  eingemauert:  kleines  Figürchen,  Putto  mit  Fisch  von  einem 
Brunnen  des  17.  Jhs. 

Von  der  Südostecke  des  Pfarrhauses  aus  zieht  sich  die  alte  Umfassungsmauer 
herum  bis  zu  dem  jetzigen  Turm,  wo  ein  Stück  von  ihr  niedergelegt  ist.  In  ihrem  nörd- 
lichen Teil  befand  sich  ein  Fenster  eingemauert  mit  Rundstäben  und  Hohlkehlen  an 
dem  Gewände,  geradem  Sturz  mit  Blendkielbogen,  daran  die  verwischte  Schrift: 

? 

anno  ♦ ♦ ♦ I7ZI 

Das  Fenster  ist  jetzt  neben  der  Eingangstür  des  Pfarrhauses  verwendet.  Seine 
Jahreszahl  gibt  meines  Erachtens  den  Abschluß  der  Bauten  hier,  ja  überhaupt  der 
ganzen  Ausstattung,  und  wir  kommen  damit  auf  die,  ich  möchte  sagen : innere  Geschichte 
des  Baues.  Nach  den  am  Bau  selbst  vorhandenen  Jahreszahlen,  nach  den  Ergebnissen 


*)  Allgem.  Künstlerlexikon  3 III  (Frankfurt  1S98),  S.  366. 


AMT  OBERKIRCH.  — LAUTENBACH. 


213 


der  Stilkritik,  nach  den  erwähnten  historischen  Daten  und  nach  den  damit  überein- 
stimmenden, wie  wir  sahen,  sehr  gewissenhaften  Angaben  des  Pater  Hardt  dürfen  wir 
diese  Geschichte  so  rekonstruieren:  Nach  dem  Brand  von  Allerheiligen  faßte  Propst 
Andreas  Rohart  von  Neuenstein  den  Entschluß  zu  dem  Bau,  in  dem  ihn  wohl  der  Kon- 
ventuale  Heinrich  Vehl  lebhaft  unterstützte.  Nach  den  nötigen  Vorbereitungen  wurde 
ein  hervorragender  Baumeister  aus  dem  nahen  Elsaß,  Hans  Hertwig  aus  Bergzabern, 
herbeigeholt  und  1471  der  Grundstein  gelegt.  Wie  schon  ausgeführt,  waren  die  Bau- 
herren der  Propst  von  Allerheiligen,  der  als  feinsinnig  bekannte  Bischof  Albrecht  von 
Straßburg,  ein  Herr  von  Bach  und  ein  Herr  von  Neuenstein.  Der  Bau  schritt  rüstig 
vorwärts,  auch  nachdem  der  Propst  Andreas  gestorben  war;  doch  scheint  der  Meister 
dem  Drängen  der  Bauherren  nicht  immer  genügt  zu  haben,  was  zu  den  eingangs 
erwähnten  Verhandlungen  führte;  um  1482  muß  aber  der  Bau  im  wesentlichen  voll- 
endet gewesen  sein;  damals  begann  und  wurde  bald  danach  fertiggestellt  die  Aus- 
stattung mit  Glasgemälden,  mit  denen  sich  die  Guttäter  der  Kirche,  insbesondere  aus 
den  Familien  der  Schauenburg  und  Neuenstein,  aber  auch  reiche  bürgerliche  Geschlechter 
der  Umgegend  ein  Denkmal  setzten.  Die  Pröpste  von  Allerheiligen  förderten  die  Aus- 
stattung, insbesondere  Johannes  Magistri,  J*  1492,  dessen  Interesse  wir  aus  den  Ver- 
trägen mit  dem  Meister  kennen  gelernt  haben,  unter  dessen  Regierung  1485  die  Gnaden- 
kapelle und  1488  der  Lettner  entstand;  dann  Peter  Burkard,  der  im  Chor  der  Kirche 
begraben  liegt.  Ihm  (J*  1514)  danken  wir  den  prachtvollen  Hochaltar ; wir  dürfen  darin 
den  Angaben  des  P.  Hardt  nach  allen  Proben  trauen  und  demnach  auch  sein  Porträt 
in  der  Stifterfigur  erkennen;  in  dem  Mönch  auf  dem  Gemälde  der  Heimsuchung  den 
Kaplan  Heinrich  Vehl.  Er  scheint  — man  kann  es  ohne  große  Phantasie  aus  allem 
erraten  — so  recht  die  treibende  Kraft  des  Ganzen  gewesen  zu  sein  und  wußte  der 
Kirche  fortwährend  neue  Stiftungen  zu  verschaffen;  auch  als  er  1514  selbst  Propst 
geworden,  behielt  er  die  Kaplanei  bei;  1521  war  Kloster  bezw.  Hospiz  und  Kirche 
völlig  fertig;  1523  stiftete  er  für  sich,  seine  Eltern  und  alle  Wohltäter  der  Kapelle  zwei 
Jahrzeiten  mit  Vigilien, ])  wozu  jeweils  sechs  Priester  von  Allerheiligen  kommen  sollten. 
Möglich,  daß  damit  die  zwei  geschilderten  Seitenaltäre  unter  dem  Lettner  Zusammen- 
hängen; wenn  auch  die  Inschrift  neu,  so  stimmt  sie  doch  mit  der  Formengebung,  und 
gegen  die  Identifizierung  der  Stifterfigur  dürfte  nicht  viel  einzuwenden  sein.  Schon  vorher 
mag  er  das  schöne  Kruzifix  für  den  Kreuzaltar  bestellt  haben,  wie  auch  noch  unter  ihm 
die  Beschaffung  der  silbernen  Madonnenstatuette  für  die  Prozessionen  geschehen  sein 
mag.  Als  er  in  Allerheiligen  abdankte,  kehrte  er  nach  Lautenbach  zurück,  um  dort  bis 
zu  seinem  Tode  zu  bleiben.  Der  begeisterten  Initiative  dieses  einen,  der  rührigen 
Förderung  durch  die  Allerheiliger  Pröpste,  dem  lebhaftesten  Interesse  der  ganzen  Gegend, 
der  Meisterhand  eines  großen  Künstlers  und  seiner  Kollegen  verdanken  wir  so  dies 
einzige  Ganze. 

Im  Dorf  noch  zu  bemerken:  die  Jahreszahl  1605  an  dem  abgefasten  Rundbogentor 
des  Hauses  Nr.  43  sowie  die  schmiedeeisernen  Schilder  an  den  AVirtshäusern  »Zum 
Schwanen«  und  »Zum  Sternen«  aus  dem  18.  Jh. 

Aus  der  gleichen  Zeit  Bildstöcke  auf  den  Wegen  nach  Oberkirch  und  Hubacker, 
wo  auch  ein  Kreuz  von  1681. 


Bildstöcke 

Kreuz 


*)  Ruppert  FDA.  24,  S.  278. 


KREIS  OFFENBURG. 


Ansichten 


Geschichtliches 


2 14 


LIERBACH 

Schreibweisen:  Lerbach  ca.  1381  ; Lirpach  1386;  zuo  Lierbach  under  Alienheiligen 
in  dem  tale  1386;  Lyerbach  1542.  (Lier?  = schlier,  slier  = Lehm?) 

Das  Tal  des  Nordwassers  gehörte  vom  Bestehen  des  Klosters  an  zu  Allerheiligen; 
der  Ort  besteht  aus  weit  auseinander  liegenden  Gehöften  und  gehörte  bis  1803  zum 
weltlichen  Besitztum  des  Bistums  Straßburg  (Herrschaft  Oberkirch),  dessen  Schicksale  er 
ohne  besonders  Erwähnenswertes  mitmachte. 

Bei  Schwaiger  in  L.  sollen  sich  früher  Holzverzierungen  (?)  aus  Allerheiligen 
erhalten  haben. 


KLOSTER  ALLERHEILIGEN 


Schreibweisen:  Coenobium  in  honorem  omnem  Sanctorum  ca.  1196;  Monasterium 
Omnium  Sanctorum  1224;  Cella  omnium  Sanctorum  (Annal.  Marchtal.)  13.  Jh. ; de 
Omnibus  Sanctis  1287;  von  Allen  helgen  1347;  zu  Allenheilgen  1356. 

Literatur:  Schannat,  Notitiae  Monasterii  Omnium  Sanctorum  in  Vindemiae 
liter.  I,  S.  142-151.  Ruppert,  Regesten  zur  Geschichte  der  Schauenburger,  Oberrh. 
Ztschr.  XXXIX,  S.  83-180.  Freib.  Diöz.- Archiv XXI,  S.  31 1 ff.,  XIV,  S.  268  ff.  Gams, 
Nekrologium  des  aufgehobenen  Klosters,  Freib.  Diöz.- Archiv  XII,  S.  231-234. 

Petrus,  Suevia  ecclesiastica,  Augsburg  1699,  S.  651-657.  Hugo,  Annales  Ord. 
Praemonstratensis,  Nancy  1734/36,  II,  S.  453-460.  Grandidier,  Oeuvres  inedites  III, 
S.  149  ff,  228  ff.  J.  Bader,  Führer  für  Fremde  durch  die  Umgegend  von  Achern, 
in  die  Rench-  und  Kniebisbäder,  nach  Allerheiligen  etc.,  Karlsruhe  1844  (die  einzelnen 
Teile  auch  gesondert).  Schriften  des  bad.  Altertumsvereins  Heft  V.  F.  von  Böckh, 
Geschichte  des  Kurortes  Allerheiligen.  Gründung  und  Geschichte  des  Klosters,  Lahr  1879. 
G.  Mayer,  Triumphierende  Übersetzung  zweier  heiliger  Leiber,  der  Blutzeugen  Clemens 
und  Bonifacius,  welche  im  Stifte  Allerheiligen  begangen,  Rastatt  1773.  Das  Kloster 
Allerheiligen  im  Schwarzwalde,  Katholik  1850,11,  S.  461-470.  K.  G.  Fecht,  Das 
Kloster  Allerheiligen,  Karlsruhe  1872,  2i89o.  Wilh.  Weiß,  Geschichte  des  Dekanates 
und  der  Dekane  des  Real-  und  Landkapitels  Offenburg  S.  1 12-145.  J-  P-  Scherer, 
Allerheiligen  im  badischen  Schwarzwald  einst  und  jetzt,  Leipzig  o.  J.  (1900).  F.  J.  Schmitt, 
Die  Bauthätigkeit  der  ehemaligen  Prämonstratenserabtei  Allerheiligen,  Oberrh.  Ztschr. 
NF.  IX,  S.  274-283.  Kolb,  Lexikon  vom  Großh.  Baden  I,  S.  11-13.  Krieger, 
Topographisches  Wörterb.  I,  S.  36-40. 

Ansichten  des  Klosters  von  1680  in  Näher,  Die  Ortenau;  v.  J.  1734  in  Hugo, 
Annales  ordin.  Praemonstratensis,  Nancy  1734/36.  Eine  Ansicht  v.  J.  1783,  deren 
Original  mir  unauffindbar,  Reproduktion  im  Kurhaus,  stammt  Vom  Abt  Felix.  — Eine 
farbige  Lithographie  der  Klosterruine  von  F.  Stroobant  ca.  1850. 

Geschichtliches:  Für  eine  geschichtliche  Würdigung  des  Klosters  Allerheiligen 
sind  weder  von  seiten  des  Konventes  im  Laufe  seiner  600jährigen  Existenz  größere 
Vorarbeiten  gemacht  worden,  noch  liegt  aus  neuerer  Zeit  ein  irgendwie  brauchbarer 
Versuch  vor.  Die  literarische  Tätigkeit  des  ersteren,  soweit  sie  der  eigenen  Vergangenheit 
galt,  beschränkte  sich  auf  Anlegung  eines  Totenbuches,  eines  unter  Propst  Johann  Schüßler 
angelegten  Kopialbuches  (Hypothecarum,  privilegiorum,  immunitatum,  censuum  ac  jurium 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


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monasterii  Omnium  Sanctorum  Tomi  I et  II),  fortgesetzt  unter  dem  Titel  »Schriftliche 
Dokumente  des  Gotteshauses  Allerheiligen«  (Karlsruhe,  Generallandesarchiv),  sowie  auf 
den  völlig  verschollenen  Anfang  einer  Klosterchronik  von  P.  Georg  Hempfer  (J-  1648) 
und  auf  gleichfalls  verschwundene  Annalen  von  Propst  Hodapp  und  Abt  Kistner 
(17.  Jh.).  Im  19.  Jh.  sind  Dekan  Haid  und  Ruppert  über  die  Sammlung  von 
Materialien  nicht  hinausgekommen.  Das  geschichtliche  Bild  ist  infolge  dieses  Mangels 
an  reicher  fließenden  Quellen  wie  an  Bearbeitungen  in  vielen,  namentlich  mittelalter- 
lichen Partien  sehr  lückenhaft  und  wenig  plastisch. 

Als  Gründerin  ist  die  Herzogin  Uta  von  Schauenburg  ')  bezeugt.  Tochter  des 
Pfalzgrafen  Gotfrid  von  Calw-Schauenburg,  des  Vertrauten  Heinrichs  V.,  und  der  Tochter 
des  Herzogs  Berthold  II.  von  Zähringen,  Luitgard,  war  sie  in  erster  Ehe  mit  Berthold 
von  Eberstein,  in  zweiter  mit  Welf  VI.,  Grafen  von  Altdorf,  Herzog  der  Reichslehen 
Spoleto  und  Tuscien,  verheiratet.  Nach  dem  frühen  Tode  eines  Söhnchens  über- 
ließ sich  der  in  seiner  Hoffnung  auf  Nachkommenschaft  enttäuschte  Herzog  einem  zügel- 
losen Leben,  indes  Uta  die  einsamen  Jahre  in  Sindelfingen  und  auf  der  Schauenburg  ver- 
trauerte. Alter  und  die  Folgen  seines  Lebens  führten  Welf  wieder  zur  Frau  zurück. 
Eine  Frucht  dieser  inneren  Umkehr  ist  die  Stiftung  des  Klosters  Allerheiligen,  die  Uta  nach 
dem  Tode  Welfs  (1191)  ausführte.  Uber  den  genauen  Zeitpunkt  sind  wir  nicht  unterrichtet, 
da  der  Stiftungsbrief  nur  in  der  undatierten  Bestätigungsurkunde  Kaiser  Heinrichs  VI. 
v.  J.  1196 1  2)  enthalten  ist;  doch  ist  nur  ein  Spielraum  zwischen  1191  und  1x96  denkbar. 
Ausgestellt  ist  die  Gründungsurkunde  in  Sindelfingen,  wo  die  Herzogin,  abwechselnd  mit 
der  Schauenburg,  sich  aufzuhalten  pflegte.  Dieser  Ort  und  die  Herkunft  des  Herzogs 
Welf  bieten  uns  genügende  Anhaltspunkte  zur  Beantwortung  der  Frage,  aus  welchem 
Grunde  gerade  Chorherren  vom  Prämonstratenserorden  berufen  wurden,  die  im  süd- 
westlichen Deutschland  damals  so  selten  zu  treffen  waren  wie  später.  In  der  Diözese 
Straßburg  kam  nur  noch  ein  Hagenauer  Kloster  (gegründet  1198)  in  Betracht,  mit  dem 
Allerheiligen  auch  für  die  ganze  Folgezeit  nahe  Beziehungen  unterhielt.  Aber  zur  Zeit 
der  Gründung  bestand  jenes  noch  nicht.  Aus  dem  Stiftungsbrief  hat  auch  ein  Filiations- 
verhältnis  zu  einem  Würzburger  Kloster  schließen  wollen.  Aber  die  betreffenden  Worte 
der  Urkunde:  ad  Argentinensem  quoque  ecclesiam  et  episcopatum  Claustrum  spectare, 
sicut  cella  Erbipoldi,  unde  plantatum  est,  constituimus,  sprechen  somit  von  einem  uns 
bisher  nicht  bekannten  Kloster  wohl  in  der  Straßburger  Diözese.  Andererseits  wissen 
wir,  daß  auch  in  Sindelfingen  ein  Kloster  des  gleichen  Ordens  bestand,  und  aus  den 
Annalen  des  kurz  zuvor  (1171)  gegründeten  Prämonstratenserklosters  Marchthal,  daß 
dieses  Stift  ein  Paternitätsrecht  (ius  paternitatis)  über  Allerheiligen  hatte.  Worin  dieses 
bestand,  wird  uns  nicht  gesagt;  schon  Propst  Dietrich  von  Wittenhausen  (1242  bis  1251) 
verzichtet  aber  wegen  der  Schwierigkeit  der  Wege  auf  Ausübung  dieses  Rechtes,  quod 
ecclesia  ista  in  cella  omnium  Sanctorum  se  recognovit  habere.3)  Das  Marchthaler  Kloster 
war  eine  Stiftung  des  Pfalzgrafen  Hugo  von  Tübingen  und  seiner  Gemahlin  Elisabeth, 
einer  Nichte  des  Herzogs  Welf.  Dadurch  wird  auch  die  Wahl  des  Ordens  bei  den 

1)  Vgl.  Jos.  Bader,  Frau  Uta  Herzogin  zu  Schauenburg,  Badenia  I (1839),  S.  1 14 — 118. 

a)  Veröffentlicht  bei  Petrus,  Suevia  ecclesiastica,  S.  651.  Schöpflin,  Alsatia  diplom.  I, 
S.  306.  Grandidier,  Oeuvres  in6d.  III,  S.  229.  Vgl.  dazu  Ruppert,  Oberrh.  Ztscbr.  XXXIX, 
S.  105. 

3)  Annal.  Marchthalenses,  FDA.  IV,  S.  186. 


KREIS  OFFENBURG. 


2IÖ 

Gründern  von  Allerheiligen  erklärlich.  Wie  bei  Marchthal  mochte  auch  fiir  Welf  und  Uta 
die  Erwägung:  quod  ordo  Praemonstratensis  in  brevi  multum  coram  Deo  et  hominibus 
profecit,  *)  den  Ausschlag  gegeben  haben. 

Die  Stiftung  des  Schwarzwaldklosters  wurde  noch  im  gleichen  Jahr  wie  durch 
Kaiser  Heinrich  VI.  durch  Eberhard  von  Eberstein,  den  nächsten  Erben  der  Uta,  bestätigt, 
ebenso  durch  Kaiser  Philipp2)  und  Papst  Innocenz  III.  1200  und  1203;  durch  Papst 
Honorius  III.  1217  und  1222;  durch  Kaiser  Friedrich  II.  1218  3)  und  Bischof  Heinrich 
von  Straßburg  1220.  1203  und  1216  werden  als  primi  fundatores  den  eigentlichen  Gründern, 
Herzog  Welf  frommen  Angedenkens  und  seiner  Frau  Uta,  noch  beigefügt  Conradus  seligen 
Angedenkens  Bischof  von  Straßburg,  Hugo  de  Ulmburg,  Bertoldus  Herzog  von  Zeringen, 
die  den  Ort  durch  fromme  Zuwendung  von  Besitzungen  ursprünglich  gegründet  haben.  4) 
Im  Stiftungsbrief  ist  die  Lage  des  Klosters  bestimmt  am  Nord wasserbach  neben  dem 
Büttenstein.  Nach  der  Legende  wäre  sie  von  einem  von  der  Schauenburg  ausgesandten 
Esel,  der  das  für  den  Bau  bestimmte  Geld  trug,  gefunden  worden;  nur  daß  nicht  die 
Höhe  des  Sohlberges,  sondern  der  Talgrund  darunter  gewählt  wurde.  Den  durch  eine 
entsprechende  Inschrift  gekennzeichneten  Eselsbrunnen  habe  das  Tier  durch  einen  Huf- 
schlag zur  eigenen  Labung  erschlossen.  Als  Klosterbesitz  wiesen  die  Stifter  ein  Gebiet 
an,  das  im  Osten  bis  an  die  Hornisgrinde,  im  Westen  bis  an  den  Sohl-  und  Brunnberg, 
im  Norden  bis  an  den  Griesbaumkopf  reichte,  außerdem  Güter  in  Renchen,  Ramsbach, 
Hesselbach,  Eiesweiler,  den  vierten  Teil  der  Fischerei  in  Busterich,  den  Kirchensatz  in 
Nußbach.  1203  werden  in  der  Bestätigungsbulle  Innocenz’  III.  noch  weitere  Grundstücke 
in  Appenweier,  Ufholz,  Grisbaum,  1216  das  Spital  von  Simon  und  Juda  in  Gamshurst 
genannt;  1224  das  von  S.  Jakob  und  S.  Johann  in  Urioffen;5)  nach  dem  Kopeybuch 
kam  schon  1198  noch  der  Kirchensatz  in  Oberkirch,  Oppenau  und  in  der  Burgkapelle 
der  Schauenburg  hinzu. 

Nach  der  Tradition  begann  die  Errichtung  des  Stiftes  schon  1191;  die  eines 
offenbar  bescheidenen  Ciotteshauses  1192/93  und  im  folgenden  Jahr  die  der  Gebäu- 
lichkeiten für  anfangs  fünf  Insassen.  Als  Todesjahr  der  Stifterin  wird  1196  genannt; 
1200  ist  sie  jedenfalls  nicht  mehr  am  Leben.  Das  Mortuarium  verzeichnet  ihr  Gedächt- 
nis zum  26.  August.  Als  erster  Propst  begegnet  in  den  Urkunden  von  1203  und 
1217  Gerungus, 6)  ein  angeblicher  Sohn  der  Uta,  der  aber  nur  aus  ihrer  ersten  Ehe 
stammen  könnte.  Der  zweite  Abt  Walter  ist  urkundlich  nachweisbar  erstmals  1 2 2 1 ; 7) 
er  stand  ursprünglich  dem  Marchthaler  Kloster  vor  und  kam  bald  nach  seiner  Resignation 
dort  (1214)  als  Propst  nach  Allerheiligen,  8)  aber  nicht  vor  1216.  Ein  Propst  H.feinricus] 
wird  1248  und  1249  genannt;  der  vierte  Vorsteher  war  Konrad  von  Schauenburg  (1262 

4)  Annal.  Marchthalenses,  FDA.  IV,  S.  159. 

i!)  Würdtwein,  Nova  subsidia  X,  S.  187.  Schöpflin,  Alsat.  dipl.  I,  S.  308.  Böhmer, 
Regesta  imperii  V,  S.  1,  17. 

3)  Schöpflin,  Alsat.  dipl.  I,  S.  333.  Böhmer,  Regesta  imperii  V,  S.  1,  221. 

4)  FDA.  XXI,  S.  312. 

°)  Hugo,  Annal.  Praemonst.  II,  S.  279.  Böhmer,  Regesta  imperii  V,  S.  1,  710. 

0)  Das  Allerheiliger  Mortuarium  bezeichnet  ihn  als  sacerdos  et  fundator  huius  ecclesiae,  de 
quo  datur  conventui  solatium,  Badenia  I,  S.  1 14. 

7)  Schannat,  Vind.  lit.  I,  S.  142. 

8)  Annal.  Marchthalenses,  FDA.  IV,  S.  176. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.)  21  7 

bis  1290),  der  1290  resignierte  und  neun  Jahre  später  erst  starb.  ])  Das  Ansehen  und 
die  materielle  Macht  des  Klosters  hatten  sich  wesentlich  gefestigt  und  bis  zu  einem 
Maße  gemehrt,  über  das  es  später  kaum  noch  hinausgekommen  ist.  Zuwendungen 
von  Gütern  und  Rechten  erfolgten  von  allen  Seiten,  namentlich  von  den  Schauen- 
burg, Eberstein,  Stauffenberg,  Neuenstein,  Winterbach,  Ulmburg,  Röder  u.  a.,  aber 
auch  von  Bürgerlichen  und  Geistlichen.  1227  vergab  Kaiser  Heinrich  einen  Hof 
in  Reichenbach  bei  der  Schauenburg  und  empfiehlt  gleichzeitig  die  Almosensammler 
des  Klosters  seinen  Dienstmannen  und  Amtleuten;  1233  vermacht  er  zu  ewigem  Besitz 
die  früher  als  königliche  Lehen  dem  Bertold  von  Winterbach  zugewiesenen  Güter 
in  Winterbach,  Trutkindesberge,  Lautenbach,  Sulzbach,  Zirbirchen  (Hofgut  bei  Ulm), 
Dachshurst.* 2)  1228  stiftet  der  gleiche  Bertold  für  sich  und  seine  Frau  gegen  Zu- 
sicherung einer  Jahresrente  ein  Seelgerät;  er  übernimmt  dagegen  vom  Kloster  gegen 
eine  Jahresabgabe  für  sich  und  seine  Erben  die  Burg  in  Winterbach,  die  »turris 
lapidea«.  3)  Von  Hirsau  übernahm  Allerheiligen  den  verpfändeten  Klosterhof  und  den 
zugehörigen  Zehnten  in  Sasbach  (1233); 4)  die  um  diesen  Besitz  und  um  Güter  in 
Neusatz  entstandenen  Irrungen  mit  den  Windeckern  wurden  1249  geschlichtet.  1254 
kamen  Güter  in  Sand,  1262  in  Walldorf  (von  Uta,  Witwe  des  Grafen  Gotfrid  von 
Calw),  1275  eine  Jahresgilte  in  Kork,  1284  durch  Propst  Heinrich  von  Honau  Höfe 
und  Güter  in  Ebersweier,  Zusenhofen  und  Willstätt  noch  hinzu.5)  Zu  mancherlei 
Unruhen  führten  die  Rechte  und  Besitzungen  in  Nußbach.  Schon  Markgraf  Hermann  V. 
von  Baden  focht  die  Schenkung  der  Herzogin  von  Schauenburg  und  Eberhards  von 
Eberstein  an  und  erhob  Anspruch  auf  die  Vogtei  und  die  Gotteshausleute  in  Nußbach, 
wobei  der  Propst  Heinrich  gefangengesetzt  und  dem  Kloster  beträchtlicher  Schaden  im 
Wert  von  über  100  Pfund  zugefügt  wurde.  Im  Vergleich,  den  Bischof  Konrad  von 
Speyer  herbeiführte  (1241),  wurde  der  Markgraf  zum  vollen  Schadenersatz  und  zum 
Verzicht  auf  seine  Ansprüche  angehalten.  6)  Dreißig  Jahre  später  machte  Graf 
Heinrich  I.  von  Fürstenberg  dem  Kloster  die  Nußbacher  Rechte  und  Besitzungen  streitig. 
Wahrscheinlich  im  Anschluß  an  den  auf  dem  Erbweg  erfolgten  Übergang  der  Herrschaft 
Oberkirch  an  den  Grafen  (1271)  verlangte  dieser  den  »unteren  Hof«  in  Nußbach  mit 
dem  Patronatsrecht  über  die  dortige  Kirche  und  ihre  Filialen,  den  Allerheiligen  von  der 
Mutter  des  Fürstenbergers  käuflich  erworben  hatte,  wieder  zurück.  Nach  Erlegung  der 
Kaufsumme  von  120  Pfund  fiel  ihm  der  Hof  auch  wieder  zu,  dagegen  verzichtete  er  auf 
alle  anderen  Rechte  und  Güter  in  Nußbach,  ebenso  auf  das  Patronatsrecht  in  Nußbach, 
Oppenau,  Oberkirch  und  der  Kapelle  der  Schauenburg,  desgleichen  auf  den  noch  von 
der  Herzogin  Uta  herrührenden  »oberen  Hof«  (1275).  7) 

*)  Ruppert,  Oberrh.  Ztschr.  XXXIX,  S.  108  ff. 

2)  Grandidier,  Oeuvres  ined.  III,  S.  243;  Oberrh.  Ztschr.  XXXIX,  S.  106;  NF.  I,  S.  70. 
Schöpft  in,  Alsat.  dipl.  I,  S.  360.  Böhmer,  Regesta  imperii  V,  S.  2,  736. 

3)  Schannat,  Vind.  lit.  I,  S.  142. 

4)  I293  ging  durch  Verkauf  noch  ein  Sasbacher  Hof  an  das  Kloster  über,  den  bisher  Johann 
von  Neuenstein  als  markgräflich  badisches  Lehen  innehatte.  Fester,  Regesten  der  Markgrafen  von 
Baden  I,  Nr.  6x7. 

5)  Schannat,  Vind.  lit.  I,  S.  142  ff. 

6)  Schöpflin,  Hist.  Zaringo -Badensis  V,  S.  21 1 (wo  eine  Kopie  z.  J.  1246  publiziert  wird). 
Grandidier,  Oeuvres  ined.  III,  S.  250.  Fester,  Regesten  der  Markgrafen  von  Baden  I,  Nr.  379. 

7)  Schannat  I,  S.  146  ff. 


2 I 8 


KREIS  OFFENBURG. 


Weitgehend  wie  die  Güterzuwendungen  waren  auch  die  Privilegien  und  die  Gerecht- 
same, mit  denen  Allerheiligen  von  allem  Anfang  an  bedacht  wurde.  Es  wurde  unab- 
hängig gestellt  von  jeder  Vogtei  und  frei  von  landesfürstlichen  und  gemeinen  Auflagen. 
Von  Seiten  Straßburgs  wurde  es  später  nur  zur  Tragung  der  mit  dem  Bürgerrecht 
zusammenhängenden  Verpflichtungen,  Kriegslasten  etc.  angehalten,  wie  1360,  wo  es 
»2  Helme«  zum  Kontingent  der  Stadt  Straßburg  für  den  Zug  des  Kaisers  gegen  den 
Herzog  von  Württemberg  zu  stellen  hat.  *)  Außer  dem  gewöhnlichen  Zehnten  vom 
angebauten  Land  wurde  dem  Stift  durch  eine  Bulle  Alexanders  IV.  v.  J.  1256  und  eine 
solche  Bonifaz’  VIII.  v.  J.  1295  in  allen  zehntpflichtigen  Orten  der  Neubruchzehnte  und 
Novalzehnte  zugestanden.  Auch  bezüglich  der  Introitus-  und  Egreßtaxe  bei  Pfarrei- 
besetzungen wurden  den  Konventualen  von  seiten  des  Kapitels  Offenburg  mancherlei 
Vergünstigungen  zu  teil  (1462).* 2) 

Daß  mit  diesem  äußeren  Aufschwung  auch  das  moralische  Ansehen  gleichen 
Schritt  schon  in  den  ersten  Jahrzehnten  hielt,  ersehen  wir  aus  der  Berufung  von  Kon- 
ventualen des  Schwarzwaldklosters  nach  der  Abtei  Lorsch,  um  dort  im  Auftrag  des 
Mainzer  Bischofs  gegen  widerspenstige  Mönche  gründliche  Reform  durchzuführen  und 
den  wahren  Geist  der  Disziplin  wiederherzustellen.3)  Außer  diesem  Ereignis  bleibt  die 
Geschichte  von  Allerheiligen  flir  die  nächsten  Jahrhunderte  fast  nur  auf  Änderungen  im 
Besitz-  und  Rechtsstand  beschränkt;  das  innere  Leben  bleibt  für  uns  stumm,  und  auch 
im  äußeren  ist  der  Brand  v.  J.  1470  das  erste  wieder  registrierte  Ereignis.  Nach  der 
traditionellen  Annahme  hätte  das  Feuer  damals  fast  das  ganze  Kloster  vernichtet.  Wie 
Ruppert  aber  mit  Recht  betont,  bedarf  diese  Ansicht  einer  wesentlichen  Einschränkung. 
Denn  schon  1469,  17.  März,  beschlossen  Propst  und  Konvent,  das  von 
Propst  Berthold  hinterlassene  Geld  zur  Tilgung  der  Klosterschulden 
aufzuwenden  und  die  Restsumme  von  3575  Gulden  auf  Zinsen  anzulegen 
und  daraus  die  Kosten  der  Restaurierung  des  Klosters  zu  bestreiten, 
bis  Kreuzgang,  Schloßhaus,  Propstei,  Münster,  Siechenhaus,  Gasthaus 
und  die  Ordensgebäude  mit  Steinwerk,  Ringmauer  und  Pforten  nach 
Herkommen  versehen  wären.4)  Die  ganze  Klosteranlage  befand  sich  somit  nach 
diesem  Dokument  in  einem  teilweise  unfertigen  Zustand.  Nach  dem  Brand  zog  der 
Konvent  nach  Lautenbach  und  richtete  sich  dort  häuslich  ein,  bis  der  Neubau  in  Aller- 
heiligen wieder  bewohnbar  war.  Diesem  Anlaß  verdankt  Lautenbach  seinen  schönen 
Kirchenbau.  Einen  Augenblick  schien  es  sogar,  als  ob  das  rauhe  und  einsame  Waldtal 
Allerheiligen  ganz  aufgegeben  werden  sollte.  Aber  die  Klosterinsassen  widersetzten  sich 
solchen  Bestrebungen  des  Propstes  mit  aller  Entschiedenheit  und  vor  allem  mit  dem 
Beschluß,  daß  kein  Propst  in  Zukunft  länger  in  Lautenbach  sich  aufhalten  dürfe  (1480). 
1484  wurde  ein  Kapitelsstatut  angenommen,  daß  jeder  Konventuale  bei  der  Aufnahme 
eidlich  geloben  müsse,  jeder  Verlegung  des  Stifts  sich  zu  widersetzen. 

Die  religiösen  und  politischen  Unruhen  des  16.  Jhs.  machten  sich  in  Allerheiligen 
zunächst  nur  in  der  Bauemerhebung  bemerkbar.  Indem  wir  auf  die  allgemeine  Dar- 
stellung dieser  Bewegung  in  der  Einleitung  oben  verweisen,  berühren  wir  hier  nur  die 

r)  Straßburger  Urkundenbuch  V,  S.  448. 

2)  FDA.  XIV,  S.  268  ff. 

8)  Vgl.  Falk,  Geschichte  des  Klosters  Lorsch,  Mainz  1866,  S.  95. 

4)  Allerheiligen,  Kopialb.  II,  S.  670.  Ruppert,  FDA.  XXIV,  S.  274. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.)  219 

Allerheiligen  allein  betreffenden  Vorgänge.  Nachdem  der  hauptsächlich  von  der  Grafschaft 
Hanau-Lichtenberg  aus  genährte  Aufstand  schon  in  der  unteren  Ortenau  am  12.  April  1525 
am  Kloster  Schwarzach  ein  Opfer  gefunden  hatte,  waren  auch  im  Amt  Oberkirch  zur 
gleichen  Zeit  durch  den  Oberkircher  Haufen  von  etwa  8000  Mann  ähnliche  Exzesse 
begangen  worden.  Anfangs  Mai  1525  war  hier  der  Klosterhof  von  Allerheiligen  in  Ober- 
kirch geplündert  und  in  fanatischer  Weise  in  der  dortigen  Kirche  gewütet  worden:  der 
Altar  wurde  erbrochen,  das  Ciborium  seines  Inhaltes  entleert  und  die  Hostien  auf  der 
Erde  zertreten ; drei  Heiligenbüsten  wurden  zerschlagen,  ebenso  alle  Fenster  mit  Adels- 
wappen; von  den  Grabsteinen  der  Messingschmuck  weggerissen.  Ähnliches  wird  auch 
vom  Klosterhof  in  Lautenbach  und  vom  Kloster  Allerheiligen  selbst  gemeldet,  wo  man 
aber  die  wertvollsten  Sachen  schon  in  die  Feste  Schauenburg  geflüchtet  hatte.1)  Nach- 
dem sich  der  Markgraf  von  Baden  und  die  Stadt  Straßburg  auf  der  Tagung  in  Renchen 
(22. — 25.  Mai  1525)  mit  den  Bauern  geeinigt  hatten  in  12  Artikeln,  machte  auch  Aller- 
heiligen, als  erstes  der  Stifte,  auf  der  gleichen  Basis  seinen  Frieden  mit  den  Bauern. 
Propst  und  Konvent  wurden  wieder  in  die  alten  Rechte  und  den  Genuß  von  Gütern 
und  Zinsen  eingesetzt  und  sollten  von  den  Bauern  alle  Ornate  und  Kirchengeräte, 
Hausrat  und  Urkunden,  die  in  Allerheiligen  wie  in  Lautenbach  und  Oberkirch  geraubt 
worden  waren,  zurückerhalten,  nicht  aber  das  sonst  noch  Entwendete  und  Veräußerte. 
Dagegen  hatte  das  Kloster  dem  Bauernausschuß  100  fl.  zu  zahlen.2) 

War  damit  dem  Kloster  die  Ruhe  wieder  zurückgegeben,  so  brachte  schon  1555 
ein  Brand  wieder  neues  Unheil.  Ihm  fiel  das  Dach  und  die  Innenausstattung  der  Kirche, 
von  den  Klostergebäulichkeiten  selbst  das  Dormitorium  und  Refektorium,  die  Werk- 
stätten und  Kirche,  das  Spital,  die  Prälatur  und  die  Wirtschaftsräume  anheim.  Der 
Konvent  mußte  sich  nach  Lautenbach  und  auf  die  benachbarten  Stiftshöfe  zerstreuen. 
Schon  vor  dem  J.  1562  war  die  Kirche  wieder  in  stand  gesetzt;  der  Aufbau  der  Stifts- 
gebäude zog  sich  aber,  infolge  mangelnder  Mittel,  bis  in  die  80  er  Jahre  hinaus.  Und 
kaum  war  diese  Sorge  behoben,  so  brachen  die  Folgen  der  Reformation  über  die  stille 
Mönchsniederlassung  herein.  Zwar  blieben  Allerheiligen  wie  sein  Gebiet  und  seine 
Pfarreien  der  neuen  Lehre  größtenteils  verschlossen,  dafür  aber  fiel  es  mit  dem  rechts- 
rheinischen Gebiet  des  Bistums  Straßburg  im  Kapitelstreit  dem  protestantischen  Bischof, 
dem  Markgrafen  Johann  Georg  von  Brandenburg,  zu  (1592).  Auch  Vierordt  muß 
zugeben,  daß  das  Verfahren  dieses  Administrators  in  dem  geschlossenen  katholischen 
Gebiet  unrechtmäßig  und  gewalttätig  war : 3)  der  streng  protestantische  Kanonikus 
Ernst  von  Mansfeld  wurde  Amtmann  in  Oberkirch.  In  dieser  Stellung  versuchte  er  auf 
gütlichem  wie  gewaltsamem  Wege,  das  Renchtal  zu  protestantisieren.  Dem  Kloster 
Allerheiligen  setzte  er  einen  eigenen  Schaffner  und  mischte  sich  auch  in  die  geistlichen 
Angelegenheiten  ein.  Durch  das  Verbot,  neue  Novizen  aufzunehmen,  sollte  das  Stift 
zum  Aussterben  verurteilt  sein,  damit  es  desto  leichter  säkularisiert  werden  konnte. 
Zuletzt  fanden  sich  nur  noch  vier  Religiösen  vor,  die  Stiftschule  wurde  gleichfalls  in 
ihrer  Wirksamkeit  gehemmt.  Aus  dem  Straßburger  Klosterhof  nahm  Mansfeld  das 
Silbergerät  an  sich.  Als  sich  der  Konvent  beschwerdefuhrend  an  den  Kaiser  wandte, 

*)  Hartfelder,  Die  Geschichte  des  Bauernkrieges  in  Südwestdeutschland,  S.  383  ff.,  nach 
einem  gleichzeitigen  Bericht. 

2)  Ebenda  S.  392. 

3)  Vierordt,  Gesch.  der  evang.  Kirche  in  Baden  I,  S.  76  ff. 


220 


KREIS  OFFENBURG. 


rügte  Rudolf  II.  in  mehreren  Erlassen  das  Vorgehen  Mansfelds  sowie  die  Versuche,  die 
Klosterinsassen  zu  protestantisieren,  und  ordnete  die  Herausgabe  der  widerrechtlich  weg- 
genommenen Klosterhabe  und  die  Erhebung  des  P.  Peter  Jehle  zum  Propst  an.  Ernst 
von  Mansfeld  wollte  ihn  nur  gegen  die  Zusicherung  zulassen,  ihn  jederzeit  entfernen  zu 
können  und  die  Schlüssel  zum  Kloster  eingehändigt  zu  bekommen.  Als  sich  Jehle 
darauf  nicht  einließ,  wurde  er  gefangen  nach  der  Feste  Dachstein  gebracht,  wo  er 
noch  im  gleichen  Jahr  1595  starb,  wie  das  erregte  Volk  glaubte,  nicht  eines  natürlichen 
Todes. ')  Diese  völlige  Okkupation  durch  Mansfeld  hatte  erst  ein  Ende,  als  Rudolf  II. 
aus  dem  Prager  Schwesterkloster  Strahow  den  energischen  Prior  Johannes  S c h ü ß 1 e r 
in  das  Schwarzwaldkloster  als  Propst  abordnete  (1599).  Durch  den  Willstätter  Ver- 
trag (1600)  mit  den  Vertretern  des  protestantischen  Bischofs  wurden  die  schlimmsten 
Rechtsverletzungen  Mansfelds  beseitigt.  Schüßler  erhielt  wieder  die  Venvaltung  des 
Klosters,  die  Lautenbacher  Kirche  und  den  Straßburger  Hof  zum  Reibeisen  zurück, 
dafür  entrichtete  er  von  da  an  die  jährliche  Abgabe  anstatt  ans  Reichskammergericht  an 
den  Bischof.  Um  wieder  Ordnung  in  die  Rechtsverhältnisse  des  Klosters  zu  bringen, 
sorgte  der  neue  Propst  für  die  Wiederherstellung  und  Sichtung  des  Archivs  und  für 
Anlage  eines  Kopialbuches,  das  mit  seinen  späteren  Fortsetzungen  24  Bände  umfaßt. 
Schon  1601  dankte  Schüßler,  kurz  vor  seinem  Tode,  ab;  auch  sein  Nachfolger  hielt 
sich  nur  wenige  Wochen  in  seinem  Amte,  das  noch  immer  in  den  wesentlichsten  Funktionen 
gehemmt  und  beeinträchtigt  war.  Erst  das  Abkommen  zwischen  den  zwei  Bischöfen 
v.  J 1604  brachte  dem  Kloster  wieder  die  notwendige  Bewegungsfreiheit  und  damit  die 
Möglichkeit  einer  gedeihlichen  Entwickelung:  der  protestantische  Administrator  wurde 
für  seinen  Gebietsteil  durch  eine  größere  Geldsumme  abgefunden.  Zu  deren  Deckung 
kam  das  Amt  Oberkirch  mit  Allerheiligen  als  Pfand  an  den  Herzog  von  Württemberg. 
1665  wurde  auch  das  wieder  eingelöst. 

Inzwischen  hatten  die  Schrecken  und  Nöten  des  Dreißigjährigen  Krieges  von 
Oberkirch  aus  wiederholt  an  die  stille  Waldsiedelung  geklopft;  immer  aber  war  sie  ihnen, 
zum  Teil  durch  Protektion  Richelieus,  entgangen,  nur  daß  1638  am  19.  Februar  bei 
Erstürmung  der  Oberkircher  Kirche  durch  Franzosen  und  Schweden  auch  einige  Kon- 
ventualen  fielen.  1657  wurde  das  Kloster  zur  Abtei  erhoben.  Mit  allem  Nachhalt 
ging  man  jetzt  in  verhältnismäßig  langer  Friedenszeit  an  die  Ausbesserung  der  materiellen 
Schäden  und  an  die  Festigung  der  inneren  Ordnung.  Auch  die  Klosterschule,  die 
schon  lange  vor  1590  begegnet,  später  Gymnasium  genannt,  eine  überaus  segensreiche 
Pflanzstätte  humanistischer  Bildung  für  Mittelbaden,  nahm  einen  immer  höheren  Auf- 
schwung bis  zur  Aufhebung  des  Stiftes.  Bei  Ausbruch  der  französischen  Revolution 
siedelte  das  Straßburger  Priesterseminar  unter  der  Leitung  Liebermanns  in  die  gastlichen 
Räume,  die  auch  manchem  emigrierten  Priester  ein  einsames  und  sicheres  Obdach 
boten.  Dank  einer  weisen  und  umsichtigen  Verwaltung  hatte  das  Kloster  während 
seiner  ganzen  Existenz  alle  Besitztitel  zu  wahren  gewußt.  Unmittelbar  vor  seiner  Auf- 
hebung hatte  es  noch  eine  gemilderte  Auflage  des  Bauernaufstandes  zu  bestehen,  der 
sich  ebensosehr  gegen  die  bischöflichen  wie  die  klösterlichen  Gerechtsame  richtete. 
Anlaß  zur  Unzufriedenheit  gegen  das  Kloster  gab  ein  das  ganze  18.  Jh.  hindurch  spielender 


l)  Vgl.  Descriptio  historica  in  tabulis  domesticis  coordinata  bei  Petrus,  Suevia  eccles.  S.  652. 
Badenia  III  (1844),  S.  250. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


221 


Prozeß  wegen  der  Benutzung  eines  Genossenschaftswaldes  der  Gemeinden  Ulm,  Waldulm, 
Renchen  u.  a.,  der  sog.  Ulmhartprozeß.  Ermutigt  durch  die  revolutionäre  Erhebung 
jenseits  des  Rheins  versuchten  die  Talgemeinden  (1789)  durch  Gewalt  sich  Recht  zu  ver- 
schaffen. Wiederholt  erschienen  die  empörten  Scharen  in  der  Nähe  des  Klosters; 
Hilfe  kam  weder  vom  Bischof  noch  am  Anfang  vom  Markgrafen.  Erst  eine  länger 
dauernde  kurpfälzische  und  kurmainzische  Besatzung  schuf  wieder  Ruhe ; eine  Bestrafung 
der  schuldigen  Rädelsführer  verhinderte  aber  der  milde  Abt  Felix  Kemmerle. 

Auf  dem  Gebiet  der  Wissenschaften  hat  Allerheiligen  glänzende  Namen  oder  auch 
nur  solche  zweiten  Ranges  in  größerer  Anzahl  nicht  aufzuweisen : auf  dem  der  Theologie, 
vornehmlich  der  praktischen,  und  der  Ascese  u.  a.  P.  Sebastian  Alber  (•{•  1752), 
Gerungus  Goetz  (*f*  1687)  und  Ludwig  Goetz  (J*  1710);  den  sehr  verdienten  Pfarrer 
von  Lautenbach  P.  Adalbert  Hard  (f  1754),  ])  Georg  Hempfer,  über  20  Jahre  Prior 
des  Klosters  (*J*  1648),  schrieb  außer  theologischen  Arbeiten  eine  Historia  illustrium 
virorum  Sueviae  und  den  Anfang  eines  Chronicon  Monasterii  Omnium  Sanctorum.  -) 
Ein  gleichfalls  für  die  Geschichte  des  Klosters  wertvolles  Unternehmen  führten  der 
Propst  Norbert  Hodapp  (1639  bis  1653)  und  sein  Nachfolger  der  Abt  Gottfried  Kistner 
(1657  bis  1692)  mit  der  Abfassung  der  Annalen  von  Allerheiligen  aus,  die  aber  hand- 
schriftlich in  neuerer  Zeit  verschollen  sind. 1 2  3)  Von  den  Persönlichkeiten,  die  ihre  Aus- 
bildung dem  Stiftsgymnasium  verdanken,  verdienen  Erwähnung  der  Haslacher  Adalbert 
Eisenmann,  später  Professor  der  Mathematik  in  Paris,  und  Fr.  Xaver  Merk,  später 
Professor  der  Theologie  in  Heidelberg  und  Freiburg. 

Außer  der  Klosterkirche  stand  auf  dem  Stiftsboden  noch  eine  Ursulakapelle, 
die  erstmals  1352  und  1370  erwähnt  wird,  angeblich  an  der  Stelle  errichtet,  wo  am 
Fest  der  h.  Ursula  (21.  Oktober  1191)  der  mit  dem  Geld  für  den  Klosterbau  beladene 
Esel  Halt  machte.  1370  wurde  die  Kapelle  neu  gebaut  und  anläßlich  der  Einweihung 
am  Fronleichnamstag  ein  Ablaß  verliehen.  Aus  älterer  Zeit  werden  Grablegen  in 
der  Klosterkirche  erwähnt : von  einem  armiger  Rudolf  de  Schowenburg  und  seinem 
Sohn,  qui  apud  nos  quiescunt  (13.  Jh.) ; 4)  von  Bertoldus  de  Schowenburg,  der  tumbam 
habet  oblongam  in  ambitu  claustri  australi  cum  hac  inscriptione : Anno  Domini  MCCCVIII 
cal.  April.  Bertoldus  de  Schowenburg  feliciter  obiit;5)  von  einer  Agnes  de  Zeiskeim, 
Frau  des  Heinrich  Röder,  später  des  Reinbold  von  Schauenburg  (zweite  Hälfte  des 
14.  Jhs.).  6) 

1803,  14.  Februar,  wurde  das  Stift  säkularisiert.  Der  größte  Teil  des  aus  28  Chor- 
herren bestehenden  Konventes  zog  mit  seinem  Abt  nach  Lautenbach.  Schon  am  6.  Juni 
schlug  der  Blitz  in  den  Turm  der  Kirche  und  äscherte  infolge  der  leicht  entzündlichen 
Bedachung  Turm  und  Dach  der  Kirche  und  den  größeren  Teil  der  Klostergebäude  ein. 
Erhalten  blieben  u.  a.  die  Prälatur,  Bibliothek  und  das  Gymnasium.  Auch  der  Hoch- 

1)  Goovaerts,  Ecrivains,  artistes  et  savants  de  l’ordre  de  Premontrd  I,  Brüssel  1899,  XVI, 

S.  324,  353- 

2)  Bader,  Badenia  III,  S.  252.  Goovaerts  a.  a.  O.  I,  S.  373. 

s)  Goovaerts  (a.  a.  O.  I,  S.  392,  446)  erwähnt,  daß  die  Handschrift  1883  durch  den  Buch- 
händler Auer  in  Wien  zum  Verkauf  angeboten  und  rasch  auch  abgesetzt  wurde. 

4)  Ruppert,  Oberrh.  Ztschr.  XXXIX,  S.  108. 

5)  Straßb.  Stadtarchiv  K.  v.  K.  Argentoratensia  hist,  polit.  Tom.  I.  Ruppert,  ebenda  S.  114. 

6)  Ruppert,  ebenda  S.  137. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


223 


der  umgefallenen  Säulen«  waren  noch  vorhanden,  die  Quader  kamen  wieder  an  ihre  früheren  Stellen. 
Die  Mittel  waren  ursprünglich  vom  Badischen  Altertumsverein  hergegeben,  x)  später  von  der  Regierung. 
Es  wurden  »sowohl  großartige  Lichtungen  und  Wegräumungen  von  Schutt  und  Graus  als  auch  Bau- 
Ergänzungen«  vorgenommen,  »so  daß  die  ihrer  reichen  Bauart  wegen  lehrreichen  Reste  der  ehe- 
maligen Klosterkirche  frei  zu  liegen  kamen  und  gefahrdrohende  Bautheile  wieder  verfestigt  wurden«. 
Außer  den  obenerwähnten  Aufnahmen  ist  auch  in  der  handschriftlichen  Beschreibung  der  Baudenk- 
male Badens,  die  G.  J.  von  Gerlat-Wellenburg  in  den  fünfziger  Jahren  des  19.  Jhs.  anlegte, 
eine  Aufnahme  der  Ruine  in  ihrem  Stand  von  1857  erhalten.  Kunstgeschichtlich  blieb  die  Ruine 
ziemlich  unbekannt,  von  ganz  kurzen  und  irrigen  Notizen  bei  Lotz* 2)  und  Otte3)  abgesehen.  1876 
bis  1878  wurden  neue,  ausgedehntere  Erhaltungsarbeiten  unter  Direktor  Kachel  vorgenommen. 
Nach  den  Berichten  war  ein  Teil  der  Blendarkaden  vor  dem  Paradies  als  Prellsteine  gebraucht ; das 
Gewölbe  des  letzteren  und  der  vordere  Gurtbogen  mußten  erneuert,  Fensterteile  neu  aufgestellt  werden, 
die  Umfassungsmauer  der  Kirche  wurde  wiederhergestellt ; das  Gewölbe  in  der  Kapelle,  an  deren 
Wänden  damals  »Fresken«  konstatiert  wurden,  wurde  neu  eingewölbt,  die  Rippen  gestützt,  außen 
die  Strebepfeiler  ausgebessert ; letzteres  geschah  auch  mit  dem  T^eppentürmchen  und  seinem  Stein- 
dach. Damalige  Grabungen  im  nördlichen  Querschiff  und  in  der  Kapelle  haben  nichts  ergeben ; die 
skulpierten  Platten  in  der  Vorhalle  wurden  wieder  aufgerichtet  etc. 

Im  Jahre  1887  wurden  auf  Anregung  des  Konservators  Geheimrat  Wagner  die  in  der  Ruine 
vorhandenen  Schlußsteine  etc.  in  der  Vorhalle  aufgestellt,  1888  verschiedene  kleinere  Restaurierungs- 
arbeiten durch  die  Bezirksbauinspektion  in  Achern  vorgenommen.  Unterdes  hatte  auch  die  Forschung 
den  Bau  etwas  gründlicher  berücksichtigt;  Lübke  hat  in  seinen  Streifzügen  durch  Baden  darauf 
hingewiesen  und  schon  eine  besonders  frühe  Hallenkirche  zu  erkennen  geglaubt.  Ein  Aufsatz 
Franz  Jakob  Schmitts  im  Repertorium  für  Kunstwissenschaft4)  brachte  eingehendere  Mitteilungen 
über  die  Kirche,  die  er  in  Beziehung  zu  bringen  versuchte  mit  Notre  Dame  zu  Laon,  eine  unhalt- 
bare Annahme,  wie  wir  sehen  werden.  — Als  ich  dann  i.  J.  1900  für  dies  Werk  die  Kirche 
untersuchte,  wurde  mir  klar,  daß  nur  durch  Nachgrabungen  ihre  einstige  Gestaltung  endgültig  fest- 
gestellt werden  könnte,  daß  aber  die  kunstgeschichtliche  Bedeutung  des  Baues  solche  Nachgrabungen 
auch  rechtfertige.  Mit  den  vom  Großh.  Ministerium  der  Justiz,  des  Kultus  und  Unterrichts  und 
dem  Karlsruher  Altertumsverein  zur  Verfügung  gestellten  Mitteln  konnten  Professor  Karl  Statsmann 
und  ich  in  den  Jahren  1902  und  1903  die  Nachgrabungen  ausführen  mit  befriedigenden  Resultaten. 
Es  wurde  vor  allem  der  Raum  nördlich  der  Vorhalle  ausgegraben;  von  einer  Untersuchung  des 
südlichen  mußte  abgesehen  werden,  weil  dadurch  die  Schönheit  der  Ruine  zu  sehr  beeinträchtigt 
worden  wäre;  auch  dürfte  er  dem  nördlichen  durchaus  ähnlich  gewesen  sein.  So  ziemlich  das  ganze 
Langhaus  wurde  in  einzelnen  Grabenzügen  auf  Baureste  durchwühlt  und  auch  einiges  gefunden,  im 
Querschiff  vor  allem  einige  Bestattungen.  An  der  Nordseite  wurde  durch  Versuchsgrabungen  das 
Nötige  festgestellt,  desgleichen  vor  dem  Eingangstor  zum  Paradies,  an  der  Stelle  des  alten  Kreuz- 
ganges und  des  östlichen  Klostertraktes.  Die  einzelnen  Resultate  werden  bei  der  Beschreibung  der 
Kirche  erwähnt  werden. 

Für  die  Baugeschichte  der  Kirche  sind  folgende  Nachrichten  festzuhalten:  Die 
Gründung  muß  zwischen  1191  und  1x96,  jedenfalls  vor  letzterem  Datum  erfolgt  sein, 
möglicherweise  mit  Marchthaler  Mönchen,  Mitte  des  13.  Jhs.  verzichtet  indes  das  March- 
thaler  Kloster  auf  sein  Paternitätsrecht.  Kurz  nach  der  Gründung  muß  die  Errichtung 
eines  Gotteshauses  und  die  der  Gebäulichkeiten  für  fünf  Insassen  erfolgt  sein.  Wichtig 
ist,  daß  der  zweite  Propst  Walter  (um  1221)  vorher  dem  Marchthaler  Kloster  vorgestanden 
hatte.  In  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jhs.  war  die  materielle  Macht  des  Klosters  auf 
ihrem  Höhepunkt.  Die  Gebäude  müssen  indes  in  den  kommenden  Jahrhunderten  nie 
ganz  fertiggestellt  worden  sein;  nur  so  erklärt  sich  der  oben  S.  218  zitierte  Beschluß 

*)  Generalbericht  der  Direktion  des  badischen  Alterthumsvereines,  Karlsruhe  1858,  S.  17. 

2)  Statistik  II,  S.  7. 

3)  Kirchl.  Kunstarchäologie  5 II,  S.  282. 

4)  Bd.  XVII,  S.  439  ff. 


224 


KREIS  OFFENBURG. 


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Fig.  126.  Grundriß  der  Klosterkirche  zu  Allerheiligen. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.)  225 


Fig.  126  a.  Plan  der  Ausgrabungen  an  der  Klosterruine  Allerheiligen  in  den  Jahren  iqo2  und  iqoj. 


Zustandes  wegen  ungeheuer  um  sich  griff  und  die  zeitweise  Residenz  der  Mönche  in 
Lautenbach  sowie  die  dortigen  Bauten  veranlaßte.  1555  erfolgte  ein  zweiter  Brand, 
1562  war  die  Kirche  wieder  im  Stand,  erst  in  den  achtziger  Jahren  das  Kloster.  Das  ist 
alles,  war  wir  über  die  Bauten  wissen. 


des  Propstes  und  Konventes  von  1469,  Geld  auf  Zinsen  zu  legen,  um  damit  die  oben- 
genannten Bauten  zu  restaurieren:  »mit  Steinwerk,  Ringmauer  und  Pfosten  nach  Her- 
kommen zu  versehen«.  1470  erfolgte  der  große  Brand,  der  wohl  gerade  des  geschilderten 


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Band  VII. 


15 


226 


KREIS  OFFENBURG. 


Kirche 


Baubeschreibung 

Gesamtanlage 


Außer  den  obenerwähnten  Abbildungen  kommen  unserer  Vorstellung  von  den 
ehemaligen  Bauten  noch  die  ausgezeichneten  Grundrisse  zu  Hilfe,  die  bei  der  Säkulari- 
sation im  Oktober  1803  auf  sechs  Blatt  von  einem  W.  Schn.?  aufgenommen  wurden  und 
von  denen  wir  die  wichtigsten  Blätter  wiedergeben. 

Das  Kloster  liegt  in  dem  kleinen  Tal,  genannt  die  Wiesenau  am  östlichen  Fuße 
des  Sohlberges;  rings  von  Bergen  eng  umgeben,  füllte  es  mit  seinen  Baulichkeiten  und 
Gärten  das  ganze  Tal  aus,  das  im  Osten  von  einem  Bache,  dem  Nordwasser,  durch- 
strömt wird.  Die  Ost- 


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mauern  des  Konventes 
stießen  hart  an  eine 
steile  Schlucht,  welche 
dies  Wasser  durchströmt, 
der  Chor  der  Kirche 
ist  nur  wenige  Meter 
von  ihr  entfernt.  Süd- 
lich, im  tieferen  Teil 
des  Tales,  ebnet  sich 
das  Terrain,  das  Wasser 
fließt  friedlich  zwischen 
Wiesen  und  Gärten  da- 
hin, um  eine  halbe 
Stunde  weiter  in  mäch- 
tigen Fällen  herunterzu- 
brausen. 

Von  den  bedeutenderen  Gebäuden  ist  nur 
noch  die  Ruine  der  Kirche  (s.  Fig.  126)  erhalten. 

Der  Grundriß  zeigt  uns  ein  dreischiffiges 
Langhaus  von  15,44  m Breite,  das  Mittelschiff 
6,30  m,  die  Seitenschiffe  3,52  m breit;  die  Länge 
etwa  20,20  m.  Die  Gewölbejoche  des  Mittelschiffs 
sind  quadratisch,  die  der  .Seitenschiffe  oblong.  Die 
Arkaden  des  Langhauses,  von  denen  die  südlichen 
noch  in  ihrem  Hochbau  stehen,  werden  von  Acht- 
eckpfeilern getragen  mit  Halbsäulenvorlagen  nach 
dem  Langhaus  und  den  Seitenschiffen  zu.  In  dem 
nördlichen  Seitenschiff  entsprachen  diesen  Pfeilern 
an  den  Wänden  je  drei  runde  Dienste,  die  die  Rippen  trugen,  im  südlichen  Seitenschiff 
Konsolen.  Mächtige  Pfeiler  mit  Halbsäulenvorlagen  stützten  das  Quadrat  der  Vierung, 
das  die  Grundrißdimensionen  bestimmt;  ihm  sind  die  Quadrate  des  Mittelschiffs  gleich 
sowie  die  des  nördlichen  und  südlichen  Querschiffs  und  das  Chorquadrat,  während  die 
Seitenschiffe  um  je  37  cm  breiter  sind  als  die  Hälfte  des  Mittelschiffs,  übrigens  eine 
geringe  Abweichung.  An  die  Ostseite  des  südlichen  Querschiffs  ist  die  Kapelle  Omnium 
sanctorum  angebaut.  Dem  Mittelschiff  des  Langhauses  ist  eine  tonnengewölbte  Vorhalle 
vorgelagert,  die  zu  beiden  Seiten  entsprechend  der  Breite  der  Seitenschiffe  von  Neben- 
räumen flankiert  wird.  Die  Nordwand  der  Kirche  hat  an  zwei  Stellen  den  Gurtbögen 


Fig.  127.  Klosterkirche  Allerheiligen. 
Vierungspfeiler. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


227 


der  Seitenschiffe  entsprechend  ganz  schwache  Strebepfeiler,  wenn  man  es  so  nennen 
darf,  stärkere  an  den  Ecken  des  nördlichen  Querschiffs  ')  und  des  Chores.  An  der 
Westecke  des  nördlichen  Querschiffs  ein  Wendeltreppentürmchen,  das  wohl  den  Zugang 
zum  Vierungsturm  bildete,  dessen  Mauern  zum  Teil  noch  aufrecht  stehen,  bis  zu  dem 
ehemaligen  Anfang  des  Turmdaches.  Zwei  der  Wasserspeier  sind  hier  noch  erhalten. 
Nach  den  bildern  des  18.  Jhs.  war  das  gesamte  Langhaus  nebst  Vorhalle  mit  einem 


Fig.  128.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Kämpfer  der  Vierung. 


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Satteldach  abgedeckt,  der  Turm  mit  einem  Zeltdach;  auch  die  schwachen  Strebe- 
pfeilerchen der  Nordseite  sind  auf  diesen  Bildern  ersichtlich. 

Bei  der  Beschreibung  des  Einzelnen  beginne  ich  mit  den  Ostteilen  der  Kirche,  und 
zwar  mit  der  Vierung.  Mächtige  viereckige  Pfeiler  mit  stärkeren  runden  Diensten, 
d.  i.  Halbsäulenvorlagen  für  die  Gurtbögen,  schwächeren  für  die  Gewölberippen,  tragen 
die  spitzbogigen  Arkaden.  Der  Mittelpunkt  der  Spitzbögen  liegt  nahe  der  Achse. 
Diese  Halbsäulenvorlagen  haben  tellerförmige  Basen  mit  zum  Teil  merkwürdigen  Eck- 
blättern und  Schnauzen  (s.  Fig.  127)  auf  viereckigen  Postamenten.  Sie  endigen  in 
schmucklosen  Kelchkapitellen,  welche  die  in  einfacher  Abschrägung  profilierten  Rippen 
tragen  (s.  Fig.  128).  Aus  dieser  Gestaltung  der  Vierungspfeiler  ergibt  sich  das  ehemalige 

*)  An  das  südliche  stießen  die  Klosterräumliclikeiten  an. 

15* 


Vierung 


KREIS  OFFENBURG. 


2 28 

Kreuzrippengewölbe.  Noch  stehen  die  Arkaden  gegen  das  südliche  Querschiff  und  den 
Chor  zu;  ihre  Bögen  sind  den  Rippen  entsprechend  profiliert.  Uber  ihnen  erheben 
sich  die  Reste  des  Vierungsturmes  mit  Sandsteinquadern  an  den  Ecken,  sonst  geringerem 
Bruchsteinmauerwerk.  Er  zeigt  im  unteren  Geschoß  eine  flachbogige  Tür,  im  oberen 
ein  schlichtes  Spitzbogenfenster,  die  Geschosse  von  einander  durch  Wasserschrägen 
getrennt,  an  den  Ecken  oben  Wasserspeier  (s.  Fig.  129),  sehr  stilisierte  und  unbeholfene 
liegende  Löwen. 


Fig.  129.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Wasserspeier  vom  Vierungsturm. 

In  gleichseitigem  Spitzbogen  öffnet  sich  die  Vierung  in  den  gerad  geschlossenen 
Chor  (s.  Fig.  131),  dessen  südliche  Wand  noch  zur  Hälfte  in  der  Höhe  von  ca.  8 m erhalten 
ist,  von  der  nördlichsten  wenigstens  der  an  die  Vierung  anstoßende  Teil,  die  östliche  in 
etwa  1 m Höhe.  Die  um  die  Ecke  herumgeführten  Pfeiler  der  Vierung  gaben  hier  einen 
ihrer  schwächeren  Dienste  für  die  Rippen  des  Chorkreuzgewölbes,  denen  in  den  Ost- 
ecken schlanke  Dreiviertelsäulen  entsprachen,  deren  Tellerbasen  in  Spuren  noch  vorhanden 
sind.  An  der  südlichen  Chorwand  stehen  noch  die  Reste  einer  dreifachen  Kleeblatt- 
bogennische (s.  Fig.  132),  deren  Bögen  auf  Doppelsäulen  mit  Tellerbasen  ruhten;  erhalten 
drei  Viertel  des  ersten  Bogens,  die  Kapitelle  und  die  Basen  der  ihn  tragenden  Doppel- 
säulen, die  Basen  der  weiteren  Doppelsäulen,  der  Anfang  des  flachen  Entlastungsbogens 
darüber  und  die  westliche  Hälfte  des  Gewändes  des  großen  Spitzbogenfensters  darüber 


AMT  OBERK1RCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


229 


(s.  Fig.  133).  Danach  ließ  sich  die  Nische  und  das  Fenster  rekonstruieren,1)  wobei 
allerdings  zu  bemerken  ist,  daß  der  Mittelpfosten  des  Fensters  lediglich  eine  Vermutung 
auf  Grund  der  vorhandenen  Reste  eines  frühgotischen  Schiffensters  ist.2)  Die  gegenüber- 


Fig.  ijo.  Allerheiligen.  Blick  in  die  Ostteile  der  Kirche. 

liegende  Chorwand  hat  eine  entsprechende  Nische  mit  vermutlich  nur  zwei  Doppel- 
säulenpaaren, während  das  noch  erhaltene  Gewände  der  Nische  an  der  Ecke  abgefast 

*)  Die  Phantasien  Schmitts  über  den  Zweck  der  «vierfachen«  Blendarkaden  fallen  damit 
sofort  weg. 

2)  Die  Blendarkaden  der  Südwand  ähneln  denen  im  Münster  zu  Freiburg  und  Straßburg ; in 
letzterem  Bau  sind  sie  erst  nach  Vollendung  des  Schiffes,  um  die  Mitte  des  13.  Jhs.,  eingebaut  worden. 


230 


KREIS  OFFENBURG. 


ist  und  den  Anfang  eines  Spitzbogens  (ergibt  sich  bei  Berücksichtigung  der  Säulenstand- 
spuren) zeigt.  Die  Anordnung  war  also  hier  eine  andere,  ich  möchte  sagen,  aus- 


Fig.  iji.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Chor,  Grundriß. 


gesprochener  gotische ; vermutungsweise  ist  sie  in  Fig.  1 3 1 rekonstruiert.  Darüber  dann 
ebenfalls  ein  großes  Fenster,  dessen  seitliches  Gewände  noch  vorhanden  ist.  Noch 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


231 


geringer  sind  die  Auskünfte,  die  wir  aus  den  Resten  der  Ostwand  erhalten.  Wir  sehen 
hier  auch  eine  Nische  mit  einer  Mittelsäule;  das  Profil  der  weit  ausladenden,  flachen, 
tellerförmigen  Basis  ist  in  Fig.  1 3 1 oben  gegeben ; das  Gewände  der  Nische  ist  zu  beiden 


Picew 


Fig.  132.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Blendarkaden  der  südlichen  Chonvand. 


Seiten  abgeschrägt.  Eine  Nische  aber  muß  es  wohl  gewesen  sein,  über  der  sich  erst  das 
Fenster  erhob,  denn  wir  können  so  tief  unten  nicht  schon  den  Ansatz  des  Chorfensters 
annehmen.  Über  die  Fundamente  der  Chormauem  gibt  Fig.  126a  oben  Auskunft. 

Von  dem  nördlichen  Querschiff  steht  noch  ein  Teil  der  Ost-  und  der  größte  Nördi.  Querschiff 
'Beil  der  Nordwand,  während  die  westlichen  Mauern  nur  noch  in  ihren  Fundamenten 


232  KREIS  OFFENBURG. 

erhalten  sind.  In  der  Ostwand  findet  sich  in  geringer  Höhe  vom  Boden  eine  Nische 
(s.  Fig.  134)  in  gedrücktem  Spitzbogen,  die  ein  einpfostiges  Fenster  umschließt,  mit  ein- 
fachstem Maßwerk,  das  sich  nach  den  Resten  leicht  ergänzen  ließ.  Diese  Nische,  vor 
der  seinerzeit  ein  Altar  gestanden,  hat  in  ihrem  nördlichen  Gewände  eine  kleine  rund- 
bogige  Nische,  darunter  einen  Wasserbehälter  mit  Ausfluß  (s.  Fig.  134  A).  Über  der 
Nische  noch  erhalten  die  Fensterbank  eines  großen  gotischen  Fensters  (s.  Fig.  135)  mit 
den  Ansatzspuren  der  Pfosten  etc.  Die  Formen  sind  hier  ausgesprochen  gotisch.  An 
der  Nordwand  (s.  Fig.  136)  sind  noch  die  Kelchkapitelle  der  Halbsäulen  erhalten,  die  die 
Rippen  des  Kreuzgewölbes  trugen ; ihre  Behandlung  ist  durchaus  dieselbe  wie  bei  den 
Vierungspfeilern.  Auch  die  Ansätze  der  Rippen  selbst  sind  noch  vorhanden,  ebenso  der 
Schildbogen.  Aus  der  Einfachheit  dieser  Kapitelle  dürfte  kein  Schluß  zu  ziehen  sein 
auf  ein  größeres  Alter,  ihre  Schlichtheit  wird  rein  ökonomisch  zu  deuten  sein. 

Ein  großes  einpfostiges  Spitzbogenfenster  durchbricht  die  Nordwand.  Der  Pfosten 
ist  weggebrochen,  aber  die  Spitzbögen,  das  Rund  etc.,  die  Laibung  und  die  Fenster- 
bank noch  erhalten,1)  so  daß 
die  Gestalt  des  ausgesprochen 
gotischen  Fensters  mit  Genauig- 
keit festzustellen  ist.  Das  west- 
lich darunter  befindliche  Tiirchen 
(s.  Fig.  137)  in  rundem  Klee- 
blattbogen, von  einem  Blend- 
spitzbogen umrahmt  mit  dem 
Profil  von  unten  zusammenlaufen- 
den Rundstäben  und  Hohlkehlen, 
weist  dagegen  die  Formen  des 
Ubergangsstiles  auf.  Daran  aber, 
daß  die  Fenster  der  Ost-  und 
Nordwand  etwa  später  eingesetzt 
seien,  ist,  wie  die  Mauerbehandlung  beweist,  nicht  zu  denken.  Diese  ist  bis  zur  Scheitel- 
höhe des  Schildbogens  wie  auch  im  Chor  überall  eine  tadellose  aus  sauber  behauenen 
Sandsteinquadern.  Wie  bei  der  Vierung,  so  beginnt  auch  hier  über  dem  Gewölbe 
geringes  Bruchsteinmauerwerk.  Hier  oben  führte  aus  dem  Treppentürmchen  eine  Tür  in 
den  Dachboden,  der  daneben  durch  ein  einfaches  spitzbogiges  Fenster  Licht  empfing. 

Treppen-  Das  Treppentürmchen , im  gleichen  soliden  Quaderbau  wie  die  unteren  Teile  hoch- 

türmchen  . . . . . 

geführt,  ist  von  achteckigem  Grundriß  außen,  rund  im  Innern  und  enthält  eine  sich 
um  sich  selbst  drehende  Wendeltreppe  mit  angearbeiteter  Spindel  (s.  Fig.  138).  Erhellt 
wird  es  durch  kleine  geradsturzige  Fenster  mit  starker  Abschrägung,  von  denen  das  eine 
eine  später  hergerichtete  Verschlußvorrichtung  besitzt  (s.  Fig.  138  unten).  Abgeschlossen 
wird  das  Türmchen  durch  eine  Wasserschräge  mit  starker  Hohlkehle  und  einen  acht- 
kantigen Steinplattenhelm,  an  dem  die  Jahreszahl  1556  auf  eine  Reparatur  nach  dem 
zweiten  Brande  hindeutet. 

Südi.  Querschiff  Das  südliche  Querschiff  ist  in  viel  größeren  Resten  auf  uns  gekommen.  Noch 

steht  hier  die  Arkade,  in  der  sich  die  Vierung  nach  ihm  öffnet  Die  zwei  hierher 


Fig.  133.  Klosterkirche  Allerheiligen. 
Kapitelle  und  Säulenfüße  der  südlichen  Chornische . 


*)  Auch  die  Spuren  der  Pfostenbasis. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


233 


gewandten,  jüngeren  Dienste  des  Vierungspfeilers  und  zwei  ihnen  entsprechende  Halb- 
säulen trugen  das  Kreuzgewölbe.  Die  Ostwand,  in  der  unten  sich  der  spitzbogige  Eingang 
zur  Kapelle  öffnet,  hat  in  der  Höhe  zwei  Rundfenster,  die  merkwürdigerweise  von  dem 
Schildbogen  durchschnitten  wurden  und  an  den  Durchschneidungsstellen  entsprechend 
abgearbeitet  sind,  also  vor  dem  Gewölbe  da  waren.  Das  wird  wohl  so  zu  erklären  sein, 
daß  man  anfänglich  aus  irgend  welchen  Gründen  die  Wölbung  hier  sparen  wollte  und 
eine  gerade  Holzdecke  eingezogen  hatte.  An  der  äußeren  Ostwand  des  südlichen  Quer- 
schiffs ist  zu  ersehen,  wie  das  hohe  gotische  Dach  der  Kapelle  zwischen  den  Oculi 
hinaufschneidet,  daß  letztere  also  des  Daches  wegen  nicht  in  der  Mitte  des  Gewölbe- 
schildes sitzen  (s.  Fig.  157).  Da  der  obere  Teil  der  Ostmauer  im  15.  Jh.  verändert 


worden  ist,  worauf  die  andere  Bearbeitungsweise  der  Quader  und  ihre  Steinmetzzeichen 
hinweisen  (s.  Tabelle  Fig.  152  bei  L ),  so  könnte  man  annehmen,  daß  die  Wölbung  im 
südlichen  Querschiff  erst  um  diese  Zeit  eingesetzt  worden  ist,  nach  dem  großen  Brande. 
Es  ist  aber  wahrscheinlicher,  daß  eine  Ausbesserung  dieses  Teils  im  15.  Jh.  zwar  statt- 
gefunden hat,  daß  aber  eine  Wölbung  doch  schon  im  13.  Jh.,  kurz  nach  Einbrechen  der 
Kapelle,  in  die  Ostmauer  ausgeführt  worden  ist.  Denn  es  ist  doch  nicht  recht  glaubhaft, 
daß  man  im  13.  Jh.  die  schon  angefangenen  Rippenansätze  über  den  Kapitellen  nicht 
weitergeführt  haben  sollte.  Die  Gleichheit  des  Schlußsteines  und  der  Rippen  mit  denen 
der  anderen  Querschiffteile  hat  auch  nach  einer  etwas  größeren  Unterbrechung  im 
13.  Jh.  nichts  Befremdendes,  wäre  aber  im  15.  Jh.  unmöglich  gewesen. 

Die  Südwand  öffnete  sich  in  zwei  Türen  auf  einen  Gang  und  die  daneben  liegende 
Sakristei,  deren  Außenmauern  zum  Teil  noch  stehen.  Hier  aber  hat  einer  der  Brände 
ganz  besonders  stark  gewütet,  die  Steine  sind  geradezu  versintert,  das  Mauerwerk,  so 


234 


KREIS  OFFENBURG. 


möchte  man  sagen,  geschmolzen,  so  daß  über  die  Gestaltung  dieser  Mauern  nichts  mehr 
ausgesagt  werden  kann.  Besser  ist  die  Westseite  des  Querschiffes  erhalten,  sowohl  die 
spitzbogige  Arkade  ohne  Wulst  (der  hier  am  Vierungspieiler  ursprünglich  vorhandene 
Dienst  bezw.  Halbsäule  ist  weggehauen)  als  das  Quadermauerwerk  darüber,  in  dem  sich 

ein  zum  Teil  seiner  Ge- 

im  rxmoiz  wände  beraubtes  Spitz_ 

bogenfenster  nach  dem 
Seitenschiff  zu  öffnet. 
Da  dieses  Fenster  in  die 
später  hier  vorhandenen 
Gewölbe  des  Seiten- 
schitfes  einschneidet,  so 
muß  dieses  also  im 
13.  Jh.  anders  geplant 
gewesen  sein.  Im 
Gegensatz  zu  dem  nörd- 
lichen Seitenschiff  ist  die 
Mauer  des  südlichen 
Langhauses  mit  der  des 
Querschiffes  nicht  zusam- 
menhängend, was  allein 
schon  auf  verschiedene 
Bauzeit  schließen  läßt. 

Die  an  die  Ost- 
mauer des  Querschiffes 
angebaute  Kapelle  Aller- 
heiligen (Tafel  IX)  ist 
dagegen  trotz  der  vor- 
geschrittenen Bauformen 
mit  diesem,  aber  nicht  mit 
dem  Chore  im  Verbände. 
Aus  fünf  Seiten  des  Acht- 
ecks konstruiert , öffnet 
sie  sich  nach  dem  Quer- 
schiff in  großem  Spitz- 
bogen, dessen  Laibung 

Fig.  TJS-  Klosterkirche  Allerheiligen.  Fensterbank  im  nördlichen  Querschiff.  *n  Hohlkehlen  und  Ab- 
schrägungen profiliert  ist 

(s.  Fig.  139).  Das  sechsteilige  Cewölbe  mit  geradem  Scheitel  und  tief  herabgezogenen 
Kappen  wird  von  Wandpfeilern  getragen,  die  in  drei  Rundsäulen  gegliedert  sind,  welche  im 
Querschnitt  wie  auch  in  Einzelformen  (z.  B.  der  Säulen^ockel  mit  den  Konsölchen  unter 
den  Basen)  Verwandtschaft  haben  mit  den  Dienstresten  in  Fig.  141  links  unten.  Diese 
ruhen  mit  ihren  flachen,  tellerförmigen  Basen  auf  aus  dem  Achteck  konstruierten  Sockeln 
mit  kleinerem  Durchmesser,  wo  die  Basen  übergreifen,  werden  sie  durch  blattartige  Gebilde 
gestützt.  Feingebildetes,  leider  stark  verwittertes  Blattwerk  schmückt  auch  die  Kelch- 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


235 


kapitelle.  Zu  beiden  Seiten  des  Altars  sind  die  Säulchen  nicht  auf  die  Erde  herab- 
geführt, sondern  ruhen  in  der  Höhe  der  Fensterbank  auf  kantigen,  leis  konkaven  Konsolen. 
Die  Rippen  haben  ein  schlankes  Birnenprofil  und  endigen  in  einem  Schlußstein,  der  mit 


Fig.  ij6.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Nordwand  des  nördlichen  Querschiffs. 


Vierpaß  und  Kreuz  verziert  ist  (s.  Fig.  143  unten).  Die  Fensterchen  mit  stark  ab- 
geschrägter  Sohlbank  zeigen  spitze  Kleeblattbögen  und  darüber  Dreipässe ; an  einem  sind 
der  Spitzbogen  und  die  Endigungen  des  Dreipasses  stark  kielförmig  geschweift  (s.  Fig.  140). 
Strebepfeiler  (Fig.  143),  deren  Köpfe  turmartig  mit  Giebeln  und  (abgebrochener)  Kreuz- 


2 36 


1CREIS  OFFENBURG. 


Langhaus 


blume  ausgestaltet  waren  und  in  den  Giebeln  Dreipässe  aufweisen  — ein  Kopf  ist  mit 
sich  durchschneidenden  Giebeln  gebildet  — , begegnen  im  Äußern  dem  Schub  der 
Gewölbe.  Die  Bedachung  der  Kapelle  mit  Steinplatten  ist  ein  Werk  des  19.  Jhs.  Der 
Ansatz  des  weit  steileren  alten  Daches  und  dessen  Abdeckleiste  an  der  Wand  samt 
oberer  Spitze  ist  außen  noch  gut  sichtbar. 

Südlich  von  dem  Altar  der  Kapelle  ist  in  die  Wand  eine  kleine  Nische  zum  Auf- 
stellen der  Meßkännchen  eingelassen,  die  auf  vierkantiger  Konsole  ruht  und  sich  den 
Fenstern  ähnlich  im  Spitzbogen  und  darüber  einem  Dreipaß  öffnet.  In  der  nördlichen 


Fig.  ijj.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Säulenfuß  der  Chorpfeiler  und  Eingangstüre  zum  Treppen- 

türmchen  des  nördlichen  Querschiffs. 


Wand  ist  zwischen  Kapelle  und  Chor  ein  mannshoher  Hohlraum  entstanden,  zu  dem 
eine  kleine  in  flachem  Spitzbogen  geschlossene  Öffnung  führt,  die  von  einem  Blend- 
spitzbogen mit  Kleeblattbogenfullung  umrahmt  wird.  Zu  was  diese  Nische  gedient  haben 
mag,  bin  ich  nicht  im  Stande  bestimmt  anzugeben;  vielleicht  ein  Sacrarium  zur  Auf- 
bewahrung des  Kirchenschatzes? 

An  der  gesamten  Ostpartie,  also  um  Querschiffe  und  Chor,  zieht  sich  der  aus- 
gesprochen romanische  Sockel  herum,  der  in  Fig.  130  zu  sehen  ist  und  den  wir  auch 
an  der  Vorhalle  wiederfinden  werden.  Er  besteht  aus  einer  Abschrägung  und  zwei  Wülsten. 

Im  Langhaus  (s.  Fig.  14 1)  stehen  heute  noch  die  südlichen  Arkaden  aufrecht,  von 
den  nördlichen  nur  noch  die  Sockel.  Diese  sind  aus  dem  Achteck  konstruiert,  mit 
zwei  kleineren  Seiten,  da  wo  sich  die  runden  Dienste  vorlegen.  Eine  außergewöhnlich 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBAGH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


237 


tiefe  Hohlkehle  bildet  den  Übergang  vom  Sockel  in  den  Pfeiler;  sie  endigt  nach  unten 
wie  oben  in  einer  Abschrägung,  die  von  der  Basis,  wenn  ich  es  so  nennen  darf,  der 
Dienste  in  der  auf  der  Zeichnung  wiedergegebenen  Weise  durchschnitten  wird.  Der 
Pfeiler  geht  kapitelllos  in  den  Spitzbogen  über;  kapitelllos  auch  die  Dienste,  aus  denen 
die  drei  trocken  profilierten  Gewölberippen  hervorstrahlen.  Das  Quaderwerk  der  Pfeiler 

ist  weit  entfernt  von  der  sauberen  Arbeit  

der  Ostteile,  die  Hochmauem  sind  in  1/  u^liy^ 

unregelmäßigem  Bruchsteinmauerwerk 
ausgeführt.  Geradezu  liederlich  wird 
dies  Mauerwerk  an  der  südlichen  Lang- 
hauswand, in  die  ziemlich  roh  die  Kon- 
solen eingefügt  waren,  welche,  mit  den 
Diensten  der  Pfeiler,  die  ebenso  wie 
im  Langhaus  behandelten  Dienste  der 
Seitenschiffgewölbe  trugen.  Aus  dem 
Seitenschiff  führt  an  seinem  östlichen 
Ende  ein  Portal  in  den  Kreuzgang, 
dessen  Gewände  nach  innen  zu  zer- 
stört ist,  weshalb  es  erst  mit  dem 
Kreuzgange  besprochen  wird.  Von  den 
Konsolen  des  Seitenschiffes  sind  in 
Fig.  141  zwei  Beispiele  gegeben.  In  der 
Seitenschiffmauer,  die  die  Spuren  eines 
offenbar  kolossalen  Brandes  trägt,  liegt 
jetzt  ein  Rundfenster  mit  abgeschrägtem 
Gewände  und,  der  mittelsten  Langhaus- 
arkade entsprechend,  der  Rest  eines 
Spitzbogenfensters.  Vollständig  anders 
waren  die  Stützen  des  nördlichen  Seiten- 
schiffgewölbes. Den  Diensten  der  Mittel- 
pfeiler entsprach  ein  reichgegliederter, 
früh-  bezw.  hochgotischer  Wandpfeiler 
(s.  Fig.  14 1 unten  links)  mit  abge- 
schrägten Ecken  und  drei  vorgelagerten 
runden  Diensten,  deren  flache  Basen 
übergreifend , mit  daruntergesetzten 
kleinen  Konsolen,  auf  einem  hohen 
Sockel  mit  abgefasten  Ecken  ruhen,  dem 
Sockel  der  Vierungspfeiler  nicht  unähnlich.  Diese  Wandpfeilerreste  sind  erst  bei  der 
Restauration  von  1850  wieder  freigelegt  worden.  Ihnen  entsprechen  im  Äußern 
schwache  Strebepfeiler,  wie  sie  die  Bilder  des  18.  Jhs.  bestätigen.  Der  Mauerzug  ist 
hier  teils  1850  ausgegraben,  teils  mit  alten  Steinen  neu  angelegt  worden. 

Das  Langhaus,  das  im  Mittelschiff  und  im  südlichen  Seitenschiff  zweifellos  der 
späten  Gotik  entstammt,  also  einige  hundert  Jahre  später  als  das  Querschiff  entstanden 
ist,  bewahrte,  wie  es  scheint  somit,  in  dem  nördlichen  Seitenschiff  die  Reste  seiner  ehe- 


TertjTcr  t?r*  J\  m \C 
J.  <T1  ' » Jon^rrrr)Vr^}iUo^>r*mr^Tß  . 

Fig.  ijS.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Wendeltreppe 
des  nördlichen  Quer schiffs . 


238 


KREIS  OFFENBURG. 


Vorhalle 


maligen,  der  Ostpartie  gleichzeitigen  Ausgestaltung.  Auf  die  Fragen,  die  uns  dieser  Befund 
aufgibt,  wird  indes  erst  nach  Schilderung  der  in  der  Vorhalle  aufbewahrten  Bauteile  eine 
Antwort  zu  erteilen  sein. 


C j>oRcf?er?  imÄODi,  G^ueF^Scf^ifF 


Fig.  ijg.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Kapelle  im  südlichen  Querschiff. 

Die  Vorhalle  besteht  heute  aus  drei  Teilen.  Der  mittlere,  dem  Mittelschiff  vor- 
gelagerte ist  von  einem  Tonnengewölbe  bedeckt  aus  Bruch-  und  Backsteinen,  das 
zweifellos  nicht  ursprünglich  ist,  wenn  auch  die  Konsolen  des  Schildbogens  ursprünglich 
scheinen.  Die  Ostwand  der  Vorhalle  aber,  die  noch  zum  Teil  in  die  beiden  Seitenräume 


Tafel  IX 


Kapelle  am  südlichen  Quer  schiff  der  Klosterkirche  Allerheiligen. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


239 


übergreift,  ist  ihrem  Quaderverband  nach  aus  der  gleichen  Zeit  wie  Chor  und  QuerschifT. 
In  ihr  das  ausgesprochen  spätromanische  Portal  (s.  Fig.  142),  dessen  Umrahmung 
sich  als  Sockel  fortsetzt  und  auch  an  Querschiff  wie  Chor  wiederkehrt.  Uber  dem 
Portal  die  Spuren  einer  Rankenbemalung,  an  ihm  selbst  die  einer  gemalten  Quadrierung, 
deren  Fugen  sich,  wie  gewöhnlich,  nicht  mit  den  tatsächlichen  decken.  Die  Vorhalle 
öffnet  sich  nach  außen  in  einer  neu  hergestellten  Türe,  zu  jeder  Seite  erleuchtet  ein 
Fensterpaar  den  Raum.  Je  zwei  abgefaste  viereckige  Pfosten  mit  einem  wenig  aus- 
ladenden plumpen  Kämpferstück  tragen  die  Spitzbogen.  Nur  diese  Fenster  stammen 
aus  dem  1 3.  Jh-,  die  Mauer  selbst  ist  ihrem  Verband  nach  zweifellos  später,  wie  auch 
die  Nord-  und  Südmauer  der  Vorhalle.  Zwei  geradsturzige  Türen  führten  von  ihr 
in  die  beiden  Seitenräume;  über  dem  Tonnengewölbe  ist  an  der  Nordwand  die  Sohl- 
bank einer  Tür  erhalten.  Die  noch  in  ziemlicher  Höhe  erhaltenen  Mauern  über  der 
Mittelvorhalle,  aus  geringem  Bruchsteinmauerwerk  (auch  im  Osten  hört,  etwa  in  der 
Scheitelhöhe  der  Schiffsarkade,  das  gute  Quaderwerk  auf),  lassen  zunächst  auf  einen 
Westturm  schließen,  wogegen  aber  die  erhaltenen  Bilder 
sprechen.  Ein  an  der  Wand  (bei  Fig.  158  A rechts)  außen 
laufendes  Gesimsstück  läßt  es  als  möglich  erscheinen,  daß 
der  Mittelteil  der  Vorhalle  ursprünglich  vielleicht  (?)  allein 
bestand,  etwa  mit  abfallend  anschließenden  seitlichen  Pult- 
dächern der  Seitenschiffe. 

Der  nördliche  Seitenraum  (s.  Fig.  144),  der  ganz 
verschüttet  war,  wurde  von  Herrn  Statsmann  und  mir  aus- 
gegraben. Dabei  wurde  das  schon  erwähnte  Ubergreifen 
der  alten  Ostwand  der  Mittelvorhalle  konstatiert,  aber  auch 
daß  das  übrige  Mauerwerk  durch  seine  Zusammensetzung 
(Bruchstein)  sich  als  bedeutend  später  erweist.  In  der 
Nordwestecke  fand  sich  noch  in  situ  ein  Eckdienst  des 
13.  Jhs.  Auf  polygonalem,  durch  eine  Hohlkehle  gegliedertem 
Sockel  die  übergreifende  flache  Basis  und  der  Runddienst. 

Des  weiteren  fanden  sich  die  Fundamente  eines  Altares  und  die  Bodenfliesen  des 
Raumes,  Backsteine  mit  Handstrichrillen  (s.  Fig.  144  Nr.  Ij).  Im  Schutt  aber  lagen, 
ganz  in  der  Reihenfolge,  wie  sie  beim  allmählichen  Zusammenstürzen  liegen  mußten,  zu- 
nächst der  spätgotische  mit  einer  Rosette  verzierte  Schlußstein  (Nr.  11  u.  12),  aus  dessen 
Rippenansätzen  sich  unschwer  ein  oblonges  Kreuzgewölbe  ergab ; dann  Rippen  dieses 
Kreuzgewölbes,  ein  Stück  einer  polygonalen  Konsole  (10 ) und  endlich  Teile  der 
Fenstermaßwerke  (4 — 8).  Der  Wandbündelpfeiler  des  nördlichen  Langhauses  ist  heute 
durch  die  eingezogene  Mauer  teilweise  vermauert;  er  war  ursprünglich  auch  bestimmt, 
das  Gewölbe  dieses  Teils  der  Vorhalle  mitzutragen.  Hier  haben  wir  also  deutlich  einen 
Raum  vor  uns,  der  im  1 3.  Jh.  angelegt,  entweder  nie  vollendet  oder  zerstört  und  Ende 
des  15.  Jhs.  neu  hergerichtet  worden  ist,  zu  dieser  Zeit  als  eine  Art  Kapelle,  die  westlich 
ein  großes  Maßwerkfenster  hatte  (die  Spuren  noch  sichtbar)  und  gewissermaßen  eine 
Verlängerung  des  nördlichen  Seitenschiffes  darstellte.  Den  südlichen  Vorhallenraum 
auszugraben  war  wie  gesagt  nicht  möglich ; er  war  vermutlich  ähnlich  gestaltet,  aber 
birgt  wohl  gar  keine  Reste  des  13.  Jhs  mehr,  da  auf  dieser  Seite  der  Brand  stärker 
gewütet  hat. 


Nördl.  Seiten- 
raum 


Fig.  140.  Klosterkirche  Aller- 
heiligen. Südliches  Fenster 
der  Querschiffkape/lc. 


KREIS  OFFENBURG. 


240 


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Fig.  141.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Langhaus. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


241 


Die  erwähnten  Trümmer  des  nördlichen  Seitenraumes  werden  heute  in  der  mittleren 
Vorhalle  aufbewahrt,  in  der  auch  alle  früheren  Funde  wie  die  Funde  unserer  Aus- 
grabungen aufbewahrt  sind.  Da  liegen  u.  a.  eine  Anzahl  Schlußsteine  (s.  Fig.  144), 
von  denen  ich  zunächst  eine  Gruppe  hervorhebe : ein  ziemlich  großer  Schlußstein  mit 
den  Ansätzen  für  die  einfach  durch  Abschrägung  profilierten  Rippen  eines  Kreuzgewölbes; 
an  der  unteren  Fläche  ein  seg- 


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nender  Christus,  zwischen  den 
Rippen  drei  Engelsköpfe  und 
ein  bärtiger  Mannskopf ; ein 
nicht  ganz  so  reicher  Schluß- 
stein nur  mit  einem  ver- 
witterten Flachreliefkopf  in  dem 
Rund  und  den  gleichen  Rippen- 
ansätzen. Letztere  kehren  auch 
an  zwei  weiteren,  schlichten 
Schlußsteinen  wieder,  die  ein- 
fach aus  einem  Steinring  be- 
stehen. Ein  Blick  auf  die  Ab- 
bildung lehrt,  daß  sie  mit  dem 
vorhergehenden  zweifellos  zu- 
sammengehören. Und  da  nun 
die  Rippenansätze  dieser  vier 
Steine  zu  den  Rippen  in  den 
Ostteilen  der  Kirche  passen, 
so  dürfen  wir  in  ihnen  wohl 
sicher  die  Schlußsteine  der 
Chor-,  Vierungs-  und  Quer- 
schiffgewölbe sehen,  wobei  es 
dann  unerheblich  ist,  ob  wir  den 
reicheren  Schlußstein  dem  Chor, 
wie  ich,  oder  der  Vierung,  wie 
Herr  Statsmann,  zuteilen, 
während  die  beiden  schlichten 
natürlich  dem  nördlichen  und 
südlichen  Querschiff  angehören. 

Außer  diesen  sind  noch 
sechs  Gruppen  von  Schluß- 
steinen zu  unterscheiden : (I)  eine  ziemlich  große  Sorte,  etwa  40  cm  im  Durchmesser, 
mit  krausem  Blattwerk,  in  flauer  Ausführung  verziert.  Sechs  Rippenansätze,  von  denen 
vier  auf  ein  oblonges  Gewölbe  oder,  in  Verbindung  mit  den  zwei,  im  spitzen  Winkel 
zwischen  ihnen  ansetzenden  auf  ein  Netzgewölbe  deuten.  Erhalten  sind  vier  Steine  und 
der  Rest  eines  fünften.  Die  Zahl  spricht  dagegen,  daß  wir  in  ihnen  die  Schlußsteine 
des  nur  drei  Joche  großen  Mittelschiffes  besitzen.  Diesen  ganz  ähnlich,  nur  in  einem 
Exemplar  erhalten,  (II)  ein  Schlußstein  mit  Blattwerk  von  ca.  30  cm  Durchmesser  und 
den  Rippenansätzen  für  ein  Kreuzgewölbe.  Eine  dritte  Gruppe  (III)  mit  nur  drei 

Band  VII.  l6 


-1*»  fr»  bo  4«  .3*  c 

Fig.  142.  Kloste7'kirche  Allerheiligen. 
Romanisches  Portal  der  jv  es  fliehen  Vorhalle. 


Funde 

Schlußsteine 


242 


KREIS  OFFENBURG. 


unregelmäßig  zueinander  stehenden  Rippenansätzen  zeigt  in  einem  Dreipaß  den  Schild 
mit  den  Marterwerkzeugen  Christi.  Diese  nur  in  einem  Exemplar  erhaltene  Sorte,  von 
ca.  35  cm  Durchmesser,  deutet  auf  ein  ganz  unregelmäßiges  Gewölbe,  das  in  den 


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Fig.  143.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Feste  von  dem  nördlichen  Seitenraum  der  Vorhalle 
bezw.  voti  dem  nördlichen  Joche  des  Paradieses. 


Kreuzgang  zu  versetzen  nach  den  dort  erhaltenen  Rippenansätzen  nicht  angängig  ist. 
Eine  vierte  (IV),  der  vorigen  ganz  ähnliche  Gruppe,  in  zwei  Exemplaren  erhalten,  eben- 
falls mit  nur  drei  Rippenansätzen,  zeigt  in  einem  Dreipaß  von  ca.  32  cm  Durchmesser 


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Fig.  I4ja.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Fenster  der  Vorhalle. 


Hand  VIT.  Zu  Seite  242. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


243 


in  flachem  Relief  das  Lamm.  Die  fünfte  Gruppe  (V),  in  einem  Exemplar  erhalten,  eben- 
falls in  einem  Dreipaß  mit  dem  Namen  Jesu,  hat  vier  Rippenansätze  (s.  Fig.  145)  eines 
oblongen  Gewölbes.  Diese  letzten  drei  Gruppen  scheinen  mir  näher  zusammen  zu 
gehören.  Eine  sechste  Gruppe  (VI)  mit  Schilden,  die  teilweise  skulpiert,  teilweise  in 
Malerei  langgestreckte  Blätter  aufweisen  (s.  Fig.  145  u.  147),  hat  im  Rund  ca.  32  cm 
Durchmesser,  einmal  auch  36  cm,  ist  in  drei  Exemplaren  erhalten  mit  den  Ansätzen 
für  die  Rippen  eines  oblongen  Gewölbes.  Endlich  existiert  noch  ein  Stein,  den  ersten 
Gruppen  ähnlich,  sehr  zerstört,  ca.  30  cm  Durchmesser,  krauses  Blattwerk,  mit  ganz 
unregelmäßigem  Ansatz  von  zwei  Rippen. 

Eine  Anzahl  von  Rip- 
penstücken wird  hier  aufbe- 
wahrt, alle  in  der  schlichten, 
trockenen  Hohlkehlung  der 
Spätzeit,  wichtig  einige  Exem- 
plare sich  im  spitzen  Winkel 
durchschneidender  Rippen. 

Reste  einer  Wölbung 
des  frühgotischen  Langhauses 
fehlen  danach  gänzlich.  Da 
wir  über  die  Gestaltung  des 
Chorgewölbes,  der  Querschiff- 
gewölbe und  derjenigen  der 
seitlichen  Vorhallenräume  Ge- 
wißheit besitzen,  so  können 
wir  obige  Schlußsteine  nur  auf 
das  Langhaus  und  den  Kreuz- 
gang verteilen.  Da  ist  es 
denn  möglich,  daß  das  Mittel- 
schiff mit  einem  Netzgewölbe, 
wie  Lautenbach,  überdeckt 
war,  wobei  sich  dann  die 
vielen  Schlußsteine  der  ersten,  dritten  und  vierten  Gruppe  erklären  ließen ; trauen  wir 
aber  dem  Grundriß  von  1803,  so  müssen  wir  ein  Kreuzgewölbe  annehmen  mit  Schluß- 
steinen etwa  wie  die  zweite  Sorte,  und  die  vorhin  genannten  Schlußsteine  dem  Kreuz- 
gang zuweisen.  Die  Stücke  der  sechsten  Gruppe  dürfen  wir  wohl  für  die  oblongen 
Seitenschiffgewölbe  in  Anspruch  nehmen. 

Aufbewahrt  werden  hier  auch  die  Funde  aus  dem  Kapitelsaal  (s.  Fig.  126a). 

Weitere  Funde  sind:  ein  Doppelkapitell  mit  Laubwerk  von  der  Chornische,  viel- 
fache Reste  der  Wandpfeiler  des  nördlichen  Seitenschiffes,  genau  zu  den  dort  aufgestellten 
passend,  ein  plumper  Wasserspeier  der  Vierung,  stark  verwitterte  Reste  eines  romanischen 
Ornamentes  (s.  Fig.  146),  zwei  weitere  Ornamentstücke  (s.  Fig.  147),  von  denen  das 
letztere  der  Renaissance  angehört ; ein  Steinfragment  mit  dreifachem  Kleeblattblendbogen 
(s.  Fig.  147)',  die  Reste  eines  frühgotischen  Fensters  (s.  Fig.  148),  aus  denen  sich  dieses 
Fenster  mit  Leichtigkeit  rekonstruieren  läßt.  Es  ist  dem  Fenster  des  nördlichen  Quer- 
schiffes sehr  ähnlich,  und  da  es,  ohne  jede  Brandspuren,  vom  südlichen  nicht  stammen 

16* 


Fig.  144.  Klosterkirche  Allerheiligen. 
Gewölbeschlußsteine,  vermutlich  aus  Chor,  Vierung  und  Querschiffen. 


Steinsarkopliage 


244 


KREIS  OFFENBURG. 


l^ippfcMpRop'lU 


1~i'r 


kann,  so  müssen  wir 
seinen  ursprünglichen 
Platz  wohl  im  Norden, 
also  in  der  Außenwand 
des  nördlichen  Quer- 
schiffs oder  des  nörd- 
lichen Seitenschiffs, 
suchen.  Für  ein  weiteres, 
frühgotisches  Fenster, 
dessen  Reste  ebenfalls 
in  Fig.  148  abgebildet 
sind,  vermögen  wir  bis 
jetzt  keinen  Platz  anzu- 
geben. Es  ist  noch  in 
einem  zweiten  Exemplar 
erhalten,  das  heute  kurz 
vor  dem  Abstieg  zu  den 
Wasserfällen  aufgestellt 
ist.  Die  Reste  eines 
dritten  Fensters  gestatten 
ebenfalls  eine  genaue  Re- 
konstruktion (s.  Fig.  149). 
Außerdem  werden  hier  in 
der  Vorhalle  zwei  Stein- 
sarkophage (s.  Fig.  150) 
aufbewahrt,  von  denen 
sich  der  erstere  bei  dem 
Fundament  der  nörd- 
lichen Langhauspfeiler  im 
dritten  Joch  vorfand,  der  zweite  im  Bezirk  des  östlichen  Kreuzganges  (s.  den  Aus- 
grabungsplan Fig.  126a).  Beide  waren  ohne  Deckel  und  ohne  Inhalt.  Der  weitaus 

interessantere  erste  zeigt  in  guter  Arbeit  die  Aus-  y e-  0 5p v 

höhlung  für  Kopf  und  Schultern  des  Toten,  eine  Form, 
die  man  gewöhnlich  sehr  frühen  Perioden  unserer 
Geschichte  zuzuschreiben  pflegt,  die  aber  hier  doch 
kaum  älter  sein  kann  als  1200.  Offenbar  aber  ist  eine 
gewisse  Ausarbeitung  des  Steinsarges  in  Allerheiligen 
länger  Sitte  geblieben,  denn  auch  der  zweite  Sarkophag 
zeigt  wenigstens  eine  Aushöhlung  für  den  Schädel  des 
Toten.  Grabstätten  ohne  Särge  bezw.  mit  jetzt  zer- 
fallenen Holzsärgen  haben  sich  in  den  Fundament- 
mauern der  Vierung  vorgefunden,  hier  auch  ein  silbernes  Fjg  ^ Klosterkirche  Allerheiligen. 
Sterbekreuz  (18.  Jh.).  Romanisches  Ornamentfragment. 

In  der  Vorhalle  haben  endlich  noch  einige  Grab- 
steine, wohl  auch  aus  dem  Innern  der  Kirche,  Aufstellung  gefunden.  Zwei  kleinere 


Fig.  14g.  Klosterkirche  Allerheiligen. 
Schlußsteine  von  Mittelschiff  (?)  und  Seitenschiffen  (?). 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


245 


aus  dem  17.  Jh.,  der  eine  mit  teilweise  zerstörter  Inschrift  für  einen  Chrysostomus, 


der  andere: 

HIC  IACET 
ANTONIVS 
DIACON  CO 
NFRATER 
AMANDVS 
. . • AV  • MDCLXIII. 

Ein  Inschriftstein 
vom  Abteigebäude  mit 
dem  Wappen  des  Abtes 
Anastasius  und  dem  Rest 
der  Inschrift : 
CONDIDIT  HAS 
ALDES  ABBAS  EX 
ORDINE 

PRE 

Unter  dem  Wappen: 

16  69 


MDC  LXI X 

An  den  Wänden 
der  Kirche,  ganz  be- 
sonders an  den  Ost- 
teilen, haben  sich  eine 
Fülle  von  Steinmetz- 
zeichen ergeben,  über 
welche  die  beiliegende 
Tabelle  (s.  Fig.  151)  von 
Herrn  Prof.  Statsmann 


eine  vorzügliche  Uber  Fig.  147 . Klosterkirche  Allerheiligen.  Schlußstein  und  Ornamentstücke. 

sicht  gibt.  Wenn  man 

auch  sicher  für  Vergleiche  mit  anderen  Bauten  diesen  Zeichen  keinen  allzu  großen 
Wert  beilegen  darf,  so  stimmen  die  sich  aus  ihnen  ergebenden  Resultate  hier  doch 
so  auffallend  mit  denen  der  baulichen  Untersuchung,  daß  sie  deren  Beweiskraft  sehr 
unterstützen. 


Steinmetz- 

zeichen 


Prof.  Statsmann  bemerkt  über  diese  Steinmetzzeichen  und  die  daraus  zu  ziehenden 
Folgerungen  (Wth.): 

Es  sind  gegen  50  verschiedene  Zeichen  vorhanden. 

Dieselben  befinden  sich  auf  den  Quadern  der  noch  stehenden  Reste  der  Klosterkirche,  ins- 
besondere an  den  Wänden  in  Chor,  Querschiffen,  östlicher  Seitenkapelle,  an  den  Gurtbögen  der  Vierung, 
an  den  Vierungspfeilern,  an  den  Schiffpfeilern  der  spätgotischen  Zeit,  an  der  nördlichen  Türe  nach 
dem  Kreuzgang. 


246 


KREIS  OFFENBURG. 


Die  Zeichen  sitzen  sowohl  am  Äußern  der  Kirche  als  auch  im  Innern,  an  Quadern  etwa 
in  der  Mitte  der  Sichtfläche,  regellos,  in  verschiedensten  Stellungen.  Außer  an  Glattquadern  sitzen 
sie  auch  an  profilierten  Stücken  (G23,  IC 20,  L24,  Q 23-27)  und  vereinzelt  an  Kapitellen  (Hij  des 
Vierungspfeilers,  R21,  2g  am  Säulenfuß).  Nicht  jeder  Stein  besitzt  sichtbare  Zeichen. 

Die  Zeichen  der  ältesten  Periode  (frühgotische  Zeit)  sind  fein  mit  dem  Meißel  eingeschlagen 
und  bestehen  daher  meist  aus  linearen  Formen  (1,  3-6,  9,  12-17,  30  von  3~6  cm  Höhe;  die 
Zeichen  2,  7,  8,  10,  14,  17,  18,  21,  22,  23  30  von  5-8  cm  Höhe).  In  der  hochgotischen  Zeit 


— £ — 4 — £ — 4 — 4—4 — 4— 4 — 4 — 4^  £ sV- 

Fig.  148.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Schif/enster  11.  a. 


(östliche  Kapelle  des  südlichen  Seitenschiffes)  erscheinen  Flächengebilde  R 20,  21,  M 22,  E33  und 
Gabelungen  (13,  16),  das  Zeichen  2 wurde  auch  an  einem  Stück  des  Wandpfeilers  des  (nördlichen?) 
Seitenschiffes  gefunden,  welcher  vermutlich  aus  der  hochgotischen  Zeit  herrührt  (Reststück  in  der 
Westvorhalle);  in  der  spätgotischen  Zeit  erscheinen  die  feinen,  gut  gearbeiteten  Zeichen  wie 
T34,  S34-43  oder  die  sehr  roh,  groß  (bis  tocm)  und  tief  gearbeiteten  L33-37  R 33  37 ■ Zeichen 
Rio.  14  und  16,  20  kommen  auch  in  der  Westfront  des  Münsters  zu  Straßburg  unten  vor. 

Sehr  häufig  kommen  Nr.  1 , 2,  4,  7,  8 vor.  Zeichen  9,  18  (Hexenbesen !)  sitzen  wie  auch 
an  anderen  Kirchen  dieser  Zeit  an  einem  Fenster  der  Nordseite;  als  Apotropeion?  Die  Zeichen 
23-28  sitzen  an  den  Vierungsgewölbebogen;  Zeichen  der  Wölbemeister?  Selten  kommen  11-13, 
17-31  vor. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN  j 


247 


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In  der  westlichen  Vorhalle  ist  nur  ein  Zeichen  Ai  nachweisbar;  dasselbe  verschwindet  in 
der  hochgolischen  Zeit. 

Vorkommen,  Zahl  und  Art  der  Zeichen  lassen  somit  folgende  Entwickelungserkläning  des 
Kirchenbaues  zu: 

Die  Klosterkirche  wurde  mit  der  Westvorhalle  begonnen  (frühestens  um  1200  . Lebhafte 
liautätigkeit  beginnt  dann  einige  Jahrzehnte  später  am  östlichen  Teile  der  Kirche.  Zunächst  wird 
hier  der  Ostchor  begonnen, 
dann  fast  gleichzeitig  das 
nördliche  Querschiff  und  das 
südliche  Querschiff.  Nicht 
lange  darauf  wird  im  süd- 
lichen Querschiff,  aber  schon 
in  der  zweiten  Hälfte  des 
iß.Jhs.  frühestens,  die  öst- 
liche Kapelle  eingesetzt  (vgl. 
die  sehr  vorgeschrittenen 
Formen  der  Fenster  und 
Strebepfeileraufsätze  da- 
selbst !).  Gleichz.eitig  wird 
das  Schiff  der  Kirche  in 
Angriff  genommen  (hoch- 
gotischer nördlicher  Wand- 
pfeiler), aber  nicht  vollendet. 

Zwar  wird  die  Vierung  durch 
neu  hinzukommende  Meister 
gewölbt,  die  Schiffwölbung 
unterbleibt  jedoch  und  wird 
erst  im  1 5.  Jh.  vollzogen.  Zur 
Stabilisierung  des  Vierungs- 
gewölbes und  des  nördlichen 
Querschiffgewölbes  wird  im 
Verlauf  des  13.  Jhs.  der 
Vierungsturm  aufgesetzt. 

Die  Wölbung  des  süd- 
lichen Seitenschiffes  unter- 
bleibt bis  zu  dieser  Zeit 
oder  bis  nach  dem  ersten 
Brande  im  15.  Jh. 

Ich  möchte  noch  da- 
rauf aufmerksam  machen, 
daß  die  meisten  Zeichen 
vom  Chor  und  den  beiden 
Querschiffen,  nämlich  2, 

3>  S>  7)  9>  an  sämt- 
lichen Ostteilen  ein- 

schließlich der  Kapelle 
wiederkehren,  Zeichen  14, 

iS  und  22  am  südlichen  Querschiff  und  der  Kapelle  allein,  das  Zeichen  1 an  Vorhalle  und  Chor, 
dann  aber  nur  an  den  unteren  Teilen  der  Querschiffe.  Es  scheint  danach,  daß  an  \ orhalle  und 
Chor  sowie  an  den  unteren  Ostteilen  gleiche  Steinmetzen,  des  weiteren  an  sämtlichen  Ostteilen  mit  der 
Kapelle  die  gleichen  Arbeiter  tätig  waren,  neu  hinzukommende  besonders  am  südlichen  Querschiff  und 
der  Kapelle,  woraus  sich  ergeben  würde,  daß  Vorhalle,  Chor,  Vierung,  Querschiffe  und  Kapelle  in 
nicht  zu  langen  Zwischenräumen,  etwa  in  der  Dauer  eines  stattlichen  Menschenlebens,  erbaut  worden 
sind.  Damit  stimmt  auch  die  kunstgeschichtliche  Betrachtung  der  Bauteile.  (St.) 


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Fig.  i4q.  Klosterkirche  Allerheiligen , 
lach  den  in  der  Vorhalle  vorhandenen  Resten  rekonstruiertes  Fenster. 


248 


KREIS  OFFENBURG. 


Baugeschichte  Die  Baugeschichte  dürfen  wir  also  folgendermaßen  rekonstruieren: 

Das  Portal  der  Vorhalle  sowie  deren  Ostwand  dürften  ziemlich  gleichzeitig  in 
Angriff  genommen  worden  sein  mit  den  Fundamenten  der  Ostteile.  Wenn  wir  als 
wahrscheinlich  annehmen,  daß  die  Mönche  ihre  Andacht  in  einem  provisorischen  Holz- 
bau verrichtet  haben,  und  andererseits  die  offenbar  durchaus  kontinuierliche  Bautätigkeit 
mit  größtenteils  denselben  Arbeitern  bis  zur  Hochgotik  in  Betracht  ziehen,  so  werden 

r wir  diesen  Beginn  etwa  in  die 


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Fig.  150.  Klosterkirche  Allerheiligen. 

Im  Langhaus  gefundener  Steinsarkophag. 


Zeit  um  1220  bis  1230,  also  etwa 
die  Regierungszeit  des  Marchtaler 
Abtes,  ansetzen.  Der  Bau  wurde 
in  den  Formen  des  Ubergangs- 
stils fortgeführt,  die  sich  unmerk- 
lich in  solche  der  Frühgotik  um- 
wandelten, und  zwar  zunächst  im 
Chor,  in  der  Vierung,  im  nörd- 
lichen und  dann  im  südlichen 
Querschiff  sowie  der  Vorhalle. 
Chor,  Vierung,  Querschiffe  wurden 
mit  frühgotischen  Kreuzgewölben 
eingewölbt,  die  auf  den  Vierungs- 
pfeilern mit  schwächeren  und 
jüngeren  Diensten  und  ent- 
sprechenden Diensten  in  den 
Ecken  ruhten.  Diese  Dienste 
haben  noch  die  ausgesprochen 
flachen  Basen  der  Frühzeit  und 
die  schmucklosen  Kelchkapitelle. 
Daß  die  konstruktive  Neuerung 
der  Gotik  verstanden  wurde,  das 
zeigen  die  wenn  auch  nicht  über- 
aus entwickelten,  so  doch  voll- 
kommen genügenden  Strebepfeiler 
an  den  Ecken.  In  den  Wand- 
arkaden des  Chors  ist  der  all- 
mähliche Übergang  zum  neuen 
Stil  am  besten  zu  erkennen : 


während  die  der  Südwand  mit  ihren  runden  Kleeblattbögen,  den  Eckblättern  an  den 
Hasen,  den  geriefelten  Blättern  an  den  Kelchkapitellen  noch  ziemlich  in  den  Formen 
des  Ubergangsstils  gebildet  sind,  lassen  die  Reste  der  Nordarkade  auf  eine  schon  mehr 
gotische  Bildung  schließen.  Ausgesprochen  gotisch  waren  dann  die  Fenster  des  Chors, 
ebenso  wie  die  des  nördlichen  Querschiffes,  in  welchem  nur  die  Tür  zu  dem  Treppenturm 
noch  den  Ubergangsstil  verrät.  Dabei  geht  doch  aus  allem  hervor,  daß  hier  keine 
große  Unterbrechung  des  Baues  stattgefunden  haben  kann,  und  wir  müßten  also  ungefähr 
die  Jahre  1230  bis  1250  dafür  in  Anspruch  nehmen.  Das  ist  allerdings  ein  ziemlich 
frühes  Datum  in  Anbetracht  der  sonstigen  Zeugen  des  Eindringens  der  Gotik  am  Ober- 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


249 


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Nordwand  unten  J 

Nördl.  Querschiff.  J 

Nordwand  oben 

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Ostwand  oben 

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Ostwand  unten 

Südl.  Querschiff. 
Ostwand  oben  *■ 

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Südwand  oben 

Südl.  Querschiff.  { 
Westwand  unten  || 

Südl.  Querschiff. 
Westwand  oben 

Vierungsbögen 

Kapelle. 

Südl.  Querschiff 

Spätgot.  Pfeiler 
im  Schiff 

Kreuzgang 

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Fig.  15 r . Tabelle  der  Steinmetzzeichen  an  der  Klosterruine  Allerheiligen. 


250 


KREIS  OFFENBURG. 


rhein,  welches  in  Straßburg  und  Wimpfen  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jhs.  zu 
konstatieren  ist.  In  unserer  Gegend,  in  Lahr,  haben  wir  es  für  die  Jahre  zwischen  1250 
und  1270  wahrscheinlich  machen  können.  Mit  den  genannten  Bauten,  insbesondere 
mit  Lahr  und  Wimpfen,  hat  Allerheiligen  in  seinen  Formen  vieles  gemeinsam.  — Möglich 
bleibt  immerhin,  daß  durch  die  Beziehungen  des  Ordens  zu  Frankreich  das  frühe  Datum 
zu  rechtfertigen  ist.  — Das  südliche  Querschiff  zeigt  ein  merkwürdiges  Schwanken.  Wir 


Fig.  1J2.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Der  südwestliche  Vierungspfeiler  und  die  in  das  Querschiff 

führende  Arkade. 

haben  die  Rundfenster  in  seiner  Ostwand  erwähnt,  die  von  den  Schildbögen  des  13.  Jhs. 
durchschnitten  wurden.  Da  aber  das  Querschiff  doch  ersichtlich  auf  Wölbung  angelegt 
war,  und  zwar  auf  Wölbung  der  Vierung  entsprechend,  und  da  nach  dem  vorhandenen 
Schlußstein  diese  Wölbung  nicht  etwa  unausgeführt  blieb,  so  ist  nur  die  oben  gegebene 
Erklärung  möglich.  Allerdings  hat  der  große  Brand  von  1470  ganz  besonders  an 
der  Südseite  der  Kirche  gewütet.  Er  ist,  wie  begreiflich,  von  dem  Kloster  ausgegangen, 
das  offenbar  nach  dem  obenzitierten  Beschluß  von  1469  an  baulicher  Solidität  zu 
wünschen  übrigließ,  hat  von  hier  aus  das  südliche  Seitenschiff  völlig  zerstört,  dann 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


251 


das  Langhaus  ergriffen,  aber  auch  an  der  Südmauer  des  südlichen  Querschiffes  sehr 
ruiniert,  so  daß  sie,  wie  auch  die  Westmauer  gründlich  renoviert  werden  mußte. 

Zu  gleicher  Zeit  etwa  mit  den  Unterteilen  des  Chors  wird  wohl  die  Vorhalle  angelegt 
worden  sein.  Wie  aber  haben  wir  uns  sie  ausgebaut  zu  denken?  Das  Tonnengewölbe 
der  mittleren  Teile  ist  nicht  ursprünglich,  das  beweist  schon  die  spitzbogige  Tür  in  dem 
Oberbau,  deren  Schwelle  unterhalb  des  Gewölbescheitels  liegt.  Der  gesamte  Oberbau 
selbst  aber  scheint  mir  seiner  Mauertechnik  nach  eher  dem  15.  als  dem  13.  Jh.  anzu- 
gehören. Damit  fiele  auch  für  dieses  die  Beweiskraft  der  an  dessen  Nordwand  bezw.  also 
an  der  Südwand  des  nördlichen  Seitenraumes  vorhandenen  Konsolen,  die  zunächst  darauf 
hinzudeuten  scheinen,  daß  diese  Seitenräume  niedriger  als  die  Seitenschiffe  waren.  Wir 
bleiben  schließlich,  was  das  Aussehen  dieser  Westteile  im  13.  Jh.  anbelangt,  ganz  auf  unsere 
Phantasie  angewiesen,  der  einzig  der  Eckdienstrest  des  nördlichen  Raumes,  das  Portal 
der  Mittelhalle  und  ihr  nach  Norden  übergreifendes  altes  Mauerwerk  als  Anhaltspunkte 
dienen  können.  Einstweilen  scheint  mir  am  naheliegendsten,  uns  eine  einheitliche 
Vorhalle  vorzustellen,  wie  sie  die  Kirchen  der  neuen  Orden  damals  häufig  besaßen,  eine 
Vorhalle,  deren  Rippenkreuzgewölbe  auf  Wandpfeilern  mit  Halbsäulenvorlagen  und  Eck- 
diensten ruhten,  darin  den  Querschiffen  ähnlich.  Im  15.  Jh.  haben  dann  hier  nach  dem 
Brand  von  1470  große  Veränderungen  stattgefunden.  In  dieser  Zeit  ist  die  Vorhalle 
zweifellos  in  drei  Teile  geteilt  worden  durch  die  Querwände,  auf  denen  jetzt  die  Tonne 
ruht,  die  mittlere  eigentliche  Vorhalle  und  die  zwei  Seitenräume.  Erstere  wohl  flach- 
gedeckt, letztere  (die  Wahrscheinlichkeit  zugegeben,  daß  der  südliche  dem  nördlichen 
gleich  war)  unter  Verwendung  der  noch  brauchbaren  Teile  (Eckdienst)  als  Kapellen 
ausgebildet  in  Verlängerung  der  Seitenschiffe,  mit  spätgotischem  Kreuzrippengewölbe  und 
je  einem  großen,  zweipfostigen  Maßwerkfenster,  welches  auch  in  den  Bildern  des  18.  Jhs. 
ersichtlich.  Diese  zeigen  in  der  Mitte  der  Westfassade  ein  barockisiertes  Portal,  darüber 
nach  den  Annales  zwei  schmälere  Langfenster,  nach  der  Zeichnung  des  Abtes  Felix  fast 
zu  beiden  Seiten  kleine  Spitzbogenfenster.  Sollten  damit  die  gekuppelten  Spitzbogen- 
fensterchen  der  heutigen  Vorhalle  gemeint  sein,  von  denen  ich  nicht  sicher  behaupten 
möchte,  wo  sie  ursprünglich  angebracht  waren?  Ob  auch  in  der  Vorhalle?  Darüber 
dann  nach  den  Ansichten  des  1 8.  Jhs.  ein  Rundfenster  und  im  Giebel  noch  einmal  ein 
Spitzbogenfenster. 

Im  Langhause  hat  der  große  Brand  ganz  besonders  gewütet.  Die  südliche  Seiten- 
schiffmauer ist  ihm  vollkommen  zum  Opfer  gefallen,  ebenso  die  Arkaden  des  Mittelschiffes 
mit  ihren  Hochmauern,  wenn  sie  überhaupt  je  in  Stein  vorhanden  waren.  Daß  das  nicht 
der  Fall,  darauf  deutet  das  gänzliche  Fehlen  irgendwelcher  Reste  des  13.  Jhs.  Auch  die 
Fundamentreste  der  bestehenden  Schiffspfeiler  sind  neu,  d.  h.  15.  Jh.  So  groß,  daß  er 
alles  geradezu  weggeschmolzen  hätte,  kann  der  Brand  nicht  gewesen  sein,  er  hätte 
sonst  auch  an  den  Vierungspfeilern  stärkere  Spuren  hinterlassen  müssen.  Damit 
bringe  ich  wieder  die  Notiz  von  1469  zusammen,  und  es  will  Herrn  Prof.  Statsmann 
sowohl  wie  mir  danach  scheinen,  daß  das  Langhaus  nie  ausgefiihrt  war,  an  Stelle  der 
Pfeiler  vielmehr  Holzstützen  standen  und  das  Ganze  mit  flachen  Holzdecken  eingedeckt 
war.  Damit  erklärt  sich  auch  leicht  die  Gewalt  des  Brandes.  Die  Wandpfeiler  der 
Seitenschiffe  mit  ihren  Diensten  waren  dagegen  offenbar  schon  ausgeführt  und  sind  auch 
da,  wo  der  Brand  am  wenigsten  wütete,  im  nördlichen  Seitenschiff,  stehen  geblieben. 
Wir  haben  nun  Fingerzeige,  wie  im  13.  Jh.  das  Langhaus  geplant  war,  und  zwar  hat 


252 


KREIS  OFFENBURG. 


damals  schon  eine  Änderung  im  Bauplan  stattgefunden.  Zuerst  nämlich  dachte  man 
sich  die  Seitenschiffe  ziemlich  niedrig,  was  das  spitzbogige  Fenster  in  der  Westwand  des 


Big.  ISS-  Klosterkirche  Allerheiligen.  Blick  auf  den  südwestlichen  Vierungspfeiler  vom  Mittelschiff  aus. 


südlichen  Querschififes  beweist.  Danach  ist  gar  nichts  Anderes  möglich,  als  daß  je  zwei 
Gewölbejoche  der  Seitenschiffe  auf  ein  Joch  des  Mittelschiffes  fielen;  wenn  wir  aber 
daraufhin  den  Grundriß  ansehen,  so  ergab  sich  dabei  der  Grundriß  einer  Kirche  im 


AMT  OBERK.IRCH,  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


253 


alten,  gebundenen  System.  Zur  Ausführung  ist  das  aber  nicht  gekommen, 
sondern  wurde  verdrängt  durch  einen  ungleich  wertvolleren  und 


Fig.  154.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Blick  vom  südlichen  Querschiff  auf  den  südwestlichen 

Vierungspfeiler. 

neuen  Baugedanken.  Der  stehen  gebliebene  westliche  Dienst  des  südlichen 
Vierungspfeilers  (s.  Fig.  152)  gibt  den  Anhaltspunkt  für  die  dann  geplanten  Seitenschiff- 
gewölbe, das  Ganze  war  danach  als  frühgotische  Hallenkirche  gedacht, 


Fig.  ISS ■ Klosterkirche  Allerheiligen.  Rekonstruktion : Nordseite. 


254 


KREIS  OFFENBURG. 


aber  nie  ausgeführt.  Dieser  Vierungspfeiler  hat  in  späterer  Zeit  verschiedene  Bear- 
beitungen erlitten.  Wir  sehen  an  der  dem  Langhaus  zugekehrten  nördlichen  Seite  oben 
noch  die  Kapitelle  der  Dienste.  Das  des  nordwestlichen  Eckdienstes  ist  abgearbeitet, 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


255 


if.  ij6.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Rekonstruktion : Querschnitt  durch  die  Vierung. 


256 


KREIS  OFFENBURG. 


die  Spuren,  die  Steinfugen  zeigen  die  Erneuerung  und  geben  deutlich  an,  daß  es  in  der 
Höhe  der  anderen  Kapitelle  lag.  Also  ist  die  frühgotische  Arkade  höher  gewesen  als 
die  jetzige.  Dafür  spricht  auch  der  abgearbeitete  westliche  Dienst,  der  da,  wo  jetzt  der 
Bogen  der  Arkade  ansetzt  (s.  Fig.  153),  noch  nicht  aufhörte,  dessen  Kapitell  also  höher 
lag;  die  Arkade  war  demnach  höher.  Das  Fenster  in  der  Westwand  des  südlichen 
Querschiffes  wurde  von  den  Gewölbeschildbogen  des  15.  Jhs.  durchschnitten.  Der 
Arkade  entsprechend  muß  derjenige  des  13.  Jhs.  höher  gewesen  sein  und  so  liegt  die 
Annahme  nahe,  daß  er  das  Fenster  in  sich  schloß,  womit  das  Gewölbe  die  gleiche 
Höhe  gehabt  hätte,  wie  das  des  Mittelschiffes.  Auch  der  südwestliche  Eckdienst  ist 
offenkundig  abgeschnitten,  des  niederen  Ansatzes  der  spätgotischen  Rippen  wegen.  Da 
von  einer  Kapitellabarbeitung  aber  keine  Spuren  zu  bemerken  sind,  so  lag  dieses  höher, 
somit  also  ebenfalls  der  Ansatz  des  frühgotischen  Gewölbes.  Betrachten  wir  nun  die 
südliche  Seite  des  Pfeilers  (s.  Fig.  154),  so  finden  wir,  daß  der  südliche  Dienst  in  seinem 
unteren  Teile  intakt  erhalten,  in  seinem  oberen  Stück  aber  abgearbeitet  ist. 
Und  zwar  scheint  hier  das  Kapitell  abgearbeitet  zu  sein,  wenn  dieser  Stein  nicht  überhaupt 
dem  15.  Jh.  angehört,  denn  irgendwie  später  eingesetzt  ist  er.  Das  Kapitell  der  Halb- 
säule des  1 3.  Jhs.  muß  aber  höher  gelegen  haben,  da  sich  bei  dem  unteren  Durch- 
messer sonst  eine  unerträglich  plumpe  Form  ergeben  hätte.  Der  gegenüberliegende 
Kämpfer  der  Arkade  ist  in  seinem  heutigen  Aussehen  ebenfalls  dem  15.  Jh.  zuzuschreiben. 
Das  Sockelgesims  — der  ehemalige  Fußboden  lag  um  etwa  20  cm  niederer  — an 
dieser  Stelle  ist  dagegen  alt,  es  zog  sich  auch  nach  Süden  herum;  eine  Langhausmauer 
war  also  hier  in  frühgotischer  Zeit  nie  fertiggestellt.  Daß  an  dieser  Stelle  nach  dem 
Brand  große  Veränderungen  stattgefunden  haben,  wird,  abgesehen  von  der  Bearbeitung 
der  Steine  an  der  Querschififwestwand,  auch  dadurch  bewiesen,  daß  in  der  Südwestecke 
des  südlichen  Querschififes  der  zweifellos  ursprünglich  vorhandene  Dienst  in  der  Spät- 
gotik durch  eine  Konsole  ersetzt  wurde  — So  steht  also  das  Projekt  der  Hallenkirche 
klar  vor  uns.  Prof.  Statsmann  hat  in  Fig.  14 1 u.  157  gezeigt,  wie  nach  diesem 
Projekte  die  Schiffpfeiler  wohl  gestaltet  sein  sollten.  Dieses  Projekt  mag  der  Zeit  nach 
1250  entstammen.  Nicht  allzuviel  später  muß  die  Kapelle  im  nördlichen  Querschiff 
erbaut  worden  sein,  zumal  sie  mit  Querschiff  und  Chor  bündig  ist,  also  von  vornherein 
geplant  war.  Ihre  ausgesprocheneren,  fast  hochgotischen  Formen  hindern  nicht,  sie  in 
die  Zeit  um  1260/70  zu  setzen.  Nach  dem  Brande  von  1470  hat  die  Spätgotik  die 
Kirche  dann  ausgestaltet,  der  Scheitel  der  Seitenschififgewölbe  lag  bei  ihr  nur  ca.  2 m 
niederer  als  der  des  Mittelschiffes.  Im  nördlichen  Seitenschiff  benutzte  man  die  stehen 
gebliebenen  Wandpfeiler  des  13.  Jhs.,  die  schon  durch  die  schwachen  Strebepfeiler  etwas 
verstärkt  waren,  im  Langhaus  errichtete  man  die  Pfeiler,  die  man  stark  fundierte  und 
durch  feste  Quaderzüge  verband,  da  sie  ohne  Unterstützung  durch  ein  ausgebildetes 
Strebesystem  den  Druck  des  Mittelschiffgewölbes  zu  tragen  hatten.  Im  südlichen  Seiten- 
schiff, d.  h.  an  dessen  Südwand,  trugen  Konsolen  das  Gewölbe.  Die  Seitenschiffe  waren 
nach  den  Funden  mit  oblongem  Rippengewölbe  eingewölbt,  für  das  Langhaus  hatte  man 
früher  ein  komplizierteres  Gewölbesystem  angenommen,  das  auch  den  Zeichnungen  von 
1850  zugrunde  gelegt  ist.  Dagegen  spricht  allerdings  der  Grundriß  von  1803,  der  hier 
Kreuzgewölbe  zeigt;1)  doch  scheint  mir  die  Einzeichnung  der  Gewölbe  so  flüchtig,  daß 


*)  Danach  in  unserem  Grundriß. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.)  257 


Band  VII. 


17 


Fig.  157.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Rekonstruktion : Querschnitte. 


Fig.  tj8.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Rekonstruktion:  Längsschnitt. 


258 


KREIS  OFFENBURG. 


i 


AMT  OBERKIRCH.  — L1ERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


259 


darauf  kein  großer  Wert  zu  legen  ist.  Die  Schlußsteine  für  Langhaus  und  Seitenschiffe 
haben  sich  in  einer  stattlichen  Zahl  erhalten,  die  uns  leider  keine  deutliche  Vorstellung 
ermöglicht. 


Li 


Nach  dem  Dargelegten  sind  die  Rekonstruktionsversuche  des  Herrn  Prof.  S t a t s - Rekonstruktion- 

plane 

mann,  die  den  vermutlichen  Zustand  um  1500  wiedergeben,  ohne  weiteres  verständlich 
(s.  die  Figuren  155— 159). 

Chor  und  Querschiff  waren  mit  Satteldächern  gedeckt,  deren  Giebel  unter  der 
erwähnten  Mauerschräge  des  obersten  Turmgeschosses  anschlossen.  Das  angebliche 
Fenster  in  dem  Geschoß  darunter  ist  eine  Tür  in  die  Bühne.  Der  Turm  — dessen  Ober- 


17 


15g.  Klosterkirche  Allerheiligen.  Rekonstruktion  der  Osttei/e. 


2 6o 


KREIS  OFFENBURG. 


mauern  den  Wasserspeiern  nach  dem  13.  Jh.  entstammen  — hatte  ein  spitzes  Pyramiden- 
dach, das  aus  den  Abbildungen  des  1 8.  Jhs.  ersichtlich  ist. 

Langhaus  und  Vorhalle  waren  vor  und  nach  1470  mit  einem  großen  Satteldach 
überdeckt,  dessen  Traufe  tiefer  herabging  als  die  des  Querschiffes.  (Man  hätte  sonst 


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Fig.  160.  Klosterkirche  Allerheiligen . Portal  zum  Kreuzgange  und  Rippenanfänger  in  demselben. 


die  Seitenschiffmauern  unnötig  hoch  führen  müssen  und  das  Dach  wäre  sehr  flach 
geworden.) 

Auch  der  Brand  von  1555  muß  die  Kirche  etwas  in  Mitleidenschaft  gezogen  haben; 
damals  wurde  der  Treppenturm  im  nördlichen  Querschiff  wieder  hergestellt  und  die 
Fenster  des  südlichen  Seitenschiffs,  wie  wir  aus  der  Betrachtung  der  Klosteranlage  ersehen 
werden,  verändert. 


AMT  OBERKIRCH.  — LIERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.)  261 

Später  wurde  eine  Empore  eingefügt,  deren  Balkenlöcher  in  der  Westwand  noch 
vorhanden  sind  (s.  Fig.  157).  Außerdem  schloß  nach  dem  Grundriß  eine  große,  barocke 
Chorgestühlanlage  die  Vierung  ab. 

Von  den  Klosterbauten  des  13.  Jhs.  ist  heute  auch  nicht  die  geringste  Spur  mehr 
zu  entdecken ; auch  die  Grabungen  ergaben  nichts.  Dagegen  können  wir  die  Konvent- 
anlage des  ausgehenden  15.  Jhs.  noch  in  den  wesentlichsten  Zügen  feststellen,  sie  ist 
auch  die  Grundlage  für  die  künftige  Gestaltung  geblieben.  An  die  Langhaussüdseite  schloß 
sich  der  Hof  mit  dem  Kreuzgange  an.  Ein  spitzbogiges  Portal  (s.  Fig.  160),  dessen 
äußeres  noch  erhaltenes  Gewände  aus  sich  kreuzendem  und  teilweise  totlaufendem  Stab- 
werk und  Hohlkehlen  besteht,  führte  von  hier  in  das  südliche  Seitenschiff.  Daneben  ist 
noch  eine  polygonale  Konsole  mit  hohlgekehlten  Rippen  erhalten  aus  dem  nördlichen 
Kreuzgangflügel,  weiterhin  sind  an  der  Südwand  der  Kirche  noch  die  Sandsteine  erkenn- 
bar, an  denen  die  Konsolen  und  Rippenansätze  später  abgespitzt  wurden.  Danach  muß 
man  wohl  annehmen,  daß  dieser  nördliche  Kreuzgangflügel  einstmals  bestanden  hat,  aber 
nicht  dauernd,  da  sein  Dach  die  Fenster  des  südlichen  Seitenschiffes  zum  Teil  bedecken 
würde.  Daß  er  im  1 8.  Jh.  nicht  mehr  bestand,  zeigen  die  Ansichten  sowie  die  Pläne 
von  1803.  Da  er  seinen  Formen  nach  (Portal  und  Rippen)  sich  etwa  auf  die  Zeit  um  1470 
datieren  läßt,  so  wird  man  annehmen  müssen,  daß  er  mit  dem  ganzen  Konvent  damals 
neu  erbaut  wurde ')  und  daß  vielleicht  das  Seitenschiff  damals  nur  durch  die  Rundfenster 
erhellt  wurde,  von  denen  noch  Beispiele  erhalten  (die  mit  den  anderen  Spitzbogen- 
fenstern nicht  mehr  recht  zusammenzubringen  sind);  nach  dem  zweiten  Brande  von  1555 
erneuerte  man  aber  den  wohl  ganz  besonders  mitgenommenen  Nordflügel  nicht  mehr, 
man  konnte  daher  bei  der  Wiederherstellung  der  südlichen  Schiffswand  (deren  Mauer- 
werk das  allerschlechteste  in  der  ganzen  Kirche  ist)  ihr  tief  herabführende  Fenster  geben, 
die  reichliches  Licht  spendeten.  Die  drei  anderen  Kreuzgangflügel  blieben  bestehen,  sie 
sind  noch  auf  den  Bildern  des  18.  Jhs.  zu  erkennen.  Ihr  Gewölbe  (wie  das  ehemalige 
des  Nordflügels)  war  entweder  ein  einfaches  Kreuzgewölbe  (s.  Fig.  160)  — die  vermut- 
lichen Schlußsteine  desselben  habe  ich  bei  den  Funden  in  der  Vorhalle  erwähnt  — oder 
ein  Netzgewölbe,  wie  es  der  Plan  der  Grabungen  annimmt. 

An  das  Querschiff  der  Kirche  stieß  nächst  dem  südlichen  Kreuzgang  zunächst  ein 
gewölbter  Gang  an,  der  direkt  in  den  Kapitelsaal  führte,  neben  diesem  Gange  die 
Sakristei,  über  deren  Gestaltung  wir  nur  noch  Vermutungen  haben.  Dagegen  gelang  es 
Herrn  Prof.  Statsmann,  die  Reste  des  Kapitelsaales  mit  genügenden  Anhaltspunkten 
auszugraben.  Es  fanden  sich  die  Standpunkte  und  Sockel  des  Mittelpfeilers,  der  Wand- 
pfeiler im  Norden  und  Süden  (Fig.  126a)  sowie  ein  Schlußstein,  nach  dem  wir  ein  stern- 
förmiges Gewölbe,  etwa  in  der  angedeuteten  Art,  anzunehmen  haben,  dessen  Rippen  an 
Ost-  und  Westwand  entweder  auf  Konsolen  ruhten  oder  unmittelbar  in  die  Wand  über- 
gingen. Auch  die  Stelle  des  Altars  fand  sich,  wie  er  in  dem  Plan  von  1803  ein- 
gezeichnet ist.  Dort  sehen  wir  das  gleiche  Netzgewölbe  und  scheinbar  überall  Wand- 
pfeiler bezw.  Konsolen,  von  denen  aber  die  Grabungen  keine  Spur  gaben. 

Weiteres  über  die  Klostergebäude  des  15.  und  16.  Jhs.  vermögen  wir  nicht  mehr 
festzustellen.  Im  17.  und  18.  Jh.  ist  an  ihnen  jedenfalls  immer  weiter  verbessert  und  das 

')  Daß  vor  1469  kein  architektonisch  bedeutender  Kreuzgang  bestand,  dafür  spricht  der  in 
der  Einleitung  citierte  Beschluß. 


Konventanlage 


Kreuzgang 


Fig.  161.  Kloster  Allerheiligen  im  Jahre  1132. 

( Nach  der  Ansicht  in  Hugo , S.  et  C.  Ordinis  Pr'ämonstratensis  Annales,  Tom.  II.  Nancy  1736.) 


262 


KREIS  OFFENBURG. 


Ganze  ausgebaut  worden  (s.  Fig.  161).  1735  bestand  es  nach  dem  Stich  der  Annales  aus 

folgendem : der  unveränderten  alten  Kirche,  dem  Konvent  mit  dem  alten  Kreuzgang  (ohne 
Nordflügel),  der  vordere  Teil  des  Konventes  diente  als  Abtshaus,  seine  Ecke  zierte  ein 
Erker  mit  dem  Tulpendach  des  1 7.  Jhs.  Ein  hölzerner  Gang  führte  von  hier  herüber  in  das 


AMT  OBERKIRCH.  — UERBACH.  (KLOSTER  ALLERHEILIGEN.) 


263 


daneben  liegende  vierstöckige  Gasthaus,  daneben  das  kleine  molendinum  (Mühle).  Ihnen 
gegenüber,  also  westlich,  das  langgestreckte  »domus  famulorum  et  peregrinontium« 

(Knechte  und  Fremden),  das  offenbar  viele  Insassen  aufzunehmen  fähig  war,  daneben  das 
horreum  (Scheuer)  und  gallinarium  (Hühnerhaus)  und  endlich  an  die  Südmauer  des  Bezirks 
angebaut  die  Ställe.  An  der  Westmauer  gegenüber  dem  Abteigebäude  ein  Garten  und 
ein  Bau,  der  als  macellum  (Metzig)  et  lavatorium  (Badehaus)  diente.  Der  ganze  Bezirk 
mit  der  Kirche  war  von  einer  Mauer  eingeschlossen  und  öffnete  sich  in  drei  Toren, 
einem  südöstlichen,  das  auf  den  Kniebisweg  führte,  einem  südlichen,  das  talabwärts 
schaute  (nach  den  Fällen  zu),  und  einem  nordöstlichen  neben  der  Kirche  etwa  auf  den 
heutigen  Fahrweg  nach  Oberkirch  und  Ottenhofen  ; davor  lagen  noch  einige  Gärten,  eine 
Mühle  und  ein  Teich.  Bis  zu  der  Zeichnung  des  Abtes  Felix  von  1783  sind  noch 
einige  Veränderungen  vorgenommen  worden:  die  Abtei  wurde  aus  dem  Westflügel  des 
Konventes  in  das  frühere  Gasthaus  verlegt,  dieses  deshalb  mit  dem  Konvent  durch  einen 
Erweiterungsbau  (statt  Holzbrücke) 
über  breitem  gewölbten  Torweg  ver- 
bunden. Der  Erker  des  Konventes 
wurde  über  diesem  Torweg  ange- 
bracht. Das  kleine  Gebäude  neben 
dem  Abtshaus  wurde  zum  Spielsaal. 

In  dem  Westgebäude  des  Konventes, 
das  heute  noch  (etwas  verändert)  als 
altes  Gasthaus  steht,  wurden  Kranken- 
wohnung, Kellerei  und  Küche  einge- 
richtet. Das  domus  peregrinontium 
wurde  lediglich  Gasthaus.  Im  Süd- 
osten wurde  ein  neues  größeres  Ge- 
bäude errichtet,  an  das  sich  jetzt  die 
Metzig  anschloß.  Der  Garten  im 
Westen  des  Bezirks,  in  dem  das  Gym- 
nasium stand,  erhielt  wohl  jetzt  erst 
die  hübsche  Balustrade,  von  der  wir  in  Fig.  162  ein  Beispiel  geben.  Vor  den  alten 
Mauern  wurde  ein  terrassenförmiger  Garten  für  die  Gäste,  um  den  Mauerbezirk  herum 
ausgedehnte  Prozessionswege  mit  Ruhebänken  angelegt.  ’)  — Nördlich  von  der  Kirche 
befand  sich  der  Friedhof.  — Von  dem  allen  steht  außer  Kirchenruine  und  westlichem 
Konventshaus  nur  noch  ein  Teil  des  Gasthauses,  die  rundbogigen  Türen  mit  Sandstein- 
gewänden an  einem  Wirtschaftsgebäude  und  die  Reste  der  Umfassung  der  zwei  Gärten. 

Das  Ganze  ein  ansprechendes  Bild  beschaulich-ruhigen  und  einer  gewissen  Wohl-  Zusammen- 

fassung 

habenheit,  nicht  Üppigkeit,  sich  erfreuenden  Klosterdaseins,  in  dem,  wie  in  der  Einleitung 
dargelegt  worden,  neben  der  Frömmigkeit  auch  die  Lehrtätigkeit  gepflegt  wurde.  — Für 
die  Kunstgeschichte  ist  lediglich  die  Kirchenruine  interessant.  Da  sie  in  ihrer  ursprüng- 
lichen Gestalt  doch  wohl  im  zweiten  und  dritten  Viertel  des  13.  Jhs.  entstanden  sein  muß, 

*)  Die  Pläne  von  1803  zeigen  uns  alle  Einzelheiten  : die  Sakristei  und  die  Kapelle,  das  Museum 
und  das  Archiv,  die  an  den  alten  Kreuzgang  anstießen,  Gesindestuben,  Bäckerei,  Küchen,  Apotheke, 

Ställe  usw.  Es  würde  zu  weit  führen,  darauf  näher  einzugehen.  Interessenten  mögen  die  in  der 
Plansammlung  des  Großh.  Generallandesarchivs  aufbewahrten  Blätter  einsehen. 


264 


KREIS  OFFENBURG. 


so  ist  sie  neben  der  Stiftskirche  in  Lahr  ein  neues  und  man  kann  wohl  sagen  bisher 
noch  nicht  gekanntes  Beispiel  für  das  Eindringen  der  Gotik  am  Oberrhein.  Bestimmte 
Beziehungen  mit  irgendwelchen  oberrheinischen  Bauten,  etwa  nach  Straßburg  oder  Wimpfen 
hin,  sind  nicht  nachzuweisen.  Höchstens  ließe  die  eigenartige  Querschnittbildung,  aus 
welcher  das  Quadrat  und  das  gleichseitige  Dreieck  sich  ergeben  (Fig.  152  u.  156),  auf 
Verwandtschaft  mit  der  Straßburger  Bauhütte  schließen.  Gänzlich  verfehlt  aber  ist  der 
Versuch  F.  J.  Schmitts, ])  Allerheiligen  in  irgendwelche  Beziehungen  mit  Notre  Dame 
zu  Laon  zu  bringen.  Wie  er  das  bei  der  unglaublichen  Verschiedenheit  in  Grundriß 
und  Aufbau  fertigbringen  konnte,  ist  unbegreiflich.  Denn  die  Kreuzesform,  der  Zentral- 
turm über  der  Vierung,  der  gerade  Chorschluß  und  die  Apside  am  südlichen  Querschiff 
dürften  gewiß  hundert  Kirchen  gemeinsam  sein.  Dafür  hat  Notre  Dame  zu  Laon  einen 
dreischiffigen  Chor  fast  von  der  Länge  des  Langhauses,  mit  Ausnahme  der  Vierung 
überall  oblonge  Gewölbejoche,  auf  ein  oblonges  Gewölbejoch  im  Langhaus  ein  quadra- 
tisches im  Seitenschiff,  also  in  allem  der  direkte  Gegensatz  von  Allerheiligen,  von  dem 
Aufbau  überhaupt  zu  schweigen ! Auch  mit  dem  Bausystem  des  Langhauses  der  Prä- 
monstratenser-Abteikirche  St.  Martin  zu  Laon  hat  das  Langhaus  von  Allerheiligen  nicht 
das  mindeste  zu  tun.  Dagegen  ist  ein  Blick  auf  die  Prämonstratenserkirche  in  Rüti  im 
Kanton  Zürich  in  mancher  Hinsicht  interessant,* 2 3)  deren  Langhaussystem  aber  ebenfalls 
gerade  das  umgekehrte  gewesen  ist.  Wichtig  ist  aber,  daß  dieser  Bau  (1214  bis  1219, 
beendigt?)  unter  denen  der  Nordschweiz  einer  der  ersten  war,  in  welchen  der  Spitzbogen 
zur  praktischen  Verwertung  gelangte.  Wir  wrerden  es  daher  leicht  verstehen,  wenn  auch 
in  Allerheiligen  verhältnismäßig  früh  die  Gotik  eindrang.  In  jener  Kirche  zu  Rüti  aber 
legten  sich  den  Seitenschiffen  in  westlicher  Verlängerung  zwei  schmale,  seitwärts  ab- 
geschlossene Räume  vor  und  zwischen  denselben  eine  große  Vorhalle  mit  rundbogigem 
Tonnengewölbe,  während  wir  in  Allerheiligen  eine  einheitliche  Vorhalle  anzunehmen 
haben.  — Die  zweite  kunstgeschichtliche  Bedeutung  unseres  Baues  liegt  in  dem  Plane 
einer  frühgotischen  Hallenkirche,  der  allerdings  nicht  zur  Ausführung  kam.  Er  reiht  sich 
damit  den  frühesten  gotischen  Hallenkirchen  an,  d.h.  wenigstens  in  der  kühnen  Konzeption. 
Ausgeführt,  wäre  bei  diesem  klaren  Grundriß,  den  im  Verhältnis  zu  dem  Grundriß  weiten 
Bogenspannungen  wohl  ein  sehr  einheitlich  wirkender  Raum  entstanden.  So  wenig  aller- 
dings als  an  den  meisten  frühen  gotischen  Hallenkirchen  sind  die  konstruktiven  Vorteile 
des  Systems  verstanden,  nämlich  die  dadurch  mögliche  Überleitung  des  Schubs  der 
Mittelschiffgewölbe  auf  die  Seitenschiffgewölbe  und  ihre  demgemäß  entwickelten  Strebe- 
pfeiler; gerade  das  ist  hier  sogar  direkt  verkannt  worden.  Möglich,  daß  während  des 
Baues  eben  dieser  Wölbungsschwierigkeiten  halber  von  der  Ausführung  abgesehen  wurde. 

Die  Prämonstratenser  haben  in  der  Geschichte  der  Baukunst  nicht  die  Rolle 
gespielt,  wie  die  Cluniazenser  und  die  Cisterzienser;  immerhin  aber  waren  auch  sie 
selbstverständlich  Träger  des  französischen  Einflusses  und  diejenigen,  welche  der  Gotik 
den  Weg  freigemacht  haben.  Man  kann  auch  nicht  sagen,  daß  sie  ein  besonderes 
Kirchenschema  ausgebildet  haben;  sie  schlossen  sich  vielmehr  eng  an  das  der  gleich- 
strebenden Orden  an.  Und  so  treffen  wir  denn  bei  ihnen  den  gerade  abgeschlossenen 
Chor,  der  Kapellenumgang  fehlt,  östliche  Kapellen  am  Querschifif  kommen  vor,  die 

B Repertor.  XVII,  S.  440. 

2)  Viollet  le  Duc,  Tafel  362. 

3)  Rahn,  Die  bild.  Künste  i.  d.  Schweiz,  S.  385. 


AMT  OBERKIRCH.  — MAISACH.  (ANTOGAST.) 


265 


Grundrißgestaltung  ist  schlicht  und  klar,  die  Details  sparsam  und  nüchtern  behandelt: 
alles  Eigenschaften,  die  wir  auch  in  Allerheiligen  wiederfinden,  wie  auch  die  in  der 
ganzen  Breite  des  Langhauses  diesem  vorgelegte  Vorhalle.  Gleich  den  Cisterziensern 
haben  auch  die  Prämonstratenser  sie  bevorzugt.  Wir  treffen  sie  in  der  zweiten  Hälfte 
des  i2.Jhs.  u.  a.  in  Enkenbach.1)  Wäre  jener  allerfrüheste,  vermutliche  Plan  in  Aller- 
heiligen zur  Ausführung  gekommen  (vor  der  Hallenkirche)  mit  je  zwei  quadratischen 
Jochen  der  Seitenschiffe  auf  eines  des  Mittelschiffs  etc.,  so  wäre  die  Ähnlichkeit  des 
ganzen  Grundrisses  mit  Enkenbach  auffallend  gewesen,  woraus  wir  allerdings  heute  keine 
Schlüsse  mehr  ziehen  können. 

Neben  der  Anziehungskraft  der  malerischen  Ruine  in  hochgelegenem,  von  tannen- 
bewaldeten Bergen  umschlossenem  Gebirgstal  kann  Allerheiligen  künftig  noch  den 
Anspruch  erheben,  bei  der  Einführung  der  neuen  Kunst  weise  am  Ober- 
rhein eine  vielleicht  nicht  unbedeutende  Rolle  gespielt  zu  haben 
und  als  eine  der  frühesten  Hallenkirchen  auf  deutschem  Boden 
wenigstens  geplant  gewesen  zu  sein. 


MAISACH 

(ANTOGAST) 

Schreibweisen:  zu  Meisahe  14.  Jh.;  in  der  Meysach  1381;  Meisen  1476.  (Für 
älteres  Meizahi,  von  ahd.  meizo  = Holzschlag.) 

Der  Ort,  der  nichts  Bemerkenswertes  enthält,  gehörte  bis  1803  zum  weltlichen 
Gebiet  des  Hochstifts  Straßburg,  Herrschaft  Oberkirch. 

Im  Meisachtal  liegt,  von  Bergen  eng  umgeben : 

BAD  ANTOGAST 

Schreibweisen:  zu  Antegast  1336;  Antengast  1383.  (Wohl  entstellt  aus  Arbo- 
gast und  nach  dem  Straßburger  Bischof  dieses  Namens  genannt.) 

Literatur:  Die  Bäderliteratur  und  die  Führer  s.  bei  Kienitz  und  Wagner  S.  237. 
Tabernae  montanus  (Jacob  Theodor  aus  Bergzabern).  New  Wasserschatz,  Frankfurt  1593. 
F.  v.  Weech,  Zur  Geschichte  der  Renchbäder  Antogast  etc.,  J.  28,  S.  438 — 466. 
J.  Zentner,  Das  Renchthal  etc.  (s  oben),  Freiburg  1827  und  Karlsruhe  1839.  R.  Kraus, 
Zur  Creschichte  der  Renchtalbäder,  Z.  NF.  21,  S.  601. 

Ortsgeschichte:  Im  14.  Jh.,  wie  es  scheint,  zuerst  genannt,  hat  Antogast  jeden- 
falls schon  im  16.  Jh.  sich  Besucher  seiner  Quellen  erfreut.  Es  gehörte  zum  weltlichen 
Besitz  des  Bistums  Straßburg.  Nach  der  Verpfändung  des  Amts  Oberkirch  durch  den 
evangelischen  Bischof  von  Straßburg,  Markgraf  Johann  Georg  von  Brandenburg,  an  Herzog 
Friedrich  von  Württemberg  nahm  dieser  sich  der  Renchtalbäder  mit  lebhaftem  Interesse  an. 
1637  kamen  sie  wieder  an  Straßburg  (in  sicheren  Besitz  erst  1665),  und  nun  erließ  Bischof 
Leopold  eine  ausführliche  Badeordnung  für  Griesbach,  Peterstal  und  Antogast.  Weiter 
hören  wir  nicht  mehr  viel  von  Antogast,  das  1803  mit  dem  ganzen  Gebiet  badisch  wurde. 

In  dem  Badhaus  einige  Bilder  des  17.  und  18.  Jhs. ; die  Gebäude  selbst  sind 
neueren  Datums,  aus  dem  Anfänge  des  19.  Jhs.,  ohne  architektonische  Bedeutung. 

1)  Dehio  u.  Bezold,  Kirchl.  Bauk.  d.  Abendlandes,  Tafel  165. 


Ortsgeschichte 


Badhaus 


206 


KREIS  OFFENBURG. 


Ortsgeschichte 


Pfarrkirche 


NUSSBACH 

Schreibweisen:  Nuzbach  994;  Nutzbach  1196;  Nuzbach  1200-  Nusbach  1239  etc. 
(ahd.  Nuz  = die  Nuß). 

Literatur:  Ad.  Wehrle,  Geschichte  der  h.  Wendelinuswallfahrt  Nußbach,  in 

Wehrles  Wendelinusbüchlein,  Ingenbohl  1878. 

Ortsgeschichte : 994  schenkte  Kaiser  Otto  III.  seinen  Hof  Nußbach  dem  Stifte 
Waldkirch.  1024  kam  der  Ort  durch  Kaiser  Heinrich  II.  an  das  Bistum  Bamberg,  von 
diesem  an  die  Zähringer  und  an  die  Grafen  von  Freiburg,  doch  scheint  die  Herzogin 
Uta  von  Schauenburg  auf  das  Patronat  der  Kirche  Anspruch  gemacht  zu  haben.  Diese 
ist  die  Mutterkirche  des  gesamten  Renchtales.  Ihrer  neuen  Gründung  Allerheiligen 
übergab  die  Herzogin  das  Patronat,  wie  wir  aus  dem  Bestätigungsbrief  von  1196  ersehen, 
und  zwar  »cum  cunctis  suis  attinentibus«.  1225  hören  wir  von  der  »donatio  iuris  patronatus 
ecclesie  in  Nusbach  et  capellarum  eidem  ecclesie  annexarum,  videlicet  Obirnkirchen  et 
Noppenowe  a ducissa  de  Scowenburc,  Uta  nomine,  consentiente  nobili  viro  Eberhardo 
de  Eberstein  eins  herede  preposito  et  conventui  Omnium  Sanctorum  facta«.  Da  das 
Patronat  und  Zehnt  aber  zu  dem  Dinghof  gehörten,  so  geriet  das  Kloster  in  einen  langen 
Streit  mit  den  Grafen  von  Freiburg.  Diese  verkauften  1239  ihren  Hof  an  Allerheiligen; 
doch  hören  wir  noch  einmal  1327,  daß  Heinrich  von  Fürstenberg  »curiam  suam  in 
villa  Nüszbach  ....  cum  curia  inferiori  sita  in  dicta  villa  . . . spectante  ad  curiam 
predictam  cum  iure  patronatus  ecclesie  parrochialis  ipsius  ville  Nüszbach  et  capellarum 
dependencium  ab  eadem«  dem  Propst  und  Konvent  verkauft;  damit  also  wird  wohl  erst 
der  Streit  beigelegt  worden  sein.  Mit  der  Auflösung  des  Klosters  kam  das  Patronat  an 
Baden.  — Außer  Allerheiligen  muß  auch  Gengenbach  hier  begütert  gewesen  sein,  denn 
wir  hören  i486  von  dem  »amptlehen,  so  Albrecht  von  Nuwenstein  zu  Nußbach«  von 
dem  Abt  von  Gengenbach  hatte.  Einige  weitere  Höfe  mit  verschiedenen  Besitzern 
werden  im  14.  und  1 5 . Jh.  erwähnt.1)  Der  Ort  gehörte  zur  Landvogtei  Ortenau  und 
wurde  mit  dieser  1805  badisch. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Sebastianum).  Ihre  frühe  Bedeutung  geht  schon  aus 
dem  Obigen  hervor.  Ihr  waren  die  Kapellen  in  Oberkirch  und  Oppenau  eingepfarrt, 
ebenso  Ebersweier.  »Ecclesia  parrochialis  ville  Nuspach  cum  Omnibus  suis  capellis, 
videlicet  capella  in  Oberkirche  et  in  Oberndorf  ac  eciam  in  Noppenowe  et  in  Ebers- 
wilre«  heißt  es  1365,  in  dem  Kirchspel  zu  Nußbach  1400,  matricis  et  parrochialis  ecclesiae 
N.  1666.  — Vom  13.  Jh.  an  besetzte  Allerheiligen  die  Pfarre  mit  einem  seiner  Kon- 
ventualen.  1246  hören  wir  von  einem  decanus  Hennanus,  1311  von  einem  vicepiebanus, 
1434  von  Rulmannus  dictus  Tedinger  perpetuus  vicarius  seu  plebanus  in  N. ; 1464  war 
Andreas  Rohart  von  Neuenstein,  der  spätere  Propst,  Leutpriester  hier. 

Die  heutige  Kirche  ist  ein  Bau  des  19.  Jhs.,  in  diesem  selbst  mehrfach  vergrößert, 
so  besonders  vor  kurzem.  1828  hat  der  am  ganzen  Oberrhein  tätige,  tüchtige  Dekorateur 
Wilhelm  (aus  dem  Vorarlberg  stammend)  für  2000  fl.  die  ganze  Innenausstattung  der 
Kirche  hergestellt,  von  der  heute  nichts  mehr  erhalten.  Der  jetzige  Chor  ist  das  ehe- 
malige Langhaus  der  alten  Kirche,  an  dem  keine  älteren  Spuren  mehr  erhalten.  Von 
ihm  aus  tritt  man  in  den  einstigen  Chor,  einen  quadratischen  Raum,  der,  wie  so  vielfach, 


1)  Krieger  II,  S.  362. 


AMT  OBERKIRCH.  — NUSSBACH. 


267 


das  Erdgeschoß  des  in  drei  Geschossen  alten  Turmes  war.  Er  ist  mit  einem  Kreuz- 
rippengewölbe gedeckt,  dessen  Rippen  als  mächtige  runde  Wulste  tief  unten  in  den 
Ecken  auf  Halbsäulen  aufsitzen,  deren  Kapitelle  weggeschlagen  sind,  auch  die  Basen 
sind  zerstört.  Der  alte  Fußboden  lag  tiefer.  Erleuchtet  wird  der  Raum  durch  ein  abge- 
schrägtes kleines  Rundbogenfenster  in  der  Ostwand ; je  eine  Lichtluke  an  Nord-  und 
Südwand  ist  jetzt  zugemauert.  Am  Äußern  der  alte  romanische  Sockel  mit  Wulst  und 
Abschrägungen.  Gegen  die  Kirche  zu  öffnet  sich  der  Chor  in  einem  Spitzbogen  auf 


Wandgemälde : zwei  Evangelistensymbole. 


Pfeilern  mit  einfachen  Kämpfern  und  einer  Art  attischer  Basis.  Nach  allem  wird  man 
diesen  Rest  der  alten  Kirche  in  die  ersten  Jahrzehnte  des  13.  Jhs.  setzen  müssen. 

In  den  Kappen  des  Kreuzgewölbes  Reste  von  Wandgemälden. 

Im  Jahre  1899  begann  die  Untersuchung  dieser  Bilder  durch  den  Kunstmaler 
J.  Mader,  die  i.J.  1902  ihren  einstweiligen  Abschluß  fand.  Es  wurden  mehrere  Bemalungen 
übereinander  konstatiert,  eine  aus  dem  Anfänge  des  13.  Jhs.  stammend,  die  Felder  mit 
Sternen  von  roter  und  grünblauer  Farbe,  die  Rippen  des  Gewölbes  aus  stumpfem  Rot  mit 
weißen  Wellenlinien  ornamentiert,  im  gleichen  Rot  auch  die  Laibungen  des  Fensters.  — 
Für  die  zweite  Bemalung  wurde  die  erste  hell  übertüncht,  darauf  malte  man  in  zwei  Kappen 
je  zwei  der  Evangelistensymbole,  in  deren  Spruchbänder  noch  mehr  oder  minder  die 
Namen  der  Evangelisten  erhalten  sind,  und  zwar  zusammen:  Adler  und  Ochse,  bei 


Wandgemälde 


208 


KREIS  OEFENBURG. 


Kirchengeräte 


Ölgemälde 


letzterem  noch:  [ dann  Löwe  und  Engel  (s.  Fig.  163):  Hiat  - CUö 

matheu  • ; in  der  dritten  Kappe  sehen  wir  S.  Michael  mit  der  Seelenwage  und  in  der 
vierten  die  rituelle  Feier  des  Abendmahles.  Diese  Bilder  sind  vorzügliche  Werke  aus  dem 
Ende  des  15.  Jhs.,  die  der  ausgeprägten  Schongauerschule  — trotz  manches  Verwandten  — 
nicht  zuzuschreiben  sind.  Die  Reste  der  dritten  Bemalung  bestehen  nur  noch  in  Farben- 
spuren, die  auf  einstige  figurale  Renaissancemalereien  zu  deuten  scheinen.  An  der  jetzigen 
südlichen  Chorwand  ein  Wandgemälde  des  18.  Jhs.,  eine  Kreuzigung. 

In  der  Kirche  noch  ein  spätgotischer  Taufstein,  das  Becken  polygonal,  die  Felder 
mit  reichem  Maßwerk  verziert,  in  einem  die  gute,  bewegte,  kleine  Gestalt  des  h.  Sebastian 
an  knorrigen  Baum  gebunden,  in  einem  anderen  in  flatterndem  Bande  die  Jahreszahl : 
all  11 0 + bin  + OZCCCCtXXVI;  außerdem  noch  ein  Drache  im  Astgeschlinge  der  einen 
Fläche. 

Ein  Holzkruzifix,  Durchschnittsarbeit  vom  Ende  des  16.  Jhs. 

Am  Äußern  der  Kirche  ein  jetzt  eingemauerter  Stein  mit  dem  Wappen  des  Abtes 
Lorenz  Schlecht,  der  nach  der  Inschrift  die  Kirche  neu  erbaute: 

IN  TE  LAURUS 

EN  AEDES  ISTA  STRUXIT  LAUREN 
TIUS  ABBAS 

TEMPORE  QJJOBIS  TER  MENSES 
PEREL  • AVERATAE  TER 
CINGIMUS  EX  AURO  PRO  IN  SUA 
TEMPORA  LAURO 
HUNC  AFFERT  NOMEN  QUEM 
PERPETUA BITET  OMEN 
I75o 

In  der  Sakristei  einige  Paramente  des  18.  Jhs.  An  Kirch eng erä ten  sind  zu  nennen: 

eine  Monstranz,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  Bandornamenten  am  Fuß,  Engeln  etc. 

FT 

oben.  Anfang  des  1 8.  Jhs.  Undeutliches  Beschauzeichen  und  . ; ein  silbergetriebener, 
vergoldeter  Kelch  vom  Anfänge  des  18.  Jhs.  Engelsköpfe,  die  Leidenswerkzeuge, 
Blumen  und  Früchte  am  Fuß,  dasselbe  in  durchbrochener  Arbeit  aufgelegt  an  der 
Cuppa,  sehr  feine  Arbeit,  Augsburger  Pinienzeichen,  darunter  A und  IZ  (Johann  Zeckel  ?, 
Rosenberg  Nr.  292);  Kelch  in  gleicher  Arbeit,  mit  Leidenswerkzeugen  und  h.  Sebastian 
im  Relief  am  Fuß,  Bandornament  vom  Anfänge  des  18.  Jhs.,  ohne  Zeichen.  Ein  kleiner 
Empirekelch,  kupfervergoldet,  getrieben.  Ein  Wettersegen , silbervergoldet,  getrieben, 
in  einfachen,  aber  guten  Formen  vom  Ende  des  18.  Jhs.  Beschauzeichen:  Schild  mit 
Schräglinksbalken,  darüber  Krone  (?)  und  I7.  Weihrauchfaß  mit  getriebenen  Engels- 
köpfchen,  Silber,  aus  der  Mitte  des  18.  Jhs. ; ein  einfacheres  vom  Ende  desselben.  Auf 
dem  Altar  vier  silberne  Leuchter  vom  Anfänge  des  18.  Jhs. 

Die  Glocken  nach  der  Angabe  des  Pfarrers  alle  aus  dem  19.  Jh. 

Im  Pfarrhaus : Ölgemälde,  Portrait  des  Abtes  Joachim  Bahr  von  Allerheiligen. 

Auf  den  Wegen  zu  den  umliegenden  Orten  eine  Anzahl  von  Bildstöcken  und 
Kruzifixen  des  1 8.  Jhs. 


AMT  OBERKIRCH.  — OBERKIRCH. 


269 


OBERKIRCH 


Schreibweisen:  Oberkirch  ca.  1229;  Obemkirchen  1236;  oppidum  1303;  Obir- 
kilke  1247;  Oberkilch  1316;  merketstat  Oberkirchen  in  der  gegene  zuo  Mortenowe 
gelegen  1303. 

Literatur:  J.  Bader,  Die  ehemalige  Straßburgische  Herrschaft  Oberkirch,  Badenia  II 
(1840),  S.  219 — 237.  K.  Christ,  Zu  den  Hausinschriften  in  Neuenheim  und  Oberkirch. 

P i c k s Monatsschrift  VI,  S.  582.  Hart  felder,  Ordnungen  der  Stadt  Oberkirch,  J.  58, 

S.  679.  F.  J.  Mone,  Der  Schauertag  zu  Oberkirch  im  16.  Jh.,  J.  17,  1865.  Fecht, 
Allerheiligen,  S.  85fr.  Fr.  Schaz,  Stadt  O.  und  die  Burgen  des  vorderen  Renchthales, 

Achern  1898.  Die  Bruderschaft  zum  h.  Skapulier  in  Oberkirch,  Freiburg  1865.  (Dazu 
die  allgemeineren,  öfters  zitierten  Werke  von  Fritz,  Zentner  etc.  — Näher, 

Ortenau,  S.  25.) 

Ortsgeschichte:  Oberkirch  wird  verhältnismäßig  spät  erst  erwähnt  und  dürfte  also  Ortsgeschichte 
wohl  auch  erst  im  Laufe  des  xi.  und  12.  Jhs.  aus  vereinzelten  Ansiedelungen  entstanden 
sein,1)  die  von  Nußbach  aus  pastoriert  wurden  und  dann  auch  eine  Kapelle  erhielten, 
die  dem  Ort  der  oberen  Kirchen  den  Namen  gab.  Diese  Kapelle  aber  lag  nicht  an 
der  Stelle  der  heutigen  Pfarrkirche,  sondern  in  dem  heute  sogenannten  Oberndorf,  und 
es  ist  möglich,  daß  wir  ihre  Überreste  noch  in  dem  auf  dem  Friedhof  stehenden  Bau 
besitzen.  Der  Ort  gehörte  zu  zähringischem  Besitz  und  kam  als  Erbe  an  die  Grafen 
von  Freiburg.  1246  aber  wird  Obirinkirchen  als  Stadt  der  Markgrafen  Hermann  und 
Rudolf  von  Baden  genannt  (Kopie  des  16.  Jhs.).  Wie  es  an  diese  kam  und  ob  das 
zusammenhängt  mit  der  Verpfändung  der  damals  schon  bischöflich  straßburgischen 
Territorialbesitzungen  Ullemburg  und  Renchen,2)  vermag  ich  nicht  recht  zu  sagen. 

Sollten  die  Grafen  von  Freiburg  es  schon  einmal  an  Straßburg  abgetreten  haben?  Bereits 
vor  1273  waren  Renchen  und  Ullemburg  von  dem  Bischof  zurückgekauft.  1271  war 
Graf  Heinrich  von  Fürstenberg  mit  der  Hälfte  der  Herrschaft  Oberndorf,  unterhalb  der 
Burg  Fürsteneck,  nebst  dem  kleinen  Seitental  des  Walramesbaches  Lehns-  und  Burg- 
mann des  Bischofs  von  Straßburg  geworden.  Die  Besitzverhältnisse  in  der  Gegend 
müssen  wohl  strittig  gewesen  sein,  was  ich  daraus  entnehme,  daß  König  Rudolf  Lehen 
in  Fürsteneck  und  Oberkirch  dem  Markgrafen  Rudolf  von  Baden  verliehen  hat  (feoda 
in  Furstenecke  et  Obirkirche,  que  Rudolfus  senior  marchio  de  Baden  a Rudolfe  Romano- 
rum rege  et  imperio  possedit  1286).  Es  handelte  sich  also  dabei  um  Reichslehen.  Im 
gleichen  Jahre  aber  verzichtet  der  Markgraf  darauf,  und  der  König  übergibt  sie  an 
Friedrich  und  Egeno  von  Fürstenberg  als  »perpetuo  libere  possidenda«,3)  also  doch  als 
Allodialbesitz.  1303  verkauften  dann  Udelhildis,  die  Witwe  Friedrichs,  und  ihr  Sohn 
Heinrich  Schloß  und  Stadt  dem  Bistum  Straßburg,  das  schon  in  der  Gegend  reiche 
Besitzungen  hatte.  Als  Pertinenzien  zu  Schloß  und  Stadt  kamen  damals  dazu  Güter  in 
Ringelbach,  Geldengrunt,  Frowensberge ; sodann  im  Noppenouwer  Tal  in  Gerwinsberge, 

Nortwasser,  Meisahe,  Rotschier,  Breitenberg,  Dettlinsbach,  Bestenbach,  Eberlinsberge, 
in  dem  Springe,  Löhern,  in  der  Gassen,  Ruprehtsbühele,  Sigmannesgassen,  an  der  Matten, 

*)  Die  früheren  Annahmen  einer  Entstehung  des  Namens  aus  Hypergraecia  und  eines  lateinischen 
Ursprunges  brauchen  hier  nicht  mehr  widerlegt  zu  werden. 

2)  Fritz  a.  a.  O.  S.  144. 

8)  Krieger  I,  S.  664. 


270 


KREIS  OFFENBURG. 


an  der  niedern  Matte,  Ibach,  Ramesbach,  Richenbach. ’)  Bischof  Johanni,  von  Straßburg 
umgab  Oberkirch  mit  Mauern,  wobei  es  sich  meines  Erachtens  nur  um  den  auf  dem  rechten 
Ufer  der  Rench  gelegenen  Ort  gehandelt  haben  kann,  das  sogenannte  Oberndorf  blieb 
außerhalb.  Möglich,  daß  damit  erst  die  Anlage  einer  zweiten  Kapelle  zusammenhängt 
an  Stelle  der  heutigen  Pfarrkirche,  denn  zum  erstenmal  hören  wir  1365  von  zwei  zu 
Nußbach  eingepfarrten  Kapellen,  der  »capella  in  Oberkirche  et  in  Oberndorf«,  während 
das  »ecclesia  de  Oberkirchen  1275«  sich  noch  gut  auf  die  Kapelle  in  Oberndorf  beziehen 
kann,  da,  wie  mir  scheint,  ein  genauer  Unterschied  im  Gebrauch  der  Namen  Oberndorf 
und  Oberkirch  erst  im  14.  Jh.  eintritt.  In  der  seit  1323  erwähnten  alten  Stadt  sehe  ich 
eben  die  ältere  Ansiedelung  in  Oberndorf  und  glaube  das  aus  der  Art  zu  erkennen,  wie 
sie  bezeichnet  wird:  hinter  der  Altenstatt  1323,  uf  der  alten  stat  apud  Oberkirche  1347, 
zwo  iuch  veld  gelegen  uff  der  Altstatt  by  Oberkirch  1445,  vor  Oberkirch  uff  der  alten 
statt  1452  (Kopie  ca.  1500).  Mit  seiner  Ummauerung  erhielt  1326  Oberkirch  das  Offenburger 
Stadtrecht.* 2)  Auf  die  allmähliche  Abrundung  der  bischöflichen  Herrschaft  Oberkirch 
brauche  ich  nach  der  Einleitung  nicht  näher  einzugehen.  Der  bischöfliche  Vogt,  der 
früher  auf  der  Ullemburg  gesessen  hatte,  residierte  nun  in  Oberkirch,  das  später  bei  der 
weiteren  Ausgestaltung  der  Herrschaft  dieser  den  Namen  gab  und  der  Sitz  eines  ihrer 
sechs  Gerichte  war.  Zu  dem  Gericht  Oberkirch  gehörten  Oberndorf,  Wolfshag,  Winter- 
bach, Lautenbach,  Sendelbach,  Butschbach,  Diebersbach,  Gydensbach,  Odsbach,  Wälden, 
Hesselbach,  Schlaffen.  Das  Gericht  setzte  sich,  wie  üblich,  zusammen  aus  dem  vom 
Bischof  ernannten  Schultheißen  und  dem  Stabhalter  und  zehn  von  dem  Gericht  vorge- 
schlagenen, von  dem  Bischof  bestätigten  Männern  (Zwölfergericht).  Ihm  lag  die  niedere 
Gerichtsbarkeit  ob.  An  der  Spitze  der  Stadt  stand  der  schon  erwähnte  Schultheiß.  Als 
ersten  finden  wir  einen  Albert  1270  erwähnt,  dann  mehrere  aus  der  Familie  Rohart, 
Heinrich  1322,  Heitzemann  1556  und  andere,3)  1480  z.  B.  den  auf  einem  Glasgemälde 
in  Lautenbach  abgebildeten  Heinrich  Distelzweig. 

In  den  auf  den  Verkauf  folgenden  Jahrhunderten  hatte,  da  das  Bistum  bei  seinem 
Kampfe  mit  der  aufstrebenden  Macht  der  Stadt  Straßburg  häufig  in  pekuniäre  Verlegen- 
heiten geriet,  die  Gegend  verschiedentliche  Verpfändungen  zu  erleiden.  1399  mußte  der 
Bischof  Wilhelm  von  Diest  einen  Teil  der  Herrschaft  mit  Oberkirch  der  Stadt  Straßburg 
verpfänden.  1428  wollte  der  Bischof  das  Städtlein  wieder  mit  Gewalt  an  sich  zurückbringen, 
wozu  ihm  die  Hilfe  des  Markgrafen  Bernhard  von  Baden  wurde.  Fast  ein  halbes  Jahr 
dauerte  die  Belagerung,  bis  von  Straßburg  aus  Ersatz  nahte.  Der  Erzbischof  von  Mainz 
vermittelte,  und  so  kam  nach  Rückzahlung  der  Pfandsumme  die  Herrschaft  wieder  an  das 
Hochstift,  das  sie  aber  bereits  1443  unter  Bischof  Ruprecht  wieder  verpfändete,  und  zwar  an 
Georg  von  Bach,  1449  an  denselben  nebst  Propst  Rütmann  von  Allerheiligen,  Hans  Erhärt 
Bock  von  Staufenberg,  Leonh.  von  Neuenstein  und  Becht.  von  Windeck.  Der  Nachfolger, 
Bischof  Albrecht,  löste  sie  wieder  ein,  verstand  es  auch,  die  allmählich  drückend  gewordenen 
Abgaben  in  richtiger  Weise  zu  ordnen,  und  nun  folgten  für  die  Gegend  anderthalb  nihige 
Jahrhunderte;  auch  der  Bauernkrieg  scheint  nicht  allzuviel  hier  verwüstet  zu  haben.  Wohl 
hat  der  Oberkircher  Haufen  den  Klosterhof  und  die  Klosterkellerei  Allerheiligen  in 


x)  Fri  tz  a.  a.  O.  S.  149. 

2)  Großh.  Baden,  S.  912. 

3)  Krieger  II,  S.  380. 


AMT  OBERKIRCH.  — OBERKIRCH. 


271 


Oberkirch  geplündert,  auch  in  der  Kirche  wie  in  Lautenbach  manchen  Unfug  verübt, 
doch  wurde  der  Aufstand  bald  durch  Verhandlungen  beigelegt. 

Bei  den  Streitigkeiten,  die  sich  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  im  Straßburger  Kapitel 
erhoben,  als  Johann  von  Manderscheid-Blankenheim  zum  Bischof  gewählt  worden,  standen 
Oberkirch  und  Oppenau  treu  auf  des  letzteren,  des  Katholischen,  Seite  und  hatten  deshalb 
Manches  durchzumachen,  wofür  sie  Johann  nach  Kräften  entschädigte.  Eine  Steininschrift, 
die  an  einem  der  ehemaligen  Türme  angebracht  war  und  die  man  bei  Kolb1)  nachlesen 
mag,  erinnerte  an  seine  segensreiche  Regierung.  Nach  seinem  Tode  wurde  von  den  katho- 
lischen Mitgliedern  des  Kapitels  Herzog  Karl  von  Lothringen,  von  den  protestantischen 
Markgraf  Johann  Georg  von  Brandenburg  zum  Bischof  gewählt,  worüber  ein  heftiger  Klein- 
krieg entstand.  1593  wurde  eine  einstweilige  Abmachung  getroffen,  1604  der  Streit  end- 
gültig durch  Herzog  Friedrich  von  Württemberg  beigelegt  und  der  protestantische  Bischof 
für  seinen  Verzicht  durch  eine  Geldsumme  und  eine  Rente  entschädigt.  Der  Herzog  streckte 
dem  Bistum,  das  in  bedrängter  pekuniärer  Lage  war,  die  erforderlichen  Gelder  vor,  wofür 
ihm  als  Pfand  die  Herrschaft  Oberkirch  übergeben  wurde.  Und  nun  brach  das  Elend 
des  Dreißigjährigen  Krieges  über  die  Gegend  herein.  In  dem  Wechsel  der  Sieger  war 
Oberkirch  vorübergehend  1634  von  Österreich  dem  Hochstift  zurückgegeben  worden,  das 
es  aber  nach  ein  paar  Jahren  wieder  verlor.  1638  wurde  es  mit  seiner  kaiserlichen 
Besatzung  von  den  Schweden  belagert  und  auch  nach  wenigen  Tagen  mit  den  üblichen 
Greueln  erobert.  Noch  verschiedentlich  wechselte  das  Kriegsglück  und  damit  der  Besitzer 
der  Stadt,  die  1643  eine  neue  schwere  Plünderung  durchzumachen  hatte.  Die  Herrschaft 
blieb  schließlich  bei  Württemberg,  bis  sie  1664  von  Bischof  Franz  Egon  von  Fürstenberg 
gegen  Zahlung  der  Pfandsumme  eingelöst  wurde.  Sie  mußte  jedoch  zunächst  von  diesem 
dem  Herzog  von  Lothringen,  der  die  Pfandsumme  geliehen,  als  Pfand  gegeben,  bezw. 
dafür  dem  Prinzen  Vaudemont  eine  jährliche  Rente  gewährt  werden,  und  als  der  Bischof 
dieselbe  nicht  zahlen  konnte,  kam  dieser  eine  Zeitlang  in  den  Besitz  der  Herrschaft. 
Als  Straßburg  französisch  geworden  nicht  ohne  Beihilfe  seines  Bischofs,  da  entzog  Kaiser 
Leopold  diesem  die  Herrschaft  und  übergab  sie  1683  zum  Dank  für  seine  Dienste  dem 
Markgrafen  Ludwig  Wilhelm  von  Baden,  dem  Türkenlouis.  Das  war  der  Anlaß  für  die 
französischen  Truppen,  in  den  Raubkriegen  Ludwigs XIV.  die  Stadt  anzugreifen;  sie  wurde 
1 688  belagert  und  geplündert,  1689  auf  einige  Zeit  wieder  von  den  Bayern  eingenommen, 
noch  im  selben  Jahre  aber  fiel  sie  den  Flammen  der  Franzosen  zum  Opfer.  1697  endlich, 
nach  dem  Frieden  von  Ryswick,  kam  sie  an  das  Bistum  zurück,  und  nun  folgten  im 
allgemeinen  ruhige  Zeiten,  die  nur  durch  die  ewigen  Waldprozesse  der  Bewohner  der 
Gegend  mit  der  Herrschaft  und  die  damit  verbundenen  Aufstände  gestört  wurden.  In 
den  Kriegen  der  ersten  Republik  sah  das  Renchtal  hauptsächlich  wegen  des  Kniebis- 
passes in  den  Jahren  1796  bis  1800  verschiedentliche  Kämpfe  auf  seinem  Boden,  doch 
scheint  die  Stadt  Oberkirch  wie  die  anderen  Orte  daraus  ohne  große  Schäden  hervor- 
gegangen zu  sein.  1803  wurde  sie  mit  der  Landschaft  badisch. 

Von  der  alten  Anlage  der  Stadt  ist  nach  den  Verwüstungen  vom  Ende  des  17.  Ths. 
nicht  mehr  allzuviel  zu  erkennen.  -Sie  ist  zweifellos  entstanden  aus  Ansiedelungen  zu 
beiden  Seiten  der  Renchtalstraße,  die  noch  heute  die  Hauptstraße  des  Ortes  ist.  Eben 
dieser  Straße  halber  und  des  Schutzes  durch  die  Rench  hat  man  dann  nicht  die  älteste 


Stadtanlage 


L Kolb  III,  S.  8. 


272 


KREIS  OFFENBURG. 


Pfarrkirche 


Ansiedelung,  das  Oberdorf,  sondern  diese  Stelle  befestigt  und  daselbst  auch,  wie  ich 
oben  ausgefiihrt  habe,  eine  Kapelle  erbaut.  Nur  wenige  Reste  (s.  unten),  ein  Spitzbogen, 
Inschriften  in  der  Kirche,  ein  Wappen  und  ein  Brunnenrest  sind  aus  dem  Mittelalter 
und  der  Renaissance  erhalten.  Sonst  wird  der  Charakter  der  Stadt  bestimmt  durch  die 
zahlreichen  und  sehr  malerischen  Fachwerkhäuser,  die  gottlob  noch  zu  großem  Teil 
unverputzt  sind,  und  durch  ein  paar  größere  Steinbauten  mit  Mansardendächern  in  den 
französischen  Stilen  des  18.  Jhs.  Von  der  ehemaligen  Befestigung  ist  nichts  mehr 
erhalten,  dagegen  ist  der  Mauerzug  noch  deutlich  erkennbar,  vor  allem  in  der  westlichen 
Promenade.  Nach  Kolb1)  hatte  die  Stadt  zu  seiner  Zeit  größtenteils  noch  erkennbare 
doppelte  Wassergräben  und  zwei  Tore;  der  obere  Torturm  stand  damals  noch,  während 
von  dem  unteren  die  schon  oben  erwähnte  Inschrift  auf  den  Bischof  Johann  herrührte. 
Vor  dem  oberen  Tor,  gegen  das  Tal  zu,  nur  durch  eine  Brücke  über  den  Graben  von 
der  Stadt  getrennt,  lag  die  eine  Vorstadt,  genannt  »im  Loo«,  in  ihr  das  heute  noch 
bestehende  Gasthaus  »zur  Linde«.  Diese  Vorstadt  Loh  wird  schon  früh  erwähnt:  »bona 
que  dicuntur  in  dem  Lohe«  heißt  es  1275,  matten  gelegen  in  dem  Löhe  1419,  das 
Lohe  1417.  Auch  hören  wir  von  des  Klosters  zu  Allerheiligen  mul  gelegen  by  der  stat 
Oberkirch  obnan  in  dem  Löhe  1442.  Vor  dem  unteren,  westlichen  Tor  lag  die  Vorstadt 
Allment  mit  Fernach.  Letzteres  wird  1308  als  Vernach  erwähnt,  Vernech  1347,  in  dem 
Fernich  1360,  zu  Hindervernech  by  Oberkirch  1397.  (Der  Name  ahd.  mhd.  varn  = Ort, 
wo  viele  Farnkräuter  stehen.)  Hier  stand  das  ehemalige  Kapuzinerkloster. 

Von  Familien  in  Oberkirch  werden  erwähnt:  Burke  de  O.  13.  Jh.,  dann  ver- 

schiedentlich die  Rohart  von  O.,  darunter  1387  Heuplin  Rohart  als  Edelknecht,  die 
Schönzeler  von  O.  und  die  Schultheiße  von  O.  im  14.  Jh. 

Pfarrkirche  (ad  S.  Cyriacum).  Ecclesia  1275,  sanctus  Cyriacus  der  hußherre  der 
Kirchen  zu  Oberkirch  1416,  in  der  pfarrkirchen  sannt  Cyriacus  zu  Oberkirche  1479. 
Älter  als  1275  wird  sie  kaum  sein,  etwa  gleichzeitig  erhielt  auch  Unzhurst  eine  Kirche 
ad  S.  Cyriacum.  Ob  die  folgenden  Erwähnungen  sich  auf  diese  Kirche  oder  auf  die  ältere 
in  Oberdorf  beziehen,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden:  capella  Obirnkirchen  ca.  1225, 
capella  in  Oberkirch,  parrochialis  filia  ecclesie  in  Nußbach  1356.  Erwähnt  werden  auch 
eine  Anzahl  Priester:  archipresbiter2)  de  Oberchirche  Argentinensis  diocesis  1220,  Bert- 
holdus  decanus  in  Oberchirche  1270,  F.  decanus  in  O 1279,  bruder  Wolvelin  der  lutpriester 
fon  Obernkirche  1289,  frater  Heinricus  de  Omnibus  sanctis,  viceplebanus  in  O.  1291.  Die 
beiden  Kapellen  in  Oberkirch  waren  nach  Nußbach  eingepfarrt.  Schon  im  Stiftungsbrief 
des  Klosters  Allerheiligen  hatte  Uta  diesem  das  ins  patronatus  in  der  Kirche  zu  Nußbach 
mit  allem,  was  dazu  gehört,  übergeben ; ausdrücklich  werden  darunter  wenig  später  die 
Kapellen  in  Oberkirch  und  Oppenau  genannt.  Das  Kloster  hatte  die  Pfarrer  zu  ernennen, 
die  aus  der  Zahl  seiner  Chorherren  genommen  wurden  und  vom  Bischof  bestätigt  sein 
mußten.  Es  scheint  eine  Pfarrwohnung  in  Oberndorf  bestanden  zu  haben.  In  der 
eigentlichen  Stadt  bezw  ihren  Vorstädten  besaß  das  Kloster  einen  Hof,  das  Propstei- 
gebäude: »zu  Oberkirche  in  der  stat  des  closters  hof  zu  Allenheyligen  1357«,  eine  Mühle: 
»der  herren  von  A.  mule  by  O.  1300«,  eine  Badstube:  »die  groß  badstube  mit  der 
zugehörde  gelegen  zu  Oberkirch  in  der  statt  an  dem  Mülbach,  die  Eberlin  Bader  von 

*)  Kolb  111,  S.  8. 

2)  Danach  war  es  schon  dismembriert  von  Nußbach,  immerhin  ist  es  seltsam,  daß  noch  1365 
nur  eine  Kapelle  erwähnt  wird. 


AMT  OBERKIRCH.  — OBERKIRCH. 


273 


Wolfach  umb  den  convent  zü  Alienheiligen  gelehenet  hat«  1446,  nach  Fecht1)  noch 
ein  Pitanzhaus  (Mönchsspeisehaus),  einen  Weinkeller  und  einen  wohlbesetzten  Klosterkeller 
(wohl  in  dem  Klosterhof).  Der  Oberpfarrer  von  Oberkirch  war  Großkellerer  des  Klosters. 

Der  heutige  Bau  stammt  aus  dem  J.  1863,  doch  scheinen  mir  bei  dem  Chor 
die  alten  Grundmauern  des  gotischen  Chors  benutzt  zu  sein.  Nach  Kolb2)  wurde  die 
Kirche  erst  nach  dem  Brand  der  Stadt  in  den  Franzosenkriegen  aus  den  Ruinen  der 
alten  Kapelle  erweitert  und  i.  J.  1761  bei  der  damaligen  bischöflichen  Visitation 
die  Erlaubnis  erteilt,  »den  Sonn-  und  Feyertäglich  vormittägigen  Gottesdienst  darinn  zu 
halten«.  Da  Kolb  aber  vorher  (S.  8)  von  der  in  gotischem  Geschmack  gebauten 
Pfarrkirche  spricht,  so  vermute  ich,  daß  vor  dem  Brand  schon  eine  größere  Kirche  hier 
gestanden,  die  nachher  barock  ausgebaut  und  in  unserem  Jahrhundert  umgebaut  wurde. 
Das  Untergeschoß  des  Turmes  blieb  aber  stehen  bezw.  wurde  verwendet,  und  hier  ist 
das  Kreuzgrabgewölbe  mit  abgespitzten  Konsolen  und  ein  Spitzbogenfenster  erhalten. 

Aus  der  alten  Kirche  sind  noch  einige  Reste  herübergenommen  worden: 

An  der  Südwand  des  Chores  Sandsteinplatte  mit  der  Inschrift 

jiimo  ♦ DDI  ♦ OICCG  . 

XXXVII  . Kh  ♦ ÖIKII  ♦ BCÄ 

e ♦ fiGC  . CÄpeiiiiK  ♦ ja:  ♦ fiero 

f^ICO  ♦ ßCVLSCSO  D CO 

♦ ne  * oß^Ki^cite 

An  der  Nordwand  eine  kleinere  viereckige  Platte,  unten  zwei  Wappen,  das  eine 
mit  Pflugschar,  das  andere  mit  Rad  und  Bohrer,  darüber  in  schlechter  Minuskel : 

Uff  botterftag  ben  iuny  St'nno  • • 
ftrsvti  ftarb  bic  erfam  frata  • bar : 
tiara  • feglein  joljan  helfen  • cljelirijc 
ftau^frata  bereu  feelen  gott  genabe 
amen 


An  der  Fassadenwand  im  Innern  zwei  Epitaphien,  das  nördliche  zeigt  ein  Mittel- 
feld mit  skulpiertem  Vorhang  in  derbem,  aber  wirkungsvollem  Rocaillerahmen  mit 
Pilastern,  flachrundem  Giebel  etc.  mit  dem  Allianzwappen:  ein  Vogel  auf  einem  Dreiberg 
und  zwei  Löwen.  Auf  dem  Mittelfeld  die  übliche,  langatmige  Aufforderung  an  den 
Vorübergehenden,  unten  in  Rocaillekartusche : 

q_Va  sVMVs 
hInC  nostros 

also  1726.  plE  lEsV  faC  IbI  nIDos 

Das  südliche  Epitaph  zeigt  auf  ausbauchendem  Sockel  mit  den  Todeszeichen  eine 
giebelbekrönte  Platte,  darauf  eine  lange  Inschrift  in  Kapitale : 

JOH.  CHRISTOPHOR.  FISCHER,  FÜRSTBISCHÖFLICHER  ADMINI- 

STRATOR IN  OBERKIRCH  f 26.  DEZ.  1725  etc. 

ü Fecht  a.  a.  O.  S.  85. 

2)  Kolb  III,  S.  11. 


Epitaphien 


Band  VII. 


274 


KREIS  OFFENBURG. 


Kirchengeräte 


Holzfiguren 


Pfarrhaus 


Kelch 


An  der  Eingangswand  hängt  auch  noch  ein  Gemälde  des  i7.Jhs.:  die  Heilung 
eines  Kranken  durch  den  h.  Cyriacus. 

In  der  Sakristei  eine  Anzahl  Kirchengeräte  aus  dem  18.  Jh. : 

eine  Sonnenmonstranz,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  einem  Baumblattzeichen; 
ein  Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  Rocailleornamenten,  hübsche  Arbeit, 
Augsburger  Beschauzeichen,  darunter  M und  ITH; 

ein  weiterer  Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  vom  Ende  des  1 8.  Jhs.,  mit  Dekor 
im  späten  Louis  XVI.- Stil,  Zeichen:  CAS  und  ?; 

ein  dritter  ähnlicher  der  gleichen  Zeit,  Augsburger  Zeichen,  darunter  H und 
weiter:  I A • S •; 

ein  Speisekelch,  silbervergoldet,  getrieben,  im  Empirestil,  mit  Aufschrift: 
13  Netzei  13; 

dazugehörig  ein  schweres  goldgesticktes  Tuch  aus  der  gleichen  Zeit; 
ein  kleinerer,  schlichter  Kelch,  ebenfalls  mit  Decke  in  Hochstickerei; 
ein  Wettersegen,  kupfervergoldet,  mit  aufgesetzten  Ornamenten  des  1 8.  Jhs. ; 
getriebene  Silberfigürchen  des  h.  Cyriacus  und  der  Frau,  der  er  den  Teufel 
austreibt,  40  und  25  cm  hoch,  nicht  gerade  feine,  aber  gefällige  Arbeit  vom  Anfänge 
des  18.  Jhs. ; 

ein  modernes  Missale  mit  alten,  silbernen  Rocaillebeschlägen ; 
kupfervergoldete  Wein-  und  Wasserkännchen  mit  Platte,  getriebene  reichere 
Rocaillearbeit,  ohne  Zeichen,  in  gepreßtem  Lederetui; 

eine  Anzahl  holzgeschnitzter  Reliquiare  aus  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jhs. ; 
zwölf  Meßgewänder  (Casein)  mit  Zubehör,  in  den  verschiedensten  Arten  der 
Stickerei,  eines  in  Silber  gestickt,  andere  gewebt,  wie  immer  geschmackvolle  Arbeiten 
des  18.  Jhs.; 

eine  drittellebensgroße  Holzfigur  des  Christus  im  Grab,  aus  dem  17.  Jh.;  ähnlich 
ein  Auferstandener; 

etwa  80  cm  hohe  Figur  der  Immaculata,  hübsche,  schwungvolle  Arbeit  vom 
Anfänge  des  18.  Jhs.; 

ein  Ledersessel  mit  geschnitztem  Fuß,  angeblich  aus  Allerheiligen,  17.  Jh. 

Das  Pfarrhaus , in  dem  sich  auch  das  Großh.  Finanzamt  befindet,  ist  das  ehemalige 
Propsteigebäude,  das,  1798  verbrannt,  sogleich  wieder  aufgebaut  wurde  und  über  seinem 
Tor  das  Doppelwappen  des  Klosters  und  des  letzten  Abtes  aufweist.  Ein  schlichter  Bau 
im  einfachen  Klassizismus. 

In  demselben  wird  ein  aus  Allerheiligen  stammender  Kelch  aufbewahrt,  silber- 
vergoldet mit  getriebenem  Band-  und  frühem  Rocailleornament  und  je  drei  Email- 
medaillons am  Fuß : darstellend  Sebastian,  Cyriacus  und  eine  Heilige  im  Feuer,  Augs- 


burger Zeichen,  darunter  E und 


Die  Emails  hervorragend  feine  Arbeiten. 


Ebenda  ein  weiterer  Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  Emailmedaillons  und 
Ornament  in  gleichem  Stile,  Augsburger  Zeichen,  sehr  gute  Arbeit; 

ein  Kelch  vom  Ende  des  18.  Jhs.  in  schöner  Einfachheit; 
ein  Speisekelch,  kupfergetrieben,  vergoldet,  aus  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jhs. 
und  eine  silberne,  vergoldete  Krone  des  18.  Jhs.,  die  ihn  krönte,  sowie 


AMT  OBERKIRCH.  — OBERKIRCH. 


275 


eine  goldgestickte,  weiße  Abtsmitra  aus  Allerheiligen; 
ein  schlichter  Abtsstab  ebendaher  vom  Ende  des  18.  Jhs. 

und  auf  dem  Speicher  eine  Holzfigur  des  18.  Jhs.:  der  h.  Markus  mit  dem 
Löwen;  ’/2 Lebensgröße. 

Südlich  vor  der  Kirche  ein  Kruzifix  von  1772  auf  Rocaillepostament. 

Uber  der  Rench,  gegen  die  Fürsteneck  zu,  liegt  der  Zinken  Oberdorf  ] wie  schon 
erwähnt,  wohl  die  älteste  Ansiedelung,  die,  nachdem  sich  der  Ort  hauptsächlich  auf  das 
rechte  Ufer  der  Rench  hinübergezogen  hatte,  diesen  Namen  erhielt.  Wir  hören  1291 
von  villa  Oberndorf,  in  dem  obern  dorf  1316  etc.  1271  verkauft  Graf  Heinrich  von 
Fürstenberg  »dimidietatem  ville  Oberndorf  cum  Omnibus  attinentiis  infra  bannum  eiusdem 
ville  situatis  domino  H.  episcopo  Argentinensi  nomine  ecclesie  sue«. 

Die  auf  dem  Friedhof  liegende  Kapelle  »ad  S.  Marcum«  birgt  noch  die  Reste 
eines  Raues  aus  dem  12.  Jh.,  also  vielleicht  der  ältesten  Kultstätte  Oberkirchs.  Erwähnt 
wird  eine  »ecclesia  de  Oberndorf  iuxta  Fürstenecke  1299;  als  Patron  1452  S.  Nicolaus 
Fpiscopus  genannt.  Neben  dem  patronus  principalis  S.  Marcus  sind  patroni  secundarii 
Nikolaus  und  Margaretha.1)  Das  Patronat  erhielt  mit  dem  über  die  Mutterkirche  Nußbach 
Allerheiligen,  und  so  hören  wir  denn  1355  (Kopie  17.  Jhs.),  »daß  Eberhart  der  probst 
von  Allenheyligen  kürchherre  über  daß  Oberdorff«  genannt  wird.  1464  wird  ein 
plebanus  erwähnt. 

Der  Chor  der  Kapelle,  wohl  auch  der  Chor  der  alten  Kirche,  war  zugleich  das 
Erdgeschoß  ihres  Turmes  (5,40  zu  5,40  m)  und  ist  ähnlich  dem  in  Nußbach  von  einem 
Kreuzrippengewölbe  mit  breiten  flachen  Gurten  als  Rippen  überdeckt,  die  auf  Säulen 
ruhen,  deren  primitive  Würfelkapitelle  einfach  durch  Abschrägung  der  unteren  Kanten- 
hälfte entstanden  sind.  Der  Rundbogen  zum  Langhaus  ruht  auf  Pilastern  mit  durch 
Wulst  und  Platte  gebildetem  Kämpfer.  Basis,  auch  der  Säulen,  wohl  unter  jetzigem 
Boden.  Nach  Norden  und  Süden  kleine  Rundbogenfenster  mit  abgeschrägter  Laibung, 
am  äußeren  noch  der  einfache  abgeschrägte  Sockel.  Der  Vorbau  stammt  aus  dem  19.  Jh. 

Auch  der  Friedhof  ist  ohne  ältere  Monumente,  nur  ein  Kruzifix  auf  Barocksockel 
von  1773. 

In  der  Nähe  der  Kirche  lag  die  kleine  Frauenklatise:  die  gaischlichen  vrowen 
in  der  closen,  die  closenerinnen  in  dem  Oberndorfe  bi  Oberkirch  in  dem  bistume  von 
Straßburg  1316,  priorissa  et  sorores  incluse  inclusorii  in  Oberndorf  prope  Oberkirch  1381; 
die  geistlichen  frowen  uff  der  close  in  dem  Oberndorff  by  der  statt  Oberkirch  ge- 
legen 1482.  Sie  war  dem  Predigerkloster  zu  Straßburg  unterstellt  und  diente  meistens 
zur  Unterbringung  und  Versorgung  der  Töchter  des  benachbarten  Adels,  die  wir  auch 
öfters  als  Priorinnen  treffen.2)  Am  Ende  des  15.  Jhs.  scheint  eine  gewaltige  Sitten- 
losigkeit  in  der  Klause  eingerissen  zu  sein,  und  auf  Antrag  des  Propstes  Johann  von 
Allerheiligen  hob  daher  Bischof  Albrecht  von  Straßburg  die  Klause  auf  und  übergab  ihre 
Güter,  Einkünfte  und  alle  Rechte  der  neugegründeten  Kirche  in  Lautenbach,  in  der 
dafür  — so  wurde  im  nächsten  Jahre  bestimmt  — täglich  eine  Messe  zum  Seelenheil 
der  Stifter  und  Wohltäter  und  deren  Nachkommen  gelesen  werden  mußte.  Desgleichen 
sollte  viermal  im  Jahre  in  der  Pfarrkirche  zu  Oberkirch  ein  feierliches  Totenamt  stattfinden. 

x)  FDA.  NF.  III,  S.  314. 

2)  Ruppert,  FDA.  24,  S.  294  ff. 

18* 


Mitra 


Oberdorf 


Kapelle 


Eingegangene 

Frauenklause 


276 


KREIS  OFFENBURG. 


Von  den  Gebäuden  dieser  Klause  ist  heute  nichts  mehr  erhalten. 

Eingegangenes  Ebensowenig  von  dem  Kapuzinerkloster , das  nach  Kolb1)  in  def  Vorstadt 

Kapuzinerkloster 

Allment  am  unteren  Tor  lag  und  1696  und  1697  erbaut  wurde  »mit  einer  schönen 
Kirche,  wo  sich  unter  der  Kapelle  des  h.  Fidelis  die  Totengruft  befindet«. 

Unter  den  Profangebäuden  ist  zunächst  zu  nennen: 

Amtsgebäude  Das  Amtsgebäude  (Nr.  176),  in  dem  Bezirksamt  und  Amtsgericht  untergebracht 

sind.  Es  zeigt  über  dem  Portal  das  Wappen  der  Herrschaft  Oberkirch  und  des  Joh.  Ev. 
von  Bodeck,  Geh.  Rat  und  Oberamtmann  der  Herrschaft  Oberkirch,  welcher  dies  Haus 


Fig.  164.  Oberkirch.  Straße  mit  Riegelhäusern. 

erbaute,  nachdem  das  frühere,  i.  J.  1688  gebaute  i.  J.  1689  mit  der  ganzen  Stadt  ab- 
gebrannt war.2)  Darunter  die  Jahreszahl  17-04. 

Hof  derer  von  Das  heutige  Gasthaus  »Zur  Sonne«  ist  der  (teils  umgebaute)  ehemalige  Hof  derer 

von  Neuenstein,  den  sie,  wie  viele  Geschlechter  der  Umgegend,  in  der  Stadt  besaßen. 
Im  Hofe  bemerkenswert  die  alte  Wendeltreppe,  in  dem  üblichen  polygonalen  Grundriß 
mit  schräg  ansteigenden  Fenstern.  Eine  Tür  führt  zu  ihr  mit  geradem  unverzierten 
Sturz,  auf  Pfosten,  die  aus  dreifach  voreinander  gelegten  Pilastern  bestehen,  deren 
Fläche  durch  Medaillons  und  Rankenwerk  ausgefüllt  wird;  ebenso  entsprechend  ver- 
dreifacht der  Sockel  mit  einer  ausgehauenen  Raute  als  Verzierung.  Uber  der  Tür  in 

x)  Kolb  m,  S.  8. 

2)  Zentner  a.  a.  O.  S.  227. 


Tafel  X 


Gasthaus  t>7.nr  Linde«,  in  Oberkirch. 


AMT  OBERKIRCH.  — OBERKIRCH. 


277 


großer  Rollwerkkartusche  das  Allianzwappen  Neuenstein  - Zorn  von  Bulach  mit  der 
Umschrift: 

JOHANN  ADAM  VON  NE  VENSTEIN  ANNA  MARIA  ZÖRNIN  VON 

BULACH  ANNO  J6Z9. 

Gute,  dekorative  Arbeit  der  Renaissance.  — Im  Innern  des  Treppenhauses  noch 
die  fünf  untersten  steinernen  Stufen  und  der  Ansatz  der  Spindel.  Am  Torbogen  des 
Hinterhauses  die  Jahreszahl  T609. 

Am  geradsturzigen  Türchen  an  der  Hauptstraße  flache  Hohlkehlen  nebst  Rundstab 
und  das  Zeichen: 

Ein  stark  umgebautes  Haus  aus  den  Zeiten  der  Renaissance  findet  sich  noch,  wenn 
man  durch  den  Hundschen  Torbogen  hindurchgeht.  Hier  ist  (später  eingemauerc)  noch 
eine  Tür  mit  geradem  Sturz,  die  Seitenwände  durch  Rundstäbe  und  Hohlkehlen  gegliedert, 
am  Sturz  vier  Wappen  und  zwischen  ihnen  die  Zahl  1579,  am  rechten  Pfosten  das 

Zeichen:  Gegen  die  Seitengasse  sowie  gegen  den  Kanal  zu  ist  das  Haus  ein 

stattlicher  Riegelbau,  ohne  besonders  hervorzuhebendes  Schnitzwerk.  Im  Erdgeschoß 
der  Giebelfassade  wieder  eine  Tür  mit  einfacher  Abfasung  und  Hohlkehle  am  Gewände, 

L <§> 

In  dem  gleichen  Gäßchen  wie  die  obenerwähnte  Tür  noch  eine  schlicht  profilierte 
Tür  mit  der  Jahreszahl  1727. 

Das  Gasthaus  »Zur  Linde«  besteht  aus  zwei  äußerst  malerischen,  stattlichen  Riegel- 
bauten (Tafel  X),  von  denen  der  jetzt  als  Nebengebäude  gebrauchte  der  ältere  ist. 
Besondere  Schnitzereien  finden  sich  wenig,  nur  an  den  Eckpfosten.  An  einem  derselben 
steht  eingekratzt: 

So  ly  Deo  Gloria 
Christian 
Fischer 
am 

Wirdt  und  Gast 
geber  zur 
Linden. 

An  diesem  Haus  auch  schmiedeeiserner  Wirtshausschild  des  18.  Jhs.  An  einer 
Kellertür  noch  zu  lesen : J 6 ■ hF  H • l 5 9-  Hier  noch  steinerner  Ofenfuß  eingemauert 
mit  Wappen  der  Fischer.  Eine  Holzbalustergalerie  führt  hinüber  zu  dem  jetzigen  Haupt- 
gebäude mit  ähnlichem  Fachwerk.  Einige  Türen  mit  verwaschenen  Hohlkehlen  und 
Rundstäben,  teilweise  in  Voluten  endigend  (s.  Fig.  165),  erinnern  an  das  17.  Jh. 

Die  Apotheke  ist  ein  schlichter  Bau  des  1 8.  Jhs.  mit  einfachem  schmiedeeisernen 
Gitter  an  den  Fenstern  und  an  dem  Balkon,  der  von  mächtigen  Delphinen  getragen 
wird.  An  der  Apotheke  angebaut  tragen  zwei  Pfosten  mit  Maskerons  (ehemaliger  Brunnen- 
ausfluß) auf  stark  ausgebauchtem  Sockel  die  Barockstatue  des  h.  Nepomuk  (Sandstein). 
Hervorzuheben  im  Ort  noch : 

In  der  Hauptstraße,  von  einem  ehemaligen  Brunnen  herrührend,  auf  sechseckigen 
Pfosten  ein  Löwe  mit  dem  Wappen  des  Bischofs  Johann  von  Manderscheid-Blankenheim. 


am  Sturz  steht 


1 


Brunnen 


278 


KREIS  OFFENBURG. 


Ö3EKKIKCH- 

CLsihatts  zur  Linde  • 

'fraj\]ah)^.u\e. 

aer  vorderen.  Zin^an^s  • 


cJfr  Vint«rm(Cjar+erO 
Ein^arujstür  . 


Laut  Aufschrift  von  diesem  errichtet  und  1895  renoviert.  An  der  Bekrönung  des 
Pfostens  die  alte  Jahreszahl  1570. 

Zwischen  Haus  Nr.  137  und  Nr.  141  der  Durchgang  zur  Kirche:  ein  Spitzbogen 
mit  Hohlkehle  und  birnenförmigem  Wulst,  im  Scheitel  ein  Schild  (ehemals  mit  Wappen), 
darüber  die  Mauer  emporgeführt  und  auf  derselben  eine  kleine  Ädicula  mit  kielbogen- 
förmiger Nische,  in  der  die  Holzfigur  einer  Pieta,  wohl  aus  dem  16.  Jh.,  in  dem  nach- 
klingenden spätgotischen  Stil,  aufgestellt  ist.  Der  Bogen  wohl  15.  Jh.  Eine  neue  Inschrift 

besagt  allerdings:  Erbaut  1337, 
renoviert  1896.  Im  Durchgang  ein 
ehemaliges  Kapitell  eingemauert 
mit  Rosette,  drei  Fischen  und 
17  • M F • 3+- 

Gegenüber  am  Haus  Nr.  140 
Durchfahrtsrundbogen  mit  Wulst  und 
Hohlkehle  profiliert  und  mit  von  Voluten 
flankiertem,  verwischtem  Wappen  am 
Scheitel  sowie  der  Jahreszahl  15-82. 

Gegenüber  der  Kirche  am  Haus 
Nr.  230  Sandsteinstatue  des  h.  Nepo- 
muk, Mitte  des  18.  Jhs.,  in  der  damals 
beliebten  aufgeregten  Stellung. 

Am  Haus  Nr.  13 1 in  schlichter 
Nische  ansprechende  Madonnenfigur 
des  18.  Jhs. 

In  der  Nähe  des  Gasthauses  »Zur 
Linde«  Kruzifix  aus  Sandstein,  am 
Sockel  Rollwerkschild  mit  verwischter 
Umschrift  um  1700. 

Gegenüber  auf  Rocaillepostament 
die  zweidrittellebensgroße  Sandsteinstatue 
des  h.  Wendel  mit  dem  Datum  1711. 
Wirtshausschild  Am  Gasthaus  »Zum  (goldnen?)  Adler«  schmiedeeiserner  Wirtshausschild  des  1 8.  Jhs. 

Rathaus  Im  Rathaus  werden  Zunftkannen,  Hellebarden  und  andere  Altertümer  aufbewahrt. 

Bildstöckle  Am  Weg  von  Oberkirch  nach  Lautenbach  ein  Bildstöckle  des  18.  Jhs.  sowie  in 

Kruzifix  einem  Anwesen  ein  Kruzifix , fast  lebensgroß,  mit  Maria,  auf  geschwungenem  Rocaille- 
sockel  und  Kartusche  mit  teilweise  zerstörter  Inschrift  sowie  (Schauenburgschem)  Wappen. 
Am  Weg  nach  Odsbach  Bildstock  des  Ciriak  Hallier  und  Kreuz  aus  dem  18.  Jh. 


Fig.  165.  Oberkirch.  Türablauf  am  Gasthaus  » Zur  Linder.. 


ÖDSBACH 

Schreibweisen:  Otesbach  1347;  Otenspach  1350;  Ötspach  1386;  Ödspach  1499  etc. 
(Bach  des  Otine.) 

Ortsgeschichte:  Ödsbach  bestand  im  Mittelalter  aus  freiburgischen  und  eber- 
steinischen  Lehen  der  Schauenburger  und  Staufenberger.  Doch  gehörte  es  später  zur 


AMT  OBERKIRCH.  — OPPEN  AU.  279 

Herrschaft  Oberkirch,  zum  weltlichen  Besitz  des  Bistums  Straßburg,  und  wurde  1803 
badisch.  — Die  Waldgenossenschaft  des  Mooses  hielt  ihr  ehemaliges  Waldgericht  zu 
Odsbach  unter  der  Linde.  Neuordnung  der  Waldgerechtigkeiten  1527. 

Kapelle  ad  S.  Jacobum.  Kleiner  Bau  des  18.  Jhs.  auf  älterer  Grundlage:  gekuppelte 
Rundbogenfenster  in  der  Altarwand.  Holzfigur  der  Madonna,  18.  Jh.,  gut  bemalt. 

An  der  den  Ort  durchziehenden  Landstraße  ein  Kreuz  von  1687  sowie  ver- 
schiedene Bildstöckle.  An  dem  Weg  nach  Lautenbach  ebenfalls  solche  des  18.  Jhs. 
und  ein  Rokoko-Kruzifixus  von  1730. 

Auf  dem  Weg  von  Giedernbach  nach  Lautenbach  zweidrittellebensgroße,  flotte 
Sandsteinstatue  der  Immaculata  in  der  geschwungenen  Haltung  des  18.  Jhs.  auf  üblichem 
Rocaillesockel  von  1750. 


OPPENAU 

Schreibweisen:  ad  Noppenow  in  Martnowa  ca.  1070  bis  1092;  Openowe  zweite 
Hälfte  des  12.  Jhs.;  Noppenowe  1289;  Oppinaue  1294;  in  valle  Noppenowe  1316; 
Noppenower  tal  1321  etc.  (Au  des  Noppo.)  1347  hören  wir  von  einer  »villa  in  valle 
Noppenowe«;  1395  heißt  es  »zu  Noppenowe  in  dem  dorf« ; 1381:  »der  farnd  ob  der 
stad  zu  Nopenouwe«. 

Literatur:  Das  Oppenauer  Hubrecht  aus  dem  XV.  Jh.,  Z.  III,  484;  außerdem 
Zentner,  Das  Renchtal,  S.  221,  und  die  allgemeinen  Schriften. 

Ortsgeschichte:  Oppenau  scheint  ursprünglich  Reichsgut  gewesen  zu  sein.  13x6  über- 
trug König  Friedrich  dem  Straßburger  Bischof  Johann  I.  von  Dirpheim  alle  Reichsleute, 
die  in  der  Stadt  Renchen,  im  Noppenouwer  Tal  etc.  wohnten.  Es  war  das  ein  großer 
Schritt  weiter  zu  dem  von  den  Bischöfen  erstrebten  Ziel  der  Landesherrschaft  über  das 
ganze  Renchtal.  In  Frage  gestellt  wurde  diese  Erwerbung  durch  König  Ludwig  den 
Bayer,  indes  kam  eine  Vermittelung  zu  stände,  die  den  Besitz  tatsächlich  dauernd  machte, 
da  die  Pfandsumme  von  4000  Mark,  die  dem  Bischof  als  Ersatz  für  den  in  Benfeld  durch 
Ludwigs  Partei  erlittenen  Schaden  zugesagt  war,  natürlich  niemals  gezahlt  wurde.  ’)  Zu- 
gleich waren  die  Bischöfe  eifrig  bestrebt,  ihren  Grundbesitz  in  der  Gegend  zu  vermehren. 
So  hören  wir  1319  von  dem  Ankauf  von  Grundstücken  in  dem  Noppenauer  Tal.  Auch 
gelang  es  ihnen,  das  stattliche  Gut  des  Klosters  Allerheiligen  und  die  dazugehörige, 
über  dem  Ort  liegende  Burg  Friedberg,  von  der  heute  keine  Reste  mehr  vorhanden  sind, 
durch  Tausch  von  dem  Kloster  Allerheiligen  zu  erwerben.  Oppenau,  das  bis  zum 
J.  1803,  wo  es  badisch  wurde,  nun  zum  weltlichen,  rechtsrheinischen  Gebiet  des 
Bistums  Straßburg  gehörte,  zur  Herrschaft  Oberkirch,  machte  deren  schon  mehrfach 
geschilderte  Schicksale  mit.  Es  war  später  eines  der  sechs  Gerichte  der  Herrschaft,  und 
zwar  gehörten  zu  ihm* 2)  Guckinsdorf,  Bocksberg,  Fohren,  Ottersberg,  Ebene,  Ansätze  und 
Nordwasser,  Heimburgerturm,  Ramsbach,  Ibach,  Löcherberg,  Freiersbach,  Rüstenbach, 
Döttelbach,  Rench,  Maisach  und  Lierbach.  Bald  nach  der  Erwerbung  — nach  Kolb3) 
noch  von  Johann  I.  — wurde  es  zur  Stadt  erhoben  und  befestigt.  Es  hatte  zwei  Tore, 


Kapelle 


Bildstöcke  und 
Kruzifixe 


Ortsgeschichte 


*)  Fritz  a.  a.  O.  S.  1 5 1 ff. 

2)  Fecht,  Allerheiligen2,  S.  104. 

3)  Kolb  III,  S.  39. 


28o 


KREIS  OFFENBURG. 


das  eine  ins  Lierbachtal  zu,  das  andere  dem  Renchtal  zugewandt.  1383  hören  wir  von 
»unter  der  linden  upwendig  der  muren  zu  Noppenowe«.  Unter  seinen  Bewohnern  befanden 
sich  im  i5-Jh.  eine  Anzahl  Zinsleute  der  Herren  von  Neuenstein.  1615  brannte  die 
ganze  Stadt  und  damit  auch  das  Schloß  Friedberg  ab.  1689  wurde  sie  dann  wiederum 
von  den  Franzosen  verbrannt  nach  vorheriger  Plünderung.  1701  erneuerte  Kaiser 
Leopold  der  Stadt  ihre  Rechte  und  Gewohnheiten  nach  dem  Vertrage  von  1526;  1667 
erhielt  Oppenau  den  Johannismarkt,  1758  zwei  weitere  Jahrmärkte  und  einen  Wochen- 
markt. — Gegen  das  Renchtal  zu  lag  vor  dem  Tor,  sich  hinauf  bis  in  die  Nähe  der 
alten  Pfarrkirche  erstreckend,  die  Vorstadt  Allmend  und  eine  am  oberen  Tor,  die  noch 
heute  sich  abtrennt. 

Befestigung  Von  der  ehemaligen  Befestigung  steht  nur  noch  das  Tor  gegen  das  Lierbachtal 

zu,  das  wohl  nach  dem  Brande  im  16.  Jh.  erneuert  wurde;  es  öffnet  sich  in  einfachem 
abgefasten  Spitzbogen  gegen  das  'Pal  zu,  flacher  Bogen  gegen  die  Stadt,  mit  steinernen 
Halten  für  die  Angeln.  Außen  am  Scheitel  in  Stuck  angeklebt  in  Rocaillekartusche  das 
bischöflich  Rohansche  Wappen. 

Kirchen  Kirchen:  Oppenau  war,  wie  Oberkirch,  mit  einer  Kapelle  Filiale  von  Nußbach. 

1196  kam  das  Patronat  von  Nußbach  mit  seinen  Kapellen  im  Stiftungsbrief  von  Aller- 
heiligen an  dieses  Kloster.  1225  wird  die  Schenkung  neu  bestätigt  und  dabei  die  Kapelle 
in  Oppenau,  wie  es  scheint  zum  erstenmal,  ausdrücklich  genannt,  auch  1226  als  Kapelle 
erwähnt.  1275  aber  hören  wir  von  der  ecclesia  de  Nopenowe,  sie  scheint  also  vorher 
schon  vom  Bischof  von  Straßburg  zur  Pfarrkirche  erhoben  worden  zu  sein.  Die  Rechte 
Allerheiligens  wurden  dabei  aber  anerkannt.  »C.  episcopus  Argentinensis«,  heißt  es, 
»preposito  et  conventui  fratrum  celle  Omnium  sanctorum  eiusdem  dyocesis  indulgemus, 
ut  deinceps  vobis  ecclesiam  de  Noppenowe,  in  qua  ius  patronatus  ad  vos  pertinere 
dinoscitur,  per  fratrem  vestri  monasterii  vel  professionis  eiusdem  loci  regere  et  procurare 
liceat  pleno  iure«  1381.  1270  hören  wir  von  einem  Conradus  plebanus,  1279  von 

A.  archipresbiter,  1336  von  dem  kirspel  zu  Noppenowe,  1464  von  einem  rector  ecclesie; 
1289  wird  ein  bruder  Henrich  der  Schiber  von  Noppenowe  der  lutpriester  genannt.  Die 
alte  Kirche  lag  auf  der  Höhe,  ihr  Chor  ist  noch  in  der  Friedhofkapelle  erhalten.  Patronus 
coeli  war  Johannes  der  Täufer.  Zu  ihr  gehörten  drei  Kapellen : eine,  ad  S.  Sebastianum, 
in  der  Stadt,  von  der  jetzt  keine  Spur  mehr  erhalten  ist,  die  zweite  im  Tal  des  Apostel- 
fürsten Petrus  und  die  dritte,  neu  errichtete  Mariä  Himmelfahrt  in  Griesbach,  Filiale  der 
letzteren.  (Visitationsprotokoll  von  1666.)’)  1668  kam  eine  Niederlassung  der  Kapuziner 
hinzu,  wie  es  heißt  vom  Bischof  gerufen,  da  im  Bistum  Mangel  an  Priestern,  auch  das 
Kloster  Allerheiligen  nur  dürftig  besetzt  war,  zur  Rekatholisiening  der  Gegend.  Sie 
versahen  unter  Aufsicht  des  Oppenauer  Pfarrers,  der  bis  1803  ein  Mönch  von  Aller- 
heiligen war,  die  Seelsorge  in  Griesbach  und  Peterstal.  Nach  Aufhebung  des  Klosters 
wurde  i.  J.  1807  dessen  Kirche  zur  Pfarrkirche  gemacht  und  die  unbequeme,  alte  auf 
dem  Berge  verlassen. 

Kath. Pfarrkirche  Dieser  kcith.  Pfarrkirche , natürlich  mit  gleichem  Titel  »ad.  S.  Johannem  Baptistam«, 

scheinen  aber  auch  die  Räume  der  alten  Kapuzinerkirche  nicht  genügt  zu  haben;  es 
wurde  sofort  zu  einem  Neubau  in  dem  Stil  der  Weinbrennerschen  Richtung  geschritten. 
Der  Bau  steht  heute  noch,  wie  immer  schlicht,  aber  mit  einer  recht  gefälligen  Logen- 


x)  FDA.  NF.  III,  S.  315. 


AMT  OBERKIRCH.  — OPPENAU. 


281 


anlage  zu  beiden  Seiten  des  Chors.  Auf  dem  Dachfirst  ein  etwas  verwittertes  Sandstein- 
kreuz hochgotischer  Zeit  aus  Allerheiligen. 

Altäre,  Kanzel,  Weihwassersteine  etc.  sind  in  dem  gleichen  klassizistischen  Stil  Innenausstattung 
gehalten,  ein  Weihwasserbecken  auf  polygonalem  Fuß  trägt  die  Jahreszahl  1600. 

In  zwei  Fenstern  des  Chors  sind  zehn  gemalte  Scheiben  angebracht  aus  der  Zeit  Giasgemaide 
von  1588  bis  1617,  nach  einer  Angabe  von  drei  Meistern:  Caspar  Rotgiesser,  Daniel 
Lindtmayr  oder  Barth.  Link  (?)  und  von  einem  Schüler  des  letzteren.  Acht  von  ihnen, 
ca.  40X30  cm  groß,  stellen  je  einen  der  damaligen  Gerichtszwölfer  dar  mit  seiner  Ehefrau, 
in  Renaissanceumrahmung  von  Säulen  und  Bogen,  Unterschrift  und  einer  Genrescene 
über  ihnen,  die  neunte,  sehr  zerstörte  zeigt  nur  noch  ein  Wappen,  die  zehnte  das  der 
Stadt  Oppenau.  Sie  dürften  wohl  aus  dem  alten  Rathaus  (s.  unten)  hierher  gebracht 
worden  sein.1) 

Am  südlichen  Fenster  beginnend,  stellen  sie  dar: 

1.  ßößicr  gcrirfjt^Vnclffcr 

ttnb  Cua  fein  — fjatlßftato  1617  (jeweils  dazwischen  das  Wappen); 
im  oberen  Bild  die  Erschaffung  der  Eva: 

$ott  nam  ein  Jtipp  auß  2tTbam*>  ICcib 
Jycfjuff  €üa  brauß  jtn  3Ü  ein  HPctb  gene  • ii; 

2.  £}anß  Xu-auu  — aßericfjt&toälffet 
üb  SCjjoloma  fein  — ftaußfratu  1617, 

darüber  der  Sündenfall: 

Die  cüa  Ijat  ber  Vudt  ba£  03lücft  bcrfomi 
3ln  frfjm erteil  itjrc  ßinber  gebaren; 

3.  ^an*>  gelber  griefjt  — gluclffer  311 
o^pcualn  raargret  — beglerm  fein 
ijauffraln  — 5Hnno  1588, 

darüber  ein  Genrebild ; 

4-  üacob  ...r  im  fatipaefj 

unb eljditfjc  ^au^frato 

$Cnno  — ..17, 

oben  ein  Genrebild  mit  Schweineherde; 

5-  Cfjriftniä  35crij  — lin  gridjt&toölfer 
1111b  o3erttraut  fehl  — Fjatiöfralu  1617, 

darüber  die  Arbeit  der  ersten  Menschen  dargestellt: 

‘Sübam  ficng  an  j^ftaii3en  unb  Hainen 
%ü  o3ntt  fielt  er  all  fein  bertljrauen ; 

6.  . . . jfeger  ge  — rtrtjtbjluelfcr  üb 
5Cg . . fein  cfjcltclj  — Ijau^fraln  1617, 

darüber  die  Ermordung  Abels  und : 

ßain  fdjlfig  feinen  trüber  3Ö  (Tobt 

03ott  ftrafft  ..n  ba|  er  iteff  in  not  gene  • ui; 

7.  sehr  zerstört,  nur  noch  die  rechte  Hälfte  teilweise  erhalten,  und  verwischte 
Inschrift : 


■*)  Sechs  weitere  von  hier  stammende  Scheiben  sind  nach  Schloß  Staufenberg  bei  Durbach  gelangt. 


282 


KREIS  OFFENBURG. 


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lutmutt  u-'iMtti’CÄit;  >’i 


- - jr 


.■JL. 


Fig.  166.  Wappen  de?'  Stadt  Oppe?iau. 

. . SHacoö  ^cfjmibt  unb  mar . 
gratjerin  fein  efjcftrfje  fjaita 

frata  25cbc  Bürger  311 

ata . jetso  6aftmeifter  uffm  ßnicbta 

. 610; 


AMT  OBERKIRCH.  — OPPEN  AU. 


283 


8.  die  Figur  des  Mannes  arg  zerstört: 


W>t . ausi  ma  . . . grirfjts^üicfffet  5Ö 

(Opcnata Jiancrifcrin  fein 

Cdirij t .....  t 3Cnno  1588; 


9.  nur  ein  Wappen,  teilweise  zusammengeflickt,  mit  verwischter  Unterschrift,  die 
ganz  unleserlich  ist; 

10.  das  Wappen  der  Stadt  Oppenau  (s.  Fig.  1 66),  unter  von  Karyatiden  ge- 
tragenem Gesims,  von  einem  Bär  mit  der  Fahne  gehalten.  Die  in  zwei  Abteilungen 
nebeneinander  angebrachte,  rechts  etwas  zer- 
störte Inschrift  lautet: 

«HW£  lnarbt  gcsalt  tiarij  gefturt  Ctjrifti 
im  «JlSonab  ben  brepfigften  SCugufti 
€üi  taufenb  Jjcrfjöijunbcrt  ftinfseijn  jar 
ba  taar  o^ppenau  in  Ijörfjfter  gefafjr. 

(ßurrfj  ein  entfianben  ^rijrocfiiirif c Brunft 
€ß  luar  alles;  Tüföfcfjcn  umbfonft 
W>aß  gantje  ^tättlin  . . fibronen  ift 
rißirijt  ein  ijauß  uffrerijt  geftitften  ift 
Sarfjmalen  bi fcs  Hattjjauß 
5Hnerbing^  Uon  4ßep  . . . 
bttrrij  nacijgefetste  . . 
llDtbcr  gctrantucn  nn 

Daljcr  fidj  Seiner  JB(?) 

. . VuoHe  fidj  ferner  iior  123  . . . 

Offnen  tiarij  btefeni  ju  . . . 

?lluff  afifterfien  baß  .... 

«Hinten  baß  Incrbc  attrij  .... 

4p»att  ödjüett  lncitter  lior  jfen  . . 

Diese  Scheibe  scheint  also  jedenfalls  aus  ~Hhhhu| 
dem  Rathaus  zu  stammen. 


In  der  Sakristei 


Kirchen  gerate : 


Fig.  167.  Grundriß  der  Friedhofskapelle 
in  Oppenau. 


einige 

große  Monstranz,  silbervergoldet,  getrieben,  am 
Fuß  Engelsköpfchen  und  Kreuztragungsrelief.  An  den  Strahlen  Relieffiguren.  Mitte 
des  18.  Jhs.,  Augsburger  Beschauzeichen  und  — Kelch,  silbervergoldet,  getrieben, 
in  den  Formen  des  beginnenden  18.  Jhs.  mit  Bandgeschlinge  am  Fuß  und  einem  Email- 


medaillon mit  der  Darstellung  der  h.  Familie. 


Zeichen  ? und 


V T 
L 


(?).  — Ein  weiterer 


Kirchen- 

geräte 


Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  in  spätem  Zopfstil,  Augsburger  Zeichen  und  I A B. 

— Eine  weiße  Casel  des  18.  Jhs. 

Die  Friedhofskapelle  ist  der  Chor  der  ehemaligen  Pfarrkirche,  der  allein  stehen  Friedhofskapelle 
geblieben  ist  (s.  Fig.  167).  Sie  ist  in  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen  und  öffnete 
sich  in  jetzt  zugemauertem,  großem  gedrückten  Spitzbogen  gegen  das  Langhaus,  jetzt 
in  späterer  Tür  auf  den  Friedhof.  Sie  ist  mit  einem  Netzgewölbe  (s.  Fig.  168)  über- 


284 


KREIS  OFFENBURG. 


deckt,  dessen  trocken  profilierte  Rippen  ohne  Konsolen  an  der  Wand  verlaufen.  Im 
mittleren  Schlußstein  (s.  Fig.  169)  das  Oppenauer  Wappen  und  die  Umschrift: 

& 1 öcr  1 gcritfjt  1 3110  1 noppnobb  1 


Kruzifixus 


IA6A  l 

Daraus  schloß  Mone1)  wohl  mit 
Recht,  daß  die  Kirche  durch  den  Ge- 
richtsstab erbaut  wurde.  In  einem 
anderen  Schlußstein  neu  gemalt  (nach 
vorhandenen  Resten?)  das  Wappen: 
drei  Berge  (?)  mit  Kreuz  darauf,  in 
einem  weiteren  die  segnende  Hand 
auf  dem  Kreuz. 

Zwei  einpfostige  Spitzbogenfenster 
mit  Fischblasenmaßwerk  und  ein  gerad- 
sturziges  Fenster  erhellen  den  Raum. 
In  der  Nordwand  eine  Tür  mit  geradem 
Sturz,  Hohlkehlen  und  sich  kreuzen- 
dem Stabwerk ; ebenda  eine  Sakra- 
mentsnische mit  spitzem  Kleeblattkiel- 
bogen. Gegenüber  an  der  Südwand 
Nische  im  Eselsrücken  geschlossen  und 
an  beiden  Wänden  noch  zwei  große, 
flachbogige  Nischen.  — Der  Bau  ist  aus  Bruchsteinmauerwerk  errichtet,  die  Gewände  etc. 
aus  rotem  Sandstein ; kleiner  späterer  Dachreiter.  Steinmetzzeichen  unter  der  dicken 
Farbe  unkenntlich. 

Im  Äußern  an  der  Südwand  überlebensgroßer  holzgeschnitzter  Kruzifixus  von  1713. 
Auf  dem  Friedhof  reiches, 


Fig.  168.  Getvölbe  der  Friedhofskapelle  in  Oppenau. 


Schmiedeeisernes  schmiede  eisernes  Kreuz  mit  Ranken 

Kreuz 

und  Stabwerk  aus  dem  18.  Jh. 

An  der  Straße  zum  Friedhof 
Sandsteinkruzifix  derbes  Sandsteinkrusifix  von  1701, 
laut  Inschrift  von  verschiedenen  Oppen- 
auer Bürgern  gestiftet. 

Pfarrhof.  An  der  Innenseite  der 
Wappenstein  Gartenmauer  ein  Wappenstein  des 
Abtes  Anastasius  von  Allerheiligen  ein- 
gemauert, mit  der  Unterschrift: 
PRAESULE  ANASTASIO 
SURGENT  QUAS  CERNI 
TIS  AEDES 

ANNIS  TER  DENIS  RITE 
GERENTE  LOCUM 


MDCLXXX  VII 


Fig.  169.  Schlußstein  iti  der  Friedhofskapelle  in  Oppenau. 


x)  Z.  VIII,  S.  432. 


AMT  OBERKIRCH.  — PETERSTAL. 


285 


Um  das  Wappen  später  eingemeißelt:  Lapis  hic  in  pristinae  domus  fronte  erat  1836. 

Von  Pnvaihäusern  ist  das  des  Leop.  Hodapp  zu  erwähnen  mit  einem  Erker 
und  der  Jahreszahl  1681  und  dem  Gerberzeichen  an  der  Türe,  deren  Gewände  abge- 
schrägt und  hohlgekehlt  sind,  sowie  das  Ökonomiegebäude  des  Gasthauses  »Zur  Sonne« 
mit  der  Jahreszahl  1682  an  der  ähnlich  profilierten  Tür.  — Beim  Apotheker  Junghans 
befand  sich  früher  ein  Bronzemörser  mit  der  Aufschrift  Soli  deo  gloria  1628. 

In  der  Hauptstraße,  zwischen  Kirche  und  oberem  Tor,  stehen  eine  stattliche  An- 
zahl Riegelhäuser,  leider  jetzt  verputzt.  In  ihrer  alten  Gestalt  wiederhergestellt,  würden 
sie  der  Straße  ein  sehr  malerisches  Aussehen  geben. 

An  den  von  Oppenau  ausgehenden  Straßen  einige  Kruzifixe  und  Bildstöcke  des 
17.  und  18.  Jhs.,  so  ein  Kruzifix  von  1775  auf  dem  Weg  nach  Lierbach,  eines  von 
1796  auf  dem  Weg  nach  Antogast  und  ein  solches  von  1681  auf  dem  Weg  nach 
Ramsbach. 

PETERSTAL 

Schreibweisen:  zu  sant  Peter  in  Noppenowertal  1360;  1399;  1416;  zu  Bestem- 
bach in  Noppenauwerthale  ob  sant  Peter  gelegen  ein  hofstatt;  Petersthal  1660. 

Literatur:  Tabernae  montanus  = Theod.  Jac.  Neuw  Wasserschatz.  Das  ist:  Von 
Allen  heylsamen  Metallischen,  Minerischen  Badern  und  Wassern,  Sonderlich  aber  von 

den  neuwen  erfundenen  Sawerbrunnen  zu  Langenschwallbach und  im  Schwartz- 

wald  in  dem  löblichen  Stifft  Strassburg  in  dem  Petersthal  . . — Vincentini  Angeli  Salae, 
tract.  duo,  in  specie : de  deux  Fontaines  dites  de  Greysbach  et  de  S.  Pierre  etc.,  Straß- 
burgi59o.  Deutsch  zur  gleichen  Zeit  ebenda.  — C.  Gras  ecci  u s,  Fons  salubris  scatebra 
Petrina,  Straßb.  1607.  — C.  Erhardt,  BadPetersthal  im  Großherzogthum  Baden  und  seine 
Stahlsäuerlinge,  Karlsruhe  1856.  — Fr.  vonWeech,  Zur  Geschichte  der  Renchbäder 
Antogast,  Freiersbach,  Griesbach  und  Petersthal  Ob.  28,  438 — 466.  — P.  (Pf aff),  Die 
Renchthalbäder  um  1644,  Monatsblätter  des  Badischen  Schwarzwaldvereins  III  (1900), 
Sp.  87  — 92.  Kraus,  Zur  Geschichte  der  Renchtalbäder,  Z.  NF.  21,  S.  60:.  Uber 
die  neuere  Bäderliteratur  s.  Kienitz  und  Wagner. 

Ansichten:  Merian,  Topographia  Alsatiae  1644,  S.  50.  — Zwölf  Ansichten  von 
Petersthal  mit  Antogast,  Freiersbach,  Sulzbach  und  deren  Umgebung,  Karlsruhe,  Müller,  o J. 

Geschichtliches : Schon  Ende  des  13.  Jhs.  lag  hier  (s.  unten)  eine  Kapelle,  nach 
deren  Titel  das  Tal  genannt  wurde.  Der  später  noch  erwähnte  Bistrichhof  wird  schon 
1196  genannt,  also  war  damals  das  Tal  schon  besiedelt.  1476  hören  wir  von  dem 
Bestenbachhof.  Die  Güter  des  Tales  waren  als  Lehen  von  Freiburg,  Eberstein  und 
Straßburg  in  den  Händen  des  Schauenburger  und  Staufenberger  Adels.  Der  Ort  gehörte 
zum  Bistum  Straßburg,  Herrschaft  Oberkirch.  Erst  im  16.  Jh.,  wohl  etwas  später  als 
der  Griesbacher,  scheint  der  Sauerbrunnen  bekannt  geworden  zu  sein.  1580  war  er  in 
einen  viereckigen,  hölzernen  Kasten  gefaßt.  Nach  der  Verpfändung  der  Herrschaft  an 
den  Herzog  Friedrich  von  Württemberg  nahm  dieser  lebhaftes  Interesse  an  den  Bädern 
und  erließ  1605  eine  Badeordnung.  1637  erfolgte  eine  neue  Ordnung  durch  Bischof 
Leopold.  Im  Anfang  des  1 7 . Jhs.  war  es  in  dem  Besitz  von  verschiedenen  Elsässern, 
von  denen  der  erste,  Odino,  nach  den  Mitteilungen  des  Graseccius,  die  bei  dem  großen 
Andrang  nicht  mehr  genügenden  Herbergen  etc.  in  einen  geeigneten  Stand  setzte.  So 


Privathäuser 


Ansichten 


Geschichtliches 


286 


KREIS  OFFENBURG. 


Kath.  Pfarrkirche 


präsentierte  sich  das  Bad  mit  einer  Anzahl  offenbar  ganz  stattlicher  Riegelbauten  (s.Fig.  170). 
Auch  genoß  es  den  Ruf,  daß  vortrefflich  für  des  Leibes  Nahrung  mit  Leckerbissen  aller 
Art  gesorgt  war1)  und  daß  dort  über  die  Maßen  lustig  gelebt  wurde.  In  den  folgenden 
Jahrhunderten  wechselte  das  Bad  verschiedentlich  die  Eigentümer,  im  18.  Jh.  kam  es  in 
den  Besitz  des  Klosters  Schlittern,  das  ein  neues  großes  Kurhaus  erbaute,  indes  auch 
keine  guten  Geschäfte  gemacht  zu  haben  scheint  und  das  Bad  offenbar  wie  Griesbach 
weiterverkaufte.  Als  1803  das  Gebiet  an  Baden  fiel,  nahm  sich  die  Regierung  der 
Bäder  an  durch  Unterstützung  der  Eigentümer.  Die  heutigen  Bauten  stehen  noch  an 
alter  Stelle,  entstammen  aber  alle  (wenigstens  im  Umbau)  dem  19.  Jh. 


Fig.  170.  Bad  Peterstal  im  Jahre  1644. 


Die  kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Petrum  et  Paulum).  1293  wird  erwähnt  die  »capella 
sita  in  parrochia  ecclesie  de  Noppenowe,  que  vocatur  vulgariter  die  wüste  capeile,  filia 
ad  ecclesiam  predictam  spectans  K.  Da  das  Patronat  von  Oppenau  (mit  Nußbach)  Aller- 
heiligen gehörte,  so  auch  diese  Kapelle.  1321  wird  sie  als  »capella  sancti  Petri  dicta  die 
wüste  capelle,  ecclesie  in  Noppenowe  attinens«  genannt.  Die  Erklärung  des  Beiworts 
findet  sich  in  folgender  Erwähnung:  »in  dem  thal  zu  Noppenauwe  zu  der  wüsten  Reynchen 
zu  sant  Peters  capeile  1381«.  Der  Gottesdienst  ist  wohl  durch  einen  Kaplan  von  Oppenau 
besorgt  worden.  1619  hören  wir  von  einem  »pfleger  sancti  Petri  im  thal«.  Nach  der 
Niederlassung  der  Kapuziner  in  Oppenau  1668  besorgten  diese  unter  Aufsicht  des 
Oppenauer  Pfarrers  den  Gottesdienst  in  Peterstal.  1801  aber  »zwang  der  Bischof  und 
Landesherr  das  Mediatkloster  Allerheiligen  zur  Erbauung  eines  Lokalkaplaneihauses  im 

*■)  S.  W e e c h a.  a.  O.  S.  440  f.,  Z e n t n e r a.  a.  O.  S.  26  ff.  und  Philander  von  Sitte- 
walds Schilderung  in  den  Visiones  de  Don  Queredo  etc.,  Straßburg  1642. 


AMT  OBERKIRCH.  — RAMSBACH.  (BARENBURG.) 


287 


Peterstal«,  und  1807  wurde  unter  badischer  Herrschaft  die  Kapelle  in  eine  »schöne, 
neue  Kirche«  umgewandelt.1)  18x7  erhielt  Peterstal  eine  eigene  Pfarrei. 

Der  heutige  Bau  stammt  aus  dem  Anfänge  des  19.  Jhs.  (auf  Grundmauern  des 
18.  Jhs.?)  in  üblicher,  schlichter  Erscheinung  mit  einem  vorgelegten  Turm. 

Altäre : Übliches  Barocktabernakel  mit  hübschem  Rocaillewerk  auf  dem  Hochaltar,  Altäre 
Putten  und  größere  Engel  in  Stuck,  darüber  mächtiges  Altargemälde  Aller  Heiligen, 

Werk  des  18.  Jhs.,  angeblich  aus  dem  gleichnamigen  Kloster  stammend.  Die  zwei 
Seitenaltäre  zeigen  den  üblichen  Barocksäulenaufbau  mit  Gemälden,  h.  Magdalena  und 
S.  Petrus  (?).  — Kanzel  im  gleichen  Stile.  — Roter  Taufstein  mit  kleinen,  viereckigen 
Pfeilern  am  Fuß.  — Vier  überlebensgroße  Holzfiguren  von  Heiligen,  dekorative  Arbeiten, 
i8.Jh.,  angeblich  aus  Allerheiligen. 

In  der  Sakristei:  zwei  silbergetriebene  Kelche,  einer  graviert,  der  andere  mit  auf- 

F I 

gelegtem  Silberornament  am  Fuß  sowie  Augsburger  Beschauzeichen  und  n . Kupferne 
Sonnenmonstranz,  Rokoko,  neu  vergoldet. 

Zu  Peterstal  gehört  noch  Freiersbach , das  als  Bad  erst  später  erkannt,  die  Freiersbach 
Geschicke  der  Gegend  mitmachte  und  1803  badisch  wurde.  Altes  ist  hier  nicht  erhalten. 


RAMSBACH 


Schreibweisen:  Ramesbach  1196;  Waltramesbach  1271;  Ramspach  1336  etc. 

Ortsgeschichte:  1196  schenkte  Uta  von  Schauenburg  dem  Kloster  Allerheiligen  Ortsgeschichte 
eine  Hube  in  Ramsbach.  Die  Gegend  gehörte  wohl  zu  altem  zähringischen  Besitz  und 
kam  daher  als  Erbe  an  die  Fürstenberg,  von  denen  wir  hören,  daß  sie  dieselbe  1271 
besitzen.  Bei  dem  Verkauf  der  Fürsteneck  durch  Udelhildis  kamen  auch  diese  Besitzungen 
an  das  Bistum  Straßburg,  Herrschaft  Oberkirch,  und  machten  der  letzteren  Schicksale 
mit,  bis  sie  1803  badisch  wurden. 

An  der  Landstraße  Bildstock  von  1752.  Bildstock 

Zu  Ramsbach  gehört  der  Zinken 

BÄRENBACH  mit  der  BÄRENBURG 

Geschichtliches : »Berenbach«  wird  1293  erwähnt,  1351  etc.;  nydern  boerenbach  Geschichtliches 
im  Noppenower  tal  1386.  Es  gehörte  offenbar  aus  der  zähringischen  Erbschaft  den 
Fürstenbergern,  die  auch  die  Burg  als  Lehen  zu  vergeben  hatten.  — Verschiedene 
Geschlechter  schrieben  sich  von  Bärenbach, 2)  eines  mit  dem  Staufenberger  Wappen,  das 
1297  bis  1363  vorkommt;  dann  ein  Zweig  der  Wolf  von  Renchen,  der  in  Gengenbach 
saß,  1360  bis  etwa  1448.  Ein  drittes  Geschlecht  nannte  sich  wohl  nach  dem  Zinken 
Bärenbach  im  Bezirksamt  Wolfach. 

Die  Burg  wird  im  14.  Jh.  erwähnt:  »bürge  zu  Berembach«.  »Wir  grave  Egen  Burg 
herre  ze  Friburg  han  verlühen  ze  rechtem  manlehen  Johannese  von  Bernbach,  Johannes 
von  Sneite  thoter  sune,  die  bürg  ze  Bernbach  sinen  teil  1312«.  — 1321  aber  verkaufen 


*)  Kolb  III,  S.  39. 

2)  Kindler  von  Kn  ob  loch  a.  a.  O.  I,  S.  33. 


288 


KREIS  OFFENBURG. 


»Burkart  und  Johannes  zwene  gebrüdere,  hern  Johanneses  seligen  eines  ritters  von 
Berembach  süne«,  aus  dem  oben  zuerst  genannten  Geschlecht,  dem  Bischof  Johannes 
von  Straßburg  und  seinem  Stift  »alles  ir  reht  an  der  bürge  Berembach  und  an  allen 
den  gutem,  die  sie  obewendig  des  gedoßes  in  dem  tale  zu  Noppenowe  mit  der  bürge 
von  grave  Cünrat  herre  ze  Friburg  hattent  zu  lehenne«.  1455  hören  wir  noch  einmal 
von  dem  »Schloß  Berenbach«,  das  wohl  nachher  irgendwie  zerstört  wurde. 

An  der  Stelle  der  Burg  liegt  nicht  etwa,  wie  Kindler  von  Knobloch  meint, 
heute  der  Bauernhof  auf  dem  ötschenfeld,  sondern  nur  in  der  Nähe.  Sie  krönt  eine 
etwas  vorspringende  Kuppe  des  Gebirges  über  dem  Renchtal,  159  m über  dem  Meere, 
die  nach  drei  Seiten  einigermaßen  schroff  abfällt.  Geringe  Reste  von  Mauern  aus 
Bruchsteinmauerwerk  erheben  sich  noch  über  den  Boden,  andere  sind  noch  in  Spuren 


Fig.  iyi . Plan  de r Barenburg  bei  Ramsbach. 


nachweisbar,  andere  endlich  nur  noch  an  der  Terraingestaltung  (s.  Fig.  171).  Die  größte 
Wehr  mußte  sich  gegen  die  Südseite,  die  Bergseite,  richten,  von  der  aus  man  heute  den 
Zugang  zur  Burg  findet.  Hier  scheint  ein  künstlicher  (?)  Graben  hergestellt  worden  zu 
sein,  in  dem  heute  die  Straße  läuft.  Von  dieser  abbiegend,  den  Fußweg  betretend, 
haben  wir  rechts  die  Reste  eines  5x6m  großen,  vorn  halbrunden  Baues  E,  einer 
Bastion  (?),  von  der  aus  die  Mauer  nach  Norden  zog.  Links  vielleicht  die  Spuren  eines 
Bergfriedes  A mit  etwa  4 m Weite  im  Innern  und  2 m starken  Mauern,  und  des  Vor- 
hofes B,  wenn  nicht  A und  B ein  größeres  turmartiges  Wohngebäude  bildeten.  Weiter 
nach  Norden  ein  Plateau  mit  dem  Mauerzug  C,  wohl  eine  an  den  Zwinger  sich  an- 
schließende Vorburg;  in  der  Mauer  eine  noch  heute  erkenntliche  Türöffnung,  die  wohl 
den  unteren  Haupteingang  zur  Burg  bildete.  Mehr  ließ  sich  ohne  Grabungen  nicht 
feststellen. 


RINGELBACH 

Schreibweisen:  in  dem  Ringelbach  1225  etc.;  zu  dem  nydern  Ringelbach  1386; 
zu  obern  Ringelbach  1386.  (Bach  des  Ringilo  oder  auch  von  der  schlängelnden,  ring- 
förmigen Gestalt  des  Baches.) 


AMT  OBERKIRCH. 


STADELHOFEN.  SULZBACH. 


289 


Ortsgeschichte : Die  großen  Besitzungen  des  Bistums  Straßburg  hier  kamen  wohl  Ortsgeschichte 
schon  1070  mit  der  Ullemburg  an  das  Bistum.  Auch  waren  die  Geroldsecker  hier 
begütert:  »der  hof  ze  Ringelbach,  den  Steinmar  Schonzeler  von  der  herschaft  Geroltz- 
ecke  zu  lehen  hatte«  1347.  Diesen  Hof  gibt  Heinrich  von  Geroldseck-Lahr  1359  dem 
Propst  und  Konvent  zu  Allerheiligen.  Seit  dem  14.  Jh.  gehört  die  ganze  Gegend  zum 
weltlichen  Besitz  des  Bistums  Straßburg  und  wird  1803  badisch. 

Kirchliches : Ringelbach  war  teilweise  nach  Oberkirch  eingepfarrt;  1351  hören  Kirchliches 
wir  von  den  homines  Berth.  episcopi  Argentinensis  in  dem  Ringelbach,  parrochiani 
ecclesie  parrochiali  in  Oberkirche.  Später  gehörte  es  zu  drei  Pfarreien  (und  drei 
Gerichten),  Oberkirch,  Ulm  und  Waldulm  (Gericht  Kappel).1)  Früher  war  nur  eine 
kleine  Kapelle  (ad  S.  Wendelinum)  gestanden;  1863  wurde  die  heutige  Pfarrkirche  mit 
dem  gleichen  Titel  erbaut.  Sie  enthält  noch  einen  Barocksäulenaltar,  der  wohl  aus  Barocksäuien- 

^ . altar 

der  Kapelle  oder  aus  einer  anderen  alten  Kirche  stammt.  In  der  Sakristei  eine  weiße 
Casel  des  18.  Jhs.  mit  prachtvoller  bunter  Seidenstickerei  von  Blumen  etc.  auf  dem  Casei 

Balken  und  ein  Kelch  vom  Anfänge  des  18.  Jhs.,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  Band-  Kelch 

geschlingeornamenten  und  dem  Augsburger  Beschauzeichen ; das  andere  verwischt. 

Auf  der  Höhe  zwischen  Ringelbach  und  Waldulm  ein  Kruzifixus  auf  Rocaille-  Kruzifixe 
postament  von  1782. 


STADELHOFEN 


Schreibweisen:  Stadelhoven  14.  Jh.;  Stadelhofen  1316;  zu  nidern  Stadelhofen 
14.  Jh.;  im  obern  Stadelhoven  14.  Jh.  etc. 

Ortsgeschichte:  Schon  961  hören  wir  von  einer  Schenkung  Bischof  Uthos  III.  von 
Straßburg  an  die  Kirche  zu  Straßburg.  Wie  in  Ringelbach  hatte  hier  sicher  schon  seit  1070 
der  Bischof  von  Straßburg  Besitztümer.  Mit  der  ganzen  Gegend  gehörte  es  seit  dem 
14.  Jh.  zur  bischöflichen  Herrschaft  Oberkirch.  Die  Schauenburger  waren  hier  begütert. 
1803  wurde  Stadelhofen  badisch. 

Kirchliches:  1780  wurde  hier  eine  Wendelinuskapelle  erbaut  (Filiale  von  Ulm),  die 
1 783  zur  Pfarrei  erhoben  wurde.2)  Diese  wurde  aber  im  ip.  Jh.  durch  einen  Neubau  ersetzt. 

In  demselben  ein  holzgeschnitzter  Kruzifixus  der  Barockzeit,  der  Corpus  alt,  das 
Kreuz  wohl  von  der  Renovation  1907.  Die  Kanzel,  eine  Renaissanceschnitzerei  aus  dem 
17.  Jh.,  ist  in  die  Großh.  Sammlungen  für  Altertums-  und  Völkerkunde  gelangt. 

Schmiedeeiserner  Wirtshausschild  am  Gasthaus  »Zum  Ochsen«. 

An  der  Straße  nach  Tiergarten  Kruzifix  von  1775  auf  Rocaillesockel. 


Ortsgeschichte 


Kirchliches 


Kruzifixus 


Schmiedeeisernre 

Wirtshausschild 

Kruzifix 


SULZBACH 

Schreibweisen:  Sulzebach  1233;  Sulczebach  1336;  Sulczbach  1342  etc.  (Salzbachr) 
Literatur:  J.  J.  Mezius,  Bericht  etlicher  New  erfundenen  Saurbrunnen  zu  Sultz- 
bach  etc.,  Fbg.  1616;  Zentner  a.  a.  O.,  S.  124.  (Für  die  neuere  Badliteratur  s.Kienitz- 
Wagner.) 

*)  Kolb  III,  S.  in. 

2)  Freib.  Kirchenbl.  38,  115.  FDA.  NF.  II,  262 


Band  VII. 


19 


2QO 


KREIS  OFFENBURG. 


Ortsgeschichte  Ortsgeschichte  : Der  Ort,  der  zur  Gemeinde  Lantenbach  gehört  und  wohl  bei  seinen 

frühesten  Erwähnungen  aus  kleinen  Ansiedelungen  bestand,  verdankt  seinen  Namen  den 
hier  sprudelnden  warmen  Wasserquellen,  die  nicht,  wie  Zentner  meint,  erst  Ende  des 
18.  Jhs.,  sondern  schon  Ende  des  15.  Jhs.,  wenn  auch  nicht  weithin,  bekannt  gewesen 
sein  müssen,  denn  auf  den  Glasgemälden  der  Kirche  in  Lautenbach  finden  wir  einen 
»bernhart  uß  dem  stütz b ad  und  Eva  sin  hußfrow«,  also  Bürger,  während  wir  in  der  eben- 
falls dort  dargestellten  Kathrin  von  Stütz b ach,  Ehefrau  des  Friedrich  von  Schowenburg, 
ein  Mitglied  eines  sich  so  nennenden  adeligen  Geschlechtes  sehen  müssen;  auch  1526 
hören  wir  vom  »Sultzbad«  und  1558  von  »hoffguet  und  bade  gelegen  im  Sultzbach 
Oppenawer  gerichts«.  In  den  folgenden  Zeiten  scheint  das  Bad  allmählich  in  Vergessen- 
heit geraten  zu  sein.  Die  Gegend  gehörte  zum  weltlichen  Besitz  des  Bistums  Straßburg, 
Herrschaft  Oberkirch,  und  war  nach  Oberkirch,  im  19.  Jh.  nach  Lautenbach  eingepfarrt. 

Kapelle  Bei  dem  jetzigen  Badgebäude  steht  eine  schlichte  Kapelle,  laut  Inschrift  über  der 

Türe  von  Lorentz  Spener  und  Catharina  seiner  Hausfrau  .1775  errichtet.  Im  Innern 
Kirchengestühl  Kirchengestühl  mit  Barockschnitzereien,  aus  der  alten  Kirche  in  Oberkirch  stammend, 
mit  den  Namen  der  Filialgemeinden  von  Oberkirch  an  den  Wangen. 

Kruzifix  An  dem  Weg  nach  Hubacker  Kruzifix  von  1761,  im  19.  Jh.  renoviert. 


TIERGARTEN 


Schreibweisen:  in  dem  Tiergarten  14.  Jh.;  in  dem  Thiergarten  1319;  us  dem 
Diergarten  1347.  (Ursprünglich  = Gehege  für  Rotwild,  dann  aber  auch  Pferch  fiir  das 
Weidevieh.)1) 

Archivalien:  Reinfried,  Archiv  des  Landeskapitels  Ottersweier;  Z.  NF.  12, 
Mitt.  19;  20 — 31. 

Ortsgeschichte  Ortsgeschiclite : Tiergarten  kam  wohl  1070  mit  der  Ulmburg,  zu  der  es  wohl  als 

Rotwildgehege  gehörte  (?),  an  Straßburg  und  gehörte  bis  1803,  wo  es  badisch  wurde,  zu 
dessen  weltlichem  Besitz  zur  Herrschaft  Oberkirch.  Schon  1227  wird  der  zwischen  Tier- 
garten und  Gaisbach  gelegene  Richenbacher  Hof  erwähnt.  1319  vertauschte  Bischof 
Johann  das  seinem  Stifte  gehörige  Gut  Tanzberg  »m  dem  tiergarten«  mit  Allerheiligen 
gegen  das  Schloß  Friedberg  bei  Oppenau. 

Kath. Pfarrkirche  Die  heutige  katli.  Pfarrkirche  ist  ein  Neubau  des  19.  Jhs.  (ad  S.  Urbanum).  Früher 
bestand  hier  nur  eine  Kapelle  mit  gleichem  Titel.  Aus  dieser  stammt  wohl  die  Barock- 
Kanzei  kanzel  mit  ausgebauchter  Brüstung  und  lebhaft  bewegtem  Engel  auf  dem  Schalldeckel. 

In  der  Nähe  auf  einem  der  Rebhügel  stand  die 

ULLENBURG  (Ulmburg) 

Schreibweisen:  Ulmena  1070;  Ulmeburc  1228;  Ulmenburg  1271;  Ullemburg 
14.  Jh.  etc. 

Die  Burg  wurde  1070  zusammen  mit  Ulm  und  größeren  Besitzungen  der  Umgegend 
von  einem  fränkischen  Ritter  Siegfried  dem  Bistum  Straßburg  geschenkt:  vir  militaris 


*)  Alemannia  VIII,  13. 


AMT  OBERKIRCH.  — ULM. 


291 


Sigifridus  magna  Francorum  ex  Stirpe  predium  dictum  Ulmena  eiusdemque  nominis  castellum 
in  pago  Mortenowa  in  comitatu  Chinzihdorf  et  Otenheim  situm  Argentincensi  ecclesiae 
tradit.  Als  nach  dem  Tode  Bertholds  IV.  von  Zähringen  seine  Brüder  sich  mit  seinem 
Sohne  Berthold  V.  über  eine  Teilung  des  Hausbesitzes  einigten,  scheint  Hugo  außer  den 
Eigengütern  das  bischöflich  straßburgische  Lehen  Ulmburg  erhalten  zu  haben,  das  nach 
seinem  Tode  wohl  eingezogen  wurde.  1219  nennt  sich  aber  Rudolf  von  Eberstein  auch 
Herr  von  Ullenburg.  1228  wurde  es  an  die  Markgrafen  von  Baden  verpfändet.1)  Wann 
es  ausgelöst  worden,  scheint  nicht  genau  festzustehen.  1271  aber  wird  nach  der  Spaltung 
des  Uracher  Hauses  Graf  Berthold  von  Fürstenberg  straßburgischer  Burgmann  zu  Ulm- 
burg. Die  bischöflichen  Vögte  der  Herrschaft  Oberkirch  saßen  zunächst  in  der  Burg; 
so  hören  wir  1270  von  einem  Peregrinus  advocatus,  1310  von  Stenolt  der  fout  fon 
Ulmburc,  1316  von  einem  advocatus  Johannis  Argentinensis  episcopsi  in  Ullenburg  1316; 
später  residierten  sie  in  Oberkirch.  Am  Anfänge  des  14.  Jhs.  waren  die  Schauenburger 
mit  der  Burg  belehnt,  denen  sie  von  Bischof  Wilhelm  von  Diest  auf  Wiederlösung  ver- 
kauft wurde.  Schon  Bischof  Rotbert  aber  löste  sie  wieder  ein,  und  die  Burg  kam  nun 
im  weiteren  Verfolg  als  Lehen  in  verschiedene  Hände,  so  1478  an  die  Familie 
von  Boozheim,  bei  den  Streitigkeiten  des  16.  Jhs.  an  den  Grafen  Ernst  von  Mansfeld, 

1605  als  Pfand  an  den  Herzog  Fr.  von  Württemberg,  der  die  Familie  Küfer  damit 
belehnte,  die  auch  nach  dem  Rückfall  an  Straßburg  noch  dort  blieb.  Dann  kam  das 
Lehen  an  die  Schweinhuber,  deren  letzter  1770  als  Chorherr  von  Allerheiligen  starb. 

1785  ließ  Kardinalbischof  Rohan  die  Burg  zerstören.  Er  verlegte  die  Pfründe  der  Schloß- 
kapelle — 1464  hören  wir  von  einem  capellanus  in  Ulenburg,  die  Patrone  waren 
S.  Urbanus  und  S.  Sebastian  — nach  Ulm  (1790).  Eine  Anzahl  von  Familien  nannten 
sich  im  14.  und  15.  Jh.  nach  der  Burg,  hatten  also  offenbar  dort  ihren  Sitz,  die  Gir,  die 
Müller,  die  Stern,  die  Rohart  und  ein  Rickaldeus.2) 

Erhalten  ist  heute  von  der  Burg  nichts  mehr.  Man  sucht  sie  auf  einem  Rebberg 
über  Tiergarten,  welcher  der  Schloßberg  genannt  wird  und  dessen  Stützmauern,  wie  es 
scheint,  aus  Steinen  der  Burg  errichtet  sind.  Mir  will  derselbe  als  etwas  zu  klein  erscheinen 
für  den  zu  vermutenden  Umfang  der  doch  eine  ziemliche  Rolle  spielenden  Burg,  und 
ich  möchte  mindestens  die  Hauptburg  auf  einem  geeigneteren  Hügel,  der  etwas  nach 
Süden  liegt,  suchen. 

ULM 

Schreibweisen:  Ulmena  1070;  in  banno  ville  Ulme  1285;  Ulma  1347;  Ulmen  1399: 

Ulm  1558.  (Deutung  ungewiß.) 

Ortsgeschichte:  Zugleich  mit  der  Ulmburg  kam  1070  Ulm  an  das  Bistum  Straß-  Oi-tsgeschichte 
bürg  (s.  oben);  es  teilte  die  Schicksale  der  Ulmburg.  Mit  Ringelbach,  Erlach,  Haslach, 

Mosbach,  Stadelhofen  und  Tiergarten  bildete  es  eines  der  vier  Gerichte  der  Herrschaft 
Oberkirch.  Im  14.  Jh.  muß  es  hier  noch  Reichsbesitz  gegeben  haben,  wir  hören  1343 
von  »die  lute  zu  Ulme,  die  vom  riche  rürent  und  zu  Offenburg  bürger  geworden«.  Wie 
die  ganze  Herrschaft  wurde  Ulm  1803  badisch. 


19* 


*)  Heyck,  Gesch.  der  Herzoge  von  Zähringen,  S.  418  und  520. 

2)  Krieger  II,  1239. 


292 


KREIS  OFFENBURG. 


Pfarrkirche 


Kanzel 


Holzfiguren 


Ölgemälde 


Eine  Familie  von  Ulm  erscheint  1270  in  Heinricus  de  Ulmen  und  1398  in  Nesa 
de  Ulma  filia  quondam  Heinrici  de  Ulma  de  Offemburg  domicella. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Mauritium) : Eine  der  ältesten  Pfarreien  der  Gegend, 
deren  Filialen  u.  a.  Renchen,  Mosbach,  Haslach,  Tiergarten,  Stadelhofen  und  Erlach 
waren.  Doch  scheinen  wir  erst  1332  zum  erstenmal  von  der  Kirche  zu  hören.  Damals 
wurde  die  Pfarrei  von  Bischof  Berthold  dem  Stifte  Säckingen  inkorporiert  (nos  Berhtoldus 
Argentinensis  ecclesie  episcopus  ecclesiam  parrochialem  Ulme  cum  capella  in  Re- 
nicheim  etc  ).  1412  war  hier  ein  Leutpriester  Gilg:  »Gilg  lütpriester  der  Kirchen  zu 

Ulm  gelegen  in  Straßburger  bystum,  und  Schaffner  fröwe  Clor  Annen  von  der  hohen 
Clingen,  eptesin  zu  Seckingen«.  1483  heißt  es:  »als  Ulme  und  Renichen  die  zwey 
Kirspel  bißher  eine  lutpriesterey,  die  der  eptissin  zu  Seckingen  zü  lihen  gepurt,  gewesen«. 
Später  kam  Kollatur  und  Zehent  in  den  Besitz  des  Chorpräbendarienstifts  in  Straßburg. 
1666:  Ulm,  huius  ecclesie  patronus  coeli  s.  Mauritius;  collatores  sunt  domini  deputati 
summi  chori  Argentinensis. 

Die  heutige  Kirche  stammt  aus  den  Anfangsjahrzehnten  des  1 9.  Jhs.  mit  Ausnahme 
des  viereckigen  Turmes  aus  Bruchsteinmauerwerk  mit  Quadern  an  den  Ecken  und  oben 
gekuppelten  Schallfenstern  des  18.  Jhs.,  sein  Alter  ist  mangels  sicherer  Anhaltspunkte 
nicht  zu  bestimmen.  Uber  den  Schallöchern  ist  in  Relief  ein  Rocaillewappen  unter 
einer  Krone  angebracht : in  viermaliger  Wiederholung  eine  nach  rechts  gerichtete  Taube 
(oder  Hahn?). 

Im  Innern  bemerken  wir  die  Kanzel  im  Rocaillestil,  an  der  die  Brüstung  tragenden 
Konsole  in  origineller  Zusammenfassung  die  Evangelistensymbole,  Putten  auf  dem 
Schalldeckel. 

Zwei  Holzfiguren,  eine  Madonna  mit  Kind  und  ein  h.  Sebastian,  stammen  wohl 
vom  Ende  des  16.  Jhs.  Ein  Kruzifixus  und  ein  h.  Wendelin  aus  dem  18  Jh. 

An  den  Langhauswänden  eine  Anzahl  Ölgemälde  verschiedener  Schule  und  ver- 
schiedenen Wertes: 

Vermehrung  der  Fische  und  Brote,  deutsch,  mit  der  Aufschrift:  Johannes  Müller 
pingsit  1733. 

Beschneidung  Christi,  nicht  untüchtiges  Bild  vom  Anfänge  des  17.  Jhs.  unter 
dem  Einfluß  der  Spätvenetianer,  Tintorettos  und  Bassanos. 

Beweinung  Christi,  deutsch,  vom  Ende  des  18.  Jhs. ; flaches  Akademiebild. 

Marter  des  h.  Sebastian,  die  Pfeile  werden  ihm  herausgenommen,  gute  Modellierung 
und  ziemlich  virtuose  Helldunkelbehandlung,  wohl  deutsch,  aus  der  Mitte  des  17.  Jhs. 

Ecce  homo  mit  Kriegsknechten,  deutsch,  zweite  Hälfte  des  18.  Jhs. 

Marter  des  h.  Andreas,  wie  das  Sebastiansbild  (wohl  vom  gleichen  Künstler,  recht 
tüchtige  Leistung  aus  der  Mitte  des  17.  Jhs.). 

Anbetung  der  Hirten,  gleich  der  Beschneidung  unter  venetianischem  Einfluß,  aus 
dem  Anfänge  des  17.  Jhs. 

Kreuzabnahme  Christi,  auch  durch  die  spätere  Schule  Venedigs  beeinflußt,  vom 
Anfänge  des  1 7 . Jhs. 

Einzug  Christi  in  Jerusalem  und  Kreuzigung,  etwas  rohe  Bilder  wohl  aus  der  ersten 
Hälfte  des  18.  Jhs.,  deutsch. 


AMT  OBERKIRCH.  — ULM. 


293 


Von  den  Glocken  habe  ich  nur  der  großen  Hauptglocke  nahe  kommen  können.  Glocken 
Die  anderen  scheinen,  soweit  von  ferne  zu  urteilen,  aus  dem  1 8.  Jh.  Die  große  aber 
trägt  in  erhabener  Schrift  die  Worte : 

+ 0 + RHX  + GLORItf  • X . V6RI  + (IV  + PKdG  + + S LVCIÄS  + 

siwmevs  + s . srkrd  (sic!)  vs  + 

(Umgekehrtes  (I  bei  Marcus,  H bei  Rex  und  falsches  6 bei  veni.) 

Auf  dem  Platz  des  ehemaligen  Friedhofes  um  die  Kirche  Grabsteine  des  18.  Jhs.,  Grabsteine 
einer  mit  Voluten  und  Rundgiebel  von  1775,  einer  mit  ovalem  Feld  unter  Giebel  von  1794. 

Hier  auch  ein  1851  erneuertes  Kruzifix  auf  Rocaillesockel. 

In  der  Sakristei  eine  Anzahl  Kirchengewänder  des  18.  JJ^.,  unter  anderem  eine  Kirchengewänder 
rote  und  eine  weiße  Casel,  zwei  Kelchtücher,  zum  Teil  Hochstickerei  in  bunter  Seide 
und  Gold ; das  eine  Kelchtuch  zeigt  die  Kreuzigung  Ghristi  mit  Ranken  in  Hochstickerei. 

Von  Kirchengeräten  ist  zu  erwähnen : eine  Monstranz,  silbervergoldet,  getrieben,  Kirchengeräte 
Empire,  teilweise  erneuert.  Eine  Anzahl  Kelche : einer,  silbervergoldet,  mit  getriebenen 
Randornamenten  am  P\iß,  ähnlichen  eingravierten  an  der  Cuppa,  verwischtem  Zeichen 
(Vogel?),  Anfang  18.  Jhs.;  ein  zweiter,  silbervergoldet,  getriebene  Arbeit  des  Rocaillestils, 

F . c 

Augsburger  Beschauzeichen,  darunter  C und  ^ , am  Fuß  eingraviert : Memento  mei 

ad  Altäre  Dei  Rogat  P.  Jvo  Metsch ; ein  dritter,  silbervergoldet,  getrieben,  in  gutem 
Zopfstil  aus  der  Zweiten  Hälfte  des  18.  Jhs.,  Augsburger  Zeichen,  darunter  M und  JNS; 
der  vierte  aus  Kupfer,  getrieben,  vergoldet,  ein  schönes  schlichtes  Werk  vom  Ende  des 
18.  Jhs.,  innen  am  Fuß  steht:  Calix  ecclesiae  Erlacensis  et  Ultnensis  rectoris.  Ein 
Wettersegen,  silbervergoldet,  getrieben,  spätes  Rocaille;  zwei  Rauchfässer,  das  eine  vom 
Anfänge  des  1 8.  Jhs.  in  späten  Barockformen,  das  andere  Rocaille ; ein  Schiffchen  der 
gleichen  Zeit  in  gebauchter  Form. 

Privathäuser:  In  einem  Holzbalken,  von  altem  Riegelhaus  stammend,  jetzt  an  Privathäuser 
der  Brauerei  Walz,  eingeschnitten : 

I ft  S 
M B 
16 
8 5. 

Schmiedeeiserner  Wirtshausschild  am  Gasthaus  »Zur  Linde«.  Schmiedeeiserner 

Wirtshausschild 


AMT  OFFENBURG 


Band  VII. 


20 


ALTENHEIM 


Schreibweisen:  villa  Altheim  1289;  das  dorff  zu  Altheim  1482.  (Kaum  identisch 
mit  dem  schon  880  erwähnten  Baldanheim,  da  die  Zurückführung  darauf  sprachliche 
Schwierigkeiten  bietet.) 

Archivalien  der  Gemeinde  und  Pfarrei:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  5 (1885), 

S.  261 — 262. 

Ortsgeschichte:  ’)  Der  Ort  gehörte  zur  Herrschaft  Geroldseck  und  kam  bei  der  Ortsgeschichte 
Teilung  derselben  an  die  Linie  Lahr-Mahlberg.  Bei  der  Heirat  der  Susanne  von  Geroldseck- 
Lahr  mit  Hug  von  Geroldseck  am  Wasichin  wurde  deren  Mitgift  als  Pfandsumme  u.  a. 
auf  Altenheim  gestellt,  Hug  aber  verpfändete  die  Hälfte  des  Ortes  an  die  Müllenheim. 

Außer  diesen  hatte  um  das  J.  1400  noch  ein  Walter  Wachsiger  hier  ein  geroldseckisches 
Lehen.  Um  1359  hören  wir  auch  von  einem  Edelknecht  Kuno  von  Hundsfeld,  der 
seinem  Lehensherrn  Heinrich  von  Lichtenberg  das  Lehen,  das  er  u.  a.  auch  in  Alten- 
heim halte,  resigniert.  Vom  12.  bis  14.  Jh.  scheint  das  Kloster  St.  Georgen  auf  dem 
Schwarzwald  Besitzungen  hier  gehabt  zu  haben;  1288  erwarb  das  Kloster  Gengenbach 
den  päpstlichen  Schutz  für  einen  Hof  hier.  Im  gleichen  Jahre  verkauften  Walter  von  Klingen 
und  seine  Frau  Sophie  ihren  Besitz  zu  Altenheim  an  den  Ritter  Sigmund  Hogmesser  zu 
Straßburg,  von  dem  diese  Güter  an  den  Ritter  Diebold  Schenke  von  Oberehnheim  und 
dann  1306  an  den  Domherrn  Gerhard  von  S.  Stephan  zu  Straßburg  übergingen. 

1290  hören  wir  auch  von  einem  Hugo  von  Altenheim,  Bürger  zu  Offenburg. 

Der  Ort  machte  die  Schicksale  der  Herrschaft  Lahr-Mahlberg  mit,  er  kam  also  1427 
an  Mörs-Sarwerden,  und  als  dies  die  Hälfte  der  Herrschaft  an  den  Markgrafen  von  Baden 
verkaufte,  zugleich  unter  dessen  Herrschaft;  bei  der  Teilung  1629  kam  er  zu  Lahr, 
d.  h.  also  an  Nassau-Saarbrücken.  Da  dieses  Haus  aber  die  Herrschaft  an  Baden-Durlach 
verpfändete,  so  war  auch  Altenheim  bis  zum  Rückfall  der  Pfandschaft  baden-durlachisch, 
dann  unter  Nassau-Usingen,  bis  es  i.  J.  1803  badisch  wurde. 

Evang.  Pfarrkirche , ehemaliger  Titel  (?).  1300  hören  wir  von  Wernherus  rector  Evang.  Pfair- 

• • • .....  . . kirche 

ecclesie  in  Altheim,  frater  Heinrici  armigeri  de  Schopfheim.  Kirchensatz  und  Zehnt,  die 
dem  Hochstift  Straßburg  gehörten,  waren  als  bischöfliches  Lehen  im  Besitze  derer  von 
Schopfheim,  von  dem  als  letzte  die  drei  Brüder  F.rkenbold,  Heinrich  und  Werner  damals 
lebten;  eben  dieser  Werner  war  der  Pfarrrektor.  Nach  dem  Aussterben  der  Schopfheim 
kam  das  Lehen  an  das  Stift  zurück,  das  es  in  einzelnen  Teilen  an  verschiedene  Edle 
weitervergabte.  — Wir  hören  dann  1336  von  Heinrich  Kalwe  von  Schauenburg  Kirchher 
zu  Altheim,  1419  von  Götze  Wilhelm  lütpriester  zu  Altheim,  1428  von  der  ecclesia 
parrochialis  in  Altheim.  Wie  die  ganze  Herrschaft  Lahr-Mahlberg,  neigte  sich  bei  der 
Kirchenspaltung  Altenheim  rasch  der  neuen  Lehre  zu,  die  1567  endgültig  eingeführt 

*)  Ruppert,  Gesch.  der  Mortenau  I,  S.  237  ff. 

20* 


298 


KREIS  OFFENBURG. 


Turm 


Rathaus 


Turm 


wurde.  1602  wurde  von  der  Schaffnei  Lahr  eine  neue  Kirche  hier  erbaut,1)  der  Turm 
der  alten  blieb  aber  stehen,  wie  auch  bei  dem  zweiten  Neubau  von  1808  bis  1813. 

Dieser  Turm  von  quadratischem  Grundriß  weist  in  seinem  Erdgeschoß  ein  spät- 
gotisches Rippenkreuzgewölbe  auf,  er  dürfte  also  dem  15.  oder  16.  Jh.  entstammen.  Hier 
sind  auch  unter  der  Tünche  in  den  letzten  Jahren  Spuren  von  Wandgemälden,  Ranken- 
werk etc.  zutage  getreten.  Im  übrigen  ist  der  Turm  gänzlich  überarbeitet.  Die  Kirche 
in  dem  schlichten,  klassierenden  Stil  vom  Anfänge  des  1 9.  Jhs. 

An  den  Außenwänden  der  Kirche  eine  Anzahl  Grabsteine,  und  zwar: 

des  Philipp  Ludwig  Roeder  von  Diersburg,  gest.  17.  Hornung  1744,  einfache 
Platte  mit  Wappen ; 

des  weiland  hochehrwürdigen  und  hochgelehrten  Herrn  Christian  Samuel  Lotz- 
beck,  war  geboren  zu  Weisenburg  1681,  Pfarrherr  zu  Nimburg  1706  und  zu  Alten- 
heim 1713,  Special vicarus  zu  Lahr  1750,  und  dessen  Ehefrau  etc.,  gest.  1751,  er 
selbst  gest.  1757,  Platte  mit  reicher  Roeailleumrahmung,  Engelsköpfen  und  Wappen; 

des  Johannes  Henricus  Büttnerus,  Pastor  in  Altenheim  pie  obiit  anno 
Christi  MDCLXIX — XXI  Aug.  Anno  Aetat.  LXXXI  ministerii  LVIII  etc.,  auf  der 
Platte  Kreuz  mit  Kartuschenwerk; 

des  Philipp  Reinhard  Greiffenberg,  Pfarrherrn  zu  Altenheim,  gest.  26.  Juni  1777, 
Platte  mit  reichem  Rocaillerahmen,  geschwungenem  Giebel,  Voluten,  Vasen  und  Wappen. 

Im  Pfarrhaus  werden  einige  ältere  Kirchengeräte  aufbewahrt : eine  zinnerne  Abend- 
mahlskanne mit  der  Inschrift:  Die  schwedischen  Dragoner  verehren  auff  den  Altar  in 
der  Kirchen  zu  Altenheim  am  Rhein  diese  Kandten  zu  immerwährenden  gedächtnus, 
Martin  Bohn  Fenderich,  Hans  Georg  Kratz  Corporal,  Hans  Ohrdorff  und  Peter  Schuh- 
mann, anno  1 649.  Wohl  eine  Erinnerungsstiftung  der  hier  stationierten  Dragoner,  die 
offenbar  deutsche  Landsleute  waren,  beim  Friedensschluß,  und  ein  Zeichen  guten  Ein- 
vernehmens mit  den  Bewohnern.  Des  weiteren  wird  hier  aufbewahrt  eine  silberne,  ver- 
goldete Hostienbüchse  von  1699  mit  Gravierungen,  gestiftet  von  Joh.  Dan.  Bruch  und 
Johanna  Margar.  gebohrne  Saxin  Eheleute  von  Rohrburg. 

Im  Rathaus  wird  aufbewahrt:  12  cm  hoher,  silbervergoldeter  Becher;  der  Rand 
der  Cuppa  mit  getriebenen  Blüten  verziert,  am  Fuß  in  reicher  Gravierung  sechs  Wappen: 
zwei  Steinbockhörner,  Löwe  und  Sterne,  Steinbock,  Schlüssel,  aus  Blumen  hervorgehend, 
und  Sterne,  ein  Bock,  wieder  die  Steinbockhörner.  Im  Fuß  eingelassen  eine  Silber- 
münze des  Herzogs  Friedrich  I.  Georg  von  Sachsen  und  seiner  Gemahlin  Johanna. 
Goldschmiedezeichen:  N,  ein  Turm  und  BB,  etwa  aus  der  Zeit  um  1600. 

Im  Ort  ein  viereckiger,  niedriger  Turm , etwa  8 m hoch,  auf  dem  Pyramidendach 
eine  Laterne,  Bruchsteinbau.  An  ihm  eine  Inschrift:  DRS,  darunter  die  Umrißlinien 
eines  Karpfen  eingeritzt  und  darunter  17  (|)  64.  (Altenheimer  Wappen.)  Der  1 urm 
soll  angeblich  von  einer  Wasserburg,  der  Rohrburg,  stammen.  Diese 

ROHRBURG 

stand  aber  an  anderem  Platze,  nämlich  zwischen  der  heutigen  Mühle  Rohrburg  und  dem 
Dorfe  Müllen.  Um  das  Schloß  hatte  sich  ein  Dorf  bezw.  ein  Weiler  angesiedelt. 


) Stöcker  a.  a.  O.  S.  151. 


AMT  OFFENBURG.  — APPENWEIER. 


299 


Erwähnungen:  curia  Wilre  apud  Altheim  1300;  Wilre  prope  Mulnheim  1343  etc.; 

Rorburg  1357;  Roreburg  1432;  in  dem  banne  zu  Rorburg  1373. 

Von  der  Burg  hören  wir  1 344 : in  villa  Wiler  der  graben  umbe  den  bühel,  videlicet 
den  Burgbühel;  1373  in  Castro  Rorburg;  burgstal  1415;  burgstadel  1481.  (Burg  im 
Röhricht.) 

Literatur:  Ruppert,  Mortenau  I,  S.  408 — 415;  Derselbe,  Die  Erlin  von  Rorburg, 

Straßb.  Studien  II,  S.  68 — 77;  Kindler  von  Knobloch,  Obe^d.  Geschlechterbuch  I, 

S.  308  ff. 

Ortsgeschichte .'  Schon  1275  hören  wir  von  einem  Heinricus  miles  de  Wilre  et  Ortsgeschichte 
Erkenboldus  filius  eius  dictes  Mulner.  Sie  gehörten  wohl  zu  der  Familie  derer  von 
Schopfheim,  die,  wie  es  scheint,  Vasallen  der  Geroldsecker  waren  und  am  Ende  des 
13.  Jhs.  Rohrburg  besaßen.  Im  14.  Jh.  war  es  Eigentum  der  Klobeloch,  1427  bis  1599 
im  Besitze  der  Erlin  von  Rohrburg,  einer  Straßburger  Familie,  wechselte  dann  häufig 
die  Besitzer  und  kam  im  1 8.  Jh.  an  die  Freiherren  von  Türckheim.  Es  gehörte  zum 
schwäbischen  Ritterkreis  (Bezirk  Ortenau)  und  kam  1805  an  Baden.  Heute  existiert 
nichts  mehr  von  der  Burg. 

Wir  hören  1317  von  einigen  Höfen  in  villa  et  banno  Wilre,  1415  von  der  mule 
zu  Rorburg.  Noch  heute  steht  eine  Rohrburger  Mühle.  Der  Ort  hatte  zu  Kolbs 
Zeiten  noch  23  Einwohner,  die  nach  Altenheim  eingepfarrt  waren,  ist  aber  jetzt  gänzlich 
eingegangen. 

APPENWEIER 

Schreibweisen:  Abbenwilare  1088;  Appenwilre  1216;  villa  1312;  in  dem  dorfe 
zu  Appenwilre  1399;  Appenwir  1481;  Appenweyr  1530.  (Weiler  des  Appo.) 

Arghivalien : Mitteil,  der  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895),  S.  47. 

Ortsgeschichte:  Von  vorgeschichtlicher  Besiedelung  spricht  der  unten  berichtete  Ortsgeschichte 
Fund.  Dann  wird  Abbunwilari  884  erstmals  erwähnt.  (?)  1088  schenkt  Waltherus  de 

Abbenwilare  dem  Kloster  Hirsau  ebendaselbst  ein  Gehöfte,  das  1236  in  den  Besitz  des 
Klosters  Allerheiligen  überging.  Ein  Sarnagal  de  Appinwilre  1148  erwähnt.  1328  ver- 
kauften Andreas  »dictus  de  Rodecke  miles«  und  seine  Frau  Petronella  dem  königlichen 
Vogt  Andreas  in  Achern  ihren  Hof  in  A.  mit  Patronat  und  Zehnt : cum  jure  juris  patro- 
natus  ecclesie  parrochialis  ipsius  ville  Appenwilre  et  capellarum  ab  eadem  ecclesia 
dependencium.  Nach  dessen  Tod  aber  schenkte  seine  Witwe  Gisela  de  Hovevilre  den 
ganzen  Erwerb  dem  Kloster  Allerheiligen.  — Der  Ort  gehörte  zur  Landvogtei  Ortenau 
und  bildete  mit  Urioffen,  Zusenhofen,  Nußbach,  Herztal,  Meisenbühl  und  halb  Nesselried 
eines  der  vier  Landgerichte.  »In  dem  geriht  von  Appenwilre«  heißt  es  1364.  Im 
Jahre  1533  hatten  »am  grossen  zehenden  zu  Appenwyr«  die  Markgrafschaft  Baden  ein 
Drittel  und  die  Propstei  Allerheiligen  zwei  Drittel.  Mit  den  Gemeinem  zu  Staufenberg 
und  den  übrigen  Angehörigen  des  Landgerichts  bildete  A.  die  Waldgenossenschaft  im 
Staufenberger  Hard;  die  Waldordnung  stammte  von  1447.  Wie  heute  ein  Knoten- 
punkt der  Bahn,  so  war  es  schon  im  Mittelalter,  ein  Knotenpunkt  der  Kniebis-  und  der 
Rheintalstraße:  die  alte  stroß  gen  Erlech  1347  ;’)  uf  der  Hohenstraße  zuschen  AVinsle 


*)  Mone,  Urgeschichte  I,  S.  145. 


3°° 


KREIS  OFFENBURG. 


und  Appen wilre  1381. 
Ortenau)  badisch. 


Fig.  172.  Kath.  Pfarrkirche  in  Appenweier . 

1805  wurde  es  (mit  der  vorderösterreichischen  Landvogtei 


AMT  OFFENBURG.  — APPENWEIER. 


3OT 


Vorgeschichtliches : Bei  Vergrößerung  des  Bahnhofs  1864  wurde  ca.  120  m Vorgeschicht- 
nürdlich  vom  alten  Gebäude  und  30  m westlich  von  der  Bahn  eine  etwa  1 m hohe 
Erhebung  des  Geländes  durchgraben,  die  sich  als  alter  Grabhügel  erwies.  Es  fanden 
sich  dabei,  mit  etwas  Asche  und  Kohle  vermischt,  ein  Halsring,  zwei  Armspangen  und 
zwei  Fußringe  von  Bronze,  massiv  und  dick  gearbeitet  ohne  Verzierung,  und  ein  nicht 
mehr  deutbares  flaches  Stück  Eisen,  also  die  Reste  einer  Bestattung  oder  vielleicht  eines 
Leichenbrands;  Genaueres  war,  da  die  Arbeiter  ohne  Aufsicht  gegraben  hatten,  nicht 
mehr  festzustellen.  (Fundstücke  in  der  Karlsruher  Sammlung.)  ( W.) 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Michaelem).  1287  wird  ein  Wernherus  rector  ecclesie  Kath.rfan-ki.-che 
de  Appenwilre,  frlius  quondam  H.  militis  de  Stciffenberg  dicti  Schidelin  erwähnt,  1291 
ein  Waltherus  sacerdos  de  A.  Wie  oben  erwähnt,  kam  durch  Schenkung  1359  das 
Patronat  an  Allerheiligen,  1361  inkorporierte  Bischof  Johann  von  Straßburg  demselben 
»parrochialem  ecclesiam  in  A.«;  ’)  demgemäß  hören  wir  z.  B.  1439  von  Rülmann  Tedinger 
ein  conventherre  des  closters  Allerheiligen  zu  der  zit  ein  lutpriester  der  kirchen  zu  A. 

1692  war  die  Kirche  so  zerstört,  daß  sie  kaum  noch  dem  Gottesdienst  dienen  konnte, 
und  auch  die  Innenausstattung 
hatte  schwer  durch  den  Krieg 
gelitten.“) 

Die  heutige  Kirche  ist 
ein  Bau  aus  der  Mitte  des 
1 8.  Jhs.  (s.  Fig.  1 7 2).  Uber  dem 
Portal  steht:  »Anno  1750  hat 
die  gemeindt  Appenweyher 
diese  Kirch  zu  größerer  Ehr 
Gottes  unter  direction  Hem 
Simon  bruder  des  vogtens  auf- 
erbauen lassen«.  Eine  ein- 
schiffige Kirche  mit  Chor,  der 
in  drei  Seiten  des  Achtecks 

endigt.  Einfache  Lisenengliederung  der  Außenwände.  Die  Fassade  ist  mit  stattlichem 
Barockgiebel  gekrönt,  neben  dem  Chor  der  Turm  mit  abgerundeten  Ecken  und  originellem 
Zwiebeldach,  an  diesem  die  Jahreszahlen  1748,  1835,  1881,  1900.  Im  Innern  hübsche 
Stuckornamente  im  Rocaillestil  an  den  rundbogigen  Fenstern  wie  an  dem  Spiegelgewölbe 
der  Decke,  wo  sie  die  dortigen  Gemälde  einschließen.  Diese  stellen  dar  im  Langhaus 
die  Himmelfahrt  Mariä,  im  Chor  die  Speisung  der  Zehntausend,  in  den  Stichkappen 
die  Evangelisten  und  die  Symbole  Mariä  aus  der  Lauretanischen  Litanei : den  hortus 
conclusus,  den  fons  signatus,  pulchra  ut  luna,  electa  ut  sol,  quasi  flos  rosarum,  sicut 
lilium  inter  spinös,  außerdem  Moses  und  David.  Flotte  Werke  der  rauschenden  Deko- 
rationskunst des  1 8.  Jhs.  Im  Chor  an  den  Wänden  in  schöner  Stuckumrahmung  je  ein 
Wandgemälde,  darstellend  die  Heiligen  Norbert  und  Augustin.  Auch  die  Sakraments- 
nische hat  eine  entsprechende  Umrahmung. 

Am  Triumphbogen  in  Rocaillekartusche  großes  badisches  Wappen.  Wappen 


Fig.  173.  Haus  in  Appenweier. 


*)  Bestätigt  durch  die  päpstl.  Bulle  1407,  FDA.  XXI,  S,  314  ff. 
2)  FDA.  NF.  III,  S.  318. 


3°2 


KREIS  OFFENBURG 


Innenausstattung  Innenausstattung : Kanzel  aus  der  Mitte  des  Jahrhunderts  mit  sehr  origineller 
Rocailletreppenwange ; Empore,  später  eingezogen,  im  Zopfstil. 

Der  Hauptaltar  in  dem  barocken  Aufbau  von  Säulen  (Stuckmarmor)  mit  ver- 
kröpftem  Gebälk  umschließt  ein  Gemälde,  darstellend  den  h.  Michael,  der  den  Drachen 
tötet;  auf  den  ähnlich  ausgestalteten  beiden  Seitenaltären  ebenfalls  Gemälde,  rechts 
Kruzifixus,  links  eine  Madonna  rosarum. 


Auf  jeder  Seite  des  Langhauses  je  ein  ca.  i m hohes,  gut  gearbeitetes  Rocaille- 
Hoizskuipturen  sandsteinpostament.  Auf  dem  einen  die  holzgeschnitzte  Gruppe  der  h.  Anna  selbdritt 
aus  dem  Anfänge  des  16.  Jhs.,  gute  Arbeit  (neu  gefaßt),  auf  dem  anderen  eine  Immaculata 
in  der  geschwungenen  Haltung  des  1 8.  Jhs. 


Neben  der  nördlichen  Eingangstür  schlichter  Grabstein  mit  Kelch  des  »Thadaeus 
Jaeger  der  hochw.  Abtey  Allerheiligen  regulierter  Chorherr  und  Pfarrer  allhier  gestorben 

den  VII r.  Juni  1772  seines 
Alters  39  Jahr,  seines  Pfarramts 
im  4 Mohnat«.  Dazu  ein  Vers: 
Hier  liegt  ein  Hirt  der  Geist 
und  Leben 

Voll  Eyfer  für  sein  Herd  ge- 
geben etc. 

In  der  Sakristei  einige 

Kirchengerate  y UMHBlv  c~l  Kirchengeräte : ein  Kelch, 

silbervergoldet,  Anfang  1 8.  Jh., 
mit  getriebenen  Mönchsinsig- 
nien ; ein  Speisekelch,  silber- 
vergoldet, im  gleichen  Stil  mit 
aufgelegten  silbernen  Blumen 
an  der  Cuppa,  Zeichen : Zirbel- 
nuß und  S R ; eine  große 
Monstranz  in  der  Sonnen- 
form mit  gutem  Rocailleorna- 
ment,  silbervergoldet,  getrieben, 
Zeichen:  Augsburg  und  P ?;  eine  kleinere  ähnliche  mit  Augsburger  Zeichen  und  E F, 
Kirchengewander  kleine  Nische  in  der  Wand  mit  Rocaillemadonna.  Einige  Kirchengewänder  des  1 8.  Jhs. : 

M T 

eine  weiße  Casel  mit  Goldbrokat  und  gepreßter  Samtverzierung  und  den  Buchstaben 


Fig.  i’j.f.  Hans  in  Appenweier. 


ein  einst  vorhandener  Rauchmantel  von  gleichem  Stoff  ist  früher  einmal  zerschnitten 
worden. 


Glocken  Drei  Glocken , alle  wohl  aus  einer  Zeit;  nur  einer  konnte  ich  nahe  kommen,  sie 

ist  von  Matthaeus  Edel  1751  gegossen. 


Kruzifixus  Vor  der  Südseite  der  Kirche  auf  Rocaillepostament  mit  zwei  Armen  ein  Kruzifixus 

mit  Maria,  Magdalena  und  Johannes,  Sandstein,  laut  Aufschrift  1773  von  Sebastian  und 
Maria  Anna  Wiedemer  gestiftet. 


Ein  diesem  nachgebildetes  Kruzifix,  durchaus  noch  in  Rocailleformen,  steht  auf 
dem  Friedhof,  laut  Inschrift  erst  1830  gesetzt. 


AMT  OFFENBURG.  — BERGHAUPTEN. 


303 


Auf  dem  Friedhof  noch  einige  stark  zerstörte  Grabsteine  des  18.  Jhs.,  u.  a.  der  Grabsteioe 
eines  Bernard  Göring  von  1723,  und  noch  ein  zerstörtes  Rocaillekruzifix. 

Das  Rathaus  ist  ein  Bau  des  18.  Jhs.  mit  Mansardendach  und  der  Jahreszahl  1765  Rathaus 
am  Eingang. 

fm  Ort  erfreulicherweise  noch  eine  Anzahl  schöner  Riegelhäuser , von  denen  ich  Riegelhäuser 
zwei  (s.  die  Fig.  173  und  174)  hervorhebe.  ^ 

In  der  Hauptstraße  an  einem  Haus  mit  Rocailleornamenten  gezierte  Sandsteinbank.  Sandsteinbank 
Einige  steinerne  Kettenbrunnen,  so  bei  Haus  Nr.  228  einer  von  1794.  Kettenbrunnen 

Auf  dem  Weg  nach  Nußbach  wieder  ein  Kruzifix  von  1769  mit  den  Heiligen  Kruzifix 
Wendelin  und  Anton  auf  geschmackvollen  Rocaillesockeln ; an  der  Straße  nach  Nessel- 
ried auf  einem  Sockel  in  schon  sehr  klassizierendem  Eouis  XVI. -Stil  eine  Statue  der 
Immaculata  conceptio,  von  Eorentz  Shilli  1789  errichtet. 


BERGHAUPTEN 


Schreibweisen:  Berghaubten  1277;  Bergehopten  1370;  Berghoubten  1423;  Berg- 
hobten  1435  i ,m  Berghopterthal  1504.  (Erklärung  s unten  Schloß.) 

Archivalien  der  Gemeinde  und  Pfarrei : Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  5 (1885),  S.  262. 

Literatur:  Ruppert,  Mortenau  I,  S.  242 Untersuchung  der  Beschaffenheit  des 
Fleckens  Berghaupten  und  des  Berges  Bellenberg,  in  Ansehung  der  Familie  von  der 
Schleiß  etc.,  Straßburg  1755  t Gründliche  Abhandlung  deren  Plrzh.  Ostr.  und  Hochgräf. 

Leyischen  Gerechtsamen  auf  Berghaupten,  Wetzlar,  o.  J. 

Ortsgeschichte:  Zum  erstenmal  1277  erwähnt,  kam  Berghaupten  damals  bei  onsgeschichte 
der  geroklseckischen  Familienteilung  an  Heinrich  von  Geroldseck-Veldenz,  also  an  die 
sogen.  Frohengeroldsecker  Linie.  Da  der  Name1)  nach  der  Lage  des  Orts  sicher 
ursprünglich  derjenige  der  ehemals  auf  der  benachbarten  Höhe  gelegenen  Burg  gewesen 
und  von  dieser  erst  später  auf  das  in  der  Niederung  liegende  Tal  übertragen  worden, 
diese  Übertragung  aber  damals  schon  stattgefunden  hatte,  so  dürfen  wir  wohl  ein  beträcht- 
liches Alter  der  Burg  und  des  geroldseckischen  Besitzes  annehmen.  Bei  der  Teilung 
zwischen  den  Brüdern  Heinrich  und  Georg  1570  kam  Berghaupten  auf  Georgs  Teil.  Da 
bisher  nirgends  von  Straßburg  die  Rede  war,  nimmt  Ruppert  wohl  mit  Recht  an,  es  sei 
Allod  und  nicht,  wie  man  gemeint,  bischöfliches  Lehen  gewesen.  Im  Anfänge  des  15.  Jhs. 
erteilten  die  Geroldsecker  verschiedene  Lehen  zu  Berghaupten.  1436  aber  verkaufte 
Diebold  es  an  den  Fidelknecht  Bernhard  Böcklin  zu  Straßburg  gegen  Wiederlösung, 

1530  wurde  es  aber  — wohl  infolge  Geldmangels  der  Geroldsecker  — von  dem  Bischof 
eingelöst  und  den  alten  Besitzern  zu  Lehen  gegeben.  Nach  Erlöschen  der  Geroldsecker, 
nach  langem  Prozeß  mit  den  Cronberg  etc.  darüber,  ob  es  Allod  oder  Lehen  gewesen, 
kam  es  als  bischöfliches  Lehen  an  Franz  von  Merci  und  seine  Söhne,  dann  an  die  Frei- 
herren von  der  Schleiß. 

Von  der  Burg  sind  keine  Reste  mehr  zu  sehen,  auch  ihr  Standort  ist  unbestimmt. 

Außer  ihr  muß  noch  eine  Tiefburg  vorhanden  gewesen  sein,  ein  »Wasserhaus«  oder 
»Schlößchen«,  das  von  den  Wartenbergs  genannt  von  Wildenstein  an  den  Domherrn 

*)  Krieger  I,  S.  152. 


3°  4 


KREIS  OFFENBURG. 


Kath . Pfarrkirche 


Innenausstattung 


Kirchengeräte 


Kruzifix 
Ehern.  Schloß 

Bildstock 


Ortsgeschichte 


Heinrich  von  Werdenberg  in  Straßburg,  von  diesem  1488  an  die  Schauenburg  und  über 
andere  Besitzer  1697  an  die  von  der  Schleiß  gelangte.  Auch  von  dieser  Anlage  ist 
nichts  mehr  zu  sehen. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Georgium  Mart.).  Berghaupten  war  im  Mittelalter  eine 
Filiale  von  Zunsweier,  daher  gehörten  Zehnt  und  Kollatur  dem  Kloster  Schlittern. 
1443  hören  wir  von  einer  Kapelle,  1512  heißt  sie  die  kapel  sant  Jergen  zu  Berghoubten. 
Bald  nachher  müssen  aber  zwei  Kapellen  dagewesen  sein,  denn  wir  hören  1455  von 
unser  lieben  Frowen  Kirche  zu  den  vier  Stegen  zu  Berghoupten,  1555  und  1564  »gen 
Berckhaupten  in  beide  Kirchen  sanct  Jergen,  auch  unser  lieben  frawen«.  Welche  von 
ihnen  1556  vom  Blitze  getroffen  darniederbrannte,1 2)  können  wir  nicht  entscheiden.  Seit 
1536  war  ein  eigener  Kaplan  am  Ort,  über  dessen  Bestallung  ein  besonderes  Abkommen 
i.  J.  1539  getroffen  wurde.-)  In  der  Mitte  des  18.  Jhs.  erhielt  Berghaupten  eine  eigene 
Pfarrei,  und  damals  wurde  auch  die  jetzige  Kirche  erbaut  (1752). 

Es  ist  ein  schlichter  einschiffiger  Bau  mit  geradlinig  geschlossenem  Chor.  Auch 
die  Innenausstattung  ist  aus  der  gleichen  Zeit.  Der  Haupt-  und  die  zwei  Seitenaltäre 
mit  dem  üblichen  Säulenaufbau ; Kanzel  mit  wenigen  Rocailleornamenten ; entsprechende 
Beichtstühle ; Holzstatuen  der  Madonna,  der  Heiligen  Johannes,  Nepomuk  u.  a.,  1 8.  Jh. ; 
Taufstein  mit  Rankenornament  und: 

A • B • V • 1 6S6  I • A • N • 

späterer  Holzdeckel. 

Kirchengeräte:  Monstranz,  silbergetrieben,  teilweise  vergoldet,  mit  Rocailleorna- 
menten und  Wappen  am  Fuß;  Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  Rocailleornamenten, 
Augsburger  Zeichen  und  L K;  kleinerer  silberner  Kelch  mit  Allianzwappen  am  Fuß; 
Wettersegen  der  gleichen  Zeit. 

Vor  der  Kirche  Kruzifix  auf  üblichem  Barockpostament  von  1753. 

Ehemaliges  Schloß,  einfacher  Barockbau  des  18.  Jhs.  mit  Mansardendach,  am 
Giebel  das  Schleißsche  Wappen. 

Am  Eingang  in  den  Ort  von  Gengenbach  her  Bildstock  von  1798;  an  der  Straße 
von  Berghaupten  nach  Zunsweier  ein  weiterer. 


BIBERACH 


Schreibweisen:  Biberaha  1220;  Biberach  1233;  Biberahe  1240;  Pibrach  1479  etc. 
(Zusammengesetzt  aus  biber  und  aha  [Wasser].) 

Archivalien:  Mitteil,  der  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  106  (Uber  Fischwasser), 
und  Nr.  19  (1897),  S.  51—53. 

Ortsgeschichte:  Erste  urkundliche  Erwähnung  787.  (?)3)  1250  verzichtet  Graf 

Heinrich  von  Fürstenberg  zugunsten  des  Bischofs  von  Straßburg  auf  seine  Ansprüche  an 
Offenburg  und  Gengenbach  und  deren  Zugehörden,  ausgenommen  Steinach,  Haslach  und 
Biberahe ; Fürstenberg  nimmt  es  von  Straßburg  zu  Lehen,  es  müssen  also  früher  hier 
Ansprüche  des  Zähringerhauses  bestanden  haben.  Später  gehörte  Biberach  zum  Gebiet 

1j  Ruppert  I,  S.  247. 

2)  H e n n i g , Gesch.  d.  Landkapitels  Lahr,  S.  209. 

3)  Großh.  Baden,  S.  784.  Wohl  ein  anderes  Biberach. 


AMT  OFFENBURG. 


BOHLSBACH. 


3°5 


der  Reichsstadt  Zell,  bis  es  1803  badisch  wurde.  Seine  Bedeutung  war  klein,  sie  ist 
erst  seit  der  Anlage  der  Bahn  und  der  Station  gewachsen. 

1261  hören  wir  von  Besitzungen  des  Klosters  Gengenbach,  von  einer  curia.  1484 
erhält  »Ludwig  Röder  zu  Tiersperg«  das  lehen,  »das  ist  die  vischentz  und  vischwasser 
zu  Bibrach«,  das  schon  seine  Vorfahren  hatten,  vom  Kloster.-^ 

Kal h.  Pfarrkirche  (ad  S.  Blasium  Mart).  Ursprünglich  Filiale  von  Zell,  erhob  Kath. Pfarrkirche 
Bischof  Leopold  von  Straßburg  1618  mit  Zustimmung  des  Abtes  von  Gengenbach,  dem 
die  Kollatur  zustand,  Biberach  zur  Pfarrkirche.  Doch  fand  die  Pastoration  fast  das 
ganze  17.  Jh.  von  Zell  aus  statt,  da  der  Pfarrer  aus  der  geringen,  vom  Abt  und  Konvent 
in  Gengenbach  geleisteten  I )otierung  seinen  Unterhalt  nicht  bestreiten  konnte.  ’)  Die 
heutige  Kirche  ist  ein  schlichter,  einschiffiger  Bau  mit  gerader  Decke,  in  drei  Seiten  des 
Achtecks  abschließendem  Chor  mit  Kreuzgratgewölbe  aus  dem  Ende  des  18.  Jhs.  Von 
alter  Innenausstattung  eine  Kanzel  in  Rocaille,  ein  einfacher  Beichtstuhl  des  gleichen  Innenausstattung 
Stiles,  eine  Holzstatue  des  h.  Blasius  und  eine  der  Maria  mit  dem  Jesuskind  aus  dem 
18.  Jh. 

An  der  Außenwand  der  Kirche  Ro c ai  1 1 tgi'a bst  ein  mit  der  originellen  Inschrift:  Grabstein 

HIER  LIEGT  EIN  GUTER  HIRT  IN  MITE  SEINER  SCHAFEN 
DER  SICH  IN  STAUB  VERSCHLUPFT  DA  ER  IN  GOTT  ENTSCHLAFEN 
DER  ALLE  STUNT  BEREIT  SEIN  LEIB  SEIN  BLUT  UND  LEBEN 
FIR  SEINER  SCHAEFLEIN  WOHL  GROSMÜTHIG  HERZUGEBEN 
DER  GLEICHSAM  NACH  DEM  DOD  NOCH  FIR  DIE  LEMER  KRIGET 
UND  JETZ  IN  DISER  KRUFT  SICH  BEI  DER  HERD  VERGNIGET 
DER  FIR  DIE  BRUDERSCHAFT  DER  VIERZEHN  HELFERN  WACHTE 
UND  ENDLICH  SELBSTEN  SICH  ZU  EIM  NOTHHELFER  MACHTE 
FRANZ  JOSEPH  SIBERT  IST  SEIN  ANGEBOHRNER  NÄHME 
DEN  ER  MIT  SICH  GEBRACHT  DA  ER  ZU  WELDE  KÄME 
DIS  IST  DER  MINSCHEN  LOB  HIERZU  WOLST  IHM  NOCH  GEBEN 
O SCHEPFER  ALER  DING  DAS  IMER  WAEHREND  LEBEN. 

Der  Turm  stammt  in  seinem  Unterbau,  mit  Quadern  an  den  Ecken,  aus  dem  Turm 
Mittelalter. 

Vor  der  Kirche  Sandsteinkruzifix  von  1781.  Sandsteinkruzifix 


BOHLSBACH 

Schreibweisen:  Badelsbach  in  Mortenowa  96 1 ; villa  Badelsbah  973 ; Balsbach  1273; 

Boispach  1347,  im  Boltspacher  banne  1469;  Bolßbach  1475  etc.  (Nach  dem  Personen- 
namen Bodal.) 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895),  S.  48,  und  Ruppert,  Mor- 
tenau  I,  S.  471. 

Ortsgeschichte : Schon  sehr  früh  (961)  erwähnt,  gehörte  der  Ort  zur  Landvogtei  Ortsgeschichte 
Ortenau.  Im  14.  und  15.  Jh.  hatten  d;e  Geroldsecker  hier  Besitzungen,  wir  hören  ver- 
schiedentlich von  Lehen,  die  sie  erteilten.  1805  ging  Bohlsbach  von  Österreich  an 
Baden  über. 


) FDA.  NF.  III,  S.  308. 


3°6 


KREIS  OFFENBURG. 


Kath.  Pfarrkirche 


Gemälde 


Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Laurentium).  Bohlsbach  war  nach  Offenburg  eingepfarrt: 
die  gemeinde  von  Boiesbach  die  in  daz  kirchspel  zu  OfTenburg  hörent  1351.  1788  erhielt 


Big.  17s ■ Ehemaliger  Altarflügel  in  der  Kirche  in  Bohlsbach. 

es  eine  eigene  Pfarrei.  Die  heutige  Kirche  ist  ein  Bau  des  19.  Jhs.  Älter,  aber  ver- 
ändert, der  Turm.  Bemerkenswert  in  ihr  einige  Gemälde.  Vor  allem  vier  Tafeln 
im  Chor,  Flügel  von  einem  einstigen  größeren  Altar,  darstellend  je  zwei  Heilige  in 


Tafct  XI 


Ehemaliges  Flügelgemälde  eines  Altais  in  den  Kirche  zu  Bohlsbach. 


AMT  OFFENBURG.  — BOHLSBACH. 


3°7 


2/3  Lebensgröße,  und  zwar  (mit  Auf- 
schrift auf  den  Nimben)  die  Heiligen 
Eucharius  und  Nikolaus  (Tafel  XI), 
Christopherus  und  Johannes  der 
Täufer,  Maria  Magdalena  und  Mar- 
gareta (s.  Fig.  175),  Barbara  und 
Katharina.  Die  Gestalten  stehen  vor 
ausgespannten  Teppichen,  darüber 
Goldgrund  und  eingepreßtes  Ranken- 
werk. Kräftige,  wirkungsvolle  Ge- 
stalten, etwa  aus  dem  zweiten  Jahr- 
zehnt des  16.  Jhs.,  die  wieder  einen 
Beweis  ablegen  für  die  Tüchtigkeit 
der  oberrheinischen  Malerei.  Ge- 
naueres läßt  sich  bei  dem  noch 
gänzlich  unerforschten  Gebiet  über 
sie  nicht  aussagen.  (Holz:  1,5  m 
zu  r m.)  Die  Bilder  wurden  1867 
gekauft  aus  Privatbesitz  in  Achern.  * 

Auf  dem  rechten  Seitenaltar 
steht  jetzt  die  80  cm  hohe  Holzstatue 
des  h.  Laurentius  (s.  Fig.  176),  ein 
vorzügliches  Werk  vom  Anfang  des 
16.  Jhs. ; Fassung  neu. 

An  der  Nordwand  der  Kirche 
eine  Kopie  nach  dem  h.  Laurentius- 
Bild  in  der  Münchener  Pinakothek, 
dem  Original  ziemlich  gleichzeitig; 
gegenüber  ebenfalls  ein  Ölgemälde 
der  gleichen  Zeit : die  Madonna  mit 
dem  Kind,  dem  h.  Alfons,  erscheinend. 
Wohl  auch  Kopie  nach  einem 
(spanischen  ?)  Original,  das  mir  un- 
bekannt. 

In  der  Kirche  noch  kleines 
Holzkruzifix  des  18.  Jhs. 

Eine  Glocke  ist  von  Matthäus 
Edel  1725  gegossen. 

Kirchengeräte:  im  Pfarrhaus 


aufbewahrt  ein  spätgotischer  Kelch,  Fjg  j?6  Hohsfatue  des  h_  Laurmtius  in  der  Kirche 
silbervergoldet,  mit  sechsblätterigem  -n  Bohlshach. 

Fuß,  auf  dem  einen  Blatt  eingraviertes 

Kreuz,  der  Nodus  getrieben,  in  Fischblasen  ausgestaltet  mit  eingraviertem  Ornament. 
Im  Fuß  die  Jahreszahl  1519,  am  inneren  Rand  des  Kelches  steht:  GEHÖRT  BOLS- 
PACHER  KIRCH.  Der  Kelch  ist  19 1/2  cm  hoch  (ohne  Goldschmiedezeichen).  Außer- 


Holzstatue 


Glocke 


Kirchen  gerate 


3°8 


KREIS  OFFENBURG. 


Privuthaus 

Marienstatue 


Bildstock 


Ortsgeschichte 


Kath . Pfarrkirche 


Kruzifix 

Grabstein 


Fachwerkhäuser 

Kruzifix 


dem  noch  eine  spätgotische  Monstranz,  silbervergoldet,  mit  Fialen,  Fischblasenornament 
am  Nodus  aus  Bleibach  (Amt  Waldkirch)  stammend,  ein  einfacher  Wettersegen  und 
ein  gesticktes  Meßgewand  zu  erwähnen. 

Haus  des  Josef  Link : einfacher  Riegelbau  mit  hübschem  Ziehbrunnen  nebst  Trog 
von  1788. 

Vor  dem  Ort:  die  in  Rokokoweise  stark  bewegte  Gestalt  der  Immaculata  conceptio 
auf  dem  üblichen  Barocksockel  mit  Yoluten  und  Rocaillekartusche  mit  der  Inschrift,  laut 
der  »Lorentz  Wirthle  und  dessen  Ehe-Frau  Elisabeth  Dredterin  in  Bohlspach  1765« 
das  Bild  gestiftet  haben.  Die  Figur  könnte  von  dem  gleichen  Meister  sein,  der  die  Arbeiten 
im  ehemals  Bussiöreschen  Garten  in  Offenburg  geliefert  hat. 

An  einem  Feldweg  zwischen  Bohlsbach  und  Offenburg  noch  ein  Bildstock  von  1717. 


BÜHL 


Schreibweisen:  Buhele  1242;  Bühel  15.  Jh. ; das  dorfflin  Puhl  1504;  Bühl  Grieß- 
heimer  gerichts  in  der  landvogtey  Ortenau  gelegen  1662. 

Ortsgeschichte:  Schon  im  1 4.  Jh.  Pfarrdorf,  gehörte  es  zur  Landvogtei  Ortenau, 
1805  ging  es  von  Österreich  an  Baden  über.  Im  14.  Jh.  hatten  die  Cieroldsecker  hier 
Besitzungen,  Edelknecht  Reinbolt  Suse  sowie  Rudolf  von  Mutzer  und  Hans  Adolf  Sachs 
tragen  Lehen  von  ihnen.  — 1242  hören  wir  noch  von  einer  tilia  sita  iuxta  curiam 
Müselini  in  villa  B.  Kolb  spricht  noch  von  einem  ehemals  adeligen  Geschlecht 
von  Bank,  dessen  Nachkommen  im  Bauernstände  leben;  doch  ist  diese  Notiz  für  mich 
unkontrollierbar. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Petrum  et  Paulum).  Das  Patronat  hatten  im  14.  Jh.  der 
Komthur  (praeceptor)  und  die  Brüder  des  Spitals  Sancti  Johannis  Jherosolemitani  zu  dem 
Grünenwerde  in  Straßburg,  1 390  inkorporierte  ihnen  Bischof  Bonifaz  auch  die  Pfarrei. ') 
— Die  heutige  Kirche  ist  ein  Bau  vom  Anfänge  (?)  des  19.  Jhs.  — Auf  dem  ehemaligen 
Friedhof  ein  Kruzifix  (Corpus  Christi  abgeschlagen)  mit  Maria  auf  Rocaillepostament 
von  I • 7 • 6 ■ 5 • und  ein  schlichter  Grabstein  von  1765. 

Im  Privatbesitz  des  Dekans  Doos  befanden  sich  bei  meinem  Besuch  einige  Alter- 
tümer: ein  schön  gearbeitetes  Elfenbeinkruzifix  des  18.  Jhs. ; zwei  eingelegte  Schränke 
der  gleichen  Zeit;  eine  Kommode  mit  Aufsatz,  in  dem  eine  Uhr  angebracht  ist,  deren 
silbernes  Zifferblatt  getrieben  die  Evangelisten  und  die  Taufe  Christi  zeigt,  aus  der  Mitte 
des  18.  Jhs.;  ein  eingelegter  Sekretär  im  Stil  Louis  XVI.;  entsprechender  Tisch;  Stühle; 
zwei  Leuchter  etc. 

Im  Ort  einige  Fachwerkhäuser,  u.  a.  eins  von  1708,  die  ehemalige  »Krone«. 

Am  Weg  von  Bühl  nach  Griesheim  ein  Kruzifix  mit  Maria,  Johannes  und  Magda- 
lena auf  dreigeteiltem  Rocaillepostament,  möglicherweise  von  dem  in  Offenburg  tätigen 
Bildhauer  Speckle,  mit  folgenden  Inschriften  in  Kapitale : 

*)  Ende  des  17.  Jhs.  befand  sich  die  Kirche  in  sehr  verwahrlostem  Zustand;  selbst  Kelche, 
Missalien  und  Ciborium  fehlten.  Der  riesenhafte,  offenbar  alte  Taufstein  (ingens  moles  fontis 
baptesimalis)  sollte  damals  durch  einen  bequemeren  ersetzt  werden.  FDA.  NF.  III,  S.  323. 


AMT  OFFENBURG.  — DIERSBURG  (BURG). 


3°Q 


AUFGERICHT  VON  ZWEI  EHELEUTEN  ANNO  MDCCLXXI 
ZU  GOTTES  UND  MARIA  EHR 
STELLEN  SIE  ES  HIERHER 
ES  IST  IHR  GRÖST  VERLANGEN 

VON  GOTT  IM  HIMMEL  GNAD  ZU  EMPFANGE!^* 

Und: 

MARIA  TH  EI  LT  MIT  IHREM  SOHN 
DAS  BITRE  LEIDEN  SPOT  UND  HOHN 
CHRIST  LIEBST  DU  IHREN  SOHN  VON  HERZEN 
NIMM  WIE  SIE  ANTHEIL  AN  DEN  SCHMERZEN. 

Endlich : 

JOHANNES  HAT  SICH  NICHT  GESCHEUT 
BEI  SEINES  MEISTERS  KREUZ  ZU  STEHEN 
WEH  DENNEN  DIE  VOM  KREUZE  WEIT 
DEN  ROSENWEEG  DER  SÜNDE  GEHEN. 

Darauf  folgen  an  dem  Weg  auf  hohen  Sockeln,  die  in  Voluten  und  Engelsköpfen  endigen, 
sechs  Stationen,  die  derben  Reliefs  in  Rocaillekartuschen,  und  zwar  (von  Griesheim  aus- 
gegangen) : Christus  am  Olberg,  Christus  an  der  Säule,  Verspottung  und  Geißelung, 
Christus  vor  Pilatus,  Annagelung  arw  das  Kreuz. 


DIERSBURG 

(nebst  BURG) 

Schreibweisen:  Tiersperc  1257;  Diersberg  1 259  ; Tiersberc  1 266  ; Tiersberg  1 291  ; 
sloß  Diersberg  ze  Mortenaw  1 390  ; Tyersbergk  1 396  ; Diersperg  1453  ; Tierspergertal  1466; 
vogt  und  gemeinde  des  thals  Thiersperg  1530. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  63 — 71,  80 — 84;  Nr.  17 
(1895),  S.  47.  — F.  Röder  von  Diersburg:  Mitteil,  aus  dem  Freiherrn  von  Röder- 
schen  Archive  über  die  Pfarreien  Diersburg  etc , FDA.  XIV  (1881),  S.  225  — 236; 

Notizen  zur  Gesch.  der  Herrschaft  Tiersperg  (1392  bis  1463),  Freib.  Zeitschr.  V, 

S.  327 — 343;  Beiträge  zur  Gesch.:  Hildebrands  Vierteljahrsschrift  für  Heraldik  XI 
(1883),  S.  145—180. 

Literatur:  Näher,  Die  Ortenau,  S.  18.  F.  Röder  v.  D.,  Der  Stein  zu  D.,  Freib. 

Zeitschr.  IV,  S.  273-  286.  Ruppert,  Mortenau  I,  S.  23 — 32  und  S.  456 — 460. 

H.  Schreiber,  Hohenrod,  Rodeck,  Thiersberg,  Sagen  und  Geschichte.  Schönhut, 

Burgen  II,  S.  109 — 130. 

Ortsgeschichte : Das  Dorf  ist  wohl  aus  Ansiedelungen  unter  dem  Schutze  der  Ortsgeschichie 
Burg  entstanden.  Diese  ist  ein  Bau  des  gleichnamigen  Dynastengeschlechtes,  das  nach 
allem  ein  Zweig  der  Geroldsecker  gewesen  ist.1)  Zum  erstenmal  hören  wir  von  einem 
Waltherus  de  Tirsperg  1197,  der  als  erster  Zeuge  einer  Schenkung  des  Markgrafen  von 
Baden  an  das  Kloster  Selz  auftritt  und  1207  noch  lebt.  Möglich,  daß  er  ein  Sohn 
Burkards  und  Bruder  Wolfgangs,  des  vermutlichen  Stifters  der  Geroldseck-Lahrer  Linie, 

')  Ruppert  a.  a.  O.  — K i n d 1 e r von  Knobloch,  Oberbad.  Geschlechterbuch  I, 

S.  224 — 226. 


KREIS  OFFENBURG. 


3 1 o 

gewesen  ist.  Dieser  Walterl  hatte  zwei  Söhne,  die  1224  in  einer  Angelegenheit  des 
Klosters  Schwarzach  als  Zeugen  auftraten,  Heinrich  (I)  und  Walter,  welch  letzterer  kinderlos 
starb.  Heinrich  erhielt  1235  die  Kastvogtei  des  Klosters  Schlittern;  er  fiel  zusammen 
mit  seinem  gleichnamigen  Sohne  (Heinrich  II)  1 262  in  der  Schlacht  bei  Hausbergen, 
die  wie  für  den  Hauptstamm  so  wohl  auch  für  die  Tiersberger  das  Ende  ihrer  gegen 
Ende  des  12.  und  im  Anfänge  des  13.  Jhs.  großen  Machtstellung  bedeutete.  Vater  und 
Sohn  wurden  zunächst  in  Dorlisheim  bei  Molsheim  begraben,  nach  einiger  Zeit  alter 
wurden  ihre  Leichen  in  der  Familiengruft  der  Tiersberger,  im  Kloster  Schlittern,  bei- 
gesetzt. Mit  der  Zerstörung  des  alten  romanischen  Kirchenbaues  durch  die  Franzosen 
sind  auch  die  Spuren  dieses  Begräbnisses  verschwunden.  Da  die  zwei  anderen  Söhne 
Heinrichs  I,  Berthold  und  Hermann,  Geistliche  waren,  der  Sohn  Heinrichs  II  und  der 
Heilika  von  Lichtenberg,  Ludwig,  aber,  der  1278  einen  Hof  in  Friesenheim  an  das 
Kloster  Schlittern  vergabte,  kinderlos  starb  und  mit  ihm  das  Geschlecht  zu  Ende  ging, 
so  kamen  die  Allodialgüter  an  die  Tochter  Heinrichs  II,  Heilika,  die  mit  einem  Wilhelm 
von  Schwarzenberg  verheiratet  war.  Die  Herrschaft,  deren  Mittelpunkt  die  Diersburg 
gewesen,  zerfiel ; einiges  kam  wohl  wieder  an  den  Hauptstamm  der  Geroldsecker  zurück, 
doch  wissen  wir  darüber  ebensowenig  Bestimmtes  wie  über  die  Ausdehnung  der 
Herrschaft. 

Unter  den  Allodialgütern,  die  an  die  Schwarzenberg  kamen,  waren  Schloß  und 
Dorf  Tiersberg,  Burgheim  mit  dem  Kirchensatz  und  Güter  zu  Oberweier  und  Friesenheim, 
Regelhofen,  Reichenbach,  Gereut  sowie  der  Zehnt  zu  Schutterwald  und  Hofweier.1) 
Aber  das  ehemals  stolze  Dynastengeschlecht  war  schon  arg  heruntergekommen  und 
mußte  immer  mehr  von  seinen  Gütern  verkaufen.  Durch  Erbschaft  besaß  um  1390 
Boemund  von  Ettendorf  und  Herr  zu  Hohenfels  drei  Viertel  der  Burg.  In  diesem  Jahre 
verschrieb  er  dem  Pfalzgrafen  Rupprecht  »sein  sloß  Diersberg  ze  Mortenaw  zu  offenem 
Hause.  Doch  kann  dies  Verhältnis  nicht  lange  gedauert  haben,  denn  schon  1393  ver- 
pfändete Boemund  einen  feil  seiner  Feste  an  den  Markgrafen  Bernhard  von  Baden  und 
1396  einen  weiteren  Teil  an  denselben.  Immerhin  müssen  die  Schwarzenberg  noch  einen 
Teil  besessen  haben,  denn  im  gleichen  Jahre  verkaufte  Ulrich  von  Schwarzenberg  seinen 
Anteil  ebenfalls  an  den  Markgrafen,  während  Susa  von  Staufenberg  geb.  Schwarzenberg 
und  ihr  Gemahl  Hans  ihren  Anteil  den  Brüdern  Burkhard  und  Wilhelm  Hummel  von 
Staufenberg,  ihren  Mitbesitzern  an  der  gleichnamigen  Burg,  verkauften.  Der  Markgraf 
von  Baden  übergab  1396  Georg  von  Bach  amtsweise  seinen  Anteil  und  derselbe  schließt 
im  Namen  des  Markgrafen  und  mit  Boemund  einen  Burgfrieden  ab.  1397  aber  verkaufte 
er  seine  Ansprüche  an  die  Burg,  mit  Ausnahme  des  Burgfriedensbriefes,  um  dieselbe 
Summe,  um  die  er  sie  von  Boemund  gekauft  hatte  (?),  um  500  fl.,  an  den  Markgrafen. 
(1413  endlich  übergab  auch  die  Witwe  Boemunds,  Schanat  von  Ettendorf,  diesem  alle 
Briefe,  die  ihr  verstorbener  Gemahl  besaß.)  Die  Hummel  von  Staufenberg  aber  waren 
noch  im  Mitbesitz,  1423  teilen  die  Vettern  Hans  und  Burkhard  Hummel  ihren  Anteil.2) 
Aus  diesem  Vertrag  ergibt  sich,  wie  eng  ihre  beiden  Familien  auf  dem  gemeinsamen  Anteil 
zusammenwohnten.  Der  Markgraf  belehnte  1428,  aber  nur  auf  Lebenszeit,  die  Edel- 
knechte Heinrich  Leimer,  Hans  von  Miilnheim  und  Seifried  Pfau  von  Ritpur  mit  je  einem 

*)  Huppert  a.  a.  O.  S.  28. 

-)  Yergl.  zu  obiger  Darstellung  Regesten  der  Markgrafen  1606,  1675,  1676,  1677,  1691,  1759 
und  2786. 


AMT  OFFENBURG.  — DIERSBURG  (BURG). 


3 1 1 

Viertel.  Burkhard  Hummel  d.  J.  verkauft  1438,  nachdem  er  sein  Schloß  zu  Hofweiler 
gebaut  hatte,  seinen  Anteil  um  1200  fl.  an  den  Markgrafen  Jakob,  der  bald  nachher 
auch  den  letzten  Rest  von  Hans  Hummel  und  seinen  Kindern  Adam  und  Else  erwarb.  *) 

Damit  war  die  genannte  Burg  im  Besitz  des  Markgrafen,  und  na^jdem  die  1428  belehnten 
Edelknechte  offenbar  gestorben  waren,  verpfändet  Markgraf  Karl  1455  dem  Andres  Röder, 
seinem  Amtmann  zu  Lahr,  das  Schloß  um  1600  fl.  Dieser  verpflichtet  sich  aber,  daran 
200  fl.  zu  verbauen.  1463  endlich  belehnt  Markgraf  Karl  Andres  und  Egenolff  Röder 
mit  dem  ganzen  Schloß  nebst  allem  Zubehör  (das  Dorf  etc.)  und  den  Kirchensätzen  zu 
Hofweier  und  Oberweier,  1476  wird  das  Lehen  von  Markgraf  Christoph  erneuert;  die 
Röder  blieben  von  nun  an  im  Besitz  und  nannten  sich  danach,  1488  hören  wir  von  Hans 
und  Ludwig  Rödere  von  Tiersperg.  Ihr  Geschlecht  besteht  noch  heute  und  ihm  gehört 
die  Grundherrschaft,  während  das  Dorf,  bis  1806  zur  Ortenauer  Ritterschaft  gehörig, 
badisch  wurde. 

Mit  ihnen  ist  nicht  identisch  ein  geroldseckisches  Dienstmannengeschlecht,  das 
sich  ebenfalls  nach  der  Burg  de  Tiersberg  nannte.  1227  erscheint  der  erste  als  Heinrich 
von  Tiersperg.  Mit  dem  Aussterben  der  Dynasten  verloren  wohl  auch  sie  ihren  Sitz 
auf  der  Burg,  hatten  verschiedene  andere  geroldseckische  und  auch  badische  Lehen 
inne.  Auch  sollen  sie  im  unteren'Teile  des  Diersburger  Tales,  im  sogen.  Regelhöfle, 
noch  ein  kleines  Wasserschloß  besessen  haben.* 2)  Sie  starben  in  verschiedenen  Branchen 
im  15.  und  16.  Jh.  aus,  der  letzte  soll  angeblich,  gänzlich  verarmt,  im  Wirtshause  zu 
Oberschopfheim,  wo  er  gewöhnlich  wohnte,  gestorben  sein.  In  ihren  besseren  Zeiten 
waren  sie  mit  den  Röder,  den  Schauenburg,  den  Brandeck,  den  Besserer  von  Ravens- 
burg verschwägert. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Carolum  Borromaeum).  Ursprünglich  war  Diersburg  Kath.  Pfarrkirche 
nach  Oberschopfheim  eingepfarrt.  Den  Burgbewohnern  und  den  Dorfleuten  aber  wurde 
in  der  Burgkapelle  die  Messe  gelesen,  wozu  1471  Bischof  Rupprecht  von  Straßburg  die 
Erlaubnis  erteilte.  Seit  dem  18.  Jh.  scheint  eine  eigene  Pfarrei  zu  bestehen;  die  heutige 
Kirche  aber  stammt  aus  dem  1 9.  Jh.  und  bewahrt  auch  keine  älteren  Gegenstände  auf. 

BURG 

Aus  der  oben  dargelegten  Geschichte  des  Geschlechtes  und  der  Herrschaft  läßt 
sich  für  die  Baugeschichte  der  Burg  nur  erkennen,  daß  die  wahrscheinliche  Erbauungs- 
zeit für  dieselbe  das  12.  Jh.  oder  die  erste  Hälfte  des  13.  Jhs.  ist,  als  die  geroldseck- 
tierspergische  Macht  auf  ihrem  Höhepunkt  stand.  Von  urkundlichem  Material  kommt 
für  den  Bau  in  Betracht  der  Teilungsbrief  zwischen  Hans  und  Burkard  Hummel  von 
1423,  aus  dem  wir  manches  über  die  damalige  Anlage  erfahren,  dann  die  Nachricht 
von  einer  Schloßkapelle  aus  dem  J.  1471,  wonach  dieselbe  damals  erst  erbaut  worden 
zu  sein  scheint,  und  endlich  eine  von  dem  Straßburger  Notar  und  Bürger  Michael  Beringer 
am  22.  April  16 11  ausgestellte  Urkunde  betreffend  die  Inventur  der  Verlassenschaft  des 
Nikolaus  Röder  von  Tiersberg,  welcher  Stadtmeister  zu  Straßburg  war  und  als  Senior 

*)  Vergl.  Regesten  der  Markgrafen  5714  und  6157. 

2)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  460. 

2 1 


Band  VII. 


3*2 


KREIS  OFFENBURG. 


des  Geschlechtes  auf  dem  Diersburger  Schlosse  zu  hausen  pflegte,  wo  er  am  9.  Februar  1 6 1 1 
auch  verstarb.  *) 

Werfen  wir  zunächst  einen  Blick  auf  den  Grundriß  (s.  Fig.  177): 

Die  Wasserscheide  zwischen  dem  Kinzig-  und  Schuttertal,  in  ihren  höchsten 
Erhebungen  der  Schönberg,  auf  welchem  die  Hohengeroldseck  liegt,  der  Rauhkasten 
und  der  Steinfirst  genannt,  umschließt  in  ihren  Ausläufern  nach  Westen  zu  ein  kleines, 
von  einem  munteren  Bach  durchströmtes  Tal,  das  sich  bei  Niederschopfheim  in  die 
Rheinebene  öffnet.  In  dem  oberen  'Feile  dieses  Tales  auf  einem  mäßigen  Hügel,  der 
von  dem  hinteren  Berge  durch  einen  künstlich  zum  Halsgraben  vertieften  Einschnitt 
geschieden  ist,  liegt  die  Ruine.  Das  Plateau  des  Hügels  ist  etwas  über  50  m lang  und 
ca.  20  m breit.  Diese  Form  bestimmte  die  längliche  Anlage.  Die  Hauptburg  selbst, 
48  m lang  und  durchschnittlich  15  m breit,  ist,  wie  die  Hohengeroldseck,  von  einer 


Fig.  777.  Plan  der  Ruine  Diersburg. 


ziemlich  gleichmäßig  etwa  2,7  m starken  Mauer  umzogen,  die  zugleich  als  Außenmauer 
für  die  Gebäude  benutzt  ist.  Im  westlichen  Teil  des  inneren  Berings  erhob  sich  der 
in  den  Urkunden  »das  alte  Haus«  genannte  Palas  A,  im  östlichen  der  sogen.  Neubau 
des  Palas  C.  Auch  in  diesen  auf  die  Baugeschichte  deutenden  Namen  ist  die  Ähnlich- 
keit mit  der  Hohengeroldseck  evident,  wie  auch  in  dem  Grundriß  der  Palase,  einem 
unregelmäßigen  Viereck,  und  dem  dazwischenliegenden  Hof  B.  Wir  werden  gewisse 
Analogien  damit  auch  in  der  ebenfalls  den  Geroldseckern  gehörigen  Burg  bei  Schenken- 
zell wiederfinden.  Die  beiden  Palase  hatten  einen  an  der  Westseite  von  A noch  in 
ctp  4 m Höhe  erhaltenen,  auch  an  der  Nordseite  von  C in  gleicher  Höhe  sichtbaren 
Sockel  von  Sandsteinbossenquadern  (s.  Fig.  1 7 8), 2)  die,  vorzüglich  behauen,  mit  sauberem 
Randschlag,  wieder  an  die  Hohengeroldseck  erinnern.  Ihre  Behandlung  ist  aber  an 
beiden  Palasen  eine  verschiedene.  Bei  C sind  die  Steine  bedeutend  kleiner,  die  Bossen 

*)  F.  Röder  v.  D.,  Freib.  Zeitschr.  IV,  S.  n. 

2)  Die  Sandsteine  wohl  aus  den  Lahrer  Brüchen. 


AMT  OFFENBURG.  — DIERSBURG  (BURG) 


313 


schwächer  und  der  Saumschlag  nicht  von  der  sauberen  Arbeit  wie  bei  A.  In  der  Mauer 
des  Hofes  B fehlen  sie  ganz ; dieselben  sind,  wie  auch  die  Hochmauern  der  Palase  aus 
ziemlich  regelmäßigen  Bruchsteinen  (teilweise  Granit!)  aufgefüta*.  Einen  Bergfried  und 
eine  eigentliche  Schildmauer  besaß  die  Burg  ebensowenig  wie  die  Hohengeroldseck.  Im 
Hofe  B findet  sich  der  Brunnen,  dessen  runder  Schacht  bei  seiner  Öffnung  sechseckig 
ummauert  ist.  Ein  schmaler  Zwinger  F umgibt  die  innere  Burg  an  der  Nord-,  West- 
und  Südseite;  an  der  Ostseite  sind  die  Mauern  des  Palases  und  des  Zwingers  zerstört, 
die  Steine  wurden  nach  der  Angabe  F.  Röders  von  Diersburg  bei  dem  Kirchenbaue 
in  Hofweier  1761  bis  1764  verwendet.  An  seiner  Nordostecke  hat  dieser  Zwinger  eine 
viereckige  Erweiterung,  welche  auf  einen  Turm  zu  deuten  und  wieder  an  eine  ähnliche 
Anlage  auf  der  Schwesterburg  zu  erinnern  scheint.  Die  größtenteils  zerstörte  äußere 
Zwingermauer  führt  um  die 
Südseite  herum  bis  zu  den 
Resten,  wie  es  scheint,  eines 
halbrunden  Turmes  (Mauern 
nur  30  cm  stark  und  schlecht). 

Nach  Analogie  der  Hohen- 
geroldseck möchte  man  ge- 
neigt sein,  sich  hier  — durch 
den  Turm  — den  Eingang  in 
die  Burg  zu  denken , der 
dann  allerdings  direkt  in  den 
Palas  C geführt  hätte,  Näher 
hat  auch  hier  eine  Türe  ver- 
zeichnet. Heute  sind  die  An- 
haltspunkte dafür,  wenn  sie 
je  vorhanden  waren,  ver- 
schwunden. Der  doppelte  Ein- 
gang ließe  sich,  wie  wir 
unten  sehen  werden,  erklären. 

Da  kein  Raum  war,  diesen  Zwinger  zu  einer  unteren  Burg  auszugestalten  und  hier 
die  Nebengebäude  unterzubringen,  so  wurden  diese  auf  dem  östlichen  niederen  Hügel 
angelegt  und  natürlich  auch  durch  Mauern  geschützt,  die  sich  möglicherweise  bis  zum 
heutigen  von  Röderschen  Hof  erstreckten.  Es  entstand  somit  eine  Vorburg,  durch  welche 
der  Burgweg  hindurchging.  Er  führte  dann  auf  einer  Brücke  — deren  Pfeilerreste 
früher  noch  sichtbar  gewesen  sein  sollen  — über  den  Halsgraben  in  den  Torturm  bezw. 
Bau  E.  In  den  Mauerresten  (Mauerdicke  ca.  60  cm)  desselben  ist  nach  Süden  zu  eine 
Schießscharte,  nach  Norden  eine  Türöffnung  erhalten  Eine  Rundbogentür  — ihre 
Bossenquaderumrahmung  teilweise  glatt  gehauen  — öffnet  sich  auf  den  von  Mauern 
umschlossenen  weiteren  Weg,  der  endlich  in  einem  Tor  — Spuren  im  Terrain  noch 
sichtbar  — in  den  Zwinger  führte. 

Etwa  in  der  Mitte  der  nördlichen  Zwingermauer  führte  eine  Mauer  in  das  Tal 
hinunter,  wo  heute  an  der  Straße  noch  Reste  zu  erkennen  sind.  Uber  der  Straße  drüben 
sollen  die  Reste  eines  Mauervierecks  ehemals  zu  sehen  gewesen  sein,  sodaß  also  die 
Straße  gesperrt  war. 


Fig.  178.  Sockel  von  Bo sse?iq uadern  an  der  Ruine  Diersburg. 


21 


3 1 4 


KREIS  OFFENBURG. 


Ob  die  westlich  vor  der  Burg,  etwas  niederer  gelegene,  ovale  Abplattung  des  Hügels 
künstlich  ist  und  — wie  man  früher  glaubte  — eine  Vorbefestigung  trug,  vermag  ich 
nicht  zu  entscheiden. 

Kehren  wir  zu  den  Bauten  der  Hauptburg  zurück.  Man  betrat  sie  von  Norden 
her  durch  ein  i,6o  m breites  und  2,30  m hohes  Tor,  dessen  Gewände  und  Rundbogen 
von  kräftigen,  im  Bogen  keilförmigen  Bossenquadern  gebildet  werden  (s.  Fig.  179).  Die 
Schwelle  des  Tors  liegt  auch  heute  noch  1,90  m über  dem  Boden,  der  doch  seit  dem 
Mittelalter  eher  eine  Erhöhung  erfahren  hat.  Zu  beiden  Seiten  in  der  Scheitelhöhe  je 
eine  Konsole.  Ich  glaube  hier  nicht  an  einen  Gang,  es  scheint  mir  eher,  als  ob  diese 
zum  Auflager  für  ein  Schutzdach  gedient  haben.  Möglich,  daß  das  Tor  früher  viel  höher 
über  dem  Boden  lag,  daß  vor  ihm  eine  eben  mit  diesem  Dach  geschützte  Altane  oder 

besser  Podest  angebracht  war,  den  man 
vom  Zwinger  aus  auf  einer  Holztreppe  oder 
Brettern  erreichte.  (Wie  am  Bernhardsbau 
in  Baden.)  Dieser  ganze  hölzerne  Vorbau 
mag  dann  in  Kriegszeiten  abgebrochen 
worden  sein  und  man  hatte  sich  dann  des 
vermuteten  südlichen  Tores  bedient.  — Im 
Burghof  stehen  wir  vor  der  nur  noch  in 
wenige  Meter  hohen  Resten  erhaltenen 
Ostmauer  des  Palas  A.  Wir  erkennen  eine 
Tür,  von  der  aus  Stufen  in  das  niederer 
gelegene  Erdgeschoß  des  Palas,  wohl  den 
Keller,  hinabführen.  Daneben  eine  gerad- 
sturzige  Fensteröffnung.  Von  den  Mauern 
des  Palas  stehen  die  südliche  und  westliche 
noch  in  mehrerer  Stockwerke-Höhe.  Man 
erkennt  die  Absätze  der  Stockwerke : und 
zwar  außer  dem  Kellergeschoß  von  dreien.  Das  zunächst  unterste  hat  in  der  Westwand 
eine  Schießscharte,  der  nicht  näher  beizukommen  ist,  das  zweite  Stockwerk  ein  gerad- 
sturziges  Fenster,  dessen  Gewände  aus  glattbehauenen,  nicht  weiter  profilierten  Sandstein- 
quadern bestehen.  Das  dritte  Geschoß  endlich  zeigt  in  der  Mitte  der  Westmauer  ein 
gekuppeltes  Rundbogenfenster,  nach  der  Südwestecke  zu  ein  kleines,  einfaches  gerad- 
sturziges  Fenster,  in  der  Südwand  die  Nischenanfänge,  die  Sohlbank  eines  zweiten 
gekuppelten  Rundbogenfensters  und  endlich  ein  noch  aufrechtstehendes,  durch  Auf- 
mauerung und  Eisenstangen  gehaltenes  drittes  (s.  Fig.  180).  Diese  Fenster,  von 
sauberster  Steinmetzenarbeit,  haben  abgeschrägtes  Gewände  mit  den  Löchern  für  den 
Verschluß  der  Fensterläden.  Der  Rundbogen  ist  nur  als  Blendbogen  in  der  Steinplatte 
ausgehauen.  Es  sei  auch  noch  auf  die  kreisrunde  Öffnung  über  den  gekuppelten  Fenstern 

aufmerksam  gemacht.  Hier  auch  zweimal  das  Steinmetzzeichen:  So  sehr  häufig 

nun  diese  Fensterform  auch  ist,  so  wird  man  es  doch  wohl  kaum  als  einen  Zufall 
bezeichnen,  daß  sie  sich  genau  so  an  einem  weiteren  geroldseckischen  Bau,  an  der  Tief- 
burg in  Lahr,  wiederfindet.  Dieses  Geschoß  hat  also  den  großen  Prunksaal  enthalten.  — 
An  der  West-  und  Südwand  des  Baues  ist  hier  oben  innen  die  Mauer  um  etwa  1 m 


Fig.  ijq.  Haupttor  der  Ruine  Diers/mrg. 


AMT  OFFENBURG.  — DIERSBURG  (BURG). 


31  5 


geschwächt;  somit  entsteht  hier  ein  Gang,  der  sich  nicht,  wie  Näher  behauptet,  auf  der 
Mauer  des  Hofes  fortsetzt.  Uber  den  sogen.  Neubau  läßt  sich,  da  nur  noch  geringe 
Mauerreste  erhalten  sind,  nur  aus  dem  obengenannten  Inventar  etwas  entnehmen,  das 
auch  über  die  Einteilung  des  alten  Baues  Anhaltspunkte  gibt.  Danach  führte  in  dem  Alt- 
bau eine  Wendeltreppe  A in  die  oberen  Räume,  welche  in  die  dicke  Mauer  der  west- 
lichen Ecke  eingebaut  war.  »Westlich«  kann  hier  nur  vom  Hof  aus  genommen  sein, 
wir  werden  uns  danach  einen  Treppenturm  in  der  Art  der  Hohengeroldseck  vorzustellen 
haben,  dessen  Steine  in  das  Mauergefüge  eingriffen.  Der  Palas  enthielt  einen  Balken- 
keller (d.  h.  also  nicht  gewölbten)  und  die  Gefängnisse,  dann  im  unteren  Stocke  mehrere 
Räumlichkeiten,  im  zweiten  Stocke  eine  große  Stube  mit  einem  »Kontörlein«  und 
eine  Stubenkammer,  im 
dritten  Stocke  eine  große 
Stube  und  eine  Knechts- 
kammer. Es  ist  dies 
das  Stockwerk,  dessen 
gekuppelte  Rundbogen- 
fenster noch  zum  Teil 
erhalten  sind.  Es  um- 
schloß, wie  das  dritte 
Stockwerk  auf  der 
Hohengeroldseck  eben- 
falls, offenbar  den  Prunk- 
saal, für  den,  wenn 
wir  8 — io  qm  für  die 
Knechtskammer  u.  a.  ab- 
rechnen, ca.8o qm  tibrig- 
blieben.  Im  obersten 
oder  vierten  Stocke  be- 
fanden sich  wie  auf  der 
Schwesterburg  wieder  mehrere  Stuben,  nämlich  die  Jungfernkammer  und  noch  sechs 
fernere  Kammern  für  Gäste,  Mägde  und  zu  anderem  Gebrauche.  Im  sogen.  Neubau, 
also  dem  Palas  C,  »befanden  sich  im  unteren  Stocke  wieder  eine  große  Stube  mit  einem 
Kontörlein  und  einer  Kammer,  wie  im  zweiten  Stocke  eine  kleine  Stube  und  zwei  Stuben- 
kammern«; weiter  ist  hier  nichts  angegeben,  doch  dürfen  wir  wohl  mehr  Stockwerke 
annehmen.  In  der  Nordwand  sind  die  Spuren  einer  ca.  1,40  m breiten  Fensternische 
erhalten.  In  beiden  Hauptgebäuden  war  je  eine  Küche;  auch  ist  in  älteren  Urkunden 
die  Rede  von  einem  »Speißgaden«,  einer  »Pisterie«  und  einer  »Badstubenkemenat«. 

Im  Torturm  E befand  sich  unten  ein  Stübchen  für  den  Turmwart,  im  oberen 
Stocke  die  Schloßkapelle,  die,  wie  es  scheint,  erst  1471  gestiftet  wurde.  Unter  der 
Südseite  der  Burg  lag  der  Fischweiher. 

Wenn  nun  auch  im  Laufe  der  Jahrhunderte  manche  innere  Umbauten  stattgefunden 
haben  mögen,  so  ist  die  Einrichtung  der  beiden  Palase  in  ihrer  Entstehungszeit  doch 
kaum  eine  viel  andere  gewesen,  wie  die  noch  aus  derselben  erhaltenen  Mauern  des 
Palas  A beweisen.  Nach  der  Gestaltung  der  Rundbogenfenster  — die  Quadertechnik 
beweist  nichts  — und  ihrem  Profil  müßten  wir  den  Bau  in  die  Zeit  des  spätromanischen 


Fig.  1S0.  Fenster  von  der  Ruine  Diersburg. 


3 1 6 


KREIS  OFFENBURG. 


oder  Ubergangsstiles  setzen,  sagen  wir  in  die  Jahre  1220  bis  1260.  Der  Neubau  C ist 
doch  wohl  noch  unter  den  Tiersbergern  entstanden  zu  denken.  Da  nun  der  terminus 
ante  quem  die  Burg  wenigstens  zum  größten  Teile  entstanden  sein  muß,  die  Schlacht 
bei  Hausbergen  ist,  in  der  1262  die  Macht  der  Geroldsecker  gebrochen  wurde 
nachher  wird  höchstens  Begonnenes  vollendet  worden  sein  — , und  da  nach  1279 
der  letzte  Tiersberger  nicht  mehr  genannt  wird,  so  haben  wir  uns  die  Baugeschichte 
etwa  so  zu  denken : Etwa  zur  gleichen  Zeit  wie  die  Tiefburg  in  Lahr,  also  zwischen 
1230  und  1250,  wurde  der  Umbau  einer  älteren  Anlage  (des  12.  oder  11.  Jhs.),  von  der 
keine  Spur  mehr  erhalten,  begonnen,  die  Mauer  des  gesamten  inneren  Berings  und  der 
Palas  A hochgeführt.  In  rascher  Folge  schritt  das  mächtige,  aufblühende  Geschlecht 
auch  zum  Bau  des  Palas  C und  der  unerläßlichen  Zwingeranlage  F.  Diese  Bauten 
wurden  vielleicht  durch  die  Schlacht  unterbrochen  und  erst  später  fortgeführt.  Ob  der 
Torturm  E mit  dem  Gange  aus  der  gleichen  Zeit  stammt,  können  wir  heute  nicht  mehr 
feststellen.  Etwas  Ähnliches  aber  muß  dagewesen  sein.  Erst  nach  dieser  Burg  hat  wohl 
derselbe  Baumeister  nach  demselben  Plan,  mit  Anpassung  an  den  größeren  Platz,  den 
Neubau  der  Hohengeroldseck  errichtet,  der  fortgeschrittenere  Formen  zeigt.  — Mit 
Ausnahme  des  späteren  Torturmes  haben  die  späteren  Jahrhunderte  dem  Bilde  nichts 
zugefügt.  Nicht  zu  vergleichen  mit  den  größeren  Residenzen  der  Hauptlinie,  ist  die 
Burg  für  die  Nebenlinie  doch  ein  geräumiger  und  stattlicher  Sitz  gewesen,  der  erst 
später,  als  mehrere  Ganerben  hier  saßen,  für  das  von  ihm  umschlossene  Leben  etwas 
eng  geworden  sein  mag. 


DURBACH 

(Talgemeinde,  bestehend  aus  den  Stäben  Heimburg,  Bottenau  und  Gebirg,  Durbach  Tal 
mit  Amtshof,  Gral,  Lindenplatz  und  Steingasse  etc.) 


Ortsgeschichte 


Vorgeschicht- 

liches 


Schreibweisen:  Turbach  1289;  in  dem  Durbach  1399;  im  Thurbach  1515;  zu 
Turbach  wiler  1328;  zu  VViler  in  dem  Turbach  1360;  Wyler  in  dem  Turbach  1482  etc.; 
der  Grol  1381;  das  hiisz  genant  der  Gräl,  daz  da  lit  im  Turbach  1423;  der  Grale  in 
Turbach  1434;  zu  der  Lynden  1475;  uff  der  mülen  zue  Durrenbach  wiler  1328;  uf 
der  mül  zu  Turbach  wiler  1378  etc.;  der  hof  zu  Stauffenberg  der  hinder  Büchelberg 
im  Turbach  gelegen  1580.  (Zu  ahd.  durri  ==  dürr,  bezeichnet  einen  Bach  mit  zeitweilig 
geringem  Wasserstand.) 

Ortsgeschichte : Im  Mittelalter  offenbar  nur  aus  zerstreuten  Höfen  bestehend,  als 
Ort  von  keiner  großen  Bedeutung,  gehörte  Durbach  zu  der  Landvogtei  Ortenau;  Be- 
sitzungen hatten  hier  die  Grafen  von  Freiburg  und  von  Eberstein,  wohl  aus  der 
zähringischen  Erbschaft,  sowie  die  Herren  von  Geroldseck.  Die  Güter  und  Rebberge 
zu  Ttirrenbach  sind  seit  dem  13.  Jh.  Lehen  der  Staufenberg  von  diesen  drei  Geschlechtern. 
Sicher  ist,  daß  um  1400  Durbach  von  den  Ebersteinern  an  Baden  kam;  jedenfalls  war 
es  später  als  Teil  der  Herrschaft  Staufenberg  baden-badisch.  Die  Herrschaft  trug  zuletzt 
Freiherr  von  Orscelar  zu  Lehen,  worauf  sie  an  den  Lehensherrn  zurückfiel.  Das  Schlößchen 
Gral  oder  Grol  war  seit  1400  badisches  Lehen  der  Zorn  von  Bulach.  — Im  18.  Jh. 
grub  man  in  Durbach  Eisenerz. 

Vorgeschichtliches : Auf  dem  Stollenberg  befinden  sich  zwei  Ring  wälle  (in 
deren  Mitte  das  ehemalige  Schloß  Stollenberg  gestanden  haben  soll);  sie  sind  in  einem 


AMT  OFFENBURG.  — DURBACH. 


317 


Umkreis  von  ca.  450  m aufgeführt  und  bestehen  aus  mit  Erde  gedecktem,  unbehauenem 
rohen  Mörtelmauerwerk.  Zeit  ihrer  Entstehung  unbekannt  vielleicht  frühes  Mittel- 
alter?  (W.J 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Henricum  Imper.).  In  früheren  Zeiten  ist  nichts  von  Kath. Pfarrkirche 
einer  Kirche  bekannt.  Dagegen  ist  die  Schloßkapelle  1655  zur  Pfarrkirche  erhoben 
worden  auf  Betreiben  des  Barons  von  Orscelar;  sie  ist  später  nach  Durbach  verlegt 
worden.  Die  heutige  Kirche  ist  ein  Bau  des  ausgehenden  18.  Jhs.,  einschiffig,  mit 
gerader  Decke,  der  Chor  in  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen,  in  ganz  schlichter 
Ausführung.  Am  Äußeren  sind  die  Ecken  durch  Pilaster  betont,  eine  große  Freitreppe 
führt  empor  zu  dem  Eingang  von  außen  auf  die  Empore,  hier  die  Jahreszahl  1790. 

Innenausstattung:  Hochaltar  neu;  Seitenaltäre  im  üblichen  Barockaufbau;  Kanzel  Innenausstattung 
in  einfachem  Louis  XVI.- Stil. 

Neben  der  Kanzel  eingemauert  Grabstein  des  Freiherrn  Wilhelm  Hermann  Grabstein 
von  Orscelar  (gest.  18.  Juni  1666).  Oben  das  Wappen  (s.  Einleitung),  der  Tod  und  ein 
Engel  halten  darunter  ein  Tuch  mit  der  Aufschrift: 

Stupes  Viator  mortuale  Schema: 

Hoc  saxo  in  anno  si  Stemmatis  Serie 
Postremum  me  condit  Libitina  • 

Esse  inter  uiuos  coepi  A°  MIC  ■ XXVIII: 

Desij  Ano  MDCLXVI-  II XX  Junij 
Nascenti  Parentes  Nomen  dedere  • 

G VILIELMO  EERMNNO: 

Natales  Liberü  ■ Barone  ab  Orscelar 
de  Stauffenberg  msignierunt 
Dignitas  Ser"n  Principis  ac  Domini 
Dm  GVILIELMO  Marchionis  Bades 
Camerarium  fecit 
Ut  Collo  nascere  caelebs  uixi: 

Mortalitatis  uino  crebras  experto  uices 
Illustri  morte  finitus  Dornum 
Durbacesi  fundaui  P ARO  CHI A 
Huic  ossa  anima  Coelo  credidi 
Cui  pro  Inferijs  si  miseris  bene 
precare  et  abi  fors  breui  secu : 
turus. 

An  den  Wänden  des  Chors  hängen  zwei  Ölgemälde : eine  Kreuzigung  (18.  Jh.)  Ölgemälde 
und  eine  h.  Familie,  Elisabeth  mit  dem  Kind  auf  dem  Schoß,  der  kleine  Johannes  kommt 
hinzu,  dahinter  Maria;  interessantes  Werk  unter  venetianischem  Einfluß  vom  Ende  des 
16.  Jhs. 

Kirchengeräte:  Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  Rocailleornament,  Augsburger  Küchengeräte 
Zeichen  und  IGS(?);  ein  zweiter  ähnlicher  mit  dem  gleichen  Zeichen  und  S;  eine  ein- 
fache, im  19.  Jh.  erneuerte  Sonnenmonstranz ; Weihrauchschiffchen  des  18.  Jhs. ; einige 
gewirkte  und  gestickte  Kirchengewänder  des  18.  Jhs. 

Vor  der  Kirche  nach  früheren  Angaben  ein  Kruzifix  von  1780,  heute  nur  ein 
solches  von  1852. 


KREIS  OFFENBURG. 


Piivathäuser 


Kruzifix 


Geschichtliches 


318 


Bemerkenswerte  Privathäuser:  Haus  des  Münchner  Kunstmalers  Huber,  Riegel- 
bau ; die  Herrenmühle,  gegenüber  der  Linde,  ehemals  Allerheiligen  gehörig  (s.  oben). 
Uber  dem  Kellertor  steht: 

17  F • I • (Kelch)  VA  8 9 

darüber  an  der  Fassade  eingemauert  das  Wappen  von  Staufenberg  1588  (dreifaches 
Wappen) ; die  Jahreszahl  1771  an  einem  Haus  gegen  Staufenberg  zu. 

Ein  Kruzifix  von  1759  bei  Eyersbach,  ein  reicheres  von  1789  mit  dreigeteiltem 
Postament,  mit  Maria,  Johannes  und  Magdalena.  Überlange,  verwitterte  Gestalten. 

BURG  STAUFENBERG 

Schreibweisen:  Stoufifenberg  ca.  1070  bis  1092;  Stoufenberc  1120  bis  1150; 
Stoufenberg  ca.  ir5o;  Stöffenberg  14.  Jh.;  Sthüffenberg  1308;  Stophenberg  1318; 
Stauffenberg  142t;  Stouffemberg  1441  etc.;  die  bürg  zu  Stöffemberg  r33o;  zu  Stauffen- 
berg  in  der  vesty  1435. 

Literatur:  K.  Asbrand,  Badenia  NF.I(i859),  S.  340 — 425.  (Eckert), Temringer 
Peter  oder  die  Sage  vom  Schloß  Staufenberg  1863.  Fickler,  Schloß  Staufenberg,  in 
Schönhut,  Burgen  etc.  I,  S.  96 — 107.  Th.  Müller,  Beiträge  zur  Geschichte  der 
Ortenau:  I.  Graf  Burkhard  von  Staufenberg  und  die  Grafen  der  Ortenau,  Z.  NF.  8 (1893), 
S.  419 — 435.  K.  Schorbach,  Jüngere  Drucke  des  Ritters  von  Staufenberg,  Ztschr.  für 
deutsches  Altertum,  Band  40  (1895),  S.  123 — 126.  Edward  Schröder,  Zwei  altdeutsche 
Rittermären:  Moriz  von  Craon  und  Peter  von  Staufenberg,  Berlin  1894,  vgl.  Z.  NF.  9, 
S.  336.  Revue  critique  39,  S.  452.  Göttinger  gelehrte  Anzeigen  Nr.  5 (Mai  1895), 
S.  405 — 416).  Litter.  Centralblatt  Nr.  16. 

Geschichtliches:  Die  Fabeln,  die  man,  wie  früher  üblich,  über  den  römischen 
Ursprung  der  Burg  erfunden  hat,  brauche  ich  hier  nicht  zu  widerlegen,  noch  weniger 
die  Kombinationen  über  die  Beziehungen  derselben  zu  dem  Ringwall  auf  dem  Stollen- 
berge. Man  mag  das  Alles  in  dem  sehr  anmutenden  Aufsatze  Asbrands  nachlesen. 

Jedenfalls  schon  früh  knüpfte  sich  an  die  Burg  die  schöne  Sage  von  jener  Fee,  die  in  treuer 
I.iebe  mit  einem  Ritter  Peter  von  Stauffenberg  verbunden  war:  »Petermann  der  Diemringer,  ein 
degen  uzerkorn,  von  Stoufenberg  was  er  geborn,  daz  liet  in  Mortenouwe«.  Er  hatte  ihr  geschworen, 
kein  ander  Weib  zu  nehmen,  und  er  bleibt  ihr  treu,  bis  der  König  ihn  überredet,  seine  Nichte,  die 
Herzogin  von  Kärnten,  zu  heiraten.  Beim  Hochzeitsmahle  erscheint,  wie  die  Fee  als  Zeichen  an- 
gekündigt, ihr  weißer  Fuß  durch  die  Decke  des  Saales : 

Ein  Frauenfuß  sich  sehen  ließ 
Im  Saale  bloß  bis  an  das  Knie, 

Und  schöner  ward  auf  Erden  nie 
Noch  lieblicher  ein  Fuß  gesehen 

und  drei  Tage  später  war  der  Ritter  tot.  Der  Dichter  des  Liedes  war  selbst  ein  Staufenberger, 
Egenolf,  der  1273  schon  vorkommt  und  1324  stirbt  und  offenbar  als  Vorbild  Konrad  von  Würzburg 
hatte.  Die  Dichtung  ist  früh  gedruckt  worden,  in,  wie  es  scheint,  mehreren  Inkunabeln,  1588  hat 
sogar  Johannes  Fischart  sie  auf  Wunsch  des  Junkers  Melchior  Wiedergrün  von  Stauffenberg  um- 
gearbeitet, aus  dem  19.  Jh.  existieren  drei  Ausgaben.  Den  Helden  der  Dichtung  genauer  zu 
bestimmen,  ist  bis  jetzt  nicht  gelungen.  Auch  über  den  Zusammenhang  der  Familien  Diemeringen 
(Elsaß)  und  St.  konnte  nichts  festgestellt  werden.  Ein  Peter  von  St.  erscheint  1274;  es  scheint 
mir  aber  gänzlich  ausgeschlossen,  daß  die  Sage  an  einen  Zeitgenossen  des  Dichters  anknüpfte,  wohl 
eher  an  einen  weit  älteren  Vorfahr  des  gleichen  Namens.  — Später  — schon  im  15.  oder  16.  Jh.  — 
scheint  dann  eine  Verwechslung  mit  der  Melusinensage  eingetreten  zu  sein,  und  schließlich  wurde 
Staufenberg  und  die  angebliche  Burg  auf  dem  Stollenberg  als  die  Heimat  der  Melusine  bezeichnet. 


AMT  OFFENBURG.  - DURBACH.  (BURG  STAUFENBERG.)  319 

Historisch  erscheint  zum  erstenmal  ein  Burckardus  cdftaes  de  Stouffenberg  1070 
bis  1092,  der  nach  der  Notitia  fundationis  Monasterii  S.  Georgii  1092  starb,  dort  »comes 
de  Castro  Stoupha«  genannt.  Nur  er  hieß  Graf,  sein  Bruder  Bertholdus  wird  als  »ingenuus 
homo«  bezeichnet.  Neben  ihm  erscheinen  noch  seine  Brüder  Anselm  und  Adalbert 
sowie  der  Sohn  des  Anselm  Hermann  und  »quidam  militaris  homo,  libertate  nobilis, 
Heinricus  nomine  de  Stouphenberg«,  der  1132  Mönch  von  S.  Georgen  wird  und  dem 
Kloster  stattliche  Güter  mitbringt.  Des  letzteren  Zusammenhang  mit  den  früher  Genannten 
ist  eben  den  Gütern  nach  höchst  wahrscheinlich,  ’)  ihr  Sitz  muß  dieses  Staufenberg 
gewesen  sein.  Es  bildet  so  recht  den  Mittelpunkt  der  Besitzungen,  die  in  der  Ortenau, 
im  Ufgau,  im  Breisgau  und  in  der  Baar  lagen.  Die  Versuche,  die  Familie  in  eines  der 
bekannten  Grafengeschlechter  einzureihen,  sind  bis  jetzt  mißlungen.  Es  scheint  auch, 
daß  die  Mitglieder  zwar  zu  den  Edelfreien  gehörten,  daß  aber  nur  jener  eine  Burckart 
durch  zeitweilige  Bekleidung  eines  Grafenamtes  zu  höherem  Range  emporgestiegen  ist. 

Der  Gau,  in  dem  er  die  Grafschaft  innehatte,  kann  kaum  ein  anderer  gewesen  sein  als 

« 

die  Ortenau.  Hier  könnte  er  der  Nachfolger  der  Crrafen  Wernhart  und  Lintfried  gewesen 
sein,  mit  denen  seine  Familie  möglicherweise  verschwägert  war.  Als  Graf  der  Ortenau 
stand  er  nun  vielleicht  in  einem  Abhängigkeitsverhältnis  zu  den  Zähringern,  auch  Sonstiges 
weist  darauf,  daß  dies  edelfreie  Geschlecht  ihnen  nahestand.  Möglich,  daß  sie  über- 
haupt die  Burg  nur  als  zähringisches  Lehen  besaßen  und  daß  diese  nach  dem  Eintritt 
des  letzten  der  Familie,  Heinrichs,  in  das  Kloster  eines  ihrer  Ministerialengeschlechter 
auf  die  an  sie  zurückgefallene  Burg  setzten. 

Eine  Verwandtschaft  dieses  jüngeren  Geschlechtes  von  Staufenberg  mit  dem  älteren 
scheint  nicht  unmöglich,  aber  auch  nicht  sicher  nachzuweisen.  Sollte  sie  bestanden 
haben,  so  wäre  also  das  Geschlecht  um  die  Mitte  des  12.  Jhs.  aus  dem  Herrenstand  in 
die  Ministerialität  übergetreten.  (?)  Zum  erstenmal  erscheint  1148  »de  domo  ducis  (de 
Zaringen)  Adalbertus  et  frater  eius  Gönradus  de  Stoufinberc«  und  in  ebensolcher  Ver- 
bindung im  gleichen  Jahre  Burckart.  Das  Geschlecht  setzt  sich  dann  fort  bis  in  das 
1 4.  Jh.  Ihm  gehört  auch  der  obengenannte  Dichter  an.  Mit  Wylhelm  von  Stauffenberg 
zwischen  1374  und  1376  scheint  es  auszusterben. 

Die  Burg  mit  Zubehör  kam  von  den  Zähringern  über  die  Grafen  von  Freiburg  an 
die  Eberstein,  1366  an  die  Markgrafen  von  Baden,  von  denen  sie  die  auf  Staufenberg 
sitzenden  Geschlechter  zu  Lehen  hatten.  Seit  dem  13.  Jh.  treten  immer  neue 
Geschlechter  in  der  Burg  auf;  so  kurze  Zeit  die  Röder:  Albrecht  Ruder  von  St.  1311. 
1270  treten  die  Kolb  von  St.  auf  mit  Ülricus  miles  dictus  Colbo,  die  Anfang  des 
15.  Jhs.  mit  Ludewig  Kolbe  von  Stoffenberg  edel  kneht  (1417  und  1419)  aussterben. 
Es  folgen  1274  die  Tarant  mit  her  Brun  dez  Terandes  sun,  die  aber  schon  mit  seinem 
Sohn  Heinrich  (1322)  endigen;  die  St  oll:  Bruno,  filius  quondam  domini  Conradi  nobilis 
dicti  Stollen  1291,  deren  letzter  Wolf  Stoll  von  St.  1545  ist;  die  Schottkind  oder 
Schott:  Heinricus  de  Stoffenberg  dictus  Schotkindt  nobilis  1301  und  wohl  sein  Sohn 
Johannes,  zuletzt  1372;  die  Wiedergrün  mit  Heinrich  zu  St.  von  Widergrin  1303, 
die  am  längsten  auf  der  Burg  hausten  und  erst  mit  Melchiors  Sohn  Philipp  1604  aus- 
starben; die  Hummel  mit  Johannes  dictus  Humbel  de  Stofenberg  1330,  armiger  1346, 
die  1504  mit  Diether  verschwinden;  endlich  1370  die  Bock  mit  Wersich  Bock  von 


1)  Müller  a.  a.  O.  S.  423.  Doch  sind  alle  diese  Darlegungen  fraglich. 


32° 


KREIS  OFFENBURG. 


St.  ein  edel  knecht,  als  letzte  genannt  Elsbeth  Bock  von  St.,  witwe  junckers  Dietbold 
Pfau  von  Riedbur  1516.  Die  Familie  der  Pfaue  von  Rüppur  war  gegen  Ende 
des  14.  Jhs.  mit  Sifrit  von  dem  Markgrafen  gegen  den  Widerspruch  der  meisten  Burg- 
anteilhaber in  eines  der  erledigten  Burgteile  eingesetzt  worden.1)  Die  Wirtschaft  auf 
dem  Schloß  war  ziemlich  verarmt,  die  beiden  Belagerungen  und  teilweisen  Zerstörungen 
1329  und  1350  durch  Straßburg  — schuld  an  der  letzten  war  ein  Al  brecht  von  Ow, 
welche  Familie  kurze  Zeit  ebenfalls  einen  wenn  auch  nicht  vollberechtigten  Burganteil 
hatte  — mögen  schuld  daran  sein;  dann  aber  hatte  das  immer  kapitalkräftige  Kloster 
Allerheiligen,  das  den  Zehnten  besaß,  auch  sonst  große  Teile  und  Rechte  der  Herrschaft 
in  seinen  Besitz  gebracht.  Die  Pfaue  scheinen  nun  einen  frischen  Zug  in  die  Familien 
gebracht  zu  haben,  1456  wird  ein  Burgfrieden  geschlossen,  1489  erneuert.  Bis  zum  Aus- 
sterben im  16.  Jh.  hatten  die  Pfaue  3 ’/2  Burgteile  an  sich  gebracht.  Die  Markgrafen 
haben  in  dieser  Zeit  bei  dem  Aussterben  der  verschiedenen  Linien  keine  neuen  Lehens- 
träger eingesetzt,  und  so  konnte  1604  nach  dem  Tode  des  letzten  Wiedergrün  Ernst 
Friedrich  von  Baden  das  Lehen  wieder  einziehen.  Zwar  war  es  kurz  vorher  mit  großen 
Geldopfem  in  ein  Kunkellehen  verwandelt  worden,  der  Ansprüche  der  Töchter  aber 
wurde  nicht  geachtet.  Als  Markgraf  Wilhelm  von  Baden-Baden  durch  kaiserliche 
Kommissare  wieder  in  den  Besitz  der  Herrschaft  gekommen  war  gegen  die  Ansprüche 
Baden-Durlachs  (1622),  verlieh  er  die  Herrschaft  als  Pfandlehen  dem  Freiherrn  Karl  von 
Orscelar  von  Oudenguth,  dessen  Sohn  Wilhelm  Karl  sich  sehr  um  das  Aufblühen  nach 
dem  Dreißigjährigen  Kriege  bemühte.  Durch  Erbschaft  kamen  1667  Franz  Fortunat  von 
Haindorf  und  Georg  Wilhelm  von  Bettendorf  in  den  Besitz,  durch  Kauf  1683  Christoph 
von  Greifen.  1700  endlich  löste  Markgraf  Ludwig  Wilhelm  die  Herrschaft  mit  50000  fl. 
und  erwarb  1719  die  pfauischen  Lehen  um  11  426  fl.  von  der  Familie  Küfifer  dazu.  Die 
Herrschaft  Staufenberg  umfaßte  das  Schloß,  Durbach  mit  Stöcken,  Bühl,  Hespengrund, 
Wiedergrün,  Obernesselried,  Illental,  Bottenau,  Spring,  Heimbach,  Stürzelbach,  Ergers- 
bach,  Lautenbach,  Neuweg,  Vollmersbach,  Halsbach,  Sendelbach,  Gebirg,  Brandeck,  Gral, 
Oberweiler  und  Unterweiler.  1 832  kaufte  Großherzog  Leopold  das  Schloß  vom  Domänen- 
fiskus, als  Erbe  erhielt  es  sein  Sohn  Prinz  Wilhelm,  und  daher  gehört  es  jetzt  dem  Prinzen 
Maximilian  von  Baden. 

Die  Anlage  des  Schlosses  im  Mittelalter,  deren  Reste  heute  noch  zu  erkennen, 
ergibt  sich  aus  seinem  Zweck  als  Sitz  von  etwa  acht  Ganerbenfamilien ; außer  diesen 
vollberechtigten  Anteilen  gab  es  noch  zwei  weitere.  Aus  den  urkundlichen  Nachrichten 
hören  wir  von  einer  »capelle  zu  Stöffenberg  uf  der  Bürge«  1360,  die  nach  Nußbach  ein- 
gepfarrt  war.  Die  »phrunde,  die  da  höret  zu  sant  Gergen  capellen  zu  Stoffenberg«, 
gehörte  schon  1578  dem  Kloster  Allerheiligen.  Während  noch  1545  sant  Georgen 
caplanei  uf  dem  hauß  Stauffenberg  genannt  wird,  heißt  es  1666  von  der  1655  zur  Pfarrei 
erhobenen  Kirche:  »patronus  coeli  est  s.  Henricus;  collator,  decimator  et  dominus 
temporalis  est  Hermannus  Wilhelmus  baro  ab  Orsclar«.  1374  bis  1376  wird  ein  kirch- 
herre  Lemelin  Lampreht  genannt.  Wir  hören  von  den  offenbar  an  der  nördlichen 
Mauer  gelegenen  Wohnungen  der  Wiedergrün,  der  Kolb,  der  Bock,  der  Staufenberger, 
auf  welche  die  Kapelle  folgte,  dann  vom  Stollenhaus,  das  später  zum  Amtshaus  wurde, 
sowie  von  der  an  der  südlichen  Mauer  dem  Tor  zu  gelegenen  Hofstatt  der  von  Ow. 


x)  Regesten  der  Markgrafen  1843  uncl  1883. 


AMT  OFFENBURG.  — DUKBACH.  (BURG  STAUFENBERG.)  32  I 

Im  15.  Jh.  muß  die  Burg  in  zehn  Teile  geteilt  gewesen  sein.  Bei  einer  Visitation  durch 
den  markgräflichen  Beamten  zu  Zeiten  des  Bauernkrieges  ergab  sich,  daß  die  Burg 


in  ganz  schlechtem  Zustand  war,  die  Geschlechter  dort  ließen  ihre  Häuser  verfallen. 
1537  lernen  wir  aus  einem  Inventar  der  Wiedergrün  die  offenbar  nicht  sehr  glänzende 


Fig.  181.  Plan  der  Burg  Staufenberg. 


322 


KREIS  OFFENBURG. 


Innenausstattung  ihrer  Wohnung  kennen.  Unter  der  Occupation  Baden-Durlachs  wurde 
an  der  Stelle  des  jetzigen  Kellergebäudes  ein  neuer  Bau  aufgeführt,  der  1663  zusammen- 
fiel und  dabei  Teile  des  Zwingers  beschädigte.  Im  Jahre  1632  ist  die  Burg  durch  die 
Schweden  verwüstet,  1689  durch  die  Franzosen  teilweise  beschädigt  worden.  Bei  den 
Wiederherstellungsarbeiten  nach  1832  mußten  wegen  Baufälligkeit  die  Kapelle  und  die 
ihr  zunächst  liegenden  zwei  Häuser  beseitigt  und  der  1730  renovierte  Torturm  durch 
einen  neuen  ersetzt  werden. 

Baubeschreibung  Die  Burg  liegt,  383  m hoch,  auf  einer  Kuppe,  die  nach  Norden,  Westen  und 
Süden  ziemlich  steil,  auch  nach  der  Angriffsseite  im  Osten  noch  einigermaßen  abfällt 

und  einen  weiten  Ausblick  in  das 
Durbachtal  und  die  Rheinebene 
gestattet.  Unser  Plan  (s.  Fig.  1 8 1) 
läßt  uns  den  alten  Burgweg  E 
erkennen,  der  von  Ost  nach  West 
an  der  zerstörten  Zwingermauer 
empor  zum  Tore  D führt,  das  in 
seiner  heutigen  Gestalt,  wie  gesagt, 
dem  19.  Jh.  entstammt.  Doch  ge- 
hört es  in  seinen  Fundamenten 
noch  dem  ehemals  hier  vor- 
handenen alten  Bau  an.  An  seiner 
dem  Burghof  zugekehrten  Seite  ist 
ein  aus  dem  Ende  des  15.  Jhs. 
stammendes  Allianzwappen , der 
Pfaue  von  Rüppur  und  der  Bock, 
eingemauert.  Eine  nur  ca.  65  cm 
starke  Mauer  aus  Bruchsteinmauer- 
werk umgibt  den  oberen  Bering, 
der  etwa  als  unregelmäßiges  Viel- 
eck zu  charakterisieren  wäre. 
Beim  Eintritt  in  dasselbe  finden 
umgebenen  Raum  C,  der  nach 
Asbrand1)  die  Häuser  der  Wiedergrün  enthalten  haben  soll.  Daran  stößt  das  heutige 
Kellergebäude  B an,  an  Stelle  des  1663  zusammengestürzten  »neuen  Baues«.  Ihm  ist 
das  in  Fachwerk  errichtete  Brunnengebäude  vorgelagert  mit  dem  alten,  achteckig  um- 
mauerten Ziehbrunnen.  An  der  Nordmauer  folgten  nacheinander  vom  Tore  aus  auf- 
gezählt ein  Stallgebäude,  das  Stollenhaus  und  die  S.  Georgskapelle,  alle  1832  abge- 
rissen. Aus  der  Kapelle,  die  nach  Osten  zu  eine  kleine  Apsis  hatte,  sollen  die  zwei 
Wappensteine  (s.  Fig.  182)  stammen,  die  jetzt  in  die  Nordmauer  von  C eingemauert 
sind:  das  Wappen  der  Marsil  und  das  von  Staufenberg.  Alt  sind  hier  oben  nur  noch 
der  Flankierungsturm  F und  das  Gebäude  A,  auch  sie  mehrfach  umgebaut.  In  dem 
unregelmäßigen  Viereck  des  nur  noch  bis  zu  einer  geringen  Höhe  stehenden  Turmes 
möchte  ich  einen  Rest  der  ältesten  Anlage  erkennen,  da  hier  ein  kräftiger  Schutz  gegen 


Fig.  182.  Wappensteine  im  Burghof  von  Schloß  Staufenberg. 
wir  rechts  einen  heute  nur  von  niederen  Mauern 


*)  Badenia  a.  a.  O.,  s.  auch  den  dortigen  Plan. 


AMT  OFFENBURG.  — DURBACH.  (BURG  STAUFENBERG.) 


323 


die  Angriffsseite  nötig  war.  Der  heute  zu  Wohnzwecken  umgeänderte  Bau  enthält  nach 
Norden  und  Westen  noch  einige  Schießscharten.  An  seiner  Nordostecke  ist  das  Mauer- 
werk außerordentlich  verstärkt.  An  ihn  schloß  sich  wohl  gegen  Süden  ziehend  die 
Schildmauer  an,  von  der  wir  hören,  aber  keine  Spuren  mehr  vorfinden.  Der  Bau  A, 
wohl  auf  älterer  Grundlage,  ist  von  Melchior  Wiedergrün  durchgreifend  erneuert  worden, 
worauf  die  Eingangstüre 
(s.  Fig.  183)  mit  dem 
Wappen  von  Staufenberg 
und  Blumeneck  hindeutet. 

Sie  ist  mit  einem  Flach- 
bogen abgeschlossen,  ihr 
Gewände  in  Hohlkehlen 
und  flachen  Wülsten  pro- 
filiert, die  unten  einer- 
seits in  einem  Voluten- 
ablauf, andererseits  in 
einem  Maskeron  endigen. 

Aus  dem  nördlichen 
Teil  führte  eine  schlichte 
Spitzbogentür  nach  der 
Kapelle  zu.  Die  Ge- 
wände, wie  auch  die  ab- 
gefasten der  Fenster  des 
Hauses,  bestehen  aus 
rotem  Sandstein,  der  Bau 
selbst  ist  aus  Bruch- 
steinen errichtet,  Bossen- 
quader  an  seinen  Ecken. 

Er  hat,  auch  noch  im 
19.  Jh.,  manchen  Umbau 
im  Innern  erlitten,  so 
daß  dessen  alte  Gestalt- 
schwer  zu  erkennen.  Im 
Erdgeschoß  im  Em- 
pfangszimmer noch  eine 
Spitzbogentür  mit  Hohlkehle  und  Rundstab,  in  Voluten  endigend,  erhalten,  eine  Tür 
mit  ähnlicher  Profilierung  führt  in  die  Turmräume.  An  einem  Doppelfenster  findet  sich 
noch,  die  beiden  Flachbogen  tragend,  eine  gebauchte  Renaissancesäule  (s.  Fig.  184), 
an  ihrem  Gebälk  wieder  das  Staufenberger  und  Blumenecker  Wappen.  In  dem  gleichen 
Gemach  an  der  anderen  Wand  eine  große  Doppelflachbogennische.  In  dem  ganzen 
Gebäude  zerstreut  eine  stattliche  Anzahl  von  Glasgemälden,  die  angeblich,  nur 
zum  Teil  wahrscheinlich  aus  der  alten  Georgskapelle,  zum  Teil  aber  wohl  auch  aus 
Sammlertätigkeit  von  anderen  Orten  stammen.  Einige  von  ihnen  sind  stark  restauriert, 
andere  aus  verschiedenen  Scheiben  zusammengeflickt.  Ich  lasse  sie  der  Zimmerreihe 


Fig.  183.  Tü?'c  in  den  Wohnbau  auf  Schloß  Staufenbag. 


Glasgemälde 


nach  folgen : 


324 


KREIS  OFFENBURG. 


i.  Bärtiger  Mann  in  der  puffigen  Tracht  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhs.,  die  Büchse 
über  der  Schulter  und  Patronenhalfter;  ihm  reicht  seine  gegenüberstehende  Frau  einen 
Pokal.  Darüber  die  Mühle  mit  Rad,  Mehlsäcken,  eine  arbeitende  Magd  und  die  zwei 
Töchter  (im  Brautschmuck  ?).  Unten  die  Hausmarken  und  die  Schrift: 


Sortjem  ^Ultimen  3iBuii . . 

Zu  3Cbarff  ttnb  2l!iib  : . . . 

23ctcr  ^tn  43gc  . . . 

5tTnno  Pom  . . ^ifjärer  311. 

In  einer  eingeflickten  Scheibe  zwischen  den  Beinen  des 
Mannes  steht:  Hege  • o.  (31  X 20  cm.) 

2:  In  Roll werkkartusche  Wappen : eine  Bram  (Brehme) 
über  Dreiberg,  Helmkleinod,  ein  Mann  mit  Mütze,  der 
zwei  Bienen  in  der  Hand  hält,  unten  ein  Trommler  und 
ein  Pfeifer  und  die  Unterschrift: 

^Cnbarcs  23ram  bifer 
Zit  Porte  ber  tjcrfrfiaft  ßiiotiau 
Unb  JCiibtiiiaiibt  ber  ftatt  j-ciib 

15  93 

(Etwas  zusammengeflickt,  sonst  gut  erhalten.)  (29  X 20  cm.) 

3.  Von  zwei  Landsknechten  gehalten  das  Wappen 
mit  dem  Reichsadler,  darüber  die  Krone.  Unten  Wappen 
von  Glarus,  derselbe  oben  noch  einmal,  daneben  Scenen 
aus  seinem  Leben.  Unten  steht: 

<Daf  :Cölnii1jc  rCanb  PlaniG 
1 6 6 3 

(Die  Scheibe  ist  stark  geflickt,  das  Reichswappen  scheint 
ganz  neu  eingefügt.)  (30  X 20  cm.) 

4.  Ehepaar  (wie  1.),  Mann  mit  Büchse,  die  Frau 
mit  Pokal,  oben  sein  Abschied  und  seine  Heimkehr. 
Unten  das  Wappen,  nach  links  springender  Fuchs  (?),  und 
die  Unterschrift: 

IPiftjelm  'Cut^i  offetn  Uirfritümj  Prbinm 

Fig.,84.  Fenstersäule  im  Wohn-  ^0t  naCÖ  11110 

gebäude  des  Schlosses  Staufenberg.  ^Mailljill  fl  111  € . . Urfje  tjußfTOltllL  16+O. 

(Sehr  gut  erhalten.)  (29  X 20  cm.) 

5.  Von  hübschen  Tugendgestalten  flankiert  das  Wappen:  Schild,  gespalten,  rechte 
Seite  schräg  links  rot  und  silbergestreift,  auf  der  linken  Seite  eine  Axt  in  Blau ; Unterschrift 
in  Rollwerkkartusche : 


3i  23aIta*Tar  &ieumä  beü  tfatijs  bei: 

J^tatt  TCiiccni  unb  ber  Zeit  43c  PaiiptmaiiiL  1632. 

Oben  Anbetung  der  h.  drei  Könige,  daneben  der  h.  Franz  und  auf  der  anderen  Seite  ein 
Reiter  in  der  Zeittracht.  (Die  Scheibe  scheint  ziemlich  unberührt,  doch  würde  man  sie 
ihrem  Stil  nach  gewiß  50  Jahre  früher  ansetzen.)  (31  X 20  cm.) 

6.  Abrahams  Opfer  unter  Frührenaissancearchitektur,  unten  links  (vom  Beschauer) 
hält  eine  Gerechtigkeit  mit  verschleierten  Augen  einen  Schild  mit  dem  Buchstaben  R, 


AMT  OFFENBURG.  - DURBACH.  (BURG  STAUFENBERG.) 


325 


rechts  ein  Engel  einen  Schild  mit  schwarzem,  linksschrägem  Bach  und  Haken  in  gelbem 
Eeld;  dazwischen  in  Rollwerkkartusche  die  Inschrift: 


Fig.  1S5.  Glasgcmälde  auf  Schloß  Staufenberg  bei  Durbach. 


Caspar 

btfer  Sytt  SCmjpt 
man  51t  bcn  ?UFigcn 
ftnniTcn  16 1 4. 

Oben  von  Putten  mit  Vasen  begleitet  Kartusche  mit  der  Inschrift; 

6ott  fteljt  ^braljamö unb  tnillcn 

:€aft  in  fpn  apffer  nit  e . . . Hcn 
üfacfj  ba£  unfdjulb  baubilb  . ft 
^as  €>pffcr  unfcrö  t^cila  . . s Cljri  ft. 


326 


KREIS  OFFENBURG. 


Das  sehr  schöne,  noch  auf  Holbeinsche  Tradition  zurückgehende  Hauptbild  in  seiner 
rechten  Ecke  leider  stark  geflickt;  die  Umrahmung  und  Bekrönung  mit  den  Putten 
sind  früher  als  die  Jahreszahl;  die  Scheibe  ist  aus  zwei  verschiedenen  zusammengefügt. 
(30  X 20  cm.) 

7.  Mann  und  Frau,  er  mit  Büchse,  sie  mit  Pokal,  ein  Töchterchen  an  der  Hand 
führend.  Oben  das  Ehepaar,  Gäste  bewirtend.  Unten  Wappen:  Stern  und  Mond 
mit  H D und  die  Unterschrift: 

J^anb  T>oblcr  5flla  IPdbcI  jüm  IDaffers 
Unb  freuen  jil&etärri  fin  ec.  frautu.  1598. 

Ziemlich  intakt  erhaltenes  Stück.  (31  X 20  cm.) 

8.  Allianzwappen  in  Architekturumrahmung:  ein  nach  links  wachsender  schwarzer 
Widder  in  Gold,  ebensolches  Helmkleinod;  quergeteiltes  Schild,  oben  zwei  weiße  Lilien 
in  Schwarz,  unten  schwarze  Lilie  in  Silber.  — Uber  der  Architektur  die  kleinen  Dar- 
stellungen einer  Gerichtsscene  und  der  h.  Magdalena.  Unten  in  Rollwerkkartusche  die 
Inschrift : 

jl!>arn(cu)  ^lijuitija  . . . fürftttrfj  T>se  (?) 

'i-rdtjcrtsoii  JIcojjoI  . . reiilj  Uatfj 
unb  IDertualtter  b . ufrijafft  3110 
Coftant5  unb  j;r. . . ^iljülbtljaißin 
geborne  Jllutnp . ^jjiegelbcrg 
fein  €ljegema . . o 1630. 

Die  Inschrift,  die  in  der  Mitte  jeder  Zeile,  wo  die  Verbleiung  durchgeht,*  Worte  und 
Buchstaben  vermissen  läßt,  ist  nach  einer  Beschädigung  so  zusammengeflickt  worden. 
Auch  am  Oberstück  der  Scheibe  ist  verschiedenes  geflickt;  es  erscheint  nicht  sicher, 
daß  alles  hier  zugehörig  war.  (31  X 20  cm.) 

9.  Hauptdarstellung:  das  Gleichnis  von  den  Arbeitern  im  Weinberg.  Zwei  jüngere 
Männer  sprechen  mit  dem  alten  Besitzer.  Im  Kopfstück:  ein  Pflug  von  vier  Pferden 
gezogen.  Unten  links  Wappen,  schräg  links  geteilt:  oben  Schaufel  in  Blau,  unten  Pflug- 
schar in  Silber.  Unten  rechts  ebenfalls  ein  Wappen,  ein  Turm  in  Blau.  Dazwischen 
Inschriften.  In  Rollwerkkartusche,  deren  oberer  Teil  allein  erhalten  ist: 

^abratfj  Cornau. 

In  einem  eingeflickten  Feld  darunter,  wohl  nicht  hierhergehörig: 

3l!briä  Siegler  • bt'5  • Katljs  unb 
Barbara  25üniauin  unb  ♦ 

Barbara  ^artenljüfenu  fine 
Ctjcgeniaijcl  HI  II  IO  1607. 

Die  sonst  nur  wenig  geflickte  Scheibe  ist  hier  unten  offenbar  stark  verändert  worden 
(s.  Fig.  185.)  (30  X 20  cm.) 

10.  Mann  und  Frau,  er  mit  großem  Zweihänder  auf  der  Schulter,  sie  mit  Pokal 
wie  üblich.  Im  Kopfstück  Stierbrennung  und  wie  der  Stier  auf  die  Weide  getrieben 
wird;  unten  in  rotem  Schild  die  Hausmarke  und  die  verstümmelte  Inschrift: 

I^rtiaf  ♦ luirtlu  • uff  ♦ JCutcnluis  • unb 

dHfbet  • J^etsler . ...  fin  ..?.  1598  ♦ ♦ • (30  x 20  cm.) 

11.  Allianzwappen.  In  blauem  Schild  drei  goldene  Rauten,  Helmkleinod,  Ober- 
teil eines  Mannes  mit  Mütze  und  Rautenband;  in  goldenem  Schild  ein  schwarzes  Rad, 


AMT  OFFENBURG.  — DURBACH.  (BURG  STAUFENBERG.) 


327 


dasselbe  zwischen  zwei  Hörnern  als  Kleinod;  die  Wappen  von  Renaissancearchitektur 
umrahmt;  oben  Kampf  Davids  und  Goliaths,  unten  in  Rollwerkkartusche  (sicher  dazu- 
gehörig) die  Inschrift : ') 

43corg  Jpaiier  itiib  Urfula 
JDapcrin  a3rüornc  JDanerin  Situ 
Dorf  j>cin  €1ht  . . atjel. 

1 6 — l(?)5  (3°  x 20  cm.) 

12.  Hauptdarstellung:  eine  Sängerschule.  Im  Kopfstück  Putten,  Rollwerk,  ein 
h.  Bischof  und  h.  Barbara(?);  unten,  von  Engeln  gehalten,  ein  Wappen,  Rad  mit  drei 
Sternen  in  Grün,  und  eine  Tafel  mit  Inschrift: 

üjannß  Regner  alt  IRärijcntjcrs 
^T>ißcr  %}\t  ,4?tatt  jfänberidj.  Unb 
3fana*>  Regner  T>ißcr  2-ut  tfänb- 
crirfj  llnb  fyannß  0förg 
^üit^cr  » alle  bren  Burger  bet 
^tatt  IPintertfjür  ♦ 1650  EKiegii.1  2) 

In  allen  Stücken  nicht  zusammengehörend,  ganz  zusammengeflickte  Scheibe.  (29,5  X 20  cm.) 

13.  Der  h.  Georg,  den  Drachen  tötend,  von  Säulen  flankiert;  darüber  in  Rocaille- 
kartusche : 

3Der  Bittet  fallet  3örg  gant-;  taoljlgemüt 
XD 0111  (Tradjen  bie  3PuncftfraVu  eriöfcn  buot. 

Unten  in  Spätrenaissancekartusche  die  neue  Inschrift : 

SUbain  XDunu  niel  a3emeinet 
Sii  ^tauffcntierg  SUinia  1+70 

und  das  Wappen : drei  Kugeln  in  gelbem  Feld.  Dies  eine  ganz  irrige  Ergänzung  aus 
dem  19.  Jh.  (30  X 20  cm.  Sehr  schönes  Stück  heute  in  einem  Schreibtisch  aufbewahrt.) 

14.  Unter  Säulenarchitektur  ein  Mann  mit  Mantelkragen  und  seine  Frau  mit  Pokal. 
Im  Kopfstück  Austreibung  aus  dem  Paradies,  worunter  steht : 

o3ott  ließ  fp  jagen  uß  bnn  harten 
üDtt  (Tob  fol't  fottljin  icrct  Uiatte.  gene  : 

Unten  an  der  Scheibe  Rollwerkkartusche,  in  der  Mitte  das  Wappen : in  blauem  Feld 
Schlächterbeil  auf  Dreiberg  und  die  Inschrift  : 

üacol)  jfuegee  — ^tirijtßsVnctffßr 

et  (sic!)  1111b  Cljriftina  — fein  jjaußfraüi  1617 

Wohl  von  Oppenau  stammende,  in  der  Unterschrift  erneuerte  Scheibe.  (33,5  X 21cm.) 

15.  Unter  von  Säulen  getragenem  Gesims  ein  Wappen:  ein  Mann  in  Pluderhosen 
mit  je  einem  Rebstock  in  der  Hand,  als  Helmkleinod  die  Halbfigur  des  gleichen  Mannes 
mit  Trauben  in  den  Händen ; zu  beiden  Seiten  die  Gestalten  der  Justitia  und  Prudentia, 
oben  neue  Grotesken,  unten  Putten  und  die  etwas  geflickte  Inschrift : 

Ijlßreiiiias  Bcfiftocß  ♦ ber 
Seit . . JJDüu . i'iiftcrgiftfjcr 
XDogt  5ü  aDppenau  1625. 

Also  ebenfalls  zu  den  Oppenauer  Scheiben  gehörig.  (33  X 20  cm.) 

1)  S.  Kind  ler  von  Kn  ob  loch  I,  S.  73/74. 

2)  Das  Wappen  ist  nicht  das  bekannte  des  Hegner;  Unterschrift  also  wo  andersher. 


Band  VII. 


22 


328 


KREIS  OFFENBURG. 


16.  Mann  mit  Kragenmantel  und  Frau  mit  Pokal  unter  Säulenarchitektur. 
Einzug  in  die  Arche  (33  X 20  cm): 

a3ott  Ijicß  hm  Haften  Poe  tretten 
mit  feini  gefcfjlerfjt  uub  lua*»  fu  ijetten 
GENE  } VI  • CA  : 


Unterschrift : 


Oben 


pauß  ^ptner  ge  — ricfjt&taelfer  ♦ ub 
€ua  fein  Ctfetuljc  — tjausfraUi.  1617. 

Dazwischen  ein  Schild  mit  ES  in  silbernem  Feld.  Auch  zu  der  Oppenauer  Serie  gehörend. 
17.  Mann  und  Frau  in  gleicher  Stellung  und  Tracht.  Oben  der  Sündenfall  und: 


Durtfj  falfcljcn  lift  bie  giffttg  ^rfjlang 
T>ie  erften  pSenfrije  Ici_r  jUmng.  gene  • in 

Unterschrift  in  Rollwerkkartusche : 


TllMctjer  Horij  — 43eririjt£;Uielffßr 
üb  Itrfuia  fein  — ijauöfralii.  1617. 

Dazwischen  Hausmarke  in  silbernem  Schild.  Ebenfalls  zur  Oppenauer  Serie  gehörig. 
(33  X 20  cm.) 

18.  Ebenso  Mann  und  Frau.  Im  Kopfstück  die  Arbeit  der  ersten  Menschen  und: 

T»as  jpclb  baut  3tbam  liönimerlirtj 

ltnb  muß  im  .4>tfjtueiß  Ijiß . ncljmi  fiel),  ge  • in. 

Unten  in  Rollwerkkartusche : 


THary  formier  — 4?crii1)t5|UuTffcr 
üb  jHargrcta  fein  ijauöfraVu  iCuy, 

dazwischen  Schild  mit  Brezel  auf  drei  Hügeln  in  Violett.  Aus  Oppenau  stammend. 
(33  X 21  cm.) 

19.  Mann  und  Frau  in  gleicher  Stellung.  Scham  Noäh  und  der  Regenbogen: 

Per  ttegenbogen  luarb  gotts!  bünb 

Ctjam  fein  Patter  bloß  iigen  fünb.  gene  • ix. 

Unten  wieder  in  Rollwerk : 


TPartin  jPtillcr  — 43 r i dj tsi^Vn ö tff e r 
uub  Htfula  fein  — tjauöfraVu  1617. 

Dazwischen  in  Blau  die  Hausmarke.  (33  X 21  cm.) 

20.  Rundscheibe  mit  Wappen  der  Pfau  von  Rippur: 

25urtiljarb  pfau  bon  Hüptnir  14.70. 

Neues  Werk  des  19.  Jhs. 

21.  Von  Löwen  gehalten  das  Reichswappen  mit  der  Krone  darüber.  Der  eine 
Löwe  hält  Schwert,  der  andere  Standarte  mit  Staufenberger  Wappen  (roter  Kelch  auf 
blauem  Dreiberg);  dieses  Wappen  kehrt  unten  zweimal  wieder,  dazwischen  die  Zahl  1579; 
Säulenarchitektur;  im  Kopfstück  Simson  mit  dem  Löwen  und  derselbe  mit  den  Stadt- 
toren. Teilweise  geflickte  Scheibe.  (42  X 30  cm.) 

22.  Rundscheibe.  Eine  Frau  in  der  Tracht  des  ausgehenden  15.  Jhs.  mit  dem 
Wappen  der  Marsilius  (oder  Uttenheim).  Neue  Arbeit  des  19.  Jhs. 

23.  Mann  und  Frau  ;n  der  Tracht  aus  der  Mitte  des  16.  Jhs.,  zwischen  ihnen  das 
Staufenberger  Wappen : eine  Frauen-Halbfigur  (von  der  Sage  auf  die  Melusine  bezogen),  mit 
Hörnern  statt  Armen  als  Helmkleinod ; über  ihnen  Rollwerkornamente  und  im  Kopfstück 


AMT  OFFENBURG.  — DURBACH.  fBURG  STAUFENBERG.) 


329 


der  Fang  von  Wasservögeln  durch  das  Netz;  unten  die  moderne  und  nicht  hierher- 
gehörige Inschrift : 

3lMrfjinr  fl3>icbcrgrün  b.  J>tauf* 

fcnbcrg  unö  5Hnna  bau  SSIumcnccft 

feine  eijdtrije  Hausfrau.  1470  (sic!)  (39  x 33  cm.) 

Auch  das  Staufenberger  Wappen  ist  neu,  die  sogen.  Melusinenfigur  an  dasselbe  angeflickt. 

24.  Gepanzerter  Krieger  mit  Hellebarde,  zu  beiden  Seiten  ein  Trommler  und 
ein  Pfeifer.  Uber  ihm  in  runder,  von  Rollwerk  umrahmter  Kartusche  das  Wappen  der 
Urkantone  und  als  Kopfstück  der  Empfang  von  Reitern  durch  Franziskaner;  eingeflickt 
neben  dem  Mann  das  Wappen  der  Rock,  ebenso  neu  die  Unterschrift: 

o3corg  Gemeiner 

51t  JStauffenbcrg.  1+70. 

Wie  ersichtlich,  sind  diese  wie  die  vorhergehende  und  noch  einige  weiter  unten  folgende 
ursprüngliche  Schweizerscheiben  durch  neue  Einflickungen  und  Unterschriften  für  die 
Geschichte  des  Schlosses  hergerichtet  worden,  allerdings  mit  großen  chronologischen 
Schnitzern.  (33  X 25  cm.) 

26.  Schöne  Frührenaissancescheibe.  Der  h.  Petrus  und  der  h.  Benedikt  halten 
den  Wappenschild  mit  den  Schlüsseln  in  silbernem  Felde  und  je  einem  Goldgulden  mit 
der  Umschrift:  MONETA  NOVA  AVREA  1544  in  rotem  Felde;  Frührenaissance- 
säulen tragen  den  Flachbogen ; im  Kopfstück  Bären-  und  Saujagd  (s.  Fig.  1 86) ; 
Unterschrift : 

3Cbam  abyt  3Ü  fannt  yeter  uff  bem 
^tflnarci  lualbt  • *.  anno  1544. 

Der  Stil  dieser  vorzüglichen  Scheibe  weist  auf  Basel.  Das  Jahr  1544  ist  das  Todesjahr  des 
genannten  Abtes  (Guldin)  von  S.  Peter,  woher  die  Scheibe  wohl  stammt.  (43  X 31  cm.) 

27.  Mann  mit  Hellebarde,  Frau  mit  Pokal.  Tracht  Ende  16.  Jh. ; Wappen:  nach 
links  steigender  Löwe  in  Silber,  ein  Mohr  als  Helmkleinod.  Im  Kopfstück : Getreide 
wird  zur  Mühle  geschafft,  untere  Landschaft  neu ; durch  die  neue  Inschrift  für  Staufen- 
berg adoptiert : 

tyaus  litaib  bon 

^taufli'uluTij 

1400  (!!)  (35,5  X 28  cm.) 

28.  Schöne  Frührenaissancesäulen  tragen  einen  Flachbogen;  im  Kopfstück  ein 
Scherzspiel  zwischen  Männern  und  Weibern ; wieder  an  Baseler  Vorwürfe  erinnernd.  In 
diese  alten  Reste  ist  ein  Staufenberger  Wappen  hineingesetzt  und  die  neue  Inschrift: 

UCea  fniljiT  3Ü  ftauffe : crbjjcr  5I1  liaftcibcnj.  (41  x 31  cm.) 

29.  Obergeschoß:  Verkündigung,  in  Renaissancesaal;  daneben  S.  Ottilie  und 
S. Katharina;  unten  links  eine  betende  Dominikanernonne,  rechts:  Schild  mit  Kreuz.  In 
dieses  geringe  Stück,  wohl  vom  Ende  des  16.  Jhs.  und  aus  einem  Dominikanerkloster 
stammend,  ist  unten  noch  der  Rest  der  Unterschrift  einer  anderen  Scheibe  eingeflickt: 

tyanb  UM!  aber  . . 

%itt  ißagtt  511  ♦ . (27  x 21  cm.) 

30.  Hübsche  Frauengestalt  (Oberkörper  erneuert)  im  Kostüm  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  Jhs.  mit  Barett  hält  zwei  Wappen;  das  eine  zeigt  schwarzen  Säulenstumpf  in 
silbernem  Felde,  als  Helmkleinod  einen  Mann  mit  demselben  Säulenstumpf  auf  der  Brust 


22 


33° 


KREIS  OFFENBURG. 


(Rink);  das  andere:  sogen.  Judenhut  und  fünf  roten  Wecken  in  Gold,  als  Kleinod  Mann 
mit  demselben  Hut.  Im  Kopfstück  ein  Turnier.  Unterschrift  in  Rollwerkkartusche : 

^icbagcn  bau  3©ifenöerg  genant 
Kindt  ber  Burger  . ciiftcr  311  frfjaff 
ljiifcn  1111b  JtöargiTtt  23i . in  lion  THisi  . ingc 
fin  eginnljl. 

Das  Wappen  unter  von  Balustersäulchen  getragener  Architektur.  (27  X 21  cm?) 


Fig.  1S6.  Glasgemälde  im  Wohngebättde  des  Schlosses  Staufenberg. 


31.  Aus  verschiedensten  zusammengeflickte  Scheibe:  Kopf  eines  Johannes  des 
Evangelisten;  kleinerer  Kopf  eines  Gottvaters;  eine  Hand;  eine  allegorische  Frau  mit 
Bienenkorb ; Schlachtung  eines  Ochsen ; Schild  mit  silbernem  Horn  und  goldenem  Stern 
in  Blau  sowie  dem  umgekehrten  doppelten  P. 

32.  Nische  mit  h.  Papst  und  h.  Bischof  mit  Kirchenmodell,  dazwischen  ein  Wappen: 
Feld  1 und  4 schräglinks  geteilt,  jeweils  oben  Schlüssel,  unten  Fisch ; Feld  2 und  3 


AMT  OFFENBURG.  — DURBACH.  (BURG  STAUFENBERG.)  33 1 

h.  Georg;  im  Herzschild  Stierkopf;  im  Kopfstück:  Kreuzigung  des  h.  Andreas  und 
h.  Georg,  den  Drachen  tötend;  unten  die  nicht  hierhergehörige  alte  Inschrift: 

iCanö  ^cfjaffljufe 
ANNO  DOM  • 6o5. 

Auch  im  Wappen  und  oben  Stück  von  anderer  Scheibe  eingesetzt.  (39  X 31,5  cm.) 

33.  Rundscheibe  (20  cm):  Rest  der  Darstellung  eines  Mahles;  zwei  Wappen:  ein 
Bär  mit  goldenem  Baum  in  rotem  Feld,  derselbe  wachsende  Bär  als  Helmkleinod  und 
ein  roter  Drudenfuß  in  Blau,  derselbe  Drudenfuß  auf  dem  Flug.  Auch  sonst  zusammen- 
geflickt. 

34.  Aus  vielen  Stücken  zusammengesetzt:  Halbfigur  eines  Gewappneten;  eine 
Burg;  Greifen  in  einer  Säulenarchitektur  halten  ein  Wappen;  eherne  Schlange  am 
Kreuz  in  Blau  und  gelbe  Kugeln  in  Rot;  darunter  andere  kleine  Wappen;  endlich  auch 
noch  die  Jahreszahl  1586  von  irgendwoher  eingesetzt. 

35.  Runde  Wappenscheibe : auf*goldenem  Feld  blauer  Balken,  schräg  rechts,  darin 
drei  goldene  Lilien;  Helmkleinod:  wachsender  Mann  mit  demselben  Balken.  Das  Ganze 
auf  damasziertem  Grund;  alt. 

36.  Stück  einer  Wappenscheibe : ein  Mann  mit  Binsen  in  Händen  in  gelbem  Feld, 
derselbe  als  Helmkleinod;  zwei  aufgerollte  Bänder  daneben,  worauf  steht: 

• H • S • und  MARIA.  (13X10  cm.) 

37.  Grisaillebild  vom  Ende  des  17.  Jhs. ; in  Rankenumrahmung  die  Heiligen 
Bartholomäus  und  Andreas. 

Ein  Ölgemälde:  Porträt  des  Markgrafen  Karl  Friedrich  ca.  1780. 

Am  Ke/lergebäudc  findet  sich  die  Jahreszahl  1698,  der  Speicher  desselben  stammt 
ebenfalls  aus  dieser  Zeit. 

Das  Gelräude  ist  aus  Bruchsteinen,  mit  Backsteinen  untermischt,  errichtet,  wie  auch 
das  Gebäude  A.  An  den  Ecken  finden  sich  Bossenquader  mit  größtenteils  abgehauenen 
Bossen.  Schlichte,  geradsturzige  Fenster.  Erneuerte  Treppengiebel.  Der  Keller  von 
einem  stattlichen  Tonnengewölbe,  wohl  aus  dem  18.  Jh.,  überdeckt.  Auf  dem  Speicher 
des  Kellers  wird  die  aus  dem  Berchfrit  stammende  Glocke  aufbewahrt  mit  badischem 
Wappen  und  der  Inschrift: 

CONFLATVM  SVB  LVDOVICO  GEORGIO  M ARCHIONE  BADENSE  ET 
HOCHBERGENSE 

RENOVATVM  REGNANTE  CAROLO  FRIDERICO  ELECTORE  BADENSE 
PER  M ATHALV M EDEL  ARGENTORATI  I$o5 

prInCIpIs  ILLas  gratIa  restItVIt  CVL  pasqVe  hoC  vere  reDonat  faCtIo 
DIV  faLLIt  pLere  säst. 

Auch  unter  dem  Hauptgebäude  A eine  stattliche  Kelleranlage  mit  Balkendecke, 
die  auf  abgefasten  Holzpfosten  mit  Unterzug  ruhen. 

Nach  Südwesten  war  der  Burg  der  Vorhof  G vorgelegt,  der  jedenfalls  für  die 
Wirtschaftsgebäude,  Stallungen  etc.  diente,  für  die  auf  der  Burg  selbst  kein  Platz  mehr 
war.  Er  diente  aber  auch  als  schützendes  Bollwerk  und  von  ihm  aus  führte,  wohl  auf 
einer  Zugbrücke,  der  Eingang  älterer  Zeit  in  die  Burg.  An  dem  dem  heutigen  Tor  und 
ehemaligen  Turm  D vorgelagerten  Turm  (unregelmäßiges  Viereck)  sind  in  der  Südwest- 
wand, etwa  6 — 8 m über  dem  Niveau  des  Vorhofes,  noch  die  Sandsteingewände  des 
rundbogigen  Tores  sichtbar,  sowie  die  Löcher  für  die  Zug-  oder  Holzbrücke,  über  deren 


Kellergebäude 


Glocke 


Keller 

des  Hauptbaues 


Zugbrücke 
und  Tor 


332 


KREIS  OFFENBURG. 


Wappen 


Anlage  indes  keine  Reste  im  Vorhof  G mehr  Auskunft  geben.  Der  Turm  zeigt  in  der 
Höhe  des  Erdgeschosses  von  D verschiedene  Schießscharten.  Eine  Tür,  die  aber  wohl 
jünger  ist  als  die  Zugbrückenanlage,  führt  heute  nach  D.  Ob  man  in  alter  Zeit  von 
dem  Zugbrückenturm  aus  auf  einer  Treppe  (das  Zugbrückentor  liegt  niedriger  als  das 

Erdgeschoß  von  D)  direkt 
in  den  Turm  D gelangte, 
oder  zunächst  in  einen 
kleinen  Vorhof  vor  den- 
selben, ist  bei  dem  ver- 
änderten Zustand  dieser 
Teile  und  ohne  Nach- 
grabungen heute  nicht 
mehr  zu  sagen.  Ebenso- 
wenig läßt  sich  feststellen, 
ob  der  heutige  Burgweg  ZT 
schon  im  Mittelalter  neben 
der  Zugbrücke  bestand 
als  bequemerer  Zugang 
für  Friedenszeiten,  oder 
ob  er  — - was  wahrschein- 
licher — erst  im  16.  bis 
18.  Jh.,  wenn  nicht  gar 
erst  im  19.  Jh.  angelegt 
war.  Die  Zugbrücken- 
anlage scheint  mir  der 
älteste  Rest  der  ganzen 
Burg  zu  sein,  wohl  noch 
aus  dem  1 3.  Jh.  — Uber 
die  Zugänge  zu  dem 
Vorhof  G (die  heutigen 
sind  neu)  läßt  sich  nichts 
bestimmtes  mehr  fest- 
stellen. 

Im  Torweg  von  Dur- 

Fig.  ,87.  S.  Anton  bei  Durbach.  bach  Weines  badisches 

Wappen  des  1 7.  Jhs. 

An  der  Westmauer  der  Oberburg  ist  noch  ein  Stein  mit  folgender  Inschrift  zu 
erwähnen : 


R E-U-D-W-R-V-K-M-S-D  - 172$. 


Die  Gebäude  J und  H sind  neue  Wirtschaftsgebäude. 

Auf  der  Anhöhe  östlich  von  der  Burg  sollen  früher  noch  Mauerreste  zu  sehen 
gewesen  sein,  die  wohl  von  irgend  einem  Bollwerk  herrührten. 

Eine  Inscnriftplatte  von  Staufenberg  wird  unter  C 105  in  den  Großh.  Staatssamm- 
lungen aufbewahrt. 

Auf  dem  Verlauf  des  Bergrückens  gegen  die  Ebene  zu  liegt  die 


AMT  OFFENBURG.  — DURBACH.  (RUINE  S.  ANTON.  WIEDERGRÜN.)  EBERSWEIER. 


KIRCHENRUINE  S.  ANTON 

Erwähnungen:  sant  Anthonien  bruderhuß  im  hard  by  Stouffemberg  gelegen  1482; 
capelle  und  bruderhuß  sant  Anthonien  des  heiligen  bichtigers  gelegen  in  dem  wald 
genant  der  Stauffenberger  hart  1528;  sant  Anthengen  capelle  1549. 

Die  kleine  Wallfahrtskapelle  existiert  heute  nur  noch  in  einer  malerischen  Ruine,  die 
Mauern  etwa  noch  in  2 — 3 m Höhe.  In  Fig.  187  ist  der  einfache  Grundriß  zu  ersehen. 

Die  im  Chor  eingezeichnete  Querwand  ist  neueren  Datums  und  wohl  eingezogen,  um 
wenigstens  den  Chorteil  noch  als  kleine  Kapelle  benutzen  zu  können.  Die  rundbogigen 
Fenster  sind  hohlgekehlt  und  zeigen  den  Falz  zum  Einsetzen  der  Glasscheiben.  An  der  Süd- 
wand kurz  vor  der  Südwestecke  des  Baues  der  facettierte  Konsolenstein  (s.  Fig.  187  oben), 
der  die  Außenkanzel  trug.  Das  Gewände  der  zu  ihr  führenden  rundbogigen  Tür  ist 

zum  Teil  zerstört.  Das  Material  des  Baues  ist  Granit,  untermischt  mit  Sandstein  und 

% 

Backsteinen ; die  Mauern  natürlich  Bruchsteinwerk,  nur  die  Gewände  aus  Hausteinen. 
Steinmetzzeichen  infolge  der  Verwitterung  keine  zu  bemerken.  So  wie  der  Bau  heute 
dasteht,  dürfte  er  erst  dem  16.  Jh.  entstammen,  und  sind  Reste  aus  der  Zeit  der  ersten 
Erwähnung  nicht  mehr  erhalten.  Auch  das  genannte  Bruderhaus  ist  gänzlich  ver- 
schwunden. 

WIEDERGRÜN 

Schreibweisen:  Widirgrin  1280;  Widergrin  1347;  Widergrien  1348;  wiger  und 
Burgstadel  zu  Widergrün  1405;  zu  Widergrin  an  den  Burgberg;  Wydergrin  1437  etc. 

(grin,  Grien  = Sand,  Kies;  über  Wider  vgl.  Förster,  ON.  S.  1591  ff.) 

Ortsgeschichte : Schon  1280  wird  ein  dominus  de  Widirgrin  genannt.  Es  mag  Ortsgeschichte 
also  damals  schon  hier  eine  kleine  Burg  oder  ein  befestigtes  Haus  gestanden  haben,  um 
das  dann  allmählich  Ansiedelungen  entstanden.  1 348  verkauft  Andreas  von  AVieder- 
grien,  »ein  edeler  knecht«,  »den  halben  byhel,  gelegen  in  dem  wyger  zu  Widergrien,  und 
daß  hauß,  daß  daruff  staht,  und  den  theil  deß  vorhofes,  der  Conrates  von  AA'ydergrien 
waß,  und  den  bauw,  der  daruff  stehet,  Matheus  Rohart,  allen  seinen  brüedern,  deß 
Schultheissen  söhne  von  Oberkürch«. 

Auch  diese  kleine  Burg  war  also  in  mehrerer  Besitz.  Ein  Zweig  der  Familie  wurde 
zu  Ganerben  auf  Burg  Staufenberg  (s.  dort);  die  anderen  blieben,  wie  es  scheint,  auf 
ihrem  alten  Sitz.  Als  die  Familie  am  Anfang  des  17.  Jhs.  erlosch,  wurde  AAdedergriin 
mit  der  Herrschaft  Staufenberg  vereinigt.  Markgraf  Wilhelm  gab  es  1677  tauschweise 
der  Witwe  seines  Rates  und  Leibarztes  Kiefer  gegen  ein  Haus  in  Straßburg.  1681  aber 
kam  Wiedergrün  an  Allerheiligen,  das  1725  das  Schlößchen  herstellen  ließ.  Mit  der 
Säkularisation  wurde  es  badisch. 

Das  sogen.  Schlößchen  ist  ein  schlichter  Riegelbau  mit  dem  AVappen  von  Aller- 
heiligen von  1725. 


EBERSWEIER 


Schreibweisen:  bannum  ville  Eberswilre  1280;  Ebersvilre  1365;  Eberschwyr  1529; 
Eberßwir  1543.  (Weiler  eines  Ebers.) 


334 


KREIS  OFFENBURG. 


Ortsgeschichte 


Kath.  Pfarrkirche 


Altäre 


Kanzel 

Taufstein 

Kruzifixus 

Kirchengeräte 
und  -gewänder 


Pfarrhaus 

Kruzifix 

Bildstock 


Ortsgeschichte:  Im  13.  Jh.  wird  Ebersweier  erstmals  genannt.  Ursprünglich  wohl 
Zähringer  Besitz,1)  kam  es  durch  Erbschaft  an  die  Uracher,  nach  der  Spaltung  des  Uracher 
Hauses  hatten  sowohl  die  Grafen  von  Freiburg  als  von  Fürstenberg  hier  Besitzrechte, 
später  auch  die  Markgrafen  von  Baden.  1336  hören  wir  von  einem  »hof  zu  Eberswilre«, 
den  Konrad  von  Schauenburg  vom  Grafen  Konrad  von  Freiburg  zu  Lehen  hat.  1367  von 
einem  Hof:  »den  man  nennet  des  Rodders  hofe,  den  marggrave  Rudolf  von  Baden 
Arbogast  Roddern  ritter  sinem  diener  geeignet  und  gefryet  hat«.  Seit  dem  14.  Jh. 
gehörte  der  Ort  zur  Landvogtei  Ortenau  (Gericht  Griesheim),  er  war  somit  bis  1805 
vorderösterreichisch  und  wurde  dann  badisch.  Begütert  war  hier  auch  das  Kloster 
Honau,  das  indessen  seinen  Hof  »in  villa  Eberswilre  dictam  de  Witterine  hoff«  dem 
Kloster  Allerheiligen  1284  abtrat.  Ein  Geschlecht  de  E.  kommt  im  13.  Jh.  vor. 

Kath.  Pfarrkirche : S.  Crucis,  ehemals  auch  patronus  coelestis  ss.  Tiburtius  et 
Valerianus  mart.  (noch  1666).  Ursprünglich  nur  Kaplanei  und  Filiale  von  Nußbach, 
kam  es  mit  dieser  Pfarrei  an  Allerheiligen;  im  Laufe  des  16./17.  Jhs.  scheint  es  zur 
Pfarrei  geworden  zu  sein. 

Die  heutige  Kirche  ist  ein  Neubau  von  1827,  sie  birgt  aber  eine  Anzahl  Reste 
aus  älteren  Kirchen  der  Umgegend,  so  die  drei  Altäre  aus  dem  ehemaligen  Kapuziner- 
kloster in  Oberkirch,  übliche,  wirksame  Barockaufbauten  aus  Stuckmarmor  und  Holz 
mit  eingelegten  Ornamenten,  mit  Säulen  und  verkröpftem  Gebälk,  welche  das  Haupt- 
bild, und  oben  Pilastern,  welche  das  zweite  Bild  flankieren.  Zu  beiden  Seiten  laufen  die 
Altäre  in  Rocailleschnitzwerk  aus.  Auf  dem  Hochaltar  Gemälde : h.  Dominicas  und 
h.  Franciscus  in  Anbetung  des  Christkindes,  oben  gekrönte  Heilige  mit  Palme  und 
Schwert;  auf  dem  linken  Seitenaltar  die  vierzehn  Nothelfer,  oben  ein  Bild  des  h.  Wernher 
von  Straßburg;  auf  dem  rechten  Altar:  das  Jesuskind  erscheint  dem  h.  Antonius.  Alles 
Werke  etwa  aus  dem  zweiten  Drittel  des  1 8.  Jhs.  Auf  den  Altären  einige  Reliquiare  in 
der  Rokokoform.  Einfache  Kanzel  des  gleichen  Stils;  älterer,  schlichter  Taufstein 
von  1631. 

An  der  südlichen  Innenwand  der  Kirche  holzgeschnitzter  Kruzifixus  mit  Maria 
und  Johannes,  zweidrittellebensgroße  Figuren  in  der  geschwungenen  Haltung  der  Mitte 
des  18.  Jhs. 

In  der  Sakristei:  eine  weiße  Casel  mit  reicher  Hochstickerei,  Blumenranken 
und  Blüten  in  Seide  und  Gold;  dazu  Stola,  Manipel,  Kelchtuch  und  Palla,  18.  Jh.,  den 
Angaben  nach  Geschenk  von  Schlittern ; rote  Casel,  Hochstickerei  in  Gold  und  Silber, 
Rocailleornamente  und  Gitterwerk;  dazugehöriges  Kelchtuch;  Kelch,  silbervergoldet, 
getrieben,  Rocaille,  Cuppa  neu,  angeblich  von  Schlittern,  ohne  Zeichen;  ohne  solches 
auch  das  Versehkreuz  im  gleichen  Stil,  silbervergoldet,  getrieben;  ein  gedrucktes 
Prämonstratensermissale  (also  wohl  aus  Allerheiligen)  hat  einen  Samteinband  mit 
schöner  Silberstickerei. 

Das  Pf  airhaus  ist  ein  Bau  aus  dem  Ende  des  17.  Jhs.;  das  Gewände  der  Tür, 
zu  der  eine  Freitreppe  hinaufführt,  ist  abgefast  und  endet  in  Schnecken. 

Vor  der  Kirche  Kruzifix,  Sandstein,  übliche  Rokokoarbeit  von  1773. 

Am  Weg  nach  Unterweiler  einfacher  Bildstock. 


*)  Heyck  a.  a.  O.  S.  510. 


AMT  OFFENBURG.  — ELGERSWEIER.  GEN  GENBACH. 


335 


ELGERSWEIER 

Schreibweisen  : Elgerswiler  i 289  ; villa  Ergerswilre  1 342  ; villa  Ellegerßwylere  1289; 
curia  Ergerswiler  erstes  Viertel  d.  15.  Jhs. ; Ergerßweyer  1504;  Elgerschweier  1666. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  5 (1885),  S.  263.  — Name:  Bader, 

Fahrten  und  Wanderungen  II  (1856),  S.  227  f. 

Ortsgeschichte:  Nach  Großh.  Baden1)  1265  Algeswilre  genannt.  Ritter  Konrad  Ortsgeschichte 
von  Elsaß  verkaufte  1302  und  1310  dem  Kloster  Gengenbach  einen  Hof  zu  Elgers- 
weier. Der  Ort  gehörte  zur  Landvogtei  Ortenau,  war  also  bis  1805  vorderösterreichisch. 

1677  wurde  das  Dorf  von  den  Franzosen  verbrannt. 

Vorgeschichtliches : Einfaches  Steinbeil  (Länge  8 cm),  in  der  Nähe  gefunden  v°r- 
1901,  Offenburger  Sammlung. 

Römisches:  Westlich  vom  Ort,  im  Gewann  »Läger«,  an  der  in  den  Feldern  als  Römisches 
»Hohweg«  noch  deutlich  erhaltenen  römischen  Straße  von  Offenburg  nach  Riegel,  finden 
sich  Reste  ausgedehnten  römischen  Mau  er  werks,  Dachziegelstücke,  Tongefäß- 
scherben etc.,  die  bis  jetzt  nicht  weiter  untersucht  sind.  (Mitteil,  von  Prof.  Schumacher 
1898.)  (W.) 

Kath.  Pfarrkirche  (S.  Marci  Ev.).  Schon  1423  hören  wir  von  einer  Kirche  zu  Ergers-  Kath.Pfarrkirche 
wiler.  Doch  war  Elgersweier  bis  1790  Filiale  von  Ofifenburg  und  wurde  damals  erst  Pfarrei. 

Der  heutige  Bau  stammt  von  1761,  er  wurde  1881  restauriert. 

Vielleicht  hat  er  im  Chorgrundriß  noch  Spuren  des  mittelalterlichen  Baues. 

Altäre  und  Kanzel  im  üblichen  Barockaufbau.  In  einer  Ecke  aufgestellt  spät- 
gotischer, schlichter  Taufstein. 

In  der  Sakristei:  Kelch,  silbervergoldet,  am  Fuß  mit  aufgelegten,  silbergetriebenen  Sakristei 
Engeln  verziert;  Wettersegen,  Empire,  Sonnenmonstranz,  silbergetrieben,  Rocaille. 

An  der  Südseite  der  Kirche  schmiedeeisernes  Grabkreuz  auf  gebauchtem  Stein- Schmiedeeisernes 

Grabkreuz 

postament.  Vor  der  Fassade  der  Kirche  Steinkruzifix  von  1760. 

Das  Pfarrhaus  ist  i.  J.  1790  erbaut  worden. 

Nach  Kolb2)  fand  man  zu  Anfang  des  18.  Jhs.  hier  »aus  dem  Alterthum«  einen 
Brunnen,  den  man  wieder  ausbesserte,  und  auch  »etliche  zinnene  Brunnenteuchel«,  von 
deren  Verbleib  mir  nichts  bekannt. 


GENGENBACH 

Schreibweisen:  monasterium  Genginbach  Anf.  9.  Jhs. ; mon.  Kenginbach  9.  Jh. ; 
Ghanginpach  desgl. ; Keginbach  desgl. ; Ghanginbach  desgl. ; Kenginbach  ; in  monasterio 
Gengenbacensi  1 1 1 7 ; monasterium  Gengenbacense  1 1 39  etc.  — Stadt : Gengenbach 
1232;  Genginbach  1267;  oppidum  de  Gengenbach  1231;  oppidum  de  Gengenbach  1248; 
»in  dem  stab  zu  Gengenbach  mit  namen  im  Ftisserspach,  im  Schweigbach,  im  Birmers- 
pach,  im  Richenbach,  im  Pfafifenbach  und  waz  im  stab  gelegen«  1483. 

Die  Erklärung  des  Namens  wurde  vielfach  versucht,  sie  ist  wohl : Bach  des  Gango. 

Archivalien  der  Gemeinde  : Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  5 (1 885),  S.  263.  Archiv  der 
Röder  von  Diersburg,  Mitteil.  Nr.  16  (1894),  S.  74,  und  FDA.  13  (1880),  S.  273 — 281; 


*)  S.  812. 

2)  a.  a.  O.  I,  S.  263. 


336 


KREIS  OFFENBURG. 


Z.  52,  S.  671.  Annales  Gengenb.  Monumenta  Germ.  hist.  Script.,  4°,  Hannover  1826  sq., 

V,  S.  389.  Schulte,  Acta  Geng.  1233  bis  1235,  Z.  NF.  4,  S.  90 — 114. 

Literatur:1)  E.  Gothein,  Wirtschaftsgeschichte  des  Schwarzwaldes.  J.  Baum- 
garten,  Aus  dem  G.  Klosterleben,  Z.  NF.  8,  S.  436 — 493,  658 — 702;  9,  S.  240 — 260. 
Derselbe,  Bilder  aus  G.  Vergangenheit,  Schauinsland  20,  S.  11 — 33;  22,  S.  1 — 43. 
Alb.  Ebbecke,  Ein  Bild  a.  d.  bad.  ev.  Diaspora,  K.  Reiff  1891.  H.  Eh rensberger, 
Beiträge  zur  Gesch.  der  Abtei  G.,  FDA.  22,  S.  257 — 275.  W.  Franck,  Zur  Gesch.  der 
Benediktinerabtei  und  der  Reichsstadt  G.  (1525 — 1539),  FDA.  6,  S.  1 — 26;  Z.  S.  81  — 105. 

W.  Liibke,  Kunstwerke  und  Künstler  III,  S.  349  f.  Mayer  und  Ruppert,  Beitr.  zur 
Gesch.  des  Klosters  G.,  FDA.  16,  S.  157 — 215.  Ruppert,  Beiträge  zur  Gesch.  d. 


Fig.  188.  Gengenbach.  (Nach  einem  Aquarell  von  J.  Näher.) 


Klosters  G.,  Z.  3 1,  S.  31 5 — 331  ; 32,  S.  309 — 320 ; 33,  S.  128 — 159.  Simmler,  Das 
»Velletürlin«  als  Grenzbezeichnung  der  Gengenbacher  Klostergrafschaft,  Z.  NF.  13,  S.  165. 
P.  Staudenmeier,  Kriegsdrangsale  des  Stiftes  und  der  Stadt  G.  im  17.  Jh.,  Deutscher 
Hausschatz  7,  S.  311.  Beschreibung,  geogr.,  der  Landvogtey  Ortenau,  dann  von  den 
drey  Reichsstädten  G.  etc.,  Karlsruhe  1795.  Führer  durch  Offenburg,  Gengenbach  und 
Umgegend,  herausg.  von  den  beiden  Schwarzwaldvereinssektionen  O.  und  G.  1893. 
G.  und  die  Kinzigtal-Diaspora,  Flugblatt  Nr.  13  des  bad.  Hauptvereins  der  Gustav  Adolf- 
Stiftung.  Stadt-Recht  zu  G.,  2.  Band  der  neuen  Bad.  Gesetzes-Sammlung,  Karlsruhe  1805, 
vgl.  Bad.  Bibliothek  I,  S.  7. 

Ansichten:  Kupferstich  von  Werner,  ca.  1700,  sowie  ein  Augsburger  Kupferstich 
von  1750  von  Johann  Christian  Leopold  (gest.  1750). 

*)  Da  alle  allgemeinere  Literatur  auch  für  die  Geschichte  der  Stadt  in  Betracht  kommt,  ist  sie 
schon  hier  angeführt,  nur  die  Nachrichten,  welche  sich  rein  auf  das  Kloster  beziehen,  bei  diesem. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH 


337 


»Auf  den  wohlerhaltenen  Grundmauern  und  in  den  Wällen  eines  römischen  Stand-  Stadtgeschichte 
tjuartiers  hatten  die  Benediktiner  ihren  Sitz  genommen ; der  überragende  Burghügel,  den 
sie  mit  Rebenpflanzungen  bedeckten  und  mit  einer  Kapelle  schmückten,  bewahrte  durch 
seinen  Namen  »Kastelberg«  die  römische  Erinnerung.«  ])  Schon  1289  wird  er  so  genannt. 

Sein  zweiter  Name  aber:  sant  Einbettenberg  ( 1 5 2 o),  Casteiberg  sonsten  sanct  Einbethen- 
berg (1682),  scheint  auf  noch  höheres  Alter  zu  deuten.  Diese  Einbetha,  eine  heilige 
Jungfrau  keltischen  Ursprungs,  finden  wir  vielfach  am  Ober-  und  Mittelrhein,  überhaupt 
im  südlichen  Deutschland  bis  nach  Tirol.* 2 3)  Sie  kommt  gewöhnlich  mit  zwei  anderen 
Jungfrauen,  Warbethe  und  Wilbethe,  vor  und  wird  mit  ihnen  meist,  wie  hier,  auf  Berges- 
höhen verehrt.  Sie  scheinen  etwas  ähnliches  wie  Schicksalsschwestern  gewesen  zu  sein. 

In  christlicher  Zeit  wurden  sie  in  Nothelferinnen  verwandelt,  so  finden  wir  sie  im  Kloster 
Adelhausen  zu  Ereiburg  und  es  erhält  sich  ihr  Kult  bis  in  späte  Zeiten.  In  Gengenbach 
bekam  Einbetha  die  Märtyrerinnen  Felicitas  und  Perpetua  beigesellt6)  und  man  verband 
sie  in  der  Legende  mit  den  Jungfrauen  der  h.  Ursula,  wie  aus  einer  Beschreibung  ihres 
Lebens  in  den  Klosterprotokollen  vom  J.  1682  hervorgeht.4) 

An  offenbar  uralter  Siedelungsstätte  haben  also  die  Römer  ihre  Station  gegründet. 

Einer  der  wichtigsten  Straßenzüge  des  Dekumatenlandes  führte  schon  in  der  Zeit  der 
Flavier  über  Gengenbach,  die  Kinzigtalstraße,  deren  erste  Station  von  Straßburg  aus  nach 
Kehl  OfTenburg  war.5)  Selbstverständlich  haben  die  Römer  den  so  geeigneten  Kastel- 
berg nicht  ohne  Befestigung  gelassen  und  wohl  in  der  Ebene  ein  Lager  errichtet  (?),  das 
eine  der  minder  wichtigen  Stationen  dieser  Straße  war.  Auf  dem  Kastelberg  ist  der  unten- 
verzeichnete  römische  Fund  gemacht  und  außerdem  eine  Anzahl  römischer  Münzen 
entdeckt  worden.  Bei  dem  Zusammenbruch  der  römischen  Herrschaft  fluteten  die  Scharen 
der  Alemannen  über  das  Gebiet  und  verdrängten  die  Reste  römischer  Bevölkerung  in 
die  Gebirgstäler.  Dort  hielten  sie  sich  noch  lange,  und  es  scheint,  daß  eine  besondere 
Kunstfertigkeit  sie  beliebt  machte  und  ihnen  ihre  Freiheit  sicherte,  nämlich  ihre  Fertigkeit 
in  der  Gewinnung  edler  Metalle.  Mit  dem  Bergwerksbau  mag  wohl  das  älteste  Auftreten 
des  Namens  Gengenbach  verbunden  sein.  Gothein  hat  darauf  hingewiesen,  daß  tief 
im  Gebirge,  am  Abhange  des  Mooswaldes,  an  den  Quellen  der  Haigerach,  noch  jetzt 
ein  Forstrevier  den  Namen  »im  alten  Gengenbach«  trägt  und  ihn  schon  trug,  »als 
i.  J.  1531  die  Pfandherren  der  Landvogtei  daselbst  ein  Silberbergwerk ■ einrichteten.  In 
ihrer  Verleihungsurkunde  berichteten  sie,  daß  hier  viele  Mundlöcher  alter  Gruben  vor- 
handen seien ; sie  müssen  seit  Jahrhunderten  aufgelassen  gewesen  sein,  denn  keine  frühere 
Urkunde  erwähnt  sie.  Hingegen  sind  in  der  ältesten  aller  Regalverleihungen  als  die 
nördlichsten  Bergwerke  des  Distriktes  jene  am  »Mosebergk«  aufgezählt,  und  wir  werden 
in  ihnen  das  alte  Gengenbach  erkennen«.6)  Da  der  spätere  Ort  Gengenbach  in  fränkischer 
Zeit  nicht  an  der  Stelle  der  Stadt,  sondern  beim  heutigen  Friedhof  gelegen  haben  muß, 

4)  Gothein,  Wirtschaftsgeschichte  des  Schwarzwaldes  I,  S.  209. 

“)  Baumgarten,  Schauinsland  20,  S.  12.  Ihm  folge  ich  in  dieser  Frage,  da  mir  das  ein- 
schlägige Werk:  Panzer,  Bayer.  Sagen  und  Bräuche,  leider  nicht  zur  Verfügung  steht. 

3)  Z.  NF.  8,  S.  662. 

4)  Ebenda  S.  666. 

5)  Fabricius,  Die  Besitznahme  Badens  durch  die  Römer,  Neujahrsblatt  d.  bad.  hist. 

Komm.  1905,  S.  39. 

e)  G o t h e i n a.  a.  O.  S.  210. 


33» 


KREIS  OFFENBURG. 


so  werden  wir,  wenn  wir  eine  Anknüpfung  an  die  keltische  Niederlassung  annehmen, 
wohl  auch  die  alemannische  Ansiedelung  hier  suchen  dürfen,  und  somit  wäre  die  Kon- 
tinuität von  keltischer  bis  fränkischer  Zeit  wahrscheinlich. 

Als  dann  mit  dem  6.  Jh.  die  Franken  unsere  Gegenden  in  Besitz  nahmen,  da 
brachten  sie  auch  ihren  Nationalheiligen  mit,  den  h.  Martin,  und  nach  ihm  hieß  künftig 
die  Pfarrkirche  des  Orts1)  an  der  Stelle  der  heutigen  Leutkirche  vor  der  späteren  Stadt. 
Gegen  die  Mitte  des  8.  Jhs.  wurde  das  Kloster  gegründet  und  bald  fanden  auf  dem 
großen  Platze  vor  diesem  die  Märkte  statt;  Dienstleute  des  Klosters  werden  sich  somit 
hier  unter  dem  Schutze  seiner  Mauern  angesiedelt  haben,  und  so  entstand  vielleicht  — 
wie  Gothein  meint  — noch  in  den  alten,  zerrütteten,  aber  noch  brauchbaren  Be- 
festigungen die  Stadt.  Auf  dem  Eigengut  des  Klosters  war  sie  angelegt.  Wann  das 
Marktprivileg  erteilt  worden  ist,  wissen  wir  nicht.  Als  Bamberg  in  den  Besitz  des  Klosters 
gelangte,  ward  die  Stadt  mit  anderen  Lehen  in  der  Mortenau  den  Zähringern  überlassen.2) 
Und  so  erscheinen  diese  im  n.Jh.  als  Herren.  Nach  ihrem  Aussterben  im  12.  Jh. 
erhielt  Kaiser  Friedrich  für  4000  Mark  Silber  diese  Lehen. 

In  den  großen  kirchlichen  Kämpfen  Heinrichs  IV.  war  das  Kloster  auf  des  Kaisers 
Seite  gestanden.  In  den  vielen  damit  verbundenen  Zwistigkeiten  scheint  es  immer  mehr 
verfallen  zu  sein,  und  die  Ministerialen  erlaubten  sich  daher  verschiedentlich  Übergriffe 
auf  das  ihm  vorbehaltene  Eigen. 

Im  1 3.  Jh.  endlich  entbrannte  dann  ein  Streit  mit  dem  Kloster  in  Angelegenheiten 
der  Leutkirche,  worüber  in  der  untenstehenden  Geschichte  des  Klosters  das  Nähere  nach- 
zusehen ist.  Hier  interessiert  nur,  was  wir  gelegentlich  dieses  Streites  über  die  Ver- 
fassung der  Stadt  hören.3)  Der  Kaiser  und  sein  Sohn  (Heinrich)  verfügten  über  das 
Reichsgut  in  der  Ortenau  ebenso  wie  über  die  Bamberger  Lehen.  In  der  Ortenau  waren 
damals  zwei  königliche  Schultheißen,  zu  Mahlberg  und  Offenburg,  welch  letzterem  auch 
die  Burg  Ortenberg  ofifengestanden  zu  haben  scheint.  Sie  sind  nicht  etwa  die  späteren 
Stadtschultheißen,  wogegen  das  Benehmen  des  Schultheiß  Konrad  von  Offenburg  spricht, 
sondern  sie  erscheinen  als  Verwalter  des  gesamten  Reichsgutes  in  der  Nachbarschaft, 
also  die  Vorläufer  der  späteren  Reichslandsvögte,  aber  noch  mehr  mit  städtischen  Ver- 
hältnissen verwachsen.  Zu  ihnen  gehört,  als  gemeinsam  mit  der  Verwaltung  beauftragt, 
der  Schultheiß  Wölflin  von  Hagenau.  Alle  drei  sollen  den  Abt  in  dem  Streite  schützen, 
Schultheiß  Konrad  von  Ofifenburg  aber  steht  offenbar  auf  der  Seite  der  Gegenpartei. 
Neben  ihnen  erscheint  noch  ein  Reichsvogt  Reinbold  auf  Ortenberg,  der  jedoch  offenbar 
nur  ein  militärischer  Beamter  war.  Endlich  findet  sich  noch  ein  Landrichter  in  der 
Ortenau,  damals  ein  Herr  von  Bodmann,  ein  eigentlicher  Beamter,  der  nur  der  Recht- 
sprechung vorsteht.  Als  später  — im  14.  Jh.  — das  Schultheißenamt  in  Offenburg  zu 
einem  ausschließlich  städtischen  Amt  geworden  war,  hat  dann  der  Landvogt  auf  Ortenberg 
die  Kompetenzen  jenes. 

1)  Woher  Kolb  zu  der  Annahme  kommt,  am  Abhang  des  Kastelberges  hätte  sich  jetzt  ein 
fränkisches  Dynastenschloß  erhoben,  in  dem  der  Stifter  des  Klosters  gewohnt,  weiß  ich  nicht. 
Baum  garten  hat  sie  übernommen. 

2)  Gothein  a.  a.  O.  S.  21 1,  auf  dem  überhaupt  der  größte  Teil  der  Darstellung,  oft 
wörtlich,  fußt. 

a)  Schulte,  Acta  Gengenbacensia  1233  bis  1235,  Z.  NF.  4,  S.  90  ff.,  und  Gothein  a.  a.  O. 
S.  212  f. 


AMT  OFFENEURG.  — GENGENBACH. 


339 


Die  Streitigkeiten  Friedrichs  mit  dem  Papste  machte  sich  das  nach  Erweiterung 
seines  Territoriums  konsequent  strebende  Bistum  Straßburg  zunutze;  1247  eroberte 
Bischof  Heinrich  von  Stahleck  außer  Ortenberg  und  Offenburg  auch  Gengenbach.  Er  war 
es,  der  des  letzteren  Befestigungen  verbesserte,  einen  Wehrgang  baute  etc.  Und  während 
der  ganzen  Dauer  des  Interregnums  blieben  die  Bischöfe  im  Besitze;  so  hören  wir  1267 
von  der  »Universitas  oppidi  de  Gengenbach,  dilecti  fideles  episcopi  Argentinensis«.  Erst 
Rudolf  von  Habsburg  brachte  die  Ortenau  wieder  dem  Reiche  zu.  Er  regelte  auch 
die  Verhältnisse  des  Klosters  zu  seinen  Hintersassen  und  Zinsleuten.  Und  nun  blieb  die 
Landvogtei  einige  Zeit  unmittelbar  dem  Reiche  untergeben,  Gengenbach  stand  mit  den 
anderen  Städten,  mit  Zell  und  Offenburg,  mit  denen  es  die  gleichen  Schicksale  hatte  und 
durch  engste  Interessenbande  verknüpft  war,  deshalb  auch  zu  König  Adolf,  der  den 
Städten  sehr  günstig  gesinnt  war,  ein  Zeichen  davon  ist  vielleicht  der  Vertrag,  den  Gengen- 
bach 1308  mit  dem  Landvogt  Otto  von  Ochsenstein  abschloß:  »wir  Otte  der  Herre 
von  Ohsenstein  tun  kund,  das  wir  über  ein  körnen  mit  den  bürgern  von  Gengenbach, 
das  siu  uns  han  erwelt  und  genomen  zu  herren  und  zu  pfleger  und  das  och  wir  siu 
hant  empfangen  und  genomen  in  unsern  schirm  und  pflegenie  bis  an  ihren  rehten 
herren,  und  swenne  siu  den  gewinnent,  so  sullent  siu  von  uns  und  och  wir  von  inen 
gütliche  und  alles  dinges  lidig  sein«.  Es  wurde  bestimmt,  daß  die  Stadt  nie  mehr 
als  40  Mark  Silber  zu  Bet  und  Steuer  geben  sollte. 

1309  sah  sie  dann  königlichen  Besuch  in  ihren  Mauern,  Heinrich  VII.  Nicht 
lange  aber  dauerte  das  vorteilhafte  Verhältnis  zum  Reiche,  sondern  bald  begannen  die 
Könige,  Reichsgut  und  Stadtsteuern  nur  als  gute  Versatzgegenstände  zu  betrachten.  Und 
so  ward  denn  die  I.andvogtei  an  die  Markgrafen  von  Baden  versetzt.  Aber  schon  1351  ' 
wurde  den  Bischöfen  von  Straßburg  die  Erlaubnis  verliehen,  sie  von  jenen  zu  lösen, 
das  gleiche  Recht  1356  auch  dem  Pfalzgrafen,  der  indes  erst  1405  davon  Gebrauch 
machte  und  die  Hälfte  der  Berechtigungen  einlöste.  — In  den  Kriegen  der  Bischöfe 
von  Straßburg  mit  ihrer  Stadt  hatte  daher  auch  Gengenbach  zu  leiden ; so  wurde  es  am 
Ende  des  14.  Jhs.  von  den  Straßburgern  belagert,  und  wir  hören  1395,  »daz  die  statt  zu 
Gengenbach  von  des  Krieges  wegen,  alse  die  von  Straßburg  vor  Gengenbach  lagent  und 
die  vorstette  brantent,  in  semelichen  großen  kosten  gebreslen  und  schulden  gevallen 
sint«.  Das  ganze  15.  Jh.  blieben  der  Bischof  und  der  Pfalzgraf  »gemeinsame  Pfand- 
herren, erhoben  ungeteilt  die  Einkünfte  und  nahmen  beide  ihre  Untertanen  in  Eides- 
pflicht, wie  es  bei  solchen  Kondominaten  üblich  war«.1) 

Uber  die  Verfassung  der  Stadt  wäre  etwa  folgendes  zu  sagen:  Sie  besaß  im  all- 
gemeinen freie  Selbstverwaltung.  An  der  Spitze  derselben  standen  noch  bis  zum  Ende 
des  13.  Jhs.  der  Schultheiß  und  die  Geschworenen,  die  Zwölfer.  Im  14.  Jh.  trat  daneben 
der  Bürgermeister  und  der  Junge  Rat  oder  auch  der  Neue  Rat.  So  heißt  es  1351  »die 
zwelfe,  die  dez  alten  rates  sin«,  und  dagegen  der  »newe  Rat«  in  einer  Aufzählung  seiner 
Mitglieder  von  1360.2)  Infolge  dieser  Entwickelung  hat  sich  das  Zwölferkollegium 
mit  dem  Schultheißen  wesentlich  auf  die  Rechtsprechung  zurückgezogen.  Diese  Be- 
schränkung zeigt  sich  z.  B.,  als  die  Städte  1308  sich  in  Otto  von  Ochsenstein  und  13I3 
iti  Ritter  von  Murhard  einen  Pfleger  wählen,  die  Wahl  geschieht  offenbar  von  der 


*)  Gothein  a.  a.  O.  S.  214. 

2)  Krieger  I,  S.  690. 


34° 


KREIS  OFFENBURG. 


Gesamtheit  der  Reichsleute.  Hingegen  haben  die  Zwölfer  darüber  zu  erkennen,  was 
ihrer  Stadt  Freiheit  sei,  »und  der  Träger  der  öffentlichen  Gewalt  hat  sich  jeweils  ihrem 
Weistum  zu  fugen«.  Sie  haben  im  öffentlichen  und  privaten  Recht  — in  beiden  ist  ihr 
Ausspruch  bindend  — nicht  neues  Recht  zu  schaffen,  sondern  das  alte  zu  wahren. 
Dieses  wichtige  Recht  haben  die  Städte  sich  wiederholt  von  den  Kaisern  bestätigen  lassen, 
es  war  die  Grundlage  und  das  Hauptstück  ihrer  Verfassung.  »Lag  die  Vermutung  vor, 
daß  ein  Recht  der  Stadt  gekränkt  sei,  so  wandte  sich  der  Junge  Rat  im  Namen  der 
Gemeinde,  als  deren  eigentlicher  Vertreter  er  erscheint,  an  den  Alten  Rat  um  einen 
Rechtsspruch  « »Die  Zwölfer  erscheinen  hier  also  immer  in  ihrer  Eigenschaft  als  ein 
vom  Kaiser  gesetztes  Gericht«  und  sie  wahrten  sich  konsequent  diesen  Charakter.  Nur 
einige  Verwaltungsbefugnisse  hatten  sie  auszuüben,  bezüglich  des  Besitzes,  der  vom  Reiche 
herrührte  oder  aus  einer  Zeit  stammte,  wo  es  nur  das  Zwölferkollegium  gab.  In  allen 
anderen  Verwaltungssachen  war  der  Junge  Rat  zuständig. 

Laut  Privileg  von  1331  stand  dem  Abt  des  Klosters  die  Ernennung  des  Schult- 
heißen zu,  zusammen  mit  Wassermeier,  Bannwart,  Zinsmeister  und  Mesner,  welche  alle 
Steuerfreiheit  genießen.  Später  fällt  der  Bannwart  weg  und  an  die  Stelle  des  Wasser- 
meiers ist  der  Oberbote  getreten.  Schultheiß,  Oberbote  und  Mesner  haben  den  Ehren- 
dienst beim  Abt,  wenn  er  ein  feierliches  Hochamt  hält,  sie  tragen  ihm  den  Stuhl  und 
breiten  den  Teppich.  Da  diese  Männer,  »die  Fünfschezzer«,  zugleich  die  freien  Zinsleute 
am  Dinggericht  vertraten,  so  war  also  die  Besetzung  der  Ämter  von  Wichtigkeit;  wir 
verstehen  daher,  warum  die  Gemeinde  von  Gengenbach  am  Ende  des  13  Jhs.  eben 
wegen  Besetzung  des  Mesneramtes  einen  heftigen  Streit  mit  dem  Abte  hatte. 

Vor  allem  aber  war  natürlich  die  Besetzung  des  Schultheißenamtes,  der  auch  Urteil- 
finder im  Dinggericht  war,  ein  Gegenstand  des  Streites.  Die  Frage,  wer  ihn  einzusetzen 
habe,  war  lange  im  Ungewissen  geblieben  und  dem  Abte  nur  ein  Einspruchsrecht 
bewahrt  gewesen,  bis  — wie  oben  gesagt  — Kaiser  Ludwig  das  Recht  dem  Abte  verlieh. 
Aber  auch  danach  war  es  für  diesen  noch  nicht  leicht  durchzusetzen.  Lange  Zeit 
waren  die  Herren  von  Swaibach  im  Besitz  des  Amtes  gewesen  und  hatten  davon  sogar 
den  Namen  angenommen.  Es  sind  wohl  die  im  13.  und  14.  Jh.  erwähnten  Reimboldus, 
Bertholdus,  Johannes  etc.  Sie  wollten  von  ihrem  Erbrecht  nicht  weichen,  und  so  kam 
es  zur  Fehde,  da  ein  Teil  der  Geschlechter  und  des  benachbarten  Adels  zu  ihnen  hielt. 
1344  wurde  durch  Vermittelung  Straßburgs  und  Offenburgs  der  Krieg  beigelegt.  Gegen 
eine  bedeutende  Abstandssumme  verzichteten  die  Swaibachs  auf  ihr  Recht  wie  auch 
darauf,  ein  Pförtchen  in  der  Mauer  zu  haben,  durch  das  sie  Bewaffnete  einlassen  konnten. 
Doch  sagte  ihnen  der  Abt  zu,  daß  er  ihnen  Gnade  tun  wolle  am  Schultheißenamt, 
jedoch  ohne  dauernde  Verpflichtung,  und  so  finden  wir  denn  auch  wieder  1361  »Johannes 
Sweipach«  als  Schultheiß,  später  aber  auch  andere  Mitglieder  des  Gengenbacher 
Patriziates. 

Was  die  Zwölfer  betrifft,  so  haben  sie  das  Recht,  sich  selber  zu  ergänzen,  sei  es 
aus  dem  Jungen  Rat,  sei  es  aus  der  Bürgerschaft.  In  letzterem  Fall  muß  das  neue 
Mitglied  zugleich  den  Ratsherren-  und  den  Zwölfereid  schwören.  »Gegen  das  Reich 
und  die  Pfandherren  hatte  das  Kollegium  nur  die  Verpflichtung,  ihnen  die  Gerichtsfälle, 
soweit  sie  ihnen  zustehen,  einzusammeln.  Als  Pfleger  von  des  Reichs  wegen  hatten  sie 
in  der  Stadt  einen  freien  Sitz;  sie  waren  völlig  steuerfrei«  und  als  derartig  bevorrechtete 
Korporation  hielten  sie  nach  außen  hin  streng  zusammen. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


341 


In  ihrer  Selbstverwaltung  waren  also  die  Gemeinde  und  ihr  Gericht  nirgends 
beeinträchtigt;  auch  das  Recht  der  Steuererhebung  stand  ihnen  zu.  Als  Bürger  der 
Stadt  standen  sie  nur  unter  dem  Reiche  oder  dem  Pfandherrn.  Da  sie  aber  vom 
Kloster  herrührende  Allmende  genossen,  so  mußten  sie  im  allgemeinen  Dinggericht 
erscheinen.  Für  Abänderung  eines  Rechtes  war  nur  bei  den  Gotteshausleuten  die 
Zustimmung  des  Abtes  nötig,  die  freie  Gemeinde  stand  nur  unter  dem  Vertreter  des 
Reiches. 

Die  Befugnisse  des  Reiches  waren  seit  der  Mitte  des  14.  Jhs.  (s.  oben)  an  Pfand- 
herren übergegangen,  diese  übernahmen  dieselben  Verpflichtungen  wie  die  einzelnen 
Vögte.  Sie  hatten  die  Zwölfersprüche  «nzuerkennen,  die  völlig  unabhängige  Gerichts- 
barkeit der  Städte  zu  gewährleisten,  ebenso  ihren  Besitz  an  Wäldern  und  Wassern,  sie 
mußten  versprechen,  nicht  gegen  den  Willen  der  Bürgerschaft  neue  Gebäude  aufzuführen, 
neue  Bewohner  anzunehmen  sowie  die  Juden  bei  ihrem  Rechte  zu  erhalten.  Als  Gegen- 
leistung wird  der  Bezug  der  Reichssteuer,  in  Gengenbach  40  Mark  Silber,  bestimmt. 

1351  schwor  Bischof  Bernhard  von  Straßburg,  diese  Verpflichtungen  zu  halten; 
trotzdem  suchte  das  Bistum  begreiflicherweise  seine  Gerechtsame  auszudehnen.  Und 
richtig  erlangte  es  auch  1358  ein  Privileg  des  Kaisers,  daß  alle  Pfandstädte  außer  dem 
Reichshofgerichte  nur  dem  Gerichte  des  Bischofs  unterstehen  sollten.  Mit  dieser  Fest- 
stellung der  richterlichen  Autorität  wären  die  Reichsstädte  allmählich  zu  einfachen  Land- 
städten herabgesunken.  Damals  aber  war  Abt  des  Klosters  Lambert  de  Burn,  eine 
hervorragende  Persönlichkeit  in  Wollen  und  Taten.  Wie  er  in  den  Beziehungen  des 
Klosters  zur  Stadt  in  gerechter  Weise  für  diese  sorgte,  so  jetzt  für  ihre  Selbständigkeit. 
Er  wußte  eine  neue  Entscheidung  herbeizuführen,  Karl  IV.  erteilte  das  große  Privileg 
von  1366,  das  die  alten  Freiheiten  sicherte:  Die  Städte  sollen,  so  oft  sie  versetzt  oder 
verpfändet  sind,  das  Recht  genießen,  daß  die  Zwölf  des  Alten  Rats  sagen  dürfen,  was 
der  Stadt  Freiheit  sei ; außer  dem  Reichshofgericht  sollen  die  Bürger  nur  dem  Zwölfer- 
gericht unterstehen  etc.  In  einer  glänzenden  Versammlung  von  Fürsten  und  Edlen 
bestätigte  der  Kaiser  diese  Urkunde,  in  der  die  Städte  die  Grundlage  ihrer  Reichsfreiheit 
sahen.  Sie  haben  sich  dieselbe  in  den  kommenden  Jahrhunderten  trotz  der  damit  ver- 
bundenen hohen  Kosten  immer  wieder  bestätigen  lassen,  Gengenbach  allein  im  15.  Jh. 
zehnmal. 

Vor  allem  aber  vereinbarten  sich  die  drei  Städte  zu  einer  gemeinsamen  Auslegung 
ihrer  Verpflichtungen,  zu  einem  treuen  Zusammenhalten  im  Schutz  ihrer  Rechte.  Es 
existiert  noch  eine  Aufzeichnung  aus  dem  14.  Jh.  darüber. 

Unter  gewissen  Bedingungen  stand  bei  Fehden  des  Pfandherrn  seinen  Truppen 
der  Zutritt  in  die  Städte  offen,  was  natürlich  nicht  gerade  angenehm  empfunden  wurde. 
Als  nun  die  doppelte  Pfandherrschaft  eintrat,  gelang  es  den  Städten,  völlige  Neutralität 
zu  erreichen.  Überhaupt  gestattete  ihnen  dies  Doppelverhältnis  die  Politik,  immer  einen 
Pfandherrn  gegen  den  anderen  auszuspielen.  Und  auf  der  Hut  waren  sie  vor  Beein- 
trächtigung ihrer  verbrieften  Rechte  und  wußten  insbesondere  alle  Eingriffe  in  ihre 
Gerichtsbarkeit  abzulehnen. 

In  der  geschilderten  Richtung  etwa  bewegte  sich  die  äußere  Politik  der  Stadt 
während  des  Mittelalters;  im  Innern  waren  es  die  Kämpfe  gegen  den  sozialen  und  wirt- 
schaftlichen Druck  des  Klosters,  die  den  Inhalt  seiner  Geschichte  ausmachten.  In  dem 
Weistum  von  1275  waren  die  Berechtigungen  des  Klosters,  das  ja  der  Grundherr  war, 


342 


KREIS  OFFENBURG. 


festgestellt.  Sie  waren  groß  genug.  »Der  Leibfall  wird  von  jedem  Freien  oder  Unfreien, 
der  von  des  Gotteshauses  Gut  etwas  innehat,  unterschiedslos  erhoben,  auch  der  Fremde, 
der  Jahr  und  Tag  zwischen  diesen  Zielen  bleibt,  ohne  nachfolgenden  Vogt,  wird  zum 
Gotteshausmann,  und  wen  auf  der  Durchreise  der  Tod  ereilt,  von  dessen  Habe  wird  der 
Fall  oder,  wenn  sich  kein  Erbe  meldet,  diese  selber  für  Abt  und  Kastvogt  in  Beschlag 
genommen.«  Dazu  war  noch  ein  besonderer  Güterfall  eingerichtet  worden,  der  besonders 
lästig  wurde : von  jedem  Stücke  Gut,  ob  es  unter  die  alten  oder  die  neuen  Güter  gezählt 
werde,  ob  es  viel  oder  wenig  sei,  gebührt  je  ein  Fall  dem  Kloster.  Bei  jedem  Wechsel 
des  Gutes  wurde  wieder  das  Obereigentum  geltend  gemacht;  bei  jeder  neuen  Leihe 
mußten  die  Erschätze  entrichtet  werden.  Man  kann  sich  vorstellen,  wie  erbitternd  das 
wirkte,  da  man  doch  schließlich  ja  das  ursprüngliche  Klosterlehen  als  Eigenes  betrachtete. 

Gewaltig  waren  auch  die  Anrechte  des  Klosters  als  Grundherr  an  Wald  und  Wasser. 
Fischfang  und  Benutzung  des  Wassers  in  den  Bächen  in  dem  ganzen  Gebiete  (von 
Haslach  etwa  bis  Staufenberg  etc.)  waren  von  dem  Willen  des  Abtes  abhängig,  in  der 
Kinzig  waren  ihm  alle  großen  »bännigen«  Fische  zugesprochen.  Ähnlich  groß  auch 
die  Berechtigung  des  Klosters  in  den  Forsten.1)  Wie  mußten  sich  Bürger  und  Bauern 
in  ihrem  wirtschaftlichen  Vorwärtsdrang  gehemmt  fühlen ! 

Aber  es  sollte  noch  schlimmer  werden ! In  den  Kämpfen  Ludwigs  des  Bayern 
wußte  das  Kloster  von  diesem,  der  die  Anhängerschaft  desselben  belohnen  und  sich 
sichern  wollte,  neue  Privilegien  zu  erhalten.  Die  Gebundenheit  des  Landvolkes,  die 
Obrigkeit  des  Klosters  wurde  darin  mit  einer  für  die  Folge  verhängnisvollen  Schärfe 
betont.  Das  alte,  1275  nicht  erwähnte  Anrecht  auf  zwei  Drittel  des  Allmendgenusses 
erscheint  jetzt  wieder,  und  die  Gemeinden  werden  in  der  Verwertung  der  Allmende  von 
dem  Willen  des  Klosters  abhängig  gemacht.  Der  Leibeigene,  wo  er  sitzen  mag,  soll 
doch  überall  dem  Kloster  vom  Leibe  fallbar  bleiben.  »Wo  Ungenossen  einander  freien, 
Mann  oder  Frau,  da  zieht  das  Kloster  ohne  weiteres  zwei  Drittel  ihrer  Habe  ein.«2) 
Außerordentlich  spitzfindig  wurde  die  Fallpflichtigkeit  ausgedeutet.  Sollte  doch  der 
Bauer,  wenn  er  in  gefährliche  Krankheit  fiel,  kein  Vieh  mehr  verkaufen  dürfen!  Und  hat 
er  es  doch  getan,  etwa  gar  das  Besthaupt,  so  mußten  die  Erben  es  einlösen  auf  ihre 
Kosten.  Auch  wenn  er  nur  Anteil  an  Vieh  hatte,  ein  Drittel  oder  ein  Viertel,  so  mußte 
auch  hiervon  der  Fall  gereicht  werden.  Haben  die  Erben  aber  nicht  das  Beste  gegeben, 
dann  ist  das  Gegebene  verloren  und  das  Besthaupt  noch  dazu.  Man  stelle  sich  die 
Erbitterung  vor  und  denke  sich  den  kleinen  Umfang  des  Städtchens ; mit  welchem  Haß 
mögen  manche  Bürger  die  nahen  Klostermauern  betrachtet  haben. 

Zunächst  zwar  ließen  sich  die  Dinge  noch  günstiger  an.  Denn  auf  dem  Abtsstuhle 
saß  eben  jener  Lambert  de  Burn,  der  Gengenbach  seine  Kaiserprivilegien  erwirkt  hatte. 
Möglich,  daß  er  selbst  aus  der  Gegend  stammte,  aus  dem  Geschlecht  der  Burne,  von  denen 
gerade  damals  (1363)  einer,  Wilhelm,  das  Schultheißenamt  bekleidete.3)  Er  hat  auch  hier 
nicht  nur  als  rechtlicher,  sondern  auch  als  politisch  weitdenkender  Mann  den  Weg  der 
Mäßigung  eingeschlagen  und  mit  dem  Rat  einen  Vertrag  geschlossen,  »in  dem  das 
Kloster  auf  die  zwei  Drittel  der  Nutzung  und  des  Geldes  aus  den  Allmenden  verzichtete 

*)  Gothein  a.  a.  O.  S.  236. 

2)  Gothein  a.  a.  O.  S.  237. 

3)  Gotheins  Vermutung.  Gewöhnlich  nimmt  man  an,  daß  er  aus  dem  elsäß.  Geschlecht 
von  Niederbronn  stammt. 


AMT  OFFENEURG.  — GENGENBACH. 


343 


oder  vielmehr  den  Anspruch  in  die  jährliche  Abgabe  eines  kleinen  Florentiner  Guldens 
und  einen  geringfügigen  Erschatz  umwandelte,  sowie  die  Forsthoheit  der  Stadt,  Wälder 
in  Bann  zu  schlagen,  anerkannte«.  Noch  im  18.  Jh.  hat  der  Prior  Domblüth  ihm  das 
nicht  vergessen  und  eine  bissige  Notiz  darüber  in  der  Klosterchronik  gemacht. 

Wie  wir  es  in  Offenburg  sehen  werden,  so  begann  nun  auch  Gengenbach  eine 
aktive  Ausbürgerpolitik,  die  aber  hier  unendlich  stürmischer  verlief,  denn  man  versuchte 
es  hier,  hörige  und  freie  Gemeinden  ganz  mit  sich  zu  verschmelzen,  d.  h.  also,  man 
beschränkte  sich  nicht  auf  die  Aufnahme  als  Ausbürger.  So  inkorporierten  sich  die 
Ohlspacher  1402  der  Stadt;  sie  verbanden  sich  zu  einer  Zunft,  wie  das  auch  andere 
Vogteien  schon  getan  hatten,  gelobten  Meister  und  Rat  Gehorsam;  ihr  Dorfeigentum 
behielten  sie  als  Zunfteigentum  weiter.  Die  Zünfte  nämlich  waren  — worauf  diese  Notiz 
weist  - in  Gengenbach  zum  Regiment  gekommen,  wie  es  scheint,  nicht  ohne  Gewaltsam- 
keit. Dieser  Zunftverfassung  aber  war  keine  lange  Dauer  beschieden.  Der  Schultheiß 
und  der  bisherige  Rat  wollten  die  Veränderung  nicht  anerkennen  und  wandten  sich  an 
den  Inhaber  der  Reichsvogtei  um  Entscheidung.  Und  diese  erfolgte  in  den  Zünftlern 
ungünstigem  Sinne,  die  alte  aristokratische  Verfassung  der  Zwölfer  kam  wieder  in 
Geltung,  der  Junge  Rat  war  daneben  gänzlich  unbedeutend.  Sögar  das  Amt  des  Stätt- 
meisters  wurde  abgeschafft. 

Nach  der  Niederwerfung  dieser  populären  Bewegung  wurden  die  Beziehungen  zum 
Kloster  Gengenbach  immer  drückender.  In  diesem  hatte  zudem,  wenige  Jahre  nach 
Lamberts  Tode,  die  Tendenz  gesiegt,  nur  noch  Adelige  aufzunehmen:  es  wurde  so  recht 
das  Spital  des  Ortenauer  Adels.  Und  so  wurden  die  Rechte  des  Klosters  nur  als 
Bedrückungen  des  Adels  empfunden.  Das  Dinggericht  verschwand  und  an  seine  Stelle 
trat  das  Mannengericht.  In  diesem  konnte  noch  der  Gengenbacher  Schultheiß  die  Rechte 
der  Stadt  und  der  Bürger  vertreten.  Als  dem  Abt  das  aber  unbequem  wurde,  da  berief 
er  den  Schultheiß  nicht  mehr  zu  diesem  Gerichte  ein ; die  Pfandherren  entschieden, 
daß  er  ihn  wohl  berufen  müsse,  daß  derselbe  aber  nur  seine  Stadt,  nicht  private  Händel 
vertreten  dürfe.  Dazu  kamen  Waldstreitigkeiten  ernster  Art.  Das  Nutzungsrecht  der 
Bürger  war  auf  ein  Minimum  eingeschränkt,  und  noch  eifersüchtiger  hielt  das  Kloster  bei 
den  Gewässern  sein  Eigentum  aufrecht, ')  auch  die  neu  entstandenen  Wasserwege  fielen 
dem  Abte  zu.  Ungerecht  vor  allem  aber  war  es,  wie  das  Kloster  die  Fallpflicht  aus- 
dehnte. Es  hatte  i.  J.  1424  von  dem  Landvogt  Bernhard  von  Eberstein  eine  Bestimmung 
erwirkt,  »wonach  alle  und  jegliche  Einwohner  zu  Gengenbach  und  in  der  Grafschaft  als 
solche  vom  Leibe  fallpflichtig  seien,  während  bisher  doch  immer  diese  Verpflichtung 
vom  Besitz  der  Güter  abhängig  war.  Der  Güterfall  ward  zugleich  wiederum  dahin 
bestimmt,  daß  so  viel  Güterstücke  jemand  vom  Kloster  besitze,  er  auch  so  viel  Fälle  zu 
entrichten  habe«.1 2)  Das  führte  denn  zu  den  unleidlichsten  Bedrückungen.  Endlich 
forderte  der  Abt  auch  noch  den  Zinspfennig.  Dagegen  erreichten  die  Bürger  wenigstens, 
daß  er  dem  Abt  nur  von  seinen  Eigenleuten  zugesprochen  wurde,  aber  »es  möchte  sich 
dem  Kloster  zu  eigen  geben,  wer  nur  immer  wolle«.  Und  ganz  besonders  lästig  war 
auch,  daß  der  Abt  seine  Eigenleute  den  städtischen  Verpflichtungen  und  Obrigkeiten 
entzog.  Dazu  kam  noch  die  überaus  drückende  Weise,  in  der  der  Zehnte  erhoben 

1)  Gothein  a.  a.  O.  S.  246. 

a)  Ebenda  S.  247. 


Band  VII. 


23 


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KREIS  OFFENBURG. 


wurde,  so  daß  der  Zinsmeister  des  Klosters  eine  gefürchtete  Person  war.  Ging  man 
doch  mit  solch  raffinierter  Spitzfindigkeit  vor,  daß  der  Bauer  sich  mit  seinem  Viehstand 
und  Mobiliar  in  äußerster  Unsicherheit  befand.  Die  Pachtzinse  der  meist  dem  Abt 
gehörigen  Reben  um  Gengenbach  wurden  auf  die  unvernünftigste  Weise  in  die  Höhe 
getrieben. 

Kurz,  der  Druck  war  unerträglich,  und  der  offensichtliche  Beweis  für  denselben 
lag  in  dem  Rückgang  der  Bevölkerung.  Viele  Häuser  standen  in  Gengenbach  leer  und 
verfielen.  1484  hören  wir,  daß  »allein  in  den  letzten  Jahren  zwölf  Bauernhöfe  durch 
Schuld  der  unerbittlichen  Zinsmeister  abgegangen  seien  und  wüst  ständen«.  Der  im 
Kloster  vertretene  Adel  hatte  begonnen,  die  Gegend  auf  das  schamloseste  auszusaugen. 

Am  Ende  des  i5-Jhs.  wehte  ein  frischer  Wind  durch  die  deutschen  Lande.  Der 
vielversprechende  Maximilian  bestieg  den  Thron,  und  an  ihn  wanden  sich  denn  auch 
sofort  die  Ortenauer  Reichsstädte.  Er  ordnete  zunächst  an,  daß  alle,  auf  deren  Hof- 
stätten ehemals  Häuser  gestanden,  diese  wieder  aufbauen  müßten,  welche  Weisung  sich 
vor  allem  gegen  das  Kloster  kehrte.  Ganz  besonders  scharf  aber  ging  er  1495  auf 
dem  Reichstag  von  Worms  gegen  dieses  vor.  Er  befahl,  den  Bürgern  sofort  die  Haupt- 
und  Leibfälle  zu  erlassen,  sie  in  den  Gebrauch  der  Fischwasser  einzusetzen,  die  öden 
Hofstätten  binnen  Monatsfrist  aufzubauen;  auch  stellte  er  das  Bürgermeisteramt  wieder 
her.  Es  wurden  nun  wieder  zwei  Stättmeister  gewählt,  einer  aus  dem  Alten  und  einer 
aus  dem  Neuen  Rat,  als  Vertreter  der  Selbstverwaltung  der  Gemeinde. 

Nun  galt  es,  das  Erreichte  durchzusetzen;  es  kam  zu  Prozessen  und  zu  Tag- 
satzungen 1496  unter  dem  Vorsitz  der  Pfandherren,  die  jetzt  unter  dem  Einfluß  des 
Kaisers  den  Städten  geneigt  waren.  Die  Leibfälle  wurden  aufgehoben,  die  Unrecht- 
mäßigkeit des  Zinspfennigs  erklärt,  die  Güterfälle  blieben,  aber  es  wurde  eine  Norm  für 
billiges  Eintreiben,  gerechten  Anschlag,  Erlaß  je  eines  Viertels  festgesetzt. 

Der  Kaiser  hatte  Gelegenheit,  sich  noch  weiterhin  mit  den  Angelegenheiten  der 
Ortenau  zu  beschäftigen.  Nach  der  Niederlage  der  Kurpfalz  im  Landshuter  Erbfolge- 
kriege und  nachdem  Maximilian  selbst  vor  Ortenberg  gezogen  war,  mußte  Kurfürst 
Philipp  die  Reichspfandschaft  Ortenau  abtreten.  Die  Städte  hatten  den  Kaiser  kräftig 
unterstützt,  und  dankbar  forderte  er  1504  die  Zwölferkollegien  der  drei  Städtö  auf,  alle 
Rechte  durch  Spruch  festzustellen.  Das  geschah,  und  so  wurde  auch  der  Anspruch  des 
Straßburger  Bischofs  als  Pfandherrn  auf  seinen  Anteil  an  der  Reichssteuer  eingeschränkt. 
Auch  als  nach  der  Verpfändung  der  Landvogtei  an  den  Fürstenberg  dieser  gegen  manche 
Rechte  der  Städte  vorstellig  wurde,  hatte  er  bei  dem  Kaiser  keinen  Erfolg. 

Bei  diesen  seinen  Aufenthalten  in  der  Ortenau  hatte  Maximilian  verschiedentlich 
in  Gengenbach  gewohnt,  und  zwar  im  Kloster.  Der  hochgebildete  Abt  Philipp  von  Esels- 
berg erfreute  sich  seiner  Gunst.  Und  so  glaubte  auch  das  Kloster  manches  erreichen 
zu  können.  Wieder  griff  Maximilian  persönlich  ein  und  ernannte  1507  zu  Hagenau  eine 
Kommission  zur  Schlichtung  aller  Streitpunkte.  Diese  entschied  gegen  eine  Ablösungs- 
summe von  1100  fl.  an  das  Kloster  für  alle  Bürger  der  Stadt  und  für  alle,  die  in  deren 
Kirchspiel,  Gebiet  oder  Gerichtszwang  wohnten,  völlige  Ablösung  von  der  Leibeigen- 
schaft, kein  Leib-  oder  Todfall  solle  mehr  gestattet  werden.  Die  Erschätze  wurden 
geregelt;  der  Güterfall  wesentlich  erleichtert,  das  Recht  des  Klosters  auf  Fischwasser 
wurde  dagegen  formell  anerkannt.  Nur  die  Städte,  hier  nur  Gengenbach  für  seine  Bürger 
und  Bauern,  hatten  das  aber  erreicht.  Für  alle  anderen,  welche  zwischen  Schwigenstein 


AMT  OFFENBORG.  - GENGENBACH. 


345 


und  Velletürlein  wohnten,  wurde  bestimmt,  daß  sie  Gotteshausleute  seien ; der  Grundsatz, 
daß  hier  die  Luft  unfrei  mache,  wurde  mit  aller  Strenge  durchgeführt.  Alle  geschilderten 
Bedrückungen  blieben  auf  den  nicht  zur  Stadt  Gehörigen  liegen.  Und  so  war  denn 
der  Zündstoff  gegeben,  der  bald  zu  hellem  Brand  werden  sollte.  »Alles  drängte,«  wie 
Gothein  sagt,  »der  großen  Katastrophe  des  deutschen  Bauernkrieges  zu.« 

Als  die  Stürme  des  Bauernkrieges  über  die  oberrheinischen  Lande  dahinbrausten, 
da  blieben  die  drei  Reichsstädte  von  ihren  schlimmen  Wirkungen  ziemlich  verschont. 
Ihre  Verfassung,  in  der  Bürger  und  Bauern  mit  genügenden  Berechtigungen  zusammen- 
gefaßt waren,  bot  Gelegenheit  zu  friedlichen  Auseinandersetzungen;  bereits  seit  einem 
Jahrhundert  war  der  Kampf  um  wirtschaftliche  und  soziale  Erleichterungen  hier  auf  gesetz- 
lichem Wege  geführt  worden.  Die  Städte  schlossen  sich  nicht  den  Aufständischen  an,  aber 
sie  besaßen  ihr  Vertrauen  wie  das  der  Obrigkeiten,  sie  konnten  deshalb  in  günstiger 
Weise  vermitteln  und  so  kam  mit  ihrer  Beihilfe  die  Achemer  Abrede  zu  stände  und  der 
Ortenauer  Vertrag  zu  Renchen,  womit  der  Aufstand  glücklich  beendigt  wurde.  Auch 
das  Kloster  blieb  verschont,  da  es  (s.  unten),  allerdings  nur  mit  vorübergehender  Wirkung, 
unterdes  säkularisiert  worden  war  und  also  kein  Konvent  mehr  da  war,  gegen  den  sich 
der  Zorn  richten  konnte.  Sorgenvoll  immerhin  waren  die  Zeiten,  und  bei  dem  allgemeinen 
Kriegszustände  sorgten  Rat  und  Gemeinde  dafür,  daß  jeder,  vom  obersten  bis  zum 
niedersten,  zum  Schutz  der  Stadt  und  zum  Zusammenhalt  bereit  war. 

Die  Reformation  hatte  unterdes  in  Gengenbach  Fortschritte  gemacht  und  die  Ver- 
teidigung der  alten  Richtung  war  ziemlich  unterlegen,  als  die  Landvogtei  an  Friedrich 
von  Fürstenberg  kam  und  damit  die  Rekatholisierung  der  Gegend  begann.  Zwar  setzte 
man  der  Einführung  des  Interims  zunächst  Widerstand  entgegen,  aber  auf  die  Dauer, 
zumal  als  die  fürstenbergische  Herrschaft  aufhörte  und  die  ungeteilte  Pfandherrschaft 
an  Österreich  kam,  war  der  Standpunkt  nicht  zu  halten.  In  der  kirchengeschichtlichen 
Darstellung  ist  des  näheren  auf  diese  Verhältnisse  eingegangen  wie  auch  auf  die  Geschicke 
des  Klosters,  worauf  ich  hier  verweise. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  1 6.  Jhs.  war  Gengenbach  wieder  katholisch  geworden, 
das  Kloster  als  bürgerliches  Kloster  wiederhergestellt.  Und  nun  begann,  wenn  auch 
lange  nicht  mit  der  Erbitterung  und  der  Schärfe  früherer  Zeiten,  der  alte  Streit  um  die 
Privilegien.  Er  füllte  die  folgenden  Jahrhunderte  aus,  ohne  aber  zu  wirklichem  politischen 
Leben  zu  verhelfen.  Dem  allgemeinen  Rückgang  politischen  und  geistigen  Lebens  in 
Deutschland  unterlagen  natürlich  vor  allem  auch  die  drei  kleinen  Städte,  deren  Reichs- 
freiheit übrigens  noch  nicht  über  allen  Zweifel  erhaben  war.  Der  österreichische  Land- 
vogt versuchte  Übergriffe,  so  kam  es  1566  zu  Zwistigkeiten  und  es  weigerten  sich  1572 
die  Städte,  die  Reichs-  und  Türkensteuern  auszuzahlen.  Damals  schlossen  sie  zur  Ver- 
teidigung ihrer  Rechte  einen  geheimen  Bund,  der  1614  erneuert  und  öffentlich  wurde. 
Die  Differenzen  mit  Österreich  waren  schon  1590  beigelegt  worden,  aber  nun  verdüsterte 
sich  der  politische  Horizont  immer  mehr,  der  Dreißigjährige  Krieg  brach  aus : die  Städte 
schlossen  sich  immer  enger  aneinander,  um  nicht  auf  das  Niveau  einer  vorderöster- 
reichischen Landstadt  herabgedrückt  zu  werden.  Ofifenburg  wehrte  sich  zunächst  noch 
mit  Erfolg  gegen  die  Einlegung  einer  Besatzung,  Gengenbach  hatte  sich  freilich  eine 
solche  gefallen  lassen  müssen  und  ward  1622  sogar  zum  Hauptquartier.  Die  Kaiser- 
lichen hausten  wie  überall  so  auch  hier  übel,  und  die  Stadt  litt  vielfach  unter  den  ver- 
schiedenen herumziehenden  Heereskörpern.  Abt  und  Konvent  waren  über  den  Schwarz- 

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KREIS  OFFENBURG. 


wald  geflüchtet.  Das  größte  Verderben  aber  brachte  das  Jahr  1643,  als  im  Spätjahr 
die  Armee  Bernhard  von  Weimars  die  Stadt  in  Brand  setzte.  Der  Konventuale  Feinlin 
hat  uns  darüber  folgenden  anschaulichen  Bericht  hinterlassen:  ’) 

»Den  2.  Sonntag  in  der  Fasten,  als  den  1.  Martii  a.  1643,  als  man  den  Gottesdienst  anfangen 
wollte,  hat  sich  eine  von  der  Weim  arischen  Armee  reitende  Partie  vor  der  Stadt  allhier  sehen 
lassen.  Weilen  dann  aber  der  Obrist-Lieutenant  Byßinger  mit  100  oder  mehr  Pferden  allhier 
angelangt,  also  ist  er  auf  sie  losgegangen,  dieselben  bis  nacher  H a ß 1 a c h in  die  Flucht  gejagt,  allwo 
schon  über  500  Weimarische  gelegen,  welche  plötzlich  wider  Firn.  Byßinger  und  Hrn.  Jakob 
Großen,  Rittmeistern  von  Offenburg,  einen  Ausfall  gethan,  etwelche  ihrer  Soldaten  niedergehauen 
und  gefangen  bekommen  und  gleich  morgens  frühe,  als  beide  Hrn.  Obrist-Lieutenant  und  Rittmeister 
sich  noch  allhier,  ist  von  den  Weimarischen  unversehens  angekommen  Hr.  Obrist  Roß  wurm  mit 
1000  Kommandirten  Reitern,  welche  das  Städtlein  umringt,  also  daß  beinelte  2 kaiserliche  Offizier 
sich  kümmerlich  mit  der  Flucht  salvirt  und  der  ihrigen  etwelche  in  der  Flucht  verloren  haben. 
Worauf  dann  Gengenbach  aufgefordert  worden,  mit  Versprechen  hiesige  Soldaten,  deren  70  Mann 
sanunt  einem  Lieutenant  Michael  Schöffel  aus  Offenburg,  Schauenburgischen  Regiments,  allhier 
gewesen,  solche  frei  und  sicher  nach  Offenburg  convoyren  zu  lassen.  Weilen  ihnen  aber  die  Ueber- 
gabe  des  Orts  abgeschlagen  worden  und  man  allhier  der  Hoffnung  war,  es  sollte  die  ganze  feind- 
liche Armee  nit  anlangen,  so  ist  doch  wider  Vermuthen  Dienstag  den  3.  Martii  Hr.  General  Comte 
de  Guebriant  mit  der  ganzen  Armee  angelangt  und  alsbald,  weil  der  Kommandant  nicht  gleich 
auf  Diskretion  ergeben  wollte,  die  Stadt  mit  Stucken  beschießen  lassen,  doch  auch  inzwischen  einen 
Serganten  unter  dem  Namen  eines  Fähndrichs  hereingeschickt,  mit  der  Condition,  das  man  den 
Fähndrich  von  hier  hinausschicke,  welches,  nachdem  es  geschehen  und  kein  Vergleich  wegen  Ver- 
sicherung der  Soldaten,  Pardon  und  Convoyrung  naher  Offenburg  hat  können  getroffen  werden,  als 
ließe  der  schwedische  General  seinen  Serganten  wiederum  abfordern,  welcher,  nachdem  er  über  den 
Schutzgatter  hinausgekommen,  ist  unser  Fähndrich  (welcher  gleichfalls  hereingewollt)  von  ihnen 
wiederum  zuruckgenommen  worden,  mit  Bedrohung,  wenn  sich  jetzt  der  Cominandant  nit  ergeben 
wollte,  solle  alsbald  dem  Fähndrich  das  Leben  genommen  und  nach  Eroberung  der  Commandant 
aufgehenkt  werden.  Weil  man  bei  solcher  Gestalt  der  Sachen  nicht  wußte,  was  zu  thun  wäre,  und 
die  armen  Pfarrkinder  nit  in  die  höchste  Gefahr  gerathen  und  mit  sainmt  dem  Fähndrich  das  Leben 
lassen  müßten,  bin  ich  I’.  Leonhard  Feinlein  und  I Ir.  Martinus  Pistorius  des  jüngeren  Raths  allhier 
hinausgegangen  und  mit  einem  gethanen  Fußfall  bei  dem  Hrn.  General  um  Barmherzigkeit  und  Ver- 
schonung der  armen  Pfarrkinder,  welche  damalen  alle  in  der  Klosterkirch  sich  versammelt,  gebeten. 
Dann  nichts  Gewißers  zu  erwarten  war,  als  der  äußerste  Untergang,  massen  der  Klosterthurm  und 
die  Mauren  durch  starkes  schießen  schon  etliche  Löcher  bekommen.  Worauf  wir  von  Hrn.  General 
die  Antwort  bekommen  : Sofern  der  Lieutenant  sich  nit  in  einer  Viertelstund  ergeben  werde,  soll  ein 
Exempel  statuirt  werden,  dergleichen  nit  viel  erhört  worden,  daß  auch  sogar  dem  Kind  im  Mutterleib 
nicht  verschont  werden  solle.  Darauf  nach  geschehener  Relation  hat  Hr.  Lieutenant  sich  zu  ergeben 
anerboten,  woferne  ihm  und  allen  bei  ihm  habenden  Soldaten  Versicherung  des  Lebens  und  daß  sie 
nit  ausgeplündert  werden  sollten,  zugesagt  würde.  Welches  dann  Hr.  General  versprochen  und  man 
darauf  die  Porten  ihnen  eröffnet  und  die  darin  gewesenen  Soldaten  sich  haben  müssen  unterhalten 
lassen,  ist  also  der  Accord  schlecht  gehalten  worden.  Darauf  Hr.  General  Feldzeugmeister,  ein 
geborner  Herzog  v.  Württemberg,  wie  auch  Hr.  Obrist  Lüzau,  Hr.  Gen.  Schön  bech  das 
Quartier  im  Kloster  genommen  und  alles  Gute  sich  anerboten.  Aber  als  des  anderen  Tages  Mittwoch 
d.  4.  Martii  obige  Herren  abgereist,  ist  der  Einfall  von  rohischen  schottischen  und  fläschmarischen  (?) 
Soldaten  in  das  Kloster  geschehen,  alles  ausgeplündert,  zerschlagen  und  verderbt 
worden,  auch  in  der  Kirch  Kelch,  Alben,  Altartücher  u.s.w.  genommen,  doch 
von  Hrn.  Rittmeister  Rattschein  mir  in  die  Kirche  ein  Kelch  wieder  restituirt  worden  und  der  Räuber 
von  ihm  hart  bleßirt  worden,  andere  Insolenzien  zu  geschweigen.  Nach  diesem  Ruine  sind  obgemelte 
Regimenter  allhier  3 Monat  verblieben  ohne  weitere  Beleidigung  derer,  so  bei  ihnen  gebliben. 
Anno  1643  d.  29.  Maii  ist  diese  weimarische  Armee  hinweggezogen,  an  welchem  Tag  sie  die 
3 Stadtthor  verbrennt,  2 Thiirm,  als  den  hinter  unserem  Chor  und  den  in  dem 
Eck  unsres  Conventgarten,  unterininirt  und  in  die  Luft  gesprengt  und  2 andere, 


x)  FDA.  XVI,  S.  172. 


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GENGENBACH. 


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als  nämlich  den  Thurm  auf  dem  oberen  Thor  und  an  der  Stadtmauer,  all  wo  das 
Wasser  in  das  Kloster  lauft,  verbrannt.  Was  für  Angst  dermalen  unter  den  Leutengewesen, 
mag  jeder  errachten  der  in  dergleichen  Noth  und  Gefahr  gewesen.  Nach  diesem  Abzug  seind  die 
armen  Pfarrkinder,  so  hin  und  wieder  zerstreut  waren,  widerum  naher  Haus  gekommen,  sind  aber 
nit  länger  als  auf  den  Sonntag  d.  26.  Julii  sicher  gewesen,  da  dann  abermal  ein  Geschrei  erschollen, 
ob  sollt  die  ganze  weimarische  Armee  widerum  anhero  kommen,  worauf  dann  Jedermann  aus  Furcht 
die  Flucht  genommen,  das  Kloster  und  die  Stadt  dergestalt  verlassen,  daß  nit  ein  einziger  Mensch 
darin  verbliben.  Daher  Alles  von  dem  Feind  dermassen  verderbt  worden,  daß  es  kaum  zu  beschreiben, 
sonderlich  in  dem  Kloster,  da  alle  Dächer  verderbt,  alle  Fäßer  in  den  Kelleren, 
alle  Tisch,  Bänk,  Trog,  Stiihl,  Bettladen,  Thiiren,  alle  Läden,  Getäfer, 
Bretter,  verbrennt,  die  B etter  ausgeschüttet  und  Oefen,  Fenster  zerschlagen, 
die  Reliquien  mit  Füßen  getreten,  das  Sacrarium  spoliert,  die  Monstranz  zer- 
brochen, sonderlich  Alles,  was  zum  Gottesdienste  in  der  Pfarrkirch  gehörig, 
ein  groß  silbernes  Ciborium,  ein  vergoldte  Paten,  kurz  Alles  so  leer  aus- 
geraubt, daß  zu  Haltung  des  Gottesdienstes  nit  das  Geringste  übrig  geblieben.  Nach  welchem 
gänzlichen  Ruin  sie  den  letzten  Augst  widerum  hinweg  über  den  Rhein  in  das  Elsaß  gezogen. 
Worauf  dann  die  armen  Pfarrkinder  sich  Jeder  wiederum  heim  begeben,  ein  Jeder  seine  Wohnung 
so  gut  er  konnte  wieder  zugericht  und  mit  saurem  Schweiß  seine  Nahrung  zu  suchen  angefangen, 
der  tröstlichen  Hoffnung,  es  werde  nunmehr  dieses  gottlose  Volk  an  diesen  Ort  nit  mehr  kommen. 
Aber  leider,  da  man  wieder  am  sichersten  zu  sein  vermeinte,  sind  gemelte  Truppen,  so  einen  starken 
Succurs  aus  Frankreich  von  dem  Duc  d’Anguin  unter  dem  Kommando  des  Ilrn.  Generals  Ranzau 
bekommen,  den  1.  Tag  Nov.  wiederum  über  den  Rhein  gekommen.  Dahero  dann  zum  3.  mal  meine 
Pfarrkinder  in  das  Elend  sich  begeben,  außer  etlich  wenigen,  so  bei  mir  allhier  geblieben,  der 
Hoffnung,  es  werden  diese  Volker  wegen  des  äußersten  Ruins  an  diesem  Ort  nit  mehr  verlangen, 
sondern  den  Weg  anderstwohin  nehmen.  Als  derohalben  unserer  wenige  zwischen  Furcht  und 
Hoffnung  allhier  verblieben,  sind  sie  den  4.  Nov.  ohnversehener  Weis  hereingefallen,  Alles  was 
wiederum  an  Roß  und  Vieh  vorhanden  gewesen,  mitgenommen,  Geistliche  und  Weltliche  aus- 
geplündert, ausgezogen,  geschlagen,  verwundet,  und  dermaßen  mit  uns  umgegangen,  daß  es  einen 
Türken  hätte  erbarmen  sollen,  auch  der  Kirchen  nicht  verschonet,  sondern  ärger  als  vormal  gehauset, 
die  Altär  zerschmetteret,  alle  Stühle  verbrennt,  endlich  auch  die  Stadt  angezündt,  das 
Rathhaus  sammt  9 oder  mehr  anderen  Häuseren  verbrennt  und  noch  in  etlichen 
Feuer  eingelegt,  daß  also,  wann  ich  unwürdiger  Pfarrer,  Peter  Hauser  und  Jakob  Bruder  mit  etlichen 
Weibern,  so  gelöscht,  nit  so  ernstlich  gearbeitet  hätten,  die  ganze  Stadt  sammt  dem  Kloster  wäre 
eingeäschert  worden.« 

Und  kaum  hatte  sich  die  Gegend  von  den  Folgen  dieses  fürchterlichen  Krieges 
zu  erholen  angefangen,  als  sie  wieder  zum  Schauplatz  schwerer  Kämpfe  wurde  in  den 
Verwüstungskriegen  Ludwigs  XIV.  Am  9.  September  1689  ist  Offenburg  zerstört  worden, 
zwei  Tage  vorher  schon  traf  das  Schicksal  die  Schwesterstadt  Gengenbach.  Auch  darüber 
wird  in  den  Protokollen  berichtet: 

A.  1689,  nachdem  die  französische  Armee  unter  dem  Kommando  des  Marschall  de  Du  ras 
unterhalb  bei  Offenburg  gestanden  und  vom  König  vorher  die  Ordre  eingelaufen,  daß  alle,  die 
von  der  Pfalz  am  Rhein  herauf  bis  gegen  Straßburg  auf  6 Stund  w'eit  gelegene  Ort  und  Stadt, 
so  mit  Mauren  umgeben,  sollen  verbrannt  werden,  als  ist  von  ermeldter  Armee  ein  Detasche- 
ment  den  7.  Septbr.  Morgen  um  10  Uhr  in  6 Esquadrons  an  der  Kinzig  und  etliche  Bataillon  bei 
der  Pfarrkirch  zu  stehen  kommen.  Da  man  nun  solchen  Anmarsch  von  dem  Thurm  gesehen,  sind 
mehrentheils  Herren,  Frauen  und  Kinder  zum  oberen  Thor  hinausgeflohen.  Darauf  ein  Trompeter 
zum  Thor  gekommen,  begehrend  man  soll  die  Thore  öffnen.  Die  Bürgerschaft  aber  mit  viel  herein- 
geflüchteten Bauren  schlugen  es  ab,  gab  bald  darauf  aus  Doppelhacken  Feuer  auf  den  Feind.  Das 
Fußvolk  ließe  sich  auch  vom  Kirchhof  heraussehen.  Darauf  die  Bürger  mit  Flinten  feuerten  und 
etwelche  todt  schossen.  Und  weilen  auf  dem  Bergle  bei  der  Wallfahrt  auch  Bürger  und  Bauren  aus 
Norderach  und  Hammersbach  waren,  darbei  sich  ein  Lieutenant  und  15  Musquetiers  befunden,  als 
haben  die  Franzosen  von  der  Infanterie  etliche  100  Mann  über  den  Stollen  beorderet,  so  durch  den 
Schweiggraben  bei  der  Mühle  herauskommen  und  in  die  Häuser  in  Oberdorf  sich  begeben,  oben 


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KREIS  OFFENBURG 


zu  den  Dächern  hinaus  gegen  sie  geschoßen,  wodurch  gleich  ein  Bauer  aus  dem  Hammersbach 
bleßirt  worden.  Dargegen  man  auch  hinunter  gegen  sie  tapfer  gefeuert,  da  hingegen  die  anderen  an 
verschiedenen  Orten  angefangen  den  Berg  hinauf  zu  kommen,  auf  welche  unsere  Leute  gut  Feuer 
gaben.  Allein,  als  man  die  Gewalt  gesehen,  sind  diese  Leut,  da  sie  keine  Brustwehr  vor  sich 
hatten,  zuruck  in  die  Reben  gesprungen  und  sich  mit  der  Flucht  auf  den  anderen  Berg  salvirt.  Die 
in  der  Stadt  hielten  sich  bis  7 Uhr  Abends,  in  der  Hoffnung  der  von  Teutschen  zu  Wolfach  vertröste 
Sukkurs.  Als  aber  nichts  erfolgt,  hat  man  mit  dem  Capitain  de  Vilars,  so  vorigen  Winter  hier  im 
Quartier  lag,  von  den  Mauren  hinunter  accordirt,  daß  den  Einwohnern  am  Leben  nichts  geschehen 
soll,  so  auch  sancte  gehalten  worden.  Anbei  war  von  dem  Feind  befohlen,  daß  männiglich  sich  in 
die  Klosterkirch  begebe.  Worauf  die  Franzosen  hereinmarschirt  und  genommen,  was  ihnen  gefallen. 
Morgen  darauf  um  6 Uhr,  als  die  Leut  aus  der  Kirch  und  Stadt  mit  den  Soldaten  herausgezogen 
waren,  haben  sie  alle  Gebäu  sammt  dem  Kloster  und  der  Kirchen  völlig  ab- 
gebrannt, daß  nit  ein  einziges  Häusle  in  der  Stadt  stehen  geblieben.  Auch 
sogar  die  Pfarrkirch  außer  der  Stadt  ist  zerstört  worden.  Die  Häuser  aber  in 
den  Vorstädten  und  Oberdorf  sind  stehen  geblieben.  Die  Leut  aus  der  Kirche  haben  sie  mit  sich 
nacher  Offenburg  geschleppt,  endlich  allda  laufen  lassen.  In  der  Stadt  haben  einige  Herren  zuvor 
das  Beste  geflehnet,  andere  aber  haben  zu  wohl  getrawt  und  Alles  verlohren.  In  dem  Kloster  sind 
die  Scheuren  mit  Garben  und  die  Keller,  mit  vielem  Wein  angefüllt,  völlig  zu  Grund  gegangen 
neben  sehr  vielen  Mobilien,  absonderlich  die  extraordinari  schöne  und  kostbare  große  Orgel.  Das 
Glück  war  noch,  daß  man  die  Glocken,  die  Kanzlei  und  Bibliothek  salvirt  hat.  Der  Schaden,  so 
das  Gotteshaus  durch  diesen  Brand  erlitten,  wird,  laut  dem  schwäbischen  Kreis  eingereichter  Spezi- 
fikation, über  100000  fl.  geschätzt.  Acht  Tag  darauf  ist  die  Stadt  Offenburg  und  Oberkirch 
auch  so  verbrennt  worden.  Ohnerachtet  dieses  grausamen  Schadens,  haben  die  Franzosen  gleich 
Anfangs  des  1690.  Jahrs  an  das  Gotteshaus  wiederum  die  Ordinari  Contribution  per 
2000  Livres  angesetzt,  so  auch  hat  müssen  nebst  anderen  furage  praestandis  geliefert  werden. 

Da  in  diesen  Kriegen  sich  die  Wichtigkeit  der  Ortenau  klar  herausgestellt  hatte, 
so  lag  es  im  Interesse  Österreichs,  die  Landvogtei  nur  in  zuverlässige  Hände  gelangen 
zu  lassen.  So  lehnte  man  daher  den  Vorschlag  des  Markgrafen  Leopold  Wilhelm,  die 
Landvogtei  gegen  Güter  in  Böhmen  einzutauschen,  ab,  ganz  besonders  aber  mußte  man 
den  Bischof  Franz  Egon  von  Straßburg  verhindern,  hier  Fuß  zu  fassen.  Endlich  erhielt 
Markgraf  Ludwig  Wilhelm  die  Landvogtei,  der  Türkenlouis,  dem  man  die  Fähigkeit  zu- 
traute, sie  sicher  zu  schützen,  und  so  blieb  sie  bei  Baden-Baden,  bis  das  Haus  ausstarb. 
Dann  zog  Österreich  die  Ortenau  wieder  an  sich.  Die  Städte  dehnten  darauf  ihren 
Bund  dahin  aus,  daß  sie  auch  alle  Zwistigkeiten  zwischen  Magistraten  und  Gemeinden 
untereinander  schlichten  wollten.  Es  kam  darüber  zu  einem  neuen  Prozeß  vor  dem 
Reichskammergericht. 

Dieses  war  ja  auch  für  die  geringfügigsten  Streitigkeiten  die  oberste,  in  vielen 
Fällen  überhaupt  die  erste  Instanz.  Bei  der  vielberufenen  Langsamkeit  seines  Verfahrens 
wurde  dieser  ursprüngliche  Vorteil  ihrer  Reichsunmittelbarkeit  den  Städten  bald  lästig, 
und  oft  wandten  sich  die  Untertanen  an  die  Gerichte  der  Landvogtei.  Zwar  erlangten 
die  Obrigkeiten  der  Landstädte  noch  einmal  1778  auf  die  Klage  ihrer  Untertanen  den 
Bescheid,  daß  sie  keinem  anderen  Gerichte  als  dem  Kammergerichte  unterworfen  seien, 
aber,  wie  G o t h e i n bemerkt,  schon  die  Tatsache  des  Prozesses  bewies,  daß  die  bevor- 
rechtete Stellung  der  kleinen  Reichsstädte  nicht  nur  wertlos,  sondern  lästig  geworden  war. 

Auch  in  den  inneren  Zuständen  finden  wir  der,  gleichen  Kräfteverfall.  Der  alte 
Zwist  zwischen  Patriziat  und  Zünften,  die  Streitigkeiten  mit  dem  Kloster  schleppten 
sich  immer  weiter  fort,  immer  schwebte  ein  und  der  andere  Prozeß  zwischen  dem 
Kloster  und  der  Stadt  bei  dem  Reichskammergericht.  1612  machte  der  energische  Abt 
Georg  nochmals  Anstrengungen,  die  sämtlichen  verlorenen  Rechte,  auch  den  Leibfall, 


AMT  OEFENBURG.  — GENGENBACH. 


349 


wieder  zu  erhalten,  das  Mannengericht  wiederherzustellen,  und  in  letzterer  Hinsicht 
erhielt  er  einen  günstigen  Bescheid.  Dann  versuchten  die  Bürger  dem  Abt  vorzustellen, 
da  aller  Adel  ausgestorben  oder  fortgezogen,  solle  der  Schultheiß  künftig  aus  den  Bürger- 
geschlechtern ernannt  werden;  der  Abt  aber  ernannte  statt  dessen  einen  fremden 
Adeligen,  einen  Herrn  von  Scheidt,  der  neue  Unruhe  in  die  Stadt  brachte  und  die 
Bürgerschaft  gegen  den  Rat  zu  organisieren  suchte,  bis  er  von  einer  kaiserlichen 
Kommission  abgesetzt  und  zu  lebenslänglicher  Haft  nach  Ortenberg  abgeführt  wurde. 
Und  so  ging  es  weiter.  Einiges  hatte  die  Stadt  erlangt;  so  schon  1567  die  Forsthoheit 
in  den  Allmenden;  1 597  hatte  der  Rat  bezüglich  des  Güterfalls  verlangt,  er  müsse  endlich 
genau  wissen,  welche  Güter  fallbar  wären,  und  der  Abt  auch  die  Herstellung  eines 
genauen  Urbars  versprochen.  Uber  ein  derartiges  Hin  und  Her  aber  kam  man  nicht 
hinaus;  der  kleineren  Zänkereien  nicht  zu  gedenken.  Aus  den  oftzitierten  Protokollen 
wissen  wir,  wie  manches  räudige  Schaf  unter  den  Klosterinsassen  war,  und  da  mag  es 
genug  Grund  zur  Beschwerde  gegeben  haben.  Aber  wir  dürfen  die  Mönche  in  dieser 
Zeit  allgemeiner  Verwilderung  nicht  mit  zu  großen  Vorwürfen  belasten,  denn  auch  in  der 
Stadt  ging  es,  weiß  Gott,  derb  genug  her.  Vergehen  gegen  das  sechste  Gebot,  Prügeleien 
in  der  Trunkenheit,  Stechereien  — sie  waren  an  der  Tagesordnung  und  beschäftigten 
fortwährend  den  Rat.  Wie  überall  in  Deutschland,  brachte  auch  erst  das  18.  Jh.  eine 
allmähliche  Milderung  der  Sitten  und  stellte  einen  friedlichen  Zustand  in  der  Stadt  her. 

1718  ging  man  daran,  unter  kaiserlicher  Bewilligung  die  Zünfte  neu  zu  errichten. 
Aber  die  Handwerker  mußten  zum  Bauer  gehen,  um  Aufträge  zu  erhalten.  Joseph  II. 
mußte  dann  in  einer  stattlichen  Urkunde  der  Krämerzunft  bestätigen,  daß  die  Unter- 
tanen des  Gebiets  nur  bei  Gengenbacher  Krämern  kaufen  dürfen,  bei  schwerer  Ahndung. 
Das  waren  die  letzten  Angelegenheiten  von  großer  Wichtigkeit. 

So  war  es  Zeit,  daß  dieser  Zustand  aufhörte,  und  es  konnte  als  eine  Erlösung 
gelten,  als  Gengenbach  1803  badisch  wurde. 

Römisches : s.  Corpus  inscript.  Rhen.  Nr.  1681.  Auf  dem  Casteiberge  stand  noch 
1751  eine  römische  Votivsäule,  von  wo  sie  der  Reichsprälat  1811  in  den  Garten 
der  Abtei  bringen  ließ.  Bei  der  Aufhebung  des  Klosters  kam  sie  nach  Baden  und  von 
da  1858  in  die  Karlsruher  Sammlung  (C  42,  Fröhner  43).  Der  Schaft  ist  mit  Blättern 
des  Pinienapfels  verziert;  er  steht  auf  einer  quadratischen  Basis  mit  jetzt  beschädigter 
Inschrift,  die  ungefähr  lautete : 

I(ovi)  O(ptimo)  M(aximo) 

Boebius  Baebiique  filii  s.  v.  1.  (?) 

Was  oben  auf  der  Säule  stand,  läßt  sich  nicht  mehr  bestimmen.  (W.) 

Außerdem  wurden  eine  Anzahl  Münzen  hier  gefunden,  s.  K.  Bissinger,  Funde 
röm.  Münzen  im  Großh.  Baden,  Karlsruhe  1889,  S.  18. 

Uber  die  Befestigung  der  Stadt  und  des  Klosters  liegt  ein  Bericht  von  Placidus 
Künstle  (1700  bis  1785)  vor,  der  teils  nach  Augenschein,  teils  nach  alten  Nachrichten 
die  angeblich  römische  Festung,  in  der  Tat  aber  die  mittelalterliche  beschreibt : ') 

»Die  römische  Festung  zu  Gengenbach  bestund  aus  der  Area  oder  dem  innern  Hof,  oder 
ebenen  Platze,  der  vermuthlich  der  Waffenplatz  für  die  römischen  Soldaten  war.  Dieser  ebene 
Platz  war  in  der  Runde  mit  einer  sehr  hohen  Mauer  umgeben,  die  an  gehörigen  Orten  mit 

*)  In : Deductione  Ruthardiana  de  Fundatore  Monasteriorum  Schwarzach  et  Gengenbach ; 
zitiert  bei  Kolb  a.  a.  O.  I,  S.  369. 


Römisches 


Befestigung 


35° 


KREIS  OFFENBURG. 


Rondellen  und  Bastionen  versehen  war:  außer  dieser  Mauer  war  gegen  Morgen  — ein  breiter 
Graben  oder  der  Bach  Gengenbach  mit  einem  Schleußen ; über  diesem  Graben  der  unter- 
mauerte Wall,  an  dessen  Spitze  oder  Ecken  runde  Thürme  stunden,  dieser  Wall  erstreckte 
sich  mit  dem  äußersten  Graben  bis  an  den  Berg : wo  dieser  Wall  war,  sind  heut  zu  Tage  ablehns 
gelegene  Gärten,  der  Graben  aber  ist  Mattfeld  oder  Wiesen.  Gegen  Mittag  war  über  der  innern 
hohen  Mauer  ein  Zwinger,  welcher  mit  einer  etwas  niedrigen  Mauer  und  außerhalb  mit 
einem  von  Quadersteinen  gefilterten  Wassergraben  umgeben  gewesen;  außer  diesem  Graben 
war  endlich  der  untermauerte  Wall  mit  seinen  Thür  men,  der  sich  mit  seiner 
Glaßie  oder  ablehnenden  Verdachung  bis  an  den  Kinzig-Fluß  ausdehnte;  jetzt 
sind  Gärten  daselbst  angepflanzt.  Gegen  Abend  war  die  Befestigung  des  Platzes  die  nämliche  wie 
gegen  Mittag,  nämlich  die  innere  hohe  Mauer,  der  Zwinger,  die  niedere  Mauer  mit 
ihrem  Graben,  und  der  Wall  mit  seinen  Thürmen  und  der  Glassie.  Bey  Erbauung 
der  Stadt  aber  ist  auf  dieser  Seite  alles  geändert  worden  : auf  die  innere  hohe  Mauer  wurden  Häuser 
erbauet,  welche  den  Zwinger  und  die  niedrige  Mauer  bis  an  den  Graben  einnahmen.  Der  Graben, 
welcher  vor  Zeiten  mit  Quadersteinen  eingeschlossen  war,  ist  erst  dieses  Jahr  (beyläufig  um  das  Jahr 
1720  oder  1725),  nach  der  französischen  Zerstörung  vom  J.  1689  der  Erde  gleich  gemacht  worden, 
damit  diese  Häuser  näher  mit  der  um  den  Graben  herum  liegenden  Stadt  in  Verbindung  kommen 
möchten.  Gegen  Mitternacht  war  die  Festung  mit  eben  der  innern  hohen  Mauer,  dem  Graben, 
oder  dem  besagten  Bache  (Gengenbach),  der  aber  einen  stärkern  Strom  machte,  dem  untermauerten 
Wall  mit  Thiirmen,  und  dem  äußersten  Graben,  der  sich  wieder  bis  an  den  Berg  erstreckte,  umgeben. 

Der  Berg,  welcher  zum 
dritten  Theil  der  Festung  an- 
lag, war  flach,  übrigens  aber 
war  er  von  einem  auf  2 Seiten 
aufsteigenden  Thal,  und  der 
Burg  oder  Schloß,  auch 
unten  her  durch  die  Festung 
eingeschlossen  oder  umfangen, 
:nd  in  die  Höhe  bis  zu  seinem 
dieser  Höhe  war  eine  hohe 
Mauer  mit  Rondellen,  welche  aber  schon  längstens 
Fig.  iS().  Inschrift  an  der  Mauer  beim  ausgegraben  worden,  den  Berg  herunter  geführt,  bis 
Prälatenturm  in  Gengenbach.  zu  einem  Thurm,  nahe  am  Fuß  des  Berges,  und 

dem  Festungsgraben.  Dieser  Thurm,  um  der  Ausfälle 
wegen,  und  die  Festung  mit  dem  Schlosse  zu  verbinden,  hatte  in  dem  untersten  Stockwerk  rechter 
Seite  eine  Thür,  und  eine  andere  linker  Seits.  Oberhalb  halte  er  auch  die  dritte  Thür,  um  d i e 
wand  eibare  Brücke  (Zugbrücke)  über  den  Graben  von  dem  entgegengesetzten 
Thurm  aufzunehmen:  der  letztere  Thurm  ist  noch  einseitig  zu  sehen;  der  erstere  aber,  welcher 
schon  lange  bis  auf  besagtes  Stockwerk  zerstört  worden,  ist  vor  wenigen  Jahren  auf  Befehl  des 
Stadtraths  ausgegraben  worden. 

Das  Castell  (Schloß  auf  der  Höhe  des  Berges),  von  welchem  der  Berg  den  Namen  Castell- 
berg hat,  war  ein  römisches  Standquartier,  und  mit  einem  Bergtempel  des  Jupiters  geziert ; nachdem 
aber  dieses  zerstört  worden,  so  ist  statt  dessen  eine  christliche  Kapelle  denen  heil.  Jungfrauen  Eim- 
betha  und  Cordula  geweihet,  nachgefolgt,  welche  noch  heut  zu  Tage  zu  sehen  ist.« 

Von  Wichtigkeit  ist  dann  noch  eine  weitere  Notiz  Kolbs,  ’)  die  er  wohl  eben- 
falls Placidus  Künstle  entnommen  hat,  daß  nämlich  der  Bischof  Heinrich  von  Stahleck 
»1240  zu  Gengenbach  innerhalb  gegen  die  Häuser  von  dem  innern  Thor  bis  zum  obern 
an  der  hohen  Mauer  Schwibbogen«  baute  »und  obenher  einen  Gang,  um  das  Sturm- 
laufen des  Feindes  durch  die  Schlitzlöcher  der  Mauer  zu  verhindern«.  Letztere  Begründung 
ist  nicht  recht  klar;  um  Schießscharten  kann  es  sich  bei  diesen  Schlitzen  kaum  handeln, 
der  Zweck  war  wohl  überhaupt,  ein  Berennen  der  Mauer  und  Aufbrechen  derselben 


O 


:Tjjo-onmaaawK- 

nii-nil-KaiBUHl’OeBÜ 
.e-otaattrö-w 


und  erhebte  sich  lein 
obersten  Gipfel.  Von 


!)  Kolb  a.  a.  O.  I,  S.  368. 


Norden 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH.  35  I 

mit  den  derzeit  neuesten  Verteidigungsmitteln  zu  verhindern.  Die  Notiz  ist  wichtig, 
weil  wir  uns  nach  ihr  wohl  vorstellen  dürfen,  daß  die  Stadtbefestigung  am  Anfänge  des 
1 3.  Jhs.  nicht  sehr  glänzend  war,  vielleicht  nur  aus  einer  Mauer  bestand,  und  daß  damals 
eine  durchgreifende  Verbesserung  stattfand.  Wir  werden  sehen,  daß  dieser  einige  der 

Osten 


Westen 


noch  heute  stehenden  Türme  wenigstens  in  ihren  Grundmauern  angehören.  Anderthalb 
Jahrhunderte  später  haben  aber  auch  diese  Anlagen  nicht  mehr  genügt,  man  erneuerte 
sie  von  Grund  aus,  so  daß  man  glaubte  von  einem  völligen  Neubau  reden  zu  können, 
wie  es  die  in  der  Nähe  des  Prälatenturmes  eingemauerte,  in  Fig.  189  im  Faksimile 
wiedergegebene  Inschrift  beweist,  die  wir  wohl  richtig  lesen  dürfen:  »Anno  Domini  1384 
XII  calendas  maij  inceptus  est  circuitus  huius  civitatis.« 


Süden 

Fig.  iqo.  Flau  der  Stadt  Gengenbach  mit  eingezeichneter  Mauer. 


352 


KREIS  OFFENBURG. 


Dem  Ende  des  14.  und  dem  15.  Jh.  verdankte  die  Stadt  wohl  die  in  obiger 
Beschreibung  Kiinstles  wiedergegebene  Anlage,  welche  auch  heute  noch  in  dem 
Plan  der  Stadt  deutlich  erkennbar  ist  (s.  Fig.  190)  Aus  dem  ersten  Jahrtausend 
war  gegeben  das  Klosterareal,  der  vor  seinen  Mauern  liegende  Marktplatz  und  die 
durch  die  Stadt  durchführende  Kinzigtalstraße.  Die  östliche  Hälfte  wurde  von  dem 
Kloster  und  seinen  Gebäuden  eingenommen,  das  durch  eine  einen  Knick  bildende 
Mauer,  die  genau  an  der  Ostwand  des  heutigen  Rathauses  herführte,  von  der  Stadt 
abgeschlossen  war.  Nach  außen  wurde  es  von  der  Fortführung  der  Stadtbefestigung 
umfaßt.  Diese  bestand  hier  nur  aus  einer  Mauer  mit  einem  Graben,  durch  den  der 
Gengenbach  strömte,  dann  folgte  der  untermauerte  Wall,  »an  dessen  Spitze  oder  Ecken 
runde  Türme  standen«,  und  dann  nur  im  nördlichsten  Teil  noch  ein  äußerer  Graben, 
auf  den  man  im  südöstlicheren  Teil  der  Nähe  des  Berges  halber  verzichtete.  Den 
Klosterbezirk  durchfloß  der  Mühlbach  von  Norden  nach  Süden,  am  Ein-  und  Ausfluß 
dürfen  wir  besondere  Schutzvorrichtungen  vermuten. ')  Eine  Schleuße  oder  Stauvorrichtung, 


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Jükft. 


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m''  QennenbaAi . Stfizze  von  dar  nock 
heute  sichtbarea  alten.  5tadtbejesK- 

Fig.  79/.  Stadtbefestigung  Gengenbachs  im  Südwesten. 


da  wo  der  Gengenbach  den  Graben  verließ,  diente  dazu,  denselben  unter  Wasser  zu 
setzen.  Gegen  Süden.  Westen  und  vermutlich  auch  im  Norden  (nur  die  nordöstliche 
Seite  wird  durch  den  Gengenbach  geschützt  und  nur  auf  sie  bezieht  sich  die  Notiz 
Kiinstles  über  die  Befestigung  gegen  Mitternacht)  war  die  Stadt  durch  eine  reichere 
Anlage  geschützt,  durch  die  eigentliche  Mauer,  den  vor  ihr  liegenden  Zwinger  mit  einem 
Rinnsal,  dann  folgte  die  Zwingermauer,  welche  mit  einer  vor  ihr  liegenden  durch  die 
aus  Zwinger  und  Graben  aufgehäufte  Erde  eine  Verteidigungslinie  bildete  (die  niedere 
Mauer),  hierauf  folgte  ein  Graben,  der  wohl  aus  der  Kinzig  gespeist  wurde,  und  dann 
der  Wall  mit  seinen  Türmen  und  vorgelagertem  Glacis.  Noch  heute  ist  im  Süd  westen 
diese  Befestigung  erkennbar  (s.  Fig.  191).  — Nach  Künstle  scheint  indes  auch  der 
über  Gengenbach  sich  erhebende  Berg  mit  der  Einbethenkapelle  befestigt  und  an  die 
Stadt  angegliedert  gewesen  zu  sein,  was  allerdings  für  deren  Sicherheit  unerläßlich  war. 
Und  so  dürfen  wir  ihm  wohl  Glauben  schenken.  Eine  Mauer  umzog  ihn  mit  Rondellen, 
und  unten  vermittelte  wohl  in  der  Nordostecke  der  Zugbrückenturm  über  dem  Einlauf 
des  Mühlbachs  die  Verbindung  mit  der  Stadt.  Der  Turm  wurde  1643  (siehe  Feinleins 

1)  Der  Turm  am  südlichen  Ausfluß  ist  wohl  der,  welcher  nach  Fe  in  lei  ns  Bericht  1643 
gesprengt  wurde. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


353 


Bericht)  verbrannt.  Es  scheint  nach  Künstle,  daß  man  im  18.  Jh.  diese  nun  unnötig 
gewordene  Anlage  abtrug. 

Von  diesem  geschilderten  Befestigungskreis  ist  die  ganze  Anlage  im  Süden  der 
Stadt  in  der  Gestaltung  des  Terrains  noch  erhalten,  auch  die  Reste  der  Zwingermauer 
noch  zu  sehen.  Sie  war  aus 
Bruchsteinen  mit  Mörtel- 
verband errichtet.  Im  Süd- 
osten und  im  Westen  sind 
die  Spuren  verwischt,  wäh- 
rend im  Norden  die  eigent- 
liche Mauer  selbst,  vom 
Haigeracher  Tor  west-  und 
ostwärts,  noch  ca.  3 m hoch 
gut  erhalten  und  als  Außen- 
mauer für  die  hier  stehen- 
den Häuser  benutzt  ist.  Sie 
besteht  ebenfalls  aus  Bruch- 
steinmauerwerk, in  ihrem 
westlichen  Teil  wird  sie 
unterbrochen  von  einem 
halbrunden  Turm,  der  nach 
innen  offen  ist,  also  einem 
Rondell,  dem  sogenannten 
Schwedenturm  (s.  Fig.  192). 

Sein  oberes  Stockwerk  ist 
auf  Holzbalken  ein  wenig 
vorgekragt  und  mit  einem 
polygonalen  Ziegeldach  ge- 
deckt. An  den  Resten  der 
Mauern  innen,  soweit  sie 
freistehen,  sieht  man  noch 
Konsolen,  die  wohl  für  die 
Holzstützen  des  auch  hier 
zweifellos  vorhandenen  Wehr- 
gangs angebracht  waren. 

Von  den  Schwibbogen,  von 

denen  die  obige  Notiz  pig_Ig2.  Stadtmauer  mit  Rondell,  sogen.  Schwedenturm  in  Gengenbach. 

spricht,  ist  hier  nichts  mehr 

zu  sehen.  Etwa  2 m vor  dieser  Mauer  finden  sich  die  Reste  einer  zweiten,  also  wohl 
der  Zwingermauer,  in  der  Südseite  des  Hauses  Nr.  1 7 ; ihre  Ecke  war  mit  Bossenquadern 
bekleidet.  Auch  die  Reste  einer  dritten  Mauer  haben  sich  bei  baulichen  Arbeiten 
gezeigt.  Die  Grabenstraße,  die  sich  in  entsprechender  Entfernung  in  der  gleichen 
Richtung  wie  die  Mauer  herumzieht,  wird,  wie  ihr  Name  sagt,  dem  ehemaligen  Graben 
entsprechen.  Die  Mauerzüge  lassen  sich  nach  Westen  verfolgen  bis  zum  Hause  Nr.  17 
der  Hauptstraße,  das  in  seinem  Holzwerk  noch  den  alten  Wehrgang  besitzen  dürfte. 


354 


KREIS  OKFENBURG. 


Prälatenturm 


Im  Südwesten,  im  Keller  des  Herrn  Btihler,  sind  wieder  Reste  der  früheren  inneren 
Stadtmauer  mit  ihren  Bossenquadern  erkenntlich,  1 2 m westlich  vor  ihnen  in  den  West- 
mauern des  Bühlerschen  Hauses  die  Reste  der  vorderen  Mauer.  In  den  hier  gelegenen 
Gärten  ist  der  alte  Graben,  die  Stadtmauer  und  die  Futtermauer  des  inneren  Walles  nach- 
zuweisen. Am  Ausfluß  des  Gewerbekanals  wieder  Spuren,  hier  auch  — aber  neu  ein- 
gemauert — eine  Jahreszahl  1657. 

Am  besten  erhalten  ist  die  östliche  Mauer  in  dem  Prälatengarten,  mit  einem  ähn- 
lichen Rondell  wie  der  Schwedenturm,  dem  später  zu  einem  Gartenhaus  umgebauten 
Frälatenturm.  In  ihrem  südlicheren  Teil  zeigt  sie  in  1,80 — 2 m Höhe  einen  Mauer- 
absatz, der  als  Wehrgang  diente  und  0,70  m breit  ist.  In  1,10  m Höhe  darüber,  also 
in  normaler  Brusthöhe,  war  die  Mauer  durch  später  zugemauerte,  1 m breite  Öffnungen 
unterbrochen,  die  also  bequemen  Schuß  gestatteten  (s.  Fig.  193,  wo  die  spätere  Ftill- 


4 So  - 
2-00  m 

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, v ' > VÄ  fc^yV'.Vehrmauer  im  7m 
- - . • V > ' V ' -1'  ' garten.  • 


•<€t  . . „ 

Fig.  193.  Wehrmauer  im  Prälatengarten  in  Gengenbach. 


laten  - 


mauer  der  Öffnungen  weggelassen  ist).  Diesen  Wehrgang  haben  wir  uns  durch  ein  Dach 
auf  Holzstützen  gedeckt  zu  denken.  Anders  die  Vorrichtung  zum  gleichen  Zwecke  im 
nördlicheren  Teil  dieser  Mauer.  Hier  sind  ihr  kräftige  Pfeiler  vorgelegt, ')  über  denen 
wohl  Bogen  gewölbt  waren,  die  den  hölzernen  Wehrgang  trugen. 

Der  Prälatenturm,  ein  nach  innen  offenes  Mauerrondell,  aus  dem  gleichen 
Bruchsteinwerk  wie  die  Mauer,  mit  einem  Zeltdach  gedeckt,  ist  im  1 8.  Jh.  durch  das 
Einbrechen  geradsturziger  Fenster,  durch  Einziehen  von  Zwischendecken  und  einer 
Abschlußmauer  nach  innen  zu  einem  Gartenhaus  umgeändert  worden.  Er  war  1643 
unterminiert  und  ruiniert  worden.  In  seinem  Erdgeschoß  noch  drei  viereckige  Schieß- 
scharten aus  den  Zeiten  seiner  ursprünglichen  Bestimmung.  Hier  ein  grottenartiger 
Bewurf  mit  kleinen  Steinchen,  am  Plafond  in  Stuck  das  Auge  Gottes.  Im  nächsten  Stock- 
werk eine  Ausmalung  mit  Landschaften,  das  zweite  Geschoß  zeigt  ebenfalls  eine  Kinzig- 
landschaft, das  dritte  ist  mit  einem  schmiedeeisernen  Balkon  versehen,  dessen  Mono- 
gramm auf  Abt  Benedikt  Rischer  (1743  bis  1763)  als  denjenigen  hinweist,  der  aus  dem 

7 Ich  vermag  nicht,  wie  Baumgarten  in  Schauinsland  XX,  S.  28,  bestimmt  anzunehmen,  daß 
obenzitierte  Inschrift  sich  gerade  auf  diese  Mauerverstärkung  bezieht. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


355 


alten  Festungswerk  dies  lauschige  Plätzchen  geschaffen.  In  einer  Nische  neben  seinem 
Erdgeschoß,  wo  die  obenzitierte  Inschrift,  Reste  einer  mittelalterlichen  Wandbemalung 
mit  Rankenwerk. 

Während  wir  im  Kloster- 
bezirk kein  Tor  nach  außen 
nachweisen  können  — der  Zu- 
gang scheint  durch  die  Stadt 
erfolgt  zu  sein  — , öffnete  sich 
der  Stadtbezirk  in  dreien, 
wovon  zwei  noch  erhalten : das 
Obertor  oder  Haigeracher  Tor 
im  Norden,  das  Kinzigtor  im 
Süden  und  im  Südwesten  das 
heute  nur  noch  in  der  Stadt- 
anlage erkennbare  Offenburger 
Tor.  Etwas  südlich  von  ihm 
der  in  einige  Meter  Entfernung 
von  der  Stadtmauer  errichtete, 
stattliche  Niklasturm  (Fig.  1 94), 
der  von  einer  früheren  aus- 
gedehnteren Toranlage,  mitVor- 
hof  etc.,  zeugt  (Fig.  1 94  a).  Der 
Turm  hat  seine  heutige  Gestalt 
erst  im  Taufe  derZeiten  erhalten. 

Wohl  noch  der  Stadtbefestigung 
um  1400  gehört  der  untere 
Teil  von  quadratischem  Grund- 
riß an,  der  zwei  Drittel  der 
ganzen  Höhe  ausmacht.  Es  ist 
ein  Bau  von  Bruchsteinen  mit 
gut  gearbeiteten  Bossenquadern 
an  den  Ecken.  In  seinen  drei 
Geschossen  über  dem  Keller 
weist  er  Schießscharten  auf, 
den  üblichen  geraden  Schlitz 
von  etwa  45  cm  Breite1)  und 
1,10  m Höhe,  und  einige  später 
eingebrochene  geradsturzige 
Fenster  mit  hohlgekehltem  Ge- 
wände. In  das  erste  Stockwerk 
führt  (jetzt  aus  dem  Haus,  an 
das  der  Turm  angebaut  ist) 


'/'■  Jf  ••• 

Fig.  194.  Niklastunn  in  Gengenbach. 


eine  geradsturzige  Tür  mit  Hohlkehlen  und  Volutenablauf,  also  ausgesprochen  16.  Jh. 
Das  Innere  ist  später  verändert,  Mauern  sind  eingezogen  worden,  auch  Holzwände 


Niklasturm 


[)  Kammer  bis  zu  90  cm  sich  erweiternd. 


356 


KREIS  OFFENBURG. 


dienen  zur  Abscheidung  verschiedener,  ehemals  als  Gefängnis  dienender  Räume.  Dann 
geht  der  Turm  in  der  auf  der  Zeichnung  ersichtlichen  Weise  zum  Achteck  über 
(s.  Fig.  195).  Im  Innern  vermitteln  in  den  vier  Ecken  herübergespannte  Flachbögen 
diesen  Übergang  und  dienen  als  Stützbögen  für  die  aufsetzenden  Achteckseiten.  In  dem 


Fig.  igj.  Vom  Niklasturm  in  Gengenbach. 
(Aus  Sckaumsland  XXII,  S.  27.) 


ersten  Achteckgeschoß  teils  geradsturzige  Fenster,  teils  große  rundbogige  Öffnungen. 
Auf  der  einen  Seite  unter  dreifacher  Bogenbekrönung,  in  der  ein  phantastischer  Kopf 
und  über  der  drei  Kugeln  angebracht  sind,  in  vertieftem,  umrahmtem  Felde  das  Wappen 
der  Stadt  Gengenbach  mit  der  Inschrift  (Fig.  195): 

WOL  DER  STAT  DIE  GOTT  VOR  AV 
GEN  HAT  VND  A VF  IN  BAVT  DIE  WIRT 

NIMERMER  BERAVBT  ANNO  . } • 5 • | 8 Z‘  IAR- 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


357 


Fig.  ig6.  Kinzigtorturm  in  Gengenbach. 

An  der  entgegengesetzten  Seite  auf  Steinplatten  vorkragend  ein  Abort  mit  Fenstern. 
Darüber  auf  Konsolen,  die  an  bedeutenden  Stellen  fratzenartig  ausgebildet  sind,  ein 


358 


KREIS  OFFENBURG. 


Kinzigtorturm 


Rundbogenfries,  der  die  Maßwerkbrüstung  trägt,  welche  den  durch  Zurücktreten  des 
obersten  Stockwerkes  entstandenen  Umgang  schützt.  Geradsturzige  Fenster  erhellen 
es,  deren  abgetreppte  Gewände  in  kleinen  Voluten  endigen,  die,  sichtlich  nicht  ursprüng- 
liche Tür  mit  ähnlichem  Volutenablauf  und  vorgelegten  Pilastern.  Am  Sturz  die  Jahreszahl : 

15  t 8 Z 

Das  gleiche  Steinmetzzeichen  findet  sich  noch  fünf-  oder  mehrmal  (s.  Fig.  217). 

Der  Bau  ist  aus  Bruchsteinen,  mit  Bossenquadern  (Sandstein)  an  den  Ecken  des 
viereckigen  Teiles,  glatt  behauenen  am  Achteckaufbau.  Seine  Mauern  sind  im  Keller 
ca.  2,40  m stark.  Sie  verringern  sich  durch  jeweiliges  Zurückspringen  (von  20 — 9 cm) 
für  das  Auflagern  der  Balken  in  jedem  Stockwerk  bis  oben.  Im  obersten  Geschoß 
beträgt  die  lichte  Weite,  von  Achteck-  zu  Achteckseite  gemessen,  ca.  6 m.  Die  Innen- 
wände zeigen  überall  noch  Reste  ihres  Bewurfes.  Bedeckt  wird  der  Turm  von  einem 
hohen,  einmal  geknickten,  ziegelgedeckten  Zeltdach,  das  von  einem  Kamin  durch- 
brochen wird  und  in  einer  zwiebelförmigen  Glockenlateme  endigt.  Das  Glöckchen  ist 
leider  unzugänglich,  wie  ich  höre,  stammt  es  aus  dem  19.  Jh. 

Aus  der  ganzen  Betrachtung  ergibt  sich,  daß  der  Turm  am  Ende  des  16.  Jhs. 
eine  durchgreifende  Erneuerung  erfahren  hat;  damals  mag  erst  das  Achteckgeschoß 
aufgesetzt  worden  sein,  während  das  Dach  und  insbesondere  die  Glockenlaterne  dem 
18.  Jh.  entstammen.  Eine  Jahreszahl  1727  an  dem  (älteren)  Abort  gibt  wohl  das  Datum 
der  damaligen  Renovation. 

Auch  der  im  Süden  der  Stadt  gelegene  Kinzigtorturm  (s.  Fig.  196)  hat  sein  Dach 
erst  in  späteren  Zeiten  erhalten.  Er  ist,  wie  ja  fast  alle  solche  Bauten,  aus  Bruchstein- 
mauerwerk errichtet  mit  Sandsteinbossenquadern  an  den  Ecken  und  dürfte  in  seinem 
Kerne  noch  dem  13.  oder  14.  Jh.  angehören.1)  Die  Torhalle  ist  von  einem  Kreuzrippen- 
gewölbe mit  Kreisschlußstein  gedeckt,  die  Wände  des  Torwegs  bestehen  aus  Sandstein- 
quadern. Nach  der  Kinzig  zu  ist  die  Türöffnung  spitzbogig,  auf  einfach  abgeschrägten 
Kämpfern,  hinter  dem  vorderen  Bogen  der  Schlitz  für  das  Fallgitter.  Nach  der  Stadt- 
seite ist  ein  Vorbau  vorgelegt  (s.  Fig.  197),  der  die  Verbindung  zu  den  beiderseitigen 
Wehrgängen  bildete  und  zugleich  den  Zugang  zum  ersten  Turmgeschoß ; dieser  Gang  ist 
durch  ein  Pultdach  auf  Holzstützen  gedeckt.  Nach  der  Stadt  zu  öffnet  sich  das  Tor  in 
gedrücktem  Rundbogen  mit  Kielbogenendigung  ohne  profilierte  Kämpfer.  An  den 
Bögen  und  im  Torweg  die  Steinmetzzeichen  : 

h K 1 T T + L 

Nach  außen  im  Erdgeschoß  zwei  Schlüsselscharten,  ebensolche  weiter  oben  nach  Süden, 
Osten  und  Westen ; im  dritten  Turmgeschoß  deuten  zwei  große  Konsolen  auf  eine  ehe- 
malige Abortanlage  oder  eine  Pechnase.  Das  oberste  Geschoß  des  Turmes  öffnet  sich 
in  großen  Spitzbogenfenstern,  nach  der  Stadtseite  zu  zwischen  ihnen  das  Zifferblatt 
einer  großen  Uhr,  natürlich  nicht  mehr  dieselbe,  von  der  wir  1385  hören.  Darüber 
das  steile  Pyramidendach  mit  dem  kleinen  Glockentürmchen,  dessen  G'öckchen  nach 

a)  Baumgartens  Angabe  (a.  a.  O.  S.  25),  daß  der  Turm  hinter  die  Mauerflucht  etwas  zurück- 
gezogen sei,  ist  irrig,  er  steht  in  derselben.  Daß  der  Wehrgang  nicht  durch  sein  Inneres  durch- 
geführt ist,  wie  beim  Obertor,  ist  selbstverständlich,  das  Gegenteil  wäre  eine  seltene  Ausnahme. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


359 


Fig.  797.  Kin zigtö}  türm  in  Gengenbach,  Erdgeschoß. 


Band  VII. 


24 


36° 


KREIS  OFFENBURG. 


unkontrollierbarer  und  unwahrscheinlicher  Dachdeckeraussage  die  Jahreszahl  1221  tragen 
soll.  Nach  jeder  Seite  tritt  ein  mit  einem  Obelisken  und  Giebel  bekrönter  Erker  aus 
Riegelwerk  auf  Konsolen  vor  das  Dach  vor.  Hier  oben  befand  sich  die  Türmerwohnung, 


gjajsB 


4| 

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Fig.  igS.  Obertor  oder  Haigeracher  Tor  -Turm  in  Gengenbach. 


von  hier  aus  wurden  die  Stunden  ausgerufen;  noch  wird  hier  das  Wächterhorn  aus 
Messing  mit  der  Jahreszahl  1718  aufbewahrt.  Die  Höhe  des  Turmes  (etwa  14  m bis 
zum  Dachanfang)  gestattete  einen  weiten  Ausblick  in  das  Tal.  Nach  allem  ist  es  nicht 
unwahrscheinlich,  daß  der  Turm  im  14.  Jh.  erbaut  worden  ist,  um  1400  wurde  ihm  der 
Vorbau  zur  Verbindung  mit  dem  Wehrgang  vorgelegt,  Ende  des  17.  Jhs.  erhielt  er  sein 
heutiges  Dach  mit  den  Erkern. 


AMT  OFFENEURG.  — GENGENBACH. 


36  1 


Bedeutend  niedriger  als  er  der  Obertor-  oder  Haigeracher  Tor-Turm  am  Nord- 
ausgang in  das  Oberdorf  und  weiterhin  in  das  Haigeracher  Tal.  Auch  er  aus  Bruch- 
steinen mit  Mörtelbewurf,  an  den  Ecken  Sandsteinbossenquader  (s.  Fig.  198).  An  der 
Südseite  und  von  da  jeweils  bis  zur  Hälfte  der  Ost-  und  Westseite  zieht  sich  ein  Vorbau 
herum,  der  eine  Holzgalerie  mit  Pultdach  trägt  und  auf  den  an  der  Südseite  eine  Rund- 
bogentür hinausführt,  der  Eingang  zum  Turm ; das  Ganze  die  Verbindung  mit  dem 
Mauer-Wehrgang.  Das  Tor  öffnet  sich  in  gedrücktem  Spitzbogen,1)  nach  außen  der 
Mauervorbau  und  der  Schlitz  für  das  Fallgitter.  Der  flachgedeckte  Torweg  ist  bis  zu 
Manneshühe  aus  guten  Sandsteinquadern  gebildet;  an  Steinmetzzeichen  finden  sich: 

T ^ ^ Ih 

Nach  Norden  und  Süden  Schießscharten,  der  einfache  Schlitz  mit  Kammer,  also 
wohl  für  Armbrüste,  ebenso  nach  Osten  und  Westen  zur  Beschießung  der  Mauer,  außer- 
dem spätere  Schlüsselscharten.  Mit  Ausnahme  letzterer  dürfte  der  Turm  noch  dem 
13.  Jh.  entstammen,  das  Obergeschoß  mit  den  im  Flachbogen  geschlossenen  großen 
Fenstern  und  das  einmal  geknickte,  achtseitige,  hohe,  ziegelgedeckte  Pyramidendach 
verdankt  er  wohl  erst  dem  Ende  des  17.  Jhs.,  wenn  nicht  dem  i 8.  Seit  etwa  einem 
Jahre  ist  die  ehemalige  Brüstung  des  Vorbaues  durch  die  schöne  Holzgalerie  mit 
Balustersäulchen  vom  Pfaffschen  Hause  ersetzt  worden.  Das  Innere  ist  durch  Holz- 

4 

decken  in  vier  Stockwerke  geteilt.  Nach  der  Stadtseite  zu  finden  wir  neu  gemalt 
in  mächtiger  Rocaillekartusche  das  Gengenbacher  Wappen  an  Stelle  eines  früheren 
schlichteren.  Im  ersten  Obergeschoß  an  der  Scharte  die  Ausarbeitung  für  die  Winde, 
mit  der  die  Kette  des  Fallgitters  bewegt  wurde.  Vor  dem  Tor  eine  Wachtstube  des 
17.  oder  18.  Jhs.  Endlich  sind  bei  Grabungen  auf  der  Straße  ins  Oberdorf  die  Spuren 
des  vorderen  Tores,  also  die  Ausdehnung  der  ganzen  Toranlage  zu  Tage  getreten. 

Kirchliches.  ( Kloster.) 

Literatur:  Nomina  Fratrum  de  Kenginbach.  Liber  Confraternitatum.  Mon.  Germ., 
S.  75,  76,  214.  Ruppert,  Abt  Friedrich  von  Keppenbach  und  der  Versuch,  das 
Kloster  Gengenbach  in  die  Hände  der  Grafen  Anton  von  Salm  zu  bringen,  FDA.  XVI, 
S.  196 — 215.  Franck,  Zur  Gesell,  der  Abtswahl  des  Friedrich  von  Keppenbach, 
FDA.  VII,  S.  83  105.  Fr.  Zell,  Die  Säkularisation  der  Reichsabtei  Gengenbach, 

FDA.  VI,  S.  297 — 316. 

Petrus,  Suevia  ecclesiastica,  S.  346 — 348.  Crusius,  Annales  Suevici  I,  S.  347. 
Grandidier,  Hist,  de  l’eglise  de  Strasbourg  et  des  eveques-princes  I,  S.  421 — 423. 
Oeuvres  historiques  inedites  I (Colmar  1865),  S.  174  -178.  Gerbert,  Hist.  Nigrae 
Silvae  I,  S.  62  ff.,  133  ff.,  297  ff.;  II,  S.  47,  145,  2361!'.;  III,  S.  236.  Rettberg, 
Kirchengesch.  Deutschlands  II,  S.  84.  Friedrich,  Kirchengesch.  Deutschlands  II,  S.  5 3 6 ft'. 
Gothein,  Wirtschaftsgesch.  des  Schwarzwaldes  I (Straßb.  1892),  S.  21,  141,  207 — 308. 
Georg  Hager,  Die  romanische  Kirchenbaukunst  und  Schwaben  (München  1887),  S.  29,  30. 
C.  H.  Baer,  Die  Hirsauer  Bauschule  (Freiburg  1897),  S.  52—56.  Kolb,  Lexikon  von 
dem  Großherz.  Baden  I,  S.  363  — 371.  Krieger,  Topographisches  Wörterbuch  des 
Großh.  Baden  I2,  S.  689 — 700  (hier  auch  eine  zuverlässige  Abtsliste). 

x)  Nach  der  Stadt  im  Rundbogen. 

24* 


Obertor-  oder 
Haigeracher 
Tor-Turm 


Kirchliches 


362 


KREIS  OFFENBURG. 


Geschichte 
des  Klosters 


Alte  Ansicht  des  Klosters  samt  der  Einbethkapelle  auf  einem  ehemaligen  Altarblatt 
dieser  Kapelle  ca.  1690  (Abb.  in  Schauinsl.  20,  S.  17)  und  auf  einem  Ölgemälde  in  Privatbesitz. 

Die  in  ihren  Anfängen  offenbar  bedeutende  und  reich  dotierte  Abtei  Gengenbach 
hat  weder  auf  dem  Gebiet  der  Wissenschaften  noch  auf  dem  der  äußeren  Geschichte 
Hervorragendes  geleistet;  um  so  bemerkenswerter  ist  ihre  Rolle  in  wirtschafts-  und  ver- 
fassungsgeschichtlicher Hinsicht,  in  die  uns  verhältnismäßig  reichhaltiges  Aktenmaterial 
einen  guten  Einblick  gestattet.  Eine  treffliche,  zusammenfassende  Darstellung  nach  dieser 
Seite  hat  Gothein  geliefert;  eine  allgemein  geschichtliche  Würdigung  fehlt  hingegen  noch 
vollständig.  Nicht  als  ob  die  Vergangenheit  dieser  Abtei,  die  schließlich  für  denörtenauer 
Adel  ein  geistiges  und  materielles  Zentrum  bildete  und  deren  Schicksale  während  der 
Reformation  von  typischem  Charakter  sind,  nicht  bedeutsam  genug  wäre,  auch  fließen 
die  Quellen  reichhaltig  genug,  so  daß  die  Entwickelung  für  jedes  Jahrhundert  vom 
11.  Jh.  ab  fast  lückenlos  daraus  aufgebaut  werden  kann.  Für  die  Zeit  des  Investiturstreites 
sind  wichtig  die  aus  dem  1 2.  Jh.  stammenden  kaiserlich  gefärbten  Annales  Gengenbacenses ; 
einen  Querschnitt  der  rechtsgeschichtlichen  Entwickelung  aus  der  ersten  Hälfte  des 
13.  Jhs.  geben  die  Acta  Gengenbacensia.  Noch  reichhaltiger  wird  das  Material  in  den 
turbulenten  Zeiten  des  16.  Jhs.;  vom  17.  Jh.  ab  bilden  dann  die  von  dem  jeweiligen  Prior 
zu  führenden  Protocolla'j  eine  schätzbare,  wenn  auch  nicht  ganz  lückenlose  Chronik, 
zu  der  vor  allem  Prior  und  späterer  Abt  Thal  mann  (1661  bis  1681),  Hieronymus 
Ziegler,  Prior  von  1681  bis  1694  (mit  Kürzungen  benutzt  von  P.  Gallus  Mezler, 
FDA.  XIV,  S.  159 — 215),  Prior  Nazarius  Pistorius  (bis  1703),  Prior  Huber  und 
besonders  Prior  Augustinus  Dornblüth  (von  1703  bis  1725)  beigesteuert  haben.  An 
wertvolleren  geschichtlichen  Aufzeichnungen  sind  von  diesen  Klosterchronisten  größten- 
teils wörlich  aufgenommen  die  anschaulichen  Berichte  des  Priors  Leonhard  F e i n 1 e i n 
sowie  die  für  den  Stand  der  Klosterdisziplin  besonders  beachtenswerten  Protokolle  des 
Capitulum  triennale  der  Straßburger  Benediktinerkongregation. 

Als  Gründer  des  Klosters  Gengenbach  wird  in  dem  ältesten  Zeugnis,  einer  von 
Crusius  und  Grandidier'* 2)  publizierten,  bezüglich  ihrer  Echtheit  aber  stark  ange- 
zweifelten  Urkunde  Karls  des  Dicken  (ca.  885),  Ruthardus  dux  genannt.  Nach  den 
Gengenbacher  Annalen  starb  dieser  Herzog,  dem  auch  die  Gründung  des  Klosters  von 
Schwarzach  zugeschrieben  wird,  gegen  756  und  fand  wie  seine  Gemahlin  Irmensinde  und 
ein  minderjähriges  Söhnchen  in  dem  von  ihm  ins  Leben  gerufenen  Kloster  seine  letzte 
Ruhestätte ; die  Schutterner  Chronik  gibt  ihm  den  Titel  dux  Alsatiae  und  comes  a Zeringe. 
Dieser  Rudhard  scheint  der  fränkische  Gaugraf  gewesen  zu  sein,  dessen  Stellung  zum 
fränkischen  Reich  nach  M one3)  auch  die  Bezeichnung  Herzog  rechtfertigen  kann,  während 
der  Umstand,  daß  die  Zähringer  gleichfalls  eine  Grafschaft  in  der  Ortenau  besaßen,  es 
verständlich  macht,  daß  die  Überlieferung  ihn  zu  einem  Abkömmling  dieses  Dynasten- 
geschlechtes machte.  Eine  weitere  Tradition  schreibt  die  Gründung  auch  noch  dem 
h.  Pirmin  zu;4)  die  beiden  Angaben  widersprechen  sich  an  und  für  sich  keineswegs,  da 
die  Stiftung  Rudhards  bezüglich  der  Art  ihrer  Ausführung  von  Pirmin  beeinflußt  sein 

*)  Vgl.  hierüber  Fr.  Baumgarten  in  Z.  NF.  VIII,  S.  441  ff. 

2)  Grandidier,  Hist,  de  l’egl.  II,  Nr.  152. 

3)  Mone,  Quellensammlungen  III,  S.  57  ff.  Vgl.  über  Rudhard  noch  weiter  Gerbert,  Hist. 
Nigr.  Silv.  I,  S.  60  ff.  Gran  di  di  er,  Hist,  de  l’dgl.  I,  S.  421  ff. 

4)  Vita  Pirmini  c.  5,  Mon.  Germ.,  S.  15,  26. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


363 


konnte,  wenngleich  gesagt  werden  muß,  daß  auf  diesen  Reformator  des  alemannischen 
Mönchtums  schlechthin  die  Anfänge  fast  aller  alten  Klöster  in  dieser  Gegend,  nicht 
immer  mit  sehr  viel  Recht,  zurückgeführt  wurden.  Da  Pirmin  727  die  Reichenau  verließ 
und  nach  dem  Elsaß  sich  wandte,  alia  instructurus  coenobia,  so  setzt  man  die  Gengen- 
bacher Gründung  nach  diesem  Zeitpunkt  an.  Damit  fiele  von  selbst  die  spätere  Annahme 
einer  Bestätigung  dieser  Gründung  durch  Chilperich  II.  (715  bis  720).  Ist  durch  sehr 
alte  und  zuverlässige  Gengenbacher  und  Schuttemer  Quellen  der  nahe  Zusammenhang 
Rudhards  mit  dem  Kinzigkloster  zur  Genüge  bezeugt,  so  kann  es  doch  auffallen,  daß  das 
älteste  Dokument,  die  Verbrüderungsliste  im  Reichenauer  Liber  Confraternitatum,  den 
Namen  Rudhardus  nicht  enthält,  wie  man  erwarten  sollte. 

Patronin  des  Klosters  war  die  Gottesmutter,  wie  bei  der  Mehrzahl  der  fränkischen 
Stifte  des  8.  und  9.  Jhs.  Auch  die  Klosterkirche  ist  in  honorem  S.  Dei  Genitricis 
geweiht;  später  begegnen  uns  aber  noch  als  patroni  secundarii  die  beiden  gleichfalls  in 
fränkischer  Zeit  sehr  beliebten  Apostelfürsten  Petrus  und  Paulus.  Älter  wohl  noch  als 
die  klösterliche  Niederlassung  ist  die  Leutkirche  S.  Martin,  deren  Patron  gleichfalls  auf 
frühfränkischen  Ursprung  hinweist.  Sie  war  und  blieb  von  Anfang  an  die  Pfarrkirche 
des  bürgerlichen,  später  städtischen  Gemeinwesens,  das,  wie  sich  schon  aus  dieser  kirch- 
lichen Zuständigkeit  ergibt,  vor  der  Klostergründung  sich  bereits  gebildet  hatte  und  offenbar 
an  eine  römische  Niederlassung  anknüpfte.  Der  Kastelberg  mit  seinem  sehr  wahrschein- 
lich eine  heidnische  Kultstätte  ersetzenden  Einbeth-  oder  Jacobuskirchlein  hält  die 
Erinnerung  an  das  römische  Castrum  noch  heute  fest;  Kleinftinde  wie  Münzen  und  ein 
Jupitervotivstein,  der  lange  Zeit  als  Fuß  der  hölzernen  Stütze  der  Emporenbühne  in  der 
Klosterkirche  diente,  sind  weitere  untrügliche  Zeugnisse  für  eine  längere  Anwesenheit 
der  Römer.  Schulte  hat  daraufhingewiesen,  daß  in  den  Nachbartälern  die  römische 
Bevölkerung  überhaupt  sich  erhalten  hat;1)  daher  erklärt  sich  wohl  das  Vorkommen  einer 
größeren  Zahl  unverkennbar  römischer  Namen  in  der  Verbrüderungsliste  des  Gengen- 
bacher Klosters.  Aber  auch  angelsächsische  Namen  sind  darin  nicht  selten,  wie  auch 
in  den  Listen  anderer  Klöster  aus  dieser  Zeit.  Es  ist  wohl  anzunehmen,  daß  an  der 
ersten  Besiedelung  dieser  Niederlassung  und  überhaupt  in  den  ersten  Jahrzehnten  das 
iro-schottische  Element  hervorragend  beteiligt  war.  Die  Volksbezeichnung  »Schotten« 
für  die  Mönche  scheint  wie  anderwärts  auch  hier  üblich  gewesen  zu  sein  und  sich  noch 
im  Ortsnamen  Schottenhöfe  im  Harmersbacher  Tal  erhalten  zu  haben. 

Die  ersten  zwei  Jahrhunderte  der  Klostergeschichte  sind  für  uns  nahezu  ganz  tot.  Wir 
wissen  nur  aus  den  Annales  Laureshamenses  (S.  28),  daß  Chrodegang  761  aus  der  Muster- 
abtei Gorze  bei  Metz  Mönche  nach  Gengenbach  (monasterium  Hrodharti)  sandte,  augen- 
scheinlich um  die  Chrodegangsche  Observanz  einzuführen.  Wertvolle  Anhaltspunkte, 
die  Bedeutung  des  Ortenauer  Klosters  und  die  Zahl  sowie  die  nationale  Herkunft  seiner 
Insassen  kennen  zu  lernen,  geben  die  Listen  im  Reichenauer  Verbrüderungsbuch  (die 
älteste  ca.  830;  eine  spätere  vor  949).  Aus  ihnen  läßt  sich  auch  mit  einiger  Sicherheit 
die  Reihenfolge  der  Äbte  während  des  9.  Jhs.  feststellen.  Es  sind  Germundus  (ca.  815 
bis  82  5),2)  Alframnus  (ca.  825  bis  828),  Emilo,  Adalhelm,  Lando,  Thomas  (noch  vor  925). 
Die  traditionelle  Liste  beginnt  mit  Rustenus  oder  Rusterno,  von  dem  aber  außer  dem 


*)  Schulte,  Reste  romanischer  Bevölkerung  in  der  Ortenau,  Z.  NF.  IV,  S.  300  ff. 

2)  Seine  Mönche  im  Liber  Confraternit.,  heraasg.  von  Piper,  S.  214,  Sp.  I — 197,  37. 


36  4 


KREIS  OFFENBURG. 


Namen  nichs  weiter  bekannt  ist;  sie  enthält  dann  nach  den  Äbten  des  Verbrliderungs- 
buches  noch  49  Namen,  die  teilweise  in  die  Schutterner  Liste  übernommen  worden  sind, 
so  daß  die  Annahme  sich  bilden  konnte,  daß  im  10.  Jh.  die  zwei  Ortenauer  Klöster 
zeitweilig  die  gleichen  Äbte  hatten.  Erst  vom  J.  1027  ab  bewegt  sich  die  Abtsliste,  auch 
bezüglich  der  zeitlichen  Ansetzung  der  einzelnen  Prälaten,  auf  festerem  Boden. 

Eine  wichtige  Veränderung  in  der  hoheitsrechtlichen  Stellung  des  Klosters  voll- 
zieht sich  i.  J.  1007,  insofern  aus  der  bisher  kaiserlichen  Abtei  Gengenbach  ein  bischöf- 
lich bambergisches  Kloster  wurde.  Heinrich  II.  vergabte  Gengenbach  mit  noch  anderen 
alemannischen  Klöstern  an  das  neugegründete  Bistum  (nostri  quondam  iuris  abbatiam 
Genginbah  dictam  in  pago  Mortenova  sitam  in  comitatu  Hessini  comitis), ’)  so  daß 
von  da  ab  jeder  neugewählte  Abt  von  dem  Bamberger  Bischof  mit  den  Temporalia 
belehnt  werden  mußte.  Später  wird  das  Lehensverhältnis  in  die  Zahlung  von  500  fl. 
und  Erfüllung  einiger  Formalitäten  umgewandelt.  Diese  nahe  Beziehung  zum  saiischen 
Kaiserhaus  und  dessen  Lieblingsgründung  warf  die  Abtei  Gengenbach  mitten  hinein  in 
die  unseligen  Wirren  des  Investiturstreites  und  hatte  zur  Folge,  daß  wiederholt  Äbte  im 
Widerspruch  gegen  Rom  und  gegen  einen  Teil  des  Konventes  von  Heinrich  IV. 
ernannt  wurden.  So  kam  nach  Azelins  Tod  (gest.  1074)  Ruotpertus,  der  als  Abt  der 
Reichenau  von  Gregor  VII.  abgesetzt  und  schließlich  wegen  hartnäckiger  Renitenz 
exkommuniziert  worden  war,  durch  den  Kaiser  als  Abt  nach  Gengenbach.  Hier  wurde  er 
aber  schon  1075,  12.  Dezember,  im  Streit  mit  zwei  Lehensherren  in  Andersbach  (Enters- 
bach), die  gegen  des  Abtes  Willen  eine  Mühle  bauen  und  sonst  noch  die  klösterlichen 
Rechte  beeinträchtigen  wollten,  zusammen  mit  seinem  Kaplan  erschlagen.* 2)  Das  Urteil 
über  ihn  ist  bei  Freund  und  Feind  ziemlich  einmütig  in  die  Anklagen  wegen  skrupelloser 
simonistischer  Bestrebungen  und  wegen  maßloser  Habgier  — nummularius  nannten  ihn 
die  Annales  Schutterani  — zusammengefaßt.  Als  Nachfolger  Ruotperts  nennen  die 
Annalen  einen  Willo,  der  als  kaiserlicher  Parteigänger  ebenfalls  exkommuniziert,  wohl 
nach  kurzer  Zeit  von  der  päpstlich  gesinnten  Kommunität  vertrieben  wurde  und  als  Abt 
von  S.  Jakob  in  Mainz  endete.  Statt  dieses  Intrusus  führt  Mezlers  Vorlage  unmittelbar 
nach  Ruotpert  Poppo  auf  (gest.  4.  November  1083).3)  Die  Wahl  des  nächstfolgenden  Abtes 
fand  nach  den  Annalen  erst  1089  statt.  Der  Konvent  war  offenbar  noch  gespalten, 
denn  der  Propst  und  Kanonikus  Berthold,  dem  die  Wahl  hauptsächlich  zu  verdanken 
war,  entsetzte  den  gewählten  Hugo  seines  Amtes  und  vertrieb  ihn.  Erst  nach  sieben  Jahren 
brachte  ihn  Herzog  Berthold  (wohl  von  Zähringen),  qui  eundem  locum  illo  tempore  per 
violentiam  obtinebat,  wieder  zurück  zur  Freude  der  ganzen  Kommunität  (1096).4)  Ein 
zweites  Mal  vertrieben,  soll  er  um  1100  gestorben  sein.5) 

Wesentlich  ruhigere  Zeiten  waren  dem  Kloster  im  12.  und  einigen  Jahrzehnten  des 
13.  Jhs.  beschieden.  Das  Hauptverdienst  hieran  kommt  unstreitig  der  Hirsauer  Reform 

*)  Monum.  Germ.,  Dipl.  reg.  et  imperat.  Germ.  III,  S.  197.  Bestätigt  wurde  diese  Verfügung 
durch  Kaiser  Konrad  1024. 

2)  Vgl.  Jaffe,  Reg.  Pontif.,  11.412.  Mezlers  Monumenta,  FDA.  XIV,  S.  1 6 1 . Mone, 
Quellensammlungen  III,  S.  81,  82.  Annal.  Gengenb.,  MG.  S.  V u.  390.  Annal.  Berlholdi,  MG.  S.  V u.  276. 
Lambert  von  Hersfeld,  Annal.  Scriptor.  rer.  German,  in  usum  scholar.,  Hannov.  1894,  S.  259. 

3)  Mone,  Quellensammlungen  III,  S.  46. 

4)  Annal.  Gengenb.,  MG.  SSV.  S.  390. 

5)  Nach  Mabillon  (Annal.  ord.  Bened.  V,  S.  363,  418)  scheinen  raschwechselnde  kaiserliche 

Gunst  und  Ungnade  ihm  die  Abtswürde  von  Lorsch  gebracht  und  wieder  genommen  zu  haben. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


365 


zu,  die  Abt  Friedrich,  ein  Schüler  Theogers,  aus  dem  Hirsauer  Kloster  S.  Georgen 
stammend  (gest.  1 120),  in  Gengenbach  durchführte.  Dagegen  dürfen  wir  den  »Abt  Mar- 
qüard«,  von  dem  Trithemius  ’)  und  nach  ihm  Gerbert  und  Grandidier 1  2)  berichten, 
daß  er,  aus  Hirsau  selber  mit  zwölf  Mönchen  kommend,  1094  die  Hirsauer  Disziplin  in 
dem  arg  verwahrlosten  Kloster  einführte,  ins  Reich  unbeweisbarer  Legende  verweisen; 
sein  Name  fehlt  sowohl  im  Protocollum  Gengenbacense  als  auch  in  Mezlers  Series  abbatum. 
Noch  heute  verrät  sich  der  von  Hirsau  ausgeübte  Einfluß  in  der  Bauweise  und  den 
Formen  des  Gotteshauses.  Parallel  mit  der  inneren  Konsolidierung  und  strafferen 
Leitung  der  Kommunität  geht  ein  mächtiger  Aufschwung  der  materiellen  Lage  dank 


Fig.  /<)().  Gengcnbach,  Ansicht  der  Kirche  von  Osten. 


einer  rationellen  Nutzbarmachung  seiner  wirtschaftlichen  Kräfte.  Ein  Privileg  Hein- 
richs VI.  (1231)  ermöglichte  großartige  Rodungen,  z.  B.  im  Mooswald;3)  ebenso  erfolg- 
reich war  die  Inbetriebnahme  des  Bergbaues  im  Mooswald,  in  Prinzbach  und  Haslach. 
Leider  gehen  die  Urkunden  über  den  Besitz  des  Klosters  über  das  12.  Jh.  nicht  hinunter. 
Die  älteste,  die  Bestätigungsbulle  Innocenz’  II.  vom  J.  1139,  nennt  als  geschlossenen 
Besitz  Gengenbach,  Zell,  Steinach,  Harmersbach,  Reichenbach,  den  vierten  Teil  der 
Burg  Geroldseck  und  Nordrach  mit  allem  Zubehör,  außerdem  noch  zerstreute  Güter 
in  der  Mortenau,  in  Breisach,  im  Elsaß  und  in  Schwaben.  Für  alle,  die  Klostergut 
bewohnen,  wurden  Immunitätsprivilegien  gegeben.  Hundert  Jahre  später  (1234)  werden 
als  Grenzen  des  geschlossenen  Besitzes  von  Gregor  IX.  Staufenberg  und  Fischerboden 

1)  Trithemius,  Chronicon  Hirsaug.  I,  S.  276. 

2)  Gerbert,  Hist.  Nig.  Silv.  I,  S.  297.  Grandidier,  Oeuvres  hist.  ined.  I,  S.  177. 

3)  Winkelmann,  Acta  Imp.  II,  S.  892. 


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KREIS  OFFENBURG. 


angeführt,  in  einer  Urkunde  König  Rudolfs  I.  der  Swigenstein  bei  Haslach  und  Velletürlin 
an  der  Kinzig  bei  Staufenberg.  Innerhalb  dieses  Territoriums  besaß  der  Abt  zwei  Teile 
vom  weltlichen  Gericht  und  zwei  an  Holz  wie  am  Zehnten  vom  Allmendwald,  die 
Fischerei  in  allen  Gewässern,  die  Fälle  von  Freien  wie  Knechten  und  von  den  auf 
Klostergut  sterbenden  Fremden  den  Todfall.  Dreimal  jährlich  werden  diese  Einkünfte 
ihm  gerichtlich  zuerkannt,  zweimal  darf  er  Branntwein  ausschenken.  ’)  Man  hat  dieses 
Klostergebiet  als  eigentliche  Grafschaft  angesehen  und  letztere  identifiziert  mit  der  alten 
ortenauischen  Grafschaft  Kinzigdorf.  Aber  eine  solche  Grafschaft  stand  dem  Abt  doch 
nicht  zu : er  darf  den  Richter  nicht  selber  setzen,  sondern  nur  vorschlagen,  und  das 
Recht  auf  Fälle  erstreckt  sich  nur  so  weit  als  der  Besitz.  Und  wenn  in  dem  Weistum 
von  1 2 7 5  1  2)  von  einem  Gericht  des  Klosters  die  Rede  ist,  so  ist  es  doch  nur  ein  aus  der 
Grundherrschaft  fließendes  Hofrecht,  dem  die  Freien  als  Pächter  oder  Nießer  der  Allmende 
unterliegen,  nicht  ein  aus  dem  Grafschaftsrecht  sich  ergebendes  Gaugericht.  Die  Kast- 
und  Schirmvogtei  war  von  den  Bamberger  Bischöfen  zuerst  den  Zähringem  übertragen 
worden ; nach  deren  Aussterben  kaufte  der  Kaiser  die  Ortenauer  Lehen  wieder  ans  Reich 
zurück  um  4000  Mark  Silber3)  (1225),  so  daß  in  Gengenbach,  auf  der  Burg  Ortenberg, 
in  Offenburg  und  Mahlberg  königliche  Schultheiße  saßen. 

Mit  dem  zunehmenden  Ansehen  und  Wohlstand  des  Klosters  stellten  sich  auch 
alsbald  wieder  Wirrungen  und  Streitigkeiten  ein.  Sie  kamen  zum  größten  Teil  von  dem 
Nachbaradel,  der  oft  genug  die  Rechte  und  Besitzverhältnisse  des  Klosters  antastete.  So 
waren  die  Einkünfte  der  vor  der  Stadt  gelegenen  Martinskirche,  die  für  Arme  und 
Reisende  bestimmt  waren,  zu  Anfang  des  1 3.  Jhs.  wiederholt  in  unrechtmäßiger  Weise 
Familienangehörigen  der  Äbte  oder  sonstigen  Personen  zugewendet  worden,  wie 
Mitte  der  zwanziger  Jahre  dem  Scholaster  von  S.  Thomas  in  Straßburg,  1233  dem 
Pfarrer  von  Harmersbach.  Diesem  Mißstand  suchte  Abt  Gotfried  mit  größter  Ent- 
schiedenheit entgegenzuarbeiten  und  die  Kirche  wieder  ans  Kloster  zu  bringen.  Schon 
1220,  11.  März,  sah  sich  Papst  Honorius  zum  Einschreiten  genötigt  und  beauftragte  die 
Abte  von  Schwarzach  und  Alpirsbach  und  den  Erzpriester  von  Oberkirch  mit  der  Unter- 
suchung der  vom  Abt  angestrengten  Klage.  In  der  Antwort  dieser  Kommission  konnte 
gemeldet  werden,  daß  die  Kirche  durch  sie  wieder  ans  Kloster  gekommen  sei.  Aber 
schon  1225  verlieh  der  bekannte  Konrad  von  Urach,  Kardinal  von  Porto  und  Rufina, 
den  man  über  die  Rechtslage  völlig  getäuscht  hatte,  das  Gotteshaus  dem  Scholaster 
Heinrich  von  S.  Thomas  in  Straßburg.  Ein  Widerruf  des  Kardinals  und  die  Bitte, 
der  Bischof  von  Straßburg  möge  dafür  sorgen,  daß  der  Scholaster  das  Kloster  nicht 
belästige,  wurden  einfach  ignoriert  und  die  Installation  durch  den  Bischof  mit  Gewalt 
vorgenommen.  1226  sprach  sich  der  Papst  unumwunden  zugunsten  der  Abtei  aus  und 
gab  den  Befehl  zur  Rückgabe  der  Kirche.  Kritischer  noch  gestaltete  sich  der  Streit, 
als  wenige  Jahre  später  die  Martinskirche  dem  Pfarrer  von  Harmersbach  wieder  zuge- 
wendet wurde.  Diesmal  standen  auch  die  Klöster  Schuttern  und  Ettenheimmiinster  auf 
seiten  des  feindlichen  Adels;  ganz  besonders  taten  sich  auf  dieser  Seite  der  Erzpriester 
von  Zunsweier  und  dessen  Bruder,  der  Prior  von  Schuttern,  hervor.  Den  letzteren  wollte 
die  Adelspartei  im  Einverständnis  mit  päpstlichen  Kommissarien  dem  Kloster  Gengen- 

1)  Vgl.  Gothein,  Wirtschaftsgesch.  I,  S.  222  ff. 

2)  Böhmer-Redlich,  Reg.  Imp.  VI,  Nr.  379!  dazu  vonWeechin  Z.  NF.  I,  S.  74  ff- 

3)  Böhmer-Redlich  V,  Nr.  1576. 


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bach  als  Abt  aufdrängen.  Die  Klosterinsassen  zogen  daraufhin  in  Prozession  über  Offen- 
burg, Straßburg  nach  Hagenau  zur  Königin,  um  deren  Hilfe  zu  erflehen.  Der  Gegenabt 
hatte  inzwischen  in  das  wehrlose  Kloster  seinen  Einzug  gehalten,  mit  seinem  Gefolge 
dessen  Vorräte  und  Habe  geplündert  und  schlimmen  Unfug  besonders  im  Archiv  an- 
gerichtet, wo  Urkunden  und  Briefe  der  Siegel  und  Bullen  beraubt  oder  ganz  zerstört 
wurden.  Als  der  Konvent  wieder  in  Gengenbach  erschien,  mußte  er  sich  durch  den 
von  der  Königin  mitgegebenen  Röder  den  Eintritt  erzwingen  (1235).  Es  gelang  ihm  aber, 
den  Pseudo-Abt  zu  entfernen  und  auch  die  Martinskirche  wieder  zurückzubekommen.  ’) 
Schon  1246  wurde  das  Recht  des  Klosters  daran  neuerdings  angefochten.  Damals  wurde 
die  Stadt  im  Kampfe  von  Bischof  Berthold  genommen.  Der  Abt  aber  fiel  1247  auf  dem 
Wege  nach  der  päpstlichen  Kurie  der  staufischen  Partei  in  die  Hände.* 2) 

Standen  in  diesen  Streitigkeiten  die  königlichen  Beamten  in  Offenburg  und 
Ortenberg,  denen  das  Reichsgut  unterstellt  war,  durchweg  auf  der  Seite  der  Kloster- 
gegner, so  war  es  auch  nicht  anders  in  den  Kämpfen  um  die  klösterlichen  Gülten  und 
Zehnten,  von  denen  aus  der  zweiten  Hälfte  des  i3-Jhs.  berichtet  wird.  Es  scheint,  daß 
gerade  auf  solche  Wirrungen  die  Entstehung  des  Weistums  vom  J.  1275  zurückzuführen  ist 
und  daß  Rudolf  von  Habsburg  dessen  Fertigstellung  anordnete,  um  die  rechtlichen  Ver- 
hältnisse des  Klosters  klar-  und  gegen  alle  fremden  Ansprüche  und  Eingriffe  sicherzu- 
stellen. Aber  noch  im  gleichen  Jahre  muß  sich  der  König  gegen  seine  eigenen  Beamten 
wenden  und  ihnen  ernstlich  jede  Beeinträchtung  der  Abtei  und  jede  Hinterziehung  von 
Gülten  und  Einkünften  untersagen.3)  Ein  weiterer  Schutzbrief  erging  von  Heinrich  VII. 
ums  J.  1302.  Bedeutend  erweitert  wurden  die  Rechte  der  Abtei,  soweit  sie  in  dem 
erwähnten  Weistum  normiert  sind,  durch  König  Adolf,  der  die  Steuerfreiheit  der  Pacht- 
höfe aussprach,  und  durch  die  großen  Privilegien  König  Ludwigs  des  Bayern,  die  sich 
besonders  gegen  die  Städtefreiheiten  (Offenburg)  richteten  und  die  grundherrliche  Gewalt 
des  Klosters  in  seinem  Territorium  sowie  die  Unabhängigkeit  vom  Kastvogt  unbedingt 
aussprachen.  Diese  weitgehenden  Konzessionen  wurden  eine  Quelle  unablässiger 
Fehden  mit  den  umliegenden  Städten,  bis  später  Kaiser  Maximilian  sie  auf  das  richtige 
Maß  wieder  einschränkte.  Schon  1337  mußte  König  Ludwig  an  die  Stadt  Offenburg 
den  Befehl  richten,  sich  mit  dem  Kloster  zu  vertragen  wegen  der  Fälle,  und  als  das 
nichts  fruchtete,  wurde  die  Reichsacht  verhängt.  Das  Kloster  mußte  aber  doch  schließ- 
lich nachgeben  und  auf  die  Fälle  sowie  alle  damit  zusammenhängenden  Rechte  in  bezug 
auf  die  Stadtinsassen  verzichten  (1343).4) 

Andere  Differenzen,  die  allerdings  das  Kloster  weniger  als  die  Stadt  Gengenbach 
berührten,  ergaben  sich  aus  der  Reichspfandschaft  über  die  Ortenau.  Einen  erfolgreichen 
Sachwalter  fanden  die  Reichsstädte  an  dem  Gengenbacher  Abt  Lambert  von  Burn,  der 
1366  ein  Privileg  Karls  IV.  erwirkte,  wonach  die  Reichsfreiheit  ein  für  allemal  wieder- 
hergestellt war.  Dieser  Lambert  von  Burn,  dessen  politischem  Weitblick  dieser  bedeut- 
same Erfolg  zuzuschreiben  ist,  war  einer  der  hervorragendsten  Männer,  die  auf  deutschem 
Boden  im  späteren  Mittelalter  den  Krummstab  getragen.  Seiner  bewundernswerten 

B Vgl.  die  vom  Kloster  Gengenbach  ausgegangene  eingehende  Darstellung  der  Acta  Gengen- 
bacensia  (in  Wien,  Kaiserl.  Reichs-  und  Hofarchiv)  in  Z.  NF.  IV,  S.  90 — 114. 

2)  Vgl.  das  Schreiben  Innocenz’  IV.  in  Mon.  Germ.  Ep.  Pont.  Roman,  saec.  XIII,  II,  S.  237. 

3)  Böhmer-Redlich,  Regg.  Imp.  VI,  Nr.  459. 

4)  Vgl.  Gothein  a.  a.  O.  I,  S.  238  ff. 


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KREIS  OFFENBURG. 


politischen  und  wissenschaftlichen  Begabung  entsprach  auch  seine  glanzvolle  Laufbahn. 
Ursprünglich  Novize  im  Kloster  Neuweiler,  kam  er  1359  auf  den  Abtsstuhl  in  Gengen- 
bach, wurde  hernach  Kanzler  Karls  IV.,  1361  Bischof  von  Brixen,  1364  von  Speyer, 
1372  von  Straßburg,  1373  von  Bamberg;  an  letzterem  Ort  starb  er  1398. ’)  In  der 
Klostertradition  steht  sein  Andenken  weniger  glänzend  da,  weil  man  ihm  den  Verzicht 
auf  den  Zweidrittelertrag  der  Allmendnießung  nicht  recht  verzeihen  konnte.* 2) 

Mit  Ende  des  14.  Jhs.  bildete  sich  die  Sitte  aus,  nur  Adelige  zur  Prälatur  zuzu- 
lassen; 100  Jahre  später  war  man  dann  so  weit,  überhaupt  nur  Adelige  noch  aufzunehmen. 
Von  da  an  war  die  alte  Abtei  tatsächlich,  worauf  der  Ortenauer  Adel  auch  stets  pochte, 
des  »Adels  Spital«.  Damit  waren  wieder  Folgen  gegeben,  die  das  Kloster  in  Gegensatz 
zu  den  Interessen  der  Reichsstadt  brachten,  und  mehr  noch  zu  den  Interessen  der  Ordens- 
disziplin. An  Stelle  des  Dinggerichts  war  das  Mannengericht  getreten;  die  Meierämter 
in  den  Tälern  standen  nicht  mehr  den  Eigenleuten,  sondern  Adeligen  oder  Ritterl »tirtigen 
zu.  Das  Interesse  des  Ortenauer  Adels  mußte  sich  infolgedessen  diesen  Ämtern  zuwenden, 
und  die  Rechtsprechung  dieser  Mannengerichte  lief  darauf  hinaus,  des  Klosters  Privilegien 
zu  bestätigen.  Eine  andere  bedenkliche  Folge  der  Beschränkung  der  Abtswürde  auf  adelige 
Herkunft  war  die  zwiespältige  Wahl,  die  von  jetzt  ab  eine  ständig  wiederkehrende  Erschei- 
nung bildet.  So  geschah  es  schon  im  zweiten  Jahrzehnt  des  15.  Jhs.  bei  der  Wahl  eines 
Nachfolgers  Konrads  von  Blumberg.  1456  übertrug  der  Papst  die  Abtei  als  Kommende 
dem  Kardinal  Wilhelm  von  Metz,  indes  der  Konvent  Volzo  von  Neueneck  wählte,  der 
mitsamt  seinen  Wählern  exkommuniziert  wurde  und  erst  nach  dem  baldigen  Tod  des 
Kardinals  die  Bestätigung  des  Papstes  fand  (1456).  Unter  diesem  Abt  vollzog  sich  die 
tatsächliche  Umwandlung  des  Klosters  in  ein  hochadeliges  Stift;  1461  wurde  die  exklusive 
Aufnahme  von  Adeligen  zu  einem  eidlich  von  jedem  Insassen  zu  bekräftigenden  Statut. 
Eine  schwache  Reaktion  gegen  die  immer  weiter  um  sich  greifende  Verweltlichung  und 
Disziplinlosigkeit  bildete  die  Aufnahme  in  die  Bursfelder  Kongregation  (1 463) ; eine  nam- 
hafte Besserung  führte  sie  aber  ebensowenig  herbei  wie  die  Reformordnung,  die  der 
Straßburger  Bischof  1501  unter  Gutheißung  des  Kardinals  Raimund  Peraudi  dem  Kloster 
Gengenbach  gab.  Völlig  turbulente  Zustände  leitete  der  Abt  Konrad  von  Müllheim 
ein,  der  Erbauer  des  prächtigen  Erauenchörleins  in  der  Klosterkirche  und  des  h.  Grabes 
darin.  Ein  prunkliebender,  religiös  wenig  ernster  Mann,  ward  er  in  bezug  auf  seine 
Verwaltungspraktiken  wie  auch  auf  seine  sittliche  Führung  der  gravierendsten  Vergehen 
von  seiner  Kommunität  beschuldigt  und  schließlich  auch  ohne  Verhör  gefangen  und  auf 
recht  unsanfte  Weise  in  ein  Verlies  geworfen  (1506).  Den  wahren  Grund  zu  diesem 
Vorgehen  hat  man  wohl  in  dem  Widerstand  zu  suchen,  den  Abt  Konrad  dem  Plane  des 
Haupträdelsführers  Philipp  von  Eselsberg,  das  Kloster  in  ein  weltliches  Stift  umzuwandeln, 
entgegensetzte.  Denn  es  muß  doch  sehr  auffallen,  daß  dieser  Mann  alsbald  nach  Konrads 
Tod  (1508)  zu  dessen  Nachfolger  gewählt  wurde,  und  zwar  per  formam  compromissi,  und 
daß  er  sofort  seinen  Lieblingsplan  wieder  aufnahm.  Nach  dreimaliger  persönlicher 
Anwesenheit  in  Rom  erreichte  er  auch  sein  Ziel  1523  wurde  die  Bulle  ausgestellt, 
welche  die  Umwandlung  des  Klosters  billigt.  Karl  V aber  legte  ein  Veto  ein  und 

*)  Vgl.  FDA.  XVI,  S.  103.  Z.  NF.  VIII,  S.  446.  Studien  und  Mitteilungen  aus  dem  Bene- 
diktiner- und  Cisterzienserorden  XVI,  S.  89  ff.  Remling,  Gesch.  der  Bischöfe  von  Speyer  I, 
S.  630 — 642. 

2)  Vgl.  das  abfällige  Urteil  Dornbltiths,  Z.  NF.  VIII,  S.  446. 


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369 


so  unterblieb  zunächst  das  Vorhaben.1)  Dafür  sollte  die  Abtei  1525  tatsächlich  säku- 
larisiert werden  auf  eifriges  Betreiben  des  lutherischen  Grafen  Wilhelm  von  Fürstenberg, 
des  Ortenauer  Landvogts  und  Kastvogts  des  Klosters.  Das  am  25.  Februar  jenes  Jahres 
getroffene  Abkommen  sicherte  dem  Abt  und  seinem  Konvent  eine  angemessene  Jahres- 
rente, wogegen  sie  auf  alle  Besitzungen  und  Rechte  des  Klosters  verzichten,  der  Graf 
aber  Aufrechthaltung  des  Gottesdienstes  in  guter  beständiger  Ordnung  in  Aussicht  stellt. 
Wir  erfahren  aus  einer  Zusatzurkunde,  daß  der  Graf  und  der  Rat  der  Stadt  dem  Abt 
gestattet  haben,  verschiedenes  Hausgeräte,  wie  zehn  silberne  Löffel,  zehn  Becher  und  »ein 
vergult,  verdeckt  Becherlin«  sowie  zwei  Bettstätten,  zu  lebenslänglichem  Gebrauch  in 
seine  Wohnung  nach  Offenburg  mitzunehmen.  Eine  dritte  Urkunde  erklärt  uns,  wie  sich 
der  Abt  zu  solcher  Abmachung  herbeilassen  konnte.  Er  stand  unter  nachdrücklichem 
Zwang,  da  der  Graf  ihn  in  Gewahrsam  nahm,  ihm  die  Zustimmung  einfach  abnötigte 
und  ihn  noch  urkundlich  versprechen  ließ,  sich  später  in  keiner  Weise  zu  rächen  noch 
etwas  gegen  das  Abkommen  zu  unternehmen.  Da  der  Rat  der  Stadt  nach  solchen  Ver- 
handlungen die  Abtei  so  gut  wie  ganz  schon  in  Händen  zu  haben  glaubte  und  wenigstens 
einen  Teil  der  säkularisierten  Güter  zu  erhalten  hoffte,  hatte  er  ein  sehr  begreifliches 
Interesse,  das  Kloster  gegen  die  schon  kurz  hernach  ausgebrochenen  Bauemunruhen  zu 
schützen,  indem  er  es  okkupieren  ließ.  Freilich  mußten  der  Graf  wie  die  Stadt  bald 
darauf  auf  den  fetten  Bissen  verzichten:  das  Reichsregiment  erteilte  der  Abmachung 
die  Bestätigung  nicht,  ordnete  vielmehr  an,  daß  der  Abt  und  Konvent  wieder  in  die 
Administration  einzusetzen  seien.  Diese  Verfügung  mußte  mehrmals  wiederholt  werden, 
da  sie  offenbar  zunächst  gar  nicht  oder  nur  ungenügend  beachtet  wurde.  Noch  1527 
beschwerte  sich  Abt  Philipp,  der  Graf  belästige  das  Kloster  durch  Einlegung  von  Mann- 
schaften, durch  Gebrauchnahme  von  Pferden  und  anderem  dinglichen  und  leiblichen 
Besitz  sowie  durch  Sperrung  von  Zehnten  in  unerträglichem  Maße.  Erst  jetzt  kam  durch 
Vermittelung  des  Straßburger  Bischofs  und  Gutheißung  Karls  V.  ein  Vertrag  zustande, 
der  die  Leistungen  des  Klosters  an  den  Kastvogt  (1  Fuder  Wein,  30  Viertel  Hafer  und 
einige  andere  Bezüge  und  Rechte)  regulierte.  Dagegen  ließ  der  Graf  den  großen  Zehnten 
frei,  lieferte  Brief  und  Siegel  wieder  aus  und  erklärte  sich  zu  Vergleichsverhandlungen 
über  den  Kleinzehnten  und  die  Leibgefälle  auf  einem  demnächstigen  Reichstag  bereit. 
Inzwischen  hatte  auch  die  Stadt  unter  Hinweis  auf  die  angestrebte  Umwandelung  des 
Klosters  in  ein  weltliches  Stift  ihre  Forderungen  geltend  gemacht,  worüber  ein  lang- 
wieriger Austausch  und  gegenseitiges  Verhör  vor  dem  Cirafen  von  Fürstenberg  in  den 
Jahren  1525/26  und  1529  stattfanden.  Die  Stadt  wünschte  abwechselnd  mit  dem  Abt 
das  Besetzungsrecht  an  den  Vikarien,  Verlegung  der  zu  weit  entfernten  Pfarrkirche  in  die 
Klosterkirche.  Der  Pfarrer  solle  vom  Kloster  dotiert,  aber  vom  Rat  gesetzt,  die  Schule 
künftig  besser  besorgt  und  die  Spitaleinkünfte  zu  ihrer  tatsächlichen  Bestimmung  ver- 
wendet werden.  Wasser,  Weiden,  Wälder  und  Allmenden  sollen  käuflich  an  die  Stadt 
abgetreten  werden,  das  Kloster  außerhalb  der  Klostermauern  keine  Häuser  in  der  Stadt 
besitzen  dürfen,  keine  ewigen  Zinsen  mehr  kaufen  und  die  schon  vorhandenen  ablösen. 
Dagegen  solle  es  die  Erbgüter  im  Stab  Gengenbach  versteuern  und  bei  weltlichen 
Angelegenheiten  der  städtischen  Gerichtsbarkeit  wie  auch  der  Stadtpolizei  unterstehen. 
Mit  anderen  Worten:  die  Stadt  verlangte  gänzliche  oder  teilweise  Aufhebung  der  Exemtion, 

1)  Vgl.  die  langen  Verhandlungen  über  diesen  Konflikt  bei  Ruppert,  Z.  31,  S.  315  ff.; 
32,  S.  309  ff. 


37° 


KREIS  OFFENBURG. 


der  Freiheiten  und  Einschränkung  der  Besitzrechte.  Soweit  sie  prinzipiell  bisherige 
Rechte  anfaßten,  lehnte  das  Kloster  diese  Zumutungen  ab.  Bezüglich  des  städtischen 
Pfarrers  (Konrad  Servitoris)  erklärte  der  Abt,  er  hätte  bislang  »das  Kloster  vielfältig  ver- 
folgt und  durächtet«,  auch  in  seinen  Ämtern  und  Predigten  den  Bestimmungen  des 
Kaisers  nicht  entsprochen.  Wie  die  langen,  bis  ins  J.  1529  reichenden  Verhandlungen 
ausgingen,  ergibt  sich  aus  den  zum  großen  Teil  erhaltenen  Akten  nicht.1)  Wohl  aber 
erfahren  wir  daraus,  daß  Abt  Philipp  auch  im  letztgenannten  Jahre  seinen  unglückseligen 
Plan  einer  Umwandelung  der  Abtei  nochmals  aufgriff,  daß  er  den  Adel  wohl  dafür  hatte, 
dagegen  aber  die  Vertreter  des  Bischofs.  Die  ganze  Aktion  der  Stadt  lief,  das  geht  mit 
wünschenswerter  Deutlichkeit  aus  den  gewechselten  Schriftstücken  hervor,  nicht  auf 
Klärung  verworrener  oder  unhaltbarer  Rechtsverhältnisse,  auch  nicht  auf  Abstellung 
einzelner  Mißstände  hinaus,  sondern  auf  die  Protestantisierung  des  Stiftes.  Zu  diesem 
Zwecke  sollte  die  Pfarrei  mit  dem  von  der  Stadt  bestellten,  dem  Kloster  so  feindlich 
gesinnten  Prädikanten  in  die  Abteikirche  verlegt  und  die  Herrschaft  des  Rates  über  das 
Kloster  ausgedehnt  werden.  Diesem  von  zwei  Seiten,  vom  Grafen  Fürstenberg  und  vom 
Rat  der  Stadt,  unternommenen  Versuch  einer  Säkularisierung  und  Entkatholisierung 
widerstand  das  Stift  vorläufig  noch.  Man  hat  die  Empfindung,  daß  das  Verdienst  hieran 
nur  in  beschränktem  Maße  dem  Abt  Philipp  von  Eselsberg  zuerkannt  werden  kann.  Eine 
Humanistennatur,  deren  Wissen  und  Klugheit  gerühmt  und  auch  von  dem  zweimal  für 
längere  Zeit  in  Gengenbach  anwesenden  Kaiser  Maximilian  geschätzt  wurde,  ein  Grand- 
seigneur von  wenig  sparsamem  Sinn  und  vielleicht  noch  weniger  Verwaltungstalent,  ent- 
behrte dieser  Abt  jeglicher  Eigenschaften,  die  für  die  schwierigste  Krisis  seines  Klosters 
notwendig  gewesen  wären.  In  noch  weit  bedauerlicherem  Grade  war  das  bei  seinem 
Nachfolger  Melchior  von  Horneck  der  Fall.2)  Bei  seiner  Wahl  (1532)  bestand  der 
Konvent  nur  noch  aus  drei  Patres,  so  daß  es  dem  Grafen  Wilhelm  ein  leichtes  war, 
seine  Kreatur  durchzubringen,  deren  Neigung  zur  Verschwendung  und  zu  zügellosem 
Leben  verbunden  mit  dem  Mangel  tieferen  religiösen  Sinnes  ihn  zu  einem  willenlosen 
Werkzeug  in  der  Hand  des  Kastvogtes  machte.  Er  wurde  offenkundig  Protestant  und 
hielt  sich  Konkubinen;  ob  er  vor  seinem  Tode,  wie  bei  Kolb  zu  lesen  ist,  zur  Kirche 
zurückkehrte,  ist  sehr  zweifelhaft.  Nach  der  Klostertradition  starb  er  in  apostasia.  Unter 
ihm  fand  die  Säkularisierungsidee  wieder  namhafte  Förderung:  1532  wurde  der  Abt  der 
Klosterverwaltung  vom  Grafen  entsetzt,  1533  wieder  zugelassen,  aber  unter  Bedingungen, 
die  jede  Selbständigkeit  aufhoben.  1539  wurde  der  Entwurf  eines  Pensionsabkommens 
aufgesetzt,  das  das  Kloster  schon  ganz  in  den  Händen  des  Fürstenbergers  zeigt  und  den 
Abt  mit  einer  Leibrente  abfindet.3)  Noch  kurz  vor  seinem  Tode  genehmigte  Melchior 
die  schon  früher  geäußerten,  auf  die  Protestantisierung  des  Stiftes  hintreibenden  Wünsche 
der  Stadt.  Der  Kerbzettel 4)  für  die  Bestallung  zweier  aus  den  Klostereinkünften  dotierten 
Prädikanten  und  für  die  Verlegung  des  Stadtgottesdienstes  in  die  Klosterkirche  trägt 
wenigstens  noch  den  Namen  Melchiors  von  Horneck,  wenngleich  er  erst  Wochen  nach 
seinem  Tode  (12.  März  1540)  ausgestellt  ist.  Graf  wie  Stadt  schienen  um  diese  Zeit 
ihr  Ziel  erreicht  zu  haben;  aber  gerade  jetzt  setzte  die  Gegenreformation  in  Gengenbach 

-1)  Mitgeteilt  von  Franck  in  FDA.  VI,  S.  I — 26. 

2)  Vgl.  Ruppert,  Z.  33,  S.  128—159. 

3)  Vgl.  FDA.  VI,  S.  21,  22. 

4)  Ebenda  S.  24. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


371 


ein  mit  dem  entschiedenen  Eingreifen  der  Bischöfe  von  Straßburg  und  Bamberg,  das 
noch  nachhaltiger  gefördert  wurde  durch  die  Abwesenheit  und  spätere  französische 
Gefangenschaft  des  Grafen  Wilhelm  und  durch  den  Ausgang  des  Schmalkaldischen  Krieges 
bezw.  die  Einführung  des  Interims.  Zum  guten  Teil  ist  die  Gegenbewegung  auch  unter- 
stützt worden  durch  die  Kündigung  der  Reichspfandschaft  (1551),  wodurch  dem  Grafen 
die  Schirmvogtei  über  das  Kloster  entzogen  ward. 

Die  Stadt  Gengenbach  neigte,  teils  unter  dem  Einfluß  des  nahen  Straßburg,  teils 
infolge  der  langen  wirtschaftlichen  und  verfassungsgeschichtlichen  Fehden  mit  dem  Kloster, 
mehr  aber  wohl  noch  infolge  dessen  sittlichen  Tiefstandes,  in  den  zwanziger  Jahren  schon 
der  Reformation  zu.  1529  nahm  sie  einen  Teil  der  Rottweiler  auf,  die  wegen  der  Zu- 
gehörigkeit zur  neuen  Lehre  vertrieben  worden  waren.  Auch  im  Stadtpfarrer,  der  das 
Kloster  so  heftig  »verfolgte  und  durächtete«,  hat  man  wohl  einen  Prädikanten  zu  erblicken. 
Der  ungehinderte  Abfall  konnte  sich  aber  erst  unter  Abt  Melchior  vollziehen.  Unter 
ihm  richtete  die  Stadt  nach  Straßburger  Muster  eine  Schule  ein,  die  sich  der  besonderen 
Fürsorge  Caspar  Hedios  zu  erfreuen  hatte;  durch  diesen  kam  als  äußerst  rühriger 
Lehrer  Hedios  Freund  und  Landsmann  Matthias  Erb  (gest.  1571)  an  die  Neugründung 
(bis  1537). ])  1537  führt  Ambrosius  Blarer  Gengenbach  unter  den  evangelischen  Städten 

auf  und  in  deren  Reihen  unterschreibt  es  auch  1541  das  Protokoll  des  Regensburger 
Religionsgespräches.  1541  gewährte  die  Stadt  dem  wegen  einer  Epidemie  fortgezogenen 
Straßburger  Gymnasium  gastliche  Aufnahme.  1545  erschien  ein  evangelischer  Katechismus 
mit  dem  Wappen  der  Reichsstadt,  für  Gengenbach  und  die  Nachbartäler  (Kurze  und 
einfältige  Form  eines  christl.  Catechismi  für  die  Kirche  zu  Gengenbach,  1545),  heraus- 
gegeben und  dem  Stadtrat  gewidmet  von  den  drei  damaligen  Prädikanten  Lucius  Kyber, 
Thomas  Lindner  und  Lorenz  Montanus;  1546  hielt  Hedio  eine  Visitation  ab.2) 

Im  Kloster  war  nach  dem  Tode  Melchiors  von  Plorneck  nur  noch  ein  einziger 
Pater,  der  Prior  Friedrich  von  Keppenbach.  Daß  die  Abtswahl  nach  dem  Zusammen- 
bruch der  Selbständigkeit  des  Klosters  und  dem  Aufhören  des  Katholizismus  in  der 
Stadt  nur  unter  sehr  erschwerenden  Umständen  vor  sich  gehen  konnte,  ist  natürlich. 
Der  Prior,  ohnehin  eine  unentschiedene  Natur,  wurde  vom  Grafen  noch  obendrein  in 
Gewahrsam  nach  Ortenberg  gebracht,  um  ihn  für  die  Forderungen  des  Schirmvogts 
gefügiger  zu  machen.  So  begreift  es  sich,  daß  der  persönlich  gut  katholische  Mann  die 
letzte  Abmachung  seines  Vorgängers  über  die  Einführung  von  Prädikanten  ins  Stift 
nicht  widerrief,  ja  sie  nach  seiner  Wahl  sogar  anerkannte.  Der  letzteren  gingen  lange 
Verhandlungen  mit  dem  Grafen,  aber  auch  mit  dem  Bischof  von  Straßburg  voraus.  Es 
kann  kein  Zweifel  bestehen,  daß  Graf  Wilhelm  an  diesem  geringschätzig  nur  »das  Priorle« 
genannten  Vertreter  des  Klosters  dasselbe  gefügige  Werkzeug  zu  haben  glaubte  wie  an 
seinem  Vorgänger.  Das  Unwürdige  seiner  Behandlung  ergibt  sich  am  besten  aus  den 
Zumutungen,  die  er  schließlich  nach  langem  Zögern  auch  annahm : den  Statusquo  der 
Säkularisation  und  die  Prädikanten  zu  dulden,  nicht  in  die  Wahl  eines  fremden  Abtes  zu 
willigen  und  neben  sich  eine  »Statthalterei«  des  erst  siebenjährigen  Grafen  Otto  von  Eber- 
stein, an  dessen  Stelle  später  der  junge  Graf  Anton  von  Salm  (1543)  trat,  zu  dulden.3) 
Dem  letzteren  sollte  die  Abtei  in  die  Hände  gespielt  werden;  bis  zur  Volljährigkeit  des 

•*)  Vgl.  Baumgartner  in  Schauinsland  23,  S.  12  ff. 

3)  Vgl.  Vierordt,  Gesell,  der  evang.  Kirche  in  Baden  I,  S.  314 — 319. 

s)  Vgl.  Fr  an  ck,  FDA.  VII,  S.  83 — 105.  Ruppert,  ebenda  XVI,  S.  196 — 215. 


372 


KREIS  OFFENBURG. 


jungen  Salm  aber  mußte  Abt  Keppenbach  nach  außen  jeden  Verdacht  beseitigen.  Zu 
seiner  Überwachung  wurde  ihm  ein  unehelicher  Sohn  des  alten  Salm,  Dominicus  von 
Rheims,  als  Prior  auf  den  Hals  geladen,  und  in  den  letzten  Jahren  des  Abtes  Friedrich 
von  Keppenbach  wußte  dieser  den  künftigen  Klosterinhaber  Grafen  Salm  auch  tatsächlich 
ins  Kloster  zu  schmuggeln  (1554)  als  Koadjutor.  Man  kann  sich  unter  solchen  Umständen 
die  peinliche  Lage  des  Prälaten  vorstellen ; trotzdem  wirkte  er  mit  Entschiedenheit  an 
der  Restauration  des  Katholizismus,  eröffnete  die  seit  Jahrzehnten  geschlossene  Kloster- 
schule und  übertrug  sie  dem  eigentlichen  Träger  der  Gegenreformation  in  Gengenbach, 
dem  gelehrten  Cornelius  Eselsberger.1)  Nach  dem  Interim  und  dem  Tod  des  Grafen 
Wilhelm  mußten  auch  die  drei  Prädikanten  von  dannen  ziehen,  und  mit  ihnen  wich 
langsam  die  neue  Lehre  aus  der  Reichsstadt.  Friedrich  von  Keppenbach  war  wenn 
auch  kein  starker  Charakter,  so  doch  eine  heiligmäßige,  ascetische  Natur.  Er  starb 
unerwartet  rasch  (1555),  so  daß  man  den  »wälschen  Prior«  einer  Vergiftung  seines  Abtes 
beschuldigte.  Nach  dem  Tode  Keppenbachs  hauste  dieser  Prior  eine  Zeitlang  allein  im 
Kloster,  da  der  aus  gleichfalls  zwiespältiger  Wahl  hervorgegangene  neue  Abt  Gisbert 
Agricola  (1556  bis  1586)  erklärte,  nicht  eher  das  Kloster  zu  betreten,  als  bis  die  fremden 
Insassen  dasselbe  verlassen  hätten.  Erst  jetzt  war  die  fast  ein  halbes  Jahrhundert 
lang  drohende  Gefahr,  das  Stift  seiner  ursprünglichen  Bestimmung  zu  entfremden,  beseitigt. 
1548,  7.  Juli,  hatte  schon  ein  kaiserlicher  Befehl  dem  Rat  der  Stadt  eingeschärft,  »das 
Interim  ohne  weiteren  Verzug  in  das  Werk  zu  richten«.  Aber  noch  1560  befanden  sich 
Protestanten  in  der  Stadt,  denn  Cornelius  Eselsberger,  der  Stadtpfarrer,  mußte  sich 
damals  gegen  Angriffe  wenden,  die  gegen  katholische  Gebräuche  und  besonders  das 
Meßopfer  öffentlich  angeschlagen  worden  waren.2)  Agricola  ließ  sich,  nachdem  wieder 
einige  Ruhe  eingetreten,  vor  allem  die  Restauration  der  arg  verwahrlosten  Klosterbauten 
angelegen  sein,  wovon  ein  inschriftliches  Chronostichon  Kunde  gab. 

Einige  Aufregung  verursachte  im  Konvent  die  vom  Straßburger  Bischof  Erzherzog 
Leopold  angeordnete  Losreißung  (1618)  des  Klosters  von  der  Bursfelder  Kongregation 
und  die  Eingliederung  in  die  Straßburger  Kongregation;  gleichzeitig  wurde  eine  Visi- 
tation angeordnet,  über  welche  die  Acta  commissionis  odiosae  de  intrudendo  inspectore 
sub  pallio  reformationis  leidenschaftlich  Bericht  erstatten.  Schlimmer  waren  für  die  Abtei 
die  Drangsale  des  Dreißigjährigen  Krieges  Der  Abt  war  in  den  späteren  Jahren  meist 
abwesend  in  Villingen  oder  Rottweil,  und  auch  der  Konvent  bestand  oft  nur  aus  drei 
Personen.  Die  Stadt  hatte  sich  gegen  hohes  Lösegeld  Schonung  von  den  Schweden 
erkauft,  und  auch  das  Kloster  ging  lange  Zeit  heil  aus.  Die  schwedische  Einquartierung 
vom  J.  1634  fiel  entweder  den  Österreichern  zum  Opfer  oder  kam  in  Gefangenschaft;  auch 
ein  Angriff  der  Straßburger  ward  bald  hernach  vereitelt.  Zu  allem  Elend  kam  in  diesen 
Jahren  noch  ein  Zwist  mit  der  Stadt,  die  für  die  Stadtkirche  einen  Weltgeistlichen  wollte 
an  Stelle  des  Ordenspriesters,  der  zu  schlecht  katechisiere  und  keine  Taufbücher  führe. 
Als  das  Kloster  diesem  Verlangen  nicht  sofort  entsprach,  sperrte  die  Stadt  ihm  den 
Zehnten,  erhielt  aber  vom  Bischof  von  Straßburg  den  gemessenen  Befehl,  unter  der 
Strafe  der  Exkommunikation  die  Sperre  aufzuheben  und  noch  200  fl.  Buße  zu  erlegen. 

1)  Vgl.  Baumgartner  in  Schauinsland  23,  S.  29  ff. 

2)  »Antwurt  auf  die  geschrifft  einer  tabelenn,  in  welcher  das  Ampt  der  heyligen  Maß  unbilliger 
weyß  angetastet  und  verworfen«.  Vierordt  sah  diese  handschriftlich  erhaltene  Kontroversschrift  seiner- 
zeit beim  Medizinalrat  Dr.  Schwörer  in  Freiburg  (Gesch.  der  evang.  Kirche  in  Baden  V,  S.  397)- 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


373 


Dafür  konnte  der  Rat  sich  jetzt  einen  geeigneten  Pfarrer  in  der  Person  des  trefflichen 
Pater  Leonhard  Feinlein  (gest.  1679)  wählen  (1640),  von  dem  wir  sehr  anschauliche 
Berichte  über  die  Gräuel  des  Dreißigjährigen  Krieges  haben,  so  über  die  dreimalige 
Plünderung  der  Stadt  und  des  Klosters  durch  die  Weimarer  Truppe  in  dem  einen  Jahr  1 643. 
Das  erste  Mal  hatten  der  Klosterturm  und  die  Mauern  durch  die  Beschießung  »etliche 
Löcher«  bekommen.  Die  letzte  gleich  vandalische  Plünderung  und  Verwüstung,  teilsweise 
mit  Brandlegung,  ging  den  4.  November  vor  sich.  Noch  schlimmere  Drangsalierung  und 
Verheerung  standen  der  Stadt  wie  dem  Kloster  40  Jahre  später  bevor.  Schon  1675  ur*d 
1678  sah  Gengenbach  die  Kriegsgefahr  wiederholt  an  seine  Tore  klopfen,  und  mehr 
noch  in  den  folgenden  Jahren  die  Greuel  der  Franzosen  in  der  Rheinebene  draußen 
auflodern.  1689  fiel  es  selbst  nach  dem  Fall  von  Straßburg  denselben  zum  Opfer. 

Zu  der  Kriegsgefahr,  Plünderungen  und  fast  unerschwinglichen  Kontributionen 
(1703  bis  1704)  im  Spanischen  Erbfolgekrieg  kam  noch  die  gänzlich  unfähige  Regierung 
des  Abtes  Augustinus  Müller  (1696  bis  1726),  unter  dem  die  Disziplin  in  bedenklicher 
Weise  gelockert  und  das  Vermögen  wie  die  Güter  in  unverantwortlichem  Maße,  besonders 
durch  Nepotenwirtschaft  einiger  Patres,  verschleudert  wurden  So  stellte  sich  1721  eine 
Schuldenlast  von  25000  fl.  heraus.  Der  Konvent  war  noch  teilweise  in  Nachbar- 
klöstern  zerstreut;  der  Abt  wohnte  anfangs  in  Zell.  Es  sind  bittere  Worte,  mit  denen 
Dornblüth  sein  Endurteil  über  den  untauglichen  Klosteroberen  abgibt:  Erat,  si  otium, 
gulam  et  crapulam  excipias,  sat  bonus  religiosus.  ’)  Zwar  gelang  es,  nicht  den  nächsten 
Nachfolgern  Seeger  und  Rischer,  wohl  aber  den  beiden  letzten  Äbten,  die  Schuldenlast 
wieder  vollständig  zu  tilgen.  Rischer  hatte  sich  sogar  durch  Errichtung  einer  Glashütte 
und  Kobaltfabrik  in  Dörrenbach  in  finanzielle  Schwierigkeiten  gebracht,  um  so  besser 
aber  rentierten  sich  nach  seiner  Abdankung  und  Übersiedelung  nach  Dörrenbach  die 
Anlagen.  1803  kam  das  Stift,  das  bis  dahin  reichsunmittelbar  gewesen  war,  an  Baden 
und  wurde  säkularisiert.* 2) 

Auf  dem  Gebiet  der  Geisteskultur  hat  das  reiche  und  angesehene  Stift  kaum 
Nennenswertes  aufzuweisen.  Das  Schulwesen  zeigt  sich,  so  oft  im  Laufe  der  vielen 
Jahrhunderte  davon  die  Rede  ist,  in  verwahrlostem  Zustande.  Erst  in  der  Zeit  der 
Gegenreformation  nahm  sich  Cornelius  Eselsberger  des  Bildungswesens  hervorragend  an. 
Das  protestantische  Gymnasium  hielt  sich  nur  unter  Matthias  Erb  auf  der  Höhe;  unter 
dessen  Nachfolger  Dionysius  Reuchlin  (1537  ff.)  sank  es  merklich.  Auch  für  die 
theologische  Ausbildung  des  Nachwuchses  leistete  das  Kloster  nicht  viel.  Im  J.  1670 
wurde  der  Kongregationsbeschluß,  daß  wenigstens  zwei  begabte  Brüder  auf  eine  Akademie 
zum  Studium  der  Theologie  und  des  kanonischen  Rechts  zu  schicken  seien,  angenommen. 
Im  J.  1672  bezogen  tatsächlich  zwei  Gengenbacher  die  Universität  Freiburg;  sie 
wurden  aber  schon  nach  einem  Semester  wieder  zurückberufen,  weil  der  Erfolg  zu 
gering  sei.  Das  gleiche  geschah  1 7 1 1 , als  zwei  Patres  für  kurze  Zeit  nach  St.  Blasien 
gingen,  um  sich  für  das  Professorat  in  Gengenbach  vorzubereiten.  Nicht  weniger 
geringfügig  sind  auch  die  literarischen  Leistungen  des  Gengenbacher  Konvents.  Sieht 
man  von  den  Klosterchronisten  ab,  so  hat  sich  nur  Pater  Augustin  Dornblüth  3) 

J)  Vgl.  Z.  NF.  9,  S.  254. 

2)  Vgl.  die  Aktenstücke  darüber,  FDA.  VI,  S.  297  ff. 

3)  Vgl.  über  ihn  Z.  NF.  8,  S.  690  ff. 


374 


KREIS  OFFENBURG. 


Fig.  200.  Grundriß  der  Klosterkirche  von  Gengenbach. 


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AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


375 


(gest.  nach  1750)  durch  eine  lange  Liste  von  Übersetzungen,  pädagogischen  und 
ascetischen  Schriften’)  einen  Namen  gemacht.  Der  Abt  Placidus  Thal  mann  schrieb 
ein  ascetisches  Buch  Angelus  confortans, 2)  der  Humanist  Philipp  von  Eselsberg  ein 
handschriftlich  erhaltenes  Werk  über  die  Reformation.3)  Subprior  Augustin  Schil- 
linger  veröffentlichte  in  Rastatt  1792/93  in  vier  Bänden  das  Gebet-  und  Unterrichtsbuch 
»Der  gutkatholische  Christ,  so  wie  er  seyn  soll  in  Worten  und  Thaten«. 


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Fig.  202.  Klosterkirche  zu  Gengenbach,  Rankcnornamcnt  des  Gurlgesi/nses. 

Außer  der  Klosterkirche  hatte  Gengenbach  noch  eine  Stadtkirche  vor  den  Toren 
(ad  S.  Martinum),  von  deren  Schicksalen  wiederholt  schon  die  Rede  war.  Außerhalb 
des  städtischen  Schutzes,  war  sie  feindlichen  Verwüstungen  ganz  besonders  ausgesetzt. 
Gleichfalls  außerhalb  der  Stadtmauer  gelegen  war  das  kleine  Klausnerinnenklösterchen 
neben  der  Martinskirche,  das  1302  von  Abt  Dietrich  IV.  für  drei  Frauen  gegründet 
wurde.  Schon  1395  wurde  es  beim  Überfall  Gengenbachs  durch  die  Straßburger  zer- 
stört, die  Beginnen  werden  aber  noch  1449  genannt.4)  Sehr  alten  Ursprungs  ist  wohl 
die  Kapelle  auf  dem  Kastellberg,  im  Mittelalter  (1289)  Jakobs-,  später  Einbethkapelle 
genannt.  Ein  Spital,  das  eine  Zeitlang  während  der  Klosterherrlichkeit  das  Gymnasium 
beherbergte,  lag  in  der  Vorstadt  auf  dem  Weg  gegen  Offenburg.  (Sauer.) 

V Vgl.  FDA.  XX,  S.  137  ff. 

2)  Vgl.  Z.  NF.  8,  S.  463. 

i!)  Mone,  Quellens.  I,  S.  59  ff. 

4)  Vgl.  Z.  NF.  8,  S.  663  ff. 


Band  VII. 


25 


376 


KREIS  OFFENBURG. 


Kloster 


Klosterkirche 


Von  dem  stattlichen  Kloster  stehen  heute  nur  noch  die  Kirche,  das  Konvents- 
gebäude aus  zwei  rechtwinkelig  zueinander  stehenden  Flügeln,  deren  westlicher  an  die 
Fassade  der  Kirche  anstößt,  die  östlichen  Wehrmauern  mit  einem  später  zum  Gartenhaus 
umgebauten  Turm  (s.  oben)  und  die  Türpfosten  des  Klostergartens.  Die  Ausdehnung  des 
ehemaligen  Bezirkes  ist  in  unserem  Plane  ersichtlich.  Von  diesen  Bauten  aber  stammt 
nur  die  Kirche  aus  dem  Mittelalter,  allenfalls  noch  Reste  der  Mauer,  alles  übrige  gehört 
dem  17.  bezw.  18.  Jh.  an. 

Die  ehemalige  Klosterkirche,  jetzige  katholische  Pfarrkirche,  als  deren  Himmels- 
patronin schon  1140  »beata  et  sancta  dei  genitrix  Maria«  erwähnt  wird,  dürfte,  wie 
sich  aus  der  Geschichte 


•///, 


Fig.  203.  Rankenornament  an  den  Kämpfern  der  Säulen  und  Pfeiler 
in  der  Kirche  zu  Gengenbach. 


und  der  Formenbehand- 
lung ergibt,  aus  den 
Jahren  der  von  S.  Georgen 
vorgenommenen  Refor- 
mation stammen. 

Ein  Blick  auf  den 
Grundriß  (s.  Fig.  200) 
läßt  das  Hirsauer  Schema 
erkennen.  Wir  haben 
eine  dreischiffige,  flach- 
gedeckte Basilika  vor  uns 
mit  nur  drei  Stufen  höher 
liegendem  Chor,  der  in 
einer  runden  Apside 
schloß  (später  verändert) 
und  sich  in  je  zwei 
Arkaden  auf  einer  Säule  nach  den  ebenfalls  in  runden  Apsiden  geschlossenen  Seiten- 
chören öffnet,  welche  als  die  Fortsetzung  der  Seitenschiffe  gedacht  sind.  (Tafel  XII.) 
An  den  übrigbleibenden  Ostwänden  des  Querhauses  sind  zwei  weitere  Apsiden  ange- 
bracht. Pfeiler  von  kreuzförmigem  Grundriß  tragen  die  Vierung,  auf  der  möglicher- 
weise einmal  ein  Turm  oder  ein  Dachreiter  saß.  Dafür  spricht,  daß  bei  sonstigem 
Wechsel  von  Pfeiler  und  Säule  im  Langhaus  man  es  doch  für  nötig  hielt,  hier  auf  den 
Vierungspfeiler  zunächst  wieder  einen  Pfeiler  folgen  zu  lassen.  Darauf  folgen  auf  jeder 
Seite  untereinander  abwechselnd  drei  Pfeiler  und  drei  Säulen  und  am  Innern  der 
Fassadenwand  Pilaster,  auf  der  Südseite  ist  jedoch  die  dritte  Säule  des  nahen  Turmes 
halber  in  der  Barockzeit  in  einen  Pfeiler  verwandelt  worden  und  an  die  Stelle  des 
dritten  Pfeilers  ist  der  mächtige  Unterbau  des  Turmes  getreten.* 2)  Der  Stützenwechsel 
ist  hier  nicht  zu  einer  Gliederung  des  Hochbaues  benutzt  worden  durch  Zusammen- 
fassung, wie  vielfach  in  den  sächsischen  Kirchen.  Ein  horizontales  Gurtgesims  zieht  sich 
etwa  1 m über  den  unprofilierten,  rundbogigen  Arkaden  her.3)  Dieses  Gurtgesims,  das 
auch  an  der  Ostseite  herumzieht,  ist  an  dieser,  an  der  Langhaussüdwand  und  an  dem 


*)  a.  a.  O.  S.  53. 

2)  Von  dem  Pfeiler,  der  nach  Baer  mit  vier  Halbsäulen  geziert  war,  kann  ich  nichts  entdecken. 

3)  Ltibkes  Angabe,  daß  wie  in  Maulbronn  von  dem  Gesimsband  sich  Vertikalstreifen  zu  den 
Pfeilern  herabziehen,  ist  irrig;  er  hat  sich  wohl  durch  die  Wandpilaster  des  Barocks  täuschen  lassen. 


i aja  nii 


Blick  in  den  Cher  de?  Klosterkirche  in  Gengenlach.  (Nach  der  Restauration. 


Fig.  201 . Längsschnitt  durch  die  Klosterkirche  in  Gengenbach. 


Band  VIT.  Zu  Seite  376. 


iiiiiiihihI 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


377 


östlichsten  Teil  der  nördlichen  Mittelschiffvvand  bis  über  den  ersten  Pfeiler  nach  dem 
Vierungspfeiler  durch  einen  Schachbrettfries  geziert,  der  dann  auch  an  der  Kämpfer- 
platte der  Säulen  und  der  Pfeiler  wiederkehrt.  Uber  dem  genannten  Pfeiler  bricht 
derselbe  plötzlich  ab  und  an  seine  Stelle  tritt  hier  wie  an  Säulen  und  Pfeilern  ein 
schwungvoll  gezeichnetes  und  voll  plastisch  gearbeitetes,  schönes  Rankenornament 
(s.  Fig.  203).  Das  deutet  in  seinem  plötzlichen  Auftreten  doch  auf  einen  Wechsel  in 
der  Bauführung  hin,  wofür  auch  die  Mauerverbände  sprechen.  Baer  hielt  den  nord- 
westlichen Teil  mit  diesem  Rankenornament  für  den  älteren,  da  man  wohl,  um  die  alte 
Kapelle  möglichst  lange  zu  erhalten  und  trotzdem  den  Altarplatz  nicht  verlegen  zu 
müssen,  im  Westen  zu  arbeiten  begann.  Allerdings  hält  er  auch  die  umgekehrte  Hypo- 


Fig.  204.  Klosterkirche  in  Gengenbach,  Säulenkapitelle. 


these  für  gerade  so  wahrscheinlich,  und  in  der  Tat  scheint  es  mir  plausibler,  daß  man 
zunächst  für  den  Altar  das  neue,  würdige  Haus  schuf,  also  die  Ostpartie,  womit  auch  das 
primitivere  Schachbrettornament  älter  wäre  als  das  feinere  Rankenornament.  Von  der 
legendären  und  ganz  unwahrscheinlichen  erstmaligen  Reform  direkt  von  Hirsau  aus 
i.  J.  1094,  mit  der  auch  Baer  operiert,  müssen  wir  nach  Sauers  Darlegungen  absehen. 
Erst  Abt  Friedrich  (gest.  1120),  von  S.  Georgen  stammend,  reformierte  das  Kloster  nach 
den  Hirsauer  Grundsätzen.  In  diese  Zeit  oder  kurz  nachher,  also  in  die  erste  Hälfte 
des  12.  Jhs.,  werden  wir  demnach  unseren  Bau  zu  setzen  haben.  Überall  zeigt  er  den 
Anschluß  an  das  schwäbische  Vorbild.  Die  Säulen  sind  durchaus  in  hirsauischem  Sinne 
gebildet,  wie  das  Würfelkapitell  mit  dem  halbkreisförmigen  Schilde,  dessen  doppelter 
Umrahmung  (s.  Fig.  204)  und  der  einfachen  Schräge  zeigt.  Der  Halsring,  welcher  den 
Übergang  zum  Schaft  vermittelt,  findet  sich  ebenfalls  in  der  Peterskirche  in  Hirsau,  auch 
die  steile  attische  Basis,  das  Eckblatt  aber  erinnert  an  die  ebenfalls  der  Hirsauer  Bau- 


25: 


378 


KREIS  OFFENBURG. 


Äußeres 


schule  angehörige  Kirche  in  Alpirsbach.  Die  Säulen  (s.  Fig.  205)  sind  nicht  so  schlank 
wie  diese,  aber  schlanker  als  diejenigen  in  Hirsau.  Es  darf  zum  Schluß  nicht  übersehen 
werden,  wie  das  Rankenornament  am  Gesims  als  fortlaufend,  an  den  Kämpfern  mit  einer 
geschickten  leisen  Abänderung  als  in  sich  geschlossenes  Ornament  behandelt  ist.  Auch 
möchte  ich  darauf  hinweisen,  daß  in  dies  Ornament  an  der  nordwestlichsten  Säule  und 
dem  darauffolgenden  Wandpfeiler  Tierkörper  hineinkomponiert  sind. 

Die  Kirche  war  ursprünglich  mit  flacher  Decke  gedeckt,  welche  die  große  Restau- 
ration unter  dem  damaligen  erzbischöflichen  Baudirektor  Meckel  in  den  letzten  Jahren 

des  19.  Jhs.  wider  rekonstruiert  hat.  Die 
beiden  verlängerten  Seitenschiffe  neben  dem 
Chor  haben  ihr  spätgotisches  Rippengewölbe 
vom  Ende  des  16.  Jhs.  behalten;  die  Rippen 
zeigen  die  trockene  Profilierung  der  Spätzeit, 
an  dem  einen  Schlußstein  das  Wappen  des 
Erbauers,  des  Abtes  Joh.  L.  Sorg,  und  die 
Jahreszahl  1589.  Dagegen  wurde  die  ge- 
samte Barockstuckdekoration  der  Decken  etc. 
herausgerissen. 

Die  spitzbogigen  Fenster  der  Seitenschiffe 
verdanken  dem  Lichtbedürfnis  des  späteren 
Mittelalters  ihre  Entstehung,  ebenso  das 
Fenster  an  der  nördlichen  Westwand  und  das 
in  der  Chorapsis.  In  den  Stürmen  des  1 7.  Jhs. 
waren  Dach  und  Hochmauern  des  Mittelschiffs 
offenbar  einem  Brande  zum  Opfer  gefallen, 
man  baute  sie  wieder  auf  (noch  ist  die  An- 
satzlinie deutlich  zu  erkennen),  natürlich  mit 
zahlreicheren,  rundbogigen  Fenstern  (Fig.  206). 
— In  die  Ecke  der  nördlichen  Seitenschiff- 
und  Querschiffmauer  ist  im  iö.Jh.  die  Kapelle 
des  heiligen  Grabes  eingefügt  worden,  deren 
Beschreibung  unten  folgt,  gegenüber  an  der 
Südseite  eine  Kapelle  der  Barockzeit. 

Die  fünf  Konchen  sind  zum  Teil  auf  den 
alten  Grundmauern  errichtete  Ergänzungen 
des  19.  Jhs.  Durchaus  alt  die  Apsis  des  verlängerten  nördlichen  Seitenschiffs  und  die 
dem  südlichen  Querschifif  vorgelagerte.  Die  Apsis  des  Hochchors  selber  scheint  mir  in 
gotischer  Zeit  verändert,  aus  ursprünglich  rundem  Grundriß  polygonal  gestaltet  worden 
zu  sein.  Ihr  Gewölbe  erhielt  sie  bei  der  letzten  Restauration,  welcher  auch  die  Apsis 
am  nördlichen  Querschiff  und  die  des  verlängerten  südlichen  Seitenschiffs  angehören. 
Bei  dieser  Renovation  ist  auch  der  im  18.  Jh.  höher  liegende  Boden  des  Chors  abge- 
tragen worden. 

Das  Äußere  der  Kirche  ist  von  großer  Schlichtheit,  schlichter  noch,  als  es  die 
Gewohnheit  der  Schule  verlangte ; darin  der  Alpirsbacher  Kirche  verwandt.  Etwas  reicher 


Fig.  205.  Klosterkirche  in  Gengenbach, 
Säule  im  Langhaus. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


379 


ist  die  Ostpartie  ausgebildet  (s.  Fig.  207).  Unter  den  Fenstern  zieht  sich  ein  Gurtgesims 
hin,  das  an  der  Hauptapsis  um  sechs,  an  den  beiden  Nebenapsiden  um  zwei  mehrkantige 
kleine  Wandpfeiler  kapitellartig  verkröpft  ist,  welche  Kapitelle  entweder  dreieckförmig 


gestaltet  und  mit  Rosetten  u.  a.  verziert  oder  prismatisch  gebrochen  sind.  An  der  Seiten- 
apsis endigen  sie  in  einem  zapfenförmigen  Aufsatz.  Aus  dem  Sockel  wachsen  sie  auf 
ziemlich  hohen,  polygonalen  Basen  auf,  die  merkwürdige  Eckblätter  an  der  Plinthe  auf- 
weisen. Baer  und  Baumgarten  haben  diese  Dekoration  als  ursprünglich  hingenommen, 


. 206.  Klosterkirche  in  Gengenbach,  Querschnitt. 


38° 


KREIS  OEKENBURG. 


Fig.  207 . Ostteile  der  Klosterkirche  in  Gengenbach. 

mir  scheint  sie  um  das  J.  1100  unmöglich.  In  der  Tat  sind  auch  die  Reste  der  alten 
Dekoration  (s.  Fig.  208)  stehen  geblieben,  nämlich  die  runden  Halbsäulen  auf  echt 
romanischen,  attischen  Basen,  da,  wo  die  Apsiden  Zusammenstößen,  die  heute  als 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


381 


Stümpfe  ohne  Kapitell  endigen.  Ob  diese  Teile  nicht  fertiggestellt  waren  oder  aus 
welchen  Gründen  hier  eine  Änderung  stattfand,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Auf  der 
bis  zu  etwa  3 m Höhe  stehen  gebliebenen  Mauer  der  Hauptapsis  hat  man  in  der  gotischen 


Fig.  20S.  Untere  Dekoration  der  Klosterkirche  in  Gengenbach. 


382 


KREIS  OFFENBURG. 


Westfassade 


Scheu  vor  dem  einfachen  Rund  den  heutigen  polygonalen  Abschluß  aufgeführt,  wie  auch 
in  Alpirsbach.  Da  ich  nun  keinen  vernünftigen  Grund  sehe,  warum  die  Barockzeit  gerade 
die  heute  auf  zweifellos  vorhandenen  Grundmauern  erneuerten  zwei  Apsiden  hätte  weg- 
schlagen sollen,  so  glaube  ich  daraus  entnehmen  zu  sollen,  daß  sie  nie  ausgeführt,  daß 

die  Ostteile  also  nicht 
fertiggestellt  waren.  Den 
Formen  nach  im  13.  Jh. 
in  früher  Gotik  hat  man 
die  drei  angefangenen 
Apsiden  vollendet. 

Auch  die  West- 
fassade (s.  Fig.  209) 
hat  manche  Eingriffe 
dulden  müssen.  Im  Erd- 
geschoß ist  sie  durch 
Lisenen  in  fünf  Bogen- 
felder geteilt,  in  deren 
mittlerem  das  Haupt- 
portal, dessen  romanische 
Formen  durch  die  Vor- 
halle zerstört  oder  ver- 
deckt sind.  Die  Lisenen 
gehen  in  rundem  Wulst 
in  die  Wand  über,  die 
zwei  das  Hauptportal 
flankierenden  tragen  als 
Kämpferstück  je  einen 
liegenden  Löwen  (siehe 
Fig.  210),  der  anschei- 
nend nicht  hierher  paßt, 
da  der  Blendarkade  ein 
schmaleres  Stück  ent- 
sprechen würde  und  der 
eine  Löwe  ersichtlich 
später  abgehauen  ist. 
Der  Sockel,  aus  Wulst 
und  einem  Plättchen 
bestehend,  zieht  sich 
um  den  ganzen  Bau 
herum.  An  der  Nordseite,  sofort  bis  der  Westecke,  ist  er  von  einem  rundbogigen, 
typisch  romanisch  profiliertem  Portal  unterbrochen.  Dessen  Gestalt  allein  bewiese  schon 
seine  Ursprünglichkeit,  dann  aber  auch  die  alte  Abarbeitung  des  Sockels,  der  sich  jenseits 
der  Türe  fortsetzt.  Die  Existenz  dieses  Portals  deutet  nicht  notwendig  darauf,  daß  der 
Zugang  von  Norden  her  zum  westlichen  Hauptportal  durch  eine  Mauer  gesperrt  war,  wie 
Baum  garten  meint. 


Fig.  209.  Westfassade  der  Klosterkirche  in  Gengenbach. 


AMT  OFFENBURG. 


GENGENBACH. 


383 


In  dem  nördlichsten  Bogenfeld  der  Fassade  ist  ein  gotisches  Fenster  eingebrochen  mit 
heute  neuem  Maßwerk,  an  dem  südlichsten  Felde  eingeritzt  die  Vorzeichnung  (s.  Fig.  211) 
eines  hochgotischen  Fenstermaßwerkes,  das  in  vergrößertem  Maßstabe  hier  angebracht 
werden  sollte.  Das  jetzige  Barockportal  ist  durch  einen  Vorbau,  eine  Art  Windfang,  mit 
Kupferwalmdach  und  Kompositpfeilern  an  den  Ecken  geschlitzt.1)  In  dem  Bogenfeld  neben 


Fig.  210.  Westfassade  der  Klosterkirche  in  Gengenback,  Kämpferstiick  am  Hauptportal. 


MTElKiKCHE  QEN6ENBACH- 
IN  PEN  STUN  QERÜzTES  FEN- 
STERMA5SWERK  ZWISCHEN 
TURM  UND  HAUPTElNqANi 


dieser  Vorhalle  ist  das  romanische  Relief  eines  Adlers  eingemauert  (s.  Fig.  212).  Uber 
diesem  Erdgeschoß  zieht  sich  eine  gotische  Wasserschräge  hin,  die  zwischen  den  zwei 
romanischen  Rundfenstern  zur  Sohlbank  der  Nische  emporsteigt.  Die  Mittelsäulchen  der 
gekuppelten  Rundbogenfenster  haben  steile  attische  Basen  und  weit  vorladende  Kapitell- 
stücke. Zwischen  den  Fenstern  (s.  Fig.  2 1 3)  spannt  sich  ein  Blendrundbogen  über  die  flach- 
bogige  Nische,  in  der  jetzt 
eine  geringe  Barockfigur  der 
thronenden  Madonna  mit  dem 
Kinde  angebracht  ist.  Im  Giebel 
der  Kirche,  hoch  oben  in 
einer  rundbogigen  Nische,  die 
romanische  Figur  einer  thronen- 
den Maria  mit  dem  bekleideten,  segnenden 
Kinde  auf  einem  Thron,  der  von  romanischen 
Säulen  gestützt  ist  (s.  Fig.  214);  eine  etwas 
ungefüge  Figur,  die  noch  die  Form  des  ur- 
sprünglichen Steinblocks  verrät.  Der  auf  der 
Wasserschräge  über  der  mittleren  Lisene  der 
nördlichen  Fassadenseite  ansetzende,  jetzt 
zwecklose  Wandpfeiler  scheint  mir  nicht,  wie 

Baumgarten  meint,  auf  die  möglicherweise  ja  vorhandene  Vorhalle  zu  deuten,  viel- 
mehr hatte  er  vor  der  späteren  zweimaligen  Erhöhung  der  Kirche,  etwa  in  Bezug  auf  die 
niedriger  ansetzenden  Pultdächer  der  Seitenschiffe,  eine  andere  heute  nicht  mehr  erkenn- 
bare Funktion.  Auf  dem  First  eine  spätgotische  Laterne,  deren  Spitzgiebel  jetzt  leider 
abgebrochen  ist.  Wie  aus  der  Beschreibung  hervorgeht,  ist  die  Fassade  in  gotischer 
Zeit  erstmals  verändert  worden  durch  Einbrechen  von  Fenstern,  Hinzufiigung  eines 
Gurtgesimses  sowie  der  Laterne;  die  Barockzeit  fand  die  Fassade  in  durch  die  Franzosen- 

*)  Eine  Jahreszahl,  von  der  Baumgarten  spricht,  konnte  ich  an  ihm  nicht  entdecken.  Die 
Kapitelle  der  Pfeiler  sind  aus  Holz. 


Fit 


Fenstervorzeichnung  an  der  Kloster- 
kirche in  Gengenbach. 


3^4 


KREIS  OFFENBURG. 


Paradies 


Türme 


kriege  sehr  ruiniertem  Zustand,  sie  hat  dieselbe  wieder  geflickt,  die  wo  anders  her- 
stammenden Reliefs  hier  verwendet  und  den  Vorbau  vorgelegt. 

Ob  sie  die  romanische  Vorhalle  oder  das  Paradies  erst  beseitigt  hat,  oder  schon 
die  Gotik,  können  wir  heute  nicht  mehr  bestimmen.  Daß  ein  solches  vorhanden  war, 
hat  sich  durch  Grabungen  bei  der  Restauration  gezeigt.  Bedauerlicherweise  existieren 
davon  keine  Aufnahmen.  Nach  den  Berichten  fanden  sich  den  Arkaden  des  Langhauses 
entsprechende  Fundamentmauern,  die  auf  eine  Dreischiffigkeit  desselben  hindeuten.  Es 
mag  dieselbe  Breite  gehabt  haben  wie  in  Alpirsbach  und  flachgedeckt  gewesen  sein ; der 
einzige  Rest  sind  jetzt  die  Blendarkaden. 

Das  Material  der  Fassade  besteht  unten  aus  gut  behauenen  Sandsteinquadem ; 
oben  aus  ebensolchen,  untermischt  mit  geringeren  Werkstücken,  was  auf  eine  einstmalige 
Ausbesserung  hinweist. 

Ein  Bild  des  Klosters  und  der  Kirche  finden  wir  auf  dem  Altarblatt  der  Einbethen- 
kapelle. Es  entstammt  derZeit  um  1 690  und  zeigt  die  Kirche  mit  zwei  westlichen  Fassaden- 
türmen.')  Die  Richtigkeit  dieser  Angabe  ist  bezweifelt  worden;  wie  Baer  behauptet, 

hätten  Nachgrabungen  nichts  entdeckt.  Ich  kann  letztere 
Angabe  nicht  nachkontrollieren.  Weniger  wichtig  ist  das 
Fehlen  einer  Notiz  über  schon  existierende  Türme  in  dem 
von  Baum  garten  publizierten  Protokoll.  Denn  daß 
mindestens  ein  Turm  wenigstens  in  Anfängen  in  gotischer 
Zeit  bestanden  hat,  das  beweist  mir  der  heutige,  der  auf 
seinen  Grundmauern  emporgefiihrt  ist;  ich  kann  mir  den 
heutigen  Befund  nicht  anders  deuten.  Der  Turm  ist  in 
die  Südwestecke  der  Kirche  hineingebaut,  der  westlichste 
Pfeiler  der  Mittelschiffarkaden  wurde  nach  1690  zu 
einem  kräftigen  Unterbau.  Das  Erdgeschoß  öffnet  sich  im 
Rundbogen  in  die  Kirche.  Sein  Licht  erhält  es  durch  ein 
spätgotisches  Spitzbogenfenster.  In  drei  Stockwerken  steigt  der  Turm  auf. 
Ein  kräftiger  Sockel  der  Barockzeit  mit  an  den  Ecken  verkröpftem  Wulst  umgibt  ihn. 
In  den  zwei  unteren  Stockwerken  dorische,  im  dritten  ionische  Pilaster  tragen  das  ver- 
kröpfte  Gebälk.  Darüber  ein  Achteckgeschoß  mit  bauchigen  Vasen  an  den  freibleibenden 
vier  Ecken  des  Unterbaues ; die  langgestreckten  Fenster  sind  von  einem  Wulst  umzogen 
und  durch  Kompositpilaster  getrennt,  darüber  ein  Zwiebeldach  mit  Laterne.  Im  Innern 
finden  sich  nun  über  dem  Erdgeschoß  Konsolen  der  Renaissancezeit  mit  hier  aber 
nicht  Müllenheimischen  Rose,  einer  Hausmarke  und  einem  anderen  undeutlichen  Zeichen, 
eine  Nische  im  flachen  Eselsrückenbogen  und  die  Spuren  einer  Tür.  Alles  deutet  darauf 
hin,  daß  bereits  im  16.  Jh.  ein  Bau  bestanden  hat.  Das  Spitzbogenfenster  erscheint  mir 
nach  1669,  wenn  auch  möglich,  so  doch  nicht  wahrscheinlich. 

Die  für  den  Turmbau  wichtige  Stelle  in  den  Annalen* 2)  lautet  über  das  Jahr  1669: 
»Proposuit  abbas,  utrum  consultum  iudicarent,  ut  nova  extrueretur  turris  pro  campanis 
nostris,  eo  quod  turris  illa  lignea  supra  chorum  posita,  ob  vetustatem  esset  necessario 
deicienda?  Conclusum  et  resolutum  novam  turrim  aedificandam,  si  rev.  sciat,  adesse 
sufficientia  media  pro  perficic’ido  tali  opere.  Turrim  deinde  abbas  a dextro  latere 


Fig.  212.  Adler,  Relief  an  der 
Klosterkirche  in  Gengenbach. 


*)  Auch  ein  im  Privatbesitz  befindliches  gleichzeitiges  Gemälde  zeigt  die  zwei  Türme. 

2)  Z.  NF.  8,  S.  474. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


385 


maioris  portae  ecclesiae  in  ingressu  coepit  extruere,  quam  et  perfecit,  sed  parum 
firmam,  quia  non  ex  fundamento,  sed  solum  supra  muros  ipsius  ecclesiae,  alias  debiles 
et  non  3 pedes  geometricos  latos  collocavit,  dissuadente  p.  priore  cum  toto  conventu ; 
manifeste  cuim  videbatur  res  valde  pericolosa  et  opus  non  diu  duraturum.«  Dazu 
bemerkt  Ziegler  (s.  daselbst)  später:  »Turris  ista  post  incendium  a.  1689  toti  mona- 
sterio  et  ecclesiae  nostrae  illatum,  deiecta  fuit  totaliter,  quia  minabatur  ruinam,  quia 
columna  illa  lapidea,  cui  turris  ex  una  parte  inuitebatur,  notabiliter  ex  incendii 
vehementia  destructa  et  exusta  fuit  ....  Hoc 
anno  turris  nova,  ut  supra  dictum  fuit,  aedificari 
coepta  est.« 

Wir  entnehmen  daraus,  daß  ein  hölzerner 
Dachreiter  auf  der  Vierung  saß,  der  aber  wegen 
seines  Alters  nicht  mehr  genügend  schien.  Man 
schritt  deshalb  1669  zu  einem  neuen  Turmbau, 
wobei  man  wohl  die  Reste  des  schon  vor- 
handenen Turmes  benutzte.  Auf  besondere 
Fundamentierung  verzichtete  man,  der  Turm 
ruhte  mit  seiner  Nordostecke  also  auf  dem 
nicht  verstärkten  östlichsten  Langhauspfeiler. 

Bei  dem  Brand  von  1689  hat  natürlich  auch  der 
Turm  sehr  gelitten.  Die  ungenügende  Funda- 
mentierung schien  deshalb  besonders  gefährlich, 
hauptsächlich  der  Pfeiler  hatte  gelitten,  und  so 
ging  man  an  seine  Abtragung.  Zunächst  er- 
richtete man  über  dem  Chor  wieder  einen 
Dachreiter,1)  am  23.  Oktober  wurde  der  Knauf 
mit  dem  Kreuz  aufgesetzt.  Auf  den  Stichen 
des  18.  Jhs.  wie  einer  kleinen  Zeichnung  von 
1825,  im  Besitze  des  Freifräuleins  von  Löwen- 
berg, ist  er  mit  seinem  Zwiebeldach  noch  zu 
sehen.  Der  Aufbau  des  großen  Turmes  stand 
wohl  wegen  Geldmangels  noch  einige  Zeit  an. 

1711  verkaufte  das  Kloster  das  Dornblüthsche 
Erbe,2)  ein  großes  Haus  und  viele  Matten  und 
Reben ; die  dafür  erlösten  4000  fl.  wurden  für 
den  Turm  verwendet.  Seine  Errichtung  wird 

wesentlich  dem  Klosterbruder  Nazarius  Pistorius  verdankt,  einem  der  Schriftsteller  des  oft- 
zitierten Protokolls,  der  ihn  bis  zur  Höhe  des  Klosterdaches  aufführte.  Sein  schrift- 
stellerischer Nachfolger  Dornblüth,  der  dies  berichtet,  drückt  seine  Verwunderung 
darüber  aus,  daß  der  Turm  so  auf  die  Seite  gestellt  wurde  und  nicht  in  die  Mitte,  gleich- 
sam als  ob  zwei  Türme  projektiert  gewesen  wären,  was  nicht  ganz  unwahrscheinlich 
erscheint.  Das  öfter  erwähnte  Altarbild  gäbe  dann  eine  Darstellung  des  Gewollten, 
nicht  des  Ausgeführten.  Allerdings  fügt  Dornblüth  als  eigenliche  Erklärung  hinzu, 

x)  Z.  NF.  8,  S.  672. 

2)  Ebenda  S.  694. 


Fig.  213.  Fenster  von  der  Fassade  der  Abtei- 
kirche in  Genzenbach. 


386 


KREIS  OFFENBURG. 


JT5TE! Kirche  zu 

isWENDAG-h 

ROMAN-MApONA- 


daß  der  Graf  Prosper  von  Fürstenberg  den  Abt  überredet  hätte:  »ut  parvam  istam 
turrim  lapideam  gothico  constructam  ceu  insignem  antiquitatem  conservaret«.  Darunter 
werden  wir  wohl  die  ehemals  sicher  sehr  elegante  gotische  Laterne  auf  dem  Westgiebel 
zu  verstehen  haben  und  können  somit  das  kunsthistorische  Verständnis  des  Grafen 
bewundern.  Auf  Betreiben  des  Anselm  Bender  wurde  der  Turm  dann  1715  bis  1716 

vollendet,  wozu  er  allerhand  Klostergut 
zu  Schleuderpreisen  verkaufte  und  das 
Kloster  in  Schulden  stürzte.  Der  Architekt 
des  Turmes  war  Jacobus  Rischer  aus 
Bregenz,  damals  kurpfälzischer  Kirchen- 
baudirektor (architectus  administrationis 
ecclesiasticae  electoratus  palatini).  Wir 
werden  sehen,  daß  auch  bei  Kirche  und 
Kloster  Bregenzer  Künstler  die  Aus- 
führung hatten,  wieder  ein  Beitrag  zu  der 
künstlerischen  Herrschaft  dieser  Algäuer 
Architektenschule  über  ganz  Süddeutsch- 
land. Der  Knauf  des  Turmes  war  aus 
vergoldetem  Kupfer,  das  Kreuz  hat  der 
Laienbruder  Jakob  Heimb  verfertigt. 
(Fig.  215.) 

Die  Betrachtung  des  Turmbaues 
hat  unserer  sonstigen  Darstellung  etwas 
vorgegriffen.  Wir  kehren  zu  dem  hohen 
Mittelalter  zurück.  Die  frühe  Gotik  hat, 
wie  wir  sahen,  nur  am  Chor  einige  Spuren 
hinterlassen.  Im  Laufe  der  kommenden 
Jahrhunderte  mögen  dann  die  Fenster 
der  Westfassade  und  der  Seitenschiffe 
gebrochen  worden  sein.  Einen  größeren 
Neubau  bringt  der  Anfang  des  16.  Jhs. 
Der  Abt  Konrad  von  Müllheim,  nicht 
gerade  löblichen  Angedenkens,  den  sein 
eigener  Prior  und  Konvent  in  den  Kerker 
warfen,  errichtete  1505  die  Kapelle  am 
nördlichen  Seitenschiff,  »sacellum  B.  V. 
Mariae  in  latere  majoris  ecclesiae,  vulgo 
das  Frauen  Cöhrlein,  et  in  eo  sepulchrum 
Christi«,  wie  Gallus  Mezler  berichtet.  Bei  den  Beschwerden  seines  zuchtvergessenen 
Konventes  gegen  ihn  spielte  auch  der  Bau  dieser  Kapelle  eine  Rolle:  er  habe  des 
Klosters  Gut  verschwendet,  »indem  er  ime  selbst  ein  solch  cöstlich  capellen  und 
begrebnuß  gemacht  und  uffgericht  hett«,  anderes  aber  an  der  Kirche  hätte  verwahrlosen 
lassen.1)  Und  in  der  Tat,  Geschmack  muß  der  Abt  gehabt  und  sich  die  besten  Meister, 
wohl  von  Straßburg,  haben  kommen  lassen. 

*)  Ruppert,  Z.  NF.  8,  S.  312. 


Fig.  214..  Romanische  Madonna 
im  Giebel  der  Klosterkirche  in  Gengenbach. 


Fig.  2 iS-  Turm  der  Klosterkirche  zu  Gengenbach. 


Band  VII.  Zu  Seite  386. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


387 


Die  Kapelle  ist  in  die  Ecke  des  nördlichen  Seitenschiffes  und  des  Querschiffes  Marienkapeiie 
eingebaut.  Sie  ist  von  oblongem  Grundriß,  besteht  aus  zwei  Gewölbejochen,  denen 
entsprechend  sie  sich  nach  Norden  in  zwei  hohen  Spitzbogenfenstern  öffnet.  Diese 
Fenster  sind  an  der  Nordseite  einpfostig,  an  der  Westseite  zweipfostig  mit  Fischblasen- 
maßwerk. Ein  hoher  gotischer  Sockel  und  darüber  ein  Kaffgesims  bezw.  eine  Wasser- 
schräge umzieht  die  Kapelle  mit  ihren  zwei  Strebepfeilern,  von  deren  origineller  Eck- 
ausbildung die  Fig.  216  ein  Beispiel  gibt.  Hier  auch  die  Steinmetzzeichen  Fig.  217. 

Die  Kapelle  ])  ist  mit  einem  Netzgewölbe  eingedeckt,  dessen  Rippen  in  üblich  trockener 
Weise  mit  flacher  Hohlkehle  profiliert  sind.  Für  die  Diagonalrippen  schießt  jeweils 
ein  runder,  schlanker  Dienst  auf  steiler  Basis  empor,  der  Übergang  in  die  Rippen  wird 
durch  eindrittellebensgroße  Halbfiguren  der  Propheten  verdeckt,  vorzügliche  plastische 
Werke  im  Stil* 2)  der  späten  Gotik,  aber  aus  dem  19.  Jh.  aus  der  Simmlerschen  Kunstwerk- 
statt. Sie  halten  Spruchbänder  in  den  Händen,  auf 


denen  steht:  Simeon  Luc.  2. 35.  Jesaias53-5.  Jere- 
mias ix.  1.  Daniel  9.  26.  Zacharias  1 2.  10.  Ps  21. 

In  den  Schlußsteinen  einmal  das  Müll- 
heimsche  Wappen,  die  vierblättrige  Rose,  im 
zweiten  ein  silberner  Adler  im  weißen  Feld. 
(Bemalung  neu.) 

Zwischen  den  beiden  Nordfenstern  das 
später  zu  besprechende  h.  Grab.  Denken  wir  uns 
noch  den  ursprünglich  vorhandenen  geschnitzten 
Marienaltar  dazu,  so  erhalten  wir  ein  überaus 
reizvolles  Ganzes,  für  das  wir  dem  Miillenheimer 
dankbarer  sind  als  seine  Mönche  — In  einem 
großen  Spitzbogen  mit  neuem  Gitter  öffnet  sich 
die  Kapelle  gegen  das  Seitenschiff. 


Gegenüber  betritt  man  durch  einen  hohen 


Jlbtei  Kirche  ■ Qenyenbaxh  ■ 
Raster baaK^urte-  Strebe-- 
jofeUerecKe.  ■ 

Fig.  216.  Abteikirche  zu  Gengenbach, 
Eckausbihiung. 


Rundbogen  die  i.  J.  1694  angebaute  Kapelle 
des  h.  Joseph , die  mit  einem  falschen  Kreuzgratgewölbe  eingedeckt  ist.  Der  gleichen 
Zeit  entstammen  auch  die  Räume  an  der  Südseite  des  südlichen  Querschiffs,  von  denen 
einer  in  einem  vierfachen  Kreuzgratgewölbe  auf  Mittelsäule  gedeckt  ist,  sowie  die  an 
den  Turm  und  das  südliche  Seitenschiff  sich  anlegenden  Räume. 

Der  alte  Bau  ist  mit  den  erwähnten  wenigen  Veränderungen  ziemlich  unberührt 
geblieben  bis  1689.  Bei  der  Einäscherung  der  Stadt  litt  die  Kirche  ebenfalls  großen 
Schaden  und  mußte  gründlich  repariert  werden.  In  dem  Mezlerschen  Bericht  heißt  es, 
daß  »alle  Gebäu  sammt  dem  Kloster  und  der  Kirchen  völlig  abgebrannt«.3)  Doch  ist  das 
nicht  so  wörtlich  zu  nehmen.  Wie  man  aus  den  Berichten  über  die  Wiederherstellungs- 
arbeiten sieht,  haben  vor  allem  die  Obermauern,  der  Chor  in  seinen  oberen  Teilen  und 


Kapelle 
des  h Joseph 


*)  Die  äußere  Türe  der  Kapelle  ist  neueren  Datums. 

2)  Wie  mir  Herr  Simmler  so  liebenswürdig  war,  mitzuteilen,  waren  keine  Konsolen  vorhanden, 
d.  h.  also  entweder  abgeschlagen  oder,  was  wahrscheinlicher,  die  Rippen  gingen  ohne  weiteres  in 
die  Wand  über.  An  der  einen  Stelle  war  im  Geschmack  des  18.  Jhs.  ein  Engelskopf  in  Stuck 
vorgeklebt. 

3)  FDA.  XVI,  S.  190. 


388 


KREIS  OFFENBURG. 


die  innere  Ausstattung  gelitten.  1692  wurde,  wie  schon  oben  berichtet,  das  Türmlein 
auf  dem  Chor  erneuert.1)  Im  Sommer  1693  wurde  der  Chor  wiederhergestellt,  die 
Mauer  hinter  dem  Altar  20  Fuß  höher  geführt,  damit  sie  die  Höhe  der  Kirche  hätte, 
d.  h.  also,  für  die  neugeplante  Höhe  des  Langhauses  genügte  der  alte  Chor  nicht  mehr. 
Sämtliche  Fenster  hier  wurden  vollkommen  erneuert.  Diese  Arbeit,  wie  die  der  Reno- 
vation der  ganzen  Kirche,  war  einem  der  bedeutendsten  Künstler  der  Vorarlberger 
Architektenschule  übertragen  worden,  dem  Meister  Franz  Beer.2)  Wir  verdanken  diesem 
glänzenden  Meister  die  Klostergebäude  von  Salem,  die  Kirche  zu  Irrsee  bei  Kaufbeuren, 
die  Kirchen  der  Rheinau,  Münsterlingen,  S.  Urban,  S.  Peter  und  Paul  in  Weißenau  u.  a.  m. 
Die  Gengenbacher  wendeten  sich  also  so  ziemlich  an  den  berühmtesten  Künstler  des 
Oberrheins. 

Am  22.  August  1693  wurde  der  »Hauptverdiing  über  dem  newen  Klosterbaw  deß 
Gottshaus  Gengenbach  abgeschlossen,  mit  dem  ehrevösten  Herrn  Frantz  Behren,  Maurer 


Fig.  21J.  Steinmetzzeichen  an  spätgotischen  Strebepfeilern  und  am  Turmfenster  der  Klosterkirche, 
sowie  am  Niklausturm  und  der  Einbethenkapelle  zu  Gengenbach. 

und  bertiehmten  Bawmeistern  in  dem  Bregentz-Waldt,  Feltktircher  Herrschafift«.  Aus 
diesem  Kontrakt 3)  erfahren  wir  über  die  Arbeiten  an  der  Kirche,  der  Architekt  solle 
»alle  Mauern  des  gantzen  verbrantten  Gottshauß  völlig  niederwerfen  und  dem  Boden 
gleich  abbrechen«.  Das  ist  nun  wieder  nicht  buchstäblich  aufzufassen;  wie  der  Befund 
zeigt,  ist  nur  der  obere  Teil  der  Mauern  an  Langhaus  und  Querschiff,  dann  wohl  die 
ganze  Mauer  des  südlichen  Seitenschiffes  erneuert  worden.  Des  weiteren  sollte  er  bauen 
eine  »newe  Capelle  (wohl  die  S.  Josephskapelle),  welche  den  4.  Theyl  des  Kreützganges 
inne  hat  — der  also  vorhanden  war,  aber  zweifellos  gelitten  hatte  und  wohl  bei  den 
damaligen  Neubauten  verschwand  — , in  der  Länge  99^2,  in  der  Breütte  schüch. 

Endtlichen  den  schadhaften  Kürchengübell  gegen  den  Convent  abzubrechen,  soweit  es 
von  nöthen  sein  würdt,  undt  selbigen  wiederumb  aufführen  mit  einem  gehawenen  Gübell, 


STEINMETZZEICHEN- 


(fpENiqENBACH* 


<atru 


NiHlausturm- 


*)  Baumgarten,  Z.  NF.  8,  S.  672. 

2)  S.  B.  Pfeiffer,  Die  Vorarlberger  Bauschule,  Wiirttemb.  Vierteljahrshefte  NF.  XIII,  S.  31  ff. 

3)  Abgedruckt  in  Z.  NF.  8,  S.  674  f. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


389 


gleichwie  in  dem  Abrüß  zu  ersehen«.  Dies  geschah,  es  ist  der  Giebel  des  südlichen 
Querschiffes,  ein  Volutengiebel  mit  Obelisken  besetzt.  Man  sieht  übrigens  aus  der 
Nachricht,  daß  — naturgemäß  — der  Brand,  vom  Kloster  ausgehend,  vor  allem  die 
Südseite  der  Kirche  getroffen  hat.  1694  am  24.  April  wurde  für  S.  Josephi  et  Joan. 
Baptistae  der  Grundstein  gelegt.1 2)  Außer  Franz  war  auch  noch  ein  Peter  ßaer  hier 
tätig.  Er  hatte  1694  mit  Reparaturen  an  den  Säulen  der  Kirche  zu  tun. 

»Interea  dum  murarius,«  heißt  es,1*)  »inchoabat  ponere  fundamenta  pro  novo  monasterio  nostro, 
honestus  vir  Peter  Beer  quoque  Brigantinus  lapicida,  aptabat  et  quadrabat  lapides  pro  duabus 
rotundis  columnis  ecclesiae  ad  dextram  maioris  portae  ingressus,  iam  ante  incendium  ruinosis, 
per  flammas  vero  magis  laesis,  simul  etiam  pro  quadrata  columna  proximiore  portae, 
eadem  ex  parte  ecclesiae,  quae  in  superiori  parte  notabiliter  destructa  per  flammarum 
vehementiam  fuit.  Pro  dictis  columnis  2 rotundis  et  una  quadrata  reparandis  dicto  lapicidae  dati 
fuere  25  fl. 

Cum  fornix,  quem  columna  haec  quadrata  et  ipsa  ecclesiae  paries  sustenta- 
bant,  necessario  fuerit  reparandus,  et  ad  duorum  pedum  altitudinem  coeterisque  fornicibus  altius 
drigendus,  ut  commodior  esset  ingressus  ad  ambonem  supra  portam  ecclesiae  maiorem  positum,  ubi 
ante  incendium  maius  evectum  stabat  organum,  opus  sane  magnificum,  at  barbaricis  quoque  flammis 
in  cineres  redactum,  r.  n.  pro  labore  et  reparatione  huius  fornicis  praefato  Petro  Beer  18  fl.  ex  solvit.« 

Wir  erfahren  hier  also,  daß  die  beiden  westlichsten  Säulen  der  südlichen  Reihe 
vom  Brand  stark  beschädigt  waren.  Sie  wurden  repariert.  Es  deutet  zunächst  noch 
nichts  auf  den  vollkommenen  Umbau  der  westlichsten  in  einen  Barockpfeiler  hin,  wie 
wir  ihn  heute  sehen.  Auch  der  beschädigte  Pfeiler,  an  dessen  Stelle  heute  der  mächtige 
Turmpfeiler  steht,  wurde,  wie  es  scheint,  nur  geflickt,  sein  Bogen  erhöht,  um  einen 
leichteren  Zugang  zu  der  hier  vorhandenen  Orgelempore  zu  gewinnen.  Dabei  ist  noch 
nicht  die  Rede  von  der  Rücksicht  auf  einen  Turmbau.  Die  obencitierte  Notiz,  daß 
der  Turm  1689  begonnen,  ist  also  mißverständlich;  erst  im  Verlauf  der  Wieder- 
herstellungsarbeiten nach  i6q4  scheint  man  an  diesen  gegangen  zu  sein. 

Derselbe  Peter  Beer  hatte  die  Marienkapelle  mit  dem  h.  Grab  zu  reparieren:  »ab 
ignibus  foede  fuerit  deformatum  ipsumque  altare  quoque  in  cineres  abierit«.  Er  solle, 
heißt  es  in  dem  Vertrag,  3)  alle  zersprungenen  Steine  und  die  Zieraten  am  Grab  Christi 
mit  Gips  sauber  ausbessern:  »Zum  andern  solle  Meister  Peter  in  dieser  Kapellen  ein 
sauberen,  zierlich  wohlstehendten  altar  (darin  2 Altarblättlein  kommen)  dem  gegeben 
Rüss  gemäss  von  giipss  oder  Stuckhathurarbeit  auf  das  zierlichste  aussförttigen  undt 
stellen.  Ahn  dem  gedachten  Altar  sollen  die  Säullen  undt  was  sonster  leiden  mag,  aus 
rothe  Marmorsarth  ausgearbeitet  werdten,  alles  nach  des  Meisters  besten  Vermögen.  Für 
diesse  seine  Arbeit  würdt  ihme  versprochen  des  Tags  7 ß 6 -A,  der  Tüsch  in  dem  Convent, 
umb  jedes  mahl  ein  halbmass  Wein.«  — 1715  wurde,  wie  oben  erwähnt,  das  Kreuz 
und  der  Knauf  auf  den  Turm  aufgesetzt,  der  also  wohl  in  den  Jahren  vorher  vollendet 
worden.  Auch  sein  Architekt  stammte  aus  der  Vorarlberger  Bauschule,  es  war  Jakob 
Rischer  »Brigantinus«,4)  und  so  erinnert  denn  auch  der  Turm  in  seinem  geschilderten 
Schema  an  die  Turmbauten  dieser  Meister  in  der  Schweiz  und  Schwaben.  Ich  glaube, 
daß  er  mit  dem  Offenburger  Kirchturm  das  Muster  für  die  ganze  Umgegend  gab,  ja, 

J)  Z.  NF.  8,  S.  677. 

2)  Ebenda  S.  678/679. 

3)  Z.  NF.  8,  S.  679. 

4)  Wohl  der  in  dem  citierten  Aufsatz  Württemb.  Vierteljahrshefte  NF.  XIII,  1904,  unter  Nr.  94 
genannte  Johann  Jakob  Ruscher. 


39° 


KREIS  OFFENBURG. 


Ausstattung 


ich  möchte  vermuten,  daß  die  beiden  Meister,  Beer  und  Rischer,  während  ihrer  Tätigkeit 
in  Gengenbach  vielfach  von  den  umliegenden  Orten  bei  ihren  damaligen  Neubauten  um 
Rat  gefragt  wurden. 

Nach  Vollendung  der  Bauten  schritt  man  wohl  an  die  Ausstattung.  Die  Säulen 
waren  mit  Backstein  verkleidet  und  mit  Stuck  überzogen  worden ; dem  Geschmack  der 

Zeit  entsprechend  hat  man 
sie  uniform  zu  Pfeilern  ge- 
staltet. Ob  das  schon  zu 
Zeiten  Beers  geschah,  muß 
nach  obiger  Notiz  über  die 
Restaurierung  der  Säulen 
zweifelhaft  erscheinen. 
Möglich  also,  daß  die 
gesamte  Innendekoration 
nicht  mehr  den  Bregenzer 
Baumeistern  zu  verdanken 
war.  Sie  ist  bei  der  letzten 
Restauration  vollständig 
wieder  zerstört  worden, 
wogegen  ich  hier  nichts 
sagen  mag;  bedauerlicher- 
weise hat  man  sie  vorher 
nicht  aufgenommen,  min- 
destens habe  ich  keine  Auf- 
nahmen auffindig  machen 
können,  außer  ein  paar 
zufälligen,  aber  verdienst- 
vollen des  Photographen 
Schöndienst  in  Gengen- 
bach. Nach  diesen  ver- 
suche ich,  eine  Andeu- 
tung dieser  Ausstattung  zu 
geben.  Den  auf  obige  Weise 
hergestellten  Pfeilern  hatte 
man  schlichte  Kämpfer  ge- 
geben, über  ihnen  gingen 
Lisenen  in  die  Höhe,  die 
Fig.ziS.  Der  Chor  der  Klosterkirche  injGengetibach  vor  der  Restauration,  in  einem  verkröpften  Ge- 
sims endigten,  welches  das 

romanische  Gurtband  zudeckte.  Auf  mit  Eierstab  verzierten  Konsolen  setzte  das 
Rippengewölbe  an,  in  der  Tat  ein  Tonnengewölbe  mit  einschneidenden  Kappen  und 
angeklebten  Rippen.  Überall  wurden  in  den  erneuerten  Mauern  die  Rundbogenfenster 
angebracht.  Außerdem  scheinen  an  verschiedenen  Orten  Statuen  aufgestellt  worden  zu 
sein-  näheres  konnte  ich  darüber  nicht  mehr  feststellen. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH.  39  X 

Altäre  besaß  die  Kirche  in  wechselnder  Anzahl.  1656  wird  die  Errichtung  eines 
Altars  verlangt  »mit  dem  Bildnis  der  Maria  und  einerseits  des  h.  Dominicus,  anderer- 
seits des  h.  Benedikt  im  großen  Chor  vor  dem  Fronaltar  für  die  damals  neu  gegründete 
Rosenkranzbruderschaft«.1)  Bei  der  Renovation  1669  wurden  die  Altäre  teils  erneuert, 
teils  entfernt.  So  verschwanden  bei  der  Abtragung  des  Lettners  vier  Altäre:  »S.  Catha- 
rinae,  quod  proxime  sacellum  b.  M.  virginis  positum ; altare  Rosarii,  quod  antea  venerabilis 
sacramenti  dicebatur,  in  medio  ecclesiae  collocatum,  adhaerens  fastigio  ; altare  apostolorum 
prope  imaginem  dolorosae  matris  in  pariete,  et  baptisterium  inter  columnam  et  parietem ; 
quartum,  collocatum  in  fastigio,  s.  cruci  sacrum.«2)  Wir  hören  dann  von  der  Errichtung 
zweier  Altäre  an  der  Stelle  des  alten  Lettners  »ad  columnas  choro  proximas,  tarnen 
extra  chorum,  uti  antea  erectum  stabat  fastigium«.  Nach  der  obenberichteten  Erhöhung 
des  Chors  wurde  der  Hochaltar  einen  Schritt  näher  an  die  Mauer  gerückt,  damit  er  von 
den  neu  eingebrochenen  Fenstern  besser  beleuchtet  würde.  Dasselbe  Schicksal  hatten 
die  Altäre  des  h.  Benedikt  und  der  h.  Scholastika.  Am  8.  September  1669  hat  dann  der 
Straßburger  Generalvikar  und  Suffragan  Gabriel  Haug  drei  Altäre  geweiht : »in  mirum 
maius  seu  summum  et  sacri  rosarii  et  s.  Josephi«.3)  Daraus  geht  doch  hervor,  daß  auch 
der  Hochaltar  nicht  zurückgerückt,  sondern  ganz  neu  hergestellt  war,  es  heißt  auch : 
»destructum  seu  amotum«.  Seine  alten  Reliquien  wurden  wieder  in  ihm  verschlossen. 
Am  folgenden  Tage  wurden  zwei  weitere  Altäre  geweiht,  der  eine  in  sacello  D.  Benedicti, 
der  andere  in  sacello  S.  Scholasticae.4)  1671  führte  der  Prior  Thalmann  die  Bruder- 
schaft zum  kostbaren  Blut  ein;  1672  wurden  in  großartigem  Aufzug  die  Reliquien  des 
h.  Nazarius  und  anderer  Heiligen  übergeführt,  wobei  bildliche  und  scenische  Darstellungen 
das  Ereignis  verherrlichten.  Nach  der  Einäscherung  durch  die  Franzosen,  bei  der  mit 
Ausnahme  des  Altars  des  h.  Benedikt  alle  Altäre  zerstört  wurden,  ging  man  an  die  Wieder- 
aufrichtung. Um  bei  den  schlechten  Zeiten  die  Gebühren  der  Altarweihen  dem  Kloster  zu 
sparen,  bat  der  Abt  Thalmann  unter  Darlegung  der  traurigen  Verhältnisse  beim  Papst  um 
die  Erlaubnis,  die  Altäre  selbst  weihen  zu  dürfen,  zumal  da  der  Suffragan  des  nun  fran- 
zösischen Bischofs  es  nicht  wagte,  kaiserliche  Gebiete  zu  betreten.  Er  erhielt  die  Erlaubnis 
für  diesmal,  und  nun  wurden  1692  sechs  Altäre  errichtet  »de  novis  lapidibus  seu  tabulis« 
und  am  30.  September  geweiht:  1.  Altare  in  medio  navis  ecclesiae  extra  chorum  in 
honorem  s.  Fortunati.  2.  A cornu  evangelii  extra  chorum  in  honorem  sacratissimi 
rosarii  Patronae.  3.  A cornu  epistolae  extra  chorum  antea  s.  Josephi  consecratum  in 
honorem  s.  crucis  et  dolorosae  societatis.  4.  In  sacello  s.  Annae  in  honorem  s.  Joachim. 
5.  In  sacello  Beatae  Virginis  in  latere  maioris  ecclesiae  olim  a.  d.  Conrado  de  Mülheim 
ca.  a.  1505  erecto,  in  honorem  s.  Mariae  virginis.  6.  In  sacello  s.  Scholasticae.5)  Einige 
Reliquien  dafür  lieferte  das  befreundete  Einsiedeln.  Im  J.  1693  wird  der  Hochaltar 
bezw.  die  Mensa  desselben  errichtet  (erectus  stipitique  superimpositus  fuit).  Als  Abt 
Thalmann  stirbt,  wird  in  der  Notiz  über  ihn  gesagt,  daß  er  acht  Altäre  geweiht  habe. 

Der  Aufbau  über  der  Mensa  des  Hochaltars  wurde  i.  J.  1723  errichtet:  »Dieses 
Jahr  ist  auch  der  newe  Hohe  Chor-Altar  von  Gibbs-Marmor  verfertigt  und  das  zierliche 

x)  Z.  NF.  8,  S.  459. 

2)  a.  a.  O.  S.  474. 

3)  a.  a.  O.  S.  475. 

4)  a.  a.  O.,  auch  über  die  Reliquien  der  Altäre. 

5)  a.  a.  O.  S.  670. 


Altäre 


Band  VII. 


26 


392 


KREIS  OFFENBURG. 


Blatt  nativitatis  B.  virginis,  so  anjetzo  eingangs  der  Kirch  auf  der  Seithen  bei  der  Sakristey 
hangt,  von  d.  r.  Paulo  Seeger,  moderno  (1726  bis  1743)  r.  d.  abbate,  zu  Donaueschingen, 
woselbst  er  pro  tempore  sacellanus  anticus  were,  gemahlt,  der  Tubemackhul  aber,  so 
nun  annoch  auf  dem  Altar  stehet,  von  dem  hiessigen  Bildhauer  auff  abermahlige  recom- 
mendation  P.  Joachimi  seines  Schwagers  schlecht  genug  um  60  fl.  gemacht  worden.  Das 
Fassen  dieses  Altars  aber  käme  nebst  der  Kost  drei  Arbeitern,  die  sie  über  10  Wochen 
protrahirten,  in  Verding  auf  90  fl.  Weichergestalten  aber  ersagter  Newer  Chor-Altar  in 
anno  1730  um  wegen  der  Commodität  des  Newen  Chorgestühls  und  Orgel  widerumb 


Fig.  31C).  Ehemaliges  Chorgestühl  und  Orgel  in  der  Klosterkirche  zu  Gengenbach. 

cassirt,  und  wie  derselbige  zuvor  dahier  verdingt  und  verfertigt  worden  seye,  ist  in  meo 
protocollo  cancellariae  de  anno  1622  zu  ersehen.« 

Wie  dieser  Hochaltar  in  seiner  letzten  Form  war,  können  wir  nach  einer  Schön- 
dienstschen  Photographie  ungefähr  sagen.  Es  war  ein  leichter  Aufbau  von  Säulen  mit 
verkröpftem  Gebälk,  auf  dem  Putten  saßen,  zwischen  ihnen  eine  tabernakelartige  Nische, 
von  geschwungenem  Rundgiebel  bekrönt.  Er  stand  unter  der  Vierung,  Türen  führten 
neben  ihm  in  den  Chor.  Der  Aufbau  war  luftig  und  nicht  zu  hoch,  um  den  Einblick  in 
den  Chor  nicht  zu  hindern.  Denn  dieser  Chor  enthielt  das  prachtvolle  Gestühl,  das  in 
Verbindung  mit  der  schönen  Orgel  seine  herrliche  Zierde  war  (s.  Fig.  218  u.  219).  Wie 
sich  aus  obiger  Notiz  ergibt,  wurde  es  ca.  1730  errichtet;  es  ist  also  eines  der  frühesten 
Werke,  das  den  Rocaillestil  über  den  Rhein  brachte. 

Das  Gestühl  wurde  bei  der  Restauration  unter  Meckels  Leitung  heraasgerissen  und 
steht  jetzt  zum  Teil  in  den  beiden  Seitenchören,  zum  Teil  im  Querschiff.  Die  Orgel 
aber  wurde  leider  nicht  wieder  verwendet,  sie  lag  lange  Zeit  in  Trümmern  in  einem 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


393 


Hause  der  Stadt  und  ist  jetzt,  wie  ich  höre,  von  der  Städtischen  Altertumssammlung  in 
Freiburg  i.  Br.  erworben  und  damit  wohl  vor  dem  Ruin  gerettet  worden. 

Unsere  Abbildungen1)  geben  einen  Begriff  von  dem  vorzüglichen  Aufbau  des 
Ganzen.  Die  Ostwand  des  Chores  wurde  durch  die  gewaltige  Orgel  verdeckt.  In  einem 
lebendigen  Vor-  und  Zurück- 
treten der  größeren  und 
kleineren  Pfeifen  war  der 
Bau  gegliedert,  geschwungene 
Gesimse  und  reichbewegte 
Rankenornamente  schlossen 
diesen  Teil  ab;  darauf  die 
Kolossalfiguren  der  Heiligen 
Petrus  und  Paulus  und  in 
der  Mitte  das  Abteiwappen. 

Uber  verkröpftem  Gesimse 
der  Abschluß : Engelsfiguren, 
auf  kräftig  profilierten  Posta- 
menten bauchige  Urnen,  die 
durch  Girlanden  mit  dem 
abschließenden  Giebel  ver- 
bunden waren ; dieser  Giebel- 
aufbau enthielt  ein  Ölgemälde 
der  h.  Jungfrau  mit  dem  Kinde. 

Im  unteren  Teil  der  Orgel 
über  dem  Stuhl  des  Organisten 
war  im  Mittelteil  eine  ge- 
schnitzte Füllung  zu  sehen  mit 
dem  Reichsadler  (s.  Fig.  220). 

Zu  beiden  Seiten  schloß  sich 
das  Gestühl  an,  und  zwar  zu- 
nächst je  ein  besonders  aus- 
gestatteter Thronsitz  für  Abt 
und  Prior.  Beide,  zu  einem 
Stück  vereint,  stehen  jetzt  im 
nördlichen  Querschiff.  Auf 
den  beiden  Seiten  des  Chors 
die  Sitze  für  die  Mönche  in 
zwei  Reihen  übereinander, 
reich  und  doch  nicht  über- 
reich mit  Schnitzereien  geschmückt,  in  den  feinen  Formen  des  »Style  Regence«,  Ranken, 
Netzwerk  etc. ; die  Rückwand  wird  durch  doppelt  vorgelegte  Pilaster  gegliedert.  Uber 
dem  verkröpften  Gebälk  im  Gegensatz  zu  den  unteren,  ruhiger  gehaltenen  Teilen  reicher, 
durchbrochener,  geschnitzter  Aufsatz  in  ausgesprochenen  Rocailleformen,  mit  einer  Urne 

*)  Nach  giitigst  zur  Verfügung  gestellten  Photographien  des  Herrn  J.  N.  Schöndienst  in 
Gengenbach. 


Fig.  220.  Mittelfeld  am  unteren  Teil  der  ehemaligen  Orgel 
in  Gengenbaeh. 


394 


KREIS  OFFENBURG. 


Fig.  222.  Heiliges  Grab  in  der  Klosterkirche  zu  Gengenbach. 


dazwischen.  Zu  äußerst  standen  hier  noch  die  Figuren  zweier  Heiligen  (s.  Fig.  221). 
Die  Schnitzereien,  in  Eichenholz,  sind  hervorragende  Arbeit.  Es  bleibt  unbegreiflich, 
daß  man  noch  vor  wenigen  Jahren  dies  einzige  Ganze  zerstören  konnte. 


Band  VII.  Zu  Seite  394. 


Ein  Stück  des  ehemaligen  Chorgestühls  der  Klosterkirche  in  Gengenhach. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


395 


Auch  die  Barockkanzel  mußte  weichen.  1715  war  sie  durch  den  Schwager  des 
P.  Joachim  Schneider,  den  dieser  mannigfach  begünstigte,  errichtet  worden.  Der  Chronist 
Dornblüth  fügt  der  Notiz  boshaft  hinzu:  »quippe  parochi  sub  d.  Augustinus  abbate 
ad  nullas  redditiones  rationum  obligabantur  et  sic  ut  absoluti  domini  reddituum  suorum 
eos  pro  lubitu  vel  consumabant  vel  fundatores  rerum  quarundam  se  faciebant«. ])  Sie 
scheint  ein  wirkungsvolles  Schnitzwerk  gewesen  zu  sein,  mit  Figuren  an  der  Brüstung 
und  reichen  Voluten  auf  dem  Schalldeckel.  Im  entsprechenden  Stil  die  zwei  ebenfalls 
abgebrochenen  Seitenaltäre  mit  Putten,  Ölgemälden  etc. 

Von  der  Ausstattung  der  früheren  Zeit  ist  dagegen  noch  der  hübsche  Taufstein  in 
typischer  krauser  Rocailleform  erhalten  (Sandstein) ; der  holzgeschnitzte  Deckel  zeigt  die 
Taufe  Christi. 

Seit  dem  14.  Jh.  wurde  der  Chor  der  Kirche  von  dem  Langhaus  durch  einen  Lettner 
geschieden.  Er  war  durch  den  Abt  Konrad  von  Blumberg  (um  1400)  errichtet  worden. 
Uber  ihm  hing  ein  gewaltiger  Holzkruzifixus  herab,  den  nach  Inschrift  Lambert  de  Burne 
ca.  1385  zum  erstenmal  restaurieren  ließ.  Die  zweite  Reparatur  erfuhr  er  1600,  eine 
dritte  1686.  Drei  Jahre  nachher  fiel  das  offenbar  sehr  alte  Stück  den  Flammen  der 
Franzosen  zum  Opfer.  Der  Lettner  aber  wurde  als  hinderlich  1669  abgebrochen. 

Die  Stelle  in  der  zitierten  Chronik  lautet  darüber :*  2) 

»Nam  fastigium,  quod  navem  ecclesiae  et  chorum  intersecabat  et  impediebat  populum,  ne 

caeremonias  videre  posset  in  cboro  peragi,  destructa  et  amota  est Fastigium  hoc  con- 

structum  erat  ab  abbate  huius  monasterii,  Conrado  de  Bluomberg.  Supra  fastigium  et  altare  s.  crucis 
crux  lignea  in  alto  pendebat,  non  modicae  magnitudinis,  supra  cuius  summitatem  in  transversa  trabe 
affixa  erat  tabula  cum  sequenti  scriptura : Reverendissimus  in  Christo  pater  ac.  d.  d.  Lambertus 
de  Burnen,  ex  Neovillensi  monasterio  postulatus  abbas  huius  loci,  qui  ob  raram  doctrinam,  prudentiam 
et  rerum  usum  dei  et  apostolicae  sedis  gratia  per  Urbanum  V et  Carolum  IV  imperatorem  ad  epi- 
scopum  Argentinensem,  Spirensem  et  Batnbergensem  promotus  hanc  crucem  cum  impositis  de  ipsa 
s.  cruce  aliorumque  sanctorum  reliquiis  primum  renovari  fecit.« 

Dazu  die  Notiz  des  Chronisten  Ziegler  über  die  zwei  weiteren  Renovationen. 

Das  interessanteste  Stück,  das  die  Kirche  von  ihrer  früheren  Ausstattung  bewahrt, 
ist  wohl  das  heilige  Grab  in  der  Marienkapelle,  das  Konrad  von  Mülheim  zusammen 
mit  dieser  1505  errichten  ließ.  Es  befindet  sich  zwischen  den  beiden  Nordfenstern  der- 
selben, ist  etwa  5,45  m hoch,  2,6  m breit  und  90  cm  tief  mit  seinem  Untersatz  (s.  Fig.  222). 
Pfeiler  mit  Flachnischen,  denen  Säulchen  auf  hohen  steilen  Basen  vorgelegt  sind,  tragen 
den  Baldachin,  der  in  zwei  Eselsrückenbogen  sich  nach  vorne  öffnet,  zwischen  denen  ein 
neuer  Pfeiler  in  die  Höhe  führt.  Er  ruht  auf  einer  Konsole,  an  der  ein  flatterndes  Engel- 
figürchen  das  Wappen  der  Mülheim  hält.  Überall  schneiden  sich  die  mit  krausen  Krabben 
besetzten  Bögen  und  es  entstehen  so  die  kapriziösesten  Formen,  zumal  das  Maßwerk 
oben  die  naturalistischen  Formen  des  Astwerks  annimmt,  bis  endlich  die  Pfeiler  über  einer 
Maßwerkgalerie  in  Fialen  mit  teilweise  herabgeschlagenem  Abschluß  endigen.  Im  Innern 
ein  zweiteiliges  Kreuzgewölbe.  Am  Sockel  in  Hochrelief  die  schlafenden  Wächter.  Der 
Leichnam  Christi  von  guter  Durcharbeitung  mit  stark  hervortretenden  Adern  und  edler 
Kopfbildung.  An  der  Rückwand  auf  kleinen  Konsolen  zwei  Engel  mit  Weihrauchfässern, 
zwischen  ihnen  die  drei  h.  Frauen,  vornehme  Gestalten  mit  edlem  vollem  Gesichtsoval 
(s.  Fig.  223).  Auf  der  Konsole  mit  dem  Stifterwappen  in  kleinerem  Maßstab  der  Auf- 

x)  Z.  NF.  8,  S.  700. 

2)  Ebenda  S.  474. 


Kanzel 


Lettner 


Heiliges  Grab 


Epitaphien 


396  KREIS  OFFENBURG. 

erstandene.  An  dem  rechten  Pfeiler  unter  Astwerk  in  nicht  sehr  hohem  Relief  der  Stifter 
selbst,  knieend  einem  im  Astwerk  fast  versteckten  Kruzifix  und  dem  Altar  der  Kapelle 
zugewandt.  Das  Material  ist  gelber  Sandstein.  Überall,  ganz  besonders  an  den  Marien 
am  Grabe,  sind  noch  die  Farbenspuren  deutlich  erhalten. 

Das  Werk  gehört  in  dem  eleganten,  reichen  Aufbau  zu  den  vorzüglichsten  der 
Gattung,  es  ist  mir  vom  ganzen  Oberrhein  nichts  Besseres  bekannt.  Auch  die  künst- 
lerische Qualität  der  Statuen  ist  eine  erfreuliche.  Ein  ihnen  im  Stil  so  nahe  verwandtes 
Werk  zu  bezeichnen,  daß  man  auf  den  gleichen  Urheber  schließen  könnte,  ist  mir  nicht 


Fig.  223.  Die  Marie n am  Grabe,  vom  heiligen  Grab  in  der  Klosterkirche  zu  Gengenbach. 

möglich.  Die  Vermutung  liegt  ja  nahe,  daß  der  Abt  sich  den  Künstler  aus  dem  nahen 
Straßburg  kommen  ließ. 

Nahe  dem  Eingang  zu  der  Marienkapelle  findet  sich  an  der  nördlichen  Seiten- 
schiffwand das  wie  mir  scheint  erneuerte  Epitaph  ihres  Stifters,  eine  Sandsteinplatte,  mit 
dem  Wappen  in  Relief  und  der  Inschrift: 


er  nofiili  i'rirpc 
öc  lmillcnljcini  nntmöuG 
roiiraü 

atiö as  gen gctili a tfj  chüg 
i5oo  — 1507 
ftmbator  1)uiug  facellt 


AMT  OFFENBURG.  — GEN GENBACH. 


397 


Im  nördlichen  Seitenschiff  Epitaph,  oblonger  Sandstein  (138  X 70  cm).  Oben 
unter  einer  Nische  mit  Blattverzierungen  das  Wappen  in  Rollwerkschild : auf  einem  Drei- 
berg nach  rechts  gerichtetes  Schwert.  In  unterer  Rollwerkkartusche  die  Inschrift: 

Ano  Dni  • I660 

Die  • /.  Febr.  Obiit  In 

Dno  Rmus  Dns  D • Co  = 

Lumbanus  aBbas  Hu 
ius  Monrii  Meritissi 
mus:  CulUs  Aia  Re 

QUIESCAT  IN 
PACE. 

Von  der  weiteren  Ausstattung  sind  noch  zu  erwähnen:  zwei  steinerne  Weih- 
wasserhecken mit  achteckiger  Cuppa,  wohl  aus  dem  16.  Jh. ; Beichtstühle  von  der 
geschwungenen  Grundrißform  des  18.  Jhs.,  mit  Schnitzereien  in  graziösem  Rocailleranken- 
werk  verziert.  Auch  die  Kirchenbänke  gehören  dem  gleichen  Stil  an. 

Die  Türen  des  Hauptportales,  mit  dem  Rankenornament  ihres  Mittelpfeilers,  den 
schweren  Füllungen  in  einem  Rahmen  mit  Akanthusblättern,  den  Vorhangornamenten  in 
den  oberen  Füllungen,  gehören  noch  der  Renovation  durch  die  Vorarlberger  am  Aus- 
gange des  17.  Jhs.  an. 

Die  Glocken  hatten  den  Brand  von  1689  gut  überstanden.1)  Aber  es  waren 
nicht  mehr  die  des  Mittelalters,  sondern  Werke  lothringischer  Meister  aus  den  J.  1686 
und  1 6 8 7 . 2)  Man  hatte  sie  zum  Schutz  in  die  Erde  vergraben  und  holte  sie  nun  wieder 
herauf;3)  1716  läuteten  sie  wieder  zum  erstenmal. 

Von  den  heutigen  stammen  zwei  von  1687,  es  sind  also  die  geretteten,  von  den 
Lothringern  gegossenen,  auf  der  einen  die  Figuren  S.  Petri  und  S.  Pauli,  eine  unter  Jacopo 
Abbate  gegossene  von  1783,  zwei  weitere  von  1841  und  1859.  Näher  beizukommen 
war  mir  nicht  möglich. 

Sakristei:  Kirchengeräte.  In  den  Stürmen  des  17.  Jhs.  müssen  alle  älteren 
Stücke  geraubt  oder  eingeschmolzen  worden  sein,  man  mußte  die  Kirche  am  Ende  des- 
selben neu  ausstatten.  Aus  den  Protokollen  erfahren  wir,  daß  1683  der  alte  Speisekelch 
nicht  mehr  genügte,  daß  man  ihn  daher  mit  anderen  Silberstücken  (Vasen  etc.)  »vulgo 
Bruchsilber,  ad  68  Loth«4)  einem  Goldschmied  gab  und  daß  dieser,  »Joannes  Stadler 
aurifaber  in  Offenburg«,  daraus  ein  neues  Ciborium  machte,  mit  dem  Wappen  des  Abtes 
Placidus  am  Fuß.  »Pro  omni  labore  suo  in  conficiendo  hoc  vasculo  aurifaber  capiebat 
1 6 fl.,  8 ß.,  8 -A  pro  eo  deaurando  dedit  rer.  noster  3 cum  dimidio  duggatos  seu  aureos 
nummos,  fecit  10  fl.,  6 ß.,  8 1«  1716  bietet  ein  reisender  Schaffhausener  Goldschmied 

einige  Monstranzen  zum  Kauf  an,  es  wird  auch  von  ihm  eine  große  gekauft  für  1200  fl., 
die  sich  aber  nur  als  die  Hälfte  wert  herausstellte ; man  war  auf  einen  Schwindler  hinein- 
gefallen.5) Später  wurde  der  Monstranz  noch  eine  große  Perle  eingefügt.  1719  wurden 

4)  FDA.  XVI,  S.  190. 

2)  Z.  NF.  8,  S.  687. 

3)  a.  a.  O.  S.  700. 

4)  a.  a.  O.  S.  669. 

5)  a.  a.  O.  S.  700. 


Weihwasser- 

becken 

Beichtstühle 

Kirchenbänke 

Türen 


Glocken 


Kirchengeräte 


398 


KREIS  OFFENBURG. 


sechs  silberne  Leuchter  von  Augsburg  erworben.1)  1721  schenkte  der  »Goldstückher 
Auble«  zu  Straßburg,  dessen  Sohn  nach  einem  Duell  im  Kloster  Asyl  gefunden  hatte, 
eine  »eigenhändig  von  ihm  verfertigte  gestickhte  silberne  Infult  so  auf  200  fl.  geschätzt 
worden«.2)  Von  all  diesen  Stücken  ist  indes  nur  noch  die  Monstranz  (s.  unten)  vorhanden. 

Dagegen  erwähne  ich : 

Sonnenmonstranz,  silbervergoldet,  mit  getriebenen  Rocailleomamenten  und  Früchten, 
Augsburger  Zeichen,  darunter  W und  I C B ; 

eine  weitere,  im  gleichen  Material,  mit  getriebenen  und  aufgelegten  Rankenorna- 
menten, Putten  mit  Passionswerkzeugen,  reich  mit  Steinen  besetzt,  dazwischen  kleine 
Emails.  Am  Fuße  Widderkopf  und  PL,  also  H.  J.  Läublin  aus  Schaffhausen  (Rosen- 
berg Nr  2569);  es  ist  dies  demnach  die  obenerwähnte,  überbezahlte  Monstranz; 

eine  kleine  Monstranz,  kupfervergoldet,  mit  eingravierten  Rocailleomamenten. 

Kelche  des  1 8.  Jhs.  sind  in  der  großen  Zahl  von  zehn  erhalten,  und  zwar : 

1.  Silbervergoldet,  getrieben,  mit  Bandornamenten  sowie  den  Marterwerkzeugen 
Christi;  ohne  Zeichen.  Anfang  des  18.  Jhs. 

2.  Silbervergoldet,  getrieben.  An  den  Buckeln  des  Fußes  und  der  Cuppa  in  Relief 
getrieben  Engel  mit  Marterwerkzeugen  und  Scenen  aus  der  Passion,  an  einem 
Buckel  die  Inschrift:  Sanguis  Eius  Super  nos  et  Super  filios  nostros;  Augsburger 
Beschauzeichen  und  M. 

3.  Silbergetrieben,  vergoldet,  mit  drei  doppelten  Engelsköpfen  und  drei  Reliefs  der 
Passion  an  den  sechs  Buckeln  des  Fußes,  ebenso  an  den  sechs  Buckeln  der 
Cuppa,  Engelsköpfe  am  Nodus,  außerdem  Bandornament;  gute  Arbeit  vom 
Anfänge  des  18.  Jhs. ; Zeichen  ? und  1. 

4 Silbergetrieben,  vergoldet.  Rocailleornament,  drei  Emails  am  Fuße,  die  Heiligen 
Joseph,  Agathe  und  Therese  darstellend,  drei  an  der  Cuppa,  Benedikt,  Madonna 
mit  Kind  und  Abendmahl  in  reicher  Fassung  von  Amethysten,  Beryllen,  Rubinen; 
die  Emails  vorzügliche  Arbeit;  Augsburger  Zeichen,  darunter  H (Rosenberg  89: 
ca.  1747  bis  1749)  und  p*ß  (Joh.  Friedr.  Bräuer  ? f 1753,  Rosenberg  355). 

5.  Silbergetrieben,  vergoldet,  am  P’uß  drei  Putten  mit  Leidenswerkzeugen  und  in 
Amethystfassung  drei  Emailmedaillons,  die  Heiligen  Joachim,  Anna  und  Cölestin 
darstellend,  an  Cuppa  ebenfalls  drei  Putten  und  drei  Reliefs:  Opfer  Noahs, 
Gebet  am  ölberg  und  Abendmahl.  Hübsches  Stück,  leider  stark  lädiert;  ohne 
Zeichen. 

6.  Silbergetrieben,  vergoldet,  mit  reichen  Rocaille-  und  Blumenornamenten,  bewegte 
Form,  sehr  gute  Arbeit;  Augsburger  Zeichen,  darunter  R (Rosenberg  104: 
1765  bis  1767)  und  ITH  (Jos.  Tobias  Hezebik  ? f 1788,  Rosenberg  377). 

7.  Silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Putten  am  Fuß  und  Medaillons  mit  Heiligen  im 
Relief,  an  der  Cuppa  aufgelegt  Putten  mit  Passionswerkzeugen  in  Ranken,  ohne 
Zeichen,  Anfang  des  18.  Jhs. 

8.  Silbervergoldet,  schlichte  Arbeit ; Ende  des  1 8.  Jhs. 

A S 

9.  Kupfergetrieben,  vergoldet  mit  Bandornamenten,  zwei  Schilde,  in  einem  ^ 
und  ein  Mann  mit  Hammer  als  Helmkleinod. 

!)  Z.  NF.  9,  S.  240. 

2)  a.  a.  O.  S.  243. 


Tafel  XIII 


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Gobelin  in  der  Klosterkirche  zu  Gengenbach. 


AMT  OFFENBURG  — GENGENBACH. 


399 


io.  Kupfergetrieben,  vergoldet,  mit  Girlandenverzierung,  vom  Ende  des  18.  Jhs. 
Speisekelch,  kupfergetrieben,  vergoldet,  mit  Rocailleornamenten,  ohne  Zeichen. 
Wettersegen,  kupfergetrieben,  vergoldet,  mit  Rocailleornamenten,  besetzt  mit  Steinen. 
Patene,  kupfervergoldet;  mit  Namenszug  Jesu  und  1628. 

Zwei  Weihrauchfässer,  silbergegossen  und  getrieben,  mit  Rankenwerk  und  Frauen- 
köpfen, an  denen  die  Ketten  befestigt  sind;  Straßburger  Feingehaltszeichen,  wie  Rosen- 
berg 1504  etwa,  und  »Koenig«. 

Weihrauchschiffchen,  silbergetrieben,  mit  Akanthusblattverzierung ; Straßburger 
Feingehaltszeichen,  wie  Rosenberg  1503  (?),  und  »Koenig«. 

Wasser-  und  Weinkännchen  mit  Tablette,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit  getriebenen 
Rocailleornamenten,  den  Emailmedaillons  der  Evangelisten  und  Steinbesatz;  Augsburger 
Zeichen,  darunter  H und  p^  also  von  demselben  Meister  wie  Kelch  Nr.  4. 

Ovale  Platte  mit  Wasser  und  Weinkännchen,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit 

F T 

Muschelornamenten;  Augsburger  Zeichen,  darunter  F und  ^ , Franz  Thaddaeus  Lanz 

(Rosenberg  Nr.  358).  Er  wie  Bräuer  (s.  oben)  haben  auch  noch  sonst  viel  für  diese 
Gegenden  gearbeitet.  Auf  der  Platte  steht  außerdem:  GWS. 

Halskette  aus  Granatgehängen,  abwechselnd  mit  feinen  Ringen,  sowie  Amethysten; 
Anfang  18.  Jhs.  (Ehemaliger  Miederschmuck.) 

Sechs  große  vernickelte  Messingleuchter  mit  Rocaille-,  sechs  andere  mit  eingravierten 
Akanthusornamenten. 

Kruzifix,  aus  Bronze  (hier  oder  in  der  Kirche  aufgestellt),  Corpus  Christi  etwa 
30  cm  hoch;  vorzüglich  durchgearbeitetes  Stück  vom  Finde  des  17.  Jhs. 

Kruzifix,  aus  Elfenbein  geschnitzt,  Corpus  etwa  20  cm  hoch;  gute,  leider  etwas 
beschädigte  Arbeit  des  1 8.  Jhs. 

An  Textilarbeiten  ist  zunächst  zu  erwähnen  ein  großer  aus  den  Fährlichkeiten  des 
17.  Jhs.  geretteter  Gobelin  von  1608,  dessen  einen  Teil  Tafel  XIII  wiedergibt.  Er  ist 
4,5  m lang,  1 m breit  und  zeigt  fünf  Scenen  aus  der  Leidensgeschichte  des  Herrn  mit 
Überschriften  und  verschiedenen  Monogrammen. 

1.  Die  Grablegung: 

3Iofci.il)  fegt  bcn  KCcib  Cfjrifti  in  fein  nctu  grab 
in  ein  fclfen  gehabten.  .Ilüattljci  rrvn.  Mi 

Unten : P F I606. 

2.  Kreuzaufrichtung: 

Cßriftuji  tunet  am  crent^  auffjjerirfjt. 

3ot)annu*  fit-  1608. 

3.  Kreuztragung: 

Cfjriftu*»  tregt  fein  ceciiü  auß  Scrufalem  an  lierg 
Caluaric  Zu  creutstgen  außgefürt.  jfläatdj.  rrvn. 

4.  Gefangennahme  Christi: 

fev  Cljriftuß  llDüet  gefangenn  am  Tbbcrg  Jpcteus 

\G  J^atut  bc£  ^aljengeicftcrß  ßnecljt  ein  oijr  ab.  jBattij.  rtvi. 

5.  Christi  Abschied  von  seiner  Mutter: 

Cfjriftuß  frijeibet  311  ^ctffania  bon  feiner  KCibenn 
mütee  unnb  annbernn  jfccünbenn.  .TBattl).  tri. 


400 


KREIS  OFFENBURG. 


Epitaphien 


Die  einzelnen  Scenen  sind  durch  Säulen  mit  Kompositkapitellen  voneinander 
getrennt. 

Außerdem  eine  Anzahl  von  Gewändern:  Pluviale,  Goldbrokat  mit  reicher  Seiden- 
stickerei von  violetten  und  blauen  Blumen,  Klatschrosen  an  der  Kapuze,  messing- 
vergoldete Schließe.  Dabei  die  dazugehörige  Casel,  Levitenkleider,  Palla,  Schoßtuch  etc., 
letztere  Silberbrokat;  Mitte  des  18.  Jhs,  hervorragende  Arbeit. 

Rotes  Pluviale  mit  eingewirkten  Rosen,  Seide;  später  einmal  gefärbt. 

Hellblaues  Pluviale  mit  eingewirkten  Blumen,  Federn  etc,  im  echten  Rokoko- 
geschmack, Hellblau  und  Hellgelb  dominierend;  dazu  passende  Casel,  Levitengewänder, 
Stola,  Palla  etc. 

Pluviale  von  weißer  Ripsseide  mit  bunter  Blumenstickerei;  Mitte  18.  Jh. 

Des  weiteren  eine  rote  Casel  mit  Rankenstickerei  in  Silberfäden,  eine  violette  mit 
eingewirkten  Blumen  in  Gold  und  bunter  Seide,  nebst  allem  Zubehör;  weißseidene  Casel 
mit  buntseidener  Blumenstickerei;  Predigtstolen  auf  Goldstoff  gestickt;  alles  aus  dem 
1 8.  Jh. 

Ein  in  der  Farbe  außerordentlich  schönes  salmrotseidenes  Velum  mit  Silberfransen, 
mit  Silber-  und  Goldplättchen  bestickt,  typisches  Empirestück,  sowie  ein  weißes  Velum 
mit  Applikationsarbeit.  Ferner  zahllose  Reste  ehemaliger  Kirchengewänder,  gestickter 
und  gewebter. 

Ein  großes  hölzernes  Vortragskreuz  des  18.  Jhs.,  vergoldet;  ein  zweites  bemaltes 
mit  gut  gearbeiteter  Figur  Christi.  Dazu  noch  zwei  weitere  eindrittel-  und  einhalblebens- 
große Holzkruzifixe  im  Barockstil. 

Ein  guter  Bücherbeschlag  mit  eingraviertem  Renaissanceornament  an  einem  neuen 
Missale,  ca.  1600. 

Drei  Rosenkränze  mit  verschiedenen  Medaillen  des  16.  und  17.  Jhs.,  die  einzelnen 
Glieder  silbergetrieben  oder  aus  Steinen. 

Aus  den  Protokollen  erfahren  wir  noch  von  der  großen  Uhr  im  Turm,  die  der 
Schlossermeister  Johannes  Thalmann,  Neffe  des  Abts  gleichen  Namens,  zum  Dank  für 
seine  Erziehung  1721  stiftete.  Sie  hatte  einen  Wert  von  50  fl.,  der  Stifter  garantierte 
zugleich,  solange  er  lebte,  alle  Reparaturen.1) 

Epitaphien  am  Äußern  der  Kirche.  An  der  Nordseite  in  der  erwähnten  zu- 
gemauerten rundbogigen  Tür  Renaissanceepitaph  ohne  Inschrift,  gelber  Sandstein : unten 
Auferstehung  Christi  in  kleinen  Figuren,  oben  die  Krönung  Mariä,  hier  knieender  Mann 
und  Frau  in  der  Tracht  des  späteren  16.  Jhs.,  zwischen  ihnen  ihr  Wappen,  von  denen 
nur  noch  das  zweite : ein  Mann  mit  Keule  auf  der  Schulter,  kenntlich  ist.  Das  Ganze 
umrahmt  von  Pilastern  mit  Beschlagornament,  nach  außen  in  Voluten,  Putten  und  Köpfen 
endigend.  Der  obere  Teil  ist  leider  behufs  Einfügung  in  die  Nische  weggeschlagen; 
jetzt  etwa  2 m hoch. 

An  der  Südseite  der  Kirche,  an  der  Kapelle  des  h.  Joseph,  Epitaph  in  rotem 
Sandstein.  Übereinander  aufgebaute  Voluten  tragen  den  Rocaillegiebel,  darauf  zwei 
Putten  mit  den  Abtsinsignien,  über  ihnen  in  Rocaillekartusche  das  Wappen.  Das  Ganze 
ein  überaus  bewegtes  und  wirkungsvolles  Werk  des  Rocaillestils.  Die  langatmige 
Inschrift  lautet: 

!)  Z.  NF.  9,  S.  243. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


401 


STA  VIATOR 
LEGE  ET  LUGE 
HIC  MORTALES  IMMORTALES 
SPIRITÜS  EXUVIAS  DEPOSUIT  REVERENDISSIM 
AC  AETERNA  MEMORIA  DIGNISSIMUS  DOMINUS  • D • 

BENEDICTUS 

ABBAS  GENGENBACENSIS 

VIR  MAGNAE  NOMINIS  EXACTAE  PROBITATIS  AC  PRAETER  DIVERSA 
SCI  ENTI ARUM  LINGUARUMQUE  PERITIAM  TANTAE  INPRIMIS 
AGENDIS  D EXTER I TAT I S \ UT  INCERTUM 
NUM  ANTECESSORUM  QUISQUAM 
VEL  MAIOR  VEL  MELIOR  VEL  PRUDENTIOR 
PATERNA  IN  FILIOS  CHARITATE 
PROFUSA  IN  PAUPERES  LIBERALITATE 
SINCERITATE  IN  AMICOS,  IN  HOSPITES  HUMANITATE, 

CERTUM  NULLI  SECUNDUS 
DIGNUS  QUEM  OB  PRAECELLENTES  ANIMI, 

1NGENIIQUE  DOTES  SUMM1  ETI  AM  GERMANI  AE,  GALLIAE 
ITALIAE  AC  PURPURATI  ADEO  PRINCIPES 
CUM  VIVERET  AMORE  ET  OBSEQUIO 
DUM  VIXIT:  DOLORE  ET  DESI  DER  I O 
PROSEQUERENTUR 
TANTUS,  TALISQUE  CUM  FUERIT 
NON  POTUIT  NON  MALEVOLORUM  TELIS  APPETI 
QUAE  SOLO  TAMEN  M ANSUETUD I N IS  SCUTO 
ET  EXCEPIT  ET  RETUDIT 
OMNE  HAUD  FALSO  PROSPICIENS 
MURES  OLIM  PROBATUROS  AC  LAPIDES 
QUOD  HOMINES  REPROBARENT 
OBI  IT  LABORE  POTIUS  QUAM  AETATE  CONIECTUS 
die  xxviii  decembr:  ANNO  MDCC  • LXIII 
AETAT  • LVII  • REGIMIN:  XX  • 

POSTQUAM  ANNO  ANTE  OBITUM  NONDUM  EXPLETO 
ABBATIALEM  ULTRO  INFULAM  DIMISIT 
UT  ITA  EXPEDITUS  FACILIUS  CONSEQUERETUR 
QUAE  IUSTIS  IN  COELO  REMANET 
MERITORUM  CORONAM 
• ■ • • VIATOR,  SI  ES  GR  AND  I CHARITATE 
PI  IS  MANIBUS  PIA  PRECARE 
MEMORIAE  IPSIUS  POSUIT 

Jacobus  Maria 

ABBAS  SUCCESSOR  • 

An  der  Nordseite  noch  ein  schönes  Epitaph  in  Rolhverkkartusche : Wappen,  unten 
ein  halbes  Rad,  oben  O M,  dann  die  Inschriftfläche,  mit  Früchten  und  Bändern  verziert, 
und  die  Inschrift: 


402 


KREIS  OFFENBURG. 


Baunachrichten 


Ao  I6II  • DEN  • 28  • AFILIS 
IST  IN  GOTT  SELIG  VER 
SCHIDEN  DER  EFRH  AFFT 
OTTO  MÖLLER  GEWE 
SNER  ORGANIST  DES  GO  = 

TTSHA/S  JLUIE  DEM  GO  • 

GNEDIG  SEY  AMEN. 

An  den  Chormauern  weiter  zwei  Schriftplatten,  eine : 

HIC  IACET  PATER  GEORG 
VS  • HEREN  • ANO 

und : 

M • MORIA  INS  GEORGII 
RI  QV  OBIT  ANO 
M • D • LXX. 

K LOSTE  RG  E BÄUD  E 

Baunachrichten  : Das  heute  stehende  Gebäude  ist  ein  Werk  des  auch  die  Reno- 
vation der  Kirche  am  Ende  des  17.  Jhs.  leitenden  Meisters  Franz  Beer  aus  der  Vorarl- 
berger Bauschule.  Uber  das  mittelalterliche  Aussehen  des  Klosters  fehlen  uns  alle 
Anhaltspunkte.  Es  hatte  im  Dreißigjährigen  Krieg  eine  arge  Verwüstung  erfahren  durch 
die  weimarische  Armee,  bei  der  vor  allem  die  Dächer  und  die  innere  Einrichtung  sehr 
litten.1)  Von  einem  kleinen  Klosterbrand,  dessen  weitere  Ausdehnung  noch  verhütet 
wurde,  erfahren  wir  1661.2)  Den  Zustand  vor  den  Franzosenkriegen  gibt  uns  — aller- 
dings in  sehr  unzuverlässiger  Weise  — das  schon  genannte  Bild.  1689  wurden  dann 
von  den  Franzosen  »alle  Gebäu  samt  dem  Kloster«  etc.  völlig  abgebrannt.3)  Im  J.  1693 
konnte  man  an  den  Wiederaufbau  denken;  am  22.  August  wurde  mit  Beer  der  Kontrakt 
abgeschlossen. 

1)  Soll  Behr  bei  seinem  gegebenen  Abrtiss  verbleiben,  welcher  wegen  seiner  sauberen  Stellung 
genehm  gehalten  wordten. 

2)  Soll  er  dem  gegebenen  Rüss  gemäss  erbauen  auss  dem  Fundament  die  Abtey,  welche  zum 
theyll  3-,  zum  theyll  31/2-stöckhig,  in  der  Lenge  i6o1/2  Schüch  undt  in  der  Breütte  43  Nierenberger 
schüch  (der  Nierenberger  schuch  solle  durchauss  beobachtet  werden).  Dass  Convent,  welcher  Baw 
in  der  lenge  244  undt  in  der  Breütte  48  schuch  haltet,  durchauss  3 undt  ein  halben  Werkhstockh 
hoch.  Mehr:  einen  Baw  von  dem  Convent  ahn  biss  ahn  den  Creützgübell  der  grossen  Kiirchen, 
welcher  in  der  Lenge  90  undt  in  der  Breütte  36  schüch  haltet. 

In  gleichem  ein  Baw  von  jetzgemeldtem  Kürchgübell  ahn  biss  ahn  die  Stattmauren  undt  hat 
diesser  Bau  in  seiner  Lenge  gegen  die  1 10,  undt  dan  in  der  Breütte  36  schüch.  Diesse  zwey  Gebäw 
sollen  nuhr  zw'eystöckhig  sein.  Über  diesses  eine  newe  Capelle4),  welche  den  4.  Theyl  des  Kreütz- 
ganges  inhat,  in  der  Lenge  994/2,  in  der  Breütte  18 1/2  schüch.  Endtlichen  den  schadhaften  Kürchen- 
gübell  gegen  den  Convent  abzubrechen,  soweit  es  von  nöthen  sein  würdt,  undt  selbigen  wiederumb 
aufTtihren  mit  einem  gehawenen  Gübell5),  gleich  wie  in  dem  Abrüss  zu  ersehen. 

3)  Soll  er  alle  Mauern  dess  gantzen  verbrantten  Gottshauss  völlig  niederwerffen  und  dem 
Boden  gleich  abbrechen. 

4)  FDA.  XVI,  S.  173. 

2)  Z.  NF.  8,  S.  661. 

3)  FDA.  XVI,  S.  190. 

4)  Josephskapelle. 

5)  Dem  jetzigen  Staffelgiebel  über  dem  südlichen  Querhaus. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


4°3 


QenqeNBACH-  c*i£B£L 

«l«s  ftfleigebÄudes  uncL 

sler  Südseite  des  ©Her- 

-5» 


4)  Soll  der  Baumeister  alle  Fundamenter  dess  gantzen  Baws  tüeff  genug  biss  auf  einen  harten 
Booden  aussgraben ; ingleichen  auch  alle  Keller,  alss  von  der  grossen  portten  der  Abbtey  herab 
biss  in  jetzigen  Cantzelley-Keller.  Dan  von  der  Küchin  ahn  biss  undter  die  Kellerey  graben  undt 
aussfüehren,  insonderheit  unter  der  Studierslube  einen  sauberen  Keller  sambt  einem  auf  6 Seüllen 
stehendten  Gewölb  zu  verförttigen. 

5)  Solle  er  alle  Fundamente  teüff,  dick  und  breütl  genug  gantz  fleissig  aufmauem,  und  dan 
alle  Mauren  mit  Füess  undt  Haubtgesümbs  aufführen. 

6)  Alle  Gewölber  in  den  Kellern,  Küchin,  Kreützgäng,  in  der  Cappellen,  Under-  und  Ober- 
custorj,  die  Stüegen  in  dem  unteren  Stockh,  dass  Capitelhauss  sambt  dem  nebensstüblein,  Studier- 
stube, Bibliothek,  Cancellarj,  Archiva  (gleich  wie  in  dem  Rüss  angezeigt)  setzen  undt  mauren. 

7)  Alle  Zügellwändt  alss  Stuben,  Kammern,  Gängen,  wie  auch  alle  Camin  undt  Däcken  zu 
mauren,  zu  deckhen  schuldig  sein. 

8)  Alle  Mauern  und  Zügellwändt  soll  er  auss-  undt  inwendig  bestecken  undt  aussbutzen, 
auch  die  Östrich  in  allen  Zümmern  etc.  legen. 


Fig.  224..  Gengenbach,  Giebel  des  Ab/cigebändes  und  des  südlichen  Querschiffs. 

9)  Neben  dem  sauberen  Bestück  soll  er  noch  tünchen : die  newe  Kapellen,  dass  Kapitel- 
hauss,  beede  Custorien,  dass  Archive  und  seiner  Hochwürden  Gnaden  Wohnzümmer. 

10)  Aus  Stein  soll  er  hauen  lassen  : dass  Tortal  in  der  Abbtey,  welches  solle  sauber  undt 
zierlich  gehawen  sein,  die  Keller  undt  andere  Bögen,  alle  Fenster  undt  Thürgestöll,  alle  Säyllen, 
Staffeln  in  die  Keller,  Stüegen  in  dem  ersten  Stockh,  zu  den  Thüren.  In  gleichem  die  Stein  zu 
den  4 aussgeschweüfften  Gybell,  alle  Quaderstein,  Offengeställ,  Kellerlöcher  etc. 

Dafür  soll  er  »neben  dem  Ttisch  vor  ihnen  und  seinen  Meistergesellen  oder  Ballierer  alleinig 
11  000  fl.  in  landläufigen  Geltsorten«  erhalten.  Alle  Materialien  wird  das  Kloster  liefern,  es  wird 
auch  nach  ihrer  Gewohnheit  den  Maurergesellen  bei  Ankunft  und  Abreise,  bei  Legung  des  ersten 
Steines  eines  jeglichen  Baues,  so  oft  als  ein  Stockwerk  vollendet  ist  etc.,  ein  besonderes  Essen  und 
Trinken  geben  etc. 

Wir  ersehen  daraus,  daß  Beer  mit  Benutzung  einiger  unteren  Gebäudereste  tat- 
sächlich das  Ganze  neu  aufzuführen  hatte,  und  zwar  die  Abtei,  den  westlichen  Trakt, 
daran  anstoßend  einen  südlichen,  den  Konvent,  von  diesem  aus  bis  zum  Querschiff  einen 
nördlichen  Trakt  und  von  da  aus  nach  Osten  zu  einen  weiteren  Bau ; die  beiden  letzteren 


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KREIS  OFFENBURG. 


nur  zweistöckig.  Am  24.  April  1694  konnte  der  Abt  die  Grundsteine  zu  der  Josephs- 
kapelle und  zu  dem  Kloster  legen,  letzteren  beim  Eingang  zur  Kirche  und  zum  Drei- 
königschor. Die  mit  diesem  Stein  eingemauerte  Urkunde  nennt  ihn  »angularem  lapidem 
monasterii  beatae  Mariae  virginis  e fundamento  totaliter  reaedificandi«.1)  Am  Ende  des 
Jahres  aber  scheint  der  Abt  an  der  Lage  des  Klosters  verzweifelt  zu  sein,  denn  er  fragt  in 
der  Konventsitzung  am  16.  Oktober  1694,  ob  mit  dem  Bau  fortzufahren  sei  oder  ob  man 
bis  zu  Eriedenszeiten  warten  solle.  Man  beschloß  die  Fortführung.  Beer  scheint  jeweils 

über  Winter  verreist  zu  sein.  So  er- 
fahren wir,  daß  er  im  Frühjahr  1695 
zurtickkehrte  mit  seinen  Arbeitern,  um 
Teile  zu  vollenden  und  neu  zu  bauen. 
Am  1 6.  Mai  legt  der  Abt  von  Schlittern 
für  den  kranken  Thalmann2)  »lapidem 
angularem  principalis  aedificii  claustralis 
in  angulo  qui  arte  se  tendit  versus 
huobam  vulgo  die  Schneckhenmatt, 
a dextro  vero  versus  Kintzingam«,  also 
den  Schlußstein  zum  Südflügel,  dem 
Konvent,  das  westliche  Abteigebäude 
war  vermutlich  schon  fertig.  1697  ist 
der  größte  Teil  des  Klosters  fertig, 
enthaltend:  »refectorium,  culinam, 

musaeum  et  hypocaustum  aulicum«.  Als 
- man  bei  dem  Ausgraben  der  Funda- 
- mente  dazu  »ad  partem  anteriorem 
huius  aedeficii,  hortum  versus,  ubi  nunc 
stat  refectorium  medium  inter  musaeum 
et  culinam«  kam,  stieß  man  auf  viel 
Grundwasser,  einen  förmlichen  Sumpf, 
und  mußte  nun  200  Eichenpfähle  ein- 
rammen,  auf  denen  das  Gebäude  er- 
richtet wurde,  welch  letzteres  aber  in 
der  schnellen  Zeit  von  vier  Monaten 
geschah.  Vernali  huius  anni  tempore 
konnte  das  Kloster  endlich  in  richtiger  Weise  bewohnt  werden  »et  domus  capitularis 
per  biennium  refectorium  fuit«.  Der  Kapitelsaal  hatte  also  zwei  Jahre  lang  als  Refek- 
torium genügt.  1699  wurde  der  vordere  Teil  des  Klosters  »ab  abbatia  usque  ad 
turrim  ecclesiae«  errichtet,  also  wohl  der  nördliche  Teil  des  Westtraktes.  Immerhin 
brauchte  man  1703  für  die  Vollendung  der  Gebäude  noch  Geld. 

Von  den  Klostergebäuden  wurde  der  östliche  Flügel  aus  irgendwelchen 
Gründen  abgerissen.  Dagegen  steht  noch  das  westliche  Abtei-  und  das  südliche 
Konventgebäude,  wirkungsvolle,  einfache  Bauten,  aus  verputztem  Bruchstein  auf- 
geführt, mit  roten  Sandsteingewänden.  Die  Fenster  haben  einfach  abgetrepptes 


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Fig.  225. 


Gengenbach,  Abteigebäude,  Hofseite 
Fenstenimmalung. 


*)  Z.  NF.  8,  S.  678. 

2)  a.  a.  O.  S.  684. 


loMeter. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


405 


Fig.  326.  Gengenbach,  Kloster gebäude,  Treppenhaus. 


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KREIS  OFFENBURG. 


Gewände,  teilweise  mit  Ohrenbildung  in  den  oberen  Ecken.  Da,  wo  diese  ausgebildeteren 
Gewände  fehlen,  an  der  Innenseite,  dem  Hofe  zu,  waren  die  Fenster  von  aufgemalten 
Gewänden  mit  gebrochenen  Giebeln  umgeben,  wie  es  Fig.  225  zeigt.  Auch  sonst  haben 


Fig.  227.  Gengenbach,  Klostergebäude,  Tordurchgang,  Tür  nach  dem  Hof. 


wir  uns  das  Gebäude  mit  Architekturmalerei  ausgeschmückt  zu  denken.  Den  wesent- 
lichsten Schmuck  des  Gebäudes  bilden  die  mächtigen,  in  drei  Abteilungen  aufsteigenden 
Volutengiebel  (s.  Fig.  225)  mit  Obelisken  auf  den  äußeren  Enden  der  teilenden  Quergurte. 
Zwei  Giebel  flankieren  das  Westgebäude,  einer  schaut  am  Südgebäude  nach  Osten  und 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH.  407 

einer  wurde,  wie  wir  schon  sahen,  über  der  südlichen  Querschiffendigung  errichtet 
(s.  Fig.  224).  An  diesem  ist  auch  der  Ansatz  des  alten  Ostgebäudes  erhalten,  bergend 
Sakristei  und  Kustodie,  dem  Vertrag  gemäß  nur  zweistöckig;  dementsprechend  ist  das 


Westgebäude  ein  Stück  um  die  Ecke  nach  Norden  zu  geführt.  Am  Ostbau  ein  Abts- 
wappen (s.  unten). 

So  weit  entstammt  das  Äußere  dem  Plane  des  Vorarlberger  Meisters.  Aber  wie 
das  Innere,  so  genügte  auch  das  Portal  einer  späteren,  wieder  reicher  gewordenen  Zeit 
nicht,  und  so  ließ  der  Abt  Benedikt  Rischer  (1743  bis  1763),  derselbe,  dessen  Grabstein 


Band  VII. 


27 


Fig.  228.  Gengenbach,  Klostergebäude,  Blick  in  das  Treppenhaus  im  ersten  Stock. 


408 


KREIS  OFFENBURG. 


wir  kennen  gelernt  haben  und  der  überhaupt  eine  größere  Bautätigkeit  entfaltete,  das 
Innere  und  das  Portal  vollständig  erneuern.  Der  Rundbogen  des  Portals  wird  von 
korinthischen  Pilastern  mit  vorgelegten  Säulen  flankiert,  die  ein  weit  vorgekragtes, 
verkröpftes  Gesims  tragen,  an  der  Mittelkonsole  das  Wappen  des  Abtes  Benedikt. 

C\/7 ■'*  Auf  ^em  Gesims  das  außer- 

( z/enaen  bctchJ\btci~ 

cjcLx)  tbc  r im  ß (Obe  t - 


ordentlich  reizende  schmiede- 
eiserne Gitter  des  Balkons, 
in  ihm  das  Monogramm 

^ ^ angebracht.  Uber 

der  Balkontür  von  Putten 
gehaltenes  großes  Wappen 
(Ende  17.  Jh.)  in  Rollwerk- 
kartusche des  Abtes  Augustin 
Müller  (1696  bis  1726),  unter 
dem  der  Beersche  Bau  fertig- 
gestellt wurde.  Durch  das 
Portal  betreten  wir  den  sehr 
interessanten  Tordurchgang 
nebst  Treppenhaus  (Fig.  226). 
Wie  der  raffinierte  Grund- 
riß zeigt,  entsprechen  den 
Pilastern  der  Wand  links  vom 
Eintretenden  in  einem  flachen 
Bogen  aufgestellte  Säulen 
(ionischer  Ordnung),  die  den 
oberen  Treppenpodest  stützen. 
Die  flache  Decke  ist  an  ihrem 
Ansatz  mit  leichten  Rocaille- 
stuckornamenten  verziert, 
während  die  ganze  Pracht 
dieser  Dekorationsweise  an 
dem  Ausgangstor  nach  dem 
Hof  entwickelt  ist  (s.  Fig.  2 2 7 ). 
Zwischen  dem  ersten  Säulen- 
paar rechts  vom  Eintritt  führt 
die  mit  feinem,  schmiedeeisernem  Rocaillegitter  versehene  breite  Treppe  in  die  Höhe. 
Von  dem  oberen  Teile  des  Treppenhauses  gibt  Fig.  228  ein  Bild.  Die  Wände  sind 
durch  Stuckgesimse  in  verschiedene  Felder  geteilt,  die  zum  Teil  mit  reicher  Stuck- 
ornamentfüllung,  zum  Teil  mit  Ölbildern  geschmückt  sind.  Ein  vielfach  verkröpftes  und 
geschwungenes  Gesims  zieht  sich  unter  der  Decke  über  den  Durchgängen  und  den 
Türen  hin.  Uber  letzteren  in  reicher  Stuckumrahmung  Kaiserköpfe.  Außerordentlich 
reizvolle  Stuckdekorationen  (Rocaillewerk,  Vogel  etc.)  schmücken  die  große  Hohlkehle 
und  verbreiten  sich  an  der  flachen  Decke.  Sie  ist  mit  einem  großen  Ölgemälde  in  reicher 
Stuckumrahmung  geschmückt.  Dasselbe,  wie  die  Bilder  der  Seitenwände,  ist  neuesten 


Fig.  229.  Gengenbach,  Ableigebäude,  Geländer 
der  Treppe  vom  ersten  zum  zweiten  Geschoß. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


409 


Datums  vom  Ende  des  1 9.  Jhs.,  während  die  alten  Bilder,  von  denen  das  Deckengemälde 
sehr  ruiniert  war,  1878  abgenommen  und  in  die  Karlsruher  Altertumssammlung  verbracht 
wurden.  Das  Deckenbild  stellte  dar  den  Engelsturz  (dortC.  284),  die  zwei  Seitenbilder  (C.  285 
und  286)  Dädalus  und  Ikarus  bei  der  Flügelanmessung  und  der  Flügelanlegung.  In  den 
an  das  Treppenhaus  beiderseits  anstoßenden  Räumen  teilweise  Stuckdecken  des  18.  Jhs. 

Eine  Treppe  mit  schmiedeeisernem  Geländer  führt  von  einem  der  Durchgänge  aus 
zum  zweiten  Geschoß.  Ihre  Anlage  entstammt  noch  dem  Bau  des  Hauses  am  Ende  des 
1 7.  Jhs.,  der  gleichen  Zeit  auch  das  schöne  Gitter  (s.  Fig.  229).  Auch  hier  einige  alte  Stuck- 
decken, u.  a.  eine  ziemlich  reiche,  mit  einem  Relief  der  Maria  und  Kind  auf  Wolken. 
Eine  Anzahl  Decken  sind  bei  der  Restauration  vor  elf  Jahren  heruntergeschlagen  worden. 

Im  Südbau  in  den  Gängen  einfache  Kreuzgratgewölbe.  Hier  auch  das  ehemalige 
Refektorium,  dessen  reiche  Stuckdecke  noch  erhalten  ist,  aber  jetzt  sich  auf  mehrere 
Räume  verteilt.  Uber  der  alten  Eingangstür  zu  demselben  reiche  Rocaillestuckverzierung. 

In  den  Gängen  des  Südbaues,  der  heute  als  Pfarrhaus  dient,  werden  eine  Anzahl 
Ölgemälde  aufbewahrt,  vor  allem  zu  nennen  das  alte  Altarbild  der  Einbethenkapelle, 
darstellend  die  Heiligen  Perpetua  und  Felicitas,  darunter  die  obenerwähnte  Ansicht  des 
Klosters,  ein  nicht  sehr  bedeutendes  Werk  des  17.  Jhs.,  vor  der  Zerstörung  gemalt.  Die 
Klosteransicht  erweckt,  mit  Ausnahme  der  zweifelhaften  Doppeltürme,  durchaus  den  Ein- 
druck der  Zuverlässigkeit.  Der  daraus  zu  entnehmende  Grundriß  des  Klosters  mit  den 
Bauten  um  den  viereckigen  Hof,  dem  sich  nach  Osten  erstreckenden  Anbau  mit  dem 
Dachreiter,  dem  nördlichen  Verbindungsgang  über  dem  ehemaligen  Kreuzgang,  stimmt 
mit  dem,  was  sich  bei  neueren  Umbauten  ergeben  hat.  Auch  der  Aufbau  mit  den  Rund- 
türmen an  der  Südseite,  dem  Giebelbau  dazwischen,  der  Umfassungsmauer  mit  den  Gängen, 
dürfte  — natürlich  nur  im  großen  ganzen  — richtig  sein.  — Des  weiteren  fünf  Bilder  von 
den  alten  Altären  der  Klosterkirche,  eine  Anbetung  der  Könige  nach  dem  gleichen 
Vorbild  aus  der  Rubensschen  Werkstatt  wie  das  Bild  in  Lautenbach,  der  Gekreuzigte  mit 
Maria  und  Magdalena,  ein  Rosenkranzbild  und  h.  Benediktiner,  Werke  vom  Anfänge 
des  18.  Jhs.,  eine  h.  Scholastika  aus  der  Mitte  desselben,  eine  andere  Heilige,  bezeichnet 
F • I ^Toter  pinxit  1771;  ovale  Medaillons  von  Altaraufsätzen,  darunter  ein  guter  Kopf 
eines  alten  Heiligen,  weiter  ein  etwas  rohes  Gemälde  der  Brotvermehrung  (18.  Jh.)  und 
zwei  Abtporträts,  das  eine  den  Gisbert  Agricola  darstellend,  aus  dem  Ende  des  16.  Jhs., 
das  andere  aus  dem  18.  Jh. 

An  dem  Rest  des  an  die  Kirche  ehemals  angebauten  Flügels  an  der  Südseite  ein 
älterer  Wappenstein  eingemauert  mit  der  Zahl  1562  und  den  Abtsabzeichen,  also  wohl 
das  Wappen  des  Abts  Gisbert. 

Der  Hof  ist  leider  durch  einen  Abortbau  verunstaltet. 

Der  Klostergarlen  ist  noch  zum  Teil  von  seiner  alten  Mauer  umgeben.  Er  öffnet 
sich  nach  dem  Klosterhof  zu  in  einem  Tor  mit  rustizierten  Pilastern,  auf  denen  Vasen 
stehen;  hübsches  schmiedeeisernes  Gitter  daneben  wie  an  dem  Tor.  Zwei  ähnlich  rustizierte 
Pilaster  mit  bauchigen  Rocaillevasen  führen  an  der  Nordseite  der  Kirche  in  den  Kirchen- 
garten. Auch  diese  Gartenanlagen  verdanken  ihre  Entstehung  wohl  dem  Abt  Benedikt 
Rischer. 

Das  Rinnsal,  das  vor  Kirche  und  Kloster  durchführt,  wird  auf  einem  alten,  noch 
mittelalterlichen  (?)  Steinpfeiler  mit  abgefasten  Ecken  zu  der  ehemaligen  Klostermühle 
weitergeleitet,  die  noch  zum  Teil  aus  dem  18.  Jh.  stammt. 


Ölgemälde 


Wappenstein 


Klostergalten 


Klostermühle 


27 


4io 


KREIS  OFFENBURG. 


Wappen 


Friedhofkirche 


Baunachrichten 


An  dem  Torvorbau  des  unter  dem  Schulhaus  gelegenen  Kellers  ein  Stein  mit  dem 
Wappen  des  Abts  Placidus  eingemauert,  laut  Aufschrift : 

P • A • Z • G 

16  9o. 

Das  gleiche  Wappen  von  1691  findet  sich  an  einem  wieder  nach  seinem  alten 
Zwecke  verwendeten  Schlußstein  in  der  Durchfahrt  des  Schulhauses.  Wir  befinden  uns 
eben  im  alten  Klosterbezirk , dessen  Westmauer,  durch  die  Häuser  durchgehend  an  der 
Rückseite  des  Rathauses  vorbei,  noch  deutlich  nachzuweisen  ist. 

Die  ehemalige  Pfarrkirche  S.  Martin,  jetzige  Friedhof kirche,  ist,  wie  oben  aus- 
einandergesetzt worden,  wohl  die  älteste  kirchliche  Gründung  auf  diesem  Boden.  Doch 
sind  vom  frühen  Mittelalter  keine  Reste  mehr  erhalten,  die  heutige  Kirche  ist  in  der 
Hauptsache  ein  Bau  von  1452,  der  im  17.  Jh.  viel  gelitten  und  deshalb  manche  Reno- 
vationen und  Veränderungen  erfahren  hat. 

Die  Baunachrichten  darüber  besagen: 

1443  hören  wir  von  einem  Vergleich  zwischen  dem  damaligen  Abt  und  der  Stadt 
Gengenbach:1)  »die  in  rechten  angehengt  waren  als  von  des  Thurnes  und  Bawes  wegen, 

deßselben,  der  ober  dem 

- .-s  _ " - -TRiEPbor 

STmakJIn  Inschrift 


4 

* toHrilff-  ntfis 4 iwrMlfrFi 
< tanwpaiim.*  rä  • j • trfe 

♦ Mt  ♦ ÄMintü  'fym*  üj 


Fig.  230.  Inschrift  an  der  Martinskirche  in  Gengenbach. 


Chore  der  Lutkirchen  uss- 
wendig  der  Stadt  G.  ge- 
legen, gebuwen  ist  und 
stet«.  Die  Stadt  wollte  dem 
Kloster  als  Kirchherrn  und 
Einnehmer  des  Zehnten  die 
Baupflicht  zuschieben,  der 
Abt  aber  der  Stadt:  »die- 
weil vormals  derselbe  Thurn 
und  Inebuw  durch  Schult- 
heiss,  rot  und  Statt  zu  G. 
und  nit  durch  einen  apt  gebuwen  und  in  gebuw  erhalten  war,  dieweil  auch  der  Statt 
Glockhen,  die  sy  mit  Iren  Coste  gemacht  hätte,  in  demselben  Thurn  hingen«.  Der  Ent- 
scheid des  bischöflichen  Richters  Joh.  von  Steynborn  zu  Straßburg  lautete:  i.  jede  Partei 
solle  einen  Baumeister  bestellen,  »die  auf  Globen  und  zu  den  Heyligen  schwören  sollen, 
den  Thurn  zu  besehen ; was  die  dan  erkennen,  das  der  egenant  Thurn  von  dem  Fulment 
und  Fundament  biss  ahn  das  gewelbe  des  Ingeschlossen  Buwes  nottürftig  syg,  den  soll 
der  Abbt  und  Convent  uff  Iren  Kosten  und  schaden  thuen,  was  über  Buwes  und 
Inbuwes  derselbe  Thurn  von  dem  gewelbe  ahn  bis  ahn  das  dach  gewelbe  und  dach 
ussgeschlossen,  nottürftig  syg  nach  erkenntnus  der  2 Buwmeister,  den  soll  Schultheiss 
und  rot  mit  Irem  Costen  und  schaden  thun.  2.  wan  derselbe  Thurn  eines  Helmes 
oder  Dachs  nottürftig  ist,  so  ist  bedingt,  weil  dasselbe  Dach  beyden  Partheyen  (dem 
Convent  zu  dem  Gewelbe  und  Chor,  dem  Rot  zu  den  Glocken)  dienend  ist,  das  es 
durch  beyde  Partheyen  glicher  Kosten  gemacht  werde.  Ist  auch  beret,  das  ein  schlecht 
redlich  ziemlich  Dach  gemacht  soll  werden«. 

Daraus  geht  hervor,  daß  der  Turm  über  dem  Chor  errichtet  und  daß  diese  ganzen 
Ostteile  äußerst  schadhaft  geworden  waren.  Hält  man  damit  zusammen,  was  die  jetzt 
x)  Z.  NF.  8,  S.  454. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


411 


(nicht  ursprünglich)  am  Nordanbau  der  Kirche  eingemauerte  Inschrift  angibt  (s.  Fig.  230), 
daß  nämlich  der  Bau  anno  1452  begonnen  und  damals  der  erste  Stein  gelegt  wurde,  so 
möchte  ich  aus  allem  schließen,  der  bauliche  Befund  habe  sich  nach  jenem  Vergleich 
von  1443  als  so  schlecht  herausgestellt,  daß  man  sich  zu  einem  gänzlichen  Neubau  der 
Kirche  entschloß.  Dafür  spricht  ihre  heutige  Beschaffenheit. 

Zweihundert  Jahre  später,  1641,  hören  wir  dann,  daß  der  Turm  gänzlich  einstürzte 
und  den  Chor  in  seinem  Fall  zerstörte. 

»A.  1641  die  30  Jan.  turris  parochialis  ecclesiae  Gengenbac.  ex  fundamento 
totaliter  corruit  et  chorum  cum  tribus  altaribus  in  ecclesia  subvertit.  Causa  fuit  nimia 
altitudo,  adhuc  enim  fuerat  una  contignatio, « ’)  was  weiterhin  so  erklärt  wird:  »causam 
eius  ruinae  esse  affirmabant,  quod  turris  haec  altius  fuerit  erecta,  dum  adhuc  una 
contignatio  ei  fuit  superposita  et  turris  scabris  lapidibus  tecta;  tantam  enim  imponebant 
molem,  cui  ferendo  fundamentum  ipsum  sufficiens  non  erat  etc.«.* 2) 

Wir  werden  die  Nachricht  vom  »totalen«  Zusammensturz  wohl  nicht  allzu  wörtlich 
nehmen  dürfen,  doch  scheinen  mindestens  die  drei  oberen  Stockwerke  zusammengestürzt 
zu  sein,  sie  werden  das  Gewölbe  des  Chors  kaput  geschlagen  und  dessen  Hochmauern 
dabei  gelitten  haben.  — Zwei  Jahre  nachher  hausten  besonders  hier  in  der  Pfarrkirche 
die  weimarischen  Soldaten  und  raubten  sie  gänzlich  aus.  1671  ging  man  an  die 
Restauration,  1672  konnte  das  Kreuz  dem  fertigen  Turm  aufgesetzt  werden,  1679  konnte 
der  Chor  geweiht  werden,  sieben  Jahre  nach  seiner  baulichen  Fertigstellung,  der  Hoch- 
altar dem  h.  Martin,  die  beiden  Seitenaltäre  der  Kirche,  der  eine  als  Kreuz-,  der  andere 
als  Marienaltar.  Am  18.  September  des  gleichen  Jahres  wurden  vom  Abt  Placidus  die 
drei  großen  Glocken  geweiht,  die  von  Mathaeus  Grüninger  in  Villingen  gegossen  waren. 

Der  Bericht  lautet:  »Ab  initio  septembris  huius  anni  (1671)  reaedificari  coepta 
est  turris  cum  choro  ecclesiae  parochialis  Gengenbacensis,  quae  anno  1640  in  mense 
Januario  corruit;  turris  ista  cum  choro  ad  suam  pervenit  perfectionem  1.  die  Octobris 
a.  1672,  quo  die  crux  cum  deaurato  globo  turris  huius  vertici  imposita  fuit.  1679:  Hoc 
anno,  nimirum  19  Sept.  dedicatus  est  chorus  parochialis  ecclesiae  s.  Martini  episcopi  in 
Gengenbach,  noviter  a.  1672  erectus  una  cum  summo  altari  et  duobus  altaribus  extra 
praedictum  chorum  in  navi  ecclesiae  abs  rev.  d.  Gabriele  Haug  p.  p.  summum  altare 
dedicatum  est  in  honorem  s.  Martini ; secundum  altare  ad  dextrum  introitus  chori,  in 
honorem  s.  crucis;  tertium  altare  a sinistris  ingressus  chori,  in  honorem  Mariae. 
Anniversaria  dedicationis  dies  ecclesiae  huius  parochialis  singulis  annis  celebratur 
dominica  in  albis  seu  octava  paschalis  domini  ...  18.  Sept.  Tres  maiores  campanae  im 
ecclesia  parochiali  Gengenbacensi  fuere  benedictae  et  consecratae  a praelato  Placido. 
Dictae  campanae  pridie  Villinga  adductae  fuerant,  ubi  et  fusae  fuerunt  a Mathaeo 
Grueninger,  cive  Villingano.  Post  benedictionem  hac  campanae  in  novam  turrim 
suspensae  sunt.«3) 

In  den  folgenden  Franzosenkriegen  scheint  die  Martinskirche  nicht  besonders 
gelitten  zu  haben,  wohl  weil  sie  außerhalb  der  Mauern  war;  auch  bei  der  großen  Zer- 
störung 1689  wird  von  ihr  nichts  berichtet.  Sie  stand  wohl  so  bis  in  die  Mitte  des 
19.  Jhs.  mit  ihrem  abgewalmten  Kupferdach  nebst  Laterne,  sichtbar  auf  der  schon 


')  FDA.  XVI,  S.  172. 

2)  Z.  NF.  8,  S.  454- 

8)  a.  a.  O.  S.  455. 


412 


KREIS  OFFENBURG. 


Baubeschreibung 


citierten  Zeichnung  im  Besitze  des  Freifräulein  von  Loewenberg  und  dem  genannten 
Kupferstich.  Wenn  diese  darin  Zutrauen  verdienen,  so  doch  kaum  in  der  anscheinenden 
Achteckgestalt  des  Turmes,  denn  die  heutigen  viereckigen  Obergeschosse  stammen 
sicher  noch  aus  dem  17.  Jh.  Sein  Dach  aber  verlor  der  Turm  ca.  1840  ohne  triftigen 
Grund  und  erhielt  das  heutige  stumpfe  Pyramidendach. 

Die  Kirche  ist  ein  schlichter  Bau  aus  Bruchsteinmauerwerk  mit  Mörtelbewurf.  Auf 
das  einschiffige,  flachgedeckte  Langhaus  folgt  zunächst,  bedeutend  erhöht,  über  sechs 
Stufen  zugänglich,  das  erste  Chorquadrat,  über  dem  sich  der  Turm  erhebt,  dann,  wieder 
einige  Stufen  erhöht,  das  zweite,  beide  mit  eingezogenem  Kreuzgratgewölbe,  und  dann 
der  ebenfalls  mit  Gratgewölben  eingedeckte  und  nochmals  um  drei  Stufen  erhöhte  Achteck- 
abschluß. Wandpfeiler  mit  abgefasten  Kanten  und  Kämpfer  mit  Profil  aus  Plättchen  und 
Wulst  tragen  die  Gurtbögen  zwischen  den  beiden  Chorquadraten  und  dem  Langhaus.1) 
Alle  die  erwähnten  Stufen  sind  nicht  zusammenhängend  gemauert  mit  den  Chorwänden, 
sie  stammen  also  erst  von  der  Renovation  des  17.  Jhs.,  wie  auch  die  Rundbogenfenster 
des  Chors.  Dagegen  sind  die  spitzbogigen  Fenster  mit  Fischblasenmaßwerk  des  Lang- 
hauses, fünf  an  der  Südseite,  zwei  davon,  eines  zugemauert,  an  der  Nordseite,  und  endlich 
eines  an  der  Fassade  noch  aus  der  Zeit  des  spätmittelalterlichen  Baues.  Unter  ihnen 
bezw.  ihre  Sohlbank  bildend  zieht  sich  um  den  ganzen  Bau  das  übliche  gotische  Kaff- 
gesims herum.  Einige  Rundfenster  auf  beiden  Seiten  darunter  sind  im  17.  Jh.  gebrochen 
worden.  Das  Hauptportal,  flachbogig,  zeigt  sich  durchschneidende  Rundstäbe  auf, 
gewundenen  und  gestreiften  hohen  steilen  Basen,  hier  auch  die  weiter  oben  wieder- 
gegebenen Steinmetzzeichen.  Alle  Gewände  an  dem  Bau  wie  gewöhnlich  aus  rotem 
Sandstein,  im  übrigen  zeigen  sich  an  ihnen  vielfach  Reste  alter  Quaderbemalung.  Zwei 
kleinere  Türen  an  der  Fassade  haben  gerade  Sturze  auf  hohlgekehltem  Gewände; 
daneben  ein  Weihwasserbecken  des  15.  Jhs.,  an  ihm  skulpiert  ein  Schild,  in  dem  eine 
Kanne.  — Das  Sockelgesims  der  Kirche  ist  das  einfache  gotische  mit  einer  Hohlkehle, 
entsprechend  die  Dachschräge.  — An  der  Südseite  führt  eine  Barocktür,  mit  der  Jahres- 
zahl 1778  versehen,  in  die  Kirche. 

Der  Turm,  auf  quadratischem  Grundriß,  ragt  in  drei  Stockwerken  aus  dem  Dach 
empor.  In  diesen  Stockwerken  geradsturzige,  im  oberen  Rundbogen-Fenster  des  17.  Jhs. 
Überall  aber  noch  die  gotische  Wasserschräge.  An  der  Südseite  ist  die  Sakristei  angebaut, 
noch  aus  dem  15.  Jh.,  mit  kleinen  Spitzbogenfenstern,  von  denen  eines  noch  flamboyantes 
Maßwerk  besitzt.  Der  flachgedeckte  Raum  öffnet  sich  nach  dem  Chor  in  einer  Tür, 
deren  Gewände  Abfasung  mit  Volutenablauf  zeigt,  also  i7-Jh. 

An  der  Nordseite  der  Kirche,  da,  wo  bei  einer  Querschiffanlage  das  nördliche 
Querschiff  wäre,  ist  genau  in  der  Ausdehnung  eines  solchen  und  mit  einem  Satteldach 
eingedeckt,  das  das  Langhausdach  schneidet,  ein  Anbau  vorhanden,  der  unten  in  flachen 
Rundbogenfenstern  und  einer  Rundbogentür  nach  dem  Friedhof  sich  öffnend,  ein  Bein- 
haus enthält.  Das  Geschoß  darüber  ist  als  Empore  ausgestattet  und  öffnet  sich  nach 
der  Kirche  zu  in  zwei  Flachbogen,  die  auf  einem  kleinen  Säulchen  ruhen  mit  weit  aus- 
kragendem plumpen  Kämpfer.  In  den  Öffnungen  unten  Balusterabschluß.  Nach  Norden 
zu  öffnet  sich  der  Raum  in  zwei  Rundbogenfenstern.  An  seiner  Nordwestecke  ein- 

J)  Nirgends  ein  Anhaltspunkt  dafür,  daß,  wie  Liibke  meint,  der  Unterteil  des  Turmes  noch 
romanischen  Ursprungs  ist,  so  wahrscheinlich  das  nach  dem  Alter  der  Kirche  auch  wäre. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH.  4 I 3 

gemauert  die  obencitierte  Bauinschrift.  Ich  möchte  vermuten,  daß  der  beim  Turm- 
einsturz stehen  gebliebene  Rest  eines  Querschiffes  im  17.  Jh.  derartig  benutzt  wurde.  In 
der  Südwestecke  des  Baues  legt  sich  ein  rundes  Wendeltreppentürmchen  an,  vor  dessen 
erster  Stufe  eine  Platte  eingelassen  ist  mit  einem  Schild,  worauf  Pflugschar  und  Reb- 
messer und  eine  zerstörte  Inschrift. 

Von  der  Ausstattung  der  Kirche  ist  zu  bemerken  zunächst  in  der  Nordostecke 
des  Langhauses  eine  spätgotische  Nische  mit  Vorhangbogen,  dann  der  Hochaltar  und  die 
zwei  Seitenaltäre  in  dem  wirksamen  barocken  Säulenaufbau,  etwa  Mitte  18.  Jhs.  In  dem- 
selben am  Hochaltar  Gemälde  des  h.  Martin,  an  dem  einen  Seitenaltar  die  Anbetung 
der  Hirten,  am  anderen  ein  h.  Sebastian,  aus  der  gleichen  Zeit.  An  der  Nordwand 
die  vorzügliche  Rocaillekanzel  mit  Stadtwappen,  Holz,  marmorartig  bemalt,  in  origineller 
Verbindung  mit  der  unter  ihr  befindlichen,  ebenfalls  holzumkleideten  Türe.  Das  vordere 
westliche  Drittel  des  Langhauses  wird  durch  eine  Empore  in  dem  beliebten  bauchigen 
Grundriß  eingenommen,  auf  Holzstützen,  in  blauer  Marmorierung  bemalt.1)  Auf  der 
Empore  die  Orgel  mit  reicher  Rocailleschnitzerei,  mit  musizierenden  Engeln,  jetzt  in 
Holzfarbe  übertüncht.  Die  Stuckdecke  des  Langhauses  ist  in  einfacher  Weise  in  Felder 
geteilt. 

Uber  dem  Triumphbogen  ist  in  großem  Rollwerkschild,  von  zwei  Engeln  gehalten, 
das  Stadtzvappen  in  Stuck  angebracht.  Vom  Bogen  hängt  ein  Holzkruzifix  des  18.  Jhs. 
herunter.  Ein  vorzügliches  Werk  des  17.  Jhs.  (1693)  ist  das  Kruzifix  in  Lebensgröße  an  der 
Nordwand,  wie  ich  höre,  aus  der  abgebrochenen  Kapelle  an  der  Kinzigbrücke  stammend. 
Die  im  Rocaillegenre  geschnitzten  Türen  des  Hauptportals  weisen  die  Inschrift 
auf  (1748) : 

gLorIfICetVr  et  eXaLtetVr 

DoMVs  tVa  VnVs  et  trInVS. 

In  der  Sakristei  auf  den  Schränken  Holzkruzifix  des  18.  Jhs. 

Von  den  Glocken  stammt  eine  mit  dem  Gengenbacher  Wappen  von  1718,  von 
Algeyer,  eine  zweite  ebenfalls  mit  dem  Wappen  aus  Villingen,  eine  dritte  von  1802. 
Näher  war  nicht  beizukommen,  und  dem  vierten,  höher  aufgehängten  kleinen  Glöckchen 
überhaupt  nicht. 

Am  Äußern  der  Kirche  eine  Anzahl  Epitaphien  eingemauert,  und  zwar  an  der 
Westfassade: 

1.  Weißer  Sandstein,  ca.  1,40  m hoch  (s.  Fig.  231).  Pilaster,  an  denen  die  Hoch- 
relieffiguren der  Heiligen  Petrus  und  Paulus,  flankieren  eine  Nische  mit  dem  Relief 
der  Auferstehung  Christi.  Die  Pilaster  tragen  gebrochenen  Giebel,  an  dem  originell  sich 
der  Linie  des  Giebels  anschmiegende  Köpfe,  dazwischen  das  Wappen.  Am  Sockel  der 
Apostelfiguren  Schilde  mit  der  Hausmarke  des  Toten  und  dem  Meisterzeichen  (?)  des 
Steinmetzen.  Unter  dem  Geschilderten,  von  Beschlägornament  umrahmt,  die  ovale  Tafel 
mit  der  Inschrift: 

*)  Sollte  jemals  aus  praktischen  Gründen  eine  Renovation  der  Kirche  nicht  zu  umgehen  sein, 
so  wäre  dringend  zu  wünschen,  daß  im  Innern  der  Rocaillecharakter  im  Anschluß  an  die  vor- 
handenen Farbenspuren  beibehalten  wird. 


Ausstattung 


Wappen 

Kruzifix 


Geschnitzte 

Türen 


Glocken 


4M 


KREIS  OFFFNBURG. 


Ftg.  2ji.  Grabmal  des  Peter  Jüngel  an  der  Friedhofskirche  in  Gengenbach. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


415 


SAIVBSTAG 

DEN  • 17  • OCTOBRIS  • ANNO 
.I609  IST  IN  GOTt  SELIGLICH 
VERSIDEN  • DER  EFRNWST  VND 
WEISE  • PERR  • PETER  • IVNGEL  • ZW-- 
ÖLFER  • VND  STiT iVEISTR  • DES  AL= 

TN  RATS  • ZV  GENGENBACH 
DEM  GOTT  • GISEDIG  • SEIN 
WELLE  • AMEN. 

Tüchtige  und  charakteristische  Handwerksarbeit  der  Renaissance. 

2.  Heller  Sandstein.  Ovale  Inschriftplatte,  ca.  1,20  m hoch,  in  Rocaillekartusche, 
umrahmt  von  weinenden  Putten,  mit  den  Todesemblemen,  dem  Rienecker  und  Jüngelschen 
Wappen,  der  Barbara  Rienecker,  letzter  der  Familie  Jüngel,  und  der  Inschrift: 

S7a  Viator  et  L ege 

7 er ra  haec  recödit  ossa  dilectae  Conjugis  et  NVatris  optimae 
Desiderata  terris,  Coelo  matura  obiit  25ten  F ebne.  176+  • • aetat  • ab  +6  • 

R eligiosa  in  Deum,  in  Kauperes  munifica , grata  Kopulo, 
a suis  amata,  bonis  omnibus  fuit  Charrissima 
Ex  his  nosce  Kraenob:em  geilere  et  nomine  Dominain  tAargaritam 
Earbaram  Kienecker,  Vltimam  J ünglingianae  Stirpis  Krogeniem  et 
Virtutis  avitae  haeredem  felicissimam  ■ S i Klura  tarnen  Seine  cupio 
Lege  Salomonen 1 : Aulier em  forteminea  mirabens  • Kequiescat  in  P ace  . 

V oLente  Deo  Con  I V ge M seCVtVs  est 
Vir  multum  ainabilis  Kraenob  • D • F • Carol  ■ Kienecker  Kraetor  et  XII  vir 
\111p  . Civit  • Gengenb:  aet:  59  • qui  vita  ex  virtutis  lege  Keracta  ad  beatain 
imortalitatem  aspirans  laetus  ipse  silii  sequens  composuit 
Epitaphium  • Credidi  speravi  dilexi  Deum 
Si  aut  ein  totam  non  adimplevi  legem  quam  sanctam  agnovi 
Wiisericordiam  D ei  ter  optimi  implorans  infinitis  meritis 
I esu  Christi  spero  Kesurrectionem  et  vitam  aeteniam  ■ 

Die  viator:  amen. 

Auf  einem  Spruchband  darunter  steht: 

lltnfer  lOCcficn  ift  0lririj  öetn  Bor&eiiifldjcnticn  örfjattüti. 

An  der  Nordseite  der  Kirche: 

3.  Epitaph  des  Joh.  Georg  Heitzmann,  gest.  1707,  und  seines  Sohnes  Josef  Heitz- 
mann,  gest.  1752.  Sandstein.  Inschriftplatte  mit  Dreieckgiebel,  von  Voluten  umrahmt. 

An  dem  Beinhaus  die  oben  besprochene  und  abgebildete  Bauinschrift. 

4.  Uber  dem  Tor  des  Beinhauses  eingemauert  Sandsteinrelief  des  Gekreuzigten, 
etwa  95  cm  hoch,  gute  Arbeit. 

An  der  Südseite  der  Kirche: 

5.  Oblonge,  1,60  m breite  Nische,  der  untere  Abschluß  als  'Wasserschräge  gebildet, 
darauf  setzt  der  Rundstab  an  auf  hoher  gewundener  Basis ; aus  diesem  Rundstab  und 
einer  Hohlkehle  ist  der  weitere  Rahmen  der  Nische  gebildet;  in  derselben  geringes 
Gemälde,  Ende  16.  Jhs. : ein  Kruzifixus,  vor  dem  eine  Frau  kniet. 


416 


KREIS  OFFENBURG. 


6.  Unter  dieser  Nische  ein  roter  Sandstein  eingemauert  mit  der  Inschrift: 

Siehe  Leferl  das  Schickfal 

Des  Edlvösten  Hern  Johann  Michael  Hosel  welcher  als  Zwölfer  des  alten  Raths 
dahier  den  2[  Dezembris  1734.  Seines  alters  63.  gestorben  und  deine  die  viel 

Ehr-  und 

Tugendsame  Frau  Anna  Maria  Jäggin  Seine  eheliche  Hausfrau  den 
aprilis  1737  ■ ihres  alters  62  nachgefolget.  Was  feynd  nun  fie  beede?  Was  du 

wirst  werden 

Requiescant  in  Pace 
amen. 

7.  In  reichem  Rocaillerahmen  (s.  Fig.  232)  mit  Voluten,  Todesemblemen  etc.,  oben, 
hübsch  in  den  geschwungenen  Giebel  hineinkomponiert,  der  Gekreuzigte  mit  Maria  am 
Fuße  des  Kreuzes.  In  dem  unteren  Felde  die  Inschrift: 

3tilljicr  Btiljcn 
die  gebein 

be£  CblUeften  und  taoljfliieifen 
Jfjcrrti  math ei  SCrnoIbt  ^tatt* 
meifter  unb  stnälffmi  beß  alten* 

Ratfjö  baljier  tucldjcr  ben  19  nicrt^ 

1767  feeltg  in  bem  l^crrn  entfrfjlafen 
feinet  alter**  61  jaljr 

Unb  ber  'i-ijr  nnb  ttigenbfamen 
jUaria  TUagbalrna  Sieglet  in 
beßen  cTjcgattin  Inelifjc  gebauten 
ben  16  avgst  1693  nnb  geftoröen 
ben  17  SEPTEMBER  1776  ift 
alfo  83  jaljr  1 Jttoiiatl]  nnb 
1 tag  alt  taorben. 

In  kleiner  Kartusche : 

REQVIESC ANT  IN  PACE. 

Die  Frau  hat  also  ihren  1 3 Jahre  jüngeren  Mann  noch  um  9 Jahre  überlebt.  (Roter 
Sandstein  1,60  m hoch.) 

8.  Oblonges  Epitaph,  roter  Sandstein  65X81  cm.  In  dem  vertieften  Felde  das 
Allianzwappen  des  Toten,  die  Umschrift  lautet: 

ANO  • 9o  • DE  26  IVLY  / STARB  IOHÄ  / ERIDERICH  (sic!)  IETINGer  / 

DE  OtT  GeNA)/ 

9.  Aufrechtes  Rechteck,  1,95X0,89  m,  gelber  Sandstein,  in  zwei  quadratische 
Felder  geteilt,  im  oberen,  in  Relief,  der  Gekreuzigte,  rechts  (heraldisch)  eine  anbetende 
knieende  Matrone,  links  das  Wappen:  zwei  aufrechte  Fische.  Derbe  Arbeit.  Unterschrift: 

IHESV  FILI  DEI  MISERERE  ME. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


417 


Tn  der  unteren  Abteilung 

steht : 

VERENA.  MATRIS  SUA 
DILECTISS  • 

MONUMET  • HOC  RE- 
VERENTI  AE 
ET  AMORIS  • ERGO 
POSUIT  MÜS- 
ST? FILI?  MICHAEL 
BUECHNER:  HUIS 
ECCLAE  • PASTOR  • 

VIXIT  POST  MONO- 
GAMIAM  ANNIS  XXX 
ET  OBIYT  ANO 
DNI  • MDLXXX  IN 
FESTO  S • 

MARTINI  EPI  • AETA- 
TIS  • SUAE  : LXIII. 

10.  Reiches  Renaissance- 
epitaph (s.  Fig.  233)  in  rotem 
Sandstein,  2,20  m hoch.  Eine 
flachbogige  Nische,  von  Hermen 
flankiert,  an  deren  einem  die 
Halbfigur  eines  Jacobspilgers, 
an  dem  anderen  die  Halbfigur 
einer  Frau  mit  zwei  Kindern 
(h.  Anna  selbdritt?  Caritas?). 

Diese  Hermen  tragen  das  ver- 
kröpfte  Gebälk,  auf  dem  sich 
der  Aufsatz  erhebt.  Pilaster 
mit  Löwenköpfen,  von  Voluten 
flankiert,  tragen  den  ge- 
brochenen Giebel  mit  Zahn- 
schnitt. In  dem  Aufsatz  Relief 
der  Himmelfahrt  Mariä,  in 
der  Mittelnische  der  Gekreu- 
zigte, links  (vom  Beschauer  aus)  knieender  Mann  mit  Frau,  rechts  desgleichen  mit  Rosen- 
kränzen in  den  Händen,  die  Frauenfigur  ist  später  weggemeißelt.  Darunter  leere  Platte 
in  Rollwerkumrahmung,  dann  das  Wappen  mit  I K • (Johann  Kun)  und  endlich  die 
Platte  mit  der  Inschrift: 


Fig.  232. 


Epitaph  des  Stattmeisters  Math.  Arnoldt  und  seiner 
Frau  an  der  Leutkirche  in  Gengenbach. 


IACOB  GNTR  • GNTX  . HC  • ANA  QESCT 
PACIFICO  CLzRI  TEPORA  M/LA  Tot 
AMBO  PII  FVERAT  yßO  VkTVE  DEG°RI 
AMBO  PIE  MATE  PERC’L VEBE  DEI 
FILI  ABOB  PASTOR  MOMET  IOANES 


KREIS  OFFENBURG. 


418 


HALC  L'CAT  HOSPCB  LKCT.R  AE  VN A 
PIE  & HIC  24  NOVEB  : ANO  I6o4 
ATiS  64  • ILLA  • 8 APR  A°  I606  ATiS  65  = 
REQVIESC ANT  IN  PACE. 


Fig.  233-  Epitaph  an  der  Leutkirche  in  Gengenbach • 

Die  äußerst  schlechten  Abkürzungen  und  dazu  noch  Fehler  des  Steinmetzen  lassen 
nicht  einmal  den  Namen  deutlich  erkennen. 

Zu  den  Treppenstufen  der  jetzt  folgenden  Tür  sind  zwei  Grabsteine  mit  jetzt 
unleserlichen  Inschriften  verwandt. 


AMT  OFFENBURG.  — GEN  GENBACH.  41g 

1 1 . Grabstein  mit  ovaler  Inschriftplatte,  von  Kranz  umgeben,  darüber  fünfzackige 
Krone,  von  zwei  Engelputten  gehalten.  (100X72  cm.)  Die  Inschrift  lautet: 

HIER  IST  DIE 

RUEHSTATT  DES  WOLEHRW: 

IN  GOTT  GEISTLICHEN  HERREN  JOSEPH 
SCHNEIDERS  • WELCHER  ANFAENGLICH  IN  MÜLLE 
NACHGEHENDS  • BEY  DIE  ZO  JAHR  • IN  PRINTZBACH 
EUFERIGSTER  SEELSORGER  UND  DES  • HOCHWÜR  • 
LAHRISCH«/  RURAL:  CAPITULS  CAMERER  GEWESEN 
LETZTENS  • ABER  • ALS  CAPELLANUS  • DER  CAPPLONEY 
DES  HEIL : ERH  ARTI  ■ IN  GENGENBACH  • IN  • GOTT  SELIG 
ENTSCHLAFEN  IST  DEN  ZO*  AUG:  ANNO 
MDCCX XXII  SEINES  ALTERS  IM  L-V-JAHR 

zu  dessen  Ewigen  gedächtnus  CAROLES  SCHNEIDER 
vnd  CA THARINA  ■ WINTERHALTERIN  ■ def  obgedacht 
Verstorbenen  • hinter  • lassene  ■ geschwisterige  ■ disen 
grabstein  hierher  haben  setzen  lassen 
der  barmherzige  Gott  ■ gebe  • Ihm 
und  allen  Christgläubigen 
Je  eien  • die  Ewige  Ru  eh 
Amen. 

An  der  nun  folgenden  Tür  sind  wieder  zwei  Grabsteine  verwendet. 

Auf  dem  Friedhof  zu  bemerken:  großer  Rocaillegrabstein  (s.  Fig.  234).  (Roter 
Sandstein.)  Reiche,  krause  Voluten  umrahmen  das  Inschriftoval.  An  ihnen  Todesembleme, 
Leuchter  etc.,  oben  Kronos  mit  der  Uhr,  zu  beiden  .Seiten  zwei  Tugenden,  unter  dem 
Oval  das  Allianzwappen  der  Verstorbenen.  Originell  im  Aufbau  und  gut  in  der  Aus- 
führung. Am  Sockel  Rocaillekartusche.  Oben  steht : 

In 

hoC  tVMVLo 
ConDIta  fVIt  (1768) 

PR  ALNOBI LIS  IOANNA  FRANCISCA  RIENECKER 
VXOR  PRENOB  ■ DOM  • CONRADI  • RAIM 
CALSAR  REG  • LEGIONIS  DE  FVRSTEMBERG 
SVPREMI  VIGILIARVM  PRALFECTI 
/E.TATIS  XXI 

IesV  saLVator 
ConCeDe  eI  reqJVIeM  (1768). 

Am  Sockel  die  Verse: 

HUNC  LAPIDEM  POSUIT  CONSTANTIS  CURA  MARITI 
QUI  COLUIT  VI V AM  QUI  COLIT  ET  CINERES 
NI  LAPIS  ES  REDIENS  REQUIEM  PACEMQUE  VIATOR 
DIC  ANIMAE  CUIUS  CONDIT  HIC  OSSA  LAPIS. 


Friedhof 


420 


KREIS  OFFENBURG 


Fig.  234.  Grabstein  auf  dem  Friedhof  in  Gengenbach. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH.  42  I 

Von  hier  aus  gegen  die  Mauer  zu  kleine  Kapelle,  Rundbogennische,  in  deren 
Hintergrund  in  äußerst  roher  Malerei  (aufgefrischt)  die  Verspottung  des  Herrn  gemalt 
ist,  die  Figur  des  Herrn  selber  in  Steinplastik  davorstehend  auf  einer  Konsole,  dreiviertel- 
lebensgroß, mit  stark  hervorgehobenen  Muskeln.  An  der  Konsole  steht: 

3Don  Lottes;  Knaben  43eorg  SCfrlit  51t  43cngenöarff. 

1609. 

Also  Abt  Georg  Breuning  hat  die  Kapelle  gestiftet. 

Östlich  von  der  Kirche  eine  weitere  Kapelle,  mit  ähnlicher  Nische,  flankiert  von 
dorischen  Pilastern,  die  das  Gesims  tragen.  An  der  Wand  etwa  zweidrittellebensgroßer 
Kruzifixus,  Steinskulptur,  hinter  der  sich  gemalt  die  Gegend  von  Jerusalem  erstreckt.  An 
der  linken  Seitenwand  großes  ausgehauenes  Wappen,  heraldisch  rechts  goldener  Hammer, 
Krone  und  Stern  in  blauem  Feld,  links  drei  Kleeblätter  in  Gelb,  darunter  die  Inschrift : 

Viator  lege  ac  hige 
hic  jacet 

Patriae  culmen  & columen 
Virtutib  9 Decor  9 suorum  dec  9 
Tarn  Oinnib9  Char 9,  Quam  reipub9  proficu9  quis? 

D • Joannes  Bender  Imper  • Civit : 

Gengenb:  Praetor  Digniss9  de  Consultui  9 
mm  Dilecta  sua  coniuge  D.  ANNA  MARIA  HILLER1N 
Quam  Diu?  Ille  aetatis  ■ pp  • A • 30  Juliy  1704. 

Haec  aetatis  66  ■ & • jo:  Aprilis  171p  Parentes. 

Liberorum  quorum  prior  dignitate  fulget  Abbatia 
Blasius  Abbas  Sau  9 Blasianus  posterior 
Parentans  D.  Joachimus  Praetoratus 
Quibus  hi  et  singuli 
Voce  dicunt  luna  nimi 
Lux  perennis  luceat  iis 
Domine. 

An  der  anderen  Seitenwand  dasselbe  Wappen  und  die  Inschrift : 

Pietati  ac  postcritati 

Hac  in  gentilitia  sibi  suisq9  haereditaria  quiesunt  (sic!)  sepultwa 

Duo  germani 

Virtute,  sanguine,  pietate  pari , vcre  fratres 
nempe 

Joahes  Caspar  & Joachimus  de  Bender 
Sac  ■ Rom  ■ Imp  • equites  ille  pie  in  DT10 
obiit  ip  Octob  ■ 1721  Ahos  natus  44 
Iste  p Maii  1761  Annorum  77 
Benedicente  DTio 

Primus  decem  libros  obtinuit  ex  dulcissima 
Conjuge  dna  Maria  Ludgarde  nata 
Jüngling,  denata 
Martii  17P7  aetatis  7p 


Kapellen 

auf  dem  Friedhof 


42  2 


KREIS  OFFENBURG. 


Grabstein 


Disponente  Deo 
tertissima  coniux  dna  Maria 
Ana  Jüngling-  cum  7 liberis  praecessit 
24.  Julii  1752  aetatis  6g 
Perfi 'incti  itaq  9 dignitate  consulari 
& praetoriali  fide,  prudentia  & inte  - 
gritate  summa  • de  patria 
Imperio  optime  mariti 
Ita  sunt  defuncti,  ut  eorum  obitus  ad 
Vitam  imortalcm  pie  credatur  introi- 
tus,  hac  ne  et  tu  transicus,  eis  apprecare 
quibus  hoc  monumenttim  ponere 
Macsil  /I L 1 1 gratl  parlier 
haere Y)es  sWCC essores. 

Neben  der  Nische  eine  Platte,  Grabmal  des  Feldmarschalls  Joh.  Joachim  Freiherrn 
von  Bender,  mit  der  Inschrift : 

* 12  Februar  1741 
f 26  July  1818 

Ein  Blitz  dem  Freund 
Ein  Fels  dem  Feind 
Nie  Todes  scheu 
Der  Tugend  treu 

Ihn,  den  zu  kühnen  Mutes  Lohne 
des  Lorbeers  ewig  Grün  umkränzt, 
dem  auch  die  zarte  Bürgerkrone 
mild  in  dem  Silberhaare  glänzt, 

In  dessen  kühn  nnd  gütgem  Herze 
der  Held  und  Mensch  verbrüdert  war, 

Ihm  weiht  der  Sohn  mit  heißem  Schmerze 
den  kalten  Stein  zum  Dank-Altar. 

Er  war ! Sein  Nähme  aber  schwebet 
in  manchem  Nacht-Gebet  empor, 
doch  wenn  sich  einst  der  Vorhang  hebet, 
dann  strahhlt  er  rein  durchs  Dunkel  vor. 

Wie  der  Vers  sagt,  hat  der  Sohn,  Franz  von  Frosch-Bender,  den  Stein  setzen  lassen. 

In  der  Nähe  der  Grabstein  des  Erbauers  des  Rathauses,  Victor  Kretz,  gest.  1786. 

Auf  dem  Friedhof  noch  zwei  Dornbltithsche  Grabsteine  mit  Palmenumrahmung, 
Wappen  und  langatmiger  Inschrift,  des  Georg  Friedrich,  der  Maria  Cleopha  Schmelzer 
geb.  Dornblüth  und  eines  zweiten  Georg  Friedrich. 

An  der  Mauer  liegt  ein  Rocaillepostament,  das  ehemals  ein  jetzt  abgehauenes 
Kruzifix  trug;  die  rührende  Inschrift  lautet: 

HIER  UNDEN  IN  DEM  GRAB 

DA  LIGT  WAS  ICH  GELIEBET  HAB 

MEIN  HOFNUNG  TROST  UND  LEBEN 

WO  GOTT  MIR  HAT  ZUR  HILF  GEGEBEN 

LIGT  JEZUND  IN  DER  ERDEN 

KANN  ME'NER  AUCH  NICHT  MEHR  WERDEN 

ZUM  ZEICHEN  MEINER  TREY 

SETZ  ICH  DAS  CREIZ  HERBEI 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


423 


GOTT  WOLLE  DIE  RUHE  IM  GEBEN  UND  AUCH  DAS  EWIG  LEBEN 

AMMEN 

DEN  27  BRACHMONATH  IST  GOTTSELIG  ENTSCHLAFEN  DER 
EHRSAME  JOHANNES  RITTER 
GWESTER  SCHARFRICHTER  IN  GENGENBACH 

1767. 

Die  Eingänge  des  Friedhofes  sind  von  Barockpfeilern  flankiert,  die  bauchige  Vasen 
tragen. 

An  der  Westmauer,  außen  auf  hohem  viereckigen  Sockel  mit  Engelsköpfen  und 
Fruchtgehängen  ein  halblebensgroßer  Kruzifixus  von  1704. 


Fig.  2JS-  Grundriß  des  Rathauses  in  Gengenbach. 


Östlich  von  dem  Friedhof,  am  Wege  zum  Haigeracher  Tor,  eine  Kapelle,1)  Rund- 
bogennische mit  jetzt  ganz  neuem  Gemälde  und  ebenfalls  neuem  Porträt  des  Cornelius 
Eselsperger,  an  der  Stelle  von  dessen  angeblichem  wundertätigen  Sterben  errichtet,  sicht- 
lich eine  Erneuerung  des  1 8.  Jhs.,  bei  der  man  am  Sockel  Reste  des  früheren  Renaissance- 
baues verwendet  hat,  nämlich  einen  Stein  mit  reichem  Beschlägornament  und  einen  mit 
dem  Wappen  (Hand  mit  brennender  Lampe  und  drei  Sternen)  sowie  der  Inschrift: 

IN  PASSIONIS  DO 
MINI  PL  MEMORIA 
ERIGEBAT  D • IOA  K VN 
PASTOR  IN  GENGEB • 

SIC  LVCEAT  LVX  VESTRA 
neben  dem  Wappen : 

16  — O 9. 

In  der  Nähe  Sandsteinkruzifix  von  1734. 

*)  Abb.  s.  Schauinsland  22,  S.  29. 


Kruzifix 


Band  VII. 


28 


424 


KREIS  OFFENBURG. 


Brückenkapelle 


Einbethenkapelle 


Baugeschichte 


Noch  eine  abgebrochene  Brückenkapelle  ist  zu  verzeichnen,  die  einst  die  alte, 
jetzt  durch  eine  eiserne  ersetzte  Kinzigtalbrücke  zierte.  Sie  ist  in  ihren  Steinen  noch  voll- 
ständig erhalten  und  wird  hoffentlich  wieder  irgendwo  aufgerichtet.  Es  war  ein  schlichter, 
aber  malerischer  Bau;  am  Rundbogen  der  Nische  das  Stadtwappen;  dieser  Bogen 
flankiert  von  ionischen  Pilastern,  die  das  verkröpfte  Gebälk  trugen,  an  dem  die  Jahres- 
zahl 1703  sich  befand. 

Auf  dem  Bergle  die  schon  erwähnte,  in  ihrer  Gründung  uralte  Einbethenkapelle. 
So,  wie  sie  heute  ist,  verdankt  sie  im  wesentlichen  der  Erneuerung  unter  Abt  Placidus 
Thalmann  1681  bis  1682  ihre  Erscheinung. 


Fig.  2JÖ.  Rathaus  in  Gengenbach. 


Aus  den  Protokollen  wissen  wir  darüber,1)  daß  1681  »statim  post  festa  paschalia,  incoeptum 
est  renovari  sacellum  s.  s.  Einbethae  virginis  et  Perpetuae,  Felicitatis,  Martyrum  in  monte  extra 
oppidum  Gengenbacense,  dicto  S.  Einbethae  vel  Jacobi-  oder  Castellberg«.  Das  alte  muß  sehr  zer- 
stört gewesen  sein,  und  der  Abt  erbittet  sich  und  erhält  vom  Generalvikar  die  Erlaubnis : »partem 
dimidiam  cum  duobus  altaribus  amovere  et  cum  angustia  loci  frequentiam  occurentium  non  capiat  et 
ab  ingressu  prohibeat,  spatiosius  reaedificare«.  Denn  es  wird  beschrieben  als  sehr  dunkel  im  Lang- 
haus, wegen  der  ganz  kleinen  Fenster,  die  unregelmäßig  darin  angebracht  seien ; man  möchte  danach 
an  einen  überarbeiteten  romanischen  Bau  denken.  Der  Chor  sei  heller  gewesen,  weil  er  drei 
moderne  Fenster  gehabt  hätte.  Ein  Altar  im  Chor  und  einer  vorn  unter  dem  Triumphbogen  werden 
erwähnt.  Einen  Eingang  habe  die  Kapelle  gehabt,  außerdem  «loco  fastigii  seu,  ut  vocant,  der  Bohr- 
küchen« ein  «hypocaustum  seu  culinam  quod  sustentabatur  a lignea  columna,  cuius  pes  erat  lapideus, 
3 autem  plurium  p;dum  altus,  in  quo  lapide  olim  a gentilitate  collocatum  statione  simulachrum 
Jovis  etc.«  Man  wird  wohl  an  einen  heizbaren  Raum  denken  müssen,  etwa  zur  Erwärmung  der 


!)  Z.  NF.  8,  S.  662  f. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


425 


Wallfahrer ; loco  fastigii  läßt  sich  wohl  nur  als  Empore  denken,  unter  der  diese  Vorrichtung 
angebracht  war.  Hier  war  also  der  alte  Jupiterstein  verwendet.  Der  Prior  Ziegler  war  die  Seele 
des  Neubaues,  seine  Brüder  und  Eltern  mit  unter  den  hauptsächlichsten  Stiftern.  Der  Grundstein 
wurde  am  10.  April  1681  gelegt.  Schon  nach  dem  Fest  der  h.  Dreifaltigkeit  konnte  der  Bau 
unter  Dach  gebracht,  seinen  Dachreiter  erhalten  und  mit  drei  Glocken  ausgestattet  werden.  Den 


Big.  237.  Amtsschild  der  Bürgermeisterkette  von  Gengenbach. 

6.  September  1682  wurde  er  eingeweiht.  Es  war  ein  fast  gänzlicher  Neubau  »praeter  murum  illum 
ab  altari  b.  Mariae  virg.  a cornu  evangelii  seu  ad  sinistram  ingressus  usque  ad  usque  ad  maiorem 
portain  huius  sacelli«,  aber  auch  diese  Nordwand  erhielt  neue  Fenster. 

»Das  Kapellein  außerhalb  des  Kürchleinss  hat  in  allem  15  fl.  gekostet.  Notandum  quoque, 
dass  weyllen  alle  Fuohren  undt  Handtarbeit  gratis  undt  in  Frondienst  geschehen,  also  hat  man  den 
Fuohrleuten  und  Handarbeitern  jedesmahl  neben  Biodt  einen  Trunckh  gegeben;  in  allem  beiläuffig 

28* 


426 


KREIS  OFFENBURG. 


Big.  2jS.  Bucheinband  in  Gengenbach,  Rathaus. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


427 


30  Ohm,  der  Ohm  per  1 fl.  5 kr.  gerechnet.«  Auch  die  einzelnen  Ausgaben  für  die  große  Kapelle 
sind  sorgfältig  angegeben.  »Summa  summarum  1356  fl.«  mit  der  ganzen  Ausstattung. 

Auch  in  der  kleinen  Kapelle  durfte  celebriert  werden  auf  einem  Tragaltar. 


Nötig  war  nun  noch  ein  Haus  »pro  aedituo«  für  den  Mesner,  und  man  kaufte  dafür  den 
Jüngelschen  Erben  ein  Häuschen  vor  Einach  ab,  das  man  auf  das  Bergle  transportierte.  Es  ist 
wohl  das  heute  östlich  der  Kapelle  stehende  kleine,  schlichte  Haus. 

Die  Verwaltung  der  Kapelle  blieb  beim  Prior  des  Klosters.1)  1717  ging  der  damalige  Inhaber 
dieses  Amtes,  Cölestin  Weippert,  den  Dornblüth  als  recht  guten  Kerl,  aber  sehr  einfachen  Geistes 
und  wenig  gebildet  charakterisiert,  daran,  sieben  kleine  Stationskapellen  auf  dem  Weg  zur  Einbethen- 
kapelle zu  erbauen,  in  der  Hoffnung,  daraus  eine  bedeutende  Wallfahrt,  wie  in  Harmersbach,  zu 
machen.  Er  baute  auch  eine  Sakristei,  stellte  die  Orgel  auf  »auf  einem  porticus«,  schaffte  ein  Tabernakel 


Z.  NF.  8,  S.  701. 


. 240.  Marktplatz  in  Gengenbach  mit  dem  Brunnen. 


428 


KREIS  OFFENBURG. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


429 


an  und  ein  silbernes  Ciborium.  Die  Hoffnung 
scheint  aber  nicht  in  Erfüllung  gegangen  zu  sein, 
und  so  waren  die  Kapellen  dem  Kloster  eine 
ewige  Last.  Immerhin  scheint  Dornblüth  in 
seinem  Bericht  den  Plan  zu  geringschätzig  zu 
behandeln,  denn  daß  man  1747  offenbar  noch 
die  Außenkanzel  errichtete,  beweist  doch,  daß 
die  Wallfahrer  nicht  ganz  fehlten.  Von  den  zu- 
letzt erwähnten  Kapellen  stehen  noch  zwei. 

Der  heutige  Bau  ist  ein  einschiffiges 
Langhaus,  an  das  in  der  gleichen  Breite 
der  achteckig  geschlossene  Chor  stößt, 
um  einige  Stufen  erhöht  und  durch  einen 
Rundbogen  von  jenem  getrennt.  Überall 
die  Rundbogenfenster  des  18.  Jhs.  Von 
dem  Chor  aus  an  der  Nordwand  der 
Zugang  zu  der  Außenkanzel.  Diese, 
in  der  beliebten  bauchigen  Form  des 
18.  Jhs.,  zeigt  an  ihrer  in  das  Kirchen- 
innere führenden  Tür  neben  dem  Mono- 
gramm Christi  die  Jahreszahl  1747.  — An 
der  Nord  wand  ist  ein  Stein  eingemauert 
(nicht  aber  die  Reste  einer  ganzen  Tür) 
mit  der  Jahreszahl 

] 1 5 l } 9 l , 

die  also  auf  eine  Renovation  des  alten 
Baues  im  1 6.  Jh.  hinweist.  Das  Portal  der 
Westfassade,  rundbogig,  ist  profiliert  in 
eckigen  Stäben  und  Hohlkehlen,  es  läuft 
unten  in  kleinen  Voluten  aus.  Es  weist 
dasselbe  Steinmetzzeichen  auf  wie  der 
Niklasturm  und  stammt  jedenfalls  aus 
einer  Bauzeit  vor  1681,  wurde  also  damals 
hier  wieder  verwendet. 

An  älterer  Ausstattung  finden  sich 
zu  beiden  Seiten  des  neuen  Hochaltar- 
bildes die  Holzstatuen  des  h.  Rochus  und 
eines  h.  Bischofs  in  neuer  Fassung,  stark 
bewegte  Figuren  vom  Ende  des  17.  Jhs. 

Am  Triumphbogen  holzgeschnitztes  Abts- 
wappen in  Rollwerkschild  von  1681  mit  der 
Umschrift:  Placidus  abbas  hoc  erexit  sacel- 
lum.  Darunter  hängt  ein  holzgeschnitztes 
Kruzifix  des  18.  Jhs.  — In  der  Sakristei 
einige  Meßgewänder  mit  eingewirkten  Blumen  der  gleichen  Zeit.  Die  Glocken  nicht  zugäng- 
lich.— Die  Kirche  ist  am  Ende  des  19.  Jhs.  renoviert  worden,  besonders  die  Westfassade. 


Fig.  241.  Brunnenfigur  vom  Marktbrunnen 
in  Gejigenbach. 


Bau- 

beschreibung 


Außenkanzel 


Ausstattung 


43° 


KREIS  OFFENBURG. 


Kapelle  Nördlich  der  Kirche  die  erwähnte  kleine,  im  Rundbogen  sich  öffnende  Kapelle , an 

der  ältere  Steine,  vielleicht  von  der  alten  Einbethenkapelle,  verwendet  wurden.  So  am 
linken  Eingangspfosten  zu  unterst  ein  Stein  mit  einer  jetzt  auf  dem  Kopfe  stehenden  und 
nur  teilweise  erhaltenen  deutschen  Inschrift  des  16.  Jhs.,  zu  entziffern  etwa: 


JOö  FfflfföGHEN- 
HflU6E6  (qENqENBACM 


1-50- 

Fig.  242.  Ehemaliges  Pfaffsches  Haus  in  Gengenbach. 

511  vjjljr  bei*  bttt  ^Mlbuiß 
1111  crcutj  CFjrijti 

• • öotGtjaiifcG  fcljalucu  • • • • 
3Carolt  ^orbliauer  mit  • • • 

• • 11a 

^öftfjin  (?)  fehl  ljauGfrolu  • 

• • • • 8 ilPR 9 

(wohl  1609). 


■OfrcTjEorg  Ol^lc6er  'GO1* 
•tyOoz  B»o»r>i|?«>\uor7- 


AMT  OFFENBURG.  — GEN  GEN  B ACH . 


431 


Darüber  ein  zweiter  Stein  verwendet  mit  reichem  Beschlägomament  etwa  aus  der 
Zeit  um  1600. 


An  der  Hinterwand  der  Kapelle  ein  geringes  Gemälde  der  Kreuzigung  Christi. 
Angebaut  eine  h.  Grabkapelle,  wie  immer  mit  dem  liegenden  Leichnam  Christi,  holz- 
geschnitzt. ’) 

Etwas  weiter  unten  am  Berge  eine  der  kleinen  Kapellen,  die  Prior  Weippert 
errichtete;  einfaches  Bauwerk  des  18.  Jhs. 

*)  Baum  garten  meint  in  Schauinsland  22,  S.  39,  daß  auf  diese  Figur  die  übliche  Redensart 
zurückgeht : der  liegt  do  wie  der  Gengenbacher  Heiland. 


Big.  244.  Galerie,  Blumenbrett  und  Haustür gewiinde  vom  Pfaffschen  Hause  in  Gengenbach. 


432 


KREIS  OFFENBURG. 


Das  bedeutendste  Profangebäude  der  Stadt  ist  sinngemäß  das  Rathaus.  Es  ist 
nicht  mehr  das  alte,  in  dem  sich  alle  die  geschilderten  Kämpfe  abspielten,  sondern  es 
stammt  aus  den  letzten  Zeiten  der  Reichsunmittelbarkeit,  von  1784,  laut  der  Inschrift 


auf  dem  Giebel,  und  ist  von  dem  auf  dem  Friedhof  bei  der  Leutkirche  ruhenden  Mitgliede 
des  Jungen  Rats  und  Baumeister  Victor  Kraetz  errichtet.  Eine  besondere  Schwierigkeit 
lag  darin,  daß  nur  etwa  17  m hinter  dem  Marktplatz,  der  wohl  nicht  verengert  werden 
durfte,  sich  die  Klostermauer  herzog,  und  daß  es  also  galt,  auf  diesem  engen  Platz  ein 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


433 


in  Grundriß  wie  Aufbau  genügendes  Gebäude  zu  errichten.  Aus  dem  Grundriß  in 
Fig.  235  sehen  wir,  wie  der  Baumeister  sich  geholfen  hat.  Da  die  Nachbarhäuser  direkt 
anschlossen  und  das  Terrain  von  der  Seite  aus  verengerten,  insbesondere  nach  der 
Klostermauer  zu,  so  bequemte  er  sich  in  glücklicher  Weise  der  zu  seiner  Rückmauer 
und  Fassade  schrägen  Grenzlinie  dieser  Besitztümer  an  und  gewann  dadurch  eine 
imposantere  Ausdehnung  der  Fassade,  als  bei  gerader  Führung  möglich  gewesen  wäre. 
Das  Erdgeschoß  behandelte  er  als 
Sockel  in  Quadermanier  lind  öffnete 
es  in  einer  Halle  mit  Rundbogen  auf 
Pfeilern,  die  den  Wartenden  Schutz 
bot,  dem  Markte  zu.  Durch  das  in 
drei  Bogen  sich  öffnende  Mittelrisalit 
betritt  man  das  Vestibül,  dessen  gerade 
Decke  zwei  Säulen  tragen,  und  hat  von 
da  einen  hübschen  Blick  auf  das  im 
Hintergrund  in  die  Höhe  führende 
Treppenhaus.  Zu  beiden  Seiten  grup- 
pieren sich  dann  die  Geschäftsräume. 

Die  elffenstrige  zweistöckige  Fassade 
wird  von  verdoppelten  ionischen 
Pilastern  flankiert,  die  das  verkröpfte 
Gebälk  und  die  Attika  mit  ovalen 
Fensterchen  tragen;  die  drei  mittleren 
Fenster  sind  durch  zwei  ionische 
Pilaster  zusammengefaßt  und  treten 
als  Risalit  vor,  über  demselben  ein 
Dreieckgiebel,  auf  demselben  die  Ge- 
stalten der  Justitia  und  Prudentia,  auf 
dem  First  ein  kräftig  bewegter  Adler 
mit  dem  Fischwappen.  Die  Fenster 
sind  mit  einfachem  flachbogigen  Giebel 
überspannt,  im  Mittelrisalit  in  denen 
des  ersten  Geschosses  als  Schlußsteine 
Köpfe  in  Rocaillekartuschen,  im  zweiten 
Geschoß  ähnliche  Kartuschen  als  Gir- 
landen. Zu  erwähnen  sind  noch  die 
schmiedeeisernen  Gitterbrustwehren  in 
den  unteren  Hallenöffnungen,  das  Gitter  der  Treppe,  sowie  der  Balkon,  der  dem  ersten 
Stock  des  Mittelrisalits  vorgelegt  ist,  mit  gutem  schmideeisernen  Rocaillegitter  auf  der 
Bodenplatte,  die  von  vier  größeren  mit  Menschengesichtern  und  drei  kleineren  mit 
Blattwerk  verzierten  Konsolen  getragen  wird. 

Der  Bau,  aus  verputztem  Bruchsteinmauerwerk,  Arkaden,  Gewände  etc.  aus  rotem 
Sandstein,  ist  außerordentlich  geschickt  gestellt  und  wirkt  als  Ruhepunkt  schon  von  ferne 
im  Straßenbild.  Die  geschickte  Ausnutzung  des  schwierigen  Platzes,  die  maßvolle  Ver- 


4 — h 


+- 1— I- 


~ 


=b=t 


100  Centum? ter. 


Fig.  24s  • Detail  von  dem  Pfaffschen  Hause 
in  Gengenbach. 


434 


KREIS  OKFENBURG. 


Amtsschild 


Blcitafel 


teilung  und  Steigerung  der  architektonischen  Motive,  die  guten  Verhältnisse  zeugen  von 
der  bedeutenden  künstlerischen  Veranlagung  seines  Urhebers. 

Im  Rathaus  wird  aufbewahrt: 

Der  Brustschmuck  der  ehemaligen  Bürgermeisterkette,  Amtsschild  (s.  Fig.  237). 
Das  große  schildförmige  Stück,  silbervergoldet,  mit  eingravierten  Blumen  geschmückt, 
trägt  in  der  Mitte,  umgeben  von  zwei  Engeln,  Puttenkopf  und  Löwenkopf  (getrieben),  das 
Wappen  der  Stadt,  in  silbernem  Grunde  eingraviert  und  emailliert  den  einköpfigen  Adler, 
Brustschild  mit  silbernem  springenden  Salmen  in  rotem  Feld.  Maskarons  und  Rollwerk, 


Fig.  246.  Holztür  mit  Oberlicht  in  Gengenbach. 

sphinxartige  Figuren  endigend,  in  freier,  gegossener  Arbeit  zieren  das  Hauptstück,  über  in 
dem  eine  getriebene  Kaiserkrone  angebracht  ist  und  das  an  schöner  geriefelter  und 
punktierter  Kette  hängt,  die  in  einem  Anhängsel  mit  Puttenkopf  endigt.  Das  Stück 
ist  Gengenbacher  Arbeit,  das  Goldschmiedezeichen  ein  springender  Salm  (R Osen- 
berg 712),  zeigt  im  Wappen  sowie  auf  der  Rückseite  die  Jahreszahl  1618  und  hat 
damals  offenbar  einem  der  Stettmeister  bei  feierlichen  Anlässen  gedient.1) 

Hier  auch  eine  Bleitafel,  die  beim  Bau  der  neuen  Kinzigbrücke  bezw.  beim 
bedauerlichen  Abbruch  der  alten  gefunden  wurde  und  Bauzeit  wie  Baumeister  angibt: 

i)  Ausstellung  Karlsruhe  1881,  Katalog  Nr.  1118.  Abgebildet  in  Ältere  kunstgewerbliche 
Arbeiten  auf  der  Ausstellung  Karlsruhe  1881. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


435 


ANNO  M • DCC  • LXXVI  • bcn  IZl  Augusti 
IST  DER  ERSTE  STEIN  ZV  DISEN  PFEILER 
VNTER  A VFSICHT  HEREN  LORENTZ  ZIMERMAN 
ZWELFFERS  VN D LÖHNERS  UND  HEREN 
UICTOR  KRATZ  DES  IVNGEN  RATHS  UND 
BAVMEISTERS  DAHER,  GELEGT  WORDEN 
VORSITZENDE  IM  ALTEN  RATH  WAREN 
HER  IOSEPH  ANTON  SEGER  REICHS 
SCHULTHEIS 

HERR  IOHANN  GEORG  KREMPP 
ST  ET  TM  EI  ST  ER, 

IN  IUNGEN  RATH 
HERR  IOHANN  GEORG  LEHMANN 
STATTMEISTER. 

Richtschwert,  mit  einfachem  Homgriff,  messingener  Parierstange,  breiter  Klinge 
mit  undeutlicher  Marke.  In  den  oberen  Teil  der  Klinge  hübsches  Rankemverk  ein- 
geätzt, dann  folgt  die  Blutrinne,  um  die  die  Umschrift : Die  hersen  steüren  Dem  vnheil - 
Ich  exequire  Ihr  endts  vrtheil  Ao  1698.  Auf  der  Rückseite : Wan  Ich  Daß  Schwert 
time  Aufheben  Wünsche  Ich  Dem  Sünder  Das  ewige  leben.  Dann  noch  in  Spuren 
eine  Hinrichtung  eingraviert.  Dazu  erhalten  die  einfache  lederne  Scheide. 

In  der  Registratur  eiserne  Truhen : eine  mit  spärlichem  Rankenornament  des  17.  Jhs., 
die  andere  reich  am  Deckel  und  an  den  Seiten  mit  schmiedeeisernem  Rankemverk,  an 
den  Henkeln  mit  Maskarons  geschmückt. 

Ölgemälde  auf  Leinwand : Porträt  des  Cornelius  Eselsperger,  Ende  1 6.  Jhs.,  sowie 
drei  Kaiserbilder  des  18.  Jhs. 

Eine  Anzahl  guter  Bucheinbände  des  16.  Jhs.  in  gepreßtem  Schweinsleder;  hervor- 
zuheben : 

1.  ein  Protokollbuch  mit  den  Ratsprotokollen,  ciselierten  Messingbeschlägen,  in 
der  Zierleiste  Grotesken  und  in  Medaillons  die  Köpfe  des  Erasmus,  Hus, 
Luther  und  Melanchthon;  ein  früher  Einband  also  sorglos  in  der  wieder  katholisch 
gewordenen  Stadt  verwendet;  ’) 

2.  eines  mit  dem  eingepreßten  Bild  der  Caritas  und  reichem  Bandgeschlinge  sowie 
wieder  Medaillons  in  der  Zierleiste  (s.  Fig.  238); 

3.  mit  Wappen,  Putten  und  Halbfiguren  von  Heiligen; 

4.  mit  David  auf  der  einen,  Anbetung  des  Kindes  auf  der  anderen  Seite  und  den 
Helden  des  Alten  Testamentes; 

5.  von  1565  mit  den  Figuren  der  Tugenden,  im  einen  Mittelstück  das  Jüngste 
Gericht,  im  anderen  Scene  aus  der  Apokalypse; 

6.  mit  Verkündigung,  Anbetung  der  Könige,  Schmerzensmann,  barmherzigem 
Samariter  und  Medaillons  mit  Köpfen  in  den  Zierleisten; 

7.  mit  dem  segnenden  Jesuskind,  Halbfiguren  von  Propheten  in  den  Zierleisten, 
elegantem  Rankenornament  mit  Wappen  auf  der  Rückseite,  von  1575; 

*)  Mittelstück  abgebildet  in  Schauinsland  22,  S.  36. 


Richtschwert 


Ölgemälde 


Bucheinbände 


436 


KREIS  OFFENBURG. 


8.  mit  großen  Halbfiguren  der  David,  Paulus  u.  a.  und  Medaillons  mit  Gelehrten- 
köpfen ; 

9.  mit  den  Bildern  der  Fortuna  und  Justitia  sowie  Rankenwerk,  von  1579. 


Fig.  2 47. 


Tür  am  ehemals  Iiineckschen  Hause. 


0 

Ta r im  (-joj  dies  l^'tneek's<k< 


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*MI 

■ ■ v.l  \ 

Nur  noch  die  Nummern  1,  2 und  8 sind  vorhanden,  die  übrigen  schon  vor  vielen 
Jahren  verloren  gegangenen  sind  mir  nur  aus  Photographien  bekannt. 

Im  Rathaussaal  zwei  hübsche  Louis  XVI.- Konsolen  mit  Spiegeln. 

Auf  dem  Speicher  zwei  zerrissene  Gengenbacher  Fahnen  des  18.  Jhs.  Im  Hof  am 
Hinterbau  der  Rest  eines  Steines  eingemauert,  an  dem  noch  die  Zahl  522  l und  unten 
ein  Abtswappen  zu  erkennen  ist. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


437 


Am  Marktplatz  noch  die  sogen.  Gewerbehalle,  Mansardenhaus  mit  einfachen  Gewerbehalle 
Fenstern  des  18.  Jhs. ; in  dieser  Zeit  ist  das  Haus  offenbar,  so  wie  es  jetzt  ist,  her- 
gestellt worden,  auf  älterer  Grundlage,  von  der  noch  das  Renaissanceportal  (s.  Fig.  239)  Renaissance- 
herrührt.  Dorische  Säulen  auf  hohen  Basen  vor  quaderartig  behandelten  Pilastern 
tragen  das  verkröpfte  Gesims.  Darüber  der  Aufsatz  mit  Beschlägornament,  Löwen- 
köpfen, dem  Stadtwappen  und  endlich  der  flache  Giebel  mit  der  Jahreszahl  1696,  die 
mir  etwas  spät  für  die  Formen  des  Tores  vorkommt.  Das  Innere  des  Hauses  ohne 
Bedeutung. 

Hier  auf  dem  Marktplatz  dann  auch  der  Brunnen  (s.  Fig.  240).  Ein  achteckiges 
Bassin  mit  eckigen  Voluten  an  den  Ecken  und  der  Jahreszahl  1718  in  der  einen  Füllung, 


Fig.  24S.  S/raße  in  Gengenbach  (nach  einer  Federzeichnung  K.  Weyßers). 


daraus  wächst  der  Brunnenstock  hervor,  zunächst  auf  einem  achteckigen  Postament  der 
gleichen  Zeit,  dann  folgt  die  mehrfach  geteilte  und  geschwellte  Renaissancebalustersäule, 
unten  mit  Akanthusblättern  verziert,  am  Mittelstück  mit  Früchten,  zwischen  denen  die 
vier  Maskarons,  aus  deren  Rund  die  Röhren  hervorgehen,  darauf  dann  das  Komposit- 
kapitell  und  endlich  der  Ritter  mit  dem  Panzer  über  der  spanischen  Tracht  und  dem 
Schild  mit  dem  Gengenbacher  Wappen,  einen  ergänzten  Speer  in  der  Hand  (nach 
älteren  Angaben  eine  Rolle),  und  an  der  Fußplatte  die  Jahreszahl  1582  (s.  Fig.  241).  — 
Der  Brunnen  ist  offenbar  in  der  Franzosenzeit  zerstört  worden,  1718  hat  man  ihn  wieder 
aufgerichtet,  fand  aber  nur  die  Balustersäule  und  den  Ritter  verwendbar,  während  man 
das  Bassin  ganz  erneuerte.  Auch  die  Röhren  mit  ihren  schön  geformten  Stützen  stammen 
wohl  aus  dieser  Zeit. 


438 


KREIS  OFFENBURG. 


Uber  die  Bedeutung  derartiger,  oft  auf  Marktbrunnen  wiederkehrender  Figuren 
ist  vielfach  gestritten  worden.1)  Irgendwie  sollen  sie  offenbar  die  Marktgerechtigkeit 
der  betreffenden  Stadt  andeuten;  die  Gengenbacher  Figur  — selbstverständlich  nicht 


' - 'f  ( 


Pig . 24g.  Fachwerkhaus  auf  dem  Gänsebühl  Nr.  / in  Gengenbach. 


Karl  V vorstellend  — scheint  ziemlich  deutlich  auf  die  Reichsunmittelbarkeit  der  Stadt 
und,  wenn  die  Ergänzung  mit  der  Rolle  richtig  ist,  auf  ihre  Privilegien  anzuspielen. 

~ l)  siehe  E.  Wagner,  Die  Statue  des  Markgrafen  Karl  II.  in  Durlach.  Z.  NF.  17,  S.  123. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


439 


Aus  diesem  Sinne  versteht  es  sich  auch,  daß  man  die  alte  Figur  sorgfältig  wieder  auf- 
richtete. (Das  Ganze  aus  rotem  Sandstein  gefertigt.) 

Von  Privathäusem  sind  zu  erwähnen: 

Das  Pfaffsche  Haus  (Nr.  97),  das  leider  in  den  letzten  Jahren  einem  Umbau  unter- 
zogen werden  mußte.  Es  bestand  aus  zwei  Teilen  (s.  Fig.  242).  Der  vortretende,  aus 
Bruchsteinmauerwerk  — Gewände  und  Quaderbekleidung  der  Ecken  Sandstein  — , war  mit 


Fig.  249  a.  Fachwerkhaus  auf  dem  Gänsebühl  Nr.  1 in  Gengenbach. 

einem  wirkungsvollen  Volutengiebel  des  17.  Jhs.  abgeschlossen,  an  dessen  Ecken  Obelisken 
aufgesetzt  waren.  Die  Fenstergewände  der  beiden  oberen  Geschosse  waren  und  sind  mit 
flachen  Dreieckgiebeln  gedeckt.  Im  Erdgeschoß  ein  Türvorbau  (s.  Fig.  243),  dorische 
Säulen  auf  hohen  diamantierten  Postamenten  tragen  ein  weit  vorkragendes  Gesims  mit 
der  Jahreszahl  1699,  auf  ihm  das  kupferne  Walmdach.  Entsprechende  Säulen  flankieren 
das  Portal,  über  ihrem  Gesims  schmiedeeisernes  Oberlicht.  Treppen  führen  von  beiden 
Seiten  zu  dem  Vorbau  in  die  Höhe.  Die  Türe  ist  unten  mit  rautenförmigen  Gebilden, 
oben  in  zwei  Feldern  geschnitzt.  Der  Giebel  und  die  Fensterbehandlung  legen  den 


Privathäuser 


Band  VII. 


29 


44° 


KREIS  OFFENBURG. 


Gedanken  nahe,  daß  ein  Plan  des  Vorarlberger  Meisters  Beer,  der  damals  gerade  an 
dem  Klosterbau  arbeitete,  vorlag.  Dieser  Teil  ist  ziemlich  intakt  erhalten. 

Dieser  Giebel  legte  sich  dem  Satteldach  des  ganzen  Hauses  vor,  das  mit  der  Trauf- 
rinne  nach  der  Straße  stand  und  vielleicht  etwas  älter  als  der  vorspringende  Teil  ist. 
Der  zurücktretende  Teil  war  ein  außerordentlich  reizender  Fachwerkbau,  das  erste 
vorkragende  Stockwerk  hatte  ein  wirkungsvoll  in  runden  Zacken  geschnitztes  Blumenbrett 
(s.  Fig.  244).  Darüber  sprang  im  zweiten  Stock  eine  Galerie  vor  mit  Balustersäulchen  und 
originell  ausgebildeter  Stütze  mit  Unterzugshölzem,  welche  das  Dach  trugen  (s.  Fig.  245). 
In  das  Erdgeschoß  führte  eine  spitzbogige  Tür,  Sandstein,  das  Gewände  abgetreppt,  mit 


Hohlkehlen  und  Wülsten  und  interessantem  Ablauf.  Von  diesem  Haus  konnten  ziemliche 
Reste  am  Neubau,  die  Balustergalerie  am  Haigeracher  Tor-Turm  verwendet  werden. 

Ähnliche  Behandlung  des  Holzwerkes  wie  an  diesem  Haus  zeigt  die  Tür  von  Höll- 
gasse  Nr.  6 mit  Balustersäulchen  im  Oberlicht  (s.  Fig.  246). 

Das  Löwenbergsche  Haus  Nr.  16  der  Hauptstraße,  noch  heute  der  Familie  gehörig, 
ein  Bau  des  18.  Jhs.  mit  Mansardendach,  weist  ein  Löwenbergsches  Wappen  auf  mit 
fünfzackiger  Krone,  geviertetem  Schild. 

Das  Wappen  ist  von  steigenden  Löwen  mit  Schwertern  und  von  Trophäen 
umgeben. 

Am  Haus  Nr.  6 (ehemals  Rinecksches  Haus)  in  der  Hauptstraße  die  Jahreszahl  1770 
in  Rocaillekartusche,  darüber  Wappen,  zwei  Lilien  in  Rot,  Adler  in  Gold.  Am  Plinter- 
gebäude  teilweise  zerstörtes  Türgewände  mit  abgefaster  Kante,  Hohlkehle,  Rosetten,  am 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


441 


flachbogigen  Sturz  ein  Schild  und  1690;  dazu  die  in  originellem  Gitterwerk  geschnitzte 
Holztür  (s.  Fig.  247). 

Hauptstraße  Nr.  35,  gut  wirkendes  Haus  des  späten  18.  Jhs.,  Sandstein,  vierfenstrig, 
zweistöckig,  mit  Mansardendach,  rustizierten  Eckpilastern,  Fenstergewände  mit  Girlanden, 
Triglyphen  etc. 

Gasthaus  und  Brauerei  »Zum  Salmen«  : 18.  Jh.,  zweigestuftes  Mansardendach,  Tür 
mit  Pilastern,  verkröpftem  Gebälk  und  eckigem  Volutengiebel. 


Fig.  252.  Giebel  eitles  Fachwerkhauses  im  Oberdorf  (Nr.  12)  zu  Geugenbach. 
( Nach  einer  Federzeichnung  K.  Weyß er s.) 


Am  Hause  Nr.  100  (Herrn.  Wölffle)  ein  Sandstein  eingemauert  mit  der  Zahl 

* tccc  * LXXVj. 

In  einer  Seitenstraße  das  Stammhaus  Scheffels  mit  barockem  steinernen  Treppen- 
aufgang. 

Vor  allem  aber  besitzt  Gengenbach  noch  eine  große  Fülle  höchst  malerischer  und 
in  einzelnen  Motiven  sehr  interessanter  älterer  Fachwerkhäuser  mit  Holzgalerien,  vor- 
gekragten Stockwerken,  Fenstererkern  mit  Schutzdächern  über  den  Fenstern,  glücklicher- 
weise nur  zum  Teil  bis  jetzt  verputzt.  Hervorgehoben  sei  u.  a.  das  Haus  auf  dem 
Gänsebühl  (s.  Fig.  249  u.  249a)  mit  der  Jahreszahl  1747  und  A M an  seiner  Holztüre; 

29* 


442 


KREIS  OFFENBURG. 


ferner  das  leider  sehr  verwahrloste,  ganz  hervorragende  Haus  Nr.  6 der  Höllgasse  mit 
dem  obenerwähnten  Oberlicht.  Des  weiteren  zu  nennen  die  Häuser  Engelgasse  Nr.  i, 
6,  7,  8,  9 von  1691,  Nr.  23,  24,  28,  sowie  die  leider  verputzten  Nr.  4,  12  und  13. 


TöR- 

Fig.  233.  Fachwerkgiebel  von  den  Häusern  Nr.  13  und  Nr.  14  im  Oberdorf  zu  Gengenbach. 

Ganz  besonders  reich  an  solchen  Häusern  ist  die  Engelgasse,  von  der  Fig.  250  nach 
einem  Aquarell  eine  Vorstellung  gibt.  Ein  zum  Teil  leider  überputztes  Fachwerkhaus 
mit  vorkragender  Galerie  und  guten  Stützhölzem  des  Daches  steht  an  der  Hauptstraße 
Nr.  34  (s.  Fig.  251),  leider  hat  es  wieder  in  neuester  Zeit  eine  eingreifende  bauliche  Ver- 
änderung erfahren. 


Fig.  2g o.  Ansicht  der  Engelgasse  in  Gengenbach. 


Band  VII.  Zu  Seite  442. 


AMT  OFFENBURG.  — GENGENBACH. 


443 


Auch  das  vor  dem  Haigeracher  Tor  sich  erstreckende  Oberdorf  — schon  1397 
wird  eine  »muly  gelegen  in  dem  dorfife«  erwähnt,  1571  Oberndorff  — birgt  noch  eine 
Fülle  des  Interessanten.  Ich  führe  die  Häuser  Nr.  3,  10  (leider  verputzt),  14,  15,  21, 

24,  25  (verputzt),  26,  28,  35,  36,  38  (verputzt)  und  39,  41,  43,  46,  47,  68  (verputzt), 

Nr.  71  von  1794,  Nr.  77,  78,  79,  173  an  sowie  Nr.  12  mit  vorkragender  Baluster- 
galerie. Letzteres  benötigte  dringend  einer  Wiederherstellung  in  seiner  alten  Form. 

Ganz  besonders  sind  hier  die  Giebel  bemerkenswert  (s.  Fig.  252  u.  253). 

Zu  erwähnen  sind  noch  eine  Anzahl  schmiedeeiserne  Wirtshausschilde  des  18.  Ths.,  Schmiedeeiserne 

J Wirtshausschilde 

so  am  »Schwarzen  Adler«  (erneuert),  ehemals  am  Gasthaus  »Zur  Sonne«,  am  ehemaligen 
Gasthaus  »Zur  Blume«,  ein  reicheres  am  Gasthaus  »Zum  Engel«,  an  der  Hauptstraße 
Nr.  155  ein  Schild  mit  Schlüssel  als  Zeichen  eines  Schlossers? 

Am  Ausgange  der  Stadt  und  der  Vorstadt  Leutkirch  das  Spital,  ein  guter,  ein-  Spital 
facher  Bau  des  18.  Jhs.,  zweistöckig,  die  Türe,  zu  der  eine  siebenstufige  Treppe  führt,  von 
Pilastern  flankiert,  die  mit  Bandomament  geziert  sind  und  gebrochenen,  runden  Giebel 
tragen,  in  dem  das  Wappen  der  Reichsstadt  und  die  Umschrift: 

Be?ilgnltas  gengeba  Censls 
PaVperlbVs 

XenoDoChlVM  eXstrVXIt 
(also  1756). 

In  der  Nähe  ein  Bildstock:  die  übliche  Ädicula  auf  achteckigem  Sockel  mit 
Volutenendigung,  auf  dem  steht  (in  Kapitale): 

Gott  mit  unß 
Was  die  Ur-  Ur  Eiteren 
errichtet  der  Ur  groß 
Vatter  Georg  den  12  Manij  18 
erneuert  ist  von  dem  Ur 
enkel  Blasio  Columbano 
freuherrn  von  Bender 
kayße:  königl:  General 
Feldmareschall  Lieut. 

Obersten  eines  Infanterie 
Regmts  und  Coihendanten 
der  haubt  festung 
Ollmütz  den  iß  Sept:  1784. 
als  erin.  seiner  geliebten 
Vatterstadt  wäre 
wiederum  renovieret 
worden. 

Unten  an  der  Seite  des  Sockels  steht:  1618  den  12  may  Gott  zu  ehm  ward 
ernewret  durch  Georg  Bender.  — Der  hier  sich  nennende  Blasius  Columban  ist  nicht 
nur  dem  Lokalruhm  nach,  sondern  auch  in  Wirklichkeit  ein  in  seiner  Zeit  berühmter 
Offizier  gewesen.  1713  geboren,  machte  er  1733  unter  dem  Prinzen  Eugen  den  Türken- 
krieg mit,  überall  durch  Bravour  hervorragend,  wurde  in  weiteren  Feldzügen  bei  Moll- 


444 


KREIS  OFFENBURG. 


Löwenbergscher 

Park 

und  Pavillon 


Statuen  und 
Bildstöcke 


witz,  Prag  etc.  schwer  verwundet.  1785  zum  Kommandant  von  Luxemburg  ernannt, 
wußte  er  dasselbe  bei  dem  Aufstande  der  Niederlande  infolge  der  Josefinischen  Politik 
in  Ruhe  zu  halten,  mit  der  Heeresführung  betraut,  unterwarf  er  die  Niederlande  und 
hielt  1790  seinen  Einzug  in  Brüssel.  1798  starb  er. 

Ein  weiteres  Bildstöckchen  in  ähnlicher  Form  trägt  die  Jahreszahl  1618. ]) 

Weiterhin  an  der  Offenburger  Straße  der  Park  der  Freiherren  von  Löwenberg,  ein 
Rest  jener  entzückenden  Parkanlagen  des  18.  (und  19.)  Jhs.,  die  in  ihrer  Verlassenheit  und 
träumerischen  Einsamkeit  alle  Poesie  desselben  aufleben  lassen.  Der  heutige  Garten  ist 


Fig.  254.  Löwenbergscher  Pavillon  in  Gengenbach. 


ziemlich  frei  angelegt,  in  demselben  vier  Statuen  der  Götter  Mars,  Venus,  Neptun  und 
Minerva,  ein  großes  Bassin  mit  Schilfrosen  und  dahinter  ein  Pavillon  (s.  Fig.  254),  dessen 
Grundriß  sich  in  konkaven  und  konvexen  Linien  bewegt  (Bruchsteinmauerwerk  mit 
Hausteingewänden).  Mit  diesem  anmutenden  Bilde  schließt  die  ältere  Baugeschichte 
Gengenbachs. 

An  der  Straße  nach  Fußbach-Biberach  ein  Kruzifix  auf  Volutensockel  von  1753; 
weiterhin  auf  ähnlichem  Sockel  mit  Rocailleornamenten  eine  Statue  der  Immakulata, 
noch  teilweise  in  alter  Bemalung,  am  Sockel  steht: 


*)  Abgebildet  in  Schauinsland  22,  S.  38. 


AMT  OFFENBURG.  — GRIESHEIM. 


445 


aVe 

VIrgo  Mater  DeI 

sIne  Labe  ConCepta  (1763). 

Weiterhin  Bildstöcke  von  1742,  1778  und  1798. 

Grenzsteine  aus  Gengenbach  in  der  Karlsruher  Sammlung  unter  Nr.  6402  und  6403. 


GRIESHEIM 


Schreibweisen:  villa  Creuhesheim  828;  Grieshein  1242;  Griesheim  1284;  Grieß- 
heim 14.  Jh.  etc.  (Heim  im  Gries  Niederwald.) 

Ortsgeschichte:  Der  Ort,  schon  früh  genannt,  ja,  wie  es  scheinen  möchte,  schon  in 
vorgeschichtlicher  Zeit  eine  Ansiedelung,  gehörte  zur  Landvogtei  Ortenau  und  bildete 
mit  Windschläg,  Ebersweier,  Rammersweier,  Bohlsbach,  Bühl,  Waltersweier,  Weier  und 
dem  ausgegangenen  Schweighausen  eines  der  vier  Landgerichte  der  Ortenau.  Aller- 
heiligen erwarb  1284  den  Zehnt  von  Schidelin  von  Staufenberg. ])  Ursprünglich  gehörte 
die  Griesheimer  Mark  zur  Markgenossenschaft  Offenburg  und  war  somit  auch  berechtigt 
im  großen  Gotteshauswalde  des  Klosters  Gengenbach;  später  wurde  die  Griesheimer 
Mark  abgesondert.  1621  erhielt  Griesheim  zu  dem  Jahrmarkt  noch  einen  Wochenmarkt. 
Nachdem  es  die  wechselnden  Schicksale  der  Landvogtei  Ortenau  mitgemacht  hatte, 
wurde  es  1805  badisch.  (Wth.) 

Vorgeschichtliches : Die  städtische  Sammlung  in  Offenburg  besitzt  einen  im  dortigen 
Gemeindewald  (westlich  vom  Ort)  in  einer  Lehmgrube  entdeckten  Bronzedepot- 
fund, bestehend  aus  acht  Bronzebeilen  der  frühen  Bronzezeit  mit  aufgeworfenen 
seitlichen  Rändern  (Länge  der  Stücke  14 — 15  cm).  ( W.) 

Kirche  (ad  S.  Nicolaum  Ep.).  Vor  1481  scheinen  wir  nichts  von  ihr  zu  hören. 
Damals  aber  schenken  Anna  von  Ramstein,  »relicta  quondam  Wilhelmi  Landegk  schulteti, 
dum  vixit,  opidi  Gengenbach«,  und  ihr  Bruder  Bernhard  dem  Abt  und  Kloster  Gengen- 
bach das  Patronatsrecht  der  Pfarrkirche  »ecclesie  parrochialis  ville  Grießheym«.  Noch 
1666  hören  wir  daher,  daß  collator  et  decimator  der  abbas  Gengenbacensis  sei,  auch 
hier  der  ecclesiae  parrochialis.  Nach  anderen  Nachrichten  soll  Griesheim  keine  Pfarrei, 
sondern  Filiale  von  Offenburg  gewesen  und  erst  1670  zur  Pfarrei  erhoben  worden  sein. 
Auch  Kolb  redet  davon,  daß  erst  neuerdings  ein  Pfarrer  gesetzt  worden  sei.  — 1347 
lernen  wir  einen  »Nicolaus  Dunre  rector«  kennen,  1527  einen  Johannes  Hoffmeister 
»sancti  Thome  Argentinensis  canonicus  atque  perpetuus  vicarius  ecclesie  parrochialis  in 
Grießheim  dicte  diocesis«. 

Die  heutige  Kirche  birgt  in  Chor  und  Sakristei  ältere  Reste,  auch  die  Fenster  des 
Langhauses  verraten  ursprünglich  gotische  Form,  die  Kirche  wird  also  in  den  Franzosen- 
kriegen zerstört  worden  sein,  wobei  das  Langhaus  besonders  litt,  von  ihm  blieben  wohl 
nur  die  Mauern  in  etwa  3 — 4 m Höhe  mit  den  Fensteranfangen  stehen.  Das  heutige, 
einschiffige,  flachgedeckte  Langhaus  mit  Westempore  und  rundbogigen  Fenstern  stammt 
aus  der  Mitte  des  18.  Jhs.  An  der  Decke,  den  Türen  und  den  Fenstern  zeigt  es  reiche 
Stückarbeiten  im  Rokokostil.  An  der  Decke  großes  Gemälde  der  Himmelfahrt  Mariä. 


Grenzsteine 


Ortsgeschichte 


Vorgeschicht- 

liches 


Kirche 


Stuckdekoration 

Gemälde 


*)  Großh.  Baden  S.  834. 


446 


KREIS  OFFENBURG. 


Außeres 


Turm 


Innenausstattung 


Kirchengeräte 


Glocken 


Der  quadratische  Chor,  der  zugleich  Erdgeschoß  des  Turmes  ist,  dürfte  unter  der 
Rocaillestuckdekoration  noch  sein  gotisches  Kreuzrippengewölbe  besitzen  (?).  Sein  Ost- 
fenster ist  spitzbogig  mit  Fischblasenmaßwerk.  In  der  Nordwand  des  Chors  fuhrt  eine 
Tür  in  flachem  Rundbogen,  das  Gewände  mit  Hohlkehlen  und  sich  schneidendem  Stab- 
werk, in  die  Sakristei.  Weiter  an  der  Nordwand  eine  kleine,  im  Kielbogen  geschlossene 
Nische  zum  Abstellen  der  Geräte.  Die  an  der  Nordseite  angebaute  Sakristei  besitzt  im 
Erdgeschoß  ein  doppeltes  Kreuzgewölbe  mit  Rippen  in  der  trockenen  Profilierung  der 
Spätzeit.  Ihr  Obergeschoß  ist  erst  später  gebaut,  wie  die  durchgehende  Wasserschräge 
des  Turmes  beweist. 

Das  Außere  — errichtet  ist  die  Kirche  aus  Bruchsteinmauerwerk,  Gewände  etc. 
aus  rotem  Sandstein  — ist  ganz  schlicht.  Am  Westportal  die  Jahreszahl  1749,  also  die 
Zeit  der  Erneuerung.  Der  Turm,  zugleich  Chor,  steigt  in  drei  Geschossen  auf,  die 
durch  eine  Wasserschräge  voneinander  getrennt  sind.  In  seinem  Erdgeschoß  das 
erwähnte  Fenster,  im  obersten  Stock  nach  allen  vier  Seiten  je  ein  Spitzbogenfenster  mit 
Maßwerk. 

Innenausstattung:  Stattlicher  Hochaltar  in  dem  üblichen  barocken  Aufbau  von 
Säulen,  gebrochenen  Giebeln  mit  den  Stuckfiguren  der  Heiligen  Rochus  und  Sebastian. 
Er  umschließt  ein  Gemälde  der  Himmelfahrt  des  h.  Nikolaus.  Im  gleichen  Stil,  ein- 
facher, an  den  Seiten  der  Marien-  und  der  Wendelinsaltar.  Kanzel  wohl  aus  den  ersten 
Jahren  des  19.  Jhs.,  ebenso  der  Taufstein.  Ein  Beichtstuhl  in  der  geschweiften  Grund- 
form des  18.  Jhs.  An  dem  Triumphbogen  das  baden-badische  Wappen  (infolge  der 
Verpfändung  der  Landvogtei)  in  großer  Rocaillestuckkartusche. 

In  der  Sakristei : Kelch,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Bandornamenten,  Engels- 
köpfen am  Fuß  und  je  drei  Emailmedaillons  am  Fuß  und  an  der  Cuppa,  in  einem  ein 
mir  unbekanntes  Allianzwappen:  Pfeil  mit  Schlange  in  Blau  (Merkurstab?);  Zeichen,  etwa 

drei  schwarze  zusammenstoßende  Kreuze  in  Gelb ; Augsburger  Zeichen  und  q ^ g- 

Sonnenmonstranz,  silbervergoldet,  getrieben,  18.  Jh.;  sechs  einfache  Messingleuchter 
in  den  schweren  Formen  der  Renaissance. 

Gestickter  Rauchmantel  des  18.  Jhs. ; weißes  und  blaues  Velum  mit  Hochstickerei 
der  gleichen  Zeit. 

Vier  Glocken ; an  der  einen  steht: 

1.  ANNO  1766  HAT  DIE  GEMEINDT  GRIESHEIM  DIE  GLOCK 
GIESSEN  LASSEN 

MATTHAEUS  EDEL  ZU  STRASSBURG  GOS  MICH, 
aufgelötet  ein  Kruzifix  mit  Maria  und  Johannes  sowie  ein  h.  Nikolaus ; 

2.  dieselbe  Inschrift; 

3.  DOMINE  IESU  CHRISTE  A FULGURE  LIBERA  NOS, 

Bild  des  h.  Nikolaus  mit  Umschrift:  DIVO  NICOLAS  HUIUS  TEMPLI 
PATRONO 
und 

MATTHAEUS  EDEL  ZU  STRASSBURG  GOS  MICH  1719; 

4.  MATTHAEUS  EDEL  ZU  STRASSBURG  GOS  MICH  17^2 
und  Kruzifix  mit  Maria  und  Johannes. 


AMT  OFFENBURG.  — HOFWEIER. 


447 


Um  die  Kirche  alte  Friedhofsmauer , am  Westeingang  der  Kirche  Sandsteinstatue : Friedhof 

halblebensgroßer  Ecce-Homo  auf  Rocaillepostament,  renoviert  1830;  an  der  Ostseite 
Kruzifix  mit  Maria,  etwa  von  1760;  an  der  Friedhofsmauer  einige  Grabmäler  des 
18.  Jhs. 

Im  Ort  bemerkenswert  außer  einigen  Riegelhäusem  ein  Ziehbrunnen  mit  der  Ziehbrunnen 
Jahreszahl  1776  in  Rocaillekartusche ; der  Querbalken  reich  mit  Ranken  und  Sternen 
verziert. 


HOFWEIER 


Schreibweisen:  Hovewilr  1123;  bann  1395;  Hovewilre  1207;  dorf  1312;  Hof- 
wilr  1300;  Hofweyr  1504  etc. 

Archivalien:  der  Röder  von  Diersburg,  Mitteil.  d.  hist.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  84. 

Literatur:  Ruppert,  Mortenau  I,  S.  289 — 297. 

Ortsgeschichte : Hofweier  war  offenbar  eine  ziemlich  alte  Ansiedelung,  wie  es  Ortsgeschichte 
scheinen  möchte,  bereits  in  römischen  Zeiten  (s.  unten).  Im  hohen  Mittelalter  gehörte 
es  in  die  Herrschaft  Tiersperg.  Mit  dem  Aussterben  der  Tiersberger  ging  es  in  fremde 
Hände  über ; die  Güter  kamen  durch  Heirat  der  letzten  Erbtochter  an  Wilhelm 
von  Schwarzenberg  und  auf  dem  weiteren  Erbweg  (s.  Diersburg)  an  Boemund  von  Etten- 
dorf und  Hans  Hummel  von  Staufenberg.  Dessen  Frau,  eben  eine  geborene  Schwarzen- 
berg, verkaufte  an  die  Verwandten  ihres  Mannes  Burkard  und  Wilhelm  Hummel  u.  a. 
auch  ihre  hiesigen  Güter.  Als  Burkard  mit  seines  Bruders  Sohn  Hans  den  Anteil 
an  der  Diersburg  und  den  Besitzungen  teilte,  wurde  es  ihm,  scheint’s,  auf  der  Burg  zu 
eng  und  er  erbaute  sich  einen  Wohnsitz  in  Hofweier,  wohl  eine  Tiefburg;  1438  bewidmete 
er  seine  Frau  Else:  »uff  sine  bürg,  burgstall,  Wassergraben  etc.  zu  Hofewiler«.  Schon 
1441  aber  verkauften  die  beiden  ihren  Anteil  am  Schloß  an  die  Pfalz,  nach  den  damaligen 
Angaben  lag  es  wahrscheinlich  an  der  Stelle,  wo  jetzt  die  Kirche  steht.  Kolb  spricht 
noch  von  einer  zweiten  Burg,  der  »Bintzburg«,  die  aber  Ruppert  mit  dieser  für 
identisch  hält.  1461  verkaufte  Pfalzgraf  Friedrich  den  pfälzischen  Anteil  an  Albrecht 
Wolf  von  Offenburg,  der  sich  von  da  an  nach  Hofweiler  nannte.  Die  andere  Hälfte 
wurde  an  Bernhard  von  Bach  verkauft,  und  infolgedessen  kam  es  dann  zu  einem  Prozeß 
zwischen  den  Bachs  und  den  Erben  des  Albrecht  Wolf,  den  Schauenburgs;  endlich  besaß 
es  Jörg  von  Bach  und  nach  ihm  seine  Erben,  die  Dalberg  und  Cronenburg.  Nach  dem 
Schlößchen  hieß  die  Besitzung  im  17.  Jh.  die  »Freiherrlich  von  Dalbergische  Herrschaft 
Bintzburg«.  In  weiterem  Verfolg  kam  es  an  die  Frankenstein,  deren  ritterschaftliche 
Besitzung  es  bis  1806  blieb,  wo  es  badisch  wurde. 

Eine  Familie  von  Hofweier  kommt  schon  im  Anfang  des  12.  Jhs.  vor;  ca.  1101 
hören  wir  von  Sigeboto  de  Hoviwilar;  die  Mitglieder  des  Geschlechts  waren  Lehens- 
mannen und  erloschen  um  1400. 

V erschiedene  Klöster  und  Geschlechter  waren  hier  begütert.  Wir  hören  1323  von 
der  curia  prepositi  et  conventus  ac  monasterii  in  kniebuhs  sita  zu  Hofewiler,  »daneben 
erscheint  im  15.  und  16.  Jh.  ein  Hof  der  von  Neuenstein,  der  von  Brombach,  der  von 
Schauenburg  und  des  Nonnenklosters  S.  Marx  zu  Straßburg«.1) 


^Ruppert  a.  a.  O.  S.  297. 


448 


KREIS  OFFENBURG. 


Römische  Funde:  Münze  des  Severus  Alexander.  Mauerwerk  in  den  Wiesen  in 
der  Nähe  des  Bahnhäuschens  gegen  Höfen;  es  soll  dort  ein  Schloß  gestanden  haben; 
in  der  Nähe  führt  die  römische  Straße  Höfen-Hofweier  vorbei.1) 

Kath. Pfarrkirche  Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Gallum).  Die  »Kilche«  erwähnt  1312,  parrochialis 

ecclesia  1385.  Das  Patronat  gehörte  zu  dem  Schlosse  Tiersberg,  ging  daher  nach  dem 
Aussterben  der  Dynasten  an  ihre  Erben,  die  Schwarzenberg,  über,  dann  an  die  Hummel 
von  Staufenberg,  von  diesen  durch  Kauf  an  Baden  und  endlich  durch  Pfandlehnschaft 
an  die  Röder  von  Diersburg.  Der  heutige  Bau,  sehr  malerisch  in  der  Höhe  gelegen, 
stammt  aus  dem  J.  1763,  er  ist  aus  Bruchsteinen  mit  Verputz  und  Sandsteingewänden 
errichtet.  Der  Grundriß  zeigt  (s.  Fig.  255)  einen  originellen  Anschluß  des  quadratischen, 
in  seinen  Grundmauern  wohl  älteren  Turmes  an  den  Chorachteckschluß,  ebenfalls  originell 
die  Angliederung  der  Sakristei. 

Langhaus  und  Chor  haben  Rundbogenfenster,  sie  sind  am  Äußern  durch  Lisenen 
gegliedert,  ebenso  die  Fassade  mit  verkröpftem  Gebälk.  Das  Portal  wird  von  einem 


Fig.  255.  Grundriß  der  kath.  Kirche  in  Hofweier. 


gebrochenen  Volutengiebel  bekrönt,  über  ihm  in  Nische  die  Figur  des  h.  Gallus;  hier 
auch  die  Jahreszahl  1763. 

Im  Chor  der  Kirche  noch  ein  Überrest  des  älteren  Baues,  ein  Sakramentshäuschen, 
in  spitzem  Kleeblattbogen  geschlossen,  mit  gotischem  Durchsteckgitter;  eingehauen  die 
Jahreszahl:  mCCCCfallll,  und  weiter  oben:  »Renov.  1763«. 

Innenausstattung  Im  Chor  der  stattliche  barocke  Säulenaltar,  zwei  entsprechende  Seitenaltäre,  alle 

aus  Stucco  lustrato ; durch  die  in  geschwungenem  Grundriß  angelegte  Treppe,  an  welche 
die  Kanzeltreppe  anschließt,  mit  der  Kanzel  zu  einem  Ganzen  verbunden.  An  dieser 
geschnitzte  Rocailleornamente  und  das  Wappen  der  Patronatsherren,  der  Röder  von 
Diersburg. 

Ein  Taufstein  mit  Beschlägornament,  teilweise  noch  erhaltener  Bemalung  von  1671. 
Orgel  in  dem  gleichen  Stil  wie  die  Kanzel  geschnitzt. 

An  der  Nordwand  schmerzhafte  Mutter  Gottes,  Holzfigur  vom  Ende  des  16.  Jhs. 

Deckengemälde  An  dem  Spiegelgewölbe  des  Langhauses  großes  Deckengemälde  der  Verleihung 

der  Schlüsselgewalt,  gestiftet  von  Josef  Schmautz  Rector, ? fecit  1764.  Am  Ende 

des  19.  Jhs.  restauriert.  In  Jen  Kappen  die  Heiligen  Amatus  und  Justina  sowie  acht 


x)  Krieger  I,  S.  1008. 


AMT  OFFENBURG.  — MARLEN  (GOLDSCHEUER,  KITTERSBURG). 


449 


auf  das  Vaterunser  bezügliche  Bilder.  Im  Chor  Pauli  Bekehrung,  gestiftet  von  Franz 
und  Georg  Neff,  in  den  Kappen  sechs  auf  die  großen  Feste  bezügliche  Bilder.  Alles 
tüchtige  Durchschnittsleistungen  um  1764. 

Bei  der  Kirche  Kruzifix,  am  Stamm  halten  zwei  Engel  den  siebenquastigen  Hut,  Statuen 
das  Zeichen  der  Würde  des  Stifters,  des  »Philippus  Jacobus  Schmautz  Sacro  sanctae 
Theologiae  Doctor  Protonotarius  Apost.  Rector  hic«,  der  dies  Kreuz  sich  und  seinen 
Eltern  zum  Andenken  stiftete.  Er  war  geboren  1683  und  ist  1752  Archipresbiter 
geworden,  seine  Mutter  Anna  Maria  Gustenhofferin,  geb.  1647,  starb  1723,  sein  Vater 
Johannes  »Tribunus  plebis  ex  Offenburg«,  geb.  1653,  starb  1742.  Am  Aufgang  zur 
Kirche  überlebensgroße  Statue  der  Immaculata  Conceptio,  gestiftet  von  Michael  Rottenecker 
und  Magdalena  geb.  Holzenthaler,  Durchschnittsarbeit  aus  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jhs. 

— Im  Ort  h.  Nepomuk  von  1777. 


MARLEN 

(mit  GOLDSCHEUER  und  KITTERSBURG) 

Schreibweisen:  Marheim  1282;  Marnheim  1424;  Marie  1446.  (Heim  des  Maro.) 

Ortsgeschichte : Nach  der  Sage,  die  den  Namen  als  »maris  legio«  erklärt,  wäre  Ortsgeschichte 
der  Ort  in  römischer  Zeit  gegründet  worden.  Römische  Münzen  von  Vespasian  bis 
Constans  sind  hier  gefunden  worden,  was  vielleicht  Anlaß  zu  der  Sage  gab.  Im  Zusammen- 
hang damit  bei  Kolb  die  durchaus  unkontrollierbare  Angabe  von  einem  herrschaftlichen 
Schloß  aus  ältesten  Zeiten,  das  entweder  römischen  oder  fränkischen  Ursprunges  war. 

Offenbar  stand  aber  schon  zu  seiner  Zeit  nichts  mehr  davon.  Die  erste  geschichtliche 
Erwähnung  (s.  oben)  1282.  Der  Ort  gehörte  zur  Landvogtei  Ortenau,  in  den  Franzosen- 
kriegen wurde  er  1677  abgebrannt.  1805  wurde  er  badisch.  Auch  die  drei  Straßburger 
Höfe,  von  denen  der  Spitalhof  dem  Deutschen  Haus,  der  Roggenhof  der  Münsterfabrik 
und  der  Margaretenhof  dem  Margaretenkloster  gehörte,  kamen  an  Baden.  — Aus  dem 
13.  Jh.  hören  wir  noch,  daß  Walter  von  Klingen  und  seine  Frau  Sophie  hier  begütert 
waren  und  1283  ihren  Besitz  zu  Hundsfeld,  »Marheim  und  Küttersburg«,  an  den  Ritter 
Sigmund  Hogmesser  (Haumesser)  verkauften.  1387  verkauften  Claus  Nope  und  seine 
Ehefrau  Metze  von  Kungesheim  die  Dörfer  Marnheim  und  Küttersburg,  also  wohl  ihre 
Güter  dort,  an  Klaus  Bock  und  Peter  Museier  um  1500  Pfund. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Arbogastum).  1666  hören  wir  von  der  parrochia  in  Kath. Pfarrkirche 
Marlen,  cujus  patronus  s.  Udalricus.  Hier  liegt  aber  eine  Verwechslung  mit  Müllen  vor.1) 

Der  heutige  Bau  stammt  aus  dem  18.  Jh.  Der  Turm  ist  später  erneuert  worden. 

Einschiffiges  Langhaus  mit  Empore  und  aus  dem  Achteck  geschlossener  Chor.  Hoch- 
altar und  zwei  Seitenaltäre  in  dem  üblichen  Barockaufbau,  ebensolche  Kanzel.  Im 
Chor  noch  zwei  Gemälde,  der  h.  Ignaz  einen  Mohren  taufend  und  der  h.  Aloisius 
Gonzaga,  Durchschnittsarbeiten  des  18.  Jhs.  in  Goldrahmen.  Am  Triumphbogen  Kruzifix 
mit  Maria  und  Johannes  auf  den  Seiten,  bemalter  Stuck,  18.  Jh. 

An  der  Südwand  außen  Sonnenuhr  von  1769.  Auf  dem  Kirchenspeicher  geschnitztes 
Kruzifix. 


x)  FDA.  NF.  IV,  S.  312. 


45° 


KREIS  OFFENBURG. 


Statue 

Friedhof 

Kruzifixe 

Ortsgeschichte 

Kruzifix 


Kapelle 

Kelch 

Kruzifixe 


Ortsgeschichte 


Vor  der  Kirche  Statue  des  h.  Joh.  Nepomuk  auf  geschwungenem  Sockel,  worauf 
steht:  Dive  Joannes  Nepomucene  turbae  ex  assetuae  ferventia  respice  vota. 

Auf  dem  alten  Friedhof  ein  Kruzifix  von  1722;  Grabsteine,  auf  einem  hält  der 
Tod  die  Tafel  mit  der  verwischten  Schrift. 

An  der  Straße  nach  Kehl  Kruzifix  (Sandstein),  auf  üblichem  Rocaillesockel, 
von  1773. 

GOLDSCHEUER 

Schreibweisen:  Goldscheuren  16.  Jh.,  etc. 

Ortsgeschichte : Der  Ort  gehörte  wie  Marlen  zur  Landvogtei  Ortenau,  hatte  mit 
demselben  die  gleichen  Schicksale  und  wurde  1805  badisch.  1457  verkauft  »Nicolaus 
de  Berse  civis  Argentinensis«  dem  Pfalzgrafen  Friedrich  »ein  ahtenteyl  an  Marnheim, 
Küterspurg  und  Goldschüre  mit  twingen,  bennen  und  aller  zügehorde«. 

Auf  der  Straße  nach  Marlen  Sandsteinkruzifix  von  1773. 

KITTERSBURG 

Schreibweisen:  Kiitersburg  1282;  Küterschburg  1283;  Kütersburg  parrochie  Marn- 
heim 1452. 

Der  Ort  hatte  dieselben  Schicksale  wie  Marlen,  er  gehörte  zur  Landvogtei  Ortenau 
und  wurde  1805  badisch. 

Kapelle  (ad  S.  Mariam  Magdalenam),  Filiale  von  Marlen. !)  Riegelbau  mit  schlichter 
Holzdecke,  aus  dem  Achteck  geschlossen.  Ölgemälde  der  Heiligen  Petrus  und  Magdalena. 
— Kelch , silbergetrieben,  vergoldet,  im  Stil  Louis  XVI.,  Ende  18.  Jhs. 

Vor  der  Kapelle  Kruzifix  auf  Rocaillesockel,  ca.  1760. 

Am  Ausgang  nach  Offenburg  Kruzifix  mit  Maria  am  Kreuzesstamm,  von  1774. 


MÜLLEN 

Schreibweisen:  Mulnheim  1139;  Mülnheim  1356;  Millenheim  1368;  dorf  Mül- 
heim 1550. 

Ortsgeschichte:  Einstmals  zur  Herrschaft  Geroldseck  gehörig,  kam  es  im  14.  Jh. 
an  einige  Bürger  in  Straßburg,  im  15.  Jh.  durch  Kauf  an  die  Pfalz.  Als  Wolfgang  I. 
von  Fürstenberg  die  Landvogtei  Ortenau  in  Pfandschaft  bekam,  kaufte  er  das  Dorf  als 
besonderes  Gut  1505  von  Ulrich  Putsch,  dem  Kammerdiener  Maximilians  I.,  dem  es 
dieser  geschenkt  hatte;  bei  der  Auslösung  der  Landvogtei  zog  es  Ferdinand  I.  als  öster- 
reichisches Gut  an  sich.  1586  kam  es  als  Pfandschaft  an  den  ortenbergischen  Amtmann 
Beer,  dann  an  die  Schauenburg,  endlich  an  Freiherrn  Thomas  von  der  Schleiß,  1713 
löste  es  die  Markgräfin  Franziska  Sibylla  wieder  ein  und  vereinigte  es  mit  der  Land- 
vogtei; mit  dieser  wurde' es  1805  badisch.  — Begütert  waren  hier  im  14.  Jh.  die  von 
Windeck,  die  aber  1346  »advocacias,  hospitalitates,  herbergas,  mortuaria,  stüras,  bettas 
atque  jura«  dem  Kioster  S.  Georgen  auf  dem  Schwarzwald  verkauften.  — 13 73  hören 
wir  von  einem  Roderigus  Molitor  de  Mülnheim. 


!)  FDA.  XXXI,  S.  313. 


AMT  OFFENBURG.  — NESSELRIED.  NIEDERSCHOPFHEIM. 


45  1 


Kath.Pfarrkirche  (ad  S.  Udalricum).  Schon  1179  hören  wir  von  Mulnheim  cum  Kath.Pfarrkirche 
ecclesia;  1373  von  der  capella  sancti  Udalrici;  1419  von  Heinrich  Hiltbolt,  lütpriester 
zu  Mulnheim.  Das  Patronat  gehörte  zur  Landvogtei. 

Der  heutige  Bau  stammt  von  1741.  In  demselben  noch  ein  Sakramentshäuschen 
aus  spätgotischer  Zeit  (s.  Nachtrag). 

Außerdem  berichtet  Kolb  noch  von  einer  Kapelle  des  h.  Ulrich  mit  heilbringen- 
dem Brunnen  in  der  Nähe  des  Dorfes,  bei  den  Rohrburger  Höfen.1) 


NESSELRIED 


(Gemeinde,  bestehend  aus  den  Dörfern  Ober-  und  Unternesselried) 


Schreibweisen:  Nescilriet  ca.  1120;  Nesselriet  1316;  zu  Nesselriete  1431;  Niessel- 
riet  1464;  Nessenriet  15 11.  (Ried  mit  Nesseln.) 

Ortsgeschichte : Obernesselried  gehörte  zur  Herrschaft  Staufenberg,  war  also  baden-  Ortsgeschichte 
badisch,  Unternesselried  zur  Landvogtei  Ortenau,  Landgericht  Appenweier,  und  wurde 
1805  badisch.  Ca.  1120  bis  1150  hören  wir  von  einem  Adelbertus  miles  de  Nescilrit, 
der  dem  Kloster  Reichenbach  zu  Urioffen  einen  Acker  schenkt. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  Assumptionem  Virginis).  Der  heutige  Bau  von  1875.  Die  Kath.Pfarrkirche 
alte  Kapelle,  die  auf  dem  gleichen  Platze  stand,  gehörte  zu  Obernesselried;  wir  hören 
von  »unser  lieben  Frauwen  capell  zu  Nesselrieth  1662«.  In  der  Kirche  aus  früheren 
Zeiten  noch  eine  Holzstatue  der  Madonna  mit  dem  Christuskind  aus  dem  17.  Jh.  (Wall-  Hoizstatne 
fahrtsbild).  Auf  dem  linken  Seitenaltar  neu  gefaßte  und  zum  h.  Wendelin  gemachte  Barock- 
statue des  h.  Rochus. 

Ölgemälde  der  h.  Sippe  auf  Holz,  63  X 124  cm,  wohl  ehemals  ein  Antependium.  Ölgemälde 
Die  h.  Anna  selbdritt  mit  den  übrigen  Frauen  und  den  spielenden  Kindern  vor  einer 
Balustrade,  auf  der  stehend  eine  Säule  zwei  Flachbogen  trägt,  hinter  der  Balustrade  die 
h.  Männer.  Werk  eines  Baldung-Schülers  um  1520  (nach  Mone  von  Friedr.  Krämer?). 

Von  den  Glocken  sind  drei  neu,  eine  dagegen  aus  dem  17.  Jh.:  Matthäus  Edel  Glocken 
von  Straßburg  goß  mich  1683.  Ein  ehemaliges  Georgsglöcklein  mit  der  Aufschrift: 

Zacharias  Rohr  goß  mich  1713  in  Straßburg,  soll  nach  Illental  von  hier  gelangt  sein. 

Im  Pfarrhaus  einige  Gemälde : h.  Ursula,  auf  der  Rückseite  der  Erzengel  Gabriel  Pfarrhaus 
aus  dem  dritten  oder  vierten  Jahrzehnt  des  16.  Jhs.,  eine  h.  Barbara,  auf  der  Rückseite 
Mutter  Gottes,  97  X55  cm,  Holz,  vom  Flügelaltar  der  alten  Kapelle.  Wohl  von  einem 
Baldung-Schüler,  sehr  ungeschickt  restauriert.  — Drittellebensgroße  Barockstatue  des 
h.  Norbert  sowie  ein  Engel  mit  teilweise  alter  Bemalung,  18.  Jh.;  auf  dem  Speicher  die 
Figuren  Christi  und  des  h.  Sebastian  aus  der  gleichen  Zeit. 


NIEDERSCHOPFHEIM 

Schreibweisen:  in  Mordunowa  in  Scopfheim  763  (Fälschung);  in  Morthenauia 
Scofhaim  777;  Schopfheim  1050;  Scopheim  vor  1066;  Scopfheim  1139;  Scoppheim 
1179;  Schophen  1275;  Schopffheym  1464  (s.  Oberschopfheim,  Amt  Lahr). 


x)  Mone,  Die  bild.  Künste  im  Großh.  Baden  14,  S.  67. 


452 


KREIS  OFFENBURG. 


rtsgeschichte 


Römisches 


Niederschopfheim:  villa  que  Niderenschopfhein  nuncupatur  1289;  in  inferiori 
Schopffen  1291;  Schopfheim  inferior  1464;  Niderschopfheim  1359  etc. 

Ortsgeschichte  (s.  Oberschopfheim):  Ein  uralter  Ort,  schon  in  römischen  Zeiten 
besiedelt.  Ursprünglich  nur  ein  Dorf,  scheint  dasselbe  sich  im  13.  Jh.  in  Ober-  und 
Niederschopfheim  getrennt  zu  haben.  Das  Kloster  Ettenheimmünster  besaß  hier  stattliche 
Güter.  Niederschopfheim  war  wohl  pfandschaftsweise  aus  geroldseckischem  Besitz  an  das 
Hochstift  Straßburg  gekommen  und  mit  der  Burg  (castrum  dictum  Schopfheim,  villa  ibidem 
14.  Jh.)  ein  bischöflich  straßburgisches  Lehen  derer  von  Windeck.  Hans  Reinhard  von 
Windeck,  der  keine  männlichen  Nachkommen  besaß,  erreichte  es,  daß  das  Lehen  1436 
seinem  Schwiegersohn  Georg  von  Bach  übertragen  wurde.  Nach  dem  Tode  des  letzten 
von  Bach  verlangten  gegenüber  seiner  Schwester  die  Windecker  wieder  die  Belehnung, 
doch  entschied  das  Schiedsgericht,  daß  die  Schwiegersöhne  des  letzten  Bach,  Hartmann 
von  Kronburg  und  Friedrich  von  Fleckenstein,  die  Lehen  erhielten.  Von  ihnen  gelangte 
es  an  die  Dalberg,  Bettendorf,  Brandenstein  und  schließlich  die  Freiherren  von  Franken- 
stein.J)  Schon  im  15.  Jh.  aber  — fußend  auf  dem  alten  geroldseckischen  Besitz  — 

beanspruchten  die  pfälzischen  Amtleute  auf  Ortenberg  auch 
Gerechtigkeiten  in  Niederschopfheim,  da  der  Ort  in  die 
Landvogtei  gehöre,  und  so  erfolgte  1470  ein  Überfall  auf 
das  Dorf.  Infolge  des  so  entstandenen  Streites  ließ  Diebolt 
von  Hohengeroldseck  1476  seine  Rechte  in  bezug  auf 
Geleit,  Zug,  Wasser,  Wunn  und  Weid  aufstellen.  Er  besaß 
danach  keine  eigentümlichen  Güter  außer  einigen  Joch 
Feld.  Später  gehörte  Niederschopfheim  zum  ritterschaft- 
lichen  Bezirk  Ortenau;  1806  wurde  es  badisch.  Die  Klöster 
Gengenbach  und  Schuttern  hatten  hier  Fronhöfe. 

Das  Schloß  ging  wohl  im  Bauernkriege  zugrunde, 
Kolb  sucht  es  auf  dem  sogen.  Spielberg,  im  Norden  des 
Dorfes.  Dort  haben  sich  romanische  Reste  gefunden  (siehe 
unten).  Das  Dorf  erlitt,  wie  Oberschopfheim  und  die  ganze  Gegend,  in  den  fran- 
zösischen Kriegen  des  17.  Jhs.  eine  vollständige  Zerstörung,  der  auch  die  Kirche  zum 
Opfer  fiel.  (Ministerialengeschlecht  s.  Oberschopfheim.)  fJVth.J 

Römisches : Chr.  Ludw.  Fecht  schreibt  in  seiner  »Geschichte  der  Badischen 
Landschaften  1813«:  »Auf  dem  Felde  zwischen  Nieder-  und  Oberschopfheim  ackerte 
1805  ein  Bauer  einen  Totenaltar  hervor.  Eine  große  steinerne  Urne  ruhte  auf  ihm. 
Unter  ihrem  schweren  Steindeckel  im  Schoße  der  Urne  lagen  Glasscherben  mit  Asche 
und  wenigem  Gebein,  außerhalb  auf  dem  Altar  eine  zerbrochene  Totenlampe.«  Die 
Urne  (s.  Fig.  256),  40  cm  hoch,  mit  10  cm  hohem  Deckel,  unzweifelhaft  römisch,  kam 
in  die  Antiquitätenhalle  nach  Baden  und  von  da  in  die  Karlsruher  Sammlung.  Sie  ist 
aus  rotem  Sandstein  gehauen,  nicht  geglättet,  auf  einer  Seite  etwas  zerbrochen;  ihr 
Postament  wird  am  Fundort  liegen  geblieben  sein.  Die  Scherben  von  schönem,  blau- 
grünem Glas,  darunter  ein  1 o,  5 cm  hoher  aufrechter  Henkel,  gehörten  zu  einer  gläsernen 
Aschenume  und  sind  noch  erhalten,  ebenso  ein  Bruchstück  eines  kleinen  verzierten 
Napfs  von  roter  Terra  sigillata,  den  der  Bauer  vielleicht  für  eine  Totenlampe  gehalten 


Fig.  236.  Römische  Funde  am 
Niederschopfheim . 


) Ruppert  a.  a.  O.  S.  418  und  für  das  folgende  S.  420  ff. 


AMT  OFFENBURG.  — NIEDERSCHOPFHEIM. 


453 


hat.  (Fröhner,  Die  Großh.  Sammlung  vaterländischer  Altertümer  1860,  führt  die  Urne 
irrtümlich  [Nr.  86]  als  für  das  warme  Wasser  in  Baden  bestimmt  auf.) 


Fig.  257.  Kirche  in  Niederschopfheim. 


Am  unteren  Eingang  des  Orts  finden  sich  Spuren  von  römischem  Mauerwerk, 
und  da  in  der  Nähe  eine  Anzahl  römischer  Münzen  gefunden  wurde  (u.  a.  eine 
Goldmünze  des  Vespasian),  so  darf  hier  eine  römische  Niederlassung  angenommen 


454 


KREIS  OFFENBURG. 


Kath.  Pfarrkirche 


Innenausstattung 


Taufstein 

Holzgruppe 


Kruzifixus 

Brunnenschale 

Ziehbrunnen 


werden.  Man  glaubte  sie  auf  einer  benachbarten  Anhöhe  entdeckt  zu  haben.  Es  stand 
dort  aber  wohl  eine  mittelalterliche  Burg;  wenigstens  heißt  eine  Rebsorte  von 
der  Lage  heute  noch  »der  Kurggraben«,  und,  was  schwerer  ins  Gewicht  fällt,  man  stieß 
dort  1886  auf  ein  romanisches,  zwischen  zwei  Fensterbögen  gehöriges,  verziertes 
Sandsteinkapitell  (jetzt  in  der  Karlsruher  Sammlung)  und  auf  ein  ebenfalls  romanisches 
Schmuckstück  aus  Bein  mit  der  reliefierten  Figur  eines  Drachen.  (W.) 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Brigidam  virginem).  1419  hören  wir  von  Heinrich 
Cudis,  kirherre  zu  Nidernschopfheim,  1464  von  einem  rector  ecclesie  in  Schopfheim 
inferior;  1666:  Niederschopffen,  huius  parrochialis  patrona  coeli  S.  Brigida  virgo,  collatores 
et  decimator  sunt  comes  a Gerolzeck  et  baro  a Dahlberg;  animas  regendes  habet 
ca.  1200.  Der  heutige  Bau  ist  1754  bis  1756  errichtet  worden.  Er  steht  wirkungsvoll 
auf  einer  Anhöhe,  zu  der  eine  Treppe  hinauffuhrt,  die  von  Vasen  auf  Pilastern  flankiert 
wird.  In  der  Mitte  der  Fassade  der  Turm,  in  seinem  Kern  wohl  älter.  Seine  Stockwerke 
sind  an  den  Ecken  mit  Pilastern  versehen,  die  ein  verkröpftes  Gesims  tragen.  Oben  geht 
er  ins  Achteck  über  mit  Walmdach  (s.  Fig.  257).  In  seinem  unteren  Stockwerk  das  mit 
Volutengiebeln  etc.  geschmückte  Portal,  an  dem  die  Jahreszahl  1756.  Uber  ihm  in  einer 
Nische  die  Figur  der  h.  Brigitta.  Mächtige  Voluten  flankieren  den  Turm  und  vermitteln 
den  Übergang  zu  den  niederen  Teilen  der  Fassade. 

Die  Seitenwände  der  Kirche  sind  nur  durch  Lisenen  gegliedert.  — Der  Bau  aus 
Bruchsteinmauerwerk,  die  Gewände  aus  rotem  Sandstein.  Das  einschiffige  Langhaus  ist 
in  seinen  östlichen  Ecken  abgerundet,  ebenso  der  Chor,  beide  sind  durch  ein  Spiegel- 
gewölbe mit  einschneidenden  Kappen  gedeckt,  Avelches  auf  Wandpilastern  mit  ver- 
kröpftem  Gebälk  beginnt.  Dieses  so  einfache  Innere  ist  von  bester  Raumwirkung.  In 
seinem  Westteil  eine  Empore  von  geschwungenem  Grundriß  und  elegantem  Aufbau. 

Innenausstattung:  Hochaltar,  großer  wirkungsvoller  Barocksäulenbaldachinaufbau, 
aus  Stuckmarmor,  der  in  geschickter  Weise  das  Rundfenster  der  Chorostwand  sich  ein- 
gliedert. Datiert  1764.  In  ihm  Gemälde:  Vision  der  h.  Brigitta,  und  auf  ihm  zwei 
Statuen  der  Heiligen  Petrus  und  Paulus.  Entsprechende  flotte  Barocksäulenaltäre,  Marien- 
und  Sebastiansaltar.  Einfachere  Barockkanzel.  Orgel  im  Stil  Louis  XVI.,  ebenso  auf 
beiden  Seiten  des  Chors  die  Dreisitze.  Drei  Beichtstühle,  wovon  zwei  mit  sparsamen 
vergoldeten  Rocailleschnitzereien  versehen,  aus  der  gleichen  Zeit  noch  das  Kirchengestühl. 

Älterer  Taufstein  mit  Beschlägornament  und  der  Aufschrift: 

sancta  trinitas  unus  deus  miserere  nobis  I l 6 l 6 • • • 

Tn  einer  Nische  des  Langhauses  Holzgruppe  der  Pietä,  neu  gefaßt,  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jhs. 

In  der  Kirche  aufgemalte  Inschrift,  laut  welcher  sie  durch  die  Gemeinde  in  den 
J.  1784  bis  1756  erbaut,  eingeweiht  durch  den  hochwürdigsten  Herrn  Generalvikar 
Dorensius  von  Straßburg  unter  dem  hochwürdigen  Herrn  Pfarrer  Heinrich  Dorschei 
und  Vogt  Sebastian  Ehrhardt.  — Renoviert  1861. 

Vor  der  Kirche  Kruzifixus  mit  Maria  und  Johannes,  von  1735. 

Unten  vor  der  Treppe  Brunnenschale  von  1681  mit  bauchiger,  dicker  Renaissance- 
balustersäule, darauf  eine  Madonna  mit  Kind  des  18.  Jhs. 

Beim  Haus  Nr.  238  der  Ziehbrunnen  von  1782  zu  bemerken,  im  Ort  eine  Anzahl 
hübscher  Riegelhäuser,  leider  zum  T eil  verputzt. 


AMT  OFFENBURG.  — NORDRACH. 


455 


NORDRACH 


Schreibweisen:  Norderaha  1139;  vallis  Norderahe  1289;  Nordrach  1373;  Norde- 
rach 1426;  die  gemeinde  des  tales  zu  Nordrach  1372.  (Nordwasser.) 

Ortsgeschichte:  Nordrach  ist  eine  Talgemeinde,  bestehend  aus  Dorf  Nordrach  mit  Ortsgeschichte 
Schanzbach  und  den  Zinken  Flacken,  Hintertal,  Schottenhöfen  und  Untertal.  Das  Tal 
gehörte  bis  1803  zum  Gebiet  der  Reichsstadt  Zell  und  machte  also  deren  Geschicke  mit, 
weshalb  Eingehenderes  in  dem  Artikel  über  Zell  nachzulesen  wäre.  Indes  bestand  neben 
dem  reichsstädtischen  Gebiet  noch  das  freie  Mönchsgut  Schottenhöfen  und  Lindach  und 
die  heute  Fabrik  Nordrach  genannte  Gegend  (s.  unten)  als  Eigentum  des  Klosters  Gengen- 
bach. Im  Nordracher  Tal  amtierte  ein  Zwölfergericht  mit  zwölf  Räten,  welche  u.  a. 
auch  die  Befugnis  hatten,  Todesurteile  fällen  und  vollstrecken  zu  dürfen;  außerdem 
besaß  Nordrach  einen  eigenen  Vogt.  Da  aber  die  Leute  des  Tales  nicht  als  Bürger, 
sondern  nur  als  Untertanen  der  Stadt  Zell  galten,  konnten  sie  nicht  in  den  Rat  gewählt 
weiden.  Der  Selbständigkeitstrieb,  der  die  Bauern  des  Harmersbachtales  beseelte,  war 
aber  auch  hier  lebendig.  Die  Talbewohner  erklärten  sich  i.  J.  1655  auf  eigene  Hand  als 
unabhängiges  Reichstal,  und  es  wäre  fast  zu  offenen  Kämpfen  gekommen.  13  Jahre 
dauerte  der  Prozeß  beim  Kammergericht,  bis  dieses  den  Anspruch  auf  Reichsunmittel- 
barkeit abwies;  das  Tal  sollte  dem  Rat  von  Zell  als  seiner  Obrigkeit  in  Civil-  und 
Kriminalsachen  gehorsam  sein.  Der  Nordracher  Rat  aber  blieb  bestehen.1)  — Schon  im 
Mittelalter  wurde  hier  Erzbau  getrieben,  und  noch  1838  bestanden  einige  Stollen.  Eine 
»relicta  quondam  Wernheri  de  Nordera  1299,  ein  Johannes  Sneiter  von  Nordrach  1356« 
erwähnt. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Udalricum).  Schon  1289  hören  wir  von  ecclesia  vallis Kath. Pfarrkirche 
Norderahe,  in  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jhs.  von  Nordreich  ob  der  Kirchen,  im  Anfänge 
des  16.  Jhs.  von  »sant  Ulrich  in  der  Norderach«  ; doch  scheint  die  Seelsorge  von  Zell 
aus  besorgt  worden  zu  sein;  erst  1608  wurde  eine  eigene  Pfarrei  errichtet  und  Jakob 
Khuon  zum  Pfarrer  gemacht;  in  der  Folge  wechselten  Weltpriester  und  Mönche  von 
Gengenbach  ab.2)  1666  wird  von  der  parrochialis  ecclesia  berichtet.  Patronat  und 

Zehnt  besaß  das  Kloster  Gengenbach  (schon  1289). 

Der  heutige  Bau  stammt  aus  dem  18.  Jh.,  das  Langhaus  laut  Inschrift  an  der  Ecke 
von  1725.  Es  ist  durchaus  schlicht  und  zeigt  ein  rundbogiges  Portal  (älter?)  mit  Hohl- 
kehle und  Ansatz  zu  einem  kleinen  Volutenablauf.  Der  Turm  ist  1747  errichtet. 

Innenausstattung:  Hochaltar  im  üblichen  Säulen-  und  Volutenaufbau  mit  den  Innenausstattung 
Statuen  der  Heiligen  Ulrich  und  Sebastian  sowie  einem  Cremälde,  die  h.  Jungfrau  dar- 
stellend, etwa  aus  der  Mitte  des  18.  Jhs.  Entsprechend  und  aus  der  gleichen  Zeit  die 
zwei  Seitenaltäre  und  die  Kanzel.  Am  Triumphbogen  Kruzifix  des  18.  Jhs. ; an  einer 
der  Langhauswände  lebensgroße  Holzstatue  der  Madonna  mit  Kind  auf  einer  Stuck- 
konsole, gute  Durchschnittsarbeit  aus  der  Mitte  des  18.  Jhs. 

Kirchengeräte : Sonnenmonstranz,  zur  Zeit  meines  Besuches  nicht  zu  sehen;  Kelch,  Kirchengeräte 

P 

silbervergoldet,  mit  eingraviertem  Wappen  am  Fuß  und  j ^ . 

*)  Gothein  a.  a.  O.  S.  304/305. 

2)  Kolb  II,  S.  334- 


Band  VII. 


30 


456 


KREIS  OFFENBURG. 


Glocken 


Grabsteine 


Kruzifix 


Bildstöcke 


Kapelle 


Kirchengeräte 


Glocken : Große  Glocke  mit  den  Namen  der  Evangelisten,  auf  dem  Leib  Mutter- 
gottesbild, laut  Aufschrift  1595  von  Hans  Jakob  Müller  in  Straßburg  gegossen;  90  cm 
weit.  Mittlere:  gegossen  1728  von  Math.  Edel  in  Straßburg;  kleine:  gegossen  1794  von 
Meinrad  Grieninger.  Der  Glockenstuhl  von  1786.3) 

An  der  Außenseite  der  Kirche  Grabsteine : 

1.  HIER  LIGT 

BEGRABEN  DER 
EHRSAME  HER 

JOHANS  SIGWs 
ART  • GEWESTE 
GLASMEISTER 
GESTORBEN 
DEN  ZZ  AUGUST 
ANO  172+  GOT 

GEBE  IHM  DIE 
EWIGE  RUOH 
PACE 

einfacher  Sandstein ; 

2.  hübscher  Rocaillegrabstein  mit  Voluten,  Leuchter,  Sanduhr,  Kruzifix,  wohl  von 
demselben  Meister,  der  das  Epitaph  des  Abtes  Benedikt  in  Gengenbach  gearbeitet  hat; 
nach  der  Inschrift  Epitaph  des  Joh.  Georg  Spitzmüller  »des  Nordrachischen  Gerichts«, 
gest.  29.  April  1772,  seines  Alters  66  Jahr; 

3.  Grabstein  ohne  Inschrift  vom  Ende  des  18.  Jhs. ; 

4.  Grabstein,  schlicht,  mit  schmiedeeisernem  Kreuz. 

An  der  Südwand  der  Kirche  großes  Kruzifix,  sowohl  in  Auffassung  wie  Durch- 
führung gute  Arbeit,  gestiftet  von  Johannes  Käshammer,  Bürger  in  Straßburg,  gebürtig 
im  Schwarzen  Grund,  Auf  dem  Buchenwald  genannt,  Sohn  des  Clemens  Käshammer, 
ehemaliger  Vorgesetzter  im  Holzhack  - Reichsgotteshaus  gengenbachischer  Jurisdiktion, 
25.  September  1784. 

Verschiedene  hölzerne  und  steinerne  Bildstöcke  des  18.  Jhs.  im  Ort  und  Tal. 

FABRIK  NORDRACH 

Ehemals  Holzhack  genannt,  im  oberen  Tal,  zur  Abtei  Gengenbach  gehörig.  Abt 
Benedikt  Rischer  hatte  hier  mit  viel  Geschick  und  Energie  eine  Kobalt-  und  Fayence- 
fabrik gegründet,  im  sogen.  Dörrenbach,  die  zunächst  seine  finanziellen  Bedrängnisse 
vermehrt  hatte.  Als  er  aber  abgedankt  hatte  und  sich  hierher  zurückzog,  fing  das  Unter- 
nehmen an  zu  blühen  und  die  Anlagen  des  19.  Jhs.  knüpften  daran  an. 

Hier  eine  Kapelle  des  h.  Joh.  Nepomuk,  ein  schlichter,  einschiffiger  Bau  mit  der 
Jahreszahl  1776  am  Portal. 

Kirchengeräte:  Sonnenmonstranz,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Rocailleorna- 
menten,  verwischte  Zeichen;  Kelch,  silbergetrieben,  mit  Engelsköpfchen  am  Fuß  und 

3)  Ich  verdanke  diese  Notizen  der  freundlichen  Auskunft  des  Pfarramtes,  da  mir  der  Zugang 
zu  den  Glocken  nicht  möglich  war. 


AMT  OFFENBURG.  — OBERENTERSBACH.  OBERHARMERSBACH.  OFFENBURG. 


457 


aufgelegten  silbernem  Blattornament  an  der  Cuppa,  Augsburger  Zeichen,  zweite  Hälfte 
des  18.  Jh. ; aus  der  gleichen  Zeit  vier  silberne  Leuchter  auf  dem  Altar  sowie  vier  seiden- 
gewirkte Casein.  Holzstatue  der  Immaculata,  Zweidrittellebensgröße,  hübsche  Arbeit 
des  18.  Jhs. 


OBERENTERSBACH 

(siehe  UNTERE NTF. RS B AC H). 

OBERHARMERSBACH 

(siehe  UNTERHARMERSBACHj. 


Fig.  2jS.  Ansicht  von  Offenburg,  Holzschnitt  vom  Ende  des  15.  Jhs. 


OFFENBURG 

Schreibweisen:  Offinburc  ca.  1101;  castrum  Offinburc  1148;  Offenburc  1182; 
Uffunburg  1237  bis  1254;  Offenburg  1248;  opidum  1246;  oppidum  Argentinensis 
diöcesis  1367;  Offenburg  1330;  Offimburg  1365;  Offinborg  1388. 

Literatur.  Römisches:  C.  L.  Wielandt,  Beiträge  zur  ältesten  Gesch.  des  Land- 
strichs am  rechten  Rheinufer  von  Basel  bis  Carlsruhe,  Carlsr.  181 1,  S.  145  ff.  Zange- 
meister, Westd.  Zeitschr.  III,  S.  246  u.  257.  Römische  Straße  von  Offenburg  nach 
Achern,  Korrespondenzblatt  der  Westd.  Zeitschr.  VI,  S.  58.  Schädel,  Lanze,  Bronze- 
armband aus  einer  Grabstätte  der  Römerzeit,  gef.  bei  Offenburg,  Anzeiger  des  German. 
National-Museums  1894,  S.  71.  G.  Kai  bei,  Über  den  bei  O.  gefundenen  Stein  mit 
einer  angeblich  griech.  Inschrift,  Inscript.  Graecae  Sicil.  et  Ital.,  add.  graecis  Galliae  Hisp. 
Brit.  Germ,  inscriptionibus,  Berlin,  Reimer  1890,  S.  676.  Fr.  Weißgerber,  Erklär,  der 
Inschrift  einer  in  der  Gegend  von  O.  aufgefundenen  röm.  Meilensäule,  Gymn.-Progr., 
O.  1841.  E.  Fabricius,  Die  Besitznahme  Badens  durch  die  Römer,  Neujahrsblatt  der 
bad.  histor.  Kommission  1905. 

30* 


Holzstatue 


458 


KREIS  OFFENBURG. 


Zur  Geschichte  der  Stadt:  Histor. -topogr.  Beschreibung  von  O.,  mit  111.,  Offenb. 
Adreßkalender  1834.  J.  Bader,  Chronik  der  ehemal.  Reichsstadt  O.,  Badenia  II  (1840), 
S.  1 — 18.  Geograph.  Beschreibung  der  Landvogtey  Ortenau,  dann  von  den  drey 
Reichsstädten  O.,  Gengenbach  und  Zell  am  Harmerspach,  Karlsruhe  1795.  J.  De werth, 
Einleitung  zur  Gesch.  der  Stadt  O.  und  das  älteste  Siegel,  im  Adreßkalender  für  1863. 
Gothein,  Wirtschaftsgeschichte  des  Schvvarzwaldes,  S.  207  ft'.  F.  Mone,  Die  bild. 
Künste  im  Großh.  Baden,  Bd.  XIV,  Heft  1 u.  2.  J.  Näher,  Ortenau,  S.  55.  K.  Walter, 
Beiträge  zu  einer  Gesch.  der  Stadt  O.,  1.  Heft,  O.  1880.  Ders.,  Gesch.  der  Stadt  O., 
Ächter  Hebels  Rheinland.  Hausfreund  1882,  S.  97.  Ders.,  Kurzer  Abriß  der  Gesch.  der 
Reichsstadt  O.,  1896.  D’r  alt  Offeburger,  Zeitung,  herausg.  von  Geck  seit  1899. 

Kirchliches  (siehe  unten). 

Einzelnes:  A.  Birlinger,  Mitteilungen  aus  H.  Sanders  Reisetagebuch.  Wetter- 
läuten in  O.,  Alemannia  XIII,  S.  1 76.  L.  Dachen x,  Eine  Steuerrolle  der  Diöcese  Straß- 
burg für  das  Jahr  1464,  Str.  1897  ; dazu  FDA.  XXVI,  S.  329.  Einnahme  von  O.  am 
27.  Juni  1796  und  der  Rückzug  ins  Kinzigtal,  Bad.  Militär-Almanach  VII,  S.  74 — 81. 
Kleinbrodt,  Ein  Bericht  über  die  Vorgänge  in  O.  vom  1 1.  bis  15.  März  1804,  mitget. 
von  K.  Obser,  Adreßbuch  1899  und  Mitteil,  der  hist.  Komm.  XXI  (1899),  S.  57 — 65. 
J.  May,  Paul  Volz  von  O.  und  die  Annalen  von  Schlittern,  1898.  F.  J.  Mone,  Karl  IV. 
bestätigt  die  Rechte  und  Gewohnheiten  der  Stadt  O.,  Z.  12,  S.  333/34.  Ders.,  Zur 
Gesch.  des  Bettels,  Z.  19,  S.  159 — 163.  Ders.,  Die  Fastnacht  zu  O.  1483,  Z.  16, 
S.  264 — 267.  A.  Schulte,  Ein  Skizzenbuch  aus  dem  Unglücksjahr  1689,  Z.  NF.  4, 
S.  384 — 400.  Stadtrecht  zu  O.,  2.  Bd.  d.  neuen  bad.  Gesetzessamml.  1805,  S.  1 — 30; 
vgl.  Bad.  Bibliothek  I,  S.  7.  P.  Staudenmaier,  Die  ehemal.  Reichsstadt  O.  bei  ihrem 
Übergänge  an  Kurbaden  anno  1802,  Ortenauer  Bote  1880,  S.  216 — 220.  K.  Walter, 
Rathaus,  Pfalz,  Pfalzrecht  und  die  Laube  der  Stadt  O.,  1894.  Ders.,  Zum  200.  Gedenk- 
tag der  Zerstörung  der  Reichsstadt  O.  am  9.  Sept.  1689,  1889.  Ders.,  Die  Wahl  des 
letzten  Reichsschultheißen  und  die  letzte  Ämterbesetzung  zu  O.,  1891.  Ders.,  Vor  vier- 
hundert Jahren,  histor.  Beitrag  zum  Adreßbuch  der  Stadt  O.,  1881. 

Hexenprozesse:  Christi.  Einfältiger  Bericht  von  den  Exorcismis  und  Teufels- 
beschwörungen, so  dieses  verschiedene  1603  Jahr  zu  O.  fürgenommen  worden,  1603. 
A.  Birlinger,  Eine  Beschwerung  zu  Offenburg,  1603,  Alemannia  IX,  S.  252/53. 
H.  Schreiber,  Die  Hexenprozeß  zu  Freiburg,  O.  und  Bräunlingen,  Frbg.  Adreß- 
kalender 1836.  Fr.  Volk,  Die  Hexen  in  der  Ortenau  und  O.,  1882. 

Kunstdenkmäler:  F.  J.  Mone,  Die  bild.  Künste  etc.,  Bd.  XIV.  W.  Ltibke, 
Kunstwerke  und  Künstler,  S.  237 — -349.  Badische  Wandeningen I,  Offenburg.  Fr.  Baum- 
garten, Die  Denkmäler  des  Offenburger  Kirchplatzes,  1891.  Das  Kruzifix  bei  der 
ehemal.  Zuckerfabrik  in  O.,  Frbg.  Kath.  Kirchenblatt  1883,  Nr.  50.  K.  Walter,  Die 
Erbauung  des  Bezirksamtes  zu  O.,  früher  Königshof  genannt,  Separatabdr.  eines  Feuilletons 
des  Volksfreundes.  Ders.,  Das  Judenbad  zu  O.,  o.  J.  Ders.,  Bildhauer  Joh.  Nepomuk 
Speckert  in  O.,  Separatabdruck  a.  d.  Volksfreund.  Ders.,  Die  Bierbrauerei  zum  Kopf, 
Separatabdruck  a.  d.  Volksfreund.  Ders.,  Das  Gasthaus  zur  Sonne  in  O..  Separatabdruck 
a.  d.  Volksfreund. 

Pläne  Plane  und  Ansichten:  Ansicht  der  Stadt,  Holzschnitt,  dessen  Herkunft  ich 

und  Ansichten  Y1#vv  .1Trr 

nicht  feststellen  konnte.  Münster,  Cosmographia  S.  CCnjjU-  Ansicht,  Kupfer- 
stich  von  Merian,  Topographia  Sueviae,  Frankfurt  1643  (s.  Fig.  259).  Ders., 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


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Plan  der  »Stadt,  Kupferstich,  Frankf.  1650  (nach  Kienitz-Wagner  wohl  identisch  mit 
citierter  Ansicht,  von  denselben  Maßen).  Plan  der  Befestigungen  und  Schanzen  der 
Reichsstadt  O.  zur  Zeit  des  3ojähr.  Krieges,  1645.  Federzeichnung,  publiziert  von 
K.  Walter.  Ansicht  der  »Stadt,  Kupferstich  von  Werner,  ca.  1700.  Ansicht 
von  O.,  gezeichn.  von  F ollen weider,  geätzt  von  Nilson  in  Sepia  (1835).  Ansicht, 

Stahlstich  von  E.  Wagner  nach  Zeichnung  von  K.  Corradi. 

Als  die  römische  Politik  unter  Vespasian  von  der  bis  dahin  geübten  ängstlichen  Stadtgeschichte 
Zurückhaltung  an  der  Grenze  des  Reichs  gegen  die  Germanen  zu  einem  energischen 
Vorwärtsstreben  übergegangen  war,  dokumentierte  sich  dies  sofort  in  einem  Feldzug,  den 
Rom  in  dem  rechtsrheinischen  Gebiet  unternahm.  Noch  während  des  Krieges  ließ  der 
damalige  Befehlshaber  des  römischen  Heeres,  Cn.  Pinarius  Cornelius  Clemens,  »eine 
Militärstraße  von  »Straßburg  aus  über  den  Rhein,  durch  das  Kinzigtal  und  über  den 
Schwarzwald  hinweg  bis  nach  der  Donau  erbauen.  Ein  Meilenstein  dieser  Straße,  auf 
dem  neben  den  Namen  Vespasians  und  seiner  Söhne  Cornelius  Clemens  selber  sich 
nennt,  ist  bei  Offenburg  gefunden  worden  am  Ausgang  der  Stadt  gegen  Gengenbach«.1) 

Des  weiteren  fand  sich  hier  der  Grabstein  eines  während  seiner  Dienstzeit  gestorbenen 
Centurionen  der  I.  Thrakischen  Kohorte  in  der  Kinzig  (s.  unten),  außerdem  ein  großes 
korinthisches  Kapitell  in  der  Mitte  der  heutigen  Stadt  bei  Blechnermeister  Pfitzmaier, 
der  Sandsteintorso  eines  Soldaten  in  der  Stadtmauer,  25  römische  Tonscherben  in  der 
Mitte  der  Kornstraße  vom  Rathaus  zum  Vincentiushaus  etc.  Unter  Trajan  wurde  dann 
mit  dem  Ausbau  des  inneren  Straßennetzes  begonnen  und  etwa  um  100  n.  Chr.  die 
Bergstraße  Mainz-Bühl  bis  Augusta  Raurica  angelegt,  die  sich  bei  Offenburg  mit  der 
Kinzigtalstraße  kreuzte.  Es  ist  nun  wichtig,  daß  alle  die  genannten  Funde  in  der  Mitte 
der  Stadt  oder  mehr  in  ihren  südlichen  Teilen  gemacht  wurden,  denn  es  scheint  danach, 
daß  die  römische  Niederlassung  — man  nimmt  mit  Sicherheit  hier  ein  Kastell  an  — 
an  der  Stelle  des  heutigen  Offenburg  lag  und  nicht  etwa  da,  wo  wir  das  früher  in  der 
Geschichte  erscheinende  Kinzigdorf  zu  suchen  haben.  Auch  in  alemannischer  Zeit  war 
die  Stelle  besiedelt,  worauf  die  untenverzeichneten  Funde  deuten. 

Dann  aber  hören  wir  bis  in  das  12.  Jh.  nichts  mehr  von  der  Stadt,  dagegen  von 
dem  mit  ihr  in  der  späteren  Geschichte  nicht  identischen  Kinzigdorf.  926  wird  dasselbe 
genannt:  in  oppido  quod  dicitur  Chincihdorf;  1070  comitatus  Chinzihdorff  et  Otenheim; 
in  Mortunagia  Kinsdorf  1139;  villa  Kinzedorf  1289;  extra  oppidum  zu  Kintzichdorf  1436; 
in  der  stat  Offemburg  pau  zu  Kyntzigdorff  nahent  bey  der  stat  porthen  1504;  Kintzdorff 
und  Uffhoven  1551.  Dieser  Ort  lag  da,  wo  jetzt  außerhalb  der  Stadt  das  städtische 
Krankenhaus  sich  befindet,  und  dehnte  sich  bis  gegen  die  sogen.  Judenbrücke,  rückwärts 
auf  dem  Besitztume  des  Herrn  Pfähler  sen.  und  gegen  die  jetzige  Stadt  aus,2)  also  etwa 
beim  heutigen  Bahnhof  und  dem  großen  Pfählerschen  Garten.  Nach  ihm  und  Ottenheim 
wird,  wie  wir  gesehen  haben,  im  11.  Jh.  eine  Grafschaft  genannt,  deren  alte  Dingstätte, 
er  war.  Mit  dem  daneben  liegenden  Uffhoven  bildete  er  den  Mittelpunkt  der  ältesten 
Markgenossenschaft,  in  der  die  Stadt  entstanden  ist.  — Das  Kloster  Gengenbach  war 
hier  begütert,  1242  hören  wir  von  einem  Hof  desselben,  im  16.  Jh.  (1563  und  1564) 
von  dem  Freyhof  »des  gotzhauses  Gengenpach«.  Auch  das  Hochstift  Straßburg  besaß 
einen  Teil  des  Orts,  wohl  infolge  seiner  Pfandschaft  Ortenau.  Denn  das  ganze  Mittelalter 


1)  Fabricius  a.  a.  O.  S.  37. 

2)  Adreßkalender  1883,  S.  4. 


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hindurch  gehörte  Kinzigdorf  zu  dieser,  trotz  engster  Wirtschaftsgemeinschaft  mit  Offen- 
burg.  Erst  im  16.  Jh.  erkaufte  dieses  die  Obrigkeit  darüber  stückweise,  und  erst  seitdem 
ist  das  Dorf  mit  der  Stadt  allmählich  verschmolzen.1) 

Von  dem  daneben  gelegenen  Flecken  Uffhoven  hören  wir  erst  1289;  es  lag  vor 
dem  Einziger  Tor  und  bestand  1588  nur  noch  aus  einem  Schlößchen  und  fünf  Häusern; 
auch  es  wurde  um  diese  Zeit  von  der  Stadt  käuflich  erworben. 

»Das  erste  Mal,  daß  die  genannte  Grafschaft  erwähnt  wird,  erscheint  sie  im  Besitz 
der  Zähringer  Herzoge;  und  es  ist  kaum  zweifelhaft,  daß  sie  bis  zum  Aussterben  der 
Linie  bei  ihnen  geblieben  sei.  Als  ihre  Burg  wird  zuerst  im  Rotulus  S.  Petrinus  das 
Castrum  Offenburg  genannt,  das  in  unmittelbarer  Nähe  der  alten  Dingstätte  Kinzigdorf 
gelegen  war.  Aus  dieser  Burg  ist  alsdann  — wir  können  nicht  zweifeln,  in  gleicher 
Weise  wie  die  anderen  zähringischen  Gründungen  am  Oberrhein  und  der  Schweiz  — 
die  gleichbenannte  Stadt  erwachsen,  welche  in  Freiburg  ihren  Oberhof  sah.«2)  Die 
Beweggründe  für  die  Anlage  der  Burg  gerade  hier  sind  klar.  Sahen  wir  doch,  daß 
die  Stelle  zu  Römerzeiten  der  Kreuzungspunkt  der  wichtigen  Kinzigtalstraße  Straßburg- 
Rottweil  und  der  Bergstraße  Mainz-Bühl-Badenweiler  etc.  war  und  das  auch  jedenfalls 
im  Mittelalter,  wo  die  Straßen  weiter  benutzt  wurden,  geblieben  ist.  Da  war  denn  die 
Anlage  einer  Befestigung  ganz  selbstverständlich  — möglicherweise  mit  Benutzung  stehen- 
gebliebener Mauern  des  römischen  Castrums.  Wie  sich  dann  allmählich  der  Ort  an  der 
so  geschützten  Hauptstraße  entlang  anbaute,  ist  noch  heute  aus  dem  Plan  der  Stadt 
ersichtlich.  Man  wird  annehmen  dürfen,  daß  dieses  Schloß  und  dieser  Ort  als  ältere 
Gründung  auf  freiem  Reichsterritorium  lagen,  und  daher  auch  die  spätere  Zugehörigkeit 
der  Stadt  zum  Reich  erklären  können. 

Sehr  bald  werden  die  Zähringer  dem  sich  wohl  rasch  entwickelnden  Orte  Markt- 
recht verliehen  haben,  und  bei  der  günstigen  Lage  mag  darauf  ein  neuer  Aufschwung 
gefolgt  sein.  Wann  er  das  Münzrecht  erhielt,  das  der  König  verlieh,  vermögen  wir 
nicht  bestimmt  zu  sagen,  vielleicht  erst  unter  Kaiser  Friedrich  II. 

Nach  dem  Aussterben  der  Herzogslinie  nämlich  zog  der  Kaiser  das  erledigte  Lehen 
an  sich  und  es  erhob  sich  darüber  ein  Streit  zwischen  ihm  und  dem  Bistum  Straßburg,  der 
damit  endete,  daß  der  Bischof  1223  und  1236  auf  die  Stadt  verzichtete  und  nur  Patronat 
und  Zehnt  behielt.  Die  folgenden  Streitigkeiten  aber  zwischen  dem  Kaiser  und  dem  Papst 
benutzte  der  Bischof,  damals  Heinrich  von  Stahleck,  die  Ortenau  wieder  an  sich  zu 
bringen : er  eroberte  1247  außer  Ortenberg  und  Gengenbach  auch  Offenburg,  das  nun 
während  des  ganzen  Interregnums  bei  Straßburg  blieb.  Zwar  erhoben  auch  die  Erben  der 
Zähringer,  die  Grafen  von  Freiburg,  Anspruch  auf  Offenburg  mit  der  ganzen  Ortenau, 
dieselben  wurden  ihnen  auch  von  Heinrich  VII.  zugestanden  und  von  Innocenz  IV.  1248 
bestätigt,  doch  verzichtet  1250  Graf  Heinrich  von  Fürstenberg  auf  diese  sehr  zweifel- 
haften Erbansprüche  zugunsten  des  Bistums. 

Offenburg,  das  nach  dem  Ende  der  Zähringer  unbestritten  Reichsstadt  geworden 
war,  blieb  bis  auf  König  Rudolf  I.  bei  dem  Bistum ; dieser  brachte  es  endlich  wieder  an 
das  Reich.  Schon  er  verpfändete  aber  1289  4 Mark  aus  der  Reichssteuer  an  Götze 
und  Hugo  Sturm  von  Straßburg,  welche  Verpfandung  durch  die  nachfolgenden  Kaiser 


x)  Gothein  a.  a.  O.  S.  216. 

2)  Gothein  a.  a.  O.  S.  208  u.  209. 


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Adolf,  Albrecht,  Heinrich  VII.  1326,  Ludwig  den  Bayern  1331  und  Karl  IV.  bestätigt 
wurde.  Doch  ging  es  dabei  nicht  ohne  Streit  her,  und  so  ergingen  in  der  Angelegen- 
heit 1313  und  1314  verschiedene  Schiedssprüche,  erst  1326  vermittelten  definitiv  Bischof 
Johann  von  Straßburg,  Markgraf  Rudolf  von  Baden  als  Landgraf  in  der  Ortenau  und 
Otto  von  Ochsenstein  als  Landgraf  im  Elsaß  auf  die  Berufung  König  Friedrichs  des 
Schönen  die  Sühne  der  Städte  Straßburg  und  Offenburg  über  diese  und  verschiedene 
andere  Streitigkeiten. 

Abgesehen  von  diesem  verpfändeten  Teil  der  Reichssteuer  aber  blieb  die  Land- 
vogtei zunächst  beim  Reiche,  eine  für  die  Entwickelung  der  Privilegien  und 
Gerechtsame  der  Städte  Offenburg,  Gengenbach  und  Zell  höchst  günstige  Zeit;  sie 
standen  deshalb  auch  zu  König  Adolf,  der  verschiedentlich  in  der  Gegend  weilte,  so 
1293  in  Ortenberg  und  vom  8.  bis  15.  Dezember  in  Offenburg,  und  der  die  schweren 
Kämpfe  mit  der  Gegenpartei  zum  Teil  auf  diesem  Boden  auszufechten  hatte;  so  stand 
er  1298  bei  Kenzingen  Albrecht  von  Habsburg  gegenüber,  mußte  sich  aber  bis  Offen- 
burg und  weiter  bis  Steinbach  zurückziehen.  — In  den  folgenden  wirren  Zeiten  bewährte 
sich  die  Freiheit  der  Städte.  Zweimal,  als  der  Thron  leer  stand,  wählten  sie  sich  auf 
eigene  Hand  einen  Pfleger,  1308  in  Otto  von  Ochsenstein  und  1313  in  dem  Ritter  von 
Murhard;  alle  Fürsten  und  Herren  im  Umkreis  verbürgten  sich  für  die  Sicherheit  des 
Vertrages,  den  diese  mit  den  Städten  eingingen.  1331  erkannte  Ludwig  der  Bayer  aus- 
drücklich das  Recht  der  Städte  an,  sich  selber  einen  Vogt  zu  wählen,  wenn  der  Thron 
leer  stände.  Die  schöne  Zeit  des  unmittelbaren  Verhältnisses  zum  Reiche  war  aber  bald 
vorüber,  mit  dem  14.  Jh.  begannen  die  großen  und  andauernden  Verpfändungen. 
Friedrich  der  Schöne  versetzte  die  Landvogtei  mit  ihren  Einkünften  1321  dem  Mark- 
grafen Rudolf  von  Baden,  1351  erhielt  das  Bistum  Straßburg  von  Karl  IV.  die  Erlaubnis, 
sie  von  jenem  zu  lösen,  1356  das  gleiche  Anrecht  auch  der  Pfalzgraf;  aber  erst  1405 
löste  Kaiser  Ruprecht  die  Hälfte  der  Berechtigungen  für  die  Kurpfalz  ein ; er  weilte  da- 
mals auch  in  der  Stadt,  die  nun,  wie  die  ganze  Landvogtei  und  ihre  Schwesterstädte, 
zwei  Pfandherren  besaß. 

Sie  muß  im  13.  und  14.  Jh.  ein  immerhin  stattliches  Wachstum  zu  verzeichnen 
gehabt  haben.  1282  hören  wir  von  dem  ersten  Priester,  1223  von  der  Kirche,  die  wohl 
damals  schon  in  Stein  erbaut  war.  Es  war  aber  kaum  der  Bau,  der  bis  zur  fran- 
zösischen Zerstörung  stand,  denn  wir  hören  von  einem  gerühmten  gotischen  Turm,  es 
hat  also  im  späteren  Mittelalter  ein  Neubau  stattgefunden.  1280  luden  der  Schultheiß 
und  die  Gemeinde  die  Franziskaner  der  Mainzer  Provinz  zur  Niederlassung  ein,  denen 
man  hauptsächlich  den  höheren  Unterricht  anvertraute,  ihr  Klosterbau  wird  sich  damals 
erhoben  haben.  Früher  schon,  1246,  hatten  Dominikanerinnen  hier  ein  Kloster  gegründet. 
Der  Anfang  des  14.  Jhs.  brachte  dann  die  wohltätige  Errichtung  des  Spitals,  das  1306 
aus  den  Mitteln  der  Bürgerschaft  erbaut  wurde.  Auch  Beghinen  hatten  ihre  Nieder- 
lassung hier  schon  seit  1307,  und  sie  müssen  ein  stattliches  Gebäude  errichtet  haben, 
denn  1401  hören  wir  von  dem  »großen  gotzhus  zu  Offenburg«.  Die  Schule  wurde 
teils  von  den  Franziskanern,  teils  von  Laienlehrern  besorgt.  Ein  Rathaus  stand  sicher 
längst,  wenn  auch  erst  1426  von  einem  Bau,  also  einem  Neubau,  berichtet  wird,  und  die 
Befestigungen  werden  wir  uns  ungefähr  in  der  Ausdehnung  des  inneren  Ringes  in  der 


1)  Walter,  Kurzer  Abriß,  S.  6. 


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Zeit  des  Dreißjährigen  Krieges  zu  denken  haben.  Noch  standen  die  Häuser  nicht 
gedrängt  aneinander,  wie  in  allen  Städten  erstreckten  sich  hinter  ihnen  Gärten  und  Felder. 
Von  der  Burg  hören  wir  um  diese  Zeit  nichts  mehr,  und  keine  Spur  weist  darauf  hin, 
wo  sie  einst  gestanden. 

Das  13.  und  14.  Jh.  sah  aber  auch  die  Ausbildung  der  Verfassung  der  Stadt. 
Seit  dem  Übergänge  der  Stadt  Offenburg  an  das  Reich  stand  an  der  Spitze  des  Stadt- 
gerichtes der  Reichsschultheiß.  1233  erscheint  schon  ein  scultetus  de  Offenburg.  Er  ward 
von  den  Vertretern  der  Reichsgewalt  ernannt;  seitdem  der  Zwölferrat  bestand,  auf  dessen 
Vorschlag  hin  aus  den  Zwölfern  des  Alten  Rates.1)  Die  Ausbildung  des  letzteren  muß  in 
das  Ende  des  13.  Jhs.  fallen;  »1280  werden  die  Franziskaner  nur  von  Rat  und  Gemeinde 
berufen,  1293  dagegen  geben  Schultheiß,  Rat  und  Bürgergemeine  gemeinsam  die  Wald- 
ordnung. Die  Mitglieder  des  Rates  werden  in  dieser  Urkunde  weiterhin  als  die  Zwölfer 
bezeichnet,  für  die  Gemeinde  unterzeichnen  13  benannte  Bürger,  offenbar  dieselben, 
welche  schon  wenige  Jahre  später  als  Junger  Rat  erscheinen.  Die  dauernde  Einsetzung 
eines  solchen  erweiterten  Rates  hat  in  Offenburg  im  ersten  Jahrzehnt  des  14.  Jhs.  statt- 
gefunden, zugleich  trat  neben  den  Schultheißen  als  Vorsitzender  des  Rates  in  Ver- 
waltungsangelegenheiten der  Bürgermeister.«  Die  Folge  dieser  Ratsentwickelung  war,  daß 
der  Alte  Rat  sich  immer  mehr  auf  die  Rechtsprechung  zurückzog ; vor  allem  hatte  er  in 
Streitigkeiten  zu  erkennen,  was  der  Stadt  Freiheit  sei,  und  der  Träger  der  öffentlichen 
Gewalt  hat  sich  jeweils  seinem  Weistum  zu  fügen.  »Sein  Ausspruch  über  öffentliches  Recht 
ist  also  bindend,  wie  es  im  privaten  Recht  der  Fall  ist,  und  hier  wie  dort  ist  es  seine 
Aufgabe,  nicht  sowohl  neues  Recht  zu  schaffen,  als  vielmehr  altes,  aber  streitiges  und 
verletztes  zu  weisen.«  1347  bestätigte  Karl  IV.  dem  Rat  und  den  Bürgern  zu  Ofifen- 
burg  ausdrücklich  dieses  Recht,  und  »alle  seine  Nachfolger  haben  sämtlichen  drei  Städten 
dies  Vorrecht  bestätigt,  das  ihnen  andere  geschriebene  Privilegien  nahezu  unnötig  machte«. 

Solcher  Zwölfersprüche  sind  zahlreiche,  insbesondere  aus  Ofifenburg,  überliefert. 
Glaubte  man  das  Recht  der  Stadt  gekränkt,  so  wandte  sich  der  Junge  Rat  an  den 
Alten  um  einen  Rechtsspruch,  der  dann  zur  Beachtung  dem,  der  den  Eingriff  begangen, 
mitgeteilt  wurde.  Das  Verhältnis  der  beiden  Räte  zueinander  dürfte  in  Offenburg  ähn- 
lich gewesen  sein  wie  in  Gengenbach,  wonach  die  Zwölfer  das  Recht  hatten,  sich  selber 
zu  ergänzen,  sei  es  aus  dem  Jungen  Rat,  sei  es  aus  der  Bürgerschaft.  Gegen  das  Reich 
und  die  Pfandherren  hatten  sie  nur  die  Verpflichtung,  ihnen  die  Gerichtsfälle  ein- 
zusammeln. Sie  hatten  in  der  Stadt  freien  Sitz,  waren  völlig  steuerfrei  und  bildeten  so 
eine  geschlossene  bevorrechtete  Korporation,  die  fest  zusammenhielt. 

So  waren  bis  zum  Anfänge  des  14.  Jhs.  die  Grundlagen  der  Verfassung  der  drei 
Reichsstädte  gelegt,  und  als  die  Verpfändungen  eintraten,  da  übernahmen  die  Pfand- 
herren die  gleichen  Verpflichtungen  wie  die  Vögte,  die  Anerkennung  der  Zwölfersprüche, 
die  Wahrung  der  völlig  unabhängigen  Gerichtsbarkeit  der  Städte,  die  Beschirmung  des 
Leibes  und  des  Gutes  der  Bürger  u.  a.  m.  Als  einzige  Gegenleistung  beziehen  sie  die 
Reichssteuern,  auch  setzen  sie  den  Schultheiß  ein.  Einen  entsprechenden  Eid  leistete 
z.  B.  1351  der  Bischof  Bernhard  von  Straßburg.  Trotzdem  versuchte  das  Bistum 
begreiflicherweise  seine  Macht  auszudehnen,  es  erlangte  1358  ein  Privileg  des  Kaisers, 
daß  alle  Pfandstädte  außer  dem  Reichshofgericht  nur  dem  Gericht  des  Bischofs  unter- 


*)  Gothein  a.  a.  O.  S.  217,  wie  auch,  teilweise  wörtlich,  für  das  Folgende. 


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stehen  sollten ; ich  habe  in  der  Geschichte  der  Stadt  Gengenbach  gezeigt,  wie  nur  mit 
Hilfe  des  Abtes  Lambert  de  Burn  diese  gefährliche  Bestimmung  beseitigt  und  das  Ver- 
hältnis zwischen  Pfandherren  und  Städten  endgültig  festgestellt,  das  alte  Recht  der 
Zwölfer,  zu  sagen,  was  der  Stadt  Freiheit,  anerkannt,  die  freie  Gerichtsbarkeit  festgelegt 
wurde,  nur  dem  Reichshofgericht  sollen  sie  außerdem  Rede  stehen.  Niemand  durfte 
sie  auch  für  Forderungen  an  die  Pfandherren  haftbar  machen. 

In  dieser  hochwichtigen  Urkunde  sahen  die  Bürger  mit  Recht  die  Grundlage  ihrer 
Reichsfreiheit,  und  sie  vereinigten  sich  zusammen  über  die  Auslegung  ihrer  Ver- 
pflichtungen, vor  allem  zu  Kriegszeiten.  In  Fehden  ihrer  Pfandherrn  waren  sie  zu 
keiner  Hilfeleistung  verpflichtet,  wohl  aber  dazu,  gegen  Barzahlung  seinen  Truppen  den 
Zutritt  zu  gestatten,  und  so  nahm  Offenburg  noch  1428  eine  Besatzung  des  Bischofs 
auf.  Bald  jedoch  gelang  es,  auf  Grund  des  doppelten  Pfandschaftsverhältnisses,  völlige 
Neutralität  zu  erreichen. 

Außerordentlich  rege  wehrten  sich  die  Zwölferkollegien  gegen  Eingriffe  der  Pfand- 
herren, und  zwar  mit  gutem  Erfolg,  in  Offenburg  insbesondere  gegen  Eingriffe  in  die 
Allmende  oder  eine  Beschränkung  der  städtischen  Rechte  in  Kinzigdorf. 

Und  so  wurden  während  der  kommenden  Jahrhunderte  die  envorbenen  Rechte  im 
allgemeinen  gewahrt.  Dagegen  bedurfte  es  noch  gründlicher  Auseinandersetzung 
mit  dem  Abte  von  Gengenbach,  um  das  Verhältnis  erträglich  zu  machen.  Zwar 
waren  diese  Kämpfe  naturgemäß  in  Offenburg  nicht  so  heftig  wie  in  Gengenbach,  da  die 
Rechte  des  Abtes  geringer  waren,  aber  da  überall  in  der  nächsten  Umgegend  der  Stadt 
die  Leute  des  Abtes  saßen  und  Offenburg  um  diese  Zeit  in  kleinem  Maße,  wie  Straßburg 
im  großen,  eine  lebhafte  Ausbürgerpolitik  verfolgte,  Leibeigene  in  seinen  Mauern  aufnahm 
und  die  Nutzungsrechte  des  Klosters  am  Gotteshauswalde  ebenso  wie  den  Anspruch, 
auch  hier  Weinbänne  zu  legen  und  zollfrei  zu  handeln,  bestritt,  so  mußte  es  zum  Konflikte 
kommen.  In  den  Privilegien,  die  Ludwig  der  Bayer  1331  dem  Kloster  erteilte,  ward 
demgegenüber  die  Gebundenheit  des  Landvolkes,  die  Obrigkeit  des  Klosters  mit  aller 
Schärfe  betont,  die  unbedingte  grundherrliche  Gewalt  des  Klosters  in  seinem  Bezirk 
anerkannt.  Verschärft  wurden  insbesondere  die  Bestimmungen  über  die  Leibeigen- 
schaft: »Wo  der  Leibeigene  auch  sitzen  mag,  namentlich  aber  in  der  Stadt  Ofifenburg, 
soll  er  doch  dem  Kloster  vom  Leibe  fallbar  bleiben.  Dazu  wird  diesem  auch  das  Recht 
der  schlechteren  Hand  jetzt  erst  ausdrücklich  eingeräumt.  Wo  Ungenossen  einander 
freien,  Mann  oder  Frau,  da  zieht  der  Abt  ohne  weiteres  zwei  Drittel  ihrer  gesamten 
Habe  ein.«1)  Die  Fallpflichtigkeit  derer,  die  auf  Klostergut  sitzen,  aber  ward  mit  der 
Spitzfindigkeit  ausgelegt,  wie  wir  es  in  der  Geschichte  von  Gengenbach  geschildert 
haben.  Diese  ohne  irgendwelche  Prüfung  auf  Vorlage  des  Abtes  hin  ausgefertigte  Ur- 
kunde war  also  ausdrücklich  gegen  die  Städte  gerichtet,  über  ihre  Gewohnheiten  sollten 
die  Rechte  des  Abtes  gehen,  Königsprivileg  und  Volksweistum  gingen  auseinander.  Es 
war  klar,  daß  eine  gerade  damals  so  kräftig  vorwärtsstrebende  Stadt  wie  Offenburg  sich 
derartiges  nicht  gefallen  lassen  konnte.  Schon  vor  jener  Privilegienverschärfung  hatte 
der  Kaiser  1330  die  Markgrafen  von  Baden  als  derzeitige  Landvögte  angewiesen,  das 
Kloster  gegen  seine  Bedränger,  namentlich  gegen  Offenburg,  zu  schützen;  i.  J.  1337 
richtete  er  noch  einmal  den  Befehl  an  Offenburg,  sich  wegen  der  Fälle  etc.  mit  dem  Kloster 


*)  Gothein  a.  a.  O.  S.  237. 


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auseinanderzusetzen.  Die  Stadt  gehorchte  nicht  und  gab  ebensowenig  nach,  als  der  dann 
eröffnete  Prozeß  auf  dem  Gerichtstag  zu  Hagenau  zu  ihren  Ungunsten  entschieden  war. 
Und  sie  erreichte  ihr  Ziel.  1343  mußte  sich  das  Kloster  unter  Vermittelung  des  Bischofs 
von  Straßburg  zu  einem  Vergleich  bequemen,  »wonach  es  auf  alle  Leibfälle  und  alle 
Rechte,  die  zu  den  Fällen  gehören,  der  Bürger  und  aller,  die  in  der  Stadt  und  Ring- 
mauer seßhaft  seien  und  Heimweise  dort  haben  oder  noch  gewinnen,  für  ewige  Zeiten 
verzichtet.  Auch  wenn  ein  Einwohner,  der  Gotteshausmann  ist,  um  der  Stadt  Besserung 
wegen  ausgeboten  würde  und  draußen  stürbe,  solle  es  gelten,  als  ob  er  in  der  Stadt 
gestorben  sei.  Dagegen  verzichtete  auch  die  Stadt  auf  die  Fallfreiheit  ihrer  Ausbürger. 
Diese  selber  behielt  sie  aber  ungekränkt«.1 2)  Zugleich  vertrug  man  sich  auch  mit  dem 
Bischof  über  die  Ausbürger  der  Stadt,  die  unter  seiner  Vogtei  standen. 

Mit  diesen  Erfolgen  nach  außen  ging  zusammen  eine  starke  demokratische  Strömung 
im  Innern.  Diese  wuchs  immer  mehr  und  erreichte  schließlich  eine  entprechende  Stadt- 
verfassung, welche  die  Markgrafen  Rudolf  und  Friedrich  als  derzeitige  Landvögte  der 
Stadt  erteilten.-)  »Diese  hießen  und  geboten,  dem  Schultheißen  und  den  Bürgern  einen 
Bürgermeister  zu  setzen  und  24  Gekieste,  auch  haben  sie  der  Stadt  und  der  Bürgerschaft 
die  Gnade  getan,  daß  sie  die  Meisterschaft,  den  Neuen  Rat  und  auch  die  Zunft,  die  sie 
gesetzt  haben  wollen,  bleibend  anerkennen  von  S.  Martins-Tag  über  fünf  Jahre. 

Die  Zünfte  wählen  die  24  des  Rats,  der  sich  teilt  in  die  Zwölfer  des  Alten  Rats 
und  die  Zwölfer  des  Neuen  Rats;  die  Zwölfer  des  Neuen  Rats  werden  aus  den  zehn 
Zünften  auf  deren  Vorschlag  vom  ganzen  Rate  gewählt;  der  Schultheiß  wird  von  den 
Zwölfem  des  Alten  Rats  gewählt,  vom  Jungen  Rat  bestätigt  und  vom  Kaiser  konfirmiert. 
Diese  Konfirmation  mußte  innerhalb  einer  Monatsfrist  nach  der  Insinuation  geschehen. 
Kommt  diese  Konfirmation  in  dieser  Zeit  nicht  ein,  so  gilt  der  Gewählte  als  bestätigt. 
Schultheiß  und  Rat  sind  auf  Lebensdauer  gewählt. 

Das  Meisterschaftsrecht  besteht  in  Setzung  der  Stettmeister,  deren  es  vier  waren, 
zwei  des  Alten  und  zwei  des  Jungen  Rats;  sie  werden  alljährlich  auf  ein  Jahr  gewählt.« 
Ob  der  Zünfte,  die  damit  die  Herrschaft  erlangten,  schon  damals  zehn  waren,  vermag 
ich  nicht  zu  sagen.  Ihre  Einteilung  wird  wohl  einigermaßen  der  späteren  ähnlich 
gewesen  sein,  in  der  die  erste  Zunft,  die  »Konstaffler  oder  adelige  Gesellschaft«,  den 
Stadtrat,  die  Gelehrten,  Künstler  und  die  Bürger  \on  Rang,  welche  keine  Profession 
treiben,  in  sich  begriff,  dann  folgten  die  Schmiede-,  Schuster-,  Bäcker-,  Kärrcher-,  Fischer-, 
Reb-,  Schneider-,  Weber-  und  Metzgerzunft.  Nach  einer  Chronik  des  18.  Jhs.  hatte  jede 
derselben  einen  Ratsherrn  zum  Obmann  (eben  das  von  ihnen  gewählte  Mitglied  des 
Jungen  Rats)  und  einen  Zunftmeister,  »welcher  von  den  zunftgenossenen  Bürgern  erwählt 
wird.  Jeder  Zunftmeister  bleibt  ein  Jahr  im  Amte  und  richtet  mit  seinem  Zunftrat,  die 
Acht  genannt,  alle  Schwierigkeiten  der  Zunft«.3)  Auch  das  dürfen  wir  uns  wohl  einiger- 
maßen in  den  früheren  Zeiten  ähnlich  denken. 

Der  Stadtschultheiß  handhabte  mit  den  Zwölfern  das  Gericht  und  verwaltete  mit 
ihnen  die  Forsten,  was  wohl  damit  zusammenhing,  daß  sie  von  alters  her  als  Verwalter 
des  Reichsgutes  galten;  die  übrige  Verwaltung  lag  in  den  Händen  des  Jungen  Rats, 
während  die  vier  Stettmeister  die  laufenden  Geschäfte  besorgten. 


*)  Gothein  a.  a.  O.  S.  239. 

2)  Walter,  Kurzer  Abriß,  S.  8. 

8)  Badenia  II  (1840),  S.  17. 


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Nicht  so  ohne  weiteres  glatt  und  ohne  schwere  Erschütterungen  aber  hat  sich  diese 
Verfassung  durchgesetzt,  und  es  scheint  erst  in  den  letzten  Jahrzehnten  des  14.  Jhs. 
einigermaßen  Ruhe  eingetreten  zu  sein,  etwa  mit  dem  großen  Schwörbrief  vom  Freitag 
nach  der  großen  Fastnacht  1384.  »In  diesem  tut  die  Gemeinde  kund,  daß  sie  zu  der 
Stadt  Ehre,  Nutz  und  Frieden  geschworen  habe,  gehorsam  zu  sein  Schultheiß,  Meister 
und  Rat  und  allen  ihren  gegenwärtigen  und  zukünftigen  einhelligen  oder  Mehrheits- 
beschlüssen — so  wollte  sie  auch  auf  Ratsschluß  zu  jedem  Auszug  zu  der  Stadt  Besserung, 
für  wen  er  auch  geschehe,  bereit  sein.  Dagegen  darf  kein  Einwohner  oder  Dienstknecht 
zu  Offenburg,  der  unter  der  Obrigkeit  des  Rates  steht,  ohne  Erlaubnis  des  Schultheißen 
oder  Stettmeisters  in  fremde  Kriegsdienste  treten.  Eine  Sturmordnung  für  die  Bürger 
wird  dahin  lautend  erlassen,  daß  jeder  auf  das  Glockenzeichen  sofort  in  Harnisch  und 
Wehr  vor  das  Rathaus  kommen,  die,  welche  auf  die  Mauern  und  Türme  geordnet, 
dorthin  eilen  sollen.  Werden  sie  aber  von  Schultheiß  und  Stettmeister  entlassen,  so 
geht  jeder  zunächst  nach  seiner  Zunftstube,  um  sich  dort  den  Zunftmeistern  zu  erzeigen. 
Wer  das  16.  Jahr  überschritten  hat,  muß  auch  diesen  Eid  schwören,  von  dem  nur  das 
Aufgeben  des  Bürgerrechts  entbindet,  und  alljährlich  wird  der  Schwur  wiederholt.«  :) 

Dieser  Schwur,  der  nur  notwendig  sein  konnte,  wenn  die  alten  Verfassungsbestim- 
mungen durch  neue,  erst  nach  Kämpfen  anerkannte  ersetzt  waren,  zeigt  uns  zugleich, 
wie  alles  mehr  oder  minder  auf  die  Einteilung  der  Zünfte  gegründet  war.  Nachdem  die 
Stadt  in  den  zwei  Jahrhunderten  ihre  Reichsfreiheit,  ihre  selbständige  Gerichtsbarkeit,  ihre 
Rechte  gegenüber  dem  Kloster  Gengenbach,  eine  populäre  Verfassung  sich  errungen  hatte, 
suchte  sie  durch  diesen  Schwörbrief  noch  die  innere  Einigkeit  und  die  Schlagfertigkeit 
nach  außen  hin  festzustellen.  Als  Wahrzeichen  dieser  Entwickelung  mochte  i.  J.  1426 
der  Neubau  des  Rathauses  erfolgen. 

Ein  gewaltiger,  mit  menschlichen  Mitteln  nicht  zu  bekämpfender  Feind  hatte  sie 
während  dem  Jahrhundert  fürchterlich  heimgesucht,  die  überall  in  Europa  wütende  Pest 
von  1348.  Und  wie  überall,  so  schloß  sich  auch  hier  die  Verfolgung  der  Juden  daran, 
die  man  beschuldigte,  die  Brunnen  vergiftet  zu  haben.  Zwei  von  ihnen  hatten  dies  auf  der 
Folter  bekannt,  und  nun  wurden  alle  aus  der  Stadt  verwiesen.  Die  unglücklichen  Leute 
sahen  sich  damit  allen  Schrecknissen  ausgesetzt,  beschlossen,  sich  lieber  gemeinsam  zu 
verbrennen,  und  baten  den  Rat  um  die  Erlaubnis  dazu.  Dieser  ließ  ihnen  sagen,  »wer 
von  ihnen  wegziehen  wolle,  denn  wolle  er  geleiten  eine  halbe  Meile  und  wolle  ihn  sein 
Gut  mit  sich  tragen  oder  führen  lassen;  wollten  sie  das  aber  nicht,  so  würde  man  sie 
gern  heißen  ein  Feuer  machen,  aber  man  wollte  sie  nicht  heißen  hineinzugehen.  Wollten 
sie  darein,  so  sollen  sie  es  tun«.  Sie  taten  es,  gingen  in  die  Flammen,  ohne  vorher  mit 
Ausnahme  obiger  zwei  noch  irgend  etwas  ausgesagt  zu  haben,  und  als  man  den  Brunnen, 
von  dem  die  Vergiftung  behauptet  wurde,  ausschöpfte,  da  »vande  man  niut  inne«.* 2) 
Als  Denkmal  ihrer  einstigen  Anwesenheit  ist  noch  das  Judenbad  erhalten. 

Der  Stadt  war  es  in  den  kommenden  Jahrhunderten  nicht  gegeben,  auf  den 
gewonnenen  Freiheiten  auszuruhen.  Die  Landvögte,  die  auf  Ortenberg  saßen  als  Ver- 
treter der  Pfandherren,  ließen  ihr  keine  Ruhe,  sie  suchten  ihre  Rechte  stets  weiter  aus- 
zudehnen und  benutzten  dazu  die  Streitigkeiten  der  in  der  Nähe  gelegenen  Orte  der 

*)  Gothein  a.  a.  O.  S.  239  u.  240. 

2)  Strobel,  Vaterland.  Geschichte  des  Elsasses  II,  S.  262. 


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KREIS  OFFENBURG. 


Landvogtei  mit  der  Stadt.  Eine  dieser  komplizierten  Streitigkeiten  kam  1481  auf  einem 
Rechtstag  zur  Verhandlung,  die  damit  zusammenhängende  Streitigkeit  mit  Elgersweier, 
Hofweier,  Schutterwald  aber  gestaltete  sich  zu  einem  Monstreprozeß,  der  vom  1 4.  Jh.  bis 
1835  dauerte.  — Im  allgemeinen  waren  die  Beziehungen  zu  den  Pfandherren  erträgliche, 
und  manch  einer  von  ihnen  besuchte  die  Stadt,  so  1483  mit  einem  glänzenden  Gefolge 
an  der  Herrenfastnacht  der  prachtliebende  Kurfürst  Philipp  I.  von  der  Pfalz.  Drei  Tage 
dauerte  das  Fest,  viele  Fürsten  und  Grafen  waren  dazu  geladen  sowie  der  ganze  Adel 
der  Umgegend.  Die  Stadt  mag  damals  ihren  größten  Wohlstand  erreicht  und  im  16.  Jh. 
bewahrt  haben,  wie  das  ganze  Deutschland.  Er  wird  hauptsächlich  auf  ihre  Lage  als 
Verkehrsknotenpunkt  zurückzuführen  sein,  denn  sie  besaß  keinen  besonders  hervor- 
ragenden Handel.  Ihre  Bedeutung  war  also  keine  große,  und  somit  dürfen  wir  in  ihr 
auch  keine  besondere  Kunstentwickelung  suchen : sie  hat  wohl  meistens  die  Künstler  für 
bedeutendere  Aufgaben  von  auswärts  bezogen.  Indes  wird  doch  1518  ein  Goldschmied 
Augustin  Stos  erwähnt,  der  auch  nach  auswärts  lieferte,1)  und  von  der  Höhe  des  Gold- 
schmiedehandwerks zeugt  das  Vortragskreuz  der  Pfarrkirche. 

Der  Anfang  des  16.  Jhs.  brachte  sie  auf  kurze  Zeit  aus  der  Pfandherrschaft  wieder 
zurück  an  das  Reich.  Kurfürst  Philipp  mußte,  nach  seiner  Niederlage  im  Landshuter 
Erbfolgekriege  in  die  Acht  erklärt,  die  Reichspfandschaft  Ortenau  abtreten.  Kaiser  Max 
zog  selbst  vor  Ortenberg  und  belagerte  es,  wobei  ihn  die  drei  Städte  lebhaft  unterstützten. 
Um  sie  ihrem  bisherigen  Pfandherrn  abtrünnig  zu  machen,  wurde  ihnen  feierlich  ver- 
sprochen und  zugesagt,  daß  der  halbe  Teil  der  Pfandschaft,  den  er  dem  Pfalzgrafen  ent- 
zogen hatte,  wie  auch  die  andere  Hälfte,  wenn  sie  vom  Stifte  Straßburg  eingelöst  würde, 
fürderhin  beim  Reiche  bleiben  und  die  Städte  nicht  mehr  ohne  ihr  Wissen  und  ihre  Ein- 
willigung verpfändet  werden  sollten.  Aber  schon  der  schwache  Kaiser  selbst  vermochte 
das  nicht  zu  halten  und  versetzte  schon  1507  die  eben  frei  gewordene  Hälfte  dem  Grafen 
Wolfgang  von  Fürstenberg,  worüber  die  Städte  nicht  wenig  ungehalten  waren,  denn 
»ohne  solche  Zusage  wären  sie  nit  bald  von  der  Pfalz  abgefallen«,  wie  es  häufig  in  den 
Akten  heißt.2)  Indes  sorgte  der  Kaiser  doch  für  die  Feststellung  aller  alten  Rechte  und 
ließ  diese  auch  durch  die  Fürstenberger  nicht  schmälern;  ja,  1510  wurde  sogar  fest- 
gestellt, daß  der  Landvogt  vom  Zwölfergericht  nicht  einmal  an  das  Reichskammergericht 
appellieren  könne,  sondern  unbedingt  an  dessen  Spruch  gebunden  sei.  Die  Städte  aber 
erneuerten  ihr  Bündnis  und  widerstanden  unberechtigten  Ansprüchen  der  Landvögte,  so 
schon  dem  Grafen  Wolfgang  und  bei  der  Übergabe  der  Pfandschaft  an  Wilhelm  und 
Friedrich  von  Fürstenberg,  wo  die  Städte  die  Huldigung  verweigerten,  bevor  diese  die 
Privilegien  beschworen  hatten.  Der  Streit  wurde  in  für  die  Städte  günstigem  Sinne  am 
17.  Oktober  1510  durch  den  kaiserlichen  Kommissär,  Herrn  zu  Limburg,  beigelegt. 

Die  Stürme  des  Bauernkrieges  gingen,  wie  in  diesem  Teil  der  Ortenau  überhaupt, 
so  auch  in  Offenburg  leicht  vorüber.  Die  drei  Reichsstädte,  in  deren  Verfassung  Bürger 
und  Bauern,  beide  mit  genügenden  Berechtigungen,  vertreten  waren,  konnten  vermitteln. 
Sie  brauchten  sich  nicht  den  Aufständischen  anzuschließen  und  genossen  doch  ihr  Ver- 
trauen, und  Offenburg  war  so  der  neutrale  Ort,  wo  die  beiden  Parteien  in  voller  Sicherheit 
zusammen  verhandeln  konnten.  Unter  wesentlicher  Mitwirkung  der  Städte  — den  Stadt- 


1)  Kunstdenkmäler  VI  j,  S.  533. 

2)  Badenia  II  (1840),  S.  11. 


AMT  OFFENBURG  — OFFENBURG. 


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Schreiber  von  Offenburg  hatten  die  Bauern  beauftragt,  »ihnen  ihr  Wort  und  ihren  Vor- 
trag zu  tun«,  — kam  so  die  Acherner  Abrede  und  endlich  der  Renchener  Vertrag  zu  stände, 
der  den  Aufstand  glücklich  beendete. 

Die  große  geistige  Bewegung  aber,  die  über  ganz  Deutschland  ging,  ergriff  damals 
auch  Offenburg,  nach  den  Bauernkriegen  wandte  sich  die  Stadt  entschieden  der  Refor- 
mation zu.  1525  stellte  der  Rat  einen  »Prädikanten  eines  ehrbaren,  priesterlichen  und 
unstrafbaren  Lebens  zur  Verkündigung  des  Gotteswortes  an«,  ohne  ihn  dem  Pfarrer  unter- 
zuordnen; als  1531  die  letzte  Nonne  im  Frauenkloster  starb,  wollte  der  Rat  dasselbe  sofort 
säkularisieren.  1531  jedoch  vollzog  sich  ein  gänzlicher  Umschwung;  noch  auf  dem  Augs- 
burger Reichstag  war  Offenburg  an  der  Seite  Straßburgs  erschienen,  ’)  jetzt  aber  stellte 
es  sich,  je  mehr  Straßburg  sich  zur  Reformation  bekannte,  zur  altgläubigen  Partei  zurück. 
Ein  Teil  des  Straßburger  Domkapitels  wandte  sich  hierher,  und  so  mochte  die  Stadt 
hoffen,  als  Mittelpunkt  der  katholischen  Partei  eine  erhöhte  Bedeutung  zu  gewinnen. 
Damit  war  es  nun  allerdings  nichts,  aber  die  Stadt  blieb  der  alten  Lehre  treu,  und  der 
Rat  schloß  Sonntags  die  Tore,  damit  die  Bürger  nicht  dem  von  Wilhelm  von  Fürstenberg 
in  Weingarten  eingesetzten  Prediger  der  neuen  Lehre  zuliefen. 

Endlich  1551  und  1556  wurden  die  beiden  Pfandschaften  wieder  abgelöst  und 
Österreich  erwarb  die  Landvogtei  vom  Reiche  für  sich.  Sein  Landvogt  erhielt  von  den 
Städten  die  Reichssteuer,  von  Offenburg  276  fl.,  mußte  aber  ihre  Privilegien  achten. 
Darüber  kam  es  nun  schon  1566  zum  Streite.  Der  Landvogt  behauptete,  den  Schult- 
heiß setzen  zu  dürfen,  wogegen  die  Offenburger  auf  ihrem  Recht  bestanden,  ihn  selber 
aus  den  Zwölfern  des  Alten  Rates  zu  wählen.  Schließlich  verglich  man  sich  dahin,  daß 
dem  Vogte  aus  dem  Alten  Rate  zwei  Bewerber  präsentiert  wurden.  Die  Streitigkeiten 
hatten  damit  kein  Ende.  Die  Städte  bestanden  darauf,  daß  vor  ihrer  Huldigung  der 
Landvogt  den  Eid  auf  die  Wahrung  und  Achtung  ihrer  Privilegien  leistete,  während  dieser 
zuerst  die  Huldigung  verlangte.  Das  wohl  nur  zu  berechtigte  Mißtrauen  gegen  Öster- 
reich, es  wolle  das  Reichsland  sich  selber  zu  eigen  machen,  wachte  auf,  1572  verweigerten 
die  drei  Städte  die  Reichs-  und  Türkensteuer,  ihre  Zwölfer  erklärten  die  Forderungen 
des  Landvogtes  für  ungesetzlich,  und  1575  schlossen  die  drei  Städte  einen  engen  Bund 
zusammen,  den  sie  zunächst  vorsichtig  geheimhielten.  1590  wurden  zwar  die  Zwistig- 
keiten vermittelt,  aber  sie  lebten  immer  von  neuem  auf,  1598  bis  1604  wurden  wieder 
keine  Steuern  gezahlt,  1606  vermittelte  Nürnberg,  1614  glaubten  die  Städte  aber  doch 
ihren  Bund  noch  erneuern  zu  müssen,  und  in  der  Tat  bestand  die  Gefahr,  daß  sie  zu 
österreichischen  Landstädten  herabgedrückt  würden,  immer  weiter.  Ganz  besonders, 
als  jetzt  die  Zeiten  immer  kriegerischer  wurden  und  die  Reichsvögte  das  alte  Recht 
forderten,  eine  Besatzung  in  die  Städte  zu  legen.  Offenburg  hat  sich  noch  in  den  ersten 
Jahren  des  Dreißigjährigen  Krieges  dagegen  gesträubt.  Bald  aber  wurden  die  Zeiten  so 
schlimm,  daß  auch  Offenburg  sich  dazu  bequemen  mußte,  den  Obersten  von  Ossa 
aufzunehmen  (1628).  Aber  die  Kaiserlichen  hausten  so  übel,  daß  sie  die  Bürgerschaft 
beinahe  ruinierten.  Der  Landvogt,  ein  Herr  von  Neuenstein,  betrachtete  die  Stadt  wie 
eine  eroberte,  und  nur  schwer  verschaffte  sich  diese  am  kaiserlichen  Hofe  ihr  Recht. 
Ihre  Finanzen  aber  waren  so  zerrüttet,  daß  sie  jetzt  nicht  mehr  im  stände  war,  die 
Zinsen  ihrer  Schulden  zu  zahlen. 


1)  Gothein  a.  a.  O.  S.  270. 


Fig.  2JQ.  Ansicht  der  Stadt  Offenburg  im  Jahre  1644  (nach  Mcrian). 


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KREIS  OFFENBURG. 


Und  nun  folgten  Stürme  über  Stürme. 
1632  wurde  die  Stadt  von  den  Schweden 
undWürttembergern  unter  General  Horn  ein- 
geschlossen und  ergab  sich  am  1 2 . September, 
bis  1635  blieb  sie  in  ihrem  Besitz,  dann  war 
sie  vom  französischen  Heere  besetzt,  1638 
erging  sie  nur  knapp  einer  Besetzung  durch 
die  Armee  Bernhard  von  Weimars;  wie  die 
Sage  meldet,  erschienen  damals  auf  ihren 
Stadtmauern  ihre  Schutzheiligen  Ursula, 
Aper  und  Gangolf.  Ein  größerer  Neubau 
war  in  dieser  Zeit  zu  verzeichnen,  der  aller- 
dings kümmerliche  des  Klosters  der  Kapu- 
ziner, die,  nachdem  sie  lange  vergeblich 
gebeten,  endlich  1641  in  die  Stadt  auf- 
genommen wurden.  Damals  wurden  unter 
dem  Kommandanten  Reinhard  von  Schauen- 
burg die  Befestigungen  ausgebessert;  eine 
erhaltene  Federzeichnung  ihres  damaligen 
Zustandes  läßt  erkennen,  daß  ein  stattlicher, 
dreifacher  Mauergürtel  etc.  die  Stadt  von 
alters  her  umgab,  der  damals  noch  durch 
eine  Anzahl  neue  Verschanzungen  verstärkt 
wurde  (s.  unten  Befestigung).  In  der  Stadt 
war  die  Not  aufs  höchste  gestiegen,  eine 
Hungersnot  stand  vor  der  Tür,  bis  der 
Friede  1648  eine  Erleichterung  brachte. 

Auch  die  inneren  Zustände  waren 
düster  genug  geworden.  Gerade  während  des 
Dreißigjährigen  Krieges  wütete  der  Hexen- 
glaube in  der  Stadt  und  forderte  seit  1597 
seine  Opfer.  Die  Verfolgungen  steigerten 
sich  bis  1628.  Von  einem  unglücklichen 
Opfer  hören  wir  aus  Offenburg,  daß  sie 
standhaft  bis  zuletzt  ihre  Unschuld  beteuerte, 
bis  sie  auf  dem  Hexenstuhl  ihren  Qualen 
erlag.  Vielleicht  mag  das  tatsächlich,  wie 
man  gemeint  hat,  dazu  beigetragen  haben, 
Zweifel  zu  erwecken,  jedenfalls  fand  nach 
1631  nur  noch  1642  in  Offenburg  eine  Hin- 
richtung statt. l)  Zugleich  aber  war  die 
Bürgerschaft  von  innerem  Zwist  zerrissen, 


Walter,  Kurzer  Abriß,  S.  15. 


AMT  OFFENBURG. 


OFFENBURG. 


469 


der  charakteristischerweise,  wie  wir  sehen  werden,  gerade  an  diesem  Wahne  sich 
entzündete. 

Auf  1648  folgten  einige  Jahrzehnte  des  Friedens.  Trotz  aller  Leiden  waren  die 
Städte  noch  im  stände,  mit  Hilfe  von  Anlehen  ihren  Anteil  an  den  schwedischen  Satis- 
faktion sgeldern  etc.  regelmäßig  zu  bezahlen ; aber  die  Stadt  Offenburg  konnte  die  Zinsen 
für  ihre  vor  dem  Kriege  aufgenommenen  Kapitalien  nur  noch  zum  Teil  zahlen,  an  eine 
Schuldentilgung  jedoch  von  ferne  nicht  denken.  Wie  die  Stadt  damals  aussah,  davon  gibt 
uns  der  Meriansche  Stich  einen  Begriff  (s.  Fig.  259).  Wir  sehen  die  Stadtmauer  mit 
ihren  Türmen  und  im  Innern  eine  Anzahl  stattlicher  Gebäude  emporragen. 

Bald  aber  nahte  neues  Unheil  in  den  Kriegen  Ludwigs  XIV.  1778  wurde 
die  Stadt  zum  erstenmal  durch  Crequi  belagert,  von  den  Österreichern  indes  entsetzt. 
Zehn  Jahre  darauf  bezogen  französische  Truppen  unter  Marquis  de  Chamilly  Winter- 
quartiere in  Offenburg.  Mit  der  Aufforderung,  die  Tore  zu  öffnen,  wurden  die  beruhi- 
gendsten Zusicherungen  gegeben  und  in  einer  gütlichen  Vereinbarung  am  4.  Oktober 
festgelegt. *)  Einmal  im  Besitze  der  Stadt,  kümmerte  sich  Chamilly  nicht  mehr  um  diese 
Versprechungen.  Noch  im  Oktober  wurde  eine  Kontribution  von  4500  fl.  erhoben, 
den  Soldaten  mußte  täglich  Quartiergeld  gezahlt  werden.  Als  im  Anfang  des  Jahres  1689 
sich  die  Franzosen  genötigt  sahen,  vor  den  herannahenden  Reichstruppen  zurückzugehen, 
da  suchten  sie  vor  ihrem  Abrücken  — begreiflicherweise  — die  Stadt  als  Festung 
unschädlich  zu  machen,  die  Bürgerschaft  mußte  »zu  ihrem  größten  Entsetzen  die  zur 
Befestigung  dienenden,  viele  hundert  Jahre  konservierten  Türme 
und  Mauern  demolieren  helfen«;  eine  weitere  Kontribution  wurde  der  Stadt 
auferlegt.  Zur  Bestreitung  all  dieser  Lasten  in  der  Höhe  von  etwa  50  000  fl.  mußte  sie 
Anlehen  aufnehmen,  in  steter  Hoffnung,  dadurch  wenigstens  die  leeren  Häuser  zu  retten. 
Aber  vergebens!  Zwar  rückte  die  kaiserliche  Armee  an  und  Offenburg  wurde  mit  einer 
Garnison  besetzt,  die  Mauern  repariert,  Palissaden  errichtet.  Aber  schon  am  13.  August 
mußten  die  Reichstruppen  wieder  abziehen.  Ein  ungeheurer  Schrecken  ergriff  die 
Einwohner,  die  das  Kommende  ahnten.  Ein  Teil  der  besseren  Habe  wurde  in  das 
Franziskaner-  und  Kapuzinerkloster,  in  die  Täler  nach  Zell,  Wolfach,  Kloster  Wittichen 
geflüchtet.  Schon  am  18.  August  nahmen  zehn  Kompagnien  französischer  Truppen  von 
der  Stadt  Besitz,  und  nach  Verzehrung  aller  Vorräte  fing  die  Plünderung  an.  Glocken, 
Uhren,  Altarbilder,  Wein,  was  am  Hausrat  wertvoll  erschien,  Kupfer,  Zinn,  Lein- 
getüch,  Bettgewand,  Musketen  etc.,  alles  wurde  auf  Wagen  geladen  und  nach 
Straßburg  gesandt.  Dann  schritt  man  zur  Zerstörung.  »Die  schöne  Rundei, 
Mauern  und  zierlichsten  Kirchentürme,  die  stärksten  Gewölbe  von 
Stein,  bei  den  Toren  befindliche  Schwibbögen  und  andere  kostbarste 
Gebäude  wurden  unterminiert,  die  Häuser  mit  Stroh  und  Brenn- 
stoffen angefüllt;  die  Armee  zog  hinaus,  die  Stadt  umringend;  auf  inständiges 
Flehen  der  Kapuziner  durften  die  Einwohner  die  Stadt  verlassen.  Still  und  öd  lagen 
die  Straßen  da.  Nachdem  alles  so  vorbereitet  war,  drangen  Samstag  den  9.  September, 
abends  4 Uhr,  die  Mordbrenner,  eine  hierzu  besonders  abgerichtete  Bande,  in  die  Stadt 
und  zündeten  an  allen  Ecken.  Welch  schauerliche  Nacht!  In  das  nahe  Gebirge 
geflüchtet,  mußten  die  armen  geängsteten  Einwohner  den  Ruin  ihrer  Habe,  ihrer  alten, 


*)  Walter,  Zum  zweihundertsten  Gedenktag  etc.,  S.  15  ff. 


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KREIS  OFFENBURG. 


geliebten,  oft  behüteten  Vaterstadt  mit  ansehen.  Weithin  in  die  Nacht  leuchtete  der 
Feuerschein  der  brennenden  Stadt,  die  schauerliche  Stille  unterbrochen  von  dem 
donnernden  Geprassel  der  niederstürzenden  Türme  und  Mauern.«  J) 

Wir  können  so  ungefähr  feststellen,  was  von  dem  Brande  verschont  blieb.  Das 
Kapuzinerkloster  wurde,  infolge  der  Vorliebe  Ludwigs  XIV.  für  diesen  Orden,  sorgfältig 
geschont.  Infolgedessen  blieben  auch  ein  oder  zwei  Häuser  in  der  Nähe,  in  der  Kessel- 
straße, stehen,  so  das  sogen.  Burgerhaus,  das  Schweizer  Knappenhaus  genannt,  das  1888 
abgerissen  worden  ist.  Alles  andere  widerstand  nur  zufällig  dem  Feuer : so  blieben  die 
Untermauern  des  Langhauses  der  Pfarrkirche  in  3 — 4 m Höhe,  der  Chor  nebst  der 
Sakristei  in  Mauer-Höhe  erhalten,  die  Denkmäler  des  Friedhofs  sowie  die  heute  noch 
erhaltenen  Reste  der  Stadtmauern  hier,  am  Vincentiusgarten  an  der  Südseite  etc.,  auch 
einige  Turmreste,  die  wieder  aufgebaut  im  19.  Jh.  niedergerissen  wurden.  Ein  Westwind 
mag  das  Feuer  in  den  östlichen  Teil  der  Stadt  getrieben  haben.  Vom  Rathaus  blieben 
ebenfalls  die  Mauern  in  einer  gewissen  Höhe  erhalten,  die  Wendeltreppe  der  Pfalz,  zwei  Ge- 
wölbe des  Erdgeschosses  im  Seitenbau,  vom  Andreasspital  kaum  etwas,  vom  Franziskaner- 
kloster eine  Kapelle  (s.  unten)  und  der  Rest  einer  Tür,  außerdem  die  Umfassungsmauern  der 
Kirche  in  einige  Meter  Höhe  und  der  Chor  (?),  von  dem  Gebäude  der  Ortenauer  Ritter- 
schaft eine  Treppe  und  ein  daranstoßender  Gebäuderest.  Kurz,  man  kann  mit  Gothein 
sagen,  daß  in  Offen  bürg  kein  Haus  das  Jahr  1689  überdauert  hat.  In  einer 
Relation  über  den  Schaden  sind  die  zerstörten  Gebäude  einzeln  aufgeführt;  ich  nenne 
daraus  »das  schön  und  überaus  kostbare  Rathaus  und  Kanzley,  das  Kaufhaus,  die  Pfalz, 
der  Bürgerhof,  das  Zeughaus,  beide  Prädicaturhäuser,  die  schöne,  kunstreiche  Kirche 
des  Andreasspitals  etc.«.1 2)  Als  am  12.  Oktober  einige  Mitglieder  des  Magistrats  sich 
zusammenfanden,  konstatierten  sie,  daß  »die  Herren  und  Bürger  allenthalben  dispergiert 
und  in  den  Tälern  sich  aufhalten«  und  daß,  da  die  Franzosen  noch  in  der  Gegend, 
nicht  die  geringste  Aussicht  sei,  in  der  Stadt  zu  bauen.  Endlich  nach  1690  fing  man 
allmählich  wieder  an,  gestört  in  dem  letzten  Jahrzehnt  des  17.  Jhs.  durch  einige  weitere 
französische  Überfälle.  1696  dachte  man  an  den  Spitalbau,  1701  wurde  die  Kirche  des 
Spitals  wieder  aufgebaut,  1700  der  Grundstein  zur  neuen  Pfarrkirche  gelegt.  Neue 
Opfer  verlangte  der  spanische  Erbfolgekrieg,  es  wurden  von  Neuem  Geldsummen  aus  der 
ganz  erschöpften  Stadt  ausgepreßt,  die  ganze  Ernte  i.  J.  1703  fouragiert,  die  französischen 
Truppen  sogen  bei  ihren  verschiedenen  Aufenthalten  unter  Villars,  Villeroy  etc.  die  Stadt 
aus.  Endlich  brachte  das  Jahr  1714  den  Rastatter  Frieden.  Aber  lange  noch,  bis  in 
die  Mitte  des  Jahrhunderts,  wohnten  manche  Einwohner  in  Kellern  und  Baracken. 

Die  ersten  Jahrzehnte  des  Jahrhunderts  brachten  den  Bau  der  öffentlichen 
Gebäude,  der  Kirche,  des  Rathauses,  des  Amtshofes,  in  den  fünfziger  und  sechziger 
Jahren  erstehen  eine  große  Anzahl  stattlicher  Privathäuser;  aber  es  dauerte  immerhin 
das  ganze  Jahrhundert,  bis  die  Stadt  einigermaßen  sich  erholt  hatte. 

1701  hatte  der  Markgraf  Ludwig  Wilhelm,  der  Türkenlouis,  die  Landvogtei 
als  Mannlehen  erhalten,  1702  präsentierte  ihm  die  Stadt  6 Ohm  roten  und  6 Ohm 
weißen  Wein  sowie  zehn  Säcke  Haber.  Aber  auch  mit  der  badischen  Herr- 
schaft ging  es  nicht  ohne  Mißhelligkeiten  ab.  So  gab  es  1760  einen  Streit  mit  dem 


1)  Walter,  Zum  zweihundertsten  Gedenktag  etc.,  S.  17. 

2)  Walter  a.  a.  O.  S.  21. 


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ortenauischen  Sekretär,  der  gegen  Recht  und  Gewohnheit  seinen  Sitz  in  der  Stadt 
nehmen  wollte,  die  ihm  die  Tore  versperrte.  Darauf  bot  er  1400  bis  1500  (?)  Bauern 
aus  Griesheim  und  Ortenberg  auf,  diese  erbrachen  die  Tore,  und  der  Sekretär  zog  im 
Wagen  ein.  Die  Einwohner  aber  verhielten  sich  ruhig  in  ihren  Häusern,  die  Bauern 
mußten  sich  allmählich  verlaufen,  und  die  Streitsache  wurde  im  Rechtswege  beigelegt. 
1771  kam  die  Landvogtei  wieder  an  das  Erzhaus  Österreich,  und  von  Neuem  suchte 
dies  die  Rechte  der  Städte  zu  schmälern,  sie  zu  österreichischen  Landstädten  herab- 
zudrücken. Sofort  erneuerten  die  Städte  ihren  Bund;  aber  die  Reichsunmittelbarkeit 
war  trotzdem  eine  lästige,  überlebte  Sache  geworden.  Gerade  die  Gerichtsbarkeitsrechte 
wurden  langweilig  bei  der  bekannten  Langsamkeit  des  Reichskammergerichtes,  und  die 
Einwohner  der  Städte  wandten  sich  von  selbst  an  die  nahen  Gerichte  der  Landvogtei, 
wogegen  allerdings  die  Magistrate  noch  einmal  mit  Erfolg  protestierten. 

Auch  in  den  inneren  politischen  Zuständen  zeigte  sich  in  diesen  Jahr- 
hunderten ein  fruchtloses  Streiten  und  Prozessieren  um  die  alten  Fragen  mit  den  um- 
wohnenden Gemeinden,  mit  dem  Kloster  Gengenbach  etc.  Von  irgendwelchem  Fort- 
schritt ist  nichts  zu  verzeichnen.  Innerhalb  der  Stadtmauern  kämpften  Geschlechter  und 
Zünfte  den  alten  Kampf;  trotz  des  eigentlichen  Zunftregimentes  hatten  die  Vornehmen, 
vereinigt  in  der  »Konstafifler« -Zunft,  wieder  erneute  Bedeutung  erlangt,  und  sie  suchten 
das  zu  benutzen,  um  sich  möglichste  Befreiung  von  bürgerlichen  Lasten  zu  verschaffen, 
wogegen  aber  der  Rat  einschritt.  Der  Rat  selber  aber  bestand  allmählich  nur  noch  aus 
wenigen  und  denselben  Geschlechtern,  es  hatte  sich  eine  richtige  Oligarchie  ausgebildet. 
1608  kam  es  darüber  zu  heftigen  Auseinandersetzungen,  zu  Streitigkeiten  zwischen  den 
sechs  linierten  Zünften  und  dem  Alten  und  dem  Neuen  Rat  über  die  Wahl  des  Alten 
Rates;  eine  kaiserliche  Kommission  regelte  die  Angelegenheit  wesentlich  im  Sinne  der 
Gemeinde.  Der  Alte  Rat  sollte  nur  die  Gerichtsbarkeit  und  die  Forstverwaltung,  aller- 
dings das  wichtigste  Stück  der  Verwaltung,  beibehalten,  »in  allem  übrigen  solle  er  mit 
dem  Jungen  Rat  eine  Körperschaft  bilden;  die  vier  regierenden  Stettmeister  sollten  aus- 
schließlich aus  dem  Jungen  Rat,  der  Schultheiß  dagegen,  wie  in  den  Privilegien  vorge- 
sehen, aus  dem  Alten  erwählt  werden,  doch  mußte  er  vorher  dem  Jungen  genannt  werden«.1) 
Der  merkwürdige  Anlaß  zu  dem  Streit  aber  war,  daß  nach  Zeiten  üppigsten  Hexen- 
wahnes der  Alte  Rat  offenbar  etwas  vernünftig  geworden  war  und  zwei  »Hexen«  hatte 
entlaufen  lassen,  was  ihm  von  der  Bürgerschaft  sehr  verübelt  worden. 

Trotz  jener  günstigen  Verfassungsbestimmungen  stellte  sich  doch  die  Oligarchie 
wieder  her,  es  bildete  sich  die  richtige  Vetterleswirtschaft  heraus,  die  über  eine  Schar 
dumpf  hinbrütender  Kleinhandwerker  herrschte.  Eine  derartige  Entwickelung  können 
wir  ja  in  allen  unseren  Städten  konstatieren,  sie  hängt  mit  dem  Wesen  einer  Bürgerstadt 
eng  zusammen  und  muß  überall  zutage  treten,  sowie  der  erfrischende  Kampf  um  die 
politische  Existenz  nicht  mehr  tägliche  Anforderungen  stellt.  Wer  aber  die  Borniertheit 
in  den  großen  Reichsstädten  kennt,  die  in  manchen  jetzt  noch  nachwirkt,  kann  sich  die 
herrlichen  Zustände  in  dem  kleinen  Offenburg  einigermaßen  vorstellen.  Und  so  mußte  es 
denn  wieder  einmal  zum  Prozeß  kommen,  was  1744  geschah.  Zwölf  Jahre  lang  dauerten 
die  Fehden.  Der  Reichshofrat  suchte  in  seinem  Entscheid  die  Oligarchie  etwas  zu 
mildern,  die  Befehle  wurden  verschärft,  daß  Verwandte  nicht  gleichzeitig  im  Rat  sitzen 

*)  Gothein  a.  a.  O.  S.  286. 


Band  VII. 


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Kirchliches 


dürften,  nur  zwei  Stettmeister  sollten  aus  dem  Alten,  zwei  aus  dem  Jungen  Rat  gewählt 
werden ; letzterer  selber  aber  war  zu  einer  Oligarchie  geworden,  die  Zünfte  längst  nicht 
mehr  durch  ihre  tatsächlichen  Zunftvorsteher  in  ihm  vertreten.  Die  lächerlichen  Cere- 
monien  und  kleinlichen  Streitigkeiten,  das  ganze  Unsinnige  ehemals  sinnvoller  Bestimmungen 
tritt  in  den  Berichten  über  die  Wahl  des  letzten  Reichsschultheißen  klar  zutage. 

Um  hier  Luft  zu  schaffen,  bedurfte  es  größerer  Stürme,  die  auch  endlich  am  Ende 
des  18.  Jhs.  wohltätig  dieses  entsetzliche  alte  morsche  Gerümpel  über  den  Haufen  warfen. 
Es  bedeutete  eine  wahre  Befreiung,  als  infolge  der  bekannten  Vorgänge  unter  Napoleon  I. 
mit  der  Ortenau  auch  die  Reichsstadt  Offenburg  an  Baden  kam.  Am  23.  September  1802 
erfolgte  die  militärische  Besetzung,  am  29.  November  1802  wurde  die  Civilbesitznahme 
vollzogen  und  am  Mittwoch,  r.  Dezember,  begann  die  badische  Renteiverwaltung  der 
Stadt  und  für  diese  ein  neues  Leben. 

Kirchliches. 

Literatur:  Z.  9,  S.  300  (Olberg);  14,  S.  300  (Kirchenbau).  Regesten  der  kath. 
Pfarrei  Ofifenburg,  Mitteil,  der  bad.  histor.  Komm.  Nr.  5,  S.  264  ff.  P.  Staudenmaier, 
Die  Pfarrei  Offenburg  nebst  ihren  Filialen  in  früheren  Zeiten,  Freib.  Kath.  Kirchenbl.  1880, 
Nr.  4 — 7 (nach  Rapps  Bericht).  K.  Walter,  Bericht  des  Kirchherrn  Lazarus  Rapp 
über  die  Pfarrei  zu  Ofifenburg  vom  26.  Oktober  1616,  Karlsruhe  und  Offenburg  1892. 
Visitationsberichte  über  die  Pfarrei  Offenburg,  FDA.  NF.  III,  S.  299  ff.  Christlicher  Ein- 
fältiger Bericht  von  den  Exorcismis  u.  Teufelsbeschwörungen,  so  dieses  verschienene  1603. 
Jahr  zu  Offenb.  fürgenommen  worden,  o.  O.  1603.  A.  Birlinger,  Eine  Beschwörung  zu 
Offenb.  1603,  Alemannia  IX  (1881),  S.  252  ff.  H.  Schreiber,  Die  Hexenprozesse 
zu  Freib.,  Offenb.  u.  Bräunlingen,  Freib.  Adreßkal.  1836.  Fr.  Volk,  Hexen  in  der 
Ortenau  u.  Offenburg,  Lahr  1882.  Bader,  Bestätigungsbrief  über  die  Ordnung  der 
Bruderschaft  od.  Schützengilde  von  S.  Sebastian  zu  Offenb.  1451,  Z.  5,  S.  484  ff. 
Auszug  aus  dem  Ratsprotokoll  der  Stadt  Offenb.  vom  3.  September  1632  über  das  Fest 
der  h.  Ursula,  Offenb.  Volkszeitung  1891,  Nr.  72.  Statuta  venerabilis  capituli  ruralis 
Offenburg.,  Argentor.  1747  u.  1767.  Einrede  u.  Widerlegung  der  vom  Domkapitel 
zu  Straßb.  gegen  das  Pfarr-Rektorat  zu  Offenb.  wegen  prätend.  Heimfall  der  Rektorats- 
einkünfte in  den  Österreich.  Ortschaften  Weingarten,  Ortenberg  etc.  eingereichten  Klag- 
schrift, 1795. 

Haid,  S.  Andreas -Hospital  zu  O.,  FDA.  II,  S.  288 — 341.  K.  Walter,  Die 
Urkunden  des  S.  Andreas-Spitals,  Mitteil.  d.  bad.  histor.  Komm.  Nr.  7,  S.  53 — 66,  und 
»Der  Alt  Offeburger«  1905  ff.  Fr.  Mone,  Urkunden  über  das  Dominikanerinnenkl.  zu 
Offenb.,  u.  Mone,  Quellensammlungen  IV,  S.  48  ff.  Bader,  Zwei  Urkunden  über  die 
Berufung  und  Begebung  des  Ordens  der  mindern  Brüder  zu  Offenb.,  Z.  5,  S.  243  ff. 

F.  J.  Müller,  Beschreibung  der  Feierlichkeiten  bei  Legung  des  Grundsteins  zur 
evang.-prot.  Kirche  in  Offenb.  am  9.  Juli  1857,  Offenb.  1857.  Vier  Reden  bei  Ein- 
weihung der  evang.  Kirche  zu  Offenb.  1864,  ebd.  1865.  Die  evang.-prot.  Gemeinde 
zu  Offenb.,  Flugbl.  2 des  bad.  Hauptvereins  der  Gustav- Adolf-Stiftung,  Karlsr.  1869. 
Woher  die  neue  Ofifenburger  Opposition?  u.  wohin?  Ein  Wort  von  freigesinnter,  kath. 
Seite,  Freiburg  1869. 

Wilh.  Weiß,  Gesch.  des  Dekanates  u.  der  Dekane  des  Rural-  u.  Landkapitels 
Offenb.,  Offenb.  1893,  H.  2,  S.  77  ff.;  H.  4,  S.  4 ff.  Krieger,  Topograph.  Wörter- 
buch II,  S.  410  ff. 


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473 


Das  älteste  Dokument,  das  uns  über  die  kirchlichen  Verhältnisse  von  Offenburg 
aufklärt,  stammt  aus  dem  J.  1223.  Danach  gehört  das  Patronatsrecht  über  diese  Kirche 
»von  alterher«  den  Kanonikern  des  Straßburger  Münsters.1)  Vorher  schon  im  12.  Jh. 
(1182)  wird  eines  Priesters  Friedrich  von  Offenburg  gedacht.  Die  Ausdehnung  des  Pfarr- 
sprengels  war  entsprechend  der  Bedeutung  des  Gemeinwesens  am  Ausgang  des  Kinzig- 
tales, auf  einer  uralten  Kulturstätte,  außerordentlich  groß.  Eine  Zirkumskription  vom  J.  1242 
nennt  die  Grenzpunkte,  die  heute  allerdings  zum  Teil  gegenstandslos  sind.2)  Danach 
umfaßte  die  Pfarrei  Offenburg  noch  Weingarten  (hier  1396  eine  Kapelle  konsekriert;  im 
16.  Jh.  Pfarrei  und  dem  Hohen  Stift  in  Straßburg  wie  der  Offenburger  Pfarrei  zehnt- 
pflichtig), Bohlsbach,  dessen  Kapelle  nach  den  an  verschiedenen  Orten  angebrachten 
Daten  aus  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhs.  stammt,  Elgersweier,  woselbst  nach  Rapps 
obengenanntem  Bericht  »eine  gar  alte,  ungezierte  Kapelle  mit  ganz  beschädigtem  violiertem 
Altar  sich  befand«,  die  1677  abbrannte,  Ortenberg  und  Waltersweier,  Rammersweier 
und  der  ausgegangene  Ort  Tutwyhler.  Bis  1266  wurde  dieser  weitausgedehnte  Sprengel 
nur  von  einem  Pfarrektor  und  zwei  Helfern  pastoriert;  damals  kam  noch  als  dritter 
Helfer  ein  Frühmesser  hinzu.  1280  wurden  die  Franziskaner,  in  erster  Linie  allerdings 
für  den  Unterricht,  berufen.  Im  Laufe  der  nächsten  Jahrhunderte  kamen  eine  große 
Anzahl  Altarpfründen3)  hinzu,  deren  Besetzungsrecht  1484  der  Rat  der  Stadt  in  den 
päpstlichen  Monaten  erhielt.  Da  diese  Altaristen  aber  meist  nicht  Residenz  hielten  und 
halten  konnten,  so  zog  der  Rat  von  Offenburg  um  1520  alle  diese  Altarpfründen  an 
sich,  erbaute  aus  den  Gefällen  eine  Kaplanei  und  dotierte  die  ca.  1601  in  der  Achtzahl 
vertretenen  Lehrer,  und  vor  allem  errichtete  er  an  Stelle  der  Altarpfründen  eine  Kaplanei- 
pfründe, deren  Inhaber  außer  mit  der  Seelsorge  mit  der  Verkündigung  des  Wortes 
Gottes  betraut  war  (Predigerpfründe).  1563  wurde  noch  eine  zweite  Kaplaneistelle 
errichtet. 

Kollator  und  Zehntnießer  war  von  Anfang  an  das  Hohe  Stift  von  Straßburg,  und 
der  Pfarrektor  entstammte  meist  dessen  Gremium ; häufig  war  es  im  späteren  Mittelalter 
der  Archidiakon  der  rechtsrheinischen  Kapitel,4)  so  schon  1242  C.  canonicus  Argen- 
tinensis  archidiaconus  dictus  de  Wolau,  rector  ecclesiae.  Titulus  der  Kirche  ist  Kreuz- 
erhöhung; Nebenpatrone  sind  S.  Ursula  mit  ihren  Gefährtinnen;  außerdem  noch 
S.  Gangolf  und  S.  Aper.  Von  einem  Kirchenbau  hören  wir  aus  dem  J.  1387;  es  ist 
der  gleiche,  der  bis  auf  den  Chor  1689  der  Brandschatzung  der  Franzosen  zum  Opfer 
fiel.  Ein  Frater  Markus  vom  Minoritenorden,  Suffraganbischof  von  Straßburg,  konsekrierte 
1415  den  neuerbauten  Chor  samt  Hoch-  und  Seitenaltären. 

Mehr  noch  als  die  benachbarten  Reichsstädte  sah  Offenburg  an  der  Wende  vom 
Mittelalter  zur  Neuzeit  ein  blühendes  geistiges  Leben.  Schon  1496  wurde  hier  eine 
Druckerei  errichtet.  Mehrere  bedeutende  Humanisten,  wie  Paul  Volz,  der  Historiograph 
von  Schuttern,  Freund  des  Erasmus,  der  später  als  Abt  von  Hugshofen  apostasierte, 
oder  wie  der  Straßburger  Rechtsgelehrte  Dr.  Wendelin  Büttelbronn,  der  sich  gleichfalls 
der  neuen  Lehre  zuwandte,  der  Straßburger  Stättemeister  Sturm  von  Sturmeck,  stammten 

Straßb.  Urk.-Buch  I,  S.  152. 

2)  Vgl.  Krieger  a.  a.  O.  II,  S.  412. 

s)  Vgl.  Gran  di  di  er,  litat  eccldsiast.,  eine  Steuerrolle  aus  dem  J.  1464,  S.  80. 

4)  Vgl.  Baumgartner,  Gesch.  und  Recht  des  Archidiakonats  der  oberrhein.  Bistümer  von 
Mainz  und  Würzburg,  Stuttgart  1907,  S.  74. 


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KREIS  OFFENBURG. 


von  Offenburg.  Der  Lehrer  an  der  Lateinschule,  Gervas  Sopher,  förderte  offenbar  in 
hohem  Grade  diese  literarisch-wissenschaftliche  Bedeutung  Offenburgs,  arbeitete  aber 
auch  stark  der  neuen  Lehre  vor,  für  die  teilweise  der  Boden  schon  durch  Waldenser, 
hier  Winkler  genannt,  gelockert  war.  Im  J.  1400  hatte  man  aus  einem  hochnotpein- 
lichen Verhör  von  32  Straßburger  Waldensern  Kenntnis  bekommen  »von  den  Hüsem 
und  Herbergen,  die  die  Winkeier  hand  zu  Offenburg,  zu  Lore  und  anderswo«.1)  Die 
Nähe  von  Straßburg,  das  energische  Vorgehen  des  Grafen  Wilhelm  von  Fürstenberg  in 
der  Landvogtei  Ortenau,  der  Übertritt  benachbarter  Adeliger,  wie  der  Herren  von 
Geroldseck,  von  Röder  und  Böcklin  zum  Protestantismus,  trugen  das  Ihrige  dazu  bei, 
auch  in  der  Stadtbevölkerung  der  evangelischen  Lehre  manche  Anhänger  zu  gewinnen. 
Doch  stellte  sich  die  Stadt  nach  dem  entscheidenden  Reichstag  zu  Augsburg  (1530)  in 
Gegensatz  zu  dem  befreundeten  Straßburg  und  erklärte  sich  für  den  Kaiser  und  den 
alten  Glauben.  Und  um  den  Zulauf  der  städtischen  Bevölkerung  zu  den  Prädikanten 
in  Weingarten  und  Gengenbach  zu  unterbinden,  ließ  der  Stadtrat  während  der  Zeit  des 
sonntäglichen  Gottesdienstes  die  drei  Stadttore  schließen.  Auch  ein  Versuch,  den  die 
Franziskaner  1531  machten,  auf  einem  vom  Provinzial  nach  Offenburg  berufenen  Kapitel 
eine  Reformierung  im  Sinne  des  Zeitgeistes  herbeizufuhren,  wurde  vereitelt,  indem  der 
Einladung  keine  Folge  gegeben  ward.2)  Eine  starke , moralische  Stütze  erhielt  der 
Katholizismus  in  der  Stadt  durch  die  Übersiedelung  eines  großen  Teils  des  Straßburger 
Domkapitels,  dem  Offenburg  nach  der  Protestantisierung  Straßburgs  gastliches  Obdach 
gewährte. 

Wenn  sich  im  allgemeinen  das  16.  Jh.  für  die  kirchlichen  Verhältnisse  in  Offenburg 
ruhig  gestaltete,  so  brachte  das  17.  durch  den  Dreißigjährigen  Krieg  und  die  nachfolgenden 
französischen  Kriege  um  so  mehr  Unheil  über  die  Reichsstadt.  Abgesehen  von  häufigen 
Plünderungen  wurde  die  ganze  Stadt  am  9.  September  1689  völlig  niedergebrannt.  Von 
der  Kirche  blieb  nur  der  Chor  stehen,  der,  notdürftig  repariert,  auch  noch  1699  allein 
für  den  Gottesdienst  verwendbar  war.3)  1692  war  die  Sakristei  für  den  Notgottesdienst 
hergerichtet  worden.  Sonst  fanden  die  gottesdienstlichen  Verrichtungen  in  der  allein 
der  Katastrophe  entgangenen  Kapuzinerkirche  oder  in  der  Weingartener  Kirche  statt.4) 
Eine  Begleiterscheinung  dieser  traurigen  Zeiten  bildet  das  Hexenunwesen,  das  besonders 
in  Offenburg  und  in  der  Ortenau  zahlreiche  Opfer  gefordert  hat.5) 

In  den  Kriegszeiten  hatte  sich  die  weite  Ausdehnung  des  Pfarrsprengels  sehr 
unangenehm  fühlbar  gemacht.  Die  Unsicherheit  der  Wege  machte  oft  genug  eine  regel- 
rechte Ausübung  der  Seelsorge  unmöglich.  Aber  schon  früher,  seit  dem  15.  Jh.,  hatte 
sich  in  den  verschiedenen  Filialen,  infolge  der  größeren  Seelenzahl,  das  Bestreben 
gezeigt,  eigenen  Gottesdienst  und  womöglich  eigene  Cura  zu  erhalten;  selbst  die  recht- 
lichen Verpflichtungen  zu  Zehntabgaben,  die  sich  aus  dem  Filiationsverhältnis  ergaben, 
wurden  allmählich  bestritten.  Im  J.  1616  war  die  Erhebung  von  Bohlsbach,  Bühlweg 
und  Weingarten  ernstlich  im  Gange.  Lazarus  Rapp  hat  aber  damals  durch  seinen 
Bericht  über  die  rechtlichen  Verhältnisse  der  Pfarrei  Offenburg  die  Schmälerung  ihres 

X)  Vgl.  Röhr  ich  in  Illgens  Zeitschr.  f.  hist.  Theologie  1840,  I,  S.  141.  Vierordt  I,  S.  43. 

2)  Vgl.  FDA.  X,  S.  108  ff.  Gothein,  Wirtschaftsgesch.  des  Schwarzwalds  I,  S.  270  ff. 

3)  FDA.  NF.  III,  S.  302. 

4)  Visitationsprotokoll  von  1692,  ebenda  S.  301. 

5)  Vgl.  Volk,  Hexen  in  der  Ortenau  und  in  Offenburg,  Lahr  1882. 


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Sprengels  noch  etwas  hintangehalten.  Denn  das  Visitationsprotokoll  von  1666  führt 
unter  den  sieben  Kapellen  der  Pfarrei  noch  die  von  Weingarten  (divae  Virgini  sacra, 
miraculis  clara),  von  Bühlweg  bei  Ortenberg  (zur  Schmerzhaften  Mutter  Gottes,  1497  mit 
Einwilligung  der  Kurpfalz  gebaut),  von  Bohlsbach  (zum  h.  Laurentius)  und  von  Elgers- 
weier an.  Erst  1787  bekamen  Weingarten  und  Ortenberg  (mit  Bühlweg),  1790  Bohls- 
bach und  Elgersweier  Pfarrecht. 

Von  wohltätigster  Wirkung  für  Offenburg  war  das  um  1300  gegründete  Hospital 
zum  h.  Andreas,  das  1301  erstmals  erwähnt,  1306  als  von  der  Bürgerschaft  gestiftet 
bezeichnet  wird.1)  1310  erhält  es  eine  feste  Rechtsordnung,  die  sich  im  allgemeinen  nach 
derjenigen  des  älteren  Freiburger  Spitals  richtet.  Es  werden  ihm  die  gleichen  Freiheiten 
und  Rechte  wie  den  anderen  Gotteshäusern,  seinen  Insassen  Anteil  an  allen  Gerichten 
und  Allmenden,  Freiheit  von  Steuern,  Kriegslasten  und  anderen  öffentlichen  Leistungen 
zugewiesen.  1316  wurde  die  Errichtung  eines  Oratoriums,  unbeschadet  der  Rechte  der 
Offenburger  Pfarrkirche,  vom  Straßburger  Bischof  genehmigt.  Es  scheint  aber,  daß 
sich  die  Fertigstellung  längere  Zeit  hinausgeschoben  hat,  denn  es  wird  erst  aus  dem 
J.  1341  die  Konsekration  zu  Ehren  des  h.  Andreas,  des  h.  Erhardt  und  der  h.  Maria 
Magdalena  berichtet.  1359  stiftete  der  Pfarrer  Nicolaus  Sigelin  eine  Spitalseelsorge- 
pfriinde  mit  Altar  zu  Ehren  der  Heiligen  Antonius,  Leonhard,  Nicolaus  und  Katharina, 
1374  zwei  weitere  zu  Ehren  der  h.  Katharina  und  der  zehntausend  Jungfrauen.  Die 
Zuwendungen  und  der  käufliche  Erwerb  von  Gütern  und  Gilten  mehrten  sich  rasch 
und  in  großem  Umfang;  so  war  es  noch  vor  dem  J.  1500  in  Fautenbach,  Mosbach, 
önsbach,  in  Achern  und  Oberachem,  Sasbach,  Obersasbach,  Waldulm,  Kappelrodeck, 
Erlach,  Ottersweier,  Bühl,  Nesselried,  Fessenbach  und  Willstett  begütert.  1441  wurde 
ihm  auf  Anordnung  des  Kardinals  Louis  d’Allemand  die  Fautenbacher  Kirche  inkorporiert, 
über  die  das  Spital  kurz  zuvor  das  Patronatsrecht  erworben  hatte.  In  der  Folge  wurde 
es  in  das  arme  Spital  (für  Kranke)  und  in  das  reiche  oder  Andreasspital  (flir  Pfründner) 
zerlegt.  Außerdem  bestand  noch  ein  Leprosen-  oder  Gutleuthaus  mit  einer  Kapelle  zu 
Ehren  der  Heiligen  Jakobus,  Nicolaus,  Magdalena,  Barbara,  Elisabeth  in  Offenburg,  das 
die  Steuerrolle  von  1446  offenbar  mit  dem  Hospitale  junior  (sic!)  meint  im  Gegensatz 
zum  Hospitale  senior. 

Unter  den  Klöstern  war  das  älteste  das  der  Franziskaner,  die  der  Rat  der 
Stadt  1280  vom  Provinzialkapitel  in  Mainz  erbat  (fratres  industrios,  quorum  regamur 
et  gubemamur  consilio).2)  Man  wird  bei  dieser  Berufung  ebensosehr  die  Pflege  der  Seel- 
sorge wie  des  Unterrichts  im  Auge  gehabt  haben.  Zwar  werden  früher  schon  Lehrer 
und  auch  nachher  noch  solche  aus  dem  Laienstand  erwähnt  (1275:  Hermannus,  rector 
puerorum;  1279:  relicta  quondam  Kanczellarii  alius  rectoris  puerorum).  Den  Barfüßern 
scheint  man  aber  hauptsächlich  die  höhere  Schule  anvertraut  zu  haben,  die  sie  auch 
innehatten  bis  ins  19.  Jh.  herauf.  Unter  den  Zöglingen  dieser  Schule  ragen  im  18.  Jh. 
besonders  der  aus  Offenburg  gebürtige,  1789  als  Professor  der  Pastoral Wissenschaft 
in  Luzern  verstorbene  literarisch  fruchtbare  Pater  Joachim  Braunstein  und  der  aus 
Bohlsbach  gebürtige  Naturforscher  Oken  hervor.  In  ihrer  Kirche  fand  die  selige 
Gertrudis  ihre  letzte  Ruhestätte  (Gertrudis  uxor  Rippoldi  omnium  opinione  beata,  cuius 


*)  FDA.  II,  S 291  ff. 

2)  Vgl.  Mone,  Z.  5,  S.  243.  Ortenauer  Bote  von  Offenb.  1858,  Nr.  88. 


476 


KREIS  OFFENBURG. 


Römisches 


tumulus  contegitur  lapide  maiori  humo  altius  prominente).1)  1816  wurde  das  Kloster  auf 
gehoben  und  1823  dem  von  Ottersweier  hierher  verlegten  weiblichen  Lehrinstitut  angewiesen. 

Wenig  nur  ist  über  ein  Kloster  der  Dominikanerinnen  bekannt,  dem  1246, 
11.  Juli,  Papst  Innocenz  IV.  auf  Bitten  eines  Walther  von  Jouvignac  einen  Freibrief  aus- 
stellt.2) Aber  schon  in  der  Ordensstatistik  von  1303  (Quetif,  Script.  Ord.  Praed.  I,  10) 
fehlt  es,  wie  auch  jede  weitere  Kunde  für  eine  spätere  Zeit. 

Neben  den  Franziskanern  wurden  1640  auch  die  Kapuziner,  allerdings  erst 
nach  längeren  Verhandlungen,  zugelassen.  Ihnen  ist  vor  allem  die  Missionierung  des 
Volkes  im  Dienste  der  Gegenreformation  zu  danken.  Rückhaltlose  Anerkennung  haben 
sie  hier  wie  anderswo  gefunden  für  ihr  mutiges  Ausharren  auf  ihrem  Posten  während 
des  Dreißigjährigen  und  der  folgenden  Kriege,  wodurch  sie  manches  Unheil  abgewehrt 
und  viel  Gutes  gestiftet  haben.  1808  wurde  ihr  Kloster  nominell  aufgehoben,  doch 
bestand  es  noch  kurze  Zeit  weiter,  so  daß  noch  1819  ein  Guardian  und  ein  Definitor 
genannt  werden.3)  In  die  Gebäulichkeiten  wurde  das  Gymnasium  eingewiesen. 

Kaum  mehr  als  die  Namen  ist  von  den  häufiger  erwähnten  Beghinen  in  Offen- 
burg bekannt,  deren  frühest  vorkommende  Lutgardis  dicta  Möchin,  begina  de  Offenburg, 
dicta  de  Saßbach  (1307),  ist.  Später  begegnen  die  Schwestern  »in  der  von  Schuttertal 
gotzhus«,  oder  im  großen  gotzhus  oder  im  Richkalden  gotzhus.4)  Die  Friedhofkapelle 
führt  als  Patron  den  h.  Michael.  (Sauer.) 

Römisches : Im  Bereich  der  Stadt  wurden  einige  römische  Steindenkmale 
gefunden : 

1.  Bei  Blechnermeister  Pfitzmaier  wurde  1860  ein  großes  römisch-korinthisches 
Säulenkapitell  aus  Sandstein,  90  cm  hoch,  oben  60  cm  breit,  ausgegraben,  »an 
dessen  Stelle  ein  anderer  Abweiser  gesetzt  und  wieder  zugepflästert«.  Seitdem  in  der 
Karlsruher  Sammlung. 

2.  C.  L.  Wielandt  in  seinen  »Beyträgen  zur  ältesten  Geschichte  des  Landstrichs 
am  rechten  Rheinufer  von  Basel  bis  Bruchsal,  Karlsruhe  1811«  berichtet,  es  sei  in 
Offenburg  vor  etwa  20  Jahren  (also  ca.  1790)  in  der  Kinzig  ein  Grabstein  gefunden 
worden  mit  dem  Reliefbild  eines  römischen  Kriegers,  der  eine  über  die  Knie 
gehende  Tunika  trägt,  in  der  linken  Hand  einen  Dolch,  rechts  ein  Schwert  mit  dickem 
Knauf  haltend,  im  unteren  Teil  mit  einer  Inschrift,  die  »ein  Dritteil  der  Steinplatte 
einnimmt;  die  sehr  großen,  auf  der  linken  Seite  durchaus  deutlichen  schönen  römischen 
Buchstaben  sind  auf  der  rechten  Seite  nicht  ganz  so  schön  erhalten«.  Die  Steinplatte, 
1,72  m hoch,  0,68  m breit,  kam  1812  in  den  sogen.  Bürgerhof,  befand  sich  1854  im 
Garten  des  Kaufmanns  Guerra  und  ging  1869  durch  Kauf  in  die  Karlsruher  Sammlung 
über.  (Tafel  XIV.) 

Die  Inschrift  lautet: 

L:  VALERIO  • ALB 
INO  • DOM //// IIISI /// 

’ll  CHO  • I • THRACVM 
ANN  LXV  STI  XXIII 
H (ic)  S (itus) 

x)  Mone,  Quellens.  III,  S.  765. 

2)  Ebenda  IV,  S.  48  ff. 

3)  FDA.  XVIII,  S.  205. 

4)  Krieger  II,  S.  415. 


Dem  Lucius  Valerius  Albinus  Dom  . . . . 
Centurio  der  I.  Kohorte  der  Thracier, 
im  65.  Lebens-  und  23.  Dienstjahr. 

Er  ist  hier  beigesetzt. 


Tafel  XIV 


Römischer  Grabstein  aus  Offenburg, 

jetzt  in  den  Grofih.  Sammlungen  für  Altertums-  und  Völkerkunde  zu  Karlsruhe. 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


477 


Das  Denkmal  ist,  als  dem  Centurio  (Hauptmann)  einer  Kohorte  zugehörig,  selten  und 
von  Wert  für  die  Geschichte  der  Besetzungen  des  Rheinlands.  Es  ist,  nach  seinem  alter- 
tümlichen Eindruck  zu  schließen,  nicht  später  zu  setzen  als  zur  Zeit  Yespasians. 

Wielandt  bemerkt:  »Noch  sollen  ähnliche  Steine  im  Bett  der  Kinzig  liegen,  die  bei 
kleinem  Wasser  sichtbar  werden.«  Seiner  Aufforderung,  danach  zu  trachten,  sie  zu 
erheben,  ist  bis  jetzt  noch  keine  Folge  gegeben  worden. 

3.  Zugleich  mit  dem  Valeriusstein  kam  1869  ebenfalls  aus  dem  Garten  des  Kauf- 
manns Guerra  ein  leider  stark  beschädigter  römischer  Meilenstein  in  die  Karls- 
ruher Sammlung,  der  im  Sommer  1840  gefunden  wurde,  als  der  Bezirksingenieur 
Föhrenbach  bei  Offenburg  nächst  dem  sogen.  Schwabentore  die  Straße,  die  nach  Gengen- 
bach führt,  eine  Strecke  lang  erweitern  ließ,  wozu  einige  tiefe  Ausgrabungen  nötig  waren 
(s.  Fr.  Weißgerber  im  Progr.  d.  Gymnasiums  für  1840/41).  Das  Genauere  über  ihn 

• gibt  Zangemeister  in  der  Westdeutschen  Zeitschrift 
für  Geschichte  und  Kunst,  Trier  1884,  Jahrg.  III, 

S.  246  ff.  Die  cylindrische  Sandsteinsäule  ist  noch 
1,24  m hoch  bei  0,44  m Durchmesser;  vorn  herunter 
ist  sie  geradegeschlagen  worden,  so  daß  außer  oberen 
Linien  auch  ganz  durch  der  mittlere  Teil  der  Inschrift 
fehlt.  Nach  Zangemeisters  Ergänzung  derselben 
lehrt  sie,  daß  unter  Vespasian  um  das  Jahr  74  von 
Straßburg  (Argentorate)  aus  nach  Osten  von  dem  kaiser- 
lichen Legaten  Cnejus  Cornelius  Clemens  eine  mit 
Meilensteinen  besetzte  Straße  angelegt  worden  ist,  die 
badische  Ebene  also  damals  bereits  als  römisches  Ge- 
biet betrachtet  wurde;  es  ist  die  älteste  datierbare 
Steininschrift  zwischen  Rhein,  Main  und  Donau. 

4.  Anläßlich  der  Korrektion  der  Hauptstraße  bei 
der  S.  Johannis  -Brücke  wurde  1880  ein  Teil  der  alten 
Stadtmauer  abgebrochen,  in  welche  eingemauert  der 
Torso  eines  römischen  Soldaten  aus  Sand- 
stein sich  fand.  Derselbe,  noch  39  m hoch,  ist  stark 
beschädigt,  läßt  aber  noch  zwei  Gürtel  für  Schwert  und  Dolch  erkennen;  die  Waffen 
selbst  sind  abgeschlagen.  Seit  Dezember  1880  in  der  Karlsruher  Sammlung  (s.  Fig.  260). 

In  der  Stadt  brachte  weiter  die  Kanalisation  von  1890  in  der  Mitte  der  Korn- 
straße vom  Rathaus  zum  Vincentiushaus  in  1 m Tiefe  25  römische  Tonscherben, 
einige  von  roter  Terra  sigillata  und  verziert.  Dabei  ein  Silberdenar  des  Trajan.  Auch 
sonst  römische  Münzen  (s.  Bissinger,  Röm.  Münzfunde  in  Baden  1889,  N.  112  a). 

Dazu  fand  man  1885  im  nahen  Stadtwald,  Distrikt  »Unterbündle«,  zwei  dicke, 
nach  beiden  Seiten  spitzig  zulaufende  Eisenluppen  in  der  Form,  wie  das  Eisen  in 
römischer  Zeit  in  den  Handel  kam  (jetzt  Karlsruher  Sammlung). 

Alle  diese  Funde  beweisen  die  Bedeutung  des  städtischen  Bodens  in  der  Zeit 
römischer  Kultur.  Der  Gedanke  ist  nicht  abzuweisen,  daß  sich  dort  auch  noch  die 
Spuren  eines  römischen  Kastells  auffinden  lassen  könnten. 

Alemannisches : In  dem  spitzigen  Winkel  zwischen  der  Rheintalbahn  und  der  Alemannisches 
Schwarzwaldbahn  entdeckte  man  1894  einen  alemannischen  Reihengräber- 


Fig.  260.  Sandsteintorso  eines 
römischen  Soldaten. 

( Gefunden  in  Offenburg,  jetzt  in  der 
Staa  tssa  m nilung.J 


478 


KREIS  OFFENBURG. 


Stadtanlage  und 
Befestigung 


vtrgolAtX 


friedhof,  dessen  Spuren  übrigens  schon  beim  Bau  der  letzteren  Eisenbahn  zutage 
getreten  waren.  Seitherige  Ausgrabungen  ergaben  nicht  unbedeutende  Fundstücke: 
Eisenschwerter,  Schildbuckel,  Schnallen,  Kämme,  Ohrringe,  farbige  Perlen,  Bernstein- 
stücke u.  dergl.  Besonders  bemerkenswert  ist  ein  zweischneidiges  Schwert  (Spatha) 
mit . silbertauschiertem  Griffknopf  und  vergoldetem  Zwischenblech;  Länge  91  cm 
(s. Fig.  261).  Die  Funde  befinden  sich  in  der  städtischen  Altertümersammlung  in  Offen- 
burg. ( W.) 

Die  Anlage  der  Stadt  läßt  sich  noch  heute,  trotz  der  vielfachen  Veränderungen, 
erkennen,  zumal  wenn  man  den  Plan  der  Befestigungen  von  1645  (s.  Fig.  262),  den 
K.  Walter  publiziert  hat,  zu  Rate  zieht.  ’)  Außerdem  liegt  mir  ein  älterer  Gemarkungs- 
plan vor,  in  dem  noch  Reste  der  alten  Befestigungen 
angegeben  sind,  und  zudem  konnten  bei  zufälligen 
Grabungen  für  Neubauten,  insbesondere  aber  bei  den  Vor- 
arbeiten zu  dem  neuen  Bahnhof,  eine  Anzahl  der  Mauer- 
züge klargestellt  werden.  Die  letzteren  Beobachtungen, 
zusammen  mit  den  Angaben  des  Gemarkungsplanes,  sind 
auf  der  in  Fig.  263  wiedergegebenen  Katasterkarte  ein- 
getragen. 

Ein  Blick  auf  den  Plan  (s.  Fig.  263)  lehrt  uns  die 
zwei  wichtigsten  Straßen  kennen,  die  Hauptstraße  und  die 
Lange  Straße.  Ich  möchte  glauben,  daß  sie  den  beiden 
römischen  Straßen,  von  denen  wir  wissen,  entsprechen. 
Und  zwar  die  Hauptstraße  der  Rheintalstraße,  die  von 
Mainz  nach  Badenweiler  führte.  Noch  heute  verläßt  an 
ihrem  südwestlichen  Ausgang  bei  Plan  1 die  Straße  nach 
Freiburg  die  Stadt,  nördlich  die  Straße  nach  Achern, 
Baden,  Rastatt,  die  aber  zwischen  Offenburg  und  Appen- 
weier durch  die  Bahnanlagen  verändert  ist.  An  der  süd- 
östlichen Ecke  betrat  die  aus  dem  Kinzigtal  kommende 
die  Stadt,  bei  Plan  2,  am  Beginn  der  Langen  Straße ; am 
nördlichen  Ausgang  traf  sie  sich  mit  der  anderen,  um 
wenige  Minuten  vor  der  Stadt  in  der  Richtung  nach 
Straßburg  abzubiegen.  Wer  vom  Kinzigtal  direkt  in  der  Richtung  nach  Freiburg  weiter 
wollte,  kam  durch  die  Gerberstraße  an  den  südwestlichen  Ausgang.  Unter  den  Zähringern 
hat  sich  dann  an  der  Rheintalstraße  zunächst  die  Bewohnerschaft  angesiedelt,  aber  wohl 
auch  an  der  aus  dem  Kinzigtal  herkommenden  Straße,  und  charakteristischerweise  ent- 
standen an  beiden  Plätze,  an  der  Hauptstraße  der  eigentliche  Marktplatz,  und  an  der 
Langen  Straße  der  Lindenplatz.  Mit  der  Zeit  wurde  zwischen  beiden  eine  Parallelstraße 
gebaut,  die  Kloster-  und  Spitalstraße,  und  eine  Anzahl  kreuzender  Straßen;  auf  dem 
westlichen,  auch  heute  noch  weniger  stark  besiedelten  Terrain,  das  natürlich  geschützt 
war  durch  einen  ziemlich  steilen  Abfall  und  die  Kinzig  mit  ihren  Abzweigungen,  legte 
man  die  Kirche  an. 

Uber  die  Befestigung  wird  in  der  Relation  über  den  von  1688  bis  1696  erlittenen 
Schaden  geschrieben:  »die  gesammte  Fortifikation  so  in  drei  mit  Mauern  gefutterten  Graben, 

*)  Wo  die  Federzeichnung  sich  befindet,  ist  leider  nicht  angegeben  und  mir  unbekannt. 


Fig.  261.  Zweischneidiges  Schwert 
(Griff). 

(Gefunden  in  Offenburg , jetzt  in  der 
std  dti sehen  Altertum  er  Sammlung.) 


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Fiel«  Platz 

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Schäme. 


Plan  der  Stadt  Offtnburg,  mit  eingeceichntun  Btfatigmgshmen. 


Band  VII.  Zu  Seite  478 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


479 


Zwingern  und  3 Mauern,  9 hohen  wohlerbauten  Türmen  von  6 Contignationen,  jeder 
wenigstens  10000  fl.  werth,  und  18  Rondelen  und  vielen  Aus-  und  Innen-Werken,  Wällen 
und  Contreskarpen«  besteht.  Genau  dem  entspricht  auch  die  Federzeichnung  von  1645; 
wir  sehen  die  drei  Türme,  wovon  drei  Tortürme,  die  innere  Mauer  (p)  mit  dem  davor- 
liegenden, durch  Palissaden  abgeteilten  inneren  Zwinger  (10),  eine  zweite  Mauer  und 
den  inneren  Graben  (11),  der  an  der  Westseite  des  Mühlbaches  wegen  nicht  herum- 
geführt war,  dann  den  äußeren  Zwinger,  und  nach  einer  dritten,  mit  kleinen  Türmen 
versehenen  Mauer  den  äußeren  Graben,  der  wieder  des  Mühlbaches  wegen  an  der 
Westseite  fehlt,  der  die  Gräben  mit  Wasser  versieht.  Im  Westen  haben  wir  vor  dem 
inneren  Zwinger  ohne  Graben  den  zweiten,  und  die  Bemerkung  dazu  lautet  ausdrücklich : 


Fig.  264.  Reste  der  ehemaligen  Stadtbefestigung  Offenburgs. 

»der  Zwinger  gegen  dem  Wasser,  wo  kein  Graben,  der  Zwinger  und  die  Mauern  aber 
ziemlich  hoch  liegen«.  Wo  heute  der  Vincentiusgarten  liegt,  da  war  in  dem  Zwinger 
noch  ein  besonderes  Werk  vorgebaut  — der  schwarze  Hund  mit  dem  Milterturm,  darauf 
drei  Geschütze.  Überall  an  der  inneren  Mauer  treffen  wir  die  nicht  als  Türme  gezählten 
Rondelle  (wie  in  Gengenbach)  und  Maueraufsätze.  Von  den  Toren  hieß  das  nordöst- 
liche, dem  Kinzigtal  zu,  das  Schwabhauser  Tor,  das  südwestliche,  nach  der  Freiburger 
Straße  zu,  die  über  die  Kinzig  führte,  das  Kinziger  Tor,  das  nördliche,  nach  Straßburg- 
Appenweier  das  Neutor.  Wir  erkennen  deutlich,  wie  vor  diesen  Türmen  die  übliche 
Vortoranlage  den  Zwinger  durchbrach.  Die  dreifachen  Mauerzüge  sind  im  Nordosten  und 
Osten  durch  Grabungen  festgestellt  (s.  den  Plan),  im  Westen  und  Süden  wenigstens  der 
eine  Zug.  Das  so  Geschilderte  dürfte  die  schon  aus  dem  Mittelalter  stammende,  her- 
kömmliche Befestigung  der  Stadt  darstellen. 


V 


2ÖS-  Grundriß  der  kath.  Pfarrkirche  in  Offenburg. 


480 


KREIS  OFFENBURG. 


$ 


Im  17.  Jh.  erhielten  diese  Werke  eine  weitere  Verstärkung,  die  nach  den  Er- 
fahrungen des  Dreißigjährigen  Krieges  der  damalige  Kommandant,  Johann  Reinhard 

von  Schauenburg,  aufführen  ließ. 
Und  zwar  umgab  er  vor  allem 
die  Nord-  und  die  Ostseite  mit 
Schanzen  ( 14 — Iß),  von  denen 
ein  Teil  auch  auf  unserem  Plan 
sichtbar  ist.  Dagegen  passen 
die  im  Norden  angegebenen, 
tatsächlich  also  vorhandenen 
Mauerzüge  nicht  zu  den  in 
der  Federzeichnung  sichtbaren, 
die  nicht  so  weit  von  der 
Stadt  entfernt  waren.  Vielleicht 
haben  wir  es  hier  mit  einer 
weiteren,  späteren  Verstärkung 
zu  tun.  Im  Süden  legte  Johann 
Reinhard  von  Schauenburg 
nur  die  kleine  Schwabhauser 
Schanze  an,  zum  Schutz  des 
dortigen  Tores,  und  ebenso  im 
Südwesten  vor  dem  Mühlbach 
die  obere  Mühlschanz  (18)  zum 
Schutz  des  Kinziger  l'ores. 
Die  Westseite  schien  durch  das 
Wasser  geschützt,  doch  wurde 
auch  hier,  wo  dieses  einen 
freien  Platz  zwischen  sich  und 
den  Mauern  ließ,  eine  Brust- 
wehr in  halber  Mannshöhe  her- 
gestellt, die  bei  der  Aufnahme 
der  Federzeichnung  noch  nicht 
fertig  war  (bei  24 :),  ebenso  an 
der  Nordwestecke  eine  Brust- 
wehr (23)  und  eine  neue 
Schanze,  die  Seeschanz,  vor 
denen  sich  noch  eine  vierte 
Mauer  mit  Türmen  hinzog. 
Vielleicht  schon  im  15.  und 
16.  Jh.,  mit  dem  Aufkommen 
der  Feuerwaffen,  oder  auch  erst 
jetzt,  wurden  die  Ecken  der 
inneren  Mauer  zu  Bollwerken 
ausgestaltet,  so  nordwestlich 
das  Bollwerk  beim  Bad  (4) 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


481 


mit  dem  Badstubenturm,  nordöstlich  bei  dem 
Franziskanerkloster  das  Klosterbollwerk  (ßj,  an 
der  Ostseite  die  innere  Schanz  (16)  beim 
Lindenplatz  mit  dem  Krähnerturm,  südöstlich 
das  Schwabhauser  Bollwerk,  südwestlich  (j) 
das  Kinziger  Bollwerk.  Die  Gräben  konnten 
aus  dem  Mühlbach,  also  aus  der  Kinzig,  sofort 
mit  Wasser  gefüllt  werden. 

Heute  sind  noch  im  Süden  an  den 
städtischen  Anlagen  Reste  der  Stadtmauer  zu 
sehen,  teilweise  im  Norden,  in  größerem  Maße 
aber  nur  im  Westen,  etwa  vom  Kirchplatz  an 
bis  in  die  Nähe  des  ehemaligen  Kinziger  Tores. 
Beim  Vincentiusgarten  sehen  wir  noch  zwei 
Rondells,  achteckige  Bastionen  (s.  Fig.  264); 
nicht  weit  von  dem  Kinziger  Tor  sind  die 
innere  Stadtmauer,  der  20  m breite  Zwinger, 
die  Mauer  zwischen  diesem  und  dem  Graben 
sowie  eine  erkerartige  Auskragung  auf  zwei 
Konsolen  sichtbar,  die  wohl  einen  der  turm- 
artigen Erker  trugen,  mit  denen  die  Mauer 
besetzt  war. 

Die  Befestigung  der  Stadt  macht  einen 
recht  stattlichen  Eindruck,  wenn  sie  auch  1689 
nicht  mehr  auf  der  Höhe  der  damaligen  Be- 
festigungsweise stand.  Ein  paar  Monate  hätte 
sie  wohl,  bei  einiger  Voraussicht  — und  die 
war  ja  vorhanden  — und  Reparatur,  allerdings 
auch  Energie  der  Bürgerschaft,  stand  halten 
können,  aber  hier  wie  in  den  meisten  Fällen 
am  Oberrhein  zeigte  es  sich,  daß  vermutlich 
durch  den  demoralisierenden  Dreißigjährigen 
Krieg  mit  seinen  Folgen  und  durch  die  inneren 
Zustände  keinerlei  Spannkraft  und  Mut  vor- 
handen war,  daß  außer  der  Impotenz  des 
Habsburger  Hauses  und  der  Schwerfälligkeit 
der  Heere  die  Stumpfheit  der  Bevölkerung  ihr 
schreckliches  Schicksal  verdient  hat. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  Exaltationem 
S.  Crucis)  (s.  oben).  Der  ursprüngliche  Bau  war 
am  Ende  des  14.  Jhs.  errichtet  worden,  er 
brannte  1689  bis  auf  wenige  Mauerreste  ab. 
Vom  Chor  scheinen  die  rohen  Mauern  bis  zum 
Dachansatz  stehen  geblieben  zu  sein,  er  konnte 
deshalb  verhältnismäßig  rasch  wiederhergestellt 


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Kath. 

Pfarrkirche 


Fig.' 266.  Turvi  der  Pfarrkirche  in  Offenburg, 


482 


KREIS  OFFENBURG. 


sein ; für  ihn  war  das  Straßburger  Domkapitel  baupflichtig,  das  diese  Arbeit  offenbar 
schon  vor  1700  hatte  erledigen  lassen.  Der  Chor,  aus  Bruchsteinen  (?)  erbaut,  jetzt 
abscheulich  backsteinimitierend  gestrichen,  in  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen, 
zeigt  noch  die  hohen  schlanken  Spitzbogenfenster  mit  dem  Maßwerk  (spitze  Kleeblatt- 
bögen des  14.  Jhs.).  Einmal  abgetreppte  Strebepfeiler  und  gotische  Wasserschräge  am 
Äußern.  Nördlich  an  ihn  angebaut  eine  Kapelle,  aus  dem  Achteck  geschlossen,  mit 
ähnlichen  Strebepfeilern,  einpfostigen  Spitzbogenfenstern  mit  Maßwerk,  doppeltem  Kreuz- 
rippengewölbe. Sie  muß  etwas  später  erbaut  sein,  wie  der  nicht  geschickte  Ansatz  an 
den  offenbar  schon  vorhandenen,  einzig  stehen  gebliebenen  nördlichsten  Strebepfeiler 
des  Langhauses  zeigt. 

Ebenfalls  später  an  den  Chor  angebaut,  wie  die  originelle  Benutzung  der  Strebe- 
pfeiler zeigt  (s.  Fig.  265),  die  Sakristei  mit  zwei  quadratischen  Jochen  mit  Kreuzrippen- 
gewölbe, den  Spitzbogennischen  zwischen  den  Strebepfeilern  des  Chors  und  einem  kleinen 
Chörlein  mit  Achteckschluß  und  entsprechendem  Gewölbe,  das  sich  im  Kielbogen  öffnet. 
Auch  hier  einpfostige  Spitzbogenfenster  mit  ähnlichem  Maßwerk  und  einmal  abgetreppte 
Strebepfeiler. 

Die  Langhausmauem  waren  offenbar  bis  auf  wenige  Meter  über  dem  Erdboden 
zerstört.  Nachdem  der  Chor  im  Rohbau  fertig,  ließ  die  Stadt  im  April  1700  sich  den 
Plan  zum  Langhaus  und  Turm  durch  den  Straßburger  Baumeister  Joh.  Wilh.  Zäpfle 
vorlegen,  von  dem  man  danach  wohl  vermuten  darf,  daß  er  den  Chor  im  Aufträge 
des  Domkapitels  hergestellt  hatte.  Im  Juni  wurde  dann  mit  den  Maurermeistern  Franz 
Beer  und  Konrad  Albrecht  aus  Bregenz  akkordiert.  Den  ersteren  haben  wir  schon  in 
Gengenbach  beschäftigt  gefunden,  wo  er  die  Restauration  der  Kirche  und  den  Neubau 
des  Klosters  leitete.  Von  diesen  vorzüglichen  Leistungen  mag  man  in  Offenburg  gehört 
haben.  Beer  ist  einer  der  bedeutendsten  Meister  der  damals  am  ganzen  Oberrhein  so 
tätigen  Vorarlberger  Bauschule,  einer  der  tüchtigsten  Architekten  seiner  Zeit  überhaupt.1) 
In  dem  citierten  Aufsatz  Pfeiffers,  der  zum  ersten  Male  die  Vorarlberger  in  genügender 
Darstellung  in  die  Kunstgeschichte  einführte,  wird  ausdrücklich  hervorgehoben,  daß  er 
vom  einfachen  Maurer  zum  Architekten  von  hohem  Ruf  geworden.  So  verstehen  wir 
die  obige  ausdrückliche  Bezeichnung  als  Maurermeister.  Er  stand  damals  auf  der  Höhe 
seines  Schaffens  und  war  ein  vielbegehrter  Meister,  wie  seine  Beschäftigung  gerade  zu 
dieser  Zeit  in  Gengenbach,  Zwiefalten,  Salem,  Ehingen  u.  a.  m.  beweist.  Uber  seines 
Mitarbeiters  Konrad  Albrecht  Tätigkeit  ist  in  der  Pfeifferschen  Darstellung  nichts  zu 
finden.  Wohl  aber  ersehen  wir,  daß  er  und  seine  Familie  in  mit  ihm  fünf  Mitgliedern 
unter  den  Vorarlbergern  vertreten  war.  Es  berührt  danach  merkwürdig,  daß  beide  nur  als 
Maurermeister  nach  dem  Plan  eines  Straßburgers  gearbeitet  haben  sollen.  Da  auch  der 
Bau  durchaus  mit  dem  Stil  der  Vorarlberger  übereinstimmt,  dürfen  wir  ihn  vollständig  für 
sie  in  Anspruch  nehmen,  wie  auch  die  Innengestaltung  des  Chores;  die  Stadtgemeinde 
hat  sich  nur  vorher  mit  dem  architektonischen  Vertrauten  des  Domkapitels  über  den 
ungefähren  Plan  geäußert.  — Beer  hatte  die  stehen  gebliebenen  Reste  des  Langhauses  zu 
benutzen,  noch  erkennen  wir  den  gotischen  Sockel  und  die  abgeschrägten  Fenster- 
bänke, doch  legte  er  demselben  einen  zu  einem  Drittel  noch  in  die  alte  Fassadenlinie 
hineinragenden  Turm  vor,  neben  diesem  zwei  einstöckige  Räume  mit  Pultdach,  welche 


x)  B.  Pfeiffer,  Die  Vorarlberger  Bauschule  in  Württemberg,  Vierteljahrshefte  NF.  XIII,  S.  1 1 ff. 


Band  VII.  Zu  Seite  48 


Fig.  267.  Katli.  Pfarrkirche  in  Ofenburg.  Bück  von  dem  Chor  in  das  Langhaus. 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


483 


die  Treppen  zu  den  Emporen  enthielten.  Das  Äußere  des  Langhauses  ist  von  größter  Außeres 

. . # des  Langhauses 

Schlichtheit,  nur  die  flachbogigen  Fenster  mit  einfach  profiliertem  Gewände  gliedern 
es.  In  den  Treppenvorhallen  schlichte  Rundbogentüren,  über  denselben  ovale  Barock- 
fenster, Ovalfenster  auch  am  Fassadengiebel.  Elegant  steigt  aus  der  Fassade  der  schlanke 
Turm  auf.  Im  Erdgeschoß  das  Portal  mit  den  Halbsäulen,  dem  verkröpften  Gebälk  Turm 
und  dem  gebrochenen  Rundgiebel,  im  nächsten  Geschoß  einfache  Lisenen  und  Rund- 
bogenfenster, das  letzte  Viereckgeschoß  mit  ionischen  Pilastern  geziert,  über  ihnen 
verkröpftes  Gebälk  und  dann  der  reiche  Achteckabschluß  wie  in  Gengenbach,  mit 
korinthischen  Säulen,  langgestreckten  ovalen  Fenstern,  darüber  das  dreifache  Zwiebel- 
dach. Vermutlich  projektierte  den  Übergang  vermittelnde  Urnen  auf  den  Ecken  des 
Turmes  sind  über  der  Ausführung  weggeblieben. 

Die  Grundrißgestaltung  des  Innern  darf  man  wohl  in  gutem  Sinne  originell  nennen. 

Es  ist  eine  jener  echten  Barockleistungen,  bei  denen  alle  alten  Bezeichnungen  des  Schemas 
versagen.  So  könnte  man  die  Kirche  sowohl  als  einschiffige  mit  Emporen  wie  als  drei- 
schiffige  mit  nicht  ausladendem  Querschiff  bezeichnen.  Zwei  Drittel  des  Langhauses  sind 
durch  kreuzförmige  Pilaster  in  drei  Schiffe  geteilt.  Diese  Pilaster  tragen  ein  architrav- 
artig  behandeltes,  dreifach  geteiltes  Gebälkstück  und  darüber  ein  großes,  mächtig  aus- 
ladendes Gebälk,  auf  dem  die  halbrunden  Archivolten  ansetzen.  Zwischen  den  Kapitellen 
und  dem  ersten  Gebälk  ist  die  Emporenbrüstung  eingezogen,  auf  der  das  große  Gebälk- 
stück gewissermaßen  sich  als  zweite  Pfeilerreihe  darstellt.  In  zweidrittel  Höhe  der  Pfeiler 
setzen  auf  Gesimsen  die  flachen  Bögen  auf,  die  sich  in  die  Seitenschiffe  öffnen,  ent- 
sprechende Pilaster  an  den  Langhauswänden  tragen  mit  jenen  Gesimsen  die  flachen 
Gurtbögen.  Die  Empore  zieht  sich  auch  an  der  Westwand  herum  und  ruht  hier  auf 
entsprechenden  Pfeilern  mit  hohem  Sockel,  kragt  aber  in  mehrfach  gebrochener  Linie 
weit  über  diese  vor.  Das  freibleibende  östliche  Drittel  des  Langhauses  wird  durch  halb- 
runde, von  den  östlichen  Pfeilern  zu  den  Wandpilastern  an  der  Chorstirnwand  sich  herüber- 
spannende Gurtbögen  in  drei  Teile  geteilt,  die  von  Kreuzgratgewölben  mit  mittlerem 
ovalen  Spiegel  gedeckt  sind.  Das  Mittelschiff  ist  mit  einem  scheinbaren  Kreuzgrat- 
gewölbe eingewölbt  ohne  Quergurten,  in  der  Tat  ein  Tonnengewölbe  mit  einschneidenden 
Kappen  und  eingezeichneten  Spiegeln  mit  vielfach  bewegtem  Umriß;  die  Seitenschiffe 
zeigen  flache  Kreuzgratgewölbe  mit  kleinem  runden  Spiegel,  ebensolche  die  Emporen. 

In  die  großen  durchgehenden  Langhausfenster  schneiden  die  Emporen  unvermittelt  ein. 

Der  Chor  ist  mit  einem  entsprechenden  Kreuzgrat-  bezw.  Tonnengewölbe  überdeckt,  er 
öffnet  sich  in  hohem  Rundbogen  nach  dem  Langhaus. 

Die  Innendekoration  dürfte  in  ihrer  Hauptsache  ebenfalls  noch  auf  die  Vorarl-  Innendekoration 
berger  zurückgehen.  Wände  und  Decke  sind  in  weißem  Stuck  gehalten,  die  Stuckver- 
zierungen noch  sparsam  und  in  dem  ruhigen  Geschmack  vom  Anfänge  des  18.  Jhs.  Die 
Pfeiler  mit  den  eleganten  weißen,  leicht  vergoldeten  Kapitellen  waren  wohl  farbig  gedacht 
entsprechend  bemalt  die  Laibungsflächen  der  Bögen  und  die  Brüstung  der  Empore.  Nicht 
alles  aber  stammt  aus  dieser  ersten  Zeit,  denn  an  der  Kirche  ist  während  des  ganzen 
Jahrhunderts  weitergearbeitet  worden,  und  es  zeugen  die  Stuckumrahmungen  der  Seiten- 
türen mit  ihrem  Spalierwerk  etc.  schon  von  der  Hand  eines  im  Geschmack  der  Regence 
bezw.  des  beginnenden  Rokoko  gebildeten  Künstlers. 

Aus  den  verschiedensten  Zeiten  auch  die  Innenajisstattung.  Zu  ihren  frühesten  Innenausstattung 
Teilen  gehören  die  zwei  an  der  Westwand  unter  der  Empore  aufgestellten  Kirchenbänke,  Kirchenbänke 


484 


KREIS  OFFENBURG. 


Altäre 


Chorgestühl 


Kirchen- 

gestühl 


Orgel  # 


deren  Rückwände  reiche,  schwere 
Schnitzerei  in  noch  der  Renaissance 
nahestehendem  Barock  aufweisen. 
1740  wurden  die  Altäre  errichtet 
durch  Franz  Lichtenauer.  Der  Hoch- 
altar ist  ein  mächtiger  Aufbau  aus 
marmorartig  bemaltem  Holz  mit 
Säulen,  gebrochenen  Giebeln,  Voluten- 
baldachin mit  Krone.  Größere  Engel 
und  eine  Menge  von  Putten  schweben 
oben  und  umgeben  unten  das  Taber- 
nakel. Der  Altar  umschließt  ein  Ge- 
mälde der  Kreuzerhöhung,  dekorativ 
wirksam,  aber  stark  nachgedunkelt. 
Daneben  zwischen  den  Säulen  die 
überlebensgroßen,  überschlanken  Holz- 
figuren der  Heiligen  Helena,  Ursula, 
Gangolf  und  Aper.  Die  beiden  Seiten- 
altäre sind  ähnlich  gehalten,  wenn 
auch  natürlich  einfacher,  der  nörd- 
liche mit  der  Statue  der  Madonna 
(18.  Jh.),  der  südliche  mit  einem 
Gemälde  der  Madonna  des  Rosen- 
kranzes. Ungefähr  um  die  gleiche 
Zeit  muß  das  schöne  Chorgestühl 
entstanden  sein  mit  zwei  Sitzreihen, 
in  guter,  geschmackvoller  Rocaille- 
schnitzerei ; nicht  viel  später  auch 
das  derbere  Kirchengestühl  mit 
in  stark  bewegtem  Rocaillestil  ge- 
schnitzten Wangen.  1760  wurde  die 
Orgel  geliefert  von  dem  Offenburger 
Bürger  und  Orgelmacher  Ignatius 
Seuffert,  Sohn  des  Hoforgelmachers 
Philipp  Seuffert  in  Würzburg,  1784 
mußte  sie  in  Rastatt  renoviert  werden. 
Sie  ist  jetzt  durch  eine  neue  ersetzt, 
doch  hat  man  das  alte  Gehäus  bei- 
behalten, das  mit  reicher  Rocaille- 
schnitzerei  verziert  ist  und  oben  die 
Gestalten  zweier  musizierenden  Engel 

Fig.  268.  Kanzel  der  Pfarrkirche  in  Offenburg.  trägt.  In  äußerst  reichen,  bewegten 

Rocailleformen  ist  auch  das  Gitter 
der  Orgelbrüstung  geschnitzt.  1784  lieferte  der  Bildhauer  Joh.  Nep.  Speckert,  von  dessen 
bewegtem,  prozeß-  und  strafenreichen  Leben  uns  Walter  ein  Bild  gegeben,  für  95  fl. 


Tafel  XV 


Vortragskreuz  in  der  kath.  Pfarrkirche  zu  Offenburg  (Vorderseite) . 


Tafel  XVI 


Vortragskreuz  in  der  kath.  Pfarrkirche  zu  Ojfenburg  (Rückseite). 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


485 


die  beiden  Presbyterien  links  und  rechts  vom  Hochaltar  in  steifem  Louis  XVI.,  dekoriert 
mit  geschnitzten  Kirchengeräten  in  der  Nische;  1792/93  arbeitete  er  die  Kanzel 
(s.  Fig.  268)  in  gleichem  Stil,  aber  schon  stark  dem  Empire  sich  nähernd,  aus  verschieden- 
farbigem Marmor  sowie  Stuckmarmor,  der  Schalldeckel  aus  marmorartig  bemaltem  Holz. 
Ein  schön  skulpierter  Früchtekranz  umgibt  ihren  kannellierten  Fuß.  Fünf  größere 
Reliefs : Geburt  Christi,  Jesus  im  Tempel,  Bergpredigt,  Speisung  der  Fünftausend,  Himmel- 
fahrt Christi,  und  zwei  kleinere : der  Gute  Hirt  und  der  Sämann,  in  Alabaster  schmücken 
sie.  Zwölf  Engel,  die  er  noch  anbringen  wollte,  blieben  der  Sparsamkeit  halber  unaus- 
geführt. Der  Bildhauer  Starb  über  seinem  Werk,  es  fehlten  aber  nur  noch  Kleinig- 
keiten, die  der  Bildhauer  Michael  Pfaff  von  Hagenau  ausführte.  In  gleichem  Stil  wie 
die  Kanzel,  aber  in  Sandstein,  ist  der  Taufstein  gearbeitet,  jedenfalls  von  demselben 
Meister.  Von  ihm  dürfte  auch  der  holzgeschnitzte  Kruzifixus  herrühren,  der  im  Lang- 
haus hängt  und  der  auf  einen  tüchtigen  Bildhauer  deutet. 

Über  den  beiden  (neuen)  Seitentüren  Wandgemälde  des  Todes  Mariä  und  einer 
Scene  der  Legende  des  h.  Augustinus,  dekorative  Durchschnittsarbeiten  der  zweiten 
Hälfte  des  18.JI1S. 

Von  den  einstigen,  zu  vermutenden  Glasgemälden  haben  sich  nur  Reste  in  der 
Sakristei  gefunden,  und  zwar  im  Chörlein  ein  stark  ausgeflicktes  Stück : der  Kruzifixus 
zwischen  Maria  und  Johannes,  eine  Arbeit  vom  Ende  des  14.  Jhs. ; zwei  andere,  ebenfalls 
stark  restaurierte  und  zum  Teil  aus  nicht  zugehörigen  Stücken  zusammengestellte,  in 
dem  einen  der  h.  Maternus  mit  zwei  Stiftern,  in  dem  anderen  zwei  heilige  gekrönte 
Frauen,  wohl  vom  Anfänge  des  15.  Jhs. 

Die  alten  Glocken,  »weit  und  breit  der  schönsten  Resonanz  halben  hoch  berühmt 
gewesen«,  22  an  der  Zahl,  sind  1689  von  den  Franzosen  weggefiihrt  worden.  Als  sie 
bei  Breisach  über  den  Rhein  geführt  werden  sollten,  gelang  es  den  dortigen  Einwohnern, 
die  zwei  größten  zu  kaufen,  was  Aufzeichnungen  nach  schon  vor  1697  geschehen  ist. 
Sie  hängen  im  dortigen  Münster,  die  eine,  größere  stammt  laut  Inschrift  von  1491,  die 
andere  aus  der  Zeit  um  1662.1) 

Von  den  heutigen  Glocken  stammen  drei  vom  Jahre  1728,  eine  davon  wurde 
jedoch  1849  umgegossen.  Alle  tragen  (bezw.  trugen)  am  oberen  Rande  die  Inschrift: 
JESUS  NAZ.  REX  IUDAEORUM  DEFENDIT  NOS  AB  OMNIBUS  MALIS, 

die  mittlere  Kreuzglocke  des  weiteren  in  der  Mitte : 

IN  HONOREM  SANCTAE  CRUCIS  EXALTATAE  ME  FUNDI  CURAVIT  VEN  • COMMUNITAS 

CIVITATIS  OFFENBURGENSIS  EX  ELEMOSINIS  CHRISTI  FIDELIUM  ANNO  1728, 
und  am  unteren  Rand: 

JOHANN  BAPTIST  ALLGAIER  HAT  GOSSEN  MICH. 

Die  nördliche  zeigt  die  wohl  getreu  erneuerte  Inschrift: 

IN  HONOREM  JOSEPHI  ET  ALIORUM  SANCTORUM  FUNDI  ME  FECIT  VENERAB.  COMMUNITAS 
OFFENBURGENSIS  EX  ELEMOSINIS  CHRISTI  FIDELIUM  1728, 
und  am  unteren  Rand: 

DENUO  FUSA  18+9  PER  CAROL.  ROSENLAECHER  CONSTANZ. 

*)  Kunstdenkmäler  VI,  S.  68,  und  Walter  a.  a.  O.  Des  letzteren  Angaben,  der  eine  ältere 
Glocke  des  Münsters  für  die  aus  Offenburg  stammende  hält,  sind  danach  zu  korrigieren.  Abbild, 
bei  Walter. 


Presbyterien 

Kanzel 


Taufstein 

Kruzifixus 


Glasgemälde 


Glocken 


486 


KREIS  OFFENBURG. 


Kirchengeräte 


Die  Inschrift  der  südlichen  Glocke  lautet: 

IN  HONOREM  SANCTAE  MARIAE  VIRGINIS  ASSUMPTAE  ME  FUNDI  CURAVIT  VEN. 
COMMUNITAS  CIVITATIS  OFFENBURGENSIS  EX  ELEMOSINIS  CHRISTI  FIDELIUM  ANNO  1728, 
und  am  unteren  Rand : 

JOHANN  BAPTIST  ALLGAIER  HAT  GOSSEN  MICH. 

Uber  ihnen  hängt  noch  ein  kleines  sogen.  Silberglöckchen  mit  der  Inschrift: 
MATTEUS  EDEL  ZU  STRASSBURG  GOS  MICH  I76>. 

Die  größte  Glocke  stammt  aus  dem  19.  Jh. 

An  der  Chorwand  der  Kirche  ein  Epitaph,  rechteckige  rote  Sandsteintafel,  mit  der 
Inschrift : Memoria  generosi  domini  Heinrici,  comitis  in  Werdenberg  canonici  ecclesie  • 
argen,  collatoris  huius  ecclesiae  obiit  anno  quingentesimo  quinto. 

Darunter  das  werdenbergische  Wappen. 

In  der  Sakristei  (bezw.  in  der  Kirche)  an  Kirchengeräten : 

Speisekelch,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Rocailleornamenten  und  Bandgeschlinge. 

Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  Engeln,  Bandornamenten  und  Girlanden, 
gestiftet  von  Archipresbyter  Laurentius  Schlecht  1727. 

Zwei  silbergetriebene  und  vergoldete  Rocaillekelche  mit  Augsburger  Beschau- 
zeichen, der  eine  (mit  den  Leidenswerkzeugen)  mit  p^g,  der  andere  mit 

Silbergetriebene  Monstranz,  in  dem  gotischen  Aufbau  mit  Fialen,  Strebepfeilern, 
Krabben  etc.,  auf  sechspaßförmigem  Fuß  mit  Fischblasenornament,  merkwürdigerweise 
— man  denkt  an  die  Straßburger  Münsterarkaden  — ein  Werk  des  1 8.  Jhs.  und  ein  Geschenk 
des  Domstiftes,  überreicht  in  dessen  Namen  am  10.  August  1791  von  Fürst  von  Hohenlohe. 

Große  Sonnenmonstranz,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Emailmedaillons  der  vier 
Evangelisten  am  Fuß,  oben  einem  solchen  mit  der  Darstellung  Gott -Vaters  und  des 
heiligen  Geistes,  in  falschen  Brillanten  gefaßt. 

Eine  messingene  Kanne  mit  Drache  am  Henkel  und  Adler  als  Ausguß,  in  spät- 
romanischen Formen  (im  Pfarrhaus  aufbewahrt),  die  Tiere  aus  dem  13.  Jh.,  die  Kanne 
wohl  im  15.  Jh.  erneuert. 

Weihrauchschiffchen,  silbergetrieben,  mit  Rocailleornament. 

Weihrauchfaß  in  den  gleichen  Formen. 

Im  gleichen  Stil  silbergetriebene,  vergoldete  Meßkännchen  vom  Ende  des  1 8.  Jhs 
mit  Girlanden. 

Zwei  ewige  Lampen,  Silber,  teils  getrieben,  teils  gegossen  (in  der  Kirche  auf- 
gehängt), die  eine  trägt  die  Inschrift:  »H  • Z • Jacob  Dalimann.  — H • Z • Jacob 
Friesinger«.  Zeichen:  in  Lorbeer  ein  Drache,  daneben  »S  • Z •«  (Schmiedezunft),  dann: 
»H  • Z • Balthasar  Kokell.  — H • Z • Michael  Gering.  1732«.  Wohl  die  Namen  der 
Zunftvorsteher. 

Auf  dem  Hochaltar  zwölf  Leuchter,  silbergetrieben,  aus  der  ersten  Hälfte  des  18.  Jhs. 

In  der  Sakristei  auch  das  berühmte  Vortragskreuz  von  1515,  weißsilbergetrieben 
und  gegossen,  leicht  vergoldet.  Auf  der  Vorderseite  (Tafel  XV)  an  einem  naturalistischen 
Holzstamm  die  Figur  Christi  mit  flatterndem  Lendentuch.  Edle  Gestalt  mit  der  üblichen 
starken  Betonung  des  Brustkastens  und  eingezogenen  Weichteilen.  In  den  Vierpässen 
die  Evangelistensymbole  in  Relief,  von  krausem  Blattwerk  umrahmt.  Der  achteckige 
Knauf,  an  den  Kanten  mit  sich  kreuzendem  Astwerk  verziert,  trägt  die  Jahreszahl  1515 


Band  VII.  Zu  Seite  487. 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


487 


und  das  Offenburger  Zeichen.  Bedeutender  noch  die  Rückseite  des  Kreuzes  (Tafel  XVI) : 
in  den  Vierpässen  und  im  Mittelrund  in  krausem  Rankenwerk  Amethysten  und  geschliffene 
Rheinkiesel,  am  Stamm  aber  eingraviertes  Rankenwerk,  in  dem  Putten  musizieren  bezw. 

Kronen  darbringen,  und  die  überaus  liebliche  Gestalt  der  Maria  mit  dem  Kinde, 
etwa  um  ein  Drittel  verkleinerte  Kopie  von  Dürers  Kupferstich  Maria  mit  dem  langen 
Haar  und  Stirnband  (B.  30)  ’)  (s.  Fig.  269).  Das  Ganze  ein  hervorragendes  Meisterwerk 
der  Goldschmiedekunst. 

Madonnenstatuette , 1 8 cm  hoch,  silbergetrieben,  auf  Mond  und  Wolken  in  ver-  Madonnen- 

’ J ° Statuette 

goldeter  Strahlenmandorla,  von  einem  Prozessionsstab;  18.  Jh. 

Madonnenstatue,  kupfergetrieben  und  versilbert,  etwa  1 m hoch  (Immaculata  Madonnenstatue 
Conceptio),  auf  kupfernem  Weltenball  mit  versilbertem  Mond  und  Schlange.  Äußerst 
charakteristische  Empirearbeit,  die  h.  Jungfrau  streng  antikisierend,  junoartig  aufgefaßt. 

An  Kirchengewändern  zu  nennen  ein  silber-  und  golddurchwirktes  Pluviale  mit  Kirchengewänder 
in  Seide  eingewobenen  Blumen,  sowie  eine  silberdurchwirkte  Casel  mit  eingestickten 
Blumen,  beide  aus  dem  18.  Jh. 

Am  Äußern  der  Pfarrkirche  sind  eine  Anzahl  Grabdenkmäler  und  Epitaphien  Grabdenkmäler 

am  Äußern  der 

erhalten  : Pfarrkirche 

1.  Grabmal  des  Jörg  von  Bach  (s.  Fig.  270),  der  Zeit  nach  das  älteste  und  wohl 
auch  das  künstlerisch  bedeutendste.  (Weißer  Sandstein,  etwa  3,2  m hoch  und  2 m breit.) 
Balustersäulchen  mit  frei  behandelten  korinthischen  Kapitellen,  welche  durch  eine  Frucht- 
girlande verbunden  sind,  flankieren  eine  flache  Nische  und  tragen  den  abschließenden 
Rundbogen,  in  dessen  Feld  in  flachem  Relief  Rankenornament  angebracht  ist.  Die  Archi- 
volte  ebenfalls  von  Blattkranz  umgeben.  Vor  der  Nische  die  lebensgroße  Gestalt  des 
barhäuptigen  Ritters  im  sogen.  Maximiliansharnisch  mit  leicht  geneigtem  Kopf  und 
ausgebogener  Hüfte,  die  Rechte  auf  das  Schwert,  die  Linke  auf  das  Helmkleinod  (die 
Meerschnecke)  seines  Wappens  gestützt.  Zu  seinen  Füßen  der  mit  Federn  geschmückte 
Turnierhelm.  Zu  beiden  Seiten  der  Nische  eine  schmalere  Abteilung  von  Balustersäulchen 
begrenzt,  die,  aus  vielfachen  Teilen  bestehend,  mit  dem  ganzen  Reichtum  einer  üppigen 
Phantasie  überhäuft  sind : fabelhaften  Gestalten,  Blattwerk,  Schuppenwerk  etc.,  und  in  einer 
Halbkugel  enden.  In  diesen  Abteilungen  je  zwei  Wappen  (einmal  das  Bachsche),  wohl 
der  Eltern,  Großeltern  und  Urgroßeltern  des  Verstorbenen.  Der  Sockel,  auf  dem  der 
Ritter  steht,  wird  von  einem  in  leichten  Falten  fallenden  Tuch  bedeckt,  das  von  einem 
zeitgenössisch  gekleideten  Meerweibchen  und  Meermännchen  gehalten  wird.  Auf  diesem 
Tuch  steht: 

Sünna  bomini  1538  ben  19  bemnbri*) **  tiailj 
mittag  nadj  cbbcrn  ift  berfrfjatbJ  her  €bcl 
unb  Crnbcft  SJatig  bau  'ü&ailj  bet  letzte  bc£ 
jflöannc^  ^tamc£  ban  bem  o5ott  ber 
^llmrrijtig  a$ncbig  unb  ^artnljcrsig  fp  1 

Unter  den  Seitenteilen  auf  Täfelchen  steht: 

PER  ME  CRISTOFF  • VR. 

(Renoviert  von  A.  Kayser  1895.) 

*)  Siehe  auch  »Alte  kunstgewerbliche  Arbeiten  auf  der  Badischen  Kunst-  und  Kunstgewerbe- 
ausstellung zu  Karlsruhe  1881 «. 


Band  VII. 


32 


488 


KREIS  OFFENBURG. 


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Fig.  270.  Grabmal  des  Jörg  von  Bach  an  der  kath.  Pfarrkirche  in  Offenburg. 


Das  schöne  Grabmal,  ein  Werk  des  Christoph  von  Urach,  den  wir  aus  mehreren 
Arbeiten  — Taufstein  in  der  Küche  zu  Urach,  Grabmal  des  Markgrafen  Philipp  II.  in  der 
Kirche  zu  Baden-Baden,  dann  des  Grafen  Michael  in  der  Kirche  zu  Wertheim  — kennen, 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


4S9 


ist,  wie  Lübke  mit  Recht  sagt,1)  »eine  der  vorzüglichsten  Leistungen  unserer  Früh- 
renaissance«. Es  zeigt  die  ganze  üppige  Phantasie  dieses  Stils,  die  Verachtung  der 
1)  Lübke,  Kunstwerke  u.  Künstler,  S.  344. 


32 


49© 


KREIS  OFFENBURG. 


strengeren,  architektonischen  Form.  Keine  allzu  feine,  aber  sehr  tüchtige  Arbeit;  der 
Kopf,  obschon  etwas  trocken  behandelt,  in  seinem  leis  melancholischen  Ausdruck  von 
packender  Lebenswahrheit. 

2.  An  der  Nordseite  des  Langhauses  schlichtes  Epitaph  des  Rudolf  Blumenstein 
und  seiner  Mutter ; er  war  offenbar  wegen  dem  Sieg  der  neuen  Lehre  in  Straßburg  nach 
Offenburg  übergesiedelt.  Laut  Umschrift: 


GEDCTNUS  DES  WIRDIGEN  HERREN  RUDOLF  BLUMENSTEIN 

ZUM  JUNCEN  S.  PETER  ZU  STROSBURG  UND  CATHARINE  SEINER 
GELIEBTE  MUOTER  DENEN  GOT  GENEDIG  SEY.  STARB  IM  JAR  157? 
DEN  28  DAG  HORNUNG. 

3.  An  der  Chomordseite : Grabmal  des  Schultheißen  Philipp  Berger  (s.  Fig.  271). 
Auf  einem  Postament  mit  schmaler  Rollwerkkartusche  erheben  sich  zwei  reich  mit 
Beschlägornament  verzierte  ionische  Pilaster  und  flankieren  das  Hauptfeld,  auf  dem 
in  Hochrelief  der  auferstandene  Christus  dargestellt  ist,  mit  der  Kreuzesfahne,  die  Rechte 
segnend  erhoben.  Das  Grab  ist  von  Gras  mit  Molchen  und  Totenköpfen  umgeben.  Das 
Ganze  abschließend  ein  Architrav,  an  dessen  Fries  ebenfalls  Beschlägornament  und  darüber, 
von  Rollwerk,  Voluten,  Fruchtgewinden  flankiert  und  von  einem  Maskaron  bekrönt,  die 
Tafel  mit  der  Inschrift : 

(ßebedjtmtfT  'Pcb  €fjrnbeften  IDnb 
IDrijcn  Herren  . 3£>trgcrf 

ailtjii'  oTuAucfcn  . SUurfj  I)itt 
3icrg  ^ergerf  iuiü  Sabina  Jlkact> 
tfjolfftn  Leiber  feiner  €Kttercn  • 

^tarb  £>cn  • t . tag  tfebtuarü 
5Unno  . MDL.müiii. 


An  dem  sonst  schmucklosen  Postament  des  Ganzen  ein  Wasserkessel  mit  einem 
Schild,  worin  ein  sitzender  Hund  und  des  weiteren  die  Inschrift:  Dieses  Epitaph  hat 
renovieren  lassen  Maria  Theresia  Witmaierin  geborene  Bergerin  in  Ofifenburg  den  ? ? ?. 

4.  Grabmal  des  Caspar  Wydt  (s.  Fig.  272),  aus  dem  gleichen  gelben  Sandstein 
gefertigt  wie  das  vorherige.  Auf  einem  Sockel  mit  großer  Rollwerkkartusche,  worin 
die  Inschrift,  eine  flache  rundbogige  Nische,  in  der  in  Flachrelief  eine  Strahlenmandorla, 
vor  ihr  ein  kleiner  Rundsockel,  auf  dem  wohl  eine  Statue  der  Madonna  gestanden  hat. 
Zu  beiden  Seiten  der  Nische  Hermen,  die  das  kräftig  vorladende  Gesims  tragen,  an 
dessen  Fries  ein  Engelsköpfchen  und  Beschlägornament  skulpiert  ist.  Die  Bekrönung 
des  Ganzen  bildet,  von  Voluten  und  Früchten  umgeben,  eine  Rollwerkkartusche  mit 
dem  Wappen.  Die  Inschrift  unten  lautet : 


HOC  QUIS  SUB  TUMULO  LATITET  SCIVISSE 

VIATOR 

EXPETIS:  EN  CASPAR  NOTE  WYD  A SUO 

ISTE  PROCURABAT  MAGNO  NEGOTIA 

SUMMI 

ARGENTINENSIS  CUNCTA  LABORE  CHORI 

G • W • F • F 


SED  CUM  I AM  PROCERUM  LATE  DISCORDIA 

FRÜM 

IRREPSIT  NIMIUM  (heu)  PERNITIOSA  LUES 
ECCE  SOLUM  PATRIUM  MOX  SEDE  OPIBUS- 

QUE  RELICTIS 

REPPEDIT  HAC  PLACIDE  NUNC  REQUIESCIT 

HUMO 

15-9-6- 


Friedhof 


Kruzifixus 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


49 1 


Also  ein  Mitglied  des  Straßburger  Domkapitels,  ein  gebürtiger  Offenburger,  der 
ebenfalls  vor  der  neuen  Lehre  nach  Offenburg  sich  zurückgezogen.  Das  Grabmal  ein 
etwas  derbes,  aber  flottes  Spätrenaissancewerk. 

Dieses  sowie  das 
vorhergehende  Grabmal 
hatten  offenbar  bei  dem 
Brande  1689  stark  gelitten, 
mußten  geflickt  und  viel- 
leicht in  die  erneuerte 
Mauer  eingefügt  werden. 

5.  An  dem  Chor  die 
überlebensgroße  Statue  des 
Erzengels  Michael  auf 
barockem  Sockel.  Roter 
Sandstein.  Charakteristi- 
sches, derbes  Barockstück. 

Laut  der  langatmigen  In- 
schrift am  Sockel  1732 
von  dem  Zinsmeister  des 
Andreasspitals  F.  A.  Witsch 
gestiftet. 

Auf  dem  alten  Fried- 
hof, der  jetzt  in  eine  An- 
lage umgewandelt  ist  und 
an  die  Stadtmauer  anstößt, 
der  große  Kruzifixus 
(s.  Fig.  273)  aus  rotem 
Sandstein  auf  erneuertem 
Sockel.  Der  edle  Kopf 
ist  leicht  geneigt,  der 
Körper,  »in  der  scharfen 
und  mageren  Behandlung 
seiner  Formen  und  der 
bestimmten  Darlegung  des 
Knochengerüstes , verrät 
ein  tüchtiges  Verständnis 
des  menschlichen  Organis- 


mus«.1) Mit  dem  flattern- 


Fig. 272.  Grabmal  des  Caspar  IVydt  an  der  kath.  Pfarrkirche 
in  Offenburg. 


den,  knittrigen  Schurz,  der 
übertriebenen  Einziehung 
der  Weichteile  unter  den  Rippen,  der  scharfen  Behandlung  der  Muskeln  ist  dies  Werk 
ein  echtes  Beispiel  der  naturalistischen  Spätgotik  und  doch  vornehmer  als  die  meisten 
gleichzeitigen  Produktionen.  Leider  geht  der  weiche  Sandstein  trotz  des  schützenden 


x)  Lübke  a.  a.  O.  S.  342. 


492 


KREIS  OFFENBURG. 


Fig.  273.  Kruzifix  auf  dem  alten  Friedhof  in  Offenburg. 

Daches  unrettbar  der  Zerstörung  entgegen.  — Oben  ein  angeschlagenes  Blechschild 
imitierend  das  Täfelchen  mit  der  Inschrift:  Jesus  Nazarenus  Rex  Judeorum  in  lateinischer, 


Offenburg,  Ölberg. 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


493 


griechischer  und  hebräischer  Sprache,  ein  merkwürdiges  Beispiel  des  Humanismus  in 
Deutschland.  Am  Fuß  die  Jahreszahl  1521  und  das  Zeichen:  XX,  welch  letzteres  man 
als  Andreas  Uracensis  gelesen  hat,  in  Gedanken  an  den  Christoph  von  Urach,  und 
das  Werk  also  einem  Ver- 
wandten desselben  zuge- 
schrieben hat.  Solange  aber 
dieser  Andreas  nicht  nach- 
gewiesen ist,  besteht  nicht 
der  geringste  Grund  einer 
solchen  Auflösung  des 
Zeichens,  das  ich  unge- 
deutet  lassen  muß.  Es 
kehrt  übrigens  am  ölberg 
wieder. 

Der  Ölberg  (Tafel 
XVII) : Großer  Nischenbau, 
der  sich  in  einem  mit  Hohl- 
kehlen und  Rundstäben  pro- 
filierten Rundbogen  öffnet, 
mit  einem  Netzrippen- 
gewölbe. Im  Vordergrund, 
der  durch  faschinenartiges 
Flechtwerk  gehalten  wird, 
die  drei  Jünger,  von  denen 
Petrus  erwacht  ist  und  in 
beginnendem  Zorn  mit  der 
Rechten  am  Boden  nach 
dem  Schwert  tastet.  Hinter 
ihnen,  durch  eine  Futter- 
mauer von  Steinen  ge- 
stützt, an  der  Farrenkräuter, 

Disteln , Wegerich , der 
betende  Heiland,  den  edeln 
Kopf  nach  oben  erhoben, 
wo  über  den  mit  Efeu  be- 
kleideten, etwas  zu  regel- 
mäßig geschichteten  Felsen 
der  Engel  mit  dem  Kelch 
erscheint ; lebhaft  flattert 
vom  Fliegen  sein  Gewand. 

Der  Garten  ist  abgeschlossen  durch  einen  Bretterzaun,  der  sich  zu  äußerst  links  vom 
Beschauer  in  einer  Tür  öffnet.  Zaun  und  Türe  sind  mit  solcher  Virtuosität  in  der  Holz- 
maserung skulpiert,  daß  man  sie  auf  den  ersten  Blick  für  echtes  Holz  halten  mag.  Durch 
die  geöffnete  Tür  dringen  die  Häscher  ein,  ein  Teil  naht  hinter  dem  Zaun,  voran  Judas 
mit  dem  Geldbeutel.  Die  Häscher,  wie  es  üblich  war,  in  der  damaligen  Zeittracht 


Fig.  274..  Rest  eines  Portals,  an  der  Rückseite  des  Ölbergs 
in  Offenburg  eingemauert. 


Olberg 


494 


KREIS  OFFENBURG. 


Portal 


Grabplatten 


gekleidet  und,  wie  es  die  deutsche  Kunst  bei  dieser  Scene  liebte,  in  ihrer  abschreckenden 
Häßlichkeit  und  Gewöhnlichkeit  scharf  charakterisierte  Gestalten.  Der  eine  trägt  einen 
Pechkranz,  einer  naht  mit  einer  Muskete,  der  dreht  die  Kurbel  seiner  Armbrust,  jener 
nimmt  rasch  einen  Schluck  aus  der  Feldflasche,  ein  anderer  hält  seine  Laterne  über  den 
Zaun  zur  Beleuchtung.  Hinter  ihnen  in  Flachrelief  Berge,  besetzt  mit  steifen  Bäumen 
und  Steinbänken,  im  Hintergrund  nahen  noch  zwei  verspätete  Häscher  aus  den  Toren 
Jerusalems,  das  naturgemäß  einer  deutschen  Stadt  ähnelt.  Hier  geht  das  Relief  in  Malerei 
über,  weiterhin  in  ein  Landschaftsgemälde  mit  Berg  und  Fluß.  Dementsprechend  war 
der  ganze  ölberg  bemalt,  die  Spuren  noch  an  den  Pflanzen  deutlich  erkennbar,  an  den 
Eisenteilen  der  Tür,  an  den  Augen  der  Persönlichkeiten  etc.  Allerdings  ist  das  wohl 
aufgefrischt  durch  einen  Restaurator  des  18.  Jhs.  Aber  eine  vollständige  einstige 
Bemalung  müssen  wir  zweifellos  annehmen.  In  den  Schlußsteinen  des  Netzgewölbes  ein 


Auferstandener  und  ein  Schildchen  mit  dem  Zeichen 


't' 


an  dem  Täfelchen  unten  rechts 


die  Jahreszahl  M • D • XXIIII  und  darunter  das  Zeichen  XX,  an  dem  linken  Täfelchen 
steht  das  Renovationsdatum  1820.  (Roter  Sandstein.)1) 


Dem  Zeichen  nach  wäre  das  Werk  von  derselben  Hand  wie  das  Kruzifix,  doch 
hält  eigentlich  nur  der  Christus  mit  seinem  ausdrucksvollen  Kopfe  und  den  feingeglie- 
derten Händen  den  Vergleich  aus.  Die  Jünger  sind  zwar  im  Ausdruck  recht  gut  getroffen, 
ihre  Stellung  ist  aber  noch  etwas  ungeschickt,  die  Durcharbeitung  der  Hände,  der 
Gewänder  etwas  roh.  Das  gleiche  gilt  von  den  Häschern.  Ich  vermute,  daß  der  Meister 
selbst  nur  den  Erlöser  gearbeitet  hat  und  vielleicht  den  graziösen  Engel,  alles  andere  in 
seiner  Werkstatt  seine  Gehilfen,  um  so  mehr,  als  das  Offenburger  Werk  nichts  anderes  ist 
als  eine  umgekehrte  und  verkleinerte  Kopie  des  Olberges  im  Straßburger  Münster,  denn 
von  Ähnlichkeit  und  Übereinstimmung,  Arbeit  nach  denselben  Typen  ist  hier  nicht  mehr 
zu  reden,  sondern  es  ist  das  eine  Werk  eben  schlechterdings  eine  Kopie  bezw.  eine 
direkte  Wiederholung  des  anderen  von  dem  gleichen  Meister  bezw.  der  gleichen  Werk- 
statt. War  der  Meister  des  Kruzifixes  vielleicht  ein  Straßburger  Künstler?  Wir  können 
darüber  heute  nichts  Bestimmtes  aussagen. 

Auf  der  Rückseite  des  Ölbergs  ist  der  Rest  eines  spitzbogigen  Portals  (s.  Fig.  274) 
eingemauert,  das  in  sehr  origineller  Weise  jene  Mischung  von  Renaissance  und  Gotik 
zeigt,  wie  sie  unserer  sogen.  Frührenaissance  eigen  ist.  Auf  Konsolen,  die  auf  der 
einen  Seite  durch  den  Oberkörper  eines  Löwen,  auf  der  anderen  den  eines  Mannes 
gebildet  sind,  welche  Wappen  halten,  setzt  das  sich  kreuzende  Rundstabwerk  der  großen 
Hohlkehle  an,  alles  in  der  saftigen  Behandlung  der  Renaissance  und  das  Ganze  von 
schlanken  Renaissancesäulen  mit  phantastischen  korinthischen  Kapitellen  flankiert. 
Der  Bogen  ist  mit  derben  Blättern  besetzt  und  endigt  in  einem  Kielbogen.  Unten 
zu  beiden  Seiten  vorspringende  Postamente  mit  Säulchen  und  Kielbögen.  Das  Stück, 
aus  rotem  Sandstein  gearbeitet,  könnte  von  der  Pfarrkirche  oder  vielleicht  noch  eher 
von  einem  stattlichen  Profanbau  stammen.  Daneben  eingemauert  zwei  Grabplatten, 
auf  denen  in  Rocailleumrahmung  unter  fünfzackiger  Krone  das  Wappen,  darunter  die 
Inschrift : 


*)  Die  Behauptung,  daß  in  dem  Felsen,  über  dem  der  Engel  schwebt,  ein  unterirdischer  Gang 
bis  unter  die  Stadtmauer  beginne,  halte  ich  nicht  für  glaubhaft.  Das  erwähnte  Zeichen  bei  der 
Jahreszahl  ist  jetzt  verwittert. 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


495 


Rechts : 

IOANN  : FRANC  : PETZELT 
SER  : D : MARCH  : BADENS 

CONSATRAPA  & SECRET : 

ORTENAVIAE 
OBIIT  XVIII  • FEBRVARII  • 

MDCCL  VIII 
ANN  • /ETAT  LXV 
R ■ I • P. 

Links : 

MAR  : THERES  : NATA  UNTZ 
D ■ IOANN  : FRANC  • PETZELT 
CONSATR  : & SECRET  • ORTEN  : 

CONIVX  • OBIIT  XXIV  APRILIS 
MDCCXL  VII 
ANN  • ALT AT  • XLVI 
R • I • P. 

Des  weiteren  auf  dem  alten  Friedhof  noch  einige  Grabsteine,  so  an  der  Pfarrhof- 
mauer  in  Rollwerkkartusche  der  des  David  Hoffmann  mit  der  Inschrift : 

Clariss.  et  ornatiss  dno  Davidi  Hoffmanno  illustriss.  principis  Philippi  secundi 
marchionis  Badensis  sumo  quaestori  et  consiliario  fundatori  salutationis  deiparae  virginis 
(quam  salve  regina  vocant)  et  anniversarii  sui  ac  principis  supra  citati  devotissimo  ac 
zelosiss.  pie  atque  memoriae  ergo  grati  haeredes  parentarunt  anno  MDCVI. 

Weiterhin : 

Epitaph  des  Chr.  Schintzius.  Schmucklose  Sandsteinplatte  mit  der  Inschrift: 

Venerabili  ac  perudito  domino  Christophoro  Schintzio  A.  A.  L.  B.  ac  philosophiae 
magistro  S.  S.  Theologiae  candidato  ad  S.  M.  Andream  Wormatiae  canonico  ecclesiae 
huius  Offenburgensis  S.  M.  in  annum  coadjutori  XXI  Maii  MDCXXXIV  feliciter  expiranti 
et  indigno  eiusdem  rectori  tum  quidem  adhuc  spiranti  simile  autem  judicium  in  dies 
expectanti  hocce  curanti  aeviternam  caritivus  opta  viator  quietem. 

Epitaph,  Sandsteinplatte  mit  großem  Kreuz,  Wappen,  Putten  und  Vorhang,  worauf 
die  langatmige  Inschrift,  nach  der  hier  liegt : vir  nobilis  ac  strenuus  Dominus  Simon 
Bruder  Serenissimi  Marchionis  B.  B.  consiliarius  camerae  aulicae  et  praefectus  iudicii 
Appenw.  in  Ortenavia  qui  die  n Febb.  1768  vivere  desiit. ; daneben  und  darum  lange 
Sprüche. 

Eine  Anzahl  anderer  Grabsteine  mit  Rocailleverzierung  lassen  die  Inschrift  nicht 
mehr  lesen,  ebenda  auch  noch  einige  schmiedeeiserne  Kreuze  des  18.  Jhs. 

Zwei  Reste  von  Stationsreliefs,  der  eine  fast  ganz  unter  der  Erde  versunken,  der 
andere  mit  der  Kreuztragung ; drei  weitere : Christus  nimmt  das  Kreuz,  begegnet  seiner 
Mutter,  bricht  unter  der  Kreuzeslast  zusammen,  am  Haus  Kirchstraße  Nr.  1 9 eingemauert. 
Sehr  derbe  Werke  des  Joh.  Nep.  Speckert,  welche  derselbe  1779  angefertigt  hat;  sie 
waren  ehemals  am  Weg  nach  Weingarten  angebracht. 

Zwischen  dem  Schulhaus  und  Pfarrhaus  war  ein  schönes,  schmiedeeisernes  Gitter 
des  16.  Jhs.  aufgestellt  (s.  Fig.  275),  angeblich  ein  Rest  des  ehemaligen  Chorgitters.  Das 
Oberlicht  desselben  (mit  dem  Doppeladler)  ist  jetzt  in  die  städtischen  Sammlungen 


Stationsrelief 


496 


KREIS  OFFENBURG. 


Franziskaner* 

kloster 


Kirche 


Türflügel 


Sandsteinstatuen 


Inneres 


verbracht.  In  der  Mauer  daneben  große  Toreinfahrt,  im  Spitzbogen  mit  der  Jahres- 
zahl : . .'I  i o l X. 


Das  ehemalige  Franziskaner- 
kloster, jetzt  Kloster  und  Erziehungs- 
institut der  Schwestern  des  sacre  cceur, 
ist  wohl  nach  dem  Stadtbrande  auf  den 
alten  Fundamenten  wieder  aufgebaut 
worden.  1702  wurde  der  Neubau  be- 
gonnen, 1705  das  Mesnerhaus  erbaut, 
1717  war  das  Rektorat  im  Bau  be- 
griffen. Die  stattliche  Anlage  besteht 
aus  der  Kirche,  mit  dem  an  die  Nord- 
seite des  Chors  sich  anschließenden 
Kreuzgang,  vielleicht  ein  ehemaliger 
zweiter,  während  der  erste  an  der 
Nordseite  des  Langhauses  lag.  Um 
die  Klausur  gruppieren  sich  die  teil- 
weise veränderten  schlichten  Baulich- 
keiten des  18.  Jhs. 

Die  Kirche  betritt  man  durch  ein 
erhaltenes  spätgotisches,  rundbogiges 
Portal,  dessen  Gewände  mit  Hohlkehlen 
und  Rundstäben  profiliert  sind.  Die  Tür- 
flügel sind  gute  Holzschnitzerarbeit 
mit  Rankenwerk  etc.  des  beginnenden 
18.  Ihs.  Zu  beiden  Seiten  des  Portals 
überschlanke  barocke  Sandsteinstatuen 
des  18.  Jhs.  der  Madonna  und  des 
h.  Nepomuk,  am  Sockel  des  letzteren 
das  Offenburger  Wappen  und  die  In- 
schrift: Johannes  Baptista  Burck  Pfarrer 
. . Grisheim,  wonach  die  Statuen  also 
wohl  aus  letzterem  Ort  stammen. 

Das  Innere  ist  einschiffig,  mit 
rundbogigen  Nischen  zwischen  den 
mächtigen  korinthischen  Seitenpfeilern, 
Durchgänge  in  diesen  verbinden  die 
Nischen,  über  ihnen  Emporen,  die  sich 
wie  in  der  Pfarrkirche  zwischen  dem 
starken  verkröpften  Gebälk  der  Pfeiler 
öffnen.  Ohne  Querschiff  schließt  sich 
daran  der  lange  Chor  mit  Achteckschluß, 
der  noch  die  hohen,  spitzbogigen  Fenster  mit  frühem  Maßwerk  zeigt.  An  der  Ecke  von 
Chor  und  Langhaus  runder  Treppenturm,  auf  dem  Dach  kleiner  Dachreiter.  Aus  der  Be- 
schreibung geht  klar  hervor,  daß  im  ganzen  die  Erscheinung  der  alten  F ranziskanerkirche 


±=j 


0 so  wo  Centtm 

Fig.  275.  Schmiedeeisernes  Gitter,  ehemals  zwischen 
Schul-  und  Pfarrhaus  in  Offenburg  aufgestellt. 


Band  VII.  Zu  Seite  497. 


276.  Hochaltar  der  Franziskatierkirche  in  Off'cnburg. 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


497 


gewahrt  geblieben  ist,  der  Predigtkirche : das  weite  Langhaus,  das  wohl  flach  gedeckt 
war,  mit  dem  anschließenden  großen  und  hohen  Chor.  Wie  weit  auch  im  Langhaus  noch 
der  alte  Kern  steckt,  läßt  sich  natürlich  ohne  besondere  Untersuchung  nicht  sagen,  einige 
Meter  hoch  vom  Boden  sind  sicher  alt,  wie  ein  später  zu  erwähnendes  Wandgemälde 
beweist.  Chor  und  Langhaus  sind  jetzt  mit  (Schein-)Tonnenge wölbe  mit  einschneidenden 
Kappen,  die  Nischen  mit  Tonnen-,  die  Emporen  mit  Kreuzgratgewölben  überdeckt.  An 
den  Decken  geschmackvolle  Rocaillestuckornamente.  An  der  Westwand  zieht  sich  die 
Orgelempore  herum.  — Ich  möchte  nach  allem  vermuten,  daß  wir  auch  hier  den  Bau 
eines  Vorarlberger  Meisters  vor  uns  haben. 

Von  der  Innenausstattung  ist  der  Hochaltar  (s.  Fig.  276)  hervorzuheben,  ein  bis 
zur  Höhe  der  Gewölbe  emporragender,  mächtiger  Aufbau  von  gewundenen  Säulen, 
verkröpftem  Gebälk,  gebrochenen  Giebeln,  aus  Holz,  mit  Rocailleschnitzereien  und  einem 
guten  Gemälde  der  Himmelfahrt  Mariä,  sowie  Heiligenstatuen,  ein  dekorativ  sehr 
wirkungsvolles  Werk  aus  dem  Anfänge  des  18.  Jhs.  In  dem  ähnlichen  Säulenaufbau  mit 
Statuen  etc.  zwei  größere  und  zwei  kleinere  Seitenaltäre , Doppelaltäre  mit  den  Statuen 
von  je  drei  Heiligen.  Aus  der  gleichen  Zeit  die  ebenfalls  sehr  kräftig  wirkende  Kanzel 
und  entsprechende  Beichtstühle  mit  Schnitzereien  an  den  Giebeln.  Auch  die  Orgel  in 
dem  bekannten  geschwungenen  Aufbau  und  Grundriß  ist  mit  guten  Rocailleschnitzereien 
verziert,  in  gleichem  Stil  das  trefflich  geschnitzte  Holzgitter  an  der  Orgelbühne. 

An  einem  Pfeiler  angebracht  in  einer  holzgeschnitzten  Nische  mit  Rocaille- 
verzierung  die  zweidrittellebensgroße  Holzstatue  des  Ecce  Homo.  An  einem  anderen 
Pfeiler  Holzkruzifix,  weniger  bedeutend  (18.  Jh.). 

In  der  zweiten  .Seitennische  befand  sich  ein  als  Kredenztisch  benutzter  ehemaliger 


Innenausstattung 

Hochaltar 


Seitenaltäre 

Kanzel 

Orgel 

Holzgitter 


Altar  mit  gewundenen  Säulen,  gebrochenem  Giebel,  Ölgemälde  des  Gekreuzigten,  1783 
für  den  ursprünglichen  Sitz  der  Schwestern  in  Ottersweier  gearbeitet,  1823  hierher  gebracht. 

Im  Langhaus  eine  Sandsteinplatte  eingemauert,  in  der  in  Rocaillekartusche  zwei 
Breves  Benedikts  XIV.  eingehauen  sind. 

In  einer  Nische  der  Südwand  wurde  i.  J.  1901  ein  Wandgemälde  vom  Ende  des  Wandgemälde 
15.  Jhs.  aufgedeckt,  den  Tod  Mariä  darstellend,  leider  ganz  besonders  in  den  unteren 
Teilen  stark  zerstört. 

Die  Sakristei  der  Kirche  mit  sechs  Kreuzgratgewölben  (Stuck)  auf  zwei  Pfeilern  Sakristei 
enthält  trefflich  mit  verschiedenfarbigen  Hölzern  eingelegte  Sckränke  des  18.  Jhs.,  ein 
Beichtstuhl  ist  geschickt  in  die  Schränke  eingefügt. 

Grabplatte  aus  Sandstein  mit  Allianzwappen : Grabplatte 

ANNO  I6j>$  DEN  2}  MJRZ 
IST  • DIE  WOHL  • EDEL 
GEBORNE  • F • • FRAUW  • AG 
ATHA  ÄSCHERIN  • VON  BÜN 
NGEN  - WEYLANDT  DES  WOHL 
ETLE  GEBORENE  UND  GEST 
RENGEN  HERN  • GEORGEN 
VOM  STEIN  • VON  REICHSTE  • 

EGEMAHL  • N GOTT  SELI 
ENTSCHLAFFN  • DERN 
GOTT  • GNADT  • AMEN. 


498 


KREIS  OFFENBURG. 


(5ruft'J^jpeffc 

int  Jooster  zu  Offeitfiurg. 


Grabplatte 


Fig.  277.  Grundriß  der  Kapelle  des  ehemaligen  Franziskanerklosters  in  Offenburg. 


In  der  Sakristei  und  in  dem  anstoßenden  Konvent  schlichte  spitzbogige  Tür. 
Ebenda  eine  Grabplatte  mit  der  Umschrift: 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


499 


90no  bni  mccclmn  ♦ o * ^oicctta  ♦ bE*>  «EtgEtioIf 
U^uniel  ♦ bc  ^toffebr ge  * ea  ♦ b ♦ an  ♦ ecc!  • mni  * ^ctrta  ♦ 

An  Kirchengeräten  eine  Sonnenmonstranz , silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Rocaille- 

d;is  L;mgli;ius  ' nur ' dm'Ui 
die  Rundbogenfenster  des 
1 8.  Jhs.  gegliedert,  am  Chor 
neben  den  Spitzbogen- 
fenstern nicht  sehr  starke 
Strebepfeiler. 

Von  den  Räumen 
der  Klausur  ist  das  Refek- 
torium seiner  Stuckdeko- 
ration wegen  interessant. 

An  dem  Plafond  fünf 
Medaillons  mit  Reliefdar- 
stellungen aus  der  Legende 
des  h.  Franz,  an  der  Süd- 
wand ein  großes  Relief 
des  heiligen  Abendmahles, 
darüber  zwei  Wappen, 
von  Blumengirlanden  und 
Ranken  umgeben. 

An  den  Kreuzgang 
stößt  der  einzige  intakt  er- 
haltene Raum  der  Bauten 
.vor  dem  Brand  an,  eine 
Kapelle  (Fig.  277),  laut  An- 
gabe einer  jetzt  zerfallenen 
Urkunde  von  17 17.  Ein  drei- 
schiffiger,  kleiner  Hallen- 
bau aus  rotem  Sand- 
stein, aus  dreimal  drei 
Kreuzrippengewölben  be- 
stehend. Die  vier  stützen- 
den schlanken  Säulen  auf 
hohen , polygonalen  und 
in  dem  oberen  Teil  durch  konkave  Einziehungen  gegliederten  Sockeln  gehen  ohne 
Kapitelle  in  die  trocken,  nur  mit  einer  Hohlkehle  profilierten  Rippen  über.  An  den 
Wänden  endigen  diese  Rippen  spitz  auslaufend.  Die  runden  Schlußsteine  sind  teils  mit 


Monstranz 


Refektorium 


Kapelle 


Fig.  278. 


Blick  auf  das  Chörlein  der  Kapelle  im  ehe?jialigcn 
Franziskanerkloster  in  Offe7tburg. 


500 


KREIS  OFFENBURG. 


Holzstatue 


Rosetten,  teils  mit  Pratzen,  im 
Chörlein  mit  dem  Lamm  Gottes 
geziert.  Das  aus  dem  Achteck 
geschlossene  Chörlein,  das  sich 
in  hohem  Spitzbogen  — Profil 
des  Gewändes  s.  Fig.  278  — gegen 
das  Mittelschift'  öffnet,  hat  drei 
schlanke,  spitzbogige  Fenster  mit 
Kleeblattbogenmaßwerk.  Dem  ent- 
sprechend sind  die  einpfostigen 
Spitzbogenfenster  der  beiden 
Seitenschiffe  gestaltet , deren 
Pfostenprofil  ebenfalls  aus  Fig.  278 
ersichtlich  ist.  Unter  der  Fenster- 
bank eine  kleine  Blendarkatur 
aus  Kleeblattbögen.  Das  Ganze 
ein  sehr  anmutiger  Bau  in  der 
etwas  nüchternen,  zarten  Art  der 
Spätgotik. 

In  den  Gewölbekappen 
waren  die  Spuren  der  alten  Be- 
malung : Engel  mit  dem  Gloria- 
text, erhalten,  die  restauriert, 
d.  h.  durchaus  neu  gemalt  wurden 
(vor  1900),  so  daß  leider  von 
dem  Alten  nichts  mehr  sicht- 
bar ist. 

In  dem  Chor  die  neu  gefaßte 
Holzstatue  der  Madonna  mit 
dem  Kind  (s.  Fig.  279),  1,5  m 
hoch,  in  der  freien  Haltung  und 
den  individuell  vornehmen  Zügen 
— ich  stehe  nicht  an,  es  zu 
sagen  — eine  der  bedeutendsten 
Skulpturen  aus  dem  Anfänge  des 
16.  Jhs.,  selbst  in  der  knittrigen 
Überfülle  des  Gewandes  noch 

geschmackvoll  wirkend. 

Fig.  270.  Holzstatue  der  Madonna  mit  dem  Kind  in  der  , , „ 

y . Bei  dem  Brand  von  1689 

Kapelle  des  ehemaligen  Franziskanerklosters  in  Offenburg. 

soll  als  angeblich  einziger  Rest 
des  Klosters  (nämlich  der  Innenausstattung)  nur  eine  Tür  übriggeblieben  sein,  an  der 
später  zur  Erinnerung  das  Chronostichon  angebracht  wurde: 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG 


5°I 


Marte  Dente  CLaVstro  perVsto  Vna  VetVsta  serVata  fVi  fortIs  perstItI.1) 
Die  Türe  wird  im  Korridor  aufbewahrt. 

In  dem  Empfangssaal  des  Klosters  sind  eine  Reihe  von  Porträts  aufgehängt, 
Ölgemälde,  u.  a.  der  Maria  Theresia,  zweier  Töchter  derselben,  Franz  I.,  Josef  II.,  der 
Kaiserin  Luise  mit  ihren  Kindern,  eines  Herzogs  und  einer  Herzogin  von  Sachsen- 
Teschen,  sowie  ein  Gekreuzigter  in  gutem  Rocaillerahmen. 

Im  Vorraum  ein  Kruzifix,  Holz,  gute  Durchschnittsarbeit  des  18.  Jhs,  von  einem 
Haus  der  Langen  Straße  stammend. 


Fig.  2S0.  Portal  des  ehemaligen  Andreasspitals  in  Offenburg. 

Im  Klostergarten  wurde  seinerzeit  ein  Vortragskreuz  gefunden,  aus  Messing  (r),  auf 
großem  Knauf  mit  Fischblasenornament  der  naturalistische  Kreuzesstamm,  daran  Christus 
mit  flatterndem  Lendentuch,  trotz  durchaus  spätgotischer  Behandlung,  wie  auch  aus  der 
Schrifttafel  hervorgeht,  erst  aus  der  Mitte  des  16.  Jhs.  Uber  den  heutigen  Aufbewahrungsort 
ist  mir  nichts  bekannt. 

Das  ehemalige  Kapuzinerkloster  dient  jetzt  als  Gymnasium.  Uber  die  Berufung  Kapuzinevkioster 
der  Kapuziner,  die  sich  dann  in  den  Heimsuchungen  der  Franzosenkriege  so  überaus 
hilfreich  bewährt  haben,  ist  oben  berichtet  worden.  1641  bis  1647  erbauten  sie  ihr 


) Walter,  Zum  zweihundertsten  Gedenktag  etc.,  S.  29. 


502 


KREIS  OFFENBURG. 


Offen  bvf\Qi 

ElNöAN55TÖF\  bER,ANb^EAb-H0SPITAL-l\l(\CME 


Fig.  281.  Portal  zur  Kirche  des  ehemaligen  Andreasspitals  in  Offenburg. 

Kloster,  das  bei  dem  Brand  wegen  der  Vorliebe  Ludwigs  XIV.  für  den  Orden  verschont 
wurde.  Ein  höchst  einfacher,  schlichter  Bau,  mit  offenbar  sehr  beschränkten  Mitteln 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


5°3 


errichtet.  Die  Kirche  ist  einschiffig,  flachgedeckt,  mit  gerade  abschließendem  Chor,  der 
Kreuzgratgewölbe  aufweist.  Die  Altäre,  der  Hoch-  und  die  zwei  Seitenaltäre,  dekorativ 
gute  Stücke  im  üblichen  Barocksäulenaufbau,  mit  eingelegter  Arbeit  verziert,  leider 
durch  braunen  Anstrich  entstellt.  Sie  sind  heute  mit  ursprünglich  für  einen  anderen 
Ort  bestimmten  Ölgemälden  geziert,  sehr  nachgedunkelter,  flotter  Mittelware  des  1 7.  Jhs. 
in  italienisierendem  Stil. 

Kanzel  im  Empirestil,  aus  verschiedenfarbigen  Hölzern  zusammengesetzt,  teilweise 
vergoldet;  gefällige  Arbeit. 

In  der  ehemaligen  Sakristei  bemaltes  Holzkruzifix  des  1 8.  Jhs. 

An  die  Kirche  stößt  der  kleine  Kreuzgang  an  mit  schlichten,  hölzernen  Rund- 
säulen, die  gerades  Gebälk  tragen;  das  darüber  liegende  Geschoß  ein  Riegelbau,  in 
seiner  jetzt  wieder  hergestellten  alten  Gestalt  ein  überaus  malerischer  Anblick. 

Das  Andreasspital  wurde  um  1300  gegründet  (s.  oben)  und  sofort  1306  die 
nötigen  Bauten  errichtet.  Bei  dem  Brande  1689  ist  es  offenbar  vollständig  zerstört 
worden.  Das  reiche  Spital,  das  weithin  in  der  Umgegend  Besitztümer  und  Reben  besaß, 
muß  nach  der  Schadensberechnung  der  Stadt  Offenburg  ein  stattlicher  Gebäudekomplex 
mit  zahlreichen  Scheuern  etc.  gewesen  sein.  Es  wird  erwähnt  die  schöne,  kunstreiche 
Kirche  samt  drei  Altären,  Orgel,  Turm,  Glocken,  große  Gebäude,  Stallung,  Scheuern, 
Backhaus,  große  Fruchtspeicher  von  fünf  Kontignationen  etc.  1700  konnte  wieder  an 
den  Aufbau  der  Kirche  und  der  anderen  Gebäude  gedacht  werden,  nachdem  schon 
seit  1696  Nebenräume  hergestellt  waren.  Der  Maurermeister  Leonhard  begann  am 
17.  April  1700,  am  7.  Juni  wurde  das  erste,  am  20.  Juni  das  andere,  am  27.  Juni  das 
obere  Gebälk  gelegt  und  am  31.  Juli  konnten  die  Maurer,  deren  es  20  waren,  entlassen 
werden.  Doch  kann  es  sich  dabei  nur  um  die  Rückseite  oder  einen  provisorischen  Bau 
gehandelt  haben.  Der  heutige  Bau  stammt  wohl  aus  den  ersten  Jahrzehnten  des  18.  Jhs., 
nach  seinem  Baumeister  müßte  erst  in  den  Urkunden  geforscht  werden.  Es  ist  ein 
stattlicher  Bau  aus  Bruchsteinmauerwerk,  die  Gewände  etc.  in  rotem  Sandstein,  von 
polygonalem  Grundriß;  die  Fassade  gegen  den  Markt  zu  von  ionischen  Pilastern  flankiert. 
An  der  Rückseite  führt  ein  Barockportal,  von  Voluten  flankiert,  mit  gebrochenem  Voluten- 
giebel, worin  die  Figur  des  h.  Andreas,  in  den  Bau  (s.  Fig.  280),  von  der  Hauptstraße 
aus  ein  ganz  schlichtes  Portal.  Die  Kirche,  einschiffig,  mit  Rundbogenfenstern,  Stuck- 
spiegelgewölbe im  Langhaus,  trocken  profiliertem  Rippengewölbe  im  Chor,  einer  Empore 
an  der  Westwand,  enthält  außer  hübsch  geschnitzten  Türflügeln  des  18.  Jhs.  nichts 
Erwähnenswertes.  Sie  ist  in  den  Bau  eingezogen  und  tritt  nur  gegen  die  Spitalstraße 
zu  in  dem  achteckig  abgeschlossenen  Chor  aus  demselben  hervor.  Ihr  Portal,  aus 
rustizierten  Pilastern  mit  flachem  Rundbogen  bestehend,  noch  in  Spätrenaissance- 
formen durchgeführt,  trägt  die  Jahreszahl  1701  (s.  Fig.  281).  An  den  einfach,  aber  gut 
geschnitzten  Türflügeln  gutes  schmiedeeisernes  Beschläg,  Schloß  und  Griff.  Im  Hof  des 
Spitals  aufbewahrt  ein  Rest  eines  gotischen,  abgefasten  Brunnenstockes  mit  dem  Rest 
der  Inschrift:  (JienS 

G • IVU 
II  • Aßß 
ODßlffi 

aaaa 

xi  . . 


Kirche 

Altäre 

Ölgemälde 

Kanzel 


Andreasspital 


Portal 


Band  VII. 


33 


5°4 


KREIS  OFFENBURG. 


Archäologische  Die  Gebäude  sind  zum  Teil  vermietet.  Im  ersten  und  zweiten  Stock  enthalten  sie 

und 

ethnographische  die  archäologische  und  ethnographische  Sammlung  der  Stadt  Offenburg,1)  welche 

Sammlung 

i.  J.  1900  eröffnet  wurde.  Sie  enthält  vor  allem  die  prähistorischen,  römischen  und 
alemannischen  Funde,  die  oben  bereits  erwähnt  sind.  Außerdem  befinden  sich  hier  eine 
Anzahl  Skulpturen,  kunstgewerbliche  Arbeiten  und  auf  die  Geschichte  der  Stadt  bezüg- 
liche Altertümer,  aus  denen  ich  hervorhebe : 

Holzstatuen  der  zwölf  Apostel,  drittellebensgroß,  auf  Rokokokonsolen,  bemalt. 

Ein  Kapitell-  oder  sonstiger  Steinrest  (angeblicher  Hoheitsstein,  also  vielleicht  von 
einem  Brunnen,  wie  in  Gengenbach),  auf  der  Vorderseite  das  Offenburger  Wappen, 
darunter  1540,  auf  der  anderen  Seite  der  Reichsadler. 

Schlußstein  mit  einem  Kopf  in  Rollwerk,  Sandsteinarbeit  aus  der  Mitte  des  16.  Jhs. 

Halblebensgroße  Statue  der  Pietä  im  gleichen  Material  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  17.  Jhs. 

Ein  Sandstein,  auf  beiden  Seiten  mit  Wappen.  Die  eine,  etwa  um  1600  bearbeitet, 
zeigt  längsgeteilten  Schild,  links  drei  Balken  schräglinks;  auf  der  anderen  Seite,  um  die 
Mitte  des  18.  Jhs.  bearbeitet,  erblickt  man  in  flotter  Rocaillekartusche  ein  Allianzwappen. 
Ein  weiterer  Stein  mit  dem  Offenburger  Wappen  und  ein  Fragment  mit  nacktem  Putto, 
Rest  eines  reichen  Renaissancetürgewändes. 

Eine  Anzahl  gußeiserner  Ofenplatten  des  16.  und  17.  Jhs.  mit  religiösen  und 
kriegerischen  Scenen  sowie  Wappen. 

Ein  weißglasierter  Ofen  mit  Landschaftsmalereien  in  Blau,  1 8.  Jh.,  sowie  ein  grün- 
glasierter älterer. 

Ofenkacheln,  darunter  zwei  mit  Brustbildern  in  der  Zeittracht,  von  Hans  Kraut, 
andere  in  der  Art  der  Schweizer  Maler  bemalt;  16.  bis  17.  Jh. 

Trümmer  von  einzelnen  Ofenkacheln. 

Sechs  steinerne  Ofenfliße  aus  dem  1 6.  bis  1 8.  Jh.,  einige  mit  Delphinen  geschmückt, 
eine  mit  Karyatiden  und  Rocailleblumen,  wirkungsvolles  Stück. 

Ein  Stein  vom  Brückenpfeiler  von  Gengenbach  mit  Inschrift. 

Schmiedeeiserne  Kreuze  des  18.  Jhs.  vom  alten  Friedhof. 

Porträt,  Ölgemälde,  eines  Abtes  von  Schuttem,  18.  Jh. 

Eine  Hakenbüchse  aus  der  ersten  Zeit  des  16.  Jhs. 

Einige  Zinnsachen,  darunter  Abendmahlskannen  mit  dem  Wappen  derer  von  Rüdt, 
gestiftet  1767  in  die  Kirche  von  Sindolzheim. 

Hier  auch  der  schmiedeeiserne  Balkon  des  unten  erwähnten,  jetzt  abgebrochenen 
Gottwaldschen  Hauses  (S.  514),  sowie  das  Oberteil  des  Gitters  am  Schulhause  (s.  Fig.  275) 
und  ein  in  Sandstein  gut  gearbeiteter  Frauenkopf  des  18.  Jhs.,  ebenfalls  von  einem 
abgebrochenen  Hause. 

PROFANGEBÄUDE 

Rathaus  Rathaus.  Ein  solches  muß  natürlich  schon  im  13.  Jh.  vorhanden  gewesen  sein, 

Baugeschichte  j j aber  hören  wir  erst  von  einem  Bau,  auf  einem  verkehrt  eingemauerten  Stein 

im  Hofe  des  heutigen  Rathauses  findet  sich  diese  Zahl.  Offenbar  fand  damals  ein 
Neubau  statt.  Von  diesem  aber  ist  heute  nichts  mehr  erhalten,  dagegen  noch  einige 

J)  Sie  verdankt  ihr  Bestehen  wesentlich  dem  rastlosen  Bemühen  und  Sammeleifer  ihres  Vor- 
standes, des  Herrn  Kreissekretärs  C.  F.  Mayer. 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


5°5 


Reste  von  jenem  Bau,  auf  den  die  Jahreszahl  1521  in  einem  Raum  an  der  Komstraße 
hin  weist.  Zu  Anfang  des  17.  Jhs.  wurde  die  an  der  Hauptstraße  gelegene  Kanzlei 
abgebrochen  und  ein  Neubau  beschlossen,  1604  bis  1605  auch,  also  ziemlich  rasch,  auf- 
geführt, und  zwar  von  »Meister  Wendling  Götzen  dem  Bildhauer«  wie  es  scheint,  da 
außer  ihm  kein  Baumeister  genannt  wird.  Zeitgemäß  war  der  Bau  im  Stile  der  deutschen 
Spätrenaissance  aufgeführt,  es  hat  sich  davon  ein  einziger  Stein  erhalten,  mit  Beschläg- 
ornament.1)  1607  werden  die  Maler  Friedrich  Brändel  und  Hans  Martin  gemahnt,  sich 
in  der  Ausmalung  zu  beeilen.  Nach  dem  Brand  von  1689  konnten  zunächst  nur  einige 
Reparaturen  an  dem  stehen  gebliebenen  Hintergebäude  vorgenommen,  unter  anderem 
zur  Verhütung  größeren  Unglücks  der  Giebel  abgebrochen  werden,  wir  finden  diesbeziig- 


Öför/l/fsaffe 


Fig.  282.  Grundriß  des  Rathauses  in  Offenburg. 

liehe  Notizen  von  1691  bis  1700;  die  Stuben  werden  hergestellt,  1699  wird  eine  Uhr 
bestellt,  1700  ein  »Tiirmle  zu  einer  Glocken  auf  das  Rathaus«  errichtet.  Als  die  Stadt 
dann  anfing,  sich  wieder  zu  erholen,  wurde  erst  der  Ausbau  des  Vorderhauses  in  Angriff 
genommen  und  am  7.  April  1741  der  Kontrakt  darüber  mit  »Maister  Mathias  Fux 
Burger  und  Maurer  allhier«  abgeschlossen,  der  es  übernimmt,  »den  völligen  Cantzley 
Bau,  soviel  die  Maurer  Arbeit  betrifft,  nach  dem  vorhandenen  Riß  auf  seine  eigene  Kosten 
zu  verfertigen  und  herzustellen,  mithin  das  alte  Dachwerk  und  Gemäuer  bis  auf  die 
Fundamenta,  wo  es  nöthig  abzubrechen,  die  Kellerlöcher  zu  verändern,  sodann  sowohl 
die  Hauptmauern,  als  die  innem  Scheidewände  der  untern  und  mittlern  Contignation 
aufzuführen,  die  Riegelwände  im  dritten  und  oberen  Stockwerk  zu  mauren,  das  Archiv 

1)  Abgebildet  bei  Walter,  Das  Rathaus  etc.,  S.  6. 

33* 


506 


KREIS  OFFENBURG. 


Fig.  283.  Rathaus  zu  Offenburg. 

kehlen  zu  machen«  etc.1)  Woher  der  Riß  kam,  ist  nicht  angegeben;  die  Vermutung 
Walters,  daß  er  in  Augsburg  gefertigt  sei,  weil  sich  über  den  Fenstern  des  Erdgeschosses 
ein  etwa  einem  Pinienzapfen  verwandtes  Gebilde  findet,  ist  nicht  stichhaltig,  da  das  hier 
lediglich  ein  auch  anderswo  vorkommendes  Ornament  ist.  Der  Maurermeister  muß  der 

*)  Walter  a.  a.  O.  S.  10. 


und  Küche  zu  gewölben,  auch  beede  samt  denen  Gängen  in  allen  dreien  Contignationen 
mit  Platten  oder  Ziegelsteinen  zu  belegen,  die  Feuerwände,  Feuerherd  und  Kammer  zu 
verfertigen,  das  ganze  Gebäu  außen  und  innen  zu  bestechen  und  auszustreichen,  auch  in 
allen  Zimmern  und  Gemächern,  wo  man  es  verlangt,  Wickelböden  und  Decken  mit  Hohl- 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


5°7 


ganzen  Ausführung  nach  übrigens  ein  so  tüchtiger  Künstler  gewesen  sein,  daß  wir  ihm 
selbst  die  Konzeption  Zutrauen  könnten ; vielleicht  hat  es  sich  bei  dem  Riß  nur  um  den 
Grundriß  gehandelt.  Der  Bau  scheint  ziemlich  lange  sich  hinausgezogen  zu  haben,  wenn 
wir  daraus  etwas  schließen  dürfen,  daß  erst  1784  die  Schreinerarbeit  für  den  Rathaussaal 
vergeben  wurde.  Er  stand  dann  bis  1894,  in  welchem  Jahre  ein  Umbau  stattfand,  der 
leider  die  Wendeltreppe  zerstörte. 

Unser  Grundriß  (s.  Fig.  282)  zeigt  den  Zustand  vor  diesem  Umbau.  Das  Gebäude 
des  18.  Jhs.  ist  ein  regelmäßiges  Rechteck,  das  seine  Hauptfront  mit  je  sieben  Fenster- 
achsen der  Hauptstraße  bezw.  dem  Markt  zukehrt,  während  die  eine  Schmalseite  an  das 
Gasthaus  »Zur  Sonne«  angebaut  ist,  die  andere  mit  je  drei  Fensterachsen  in  die  Korn- 
straße schaut.  An  die  Rückseite  stößt  rechtwinklig,  der  Kornstraße  entlang,  das  erhaltene 
Hintergebäude  aus  dem  16.  Jh.  an,  sowie  an  den  davon  frei  bleibenden  Teil  die  Wendel- 
treppe, die  den  Zugang  zu  den  verschiedenen  Stockwerken  des  Hauptbaues  vermittelte. 
Die  innere  Einteilung  des  Hauptbaues  geht  aus  dem  Grundriß  klar  hervor. 

Die  Fassade  gegen  die  Hauptstraße  zu  ist  von  sehr  wirkungsvollem  Aufbau 
(s.  Fig.  283).  Die  drei  mittleren  Fenster  sind  von  gequaderten  Pilastern  mit  ionischen 
Kapitellen  zusammengefaßt,  über  denen  sich  ein  runder  Giebel  erhebt.  Er  ist  dem 
Satteldach  des  ganzen  Baues  vorgesetzt.  Die  im  ganzen  Bau  flachbogig  geschlossenen 
Fenster  sind  in  den  zwei  unteren  Stockwerken  mit  einer  an  zwei  Ecken  konkav  ein- 
gezogenen  Gesimslinie  überdeckt.  Die  jeweils  drei  Fenster  zu  beiden  Seiten  des  Portals 
und  das  Balkons  sind  dadurch  wieder  zu  einer  Einheit  zusammengefaßt,  daß  jeweils  das 
mittelste  von  ihnen  mit  einem  flachrunden  Giebel  gekrönt  ist,  auf  dem  unten  das 
erwähnte  pinienzapfenähnliche  Gebilde,  oben  eine  Blumenvase  sitzt,  während  die  Fenster 
auf  den  beiden  Seiten  flache  Volutengiebel  aufweisen  mit  Palmetten  dazwischen.  Auch 
die  Keilsteine  der  Fenster  sind  verschieden  behandelt,  an  den  mittleren  konsolenartig, 
unten  mit  Ranken-  und  Vorhangornament,  oben  mit  Fratzen,  während  die  Keilsteine 
der  anderen  Fenster  ganz  schlicht  gelassen  sind.  Das  rundbogige  Portal  ist  von  Pilastern 
flankiert,  deren  Füllungen  mit  Bandgeschlingomament  verziert  sind.  Auf  den  frei 
behandelten  Kapitellen  sowie  auf  dem  mit  Löwenkopf  versehenen  Keilstein  des  Portals 
sitzen  die  in  Karyatiden  endigenden  Konsolen  auf,  die  den  Balkon  tragen  mit  seinem 
geschmackvollen,  schmiedeeisernen  Gitter.  Uber  der  Balkontür  in  Relief  von  zwei 
Löwen  gehalten  das  Wappen  der  Reichsstadt  unter  flachrundem  Giebel  (s.  Fig.  284). 
Die  Fenster  des  obersten  Stockwerkes  sind  nur  von  einer  Gesimslinie  umzogen;  ent- 
sprechend der  unteren  Rhythmisierung  sind  ihre  Keilsteine  entweder  mit  Palmetten  ver- 
ziert oder  glatt  gelassen.  Im  Giebel  zwei  blinde  Rundfenster  und  das  Mittelrund  mit  der 
Uhr.  Auf  ihm  die  Figur  der  Justitia. 

Die  Behandlung  der  drei  Fensterachsen  der  Seitenfassade  gegen  die  Kornstraße 
ist  die  gleiche  wie  bei  den  vorderen  Fenstergruppen,  über  ihnen  erhebt  sich  in  mehr- 
facher Einbiegung  und  Ausbiegung,  mit  großen  Voluten  auflagernd,  der  große  Giebel 
des  Daches.  Auf  seiner  einmaligen,  scharfen  Knickung  je  eine  Blumenvase,  auf  der 
Spitze  die  Büste  des  sagenhaften  Offo. 

Nach  dem  Hof  zu  erhebt  sich  aus  dem  Satteldach  ein  kleines,  mit  einem  Zwiebel- 
dach gedecktes  Glockentürmchen. 

Die  Türflügel  des  Hauptportals  Schnitzerei  des  18.  Jhs.  mit  schmiedeeiserner 
Füllung. 


Fassade 


5°8 


KREIS  OFFENBURG. 


HaUptg]eschoß  der  Rathaussaal  mit  Durchzugsbalken  und  sparsamen  Stuck 
Ornamenten  an  den  Decken,  hier  eine  Standuhr  geschnitztem  Holzkasten  das  üh  ' 
gehause  selbst  m Messing  geschnitten  und  bezeichne,:  Michael  Guß  t7;6  während  dt 


l ig.  2 84.  Mittelstück  der  Fassade  des  Rathauses  zu  Offenburg. 


Uhrenkasten  laut  Akten  i 779  von  Bildhauer  Speckert  gefertigt  worden;  das  Uhrwerk 
stammt  von  Anton  Höhrmann.  Auf  dem  Korridor  und  in  den  Zimmern  einige  Ölgemälde 
1 ortrats  der  Maria  Theresia,  Franz  I.  u.  a. 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


5°9 


Das  Material  sind  Bruchsteine,  an  den  Gewänden  und  skulpierten  Teilen  roter 
Sandstein,  im  Innern  teilweise  Riegelwände. 

Das  anstoßende  Hintergebäude  zeigt  im  Erdgeschoß  und  ersten  Geschoß  noch 
die  geradsturzigen,  teilweise  noch  mit  einem  Mittelpfosten  versehenen  Fenster  mit 
abgefasten  Sandsteingewänden  aus  dem  16.  Jh.,  im  Erdgeschoß  auch  noch  die  alte  Ein- 
teilung (dient  als  Polizeiwachtstube).  Uber  dem  mittleren  Doppelfenster  desselben  im 
Sturz  ein  Stein  eingemauert,  der  nach  Walter  ehemals  am  Sturz  des  hier  vorhandenen, 
abgebrochenen  Portals  sich  befand,  zwischen  dem  zweimal  wiederholten  Stadtwappen 
die  Jahreszahl  1521  und  das  Zeichen  Fig.  282.  Heute  tritt  man  zunächst  in  einen  von 
einem  Kreuzrippengewölbe  überspannten  Raum,  hinter  dem  ein  zweiter,  ähnlicher  liegt. 
Aus  dem  ersteren  gelangt  man  durch  eine  Tür  mit  abgefastem  Gewände  in  die  einstige 
Torhalle,  die  — etwa  1,75  m breit  und  5,75  m lang  — mit  einem  Netzrippengewölbe 
überdeckt  ist,  dessen  schlicht  mit  einer  Hohl- 
kehle profilierte  Rippen  ohne  Konsolen  in  der 
Wand  verlaufen.  Sie  haben  vier  (der  fünfte 
ist  weggelassen)  Schlußsteine,  an  denen  das 
Stadtwappen,  ein  Christuskopf,  ein  Stern  und 
eine  sechsblättrige  Rose  skulpiert  sind.  Aus 
einer  Rippenkreuzung  schaut  der  Kopf  des 
Künstlers  hervor  — anders  wird  er  wohl 
nicht  zu  deuten  sein  — , der  den  Bau  er- 
richtet, und  daneben  an  der  Rippe  das  Meister- 
zeichen1) (s.  Fig.  285). 

Im  Hof,  an  der  Rückseite  des  Neu- 
baues, befand  sich  in  achteckigem  Türmchen 
die  Wendeltreppe , der  Schneck,  die  nach 

Walters  Behauptung  auf  Grund  älterer  Aus- 

i ....  Fig.  285.  Kopf  des  Baumeisters,  im  älteren  Teil 

sagen  aus  dem  zerstörten  Pfalzgebaude  hier-  , „ , ~ 

des  Rathauses  in  Offenburg. 

her  transferiert  wurde.2)  Nach  den  über  den 

»steinenen  Schnecken  an  der  Pfalz«  erhaltenen  Urkunden  ist  derselbe  in  den  Jahren  1614 
und  1615  von  »Meister  Wendling  Götzen  dem  Bildhauer  und  Steinmetzen«  errichtet 
worden,  also  dem  Meister  des  Renaissancerathausbaues.  Nach  Walter  fanden  sich  an 
ihm  folgende  Steinmetzzeichen: 


Material 


Wendeltreppe 


+ t i 1 1 J f t f f h» 


Aus  dem  Rathaus  stammte  ein  gutes  schmiedeeisernes  Renaissancetiirbeschläg  mit  Renaissance- 
Knauf,  das  sich  ehemals  im  Besitze  des  Kaufmanns  Albrecht  Fischer  befand. 

Pfalz  und  Laube  standen  noch  seit  dem  Brand  in  Mauerresten,  die  mit  dem  Ein-  Pfalz  und  Laube 
stürz  drohten.  Endlich  1784  beschloß  man  daher  ihren  Abbruch.  Interessant  ist  dabei 
der  Umstand,  daß  sich  dafür  u.  a.  ein  Maurer  aus  dem  Bregenzer  Wald  Anton  Hirschspiel 
anbietet,  daß  also  damals  noch  diese  Eauschule  bis  hierher  tätig  war.  Doch  erhielten 
die  ortsansässigen  Meister  den  Auftrag.  Damals  erschienen  Pfalz  und  Laube  als  zwei 


1)  Von  Walter  nicht  richtig  wiedergegeben. 

2)  Walter,  Das  Rathaus  etc.,  S.  12. 


KREIS  OFFENBURG. 


5*° 


Salzhaus 


Bezirksamts- 

gebäude 


Gebäude,  doch  dürfte  Walter  mit  der  Ansicht  recht  haben,  daß  sie  ursprünglich  nur 
eines  bildeten,  in  dem  zu  ebener  Erde  die  Brotbänke  und  Gaden,  im  oberen  Stock  die 
Pfalzwirtschaft  war.  Es  war  ein  gewaltiges  Gebäude,  das  nach  allem  da  stand,  wo  jetzt 
das  Kriegerdenkmal  steht,  offenbar  in  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhs.  erbaut,  denn  seit  1565 
hören  wir  in  den  Protokollen  von  der  »neuen  Pfalz«.1)  Nach  dem  Brande  erbaute  man, 
da  ein  städtisches  Wirtshaus  Bedürfnis  schien,  vor  diesem  zerstörten  Bau  an  der  Stelle 
des  heutigen  Drakedenkmals  ein  neues  Gebäude  (1727),  das  jetzt  auch  verschwunden  ist. 

Das  sogen.  Salzhaus,  das  nach  1786  neu  aufgeführt  wurde,  ist  das  schlichte  Haus 
Nr.  65  an  der  Hauptstraße. 

Das  heutige  Bezirksamlsgebäude,  früher  der  Königshof  genannt,  wurde  als 
Amtshof  für  die  Landvogtei  unter  der  Markgräfin  Sibylle  in  dem  zweiten  Jahrzehnt  des 
1 7 . Jhs.  begonnen. 

1712  wurde  von  dem  Amtmann  (damals  Wilh.  Wenger)  die  Bauung  eines  herrschaftlichen 
Kellers  auf  dem  Amtshof  beantragt,  »wobei  aber  die  Fundamente  dergestalt  gelegt  werden  müssen, 
daß  mit  der  Zeit  nach  Ir.  hochfürstl.  dchlt.  gnädigsten  Fürstin  und  Frau  Intention  ein  Gebäu  darauf 
gesetzt  werden  kann«,  und  er  habe  »vor  nöthig  und  gut  angesehen,  daß  etwa  der  hochfürstl.  Bau- 
meister zu  Rastatt  heraufgeschickt  und  durch  ihn  ein  Grundriß  und  Überschlag  gemacht  werden 
könne«.2)  1714  war  alles  soweit  bereit,  daß  man  hoffen  konnte,  den  Bau  fortzuführen  und  noch  im 
Sommer  unter  Dach  zu  bringen.  Am  29.  April  1714  berichtet  der  Amtmann  Bree,  daß  der  Bau 
zwar  zu  Anfang  gebracht  und  nach  Ankunft  des  Baumeisters  Herrn  Rohrer  mit  dem  hiesigen 
Maurermeister  Dominik  Ellmerich  der  Akkord  der  Maurer-  und  Steinhauerarbeit  getroffen  worden, 
doch  ergab  sich  noch  eine  Schwierigkeit  wegen  anzukaufender  Plätze,  die  Rohrer  notwendig  hielt 
zum  »Embellissement  und  Commodität  des  herrschaftl.  Baues«.  Das  Haus  auf  dem  Nebenplatz  nämlich 
hatte  zwei  Fenster  gegen  das  Amtshaus,  dies  sollte  aber  vorgerückt  werden.  Endlich  konnte  man 
sich  mit  dem  Besitzer  darüber  einigen.  Auch  eine  Steingrube  glaubte  man  eine  halbe  Stunde 
entfernt  entdeckt  zu  haben,  »wo  große  Steine,  auch  Quader  und  Platten  genugsam  überkommen  sein. 
Die  Untertanen  seien  auch  zur  Frohn  ganz  willig  und  bereit,  begehren  aber  nach  alter  Gerechtigkeit 
täglich  2 Pfund  Brod  und  I kr.  Geld  — Fuhrfrohn  aber  4 Pfund  Brod  und  2 kr.  Geld«.  Zugleich 
schickte  man  einen  Maurermeister  nach  Schloß  Staufenberg,  um  zu  sehen,  ob  die  allda  gehauenen 
Tür-  und  Fenstergestelle  zum  Bau  gebraucht  werden  können.  Man  fand  auch  100  Stück  an  der 
Zahl  brauchbar,  die  man  hertransportieren  ließ.  Am  25.  Juli  1715  berichtet  der  Amtmann  dann  schon 
wegen  der  Zimmerarbeit,  daß  der  Zimmermann,  um  deswillen,  daß  es  ein  französisches 
Dach  sei,  also  eine  ihm  etwas  unbekannte  Arbeit  etc.,  sich  nicht  auf  einen  Akkord  einlassen 
wollte.  Der  Amtmann  schlägt  darauf  vor,  daß  der  Holzbau  irr  Taglohn  befördert  werde,  und  hofft 
dann,  eventuell  noch  mit  Ersparnis,  denselben  bei  einem  Meister  und  elf  Gesellen  in  40  Tagen  zu 
perfektionieren ; doch  müßte  man  von  seiten  der  Hofkammer  den  herrschaftlichen  Zimmermeister  Josef 
Bildstein  dazu  geben,  was  geschieht.  Am  26.  November  1715  überreichte  »Michael  Ludwig  Rohrer 
Architectus«  einen  Bericht  über  das  Fertiggestellte: 

1.  sind  die  Circumferenzmauem  durch  alle  zwei  Stockwerke  bis  an  das  Hauptgesims,  wie 
auch  im  unteren  und  oberen  Stock  alle  steinernen  Fenstergestelle  verfertigt  und  versetzt,  bis 
auf  die  zwei  mittleren  Fenster,  welche  erst  mit  dem  Portal  verfertigt  werden  können,  und 
die  Frontaspitze  wird  künftig  mit  dem  Hauptgesims  fertig; 

2.  sind  die  inwendigen  Scheide-  und  Zwerchmauern  durch  beide  Stockwerke  gegen  die  Hälfte 
aufgeführt,  wie  auch  die  Hauptstiege  im  unteren  Stock ; 

3.  sind  die  zwei  Stiegen  in  den  großen  plauptkeller  und  in  den  Amtskeller  fertig  bis  auf  das 
Bestechen ; das  große  Kellergewölbe  müsse  noch  gewölbt  und  hierzu  aparte  Gewölbesteine 
gebrochen  werden ; 


*)  Walter  a.  a.  O.  S.  21. 

2)  Walter,  Die  Erbauung  des  Bezirksamtsgebäudes  etc.,  wo  alle  diesbezüglichen  Akten  im 
Auszug  wiedergegeben  sind. 


AMT  OFFENBURG.  - OFFENBURG. 


SU 


4.  ist  der  Hof  gegen  die  anstoßenden  Häuser  und  Höfe  auf  einer  Seite  mit  einer  176  Werkschuh 
langen  Mauer  abgeschlossen  und  die  Mauer  auf  zwei  Drittel  der  Höhe  aufgeführt ; 

5.  sind  zu  den  Nebengebäuden  die  Fundamente  fast  über  die  Hälfte  gelegt; 

6.  ist  der  Dachstuhl  in  der  Zimmerarbeit  fertig  und  aufgeschlagen,  so  daß  er  innerhalb  14  Tagen 
eingelattet  und  bedeckt  sein  kann ; die  Dachfenster  können  aber  erst,  wenn  das  Gemäuer, 
Kamine  und  Hauptgesimse  fertig  sind,  verfertigt  werden ; 

7.  das  große  Portal  mitten  im  Bau  ist  noch  nicht  angefangen  ; da  das  Gebäude  einen  so  schönen 
Prospekt  bekommt,  wird  um  Verordnung  gebeten,  ob  nicht  dieses  Portal  etwas  schöner  als 
das  projektierte  hergestellt  werden  solle,  damit  die  Steine  dazu  gebrochen  und  gehauen 
werden  können. 

Am  2.  März  1717  berichtet  endlich  Amtmann  Bree  an  die  Hofkammer,  daß  die  rauhe 
Mauerarbeit  am  Amtshofbau  alle  fertig  sei  und  der  Maurermeister  Dominik  Ellmerich  auf 
Bezahlung  dringe  nach  Abmessung  und  Liquidierung  durch  Rohrer  und  einen  bei- 
gezogenen unparteiischen  Meister.  Dem  wird  stattgegeben.  Von  da  an  hören  wir 
nur  mehr  von  kleinen  Reparaturen  im  Dachwerk  etc.  Erst  1756  wird  vorgeschlagen, 
2500  fl.  von  vorhandenen  Geldern  zum  vollständigen  Ausbau  und  Herstellung  des  fürst- 
lichen Amtshauses  zu  verwilligen,  und  es  wird  denn  auch  bestimmt,  »daß  solche  zum 
Portal  des  Amthauses  und  aus  ihrem  Rest  das  sonst  Höchstnötige  verwendet  werden 
möge,  und  beantragt,  den  fürstl.  Architekten  Krohmer  zu  beordern,  um  den  Augenschein 
zu  nehmen  und  Überschlag  zu  machen.  Riß  und  Bauprojekt  sowie  Überschlag  wurden 
vorgelegt  und  genehmigt,  nur  wurden  zwei  projektierte  Figuren,  welche  nicht  gar  wohl 
herauskommen,  ausgelassen«.  Im  April  1758  wurde  dann  berichtet,  daß  man  mit  den 
2500  fl.  nicht  auskäme  und  noch  weiter  ca.  750  fl.  erforderlich  wären.  In  diesem  Jahr 
dürfte  dann  der  Bau  fertiggestellt  worden  sein.  1763  sollte  er  zu  zwei  Wohnungen  her- 
gerichtet werden,  was  aber  dann  der  großen  Kosten  halber  unterblieb. 

Aus  diesen  Nachrichten  scheint  mir  hervorzugehen,  daß  1717  der  Bau  mit  Aus- 

% * 

nähme  des  Portals,  der  Tür  darüber  und  des  Fensters  im  Giebelbau  fertig  war,  daß 
1756  bis  1758  nur  dieses  schmale  Mittelstück  noch  hergestellt  werden  mußte,  da  die 
Fenster  seitlich  der  Türe  sich  deutlich  als  Produkte  der  ersten  Bauzeit  erweisen.  Aber 
wie  das  Portal  zu  dem  Ganzen  paßt,  möchte  man  doch  glauben,  daß  ein  alter,  damals 
noch  erhaltener  Entwurf  Rohrers  der  Krohmerschen  Hinzufügung  zugrunde  gelegt  wurde. 

Unser  Grundriß  zeigt  die  Einteilung  des  Gebäudes  (s.  Fig.  286)  im  Erdgeschoß, 
der  die  obere  entspricht.  Durch  das  Portal  betritt  man  den  stattlichen  Vorplatz,  der 
die  ganze  Breite  des  Mittelrisalits  einnimmt  und  von  den  zwei  Fenstern  zu  den  Seiten 
des  Portals  gutes  Licht  erhält.  Zu  seinen  beiden  Seiten  je  zwei  zweifenstrige  Zimmer, 
nach  rückwärts  eine  Anzahl  gewölbter  Räume.  Vom  rückwärtigen  Tordurchgang  aus 
führt  die  Treppe  in  das  Hauptgeschoß.  An  die  Rückseite  schließt  sich  nördlich  in  etwas 
stumpfem  Winkel  ein  Flügel  an.  Das  Innere  des  Baues  bietet  nichts  Bemerkenswertes, 
abgesehen  von’ einigen  Türen  mit  Gewänden  in  einfacherem  Barock. 

Desto  interessanter  die  Fassade  (Tafel  XVIII),  ein  treffliches  Werk  des  ausklingenden 
Louis  XlV.-Stils,  dessen  gründliche  Kenntnis  wir  bei  dem  Architekten  vermuten  dürfen. 
Die  elf  Fensterachsen  breite  Fassade  wird  durch  zwei  schwach  hervortretende  Eckrisalite 
mit  je  einem  Fenster  und  das  große  Mittelrisalit  mit  drei  Fenstern  gegüedert.  Durch- 
gehende glatte  Pilaster  auf  vorhangförmig  in  die  Höhe  gezogenen  Sockeln  mit  flachen, 
steifen  Blattkapitellen  nebst  ebenfalls  vorhangförmig  in  die  Höhe  gezogener  Deckplatte 
tragen  das  Gesims.  Dieses,  mit  Triglyphen,  Mutuli  und  doppeltem  Zahnschnitt  versehen, 


512 


KREIS  OFFENBURG. 


zieht  sich  über  das  Ganze  hin,  über  den  Risaliten  verkröpft.  Dreieckgiebel  krönen  die 
Seitenrisalite,  während  sich  über  dem  mittleren  ein  weiteres  Stockwerk  erhebt,  darüber 
erst  der  große  Dreieckgiebel,  ebenfalls  mit  Zahnschnitt.  Die  Fenster  mit  geradem  Sturz 
sind  von  ohrenartig  ausladendem  Rahmenwerk  umgeben,  das  im  Erdgeschoß  nach  unten 
in  Platte  und  Tröpfchen,  im  Hauptgeschoß  in  stilisierten  Blattkonsolen  endigt,  oben 
einmal  abgetreppt  ist.  Unten  ein  dreigeschnitzter  Keilstein  und  darüber  ein  gerades 
Gesims,  oben  an  dem  höheren  Fenster  ein  solcher  mit  Maskaron  und  Blättern,  darüber 
an  den  Risaliten  ein  flachrunder,  an  den  Zwischenteilen  vorhangmäßig  in  die  Höhe 


Fig.  286.  Grundriß  des  Amtshauses  in  Offenburg. 


gezogener  Giebel.  Das  im  Korbbogen  geschlossene  Portal  wird  von  verkröpften  Pilastern 
flankiert,  darüber  der  Balkon,  von  drei  Konsolen  getragen,  deren  beide  äußere  aus 
Netzen  herausschauende  Hirschköpfe,  die  mittlere  (der  Keilstein  des  Portals)  ein  Maskaron 
aufweisen.  Uber  dem  mit  schmiedeeisernem  Geländer  in  Rocailleformen  versehenen 
Balkon  die  Türe,  von  Voluten  flankiert,  über  dem  verkröpften  Gebälk  in  kräftigem 
gebrochenen  Halbkreisgiebel  und  bewegter  Rocaillekartusche  das  Wappen  von  Baden- 
Baden.  Das  Geschoß  darüber,  von  flachen  Pilastern  gegliedert,  hat  drei  Fenster  von 
einfachem  Profil  mit  Ohrenausladung  umzogen.  In  den  Mansarden  des  Daches,  die, 
von  Voluten  flankiert,  ebenfalls  kleine  Giebel  im  Vorhangbogen  aufweisen,  klingt  der 
Stil  des  Ganzen  aus.  Überall  die  typische,  steife  Barockisierung  der  Renaissanceformen, 
wie  sie  uns  auch  in  Rastatt  und  der  Favorite  begegnet.  Bei  letzterer  finden  wir  genau 


Band  VII.  Zu  Seite  512. 


Offenbnrg,  jetziges  Bezirksamt. 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


5*3 


die  gleiche  Behandlung  der  Einzelformen,  der  Pilaster,  Gesimse,  Fenster  etc.,  auch  die 
Behandlung  des  Giebelstockwerkes  verrät  den  gleichen  Baumeister,  den  bisher  in  der 
Kunstgeschichte  kaum  bekannten  Michael  Ludwig  Rohrer. 

Das  geschnitzte  Tor  ist  ein  Werk  aus  der  letzten  Bauzeit  um  1758. 

Das  Material  des  Baues  ist  verputztes  Bruchsteinmauerwerk,  roter  Sandstein  an  den 
Gewänden.  Wo  die  von  Staufenberg  hertransportierten  Fenstersteine  verwendet  worden 
sind,  ist  an  dem  ganzen 
Bau  nicht  zu  entdecken. 

Überall  aber  ersichtlich 
die  Spuren  der  alten 
Bemalung,  auf  die  hier 
ebensowenig  wie  in 
Rastatt  verzichtet  ist. 

Alles  Verputzte  war  rot 
angestrichen,  der  Hau- 
stein, wie  es  scheint, 
in  natürlicher  Farbe 
gelassen,  aber  an  Kapi- 
tellen etc.  zweifellos  ver- 
goldet. 

Das  Landgerichts- 
gebäude, früher  Ritter- 
haus genannt,  weil  es 
1 804  die  ortenauische 
Reichsritterschaft  erwarb, 
ist  nach  Walters 
ansprechender  Ver- 
mutung von  Matthias 
Fuchs  erbaut  in  der 
zweiten  Hälfte  des 
18.  Jhs.,  als  noch  Franz 
Georg  Freiherr  von 
Rienecker  Eigentümer 
war,  jedenfalls  an  der 
Stelle  eines  älteren,  ab- 
gebrannten Hauses.  Ein 
großer,  zweistöckiger  Bau 
mit  17  Fenster achsen,  in  der  Mitte  in  drei  Fenstern  mit  einem  weiteren  Stockwerk  ver- 
sehen, darüber  ein  Dreieckgiebel.  Die  Fenster  mit  ohrenartig  ausbiegendem  Gesims 
umzogen.  Im  Torflur,  zu  den  Räumen  des  linken  Erdgeschosses  führend,  ein  etwas 
reicheres  Barockportal.  In  die  eine  Hofecke  des  Komplexes  eingebaut  ein  runder 
Treppenturm  mit  schöner  Wendeltreppe  aus  rotem  Sandstein,  die  ohne  Spindel  in 
schöner  Schwingung  hinaufführt.  Der  Anfangspfosten  wie  die  Eingangstür  mit  Akanthus- 
ornament  verziert.  Die  Treppe  stammt  aus  den  Zeiten  der  Spätrenaissance,  etwa  dem 
Anfänge  des  1 7 . Jhs. 


Fig.  287 . Einhornapotheke  in  Offenburg. 


Landgerichts- 

gebäude 


Wendeltreppe 


Privathäuser 


5 I 4 KREIS  OFFENBURG. 

An  Privathäusern  sind  hervorzuheben: 

Die  Einhornapotheke  an  der  Hauptstraße  Nr.  82,  mit  ihrem  mächtigen,  mehrfach 
abgeteilten  Volutengiebel  (s.  Fig.  287),  der  in  verschiedenen,  konkaven  Einziehungen 
aufwärtsstrebt,  auf  seinen  Absätzen  Vasen  und  oben  ein  Einhorn  trägt.  Er  wirkt  besonders 
durch  die  gute  Schlichtheit  der  unteren  Geschosse,  an  denen  noch  ein  trefflicher,  schmiede- 
eiserner Balkon  aus  der  Mitte  des  18.  Jhs.  auffallt. 

Hauptstraße  Nr.  72,  J.  Bechler.  Schmiedeeiserner  Balkon  mit  dem  Doppeladler, 
Mitte  18.  Jhs. 

Ebenda  Nr.  64,  E.  Geiger.  Altes  Patrizierhaus  aus  dem  Ende  des  18.  Jhs.  An 
den  Ecken  rustizierte  Pilaster,  in  steifem  Volutenkapitell  endigend,  darauf  Vasen  mit 
Sternen,  jetzt  stark  erneuert.  Zur  Zeit  meines  Besuches  befand  sich  hier  das  von  Walter 
als  im  Besitz  des  Herrn  Alb.  Fischer  erwähnte  große  Lihlsche  Familienbild,  über  das 
1882  in  der  Zeitschrift  für  bildende  Kunst folgendermaßen  berichtet  wurde: 

„Es  befand  sich  auch  ein  großes  Porträtgruppenbild,  3,46  m hoch  und  1,65  m breit,  in  dem 
Atelier  des  Gemälderestaurators  A.  Sesar  in  Augsburg,  das  vermöge  seiner  vollendeten  Technik,  der 
feinen  Individualisirung  der  Dargestellten,  sowie  der  liebevollen  Durchführung  bis  aufs  nebensächlichste 
eine  beachtenswerthe  künstlerische  Kraft  verräth ; und  doch  ist  über  den  Meister,  dessen  Name  Lihl, 
1751,  am  Bilde  unten  rechts  steht,  in  unseren  Nachschlagebüchern  nichts  zu  finden.  Der  Besitzer, 
Herr  Albrecht  Fischer  in  Offenburg,  der  das  Bild  durch  Sesars  gewissenhafte  und  bewährte  Hand 
in  einen  gesicherten  Zustand  mit  voller  Schonung  des  Originals  bringen  läßt,  hat  glücklicherweise 
von  einer  noch  lebenden  Großnichte  des  Malers  folgende  erläuternde  Notizen  erlangt:  »Das  Bild 

stellt  lauter  Glieder  der  Familie  Lihl  vor,  welche  aus  Schlackenwald  in  Böhmen  gebürtig  waren.  Der 
Herr  rechts  in  der  oberen  Ecke  ist  mein  Großvater  Joh.  Nep.  Lihl,  und  die  Matrone  meine  Groß- 
mutter, des  ersteren  zweite  Frau.  Derselbe  war  Sekretär  Ihrer  kais.  Hoheit  der  Prinzessin  Maria 
Viktoria  von  Oesterreich.  Der  Verfertiger  des  Gemäldes,  Joh.  Lihl,  Hofmaler  in  Wien,  mein  Groß- 
onkel, befindet  sich  ebenfalls  darauf  und  steht  hinter  dem  Bilde  seiner  Frau.  Um  1760  siedelte  der- 
selbe nach  Rastatt  über.  Die  im  dortigen  Schlosse,  Rathhause  etc.  befindlichen  Oelgemälde  sollen 
Werke  seiner  Hand  sein.  Der  Knabe  mit  der  Lilie  und  das  Mädchen  mit  dem  Obstteller  in  der 
Hand  sind  seine  Kinder.  Der  dritte  Herr  in  unmittelbarer  Nähe  des  Hofmalers  ist  dessen  Bruder 
Jos.  Lihl.  Derselbe  lebte  als  Pastellmaler  in  Florenz  und  Prag.  Die  Klosterfrau,  welche  auch  als 
Bild  im  Bilde  dargestellt  ist,  war  meine  Großtante  im  Lichtcnthaler  Kloster  bei  Baden-Baden.«  etc.  etc. 
Kork,  den  17.  Februar  1879.  Sophie  Huttenberger,  geborene  Lihl.“ 

Der  Name  des  Malers  dürfte  indes  falsch  angegeben  sein,  er  hieß  Heinrich  Lihl,  wir  finden 
ihn  als  Hofmaler  von  Rastatt  erwähnt  in  den  Offenburger  Stadtakten  von  1757-  Schon  1723,  1737, 
dann  wieder  1747  und  1750  war  er  für  das  Franziskanerkloster  in  Rästalt  tätig.* 2) 

Ebenda  Nr.  59,  stattliches  Gebäude  von  1760.  In  einer  Nische  halblebensgroße, 
gute  Steinfigur  der  Immaculata  Conceptio  in  dem  dekorativ  bewegten  Barockstil. 

Ebenda  Nr.  100,  Gasthaus  »Zum  Kopf«.3)  Eigentümer  des  Hauses  war  um  1720 
Martin  Dominik  Wernikau,  Stettmeister  und  Obervogt,  1755  kam  es  an  den  Stettmeister 
Franz  Anton  Lihl,  der  es  ausbaute.  Aus  dieser  Zeit  stammt  an  der  Ecke  des  Hauses  in 
einer  Nische  eindrittellebensgroße  Madonna  mit  Kind,  darunter  das  Wappen  der  Familie 
Lihl : im  Schild  eine  Lilie.  Im  Eckzimmer  des  Hauptgeschosses  geschmackvolle  Rocaille- 
stuckdecke,  in  der  Mitte,  von  einer  Blumengirlande  umrahmt,  eingelassen  ein  Ölgemälde, 
darstellend  Maria  Theresia,  umgeben  von  allegorischen  Frauen  und  Putten  mit  Blumen. 
Der  Urheber  des  Bildes  ist  vermutlich  ein  Verwandter  des  Stettmeisters,  Joh.  Lihl,  später 

*)  1882,  18.  Jahrg.,  S.  26. 

2)  Staudemaier  im  Belletrist  Unterhaltungsbl.  zum  Badischen  Beobachter  1880,  Nr.  40 — 45. 

a)  Walter,  Die  Bierbrauerei  »Zum  Kopf«  (»Volksfreund«). 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


515 


Hofmaler  in  Rastatt  und  wie  es  scheint  in  Wien,  von  dem  ich  oben  gelegentlich  eines 
anderen  Bildes  (s.  unten)  ausführlicher  berichtet  habe.  — Das  Haus  wurde  im  letzten 
Jahrzehnt  des  19.  Jhs.  umgebaut,  das  Eckzimmer  und  die  Statuen  dabei  aber  erhalten. 

Ebenda  Nr.  94,  Gasthaus  »Zur  Sonne«.  Als  solches  schon  seit  1556  bestehend, 
zweieckiger  Bau  mit  zwei  Aufsätzen  und  Giebeln,  zwischen  Rathaus  und  Bezirksamt, 
der  hoffentlich  nicht  zum  Schaden  der  Wirkung  dieser  Bauten  wesentlich  verändert  wird. 


Fig.  288.  Schmiedeeisernes  Torgitter  am  Vincentius garten  in  Offenburg. 


Ebenda  Nr.  69,  J.  V.  Battiany  Sohn.  Fassade  von  sechs  Achsen,  durch  Lisenen 
gegliedert,  aus  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jhs.  Im  ersten  Stock  großes,  dreifenstriges 
Zimmer  mit  Parkett,  charakteristischer  alter  Tapete  in  steifem  Muster,  Umrahmung  der 
Spiegel  mit  sehr  feinen,  in  Holz  geschnitzten  Ranken,  darüber  auf  den  Handel  bezügliche 
Reliefs,  Stuckdecke  mit  teilweise  alter  Bemalung,  treffliche  Umrahmung  der  Ofennische 
mit  ionischen  Holzsäulen,  Vasen  und  Girlanden.  Im  ganzen  Haus  insbesondere  die 
Umrahmung  der  Spiegel  mit  Reliefs  bemerkenswert. 


KREIS  OFFENBURG. 


5l6 


Ebenda  Nr.  109.  Stattliches  Haus  mit  elf  Fensterachsen,  an  den  beiden  Ecken 
große  Pilaster  mit  ionischen  Kapitellen,  aus  dem  Ende  des  Louis  XVI.-Stils  und  des 
18.  Jhs. 


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Fig.  28g.  Galerie  am  Hause  Ritterstraße  Nr.  12  in  Offenburg. 

Kesselstraße  Nr.  7,  9,  11,  13,  15  jetzt  leider  verputzte  Fachwerkhäuser. 
Kirchstraße  Nr.  1.  Tor  mit  mächtigen  Voluten,  Wappen  und  gebrochenem  Drei- 
eckgiebel. 


AMT  OFFENBURG.  — OFFENBURG. 


517 


An  der  Klosterstraße  Haus  Nr.  ? Uber  der  Türe  skulpierter  Ochsenkopf,  1 8.  Jh., 
als  Metzigzeichen.  (Jetzt  verschwunden?) 

Ebenda  Nr.  17,  Besitzer  Dominik  Staudinger  (am  Fischmarkt).  Zwischen  zwei 
Fenstern  des  ersten  Stockes,  in  einer  Nische,  eine  Madonna  mit  Kind,  unter  ihr  Seelen 
im  Fegfeuer;  an  der  Konsole  steht:  Trösterin  der  bedryebten.  Mit  zum  Teil  noch  alter 
Bemalung.  Datiert  1721. 

Langestraße  Nr.  18,  Ferdinand  Hauger.  1743  für  den  markgräflich  baden- 
badischen Amtmann  Anton  Egg  erbaut , vermutlich  von  dem  obengenannten 
Maurermeister  Matthias  Fuchs.  Gewundene  Treppe  mit  noch  gotisch  profilierten 
Zügen. 

Ebenda  Nr.  25.  Relief  der  heiligen  Familie,  vom  Ende  des  18.  Jhs. 

Kornstraße  Nr.  12,  jetzt  Vincentiushaus.  1764  von  Generalfeldmarschall-Leutnant 
Josef  Freiherrn  von  Ried  erbaut,  später  in  Bussiöreschem  Besitz.  Stattliches  Haus,  das 
Portal  von  dorischen  Säulen  flankiert  mit  gebrochenem  Rundgiebel,  dazwischen  in  einer 
Nische  die  neue  Statue  des  h.  Vincentius.  Die  Fenster  des  Hauses  mit  gebrochenem  Rund- 
giebel gekrönt,  dazwischen  unten  Obelisken,  im  Obergeschoß  Kugeln.  Im  Innern  hervor- 
zuheben die  hintere  Holzstiege  mit  in  gutem  Rocaille  ornamentierten  Anfangspfosten. 
Im  Obergeschoß  ein  Schrank,  in  den  Füllungen  mit  Vasen  und  Blumen  bemalt. 

Dazugehörig  der  Garten,  den  man  durch  ein  Portal  mit  schmiedeeisernem  Gitter 
im  Rocaillestil  (s.  Fig.  288)  und  dem  Riedschen  Wappen  betritt.  Der  Garten  erstreckt 
sich  bis  zur  Stadtmauer,  die  hier  die  zwei  kleinen  aus  dem  Achteck  gebildeten  Bastionen 
hat.  An  dem  Zugang  zu  diesen  ist  je  eine  liegende  Sphinx  (roter  Sandstein)  angebracht, 
auf  der  Mauer  zwischen  denselben  stehen  alternierend  acht  Vasen  in  besten  Rocaille- 
formen  und  sieben  je  1 m hohe  Statuen,  die  verschiedenen  Arten  des  Land-  und 
Gartenbaues  repräsentierend,  Winzer,  Bauernmädel  mit  Korb,  Gärtner,  auch  ein  Flöten- 
bläser, alles  recht  erfreuliche  Genrefiguren  in  Zeittracht.  Fünf  Stufen,  von  zwei  Vasen 
flankiert,  führen  in  den  tieferen  Teil  des  Gartens.  Das  ganze  anspruchslose  Arrangement 
von  wohlberechnetem  Reize. 

Metzgergasse  Nr.  19,  Louis  Burg.  Schmiedeeisernes  Gitter  des  18.  Jhs.  mit 
großen  Kreuzblumen,  neuem  Schild. 

Ringelgasse.  Auf  Konsole  ein  Löwenvorderteil,  wohl  aus  der  ersten  Hälfte  des 
18.  Jhs.  Ebenda  einige  Fachwerkhäuser. 

Ritterstraße  Nr.  12.  An  dem  nach  der  Straße  zu  leider  verputzten  Hause  findet 
sich  desto  wirksamer  nach  der  Hofseite  zu  eine  reizvolle  Holzgalerie,  vorkragend 
(s.  Fig.  289)  mit  hübsch  geschnitzten  Balustersäulchen. 

Ebenda  Nr.  14.  Stattliches  Riegelhaus  (s.  Fig.  290  u.  291)  mit  gut  geschnitzten 
Fenstererkem;  über  dem  ersten  Geschoß  das  in  dieser  Gegend  übliche,  aus  dem  Giebel 
vorspringende  Fensterschutzdach.  (Leider  sind  davon  heute  nur  noch  die  Spuren  zu 
sehen,  da  bei  einer  Renovation  vor  einigen  Jahren  die  Gesimse  abgeschlagen  und  die 
Holzteile  verputzt  wurden.) 

Rosenstraße  Nr.  2.  Tür  mit  rotem  Sandsteingewände,  in  Hohlkehlen  und  Rund- 
stäben profiliert,  welch  letztere  auf  steilen  Basen  aufsitzen,  mit  Verzierung  in  Kannelierung 
und  Sternen.  Am  Türsturz  zwei  leere  Schilde,  um  das  Ganze  abgetreppte  Umrahmung, 
in  der  das  Oberlicht;  aus  dem  Anfänge  des  16.  Jhs.;  eines  der  wenigen  erhaltenen  Stücke 
aus  der  Zeit  vor  dem  Brande. 


KREIS  OFFENBURG. 


518 


Wasserstraße  Nr.  6.  An  der  Ecke  in  Nische  Statue  des  h.  Wendelin;  zweite  Hälfte 
des  18.  Jhs. 

Außer  diesen  genannten  ließen  sich  noch  eine  Anzahl  anderer  Häuser  anführen, 
die,  an  sich  nicht  übermäßig  bedeutend,  oft  gerade  in  ihrer  Schlichtheit  wohltuend 


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• M . A 50 • 

Fig.  290.  Haus  Ritterstraße  Nr.  14  in  Offenburg  (im  alten  Zustande). 

wirken.  Noch  stehen  ihrer  genug  und  noch  ist  es  Zeit,  durch  ihre  Erhaltung,  sowie 
Freilegung  des  verputzten  Fachwerkes  an  anderen  und  Anschluß  an  diese  vorbilder  bei 
Neubauten  das  Offenburger  Stadtbild  erfreulich  zu  gestalten,  umsomehr,  da  die  alte 
Straßenanlage  dafür  sehr  günstig  ist. 


AMT  OFFENBURG. 


OFFENBURG. 


5T9 


■ Q I E BEL- PES -WOHNHAUS  ES- 

• FUTTERSTRA  S^E  N?  i*  • 

• OrrENBURq- 

EINZELHEITEN- 


Fig.  2Qi.  Details  vom  Hatise  Ritterstraße  Arr.  14  in  Offenburg. 


Öffentliche  Brunnen. 

Noch  aus  den  Zeiten  vor  der  Zerstörung  stammend  der  Brunnen  am  Fischmarkt,  Öffentliche 

Brunnen 

der  1845  renoviert  wurde.  Auf  viereckigem,  damals  erneuertem  Postament  zunächst 
der  runde  Sockel  mit  Männer-  bezw.  Löwenköpfen  (ebenfalls  völlig  erneuert),  aus 


Band  VII, 


34 


520 


KREIS  OFFENBURG. 


Judenbad 


deren  Mäulern  die  zwei  Ausgußrohren  hervorkommen.  Darüber  die  bauchige  Säule 
mit  Akanthusblättem  am  Schaft  und  Kompositkapitell  mit  Köpfen.  An  der  hochaus- 
ladenden Deckplatte  steht: 

ANNO  DOMINI  1599  P ^ Z • ; 

darüber  der  Löwe  mit  dem  doppelten  Wappenschild,  dem  Reichs-  und  Stadtwappen.  Ein 
frisches,  erfreuliches  Werk  der  Spätrenaissance. 

In  der  Hauptstraße  der  Neptunsbrunnen,  eine  Achteckschale  mit  gotischem  Ast- 
werk verziert;  in  der  Mitte  der  Stock,  unten  eine  Arbeit  des  19.  Jhs.,  dann  der  alte 
Teil  mit  Fialen,  Maßwerk,  Kielbogen,  nicht  etwa,  wie  man  denken  sollte,  eine  Arbeit 
des  16.  Jhs.,  sondern  des  schon  oft  erwähnten  Johann  Nep.  Speckert,  der  im  Juni  1783 
dem  Rat  den  Riß  des  herzustellenden  Röhrenbrunnenstockes  übergab,  mit  der  Anfrage, 
was  daraufgesetzt  werden  solle.  Der  Rat  verlangte  den  Wassergott  Neptun  in  einer 
Größe  von  5 Y2  Schuh,  und  Speckert  führte  sofort  die  auf  obigem,  gotischem  Postament 
stehende  Statue  aus  in  der  etwas  verdrehten,  manierierten  Haltung,  wie  sie  damals  beliebt, 
aber  im  ganzen  sehr  wirksam.  Im  August  war  er  fertig;  bei  der  Aufstellung  beschlichen 
den  Rat  aber  Bedenken  ob  der  Höhe  des  Stocks,  die  gefährlich  schien,  und  der  Künstler 
mußte  ihn  kürzen,  was  sich  heute  noch  in  der  etwas  unvermittelten  Endigung  bemerk- 
lich  macht. 

Eines  der  interessantesten  Denkmäler  Ofifenburgs  ist  zweifellos  das  Judenbad,  das 
sich  unter  dem  Hause  des  Karl  Schimpf,  Glaserstraße  Nr.  6,  befindet,  welches  1793 
durch  Matth.  Fuchs  erbaut  worden  ist.  Wir  geben  eine  Abbildung  desselben  nach  einer 
älteren  Aufnahme  von  G.  Armbruster  1882  (s.  Fig.  292). 

Vom  Keller  des  genannten  Wohngebäudes  tritt  man  durch  ein  1,17  m hohes  rund- 
bogiges  Eingangstor  mit  sauber  behauenem  Quadergewände  in  den  nach  unten  führenden 
tonnengewölbten  Treppengang  mit  36  Treppen,  der  bis  zur  19.  Treppe  ca.  2 m hoch 
und  1,23  m breit  ist;  dann  verengert  er  sich  auf  1,70  m Höhe  und  1 m Breite  und 
endlich  führt,  nach  Aufhören  der  Treppe,  ein  3,37  m langer  Gang,  zu  dessen  Seiten 
je  eine  rundbogige  und  eine  Nische  mit  geradem  Sturz  angebracht  sind,  zu  einer 
rundbogigen  Tür  von  ähnlicher  Behandlung  wie  oben.  Die  erwähnten  Nischen  sind 
meiner  Ansicht  nach  nicht  erst  später  zugemauert.  Durch  dieses  Tor  betritt  man  einen 
quadratischen  Raum,  der  noch  etwa  2,20  m tiefer  ausgemauert  ist  als  der  aus  gewachsener 
Erde  bestehende  Fußboden.  In  der  Mitte  des  Raumes  ein  kreisrundes,  1,30  m im  Durch- 
messer weites  und  ca.  2,20  m tiefes  Bassin  zur  Aufnahme  des  Grundwassers,  das  meist 
bis  zu  2 m hoch  in  demselben  steht.  Nicht  ganz  1I2  m über  dem  Erdboden  sind 
an  der  einen  Seite  zwei  Konsolen  angebracht,  wohl  zum  Auflager  einer  Sitzbank. 
Der  quadratische  Schacht,  mit  tadelloser  Quaderausmauerung,  ist  vom  Fußboden  aus 
ca.  4,5  m hoch,  oben  mit  einer  Platte  abgeschlossen,  die  von  vier  frei  herausgearbeiteten, 
kantigen  Rippen  getragen,  welche  sich  in  einem  runden  Steinring  vereinigen.  Darüber 
folgt  der  etwa  7 m hohe,  kreisrunde  engere,  ebenfalls  in  roten  Sandsteinquadern  aus- 
gemauerte Schacht,  welcher  an  der  Erdoberfläche  in  einem  runden  Steinring  endet. 

Die  Deutung  des  Ganzen  als  Judenbad  ist  zweifellos.  Es  scheint  Vorschrift  gewesen 
zu  sein,  daß  die  Judenfrauen  sich  nach  gewissen  Zeiten  badeten,  und  zwar  nicht  in 
gepumptem  und  beigetragenem,  sondern  in  in  das  Becken  geflossenem  Wasser.  Wo  das 
nun,  bei  nicht  vorhandenen  Bächen  oder  wenn  die  Judenschaft  eng  in  ihre  Gassen  ein- 


Oevölbe'im 


-I^ncfcn&hnitt 


Diagonalschritt, 


wrnrnmm 


WMWM- 


Fig.  11)2.  Jndenbad  in  Offtnbing.  (Nath  linei  Aufnahmt  t'on  1SS2.) 


Ofj'eriiurcri'm  RprihMV. 


U.ind  VII.  Zu  Seile  520. 


. 


AMT  OFFENBURG.  — OHLSBACH.  5 2 I 

geschlossen  war,  nicht  möglich  war,  da  scheint  man  das  Grundwasser  benutzt  zu  haben. 
Im  Prinzip  die  gleiche  Anlage  wie  hier  findet  sich  in  Speier,  nur  architektonisch  reicher 
ausgestaltet,  während  die  sonst  erhaltenen  Judenbäder  meistens  nicht  diese  komplizierte, 
unterirdische  Anlage  benötigten.1)  Während  das  Speierer  Bad  wohl  dem  Ende  des  12. 
oder  Anfang  des  13.  Jhs.  angehören  dürfte,  scheint  mir  den  frühgotischen  Konsolen, 
den  Rippen  nach,  mit  der  doch  noch  durchgehenden  Verwendung  des  Rundbogens, 
unser  Monument  in  das  Ende  des  13.  Jhs.  zu  gehören,  also  etwa  50  bis  60  Jahre  vor 
der  definitiven  Judenaustreibung. 

Sammlung  des  Gewerbevereins , jetzt  in  der  »Zauberflöte«  befindlich:  Zunftschilde 
in  Silber  oder  Messing  graviert,  schmiedeeiserner,  großer  Schlüssel  als  Zeichen  der 
Schlosserzunft,  Zunftkästen  etc.  — Im  Gasthaus  »Zum  Ochsen«  Schild  der  Metzger- 
zunft, im  »Zähringer  Hof«  der  Bäckerzunft. 

In  der  Anlage  Pfosten  mit  Offenburger  Wappen  und  der  Jahreszahl  15-63. 

Am  ehemaligen  Fischertor  (jetzt?)  noch  ein  Stein  mit  der  Inschrift  1586  erhalten. 

Vor  der  Stadt  an  der  Straße  nach  Ortenberg  Kruzifix  (Sandstein)  des  17.  Jhs., 
1807  von  einem  französischen  Soldaten  beschädigt,  durch  seinen  General  wieder  auf- 
gerichtet  (Freib.  Kath.  Kirchenblatt  1883,  S.  395). 


OHLSBACH 

Schreibweisen:  Olsbach  ca.  1235;  Oiesbach  1275;  villa  1376;  Oiespach  1398; 
ym  Olspach  1421;  Alspach  1426;  in  den  hindern  Olspach  1581.  (Bach  des  Olo.) 

1424  bestand  Ohlsbach  aus  zwei  Teilen,  welche  Forst  und  Hub  hießen. 

Archivalien:  Mitteil,  der  histor.  Kommission  Nr.  5 (1885),  S.  265 — 266,  und 
Nr.  17  (1895),  S.  47. 

Ortsgeschichte:  Ohlsbach  gehörte  zur  Landvogtei  Ortenau.  Als  die  Stadt  Gengen- 
bach eine  intensive  Ausbürgerpolitik  begann  und  anfing,  hörige  und  freie  Gemeinden 
ganz  mit  sich  zu  verschmelzen,  da  gehörte  zu  den  letzteren  Ohlsbach.  »Einst«,  so  hieß 
es,  »hatte  das  Kloster  die  Grafschaft  vom  Reiche  gegen  die  sieben  Huben  in  Ohlsbach 
eingewechselt.  Seitdem  stand  die  Hub  zu  Ohlsbach,  d.  h.  das  gesamte  untere  Dorf  — 
ob  es  gleich  sehr  viel  mehr  wie  sieben  Huben  umfaßte  — , wieder  unter  dem  Reiche.«  2) 
Die  Hube  war  in  drei  Lehen  an  verschiedene  Adelsgeschlechter  der  Ortenau  vergeben  — 
darunter  die  Stoll  von  Staufenberg  — , die  ihr  Herrschaftsrecht  in  Ganerbenweise  aus- 
übten. Sie  hatten  ihr  eigenes  Dinggericht,  aber  die  Bauern  ernannten  die  zwölf  Hub- 
richter ohne  ihr  Zutun.  Im  J.  1402  nun  beschlossen  die  Bauern,  sich  ganz  der  Stadt 
Gengenbach  zu  inkorporieren.  Sie  verbanden  sich  zu  einer  Zunft  und  gelobten  Meister 
und  Rat  Gehorsam,  ihr  altes  Dorfeigentum  behielten  sie  als  Zunfteigentum.  Sollten  die 
Zünfte  wieder  abgehen,  dann  sollte  der  Vertrag  ungültig  sein.  Da  trotz  der  bald 
darauf  folgenden  Niederlage  und  Einschränkung  des  Zunftregimentes  die  Zunfteinteilung 
bestehen  blieb,  blieb  auch  Ohlsbach  bei  Gengenbach.  Das  Hubgericht  blieb  bestehen; 
1422  hören  wir  »Walther  von  Waltstein,  Andreas  Suselmann  von  Ortenberg,  Cunrat 
Stoll  von  Stouffemberg  und  Wilhelm  von  Bern,  Schultheiß  zu  Celle«  nennen  als 
»hübherren  dez  hubgerichtz  zu  Olspach«.  Aber  die  eigentliche  Obrigkeit  sah  der  Bauer 

])  Die  Literatur  etc.  siehe  bei  Walter,  Das  Judenbad  a.  a.  O. 

2)  Gothein  a.  a.  O.  S.  240. 

34* 


Sammlung  des 
Gewerbevereins 


Pfosten 


Kruzifix 


Ortsgeschichte 


522 


KREIS  OFFENBURG. 


Fachwerkhaus 

Bildstöcke 

Brunnen 


Ortsgeschichte 


Kirche 

Ölgemälde 

Ziehbrunnen 


doch  in  dem  Gericht  zu  Gengenbach.  Immerhin  behielt  Ohlsbach  seine  eigene  Ver- 
waltung, es  bewahrte  sich  auch  seine  Umgeldfreiheit;  erst  nach  dem  Dreißigjährigen  Kriege 
schloß  es  sich  der  Besteuerung  der  Stadt  an;  dieselbe  übernahm  dafür  die  Verzinsung 
seiner  Schulden.  Die  Einwohner  blieben  wirkliche  Bürger,  nicht  Untertanen  der  Stadt. 
So  blieb  es,  bis  1803  das  ganze  Gebiet  der  Reichsstadt  badisch  wurde. 

Von  einer  Kirche  hören  wir  nichts;  die  Pfarrei  ist  erst  im  19.  Jh.  gegründet  worden. 
Die  heutige  kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  S.  Trinitatem)  ist  1879  bis  1880  erbaut  worden. 

Im  Ort  zu  erwähnen  das  Haus  Nr.  124,  gegenüber  dem  »Rebstock«,  sehr  hübsches 
Fachwerkhaus  in  der  Art  der  abgebildeten  Gengenbacher  Häuser,  mit  Schutzdach  über 
den  Fenstern  des  Hauptgeschosses  etc. 

An  dem  Weg  nach  Gengenbach  drei  Bildstöcke , einer  mit  einer  Sichel  am  Sockel, 
ein  anderer  datiert  1745. 

Ebenda  Brunnen  im  Rocaillestil,  größeres  Volutenpostament  mit  Maskaron  als 
Ausguß,  laut  Aufschrift  »Posuit  civitas  Gengenbacensis  1765«,  mit  dem  Wappen  der 
Reichsstadt;  darauf  ein  kleineres  Volutenpostament,  auf  dem  die  bemalte,  lebensgroße 
Statue  des  h.  Nepomuk  in  geschwungener  Haltung  und  am  Postament:  Laudate  Dominum 
in  sanctis  eis  — etc. 


ORTENBERG 


Schreibweisen:  Ortinberch  1167;  castrum  Ortinberg  ca.  1235;  Ortenberc  zwischen 
1237  bis  1254;  Ortenberg  1245;  castrum  1248;  Orthenberg  1250;  Orttemberg  1257  etc.; 
uff  der  bürge  ze  Ortenberg  in  Kinzichendal  1293;  sloss  und  herrschaft  Ortenburg  1506; 
die  pflägde  Ortemberg  1439;  unser  Johans  bischof  zu  Strasburg  pflecknüsse  zu  Ortem- 
berg  1370;  amt  Ortenberg  1506;  die  vogtyen  am  stein  Ortemberg  1496. 

Archivalien:  Mitteil,  der  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895),  S.  48 — 49. 

Ortsgeschichte : Der  Ort  dürfte  erst  im  1 4.  Jh.  entstanden  sein  aus  Ansiedelungen 
von  Wirtschaftstreibenden  oder  Knechten  der  Burg  unter  deren  Schutze.  Er  dürfte  nicht 
identisch  sein  mit  dem  ausgegangenen  Orte  Tatenwilare,  wie  man  gemeint  hat,  der  mehr 
gegen  Elgersweier  zu  gelegen  zu  haben  scheint.  Ortenberg  gehörte  selbstverständlich 
wie  die  Burg  zur  Landvogtei  Ortenau;  mit  Elgersweier,  Schutterwald,  halb  Zunsweier, 
mit  dem  Zeller  und  dem  Goldscheurer  Stab  bildete  es  eines  der  vier  Landgerichte  der- 
selben. Die  Hälfte  des  Zehnten  gehörte  dem  Kloster  Gengenbach,  in  die  andere 
Hälfte  teilte  sich  das  Straßburger  Domkapitel  und  der  Pfarrektor  zu  Ortenau.  Aus 
der  Ortsgeschichte  ist  verständlich,  daß  es  keine  eigene  Pfarrei  hatte,  die  Einwohner 
gingen  zur  Kapelle  auf  dem  Btihlweg  (s.  unten),  im  Anfänge  des  19.  Jhs.  wurde  die  Pfarrei 
nach  Ortenberg  verlegt  und  1824  die  Kirche  erbaut. 

Die  Kirche  (ad  S.  Bartholomaeum)  ist  ein  schlichter,  einschiffiger  Bau  in  dem  Stil 
der  Weinbrennerschule.  An  den  beiden  Seitenaltären  zwei  ältere  Ölgemälde , das  Gebet 
am  ölberg  und  der  Gute  Hirte,  sehr  nachgedunkelte  mittlere  Arbeiten  des  1 8.  Jhs. 

Bei  der  Brauerei  S.  Harter  befindet  sich  ein  reicher  ausgestatteter  Ziehbrunnen,  in 
der  üblichen  Form,  der  runden  Brunnenöfifnung,  den  zwei  Seitenpfosten  und  dem  darüber- 
gelegten Steinbalken.  Dieser  ist  mit  Rocailleornamenten  ausgestattet,  an  ihm  steht 
»S.  Johann  Nepomuk  ora  pro  . .«  und  1787,  auf  ihm  die  Statue  des  h.  Nepomuk  mit 
noch  zum  Teil  alter  Bemalung. 


AMT  OFFENBURG.  — ORTENBERG.  (KAPELLE  AM  BUHLWEG.) 


523 


KAPELLE  AM  BÜHLWEG 

(auch  Käfersberg  genannt) 

Literatur:  W.  Störk,  Die  Wallfahrtskirche  Maria  Ruh  im  Bühlweg  bei  Ortenberg. 

Die  Kapelle  (ad  S.  Bartholomaeum)  gehörte  zur  Pfarrei  Offenburg.  In  dem  Bericht 
des  dortigen  Pfarrherrn  Lazarus  Rapp  über  seinen  Sprengel  an  den  Bischof  von  Straß- 
burg heißt  es:  »In  der  Kapelle  unserer  Frauen  zu  der  Ruh  an  dem  Buhlweg  bei  Orten- 
berg, welche  mit  Consens  des  Herrn  Ordinarii  Kurfürstl.  Pfalz  als  damaligen  Inhabers  der 
Pfleg  Ortenau  und  Herrn  Heinrici  de  Sachs  des  Kirchherrn  jedoch  in  Allem  mit  Vor- 
behalt der  pfarrlichen  und  der  Mutterkirche  Gerechtigkeiten  erbaut  wurde  anno  1497, 
geschehen  im  Jahr  2 Predigten  auf  Bartholomä  des  heil.  Apostel  tags  mit  einem  gesungenen 
Amt  und  2 gesungenen  Vespern  und  es  wird  allda,  so  oft  jemand  stirbt  und  dies 
angezeigt  wird  aus  Ortenberg,  Käfersberg,  Fessenbach  eine  Seelenmesse  sammt  einer 
Leichenpredigt,  wie  auch  an  diesem  Ort  alle  14  Tage  die  Kinderlehre  gehalten«.  Als 
der  Pfarrherr  i.  J.  1616  diesen  Bericht  schrieb,1)  da  waren  Bestrebungen  im  Gange,  die 
Kapelle  zur  Pfarrei  zu  erheben;  damals  gelang  es  ihm  noch,  dieselben  hintanzuhalten. 

1787  aber  erfolgte  die  Lostrennung  von  Offenburg  und  die  Erhebung  zur  Pfarrei,  die  im 
Anfang  des  19.  Jhs.  nach  Ortenberg  verlegt  wurde.  Seitdem  ist  die  Kapelle  Filiale  von 
Ortenberg. 

Die  Kapelle  ist  ein  Bau  des  ausgehenden  15.  Jhs.  Ein  einschiffiges,  kleines  Lang- 
haus von  11,72  zu  7 m,  das  sich  in  einem  Spitzbogen  zum  quadratischen  Chor  öffnet; 
an  diesen  anstoßend  die  Sakristei.  Letztere  ist  noch  mit  der  alten,  flachen,  einfachen 
Stabdecke  versehen.  Auch  der  kleine  Dachreiter  stammt  noch  aus  der  Zeit  der 
Erbauung,  wenigstens  in  seinem  Unterbau.  Seine  Spitze  hat  er  im  18.  Jh.  erhalten,  in 
dem  überhaupt  eine  Erneuerung  des  Kirchleins  stattfand  Chor  und  Langhaus  erhielten 
Barockstuckdecken,  von  denen  die  im  Chor  erhalten,  während  sie  im  Langhaus  bei 
der  Renovation  in  unserem  Jahrhundert  durch  eine  Stabdecke  ersetzt  worden  ist. 
Geradsturzige  Fenster  mit  einem  abgefasten  Pfosten  erhellen  das  Langhaus,  ebensolche 
im  Chor.  Die  wohl  im  19.  Jh.  erst  vorgelegte  hölzerne  Vorhalle  wirkt  nicht  unglücklich 
und  trägt  bei  zu  dem  malerischen  Anblick  des  auf  der  Höhe  der  Rebhügel  liegenden 
Kirchleins. 

Von  der  ursprünglichen  Innenausstattung  ist  noch  eine  Holzstatuette  der  Pieta  Innenausstattung 
erhalten,  die  jetzt  auf  dem  Hochaltar  steht,  ein  neu  gefaßtes,  tüchtiges  Werk  der  Spätgotik. 

Der  Hochaltar,  in  der  üblichen  Barockausgestaltung  mit  Säulen  u.  a.,  umschließt  ein 
Ölgemälde  (s.  Fig.  293),  ein  ja  wohl  etwas  süßliches,  aber  sympathisches  und  gut  gemaltes  Ölgemälde 
Werk  des  18.  Jhs.  Die  schlichten  Seitenaltäre  in  entsprechendem  Stil.  Auf  dem  einen 
von  ihnen  die  Barockstatue  des  h.  Bartholomäus  (Holz).  Die  Glocke  der  Kapelle  ist  von  Glocke 
Mathäus  Edel  in  Straßburg  gegossen. 

Bei  Restaurationsarbeiten  i.  J.  1903  wurden  eine  Anzahl  Wandgemälde  im  Chor  Wandgemälde 
und  im  Langhaus  aufgedeckt  sowie  die  Spuren  der  vollständigen,  dekorativen  Bemalung 
des  Innern.  Diese  Werke  wurden  unter  der  Leitung  des  Konservators  der  Baudenkmale, 

Oberbaurat  Kircher,  und  der  Erzbischöflichen  Bauinspektion  durch  den  Kunst- 
maler Th.  Mader  restauriert. 


1)  Walter,  Bericht  des  Kirchherrn  Lazarus  Rapp  a.  a.  O. 


524 


KREIS  OEFENBURG. 


fiig.  293.  Altarbild  in  der  Kapelle  am  Biihlweg  bei  Ortenberg. 

In  den  Laibungen  der  Fenster  fand  sich  Ranken  werk,  dasselbe  kehrt  über 
ihnen  wieder  sowie  am  Triumphbogen,  dazwischen  einmal  das  Veronikon,  ein  ander- 


AMT  OFFENBURG 


ORTENBF.RG.  (KAPELLE  AM  BOHLWEG.) 


525 


mal  Engel.  Die  Nordwand  des  Langhauses  war  mit  einem  großen  Bilde  geschmückt, 
das  die  drei  wichtigsten  Scenen  aus  dem  Leben  des  h.  Laurentius  darstellt 


Big.  294.  Laurentiusbild  in  der  Kirche  am  Bühlweg  bei  Ortenberg. 


526 


KREIS  OFFENBURG. 


(s.  Fig.  294). ’)  Rechts  die  Verteilung  des  Kirchenschatzes  an  die  Armen,  in  der  Mitte 
der  Heilige  vor  dem  Kaiser  Decius,  in  den  Spruchbändern  steht  ihre  Unterhaltung: 

Wen  frfjats  bcr  frirrfjen  muftu  mir  geben 
ober  irfj  taill  bar  für  bir  nemen  bin  leben. 

^Den  frfjats  ber  irirrfjen  fiab  irfj  bifen  armen  geben 
bar  mit  Unir  erlangen  cVuigcö  leben. 

Links  der  Vollzug  der  Strafe:  der  Heilige  auf  dem  Rost.  Das  Ganze  umrahmt  von 
einer  Architektur:  Stadtmauer  mit  Türmen,  Glocken,  Kirchenfassade,  Kapelle,  in  den 
Formen  des  spätgotischen  Stils.  Rechts  in  der  Ecke  ein  Schild,  darin  ein  Rebmesser, 
wohl  das  Wappen  des  Stifters,  vielleicht  der  Offenburger  Zunft  der  Rebleute.  Das  Bild, 
von  wirkungsvoller  Komposition,  ist  auch  in  der  Gebärdensprache,  in  der  Behandlung 
des  menschlichen  Körpers  und  seiner  Bewegungen  eine  vorzügliche  Leistung  aus 
dem  ersten  Jahrzehnt  des  16.  Jhs.  Wie  die  übrigen  Bilder  ist  auch  dieses  in  Tempera 
gemalt. 

An  der  Südwand  des  Langhauses,  in  zwei  Reihen  übereinander,  jeweils  von 
rotem  Bande  umrahmt,  zwölf  Scenen,  davon  elf  aus  der  Passion  Christi,  während 
die  zwölfte  das  Losbeten  einer  Seele  aus  den  Flammen  des  Fegfeuers  darstellt  durch 
eine  fürbittende  Heilige  und  ihren  Schützling,  einen  knieenden  (kleiner  gezeichneten) 
Mann,  wohl  den  Stifter  des  Bildes.  Diese  mögen  von  dem  gleichen  Meister  stammen 
wie  das  Laurentiusbild,  nur  vielleicht  mit  stärkerer  Beteiligung  seiner  Gehilfen;  wir 
erkennen  eine  zum  Teil  sehr  routinierte  Hand,  gut  gezeichnete  Bewegungen,  dann  aber 
auch  wieder  ein  Ringen  mit  den  Unvollkommenheiten  des  15.  Jhs.  Die  Tracht  weist 
auf  das  erste  Jahrzehnt  des  16.  Jhs.  hin.* 2) 

An  beiden  Langhaus  wänden,  da,  wo  sie  an  die  Chorbogenwand  anstoßen, 
in  je  zwei  Feldern  je  zwei  Heilige,  und  zwar  links  die  h.  Katharina,  darüber  der 
h.  Urbanus  als  Schutzpatron  der  Winzer,  rechts  die  h.  Barbara  (?)  und  der  h.  Sebastian. 

An  der  Chorbogen  wand  links  eine  Darstellung  der  h.  Anna  selbdritt  und 
rechts  eine  Kreuzigung,  am  Chorbogen  selbst  Spuren  einer  Jahreszahl:  8?,  also  1508 
(oder  1504?)  oder  1518. 

An  der  Südwand  des  Chores  Madonna  in  der  Strahlenmandorla  auf  der 
Mondsichel,  neben  ihr  zwei  fliegende  Engel ; von  ihrem  Mantel  Spruchbänder  ausgehend 
mit  Worten  wohl  aus  der  Lauretanischen  Litanei,  unter  ihr  eine  Tafel  gemalt  mit  nur 
noch  zum  Teil  lesbarem  Gebet.  Zu  den  beiden  Seiten,  in  Wolken,  die  Halbfiguren  zweier 
Kirchenväter,  Augustinus  im  Spruchband  bezeichnet,  die  zwei  anderen,  darüber  gemalten 
sind  durch  die  Barockdecke  verdeckt. 

An  der  Eingangswand  links  der  Tod  mit  Stundenglas  und  Spruchband,  rechts 
eine  Heilige  mit  zwei  Figuren  auf  dem  Arm  (h.  Anna  selbdritt?). 

*)  Es  war  leider  nicht  gut  möglich,  das  Bild  in  einer  Aufnahme  vor  der  Wiederherstellung 
zu  bringen. 

2)  Die  oberen  Scenen  waren  durch  die  tiefer  eingezogene  Barockdecke  in  ihren  oberen  Teilen 
mit  den  Köpfen  der  Figuren  etwas  beschädigt. 


AMT  OFFENBURG.  — ORTENBERG.  (BURG  ORTENBERG.) 


527 


BURG  ORTENBERG 

(Burg  des  Orto) 

Literatur:  J.  Bader,  Ortenberg.  Baurat  Eisenlohr,  Der  ortenbergische  Hexen- 
stuhl, Fahrten  und  Wanderungen  II  (1856),  S.  224 — 227.  Bader,  Das  ortenauische 
Schloß  Ortenberg,  mit  Illustration,  Badenia  I (1839),  S.  262  — 276. 

Ansichten:  Kupferstich  von  Merian  von  1645;  ein  Stich,  einen  großen  befestigten 
Ort  mit  Stadtmauern,  Graben  etc.  darstellend,  etwas  höher  ein  stärker  befestigter  Teil, 
dahinter  ein  Berg,  über  dem  Ganzen  steht  Ortenberg,  im  Vordergrund  ein  Hirsch,  eine 
Friedenstaube,  ein  Helm,  darauf  ein  Buch  mit  dem  Malteserkreuz,  lateinischer  und  deutscher 
Sinnspruch,  darüber  wieder:  Ortenberg;  dem  aus  dem  17.  Jh.  stammenden  Stich  kann  ich 
nur  schwer  auch  die  geringste  Glaubwürdigkeit  beimessen,  da  auch  das,  was  man  die 
Burg  nennen  könnte,  mit  den  tatsächlichen  Resten  nicht  die  geringste  Ähnlichkeit  hat 
und  an  einen  so  großen  Ort  überhaupt  nicht  zu  denken  ist.  Weitere  Ansichten:  sehr 
flüchtige  in  Schmalkalders  Skizzenbuch  von  1689  im  Großh.  Generallandesarchiv 
(s.  Fig.  295);  von  1829  in  Vues  pittoresques  des  vieux  chäteaux  de  l’Allemagne,  Le  Grand 
Duche  de  Bade  d’apr£s  les  dessins  originaux  de  M.  de  Ring,  Straßburg  1829,  II.  Teil; 
eine  wohl  danach  gezeichnete  aus  dem  Manuskript  des  J.  Gul  ath  von  Wellenburg,  im  Besitz 
der  Familie  des  Verfassers  (s.  Fig.  296)  und  mir  gütigst  von  derselben  zur  Verfügung 
gestellt,  bezeichnet  Pf.  (Staatsrat  Pfeuffer);  ebenda  eine  weitere  (s.  Fig.  297),  Orten- 
berg 1807,  wohl  von  demselben;  ein  Stahlstich  von  Poppel  nach  einer  Zeichnung  von 
A.  Müller,  der  bereits  den  Neuaufbau  zeigt,  von  dem  auch  noch  eine  Reihe  späterer, 
hier  gleichgültiger  Aufnahmen  existieren,  u.  a.  die  bei  Bader. 

Auf  einem  freien  Hügel  vor  der  eigentlichen  Hauptkette  lagen  die  Ruinen  des 
Schlosses,  über  dessen  Alter  sich  die  abenteuerlichsten  Sagen  gebildet  haben.  Möglich, 
daß,  wie  Bader  meint,  schon  die  Kelten  diese  geeignete  Stelle  befestigt  hatten,  möglich, 
daß  die  Römer  ebenfalls  den  Ort  benutzten,  zu  beweisen  ist  bis  jetzt  nichts,  sicher  nicht 
aus  dem  Mauerwerk,  wie  man  früher  meinte.  Vermutlich  haben  die  Gaugrafen  sich  dies 
Schloß  gebaut,  und  wenn  nicht  seinen  Ursprung,  doch  mindestens  seinen  Ausbau  mag  es 
durch  die  Zähringer  erfahren  haben,  die  die  Grafschaft  der  Ortenau  innehatten,  also  wohl 
Ende  des  n.  Jhs.  oder  im  12.;  damit  stimmt  auch  merkwürdigerweise  überein,  was  wir 
aus  den  sonst  sehr  unglaubwürdigen  Abbildungen  der  Ruinen  entnehmen  können,  sie 
verraten  neben  späteren  gotischen  Zufügungen  ausgebildeten  romanischen  Stil,  den  man 
nach  Analogie  mit  anderen  Burgen  frühestens  dem  12.  Jh.  zuschreiben  möchte,  wenn 
nicht  gar  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.;  alsdann  hätten  die  Hohenstaufen  vielleicht 
zur  Befestigung  ihrer  kurzen  Herrschaft  die  Zähringer  Burg  weiter  ausgebaut.  Von 
damals  an  war  dieselbe  der  Verwaltungsmittelpunkt  der  Ortenau;  von  ihr  aus  übten, 
wie  früher  die  Vögte  der  Zähringer,  so  jetzt  die  Landvögte  ihre  Herrschaft  aus.  Zugleich 
war  sie  die  Haupt-  und  Malstatt  der  vier  ortenauischen  Gerichte. 

Ein  Geschlecht  des  Namens  hat  es  nach  Gothein  nicht  gegeben.  Doch  hören 
wir  n 67  von  einem  Wernherus  de  Ortinberch  nobilis  vir  et  ingenuus  et  frater  eius 
Cönradus;  später  hören  wir  nichts  dergleichen  mehr,  wohl  aber  von  Ministerialen,  dem 
miles  B.  de  Ortemberch  1238,  einem  Erkenbolt  1318,  Cunrat  1327,  einer  Tochter  des 
Erkenbolt  namens  Gertrud  1333  und  einem  Sohn  Heinrich,  einem  Sohn  des  Berthold 
namens  Reinbold  1390  bis  1410,  einem  Johann  1358  und  zu  derselben  Zeit  von  einem 


Ansichten 


528 


KREIS  OFFENBURG. 


Berhtold  von  Ortenberg,  schultheiße  zu  Offenburg  1356.  Ob  das  eine  Ministerialenfamilie 
war,  scheint  ebenfalls  nicht  festzustehen;  möglich,  daß  Johann  (und  Berthold?)  Landvogt 
des  Reiches  war. 


Nicht  lange  aber  saßen  die  Landvögte  des  Reiches  auf  der  Burg.  War  der  Reichs- 
besitz doch  immer  etwas  zweifelhaft  geblieben.  In  der  letzten  Regierungszeit  Friedrichs  II. 
gelang  es  dem  Bistum  Straßburg  dank  der  Erfolge  der  päpstlichen  Partei,  seine  Aus- 
dehnungsgelüste in  der  Ortenau  zu  befriedigen.  1247  eroberte  der  Bischof  Heinrich 


AMT  OFFENBURG.  — ORTENBERG.  (BURG  ORTENBERG.) 


529 


von  Stahleck  außer  Gengenbach  und  Offenburg  auch  Ortenberg.  Die  Burg  blieb  beim 
Bistum,  bis  Rudolf  von  Habsburg  die  Landvogtei  wieder  dem  Reiche  zubrachte.  Als 
dessen  Landvögte  saßen  1302  Otto  von  Ochsenstein,  1309  Graf  Johann  von  Sarwerden, 
1310  Walter  von  Geroldseck  auf  der  Burg.  Nach  der  kurzen  Verpfändung  an  die  öttingen 
kam  die  Landvogtei  als  Pfandschaft  an  den  Markgrafen  Rudolf  Wecker  von  Baden, 
1351  an  die  Bischöfe  von  Straßburg,  1356  ward  das  gleiche  Anrecht,  sie  einzulösen,  auch 
den  Pfalzgrafen  eingeräumt,  aber  erst  1405  von  ihnen  benutzt.  So  sitzen  denn  in  der 
zweiten  Hälfte  des  14.  Jhs.  hier  die  Landvögte  des  Bischofs.  Von  1405  an  dauerte  die 
doppelte  Pfandschaft ; die  Pfalzgrafen  aber  kauften  auch  den  Anteil  des  Bischofs  an  dem 
Schlosse  diesem  ab  und  gingen  nun  daran,  dasselbe  als  den  eigentlichen  festen  Stützpunkt 
ihrer  Macht  in  diesen  Gegenden  auszubessern  und  zu  erweitern.  Das  geschah  unter  der 
Leitung  des  Burgvogts  Wilhelm  von  Falkenstein.  »Der  große  Turm  wurde  erhöht  und 
mit  Erkern  versehen,  der  Zwingolf  um  denselben  geblattet,  die  Mauer  im  Vorhof,  vom 
Saale,  an  der  Kapelle  vorbei  bis  zur  Küche  ausgebessert,  ein  neues  Haus  daselbst  errichtet 
und  die  beiden  Häuser  auf  der  Burg  durch  einen  Gang  verbunden;  alsdann  zwei  neue 
Brücken  mit  Falltoren  gelegt,  wahrscheinlich  die  eine  vom  Schloßweg  zur  Vorburg  und 
die  andere  von  da  zur  eigentlichen  Burg,  und  endlich  der  tiefe  Sodbrunnen  gereinigt.«1) 
Wie  Bader  richtig  bemerkt,  war  die  Burg  nach  dem  üblichen  Schema  angelegt:  auf  dem 
Felsfundament  des  höchsten  Bergteiles  die  Hauptburg  mit  Quaderturm  etc.,  weiter  unten 
der  Zwinger  mit  der  Kapelle  (ad  S.  Bartholomaeum)  und  anderen  Burgteilen  und  endlich 
der  Vorhof  mit  den  Ökonomiegebäuden. 

Mit  dem  größeren  Gebrauch  und  der  Vervollkommnung  der  Feuerwaffen  mußte 
Ortenberg  seine  offenbar  bisher  große  Bedeutung  verlieren,  da  es  von  dem  hinter  ihm 
liegenden  höheren  Bergrücken  mit  Leichtigkeit  zu  beschießen  war.  Zwar  war  — wohl 
noch  unter  dem  Pfalzgrafen  — die  Ringmauer  »mit  Rundtürmen  und  Streichwehren 
nach  damaliger  Befestigungsart  verwahrt  worden«,2)  das  konnte  aber  bei  der  angedeuteten 
Lage  auf  die  Dauer  nichts  nutzen,  was  sich  wohl  schon  bei  der  Belagerung  durch 
Maximilian  I.  zeigte.  Denn  als  Kurfürst  Philipp  infolge  des  bayerischen  Erbstreites  in 
die  Reichsacht  erklärt  worden  war,  zog  der  Kaiser  1504  selbst  vor  die  Burg,  eroberte 
dieselbe  und  übergab  sie  dem  Grafen  Wolfgang  von  Fürstenberg,  der  damals  die  pfälzische 
Hälfte  der  Landvogtei  zur  Pfandschaft  erhielt;  von  ihm  kam  sie  an  Wilhelm,  den  »wilden 
Grafen«,  der  einen  großen  Teil  seines  abenteuerlichen  Lebens  hier  auf  dieser  Burg  ver- 
brachte. 1549  mußte  er  zugunsten  seines  Bruders  Friedrich  abdanken  und  starb  bald 
darauf  auf  der  Burg.  1551  und  1554  wurden  endlich  die  beiden  verpfändeten  Hälften 
der  Ortenau  von  Österreich  eingelöst,  bei  dem  sie  nun,  mit  der  Unterbrechung  durch 
die  badische  Landvogtei  im  18.  Jh.,  blieben.  Ein  österreichischer  Landvogt  saß  von 
nun  an  auf  der  Burg  und  verwaltete  von  hier  aus  die  Gegend.  An  eine  irgendwie 
gründliche  Ausbesserung  der  Befestigungen  dachte  niemand  mehr  Noch  1521  war 
wenigstens  eine  gewisse  Munition  da,  1560  aber  mußte  sich  der  erste  österreichische 
Vogt  Georg  von  Bulach  wiederholt  an  die  vorderösterreichische  Regierung  wenden,  um 


1)  Bader,  Badenia  a.  a.  O.  S.  269,  nach  verschiedenen  Baurechnungen  von  1413  bis  1419. 
Es  wäre  vielleicht  eine  lohnende  Aufgabe,  unter  Aufsuchung  aller  diesbezüglichen  Urkunden  die  Bau- 
geschichte des  Schlosses  eingehender  zu  untersuchen. 

2)  Bader  a.  a.  O.  S.  270. 


Fig.  2i)6.  Ortenberg  iSjo. 


53° 


KREIS  OFFENBURG. 


AMT  OFFENBURG.  — ORTENBERG.  (BURG  ORTENBERG. 


53T 


r.  297.  Ortenberg  1807. 


532 


KREIS  OFFENBURG. 


wenigstens  einige  Halb-  und  Doppelhaken  zu  erhalten.  Als  Besatzung  lagen  nur  ein 
paar  Mann  da.  Unter  Maximilian  II.  muß  sich,  wie  aus  den  Akten  hervorgeht,  die 
Unmöglichkeit  einer  wirksamen  Verteidigung  bei  irgendeiner  Belagerung  herausgestellt 
haben.  Vorher  schon,  nach  1569,  hatte  ein  von  der  Regierung  zur  Besichtigung 
gesandter  Herr  ähnliches  festgestellt.  Aber  es  blieb  alles  beim  alten.  Eine  Kommission 
i J-  1 5 9 5 schließt  ihren  Bericht  damit,  daß  das  »ganze  Schloß  ein  altes  Gebäu  ist  und 
ein  dunkel  Ansehen  hat«.  Als  dann  Rudolf  von  Landenberg  Landvogt  wurde,  fand  er 
kaum  ein  Haus,  in  das  er  ziehen  konnte.  Endlich  kam  es  zu  einer  gewissen,  aber 
dürftigen  Reparatur.  Natürlich  konnte  aber  die  Burg  auch  so  im  Dreißigjährigen 
Kriege  keine  Rolle  spielen.  1630  erhielt  sie  eine  schwedische  Besatzung,  dann  eine 
badische  etc.,  bei  wechselndem  Kriegsgeschick.  Sie  überdauerte  ohne  Zerstörung 
diese  Jahre.  Als  aber  in  den  sechziger  Jahren  des  17.  Jhs.  die  Kriege  Ludwigs  XIV. 
über  die  Gegend  hereinbrachen,  da  eroberte  Marschall  Crequi  Ortenberg  und  ließ 
dasselbe,  als  er  wieder  abziehen  mußte,  anzünden  . und  sprengen.  Nach  einem 
Bericht  von  1680  war  das  Schloß  »völlig  und  gänzlich  abgebrannt  und  drei  Türme 
samt  einem  Eck  an  der  oberen  Schloßmauer  durch  die  Minen  der  Franzosen  meistens 
gesprengt«.  Auf  einen  Wiederaufbau  verzichtete  man,  nur  ein  paar  Blockhäuser  wurden 
errichtet;  die  Burg,  die  immer  mehr  verfiel,  diente  von  nun  an  nur  als  Gefängnis.  Mit 
der  Landvogtei  kam  die  Ruine  1803  an  Baden.  In  jenen  Zeiten  der  Romantik  wünschte 
man  sehnlich  den  Wiederaufbau  der  alten  Burg;  man  verlieh  daher  dem  vom  Schneider- 
gesellen zum  Millionär  emporgestiegenen  Georg  Stolz,  der  großartige  wohltätige  Stiftungen 
gemacht  hatte,  1832  den  Titel  von  Ortenberg.  Allein  noch  in  demselben  Jahre  starb 
er.  Endlich,  1837,  ward  die  Ruine  von  einem  Herrn  von  Berckholz  aus  Livland 
angekauft  und  1838  bis  1843  von  Eisenlohr  ausgebaut;  1872  kaufte  sie  Baron  Renouard 
de  Bussiöre  und  1889  der  Baron  Theodor  von  Hirsch-Gereut. 

Uber  die  vor  dem  Neubau  vorhandenen  Reste  gibt  uns  nur  Bader,  der  allerdings 
das  Schloß  auch  erst  nach  dem  Ausbau  gesehen  zu  haben  scheint,  einige  Auskunft.  Er 
schreibt:  »Der  Hauptturm  besteht  zur  Hälfte  aus  dem  ehemaligen,  ins  Gevierte  gebauten 
»Schimmel«,  welcher  auf  römischen  Fundamenten  ruht  und  selbst  der  ältesten  Vorzeit 
angehört,  zur  anderen  Hälfte  aus  einem  achteckigen  Neubau  mit  einem  Neben-  oder 
Treppentürmchen Das  vierstöckige  Wohnhaus  ruht  ebenfalls  auf  den  Grund- 

mauern des  alten.«  Diesen  »Schimmel«  nennt  Kolb  »ein  unterirdisches  Gefängniß, 
30  und  mehrere  Schuh  tief,  worinn  der  Gefangene  kein  anderes  Licht  bekam,  als  die 
ihm  durch  eine  runde  Oeffnung  von  oben  zugelassen  wurde«.1)  Er  berichtet  auch  von 
dem  Brunnen,  daß  derselbe  sehr  tief  und  »der  Kinzig  gleich  den  Felsen  durchgearbeitet« 
sein  soll. 

Nach  dem  heutigen  Bestand  ließ  sich  der  in  Fig.  298  wiedergegebene  Plan  auf- 
nehmen. 

Baugeschichte  Die  ältesten  Reste  sind  der  Bergfried,  die  Mauer  östlich  von  ihm  gegen  den  oberen 

Zwinger  zu  und  ein  Mauerrest  im  Norden,  einige  Meter  bevor  man  an  den  Jakobsturm 
kommt.  Diese  alten  Mauern  haben  ihre  Fortsetzung  in  dem  auf  dem  Plane  gestrichelt 
angedeuteten  Zuge  gehabt,  sie  setzten  sich  in  einer  Schildmauer  fort  und  wir  haben  damit 

1)  Nach  der  Tradition  sollen  eine  Menge  menschlicher  Gerippe  beim  Einbruch  der  heutigen 

(an  der  Nordseite)  Tür  gefunden  worden  sein,  was  auf  ein  Gefängnis  hindeuten  würde. 


Fig.  298.  Plan  de r Burg  Ortenberg. 


Band  VII.  Zu  Seite  532. 


AMT  OFFENBURG.  — ORTENBERG.  (BURG  ORTENBERG.) 


533 


den  Umkreis  der  oberen  Burg , wie  sie  etwa  zu  Zeiten  der  Zähringer  bestanden  haben 
mag.  In  ihrem  Westteil  deutet  eine  heute  vertiefte  Fläche  auf  einen  oberen  Palasbau. 


EHEMAl^EH  T3ERCfRlTs- 

bei  fl.  S'nd  die  Laoje rfugen  voll  kommen.  JJrejs . 

stelnjormat&^oisea  ^rojier  (ca.  •jtft.Je)  als  Wi  b,Wo  jeinere  J)ofier,^ ulAu  mW  T^jdü^  vrrwenV  «mj 


Ansicht  der  alten  <2naierrcste  der  Ost- 
und  Jtordse'ite  de»  ehemaligen  "fpra^rfe. 


Big.  299.  Der  Bergfried  der  Burg  Ortenberg. 


Vermutlich  schloß  sich  daran  schon  früh  eine  Vorburg  mit  Zwingern  etc.,  deren 
Mauern  wir  in  der  heutigen  Schildmauer  erkennen,  sowie  den  von  den  beiden  Rund- 
türmen nach  Südwesten  und  Südosten  ausgehenden  Mauerzügen,  während  der  ehemalige 
Südwestabschluß  durch  die  modernen  Anlagen  verwischt  ist.  Als  nun  der  Raum  in  der 


Obere  Burg 


Vorburg 


534 


KREIS  OFFENBURG. 


oberen  Burg  nicht  mehr  genügte,  vermutlich  noch  unter  dem  letzten  Zähringer  oder  den 
Hohenstaufen,  da  erbaute  man  einen  großen  rechteckigen  Palas  mit  Rundtürmen  an 
den  Ecken  in  dieser  Vorburg,  die  nunmehr  zur  eigentlichen  Wohnburg  wurde.  Ihre 
Mauern  verstärkte  man  vielleicht  damals  schon  durch  Strebepfeiler  und  legte  nach  Süd- 
westen einen  unteren  Zwinger.  Von  Osten  her  führte  der  Burgweg  in  denselben  durch 
ein  heute  zugemauertes  Rundbogentor.  Ein  künstlicher  Halsgraben  trennte  die  Burg 
wohl  schon  in  den  ältesten  Zeiten  von  der  Berg-  und  Angriffsseite.  Vor  dem  unteren 
Palas  lag  der  Brunnen.  In  der  Nordostecke  des  oberen  Zwingers  bezw.  der  unteren 
Burg  lag  die  Kapelle  (ad  S.  Bartholomaeum). 

So  etwa  war  das  Bild  der  Burg  in  ihrer  Glanzzeit.  Unter  der  pfälzischen  Herr- 
schaft erfuhr  sie,  wie  berichtet  wird,  eine  gründliche  Ausbesserung.  Wir  hören  von 
einer  Erneuerung  des  Zwingers,  Anbau  von  Erkern  an  den  Turm,  Ausbesserung  der 
Ostmauer,  zwei  neuen  Brücken  mit  Falltoren,  Reinigung  des  Brunnens.  Wo  wir  diese 
Brücken  zu  suchen  haben,  ist  nicht  ganz  sicher;  eine  vermutlich  bei  dem  Torbau  im 
Nordwesten  des  unteren  Zwingers.  Dann  hören  wir  von  der  Errichtung  eines  »neuen 
Hauses«,  und  da  wäre  man  wohl  geneigt,  an  den  Schloßbau  in  der  unteren  Burg  zu 
denken,  wogegen  aber  die  Steinmetzzeichen  sprechen  (s.  Fig.  300).  Ich  habe  ihn  des- 
halb einer  zweiten  Bauperiode  im  13.  Jh.  zugeschrieben.  Nicht  unmöglich,  daß  damit 
das  Verwaltungsgebäude  im  unteren  Zwinger  gemeint  ist,  das  auf  älteren  Mauern  steht. 
Endlich  wurden  die  beiden  Häuser  auf  der  Burg  durch  einen  Gang  verbunden,  auch  da 
wäre  es  aber  müßige  Vermutung,  wollten  wir  diese  Nachricht  erklären.  Vielleicht  sind 
damals  einige  kleinere  Rundtürme  angelegt  worden,  das  Profil  der  Türe  im  Jakobsturm 
würde  nicht  schlecht  zu  dieser  Zeit  passen.  Lediglich  hypothetisch  können  wir  auch 
die  Anlage  der  großen  Rundtürme  gegen  Nordosten,  die  die  Schildmauer  flankieren, 
dieser  Periode  zuschreiben,  und  zwar,  weil  nach  den  erhaltenen  Nachrichten  eine  derartig 
stattliche  Neuanlage  in  der  gleich  zu  besprechenden  vierten  Bauperiode  kaum  wahr- 
scheinlich ist.  Dem  Pfälzer  Landvogt  wird  auch  der  äußere  Grabeneinschnitt  im  Nord- 
osten zu  danken  sein,  Mauerreste  auf  dem  Kamm  zwischen  ihm  und  dem  Halsgraben 
deuten  auch  hier  auf  Befestigung.  Man  war  offenbar  bestrebt,  die  Wehrhaftigkeit  der 
Burg  gegen  die  Bergseite  zu  erhöhen. 

Allein  den  vervollkommneten  Feuerwaffen  gegenüber  half  das  nicht  mehr,  und 
so  ließ  man  denn  nach  der  Eroberung  durch  Maximilian  die  Bauten  ziemlich  gleich- 
gültig verkommen.  Erst  am  Ende  des  16.  Jhs.  entschloß  man  sich  zu  einer  offenbar  nur 
aufs  nötigste  beschränkten  Ausbesserung,  der  wir  nicht  viel  Zutrauen  dürfen.  Vielleicht 
hat  sie  im  äußersten  Nordosten  eine  Bastion  gegen  die  Angriffsseite  vorgeschoben. 
Nach  der  Zerstörung  durch  die  Franzosen  begnügte  man  sich  mit  der  Wiedererrichtung 
einiger  Blockhäuser  und  ließ  die  Burg  zur  Ruine  verfallen. 

Baubeschreibung  Der  ehemalige  Bergfried , dessen  Unterbau  noch  zu  einigen  Metern  Höhe  erhalten 
Bergfried  2 m starke  Mauern,  die  im  Innern  einen  4,10  zu  4,10  m weiten,  quadratischen 

Raum  umschließen  (s.  Fig.  299).  Der  äußere  Umfang  beträgt  an  jeder  Seite  8,40  m, 
nach  Westen  und  Norden  zeigt  der  Turm  einen  nach  Westen  nur  0,15,  nach  Norden 
0,30  m vorspringenden  Quadersockel,  an  der  Nordostecke  ist  ein  viereckiger  Anbau 
vorgelegt,  der  nicht  im  Verband  gemauert  ist,  also  etwas,  wenn  auch  nicht  um  vieles, 
jünger  sein  dürfte.  Die  Mauern  des  Turmes  sind  aus  tadellos  behauenen  Bossenquadern 


536 


KREIS  OFFENBURG. 


Schloßbau 


Brunnen 


Malerturm 

Kapellenturm 

Takobsturm 


Ortsgeschichte 

Kapelle 


gebildet,  am  eigentlichen  Turm  sind  die  Lagerfugen  wie  aufeinander  geschliffen,  fast 
Preßfugen,  die  Steine  sind  hier  größer,  die  Bossen  weiter  ausladend  als  an  dem  Anbau, 
wo  feinere  Bossenquader  mit  Randschlag  verwendet  sind.  Diese  hervorragende  Qualität 
des  Mauerwerkes  hat  früher  überall  zu  der  Annahme  römischen  Ursprungs  geführt,  wo- 
für alle  Anhaltspunkte  fehlen.  Der  heutige  Eingang  ist  natürlich  neu. 

Ein  ähnlich  sauberes  Hausteinwerk  zeigen  noch  die  ältesten  Mauerreste  im  Südost 
und  Nordwest  sowie  der  untere  Schloßbau,  letzterer  ebenfalls  mit  Bossenquadern.  An 
ihm  auch  charakteristische  Steinmetzzeichen,  die  zweifellos  noch  dem  13.  Jh.  angehören. 
Ob  die  Polygonalgestalt  seiner  Ecktürme  die  alte  ist,  läßt  sich  bei  der  Veränderung 
dieser  Teile  nicht  mehr  feststellen.  An  der  Nordostecke  ist  in  einem  flachgewölbten 
Kellerraum  bei  der  Kirche  der  alte  Brunnen  erhalten  (s.  Fig.  298),  ein  runder,  in  seinem 
oberen  Teil  ummauerter,  unten  in  den  Felsen  gesprengter  Schacht,  von  2,25  m Durch- 
messer, 22,50  m Tiefe.  In  13,50  m Tiefe  liegt  der  Wasserspiegel. 

Alle  Mauern  und  übrigen  Türme  des  Schlosses  sind  aus  Bruchsteinen  errichtet. 
Das  Erdgeschoß  des  Malerturmes  erhellen  zwei  in  ihrer  Laibung  rundbogige,  nach 
außen  geradsturzig  abgeschlossene  Fenster,  der  Kapellenturm  bietet  in  seinem  Inneren 
nichts  Altes  mehr.  Am  Jakobsturm  die  obenerwähnte  geradsturzige  Tür  mit  hohl- 
gekehltem Gewände.  Vor  dem  heutigen  Torbau  liegen  noch  Steine  des  alten  Tores  mit 
dem  Schlitz  für  die  Kette  der  Zugbrücke.  Endlich  seien  noch  die  Konsolen  an  der  süd- 
lichen Umfassungsmauer  erwähnt  (s.  Fig.  300),  die  vielleicht  einem  Gußerker  oder  etwas 
ähnlichem  dienten. 

Das  Material  des  Baues  ist  roter  Sandstein,  teilweise  untermischt  mit  rötlichem 
Granit. 


REICHENBACH 

(HAIGERACH) 

Schreibweisen:  Richenbach  1139,  Kop.  1276;  Richembach  im  Kinzichental  1289; 
curia  vor  Lutkirch,  quae  vocatur  Richenbach  1420;  zwölf  hoffe  gelegen  am  Richenpach 
Strospurger  bistumbs  mit  namen  zwen  hoff  uff  dem  Schneidpach,  dry  hoff  im  Sundersten- 
pach,  dry  hoff  im  Mittelbuch,  ein  hoff  genant  der  Stumpfenhof  im  Mittelbuch,  dry  hoffe 
in  der  Grube  1515;  wie  teilweise  aus  vorstehendem  hervorgeht,  gehören  zur  politischen 
Gemeinde  auch  die  Täler  Schwarzenbach,  Mittelbach,  Sondersbach,  Haigerach  und  Pfaffen- 
bach sowie  der  Zinken  Binzmatte. 

Ortsgeschichte:  Reichenbach  gehörte  bis  1803  zum  Gebiet  der  Reichsstadt 
Gengenbach  und  wurde  1803  badisch.  Patronat  und  Zehnt  sowie  viele  Güter  gehörten 
dem  Kloster  Gengenbach. 

Kapelle : ca.  1235  wird  die  capella  S.  Petri  in  Richenbach  erwähnt,  ebenso  1333; 
ym  Richenbach  ob  der  Kirchen  1423.  — Der  heutige  Bau  besteht  aus  dem  einschiffigen, 
flachgedeckten  Langhaus  mit  kleinem  quadratischen  Chor,  welcher  mit  einem  Netz- 
gewölbe mit  sich  durchschneidenden  Rippen  ohne  Schlußsteine  eingedeckt  ist.  Der  runde 
Gurtbogen  zum  Chor  ist  einfach  abgefast.  An  der  Ostseite  desselben  ein  einpfostiges 
Spitzbogenfenster  mit  Maßwerk,  kleinere  zu  beiden  Seiten,  an  der  Südseite  des  Lang- 


Tafel  XIX 


Haigerach,  Casel. 


AMT  OFFENBURG.  — REICHENBACH.  (HAIGERACH.) 


537 


hauses  zwei  Fenster  mit  Fischblasenmaßwerk  und  eine  Türe.  Sockel  der  Kirche  einfache 
Abschrägung  und  Platte.  Vor  der  Westseite  eine  Vorhalle,  von  zwei  Pfeilern  mit  abge- 
fasten Ecken  getragen.  Das  Portal  mit  geradem  Sturz  zeigt  an  dem  0,55  m hohen  und 
1,40  m breiten  Sturzblock  ein  Relief  (s.  Fig.  301),  Christus  auf  einer  Bank  thronend, 
einem  knieenden  Engel  ein  Schriftband,  dem  h.  Petrus  den  Schlüssel  übergebend.  Dieses 
Relief,  ein  Werk  des  romanischen  Stils,  könnte  in  seiner  technischen  und  künstlerischen 
Unbeholfenheit  dem  Anfang  des  12.  Jhs.  angehören,  ebensogut  mag  es  aber  ein  Werk 
eines  zurückgebliebenen  Künstlers  aus  dem  Ende  desselben  sein.  Wenn  wir  uns  auf 
Grund  dieses  Stückes  das  Kirchlein  näher  ansehen,  so  will  es  uns  dünken,  als  ob 
dasselbe  ein  Bau  der  gleichen  Zeit  sei,  der  im  15.  Jh.  eine  gotische  Überarbeitung 
erfahren  hat. 

Im  Innern  ein  Barockaltar  mit  Statuen  der  Apostel  Petrus  und  Paulus.  Auf  der  Innenausstattung 
Empore  ein  rohes  Bild  der  Bekehrung  Pauli  aus  dem  16.  Jh.  Wahrscheinlich  ist  also 


Fig.  301.  Romanischer  Türsturz  vom  Portal  der  Kirche  in  Reichenbach. 


im  15.  Jh.  Paulus  als  Patron  hinzugekommen,  wie  so  oft.  Ebenda  zwei  spätgotische, 
leuchtertragende  Engel,  holzgeschnitzt.  An  der  einen  Fensterwand  übertünchte  Inschrift 
und  eingehauen:  Pflugschar  nebst  Rebmesser.  Die  einfache  Barockkanzel  wird  von 
mächtigen,  bedeutend  älteren  Konsolen  getragen. 

Weiter  im  Tal  einige  Fachwerkhäuser,  eines  von  1749.  Fachwerkhäuser 

Am  Weg  nach  Mittelbach  Bildstock  von  1790,  am  Gasthaus  »Zum  Kreuz«  ein  Bildstöcke 
solcher  von  1752.  (Wth.) 

Römisches : An  der  Landstraße  nach  Gengenbach,  an  der  Gemarkungsgrenze,  Römisches 
römische  Reste.  (Mitteilung  von  Prof.  Schumacher  1900.)  (W.) 

HAIGERACH 

Schreibweisen:  Heideger  1289;  curia  Heigern  1414;  hof  zu  Heidiger  1423; 

Heydinger.  (Mit  Heidekraut  bewachsener  Ger  oder  Ger  des  Mannes  Heito.) 

Die  Geschichte  des  Ortes  ist  die  gleiche  wie  die  Reichenbachs.  Er  gehörte  Ortsgeschichte 
mit  diesem  dem  Kloster  Gengenbach  und  wurde  1803  badisch.  Uber  die  Nachricht: 

»nachdem  in  der  pflegd  Orttenberg  im  Heydiger  oder  alten  Gengenbach  genant  vor 


351 


538 


KREIS  OFFENBURG. 


Kapelle 


Mühlstein 

Bildstock 


Ortsgeschichte 


ziten  bergkwerk  erbawen  1528«  und  ihre  Beziehung  zu  dem  Ursprung  der  Stadt  Gengen- 
bach ist  bereits  bei  der  Geschichte  der  Stadt  das  Nötige  gesagt  worden. 

Eine  Kapelle  des  h.  Michael  steht  ganz  oben  im  Tal  auf  der  Anhöhe  über  der 
Straße.  Ein  einschiffiges  Langhaus  mit  halbrunder  Apsis.  Gegen  diese  zu  ist  das 
Langhaus  um  eine  Stufe  erhöht,  an  der  die  Zahl  1780  eingehauen  ist.  Schlichte  Rund- 
bogenfenster  erhellen  die  Kapelle,  über  deren  rundbogigem  Tor  steht: 

DEO  UNI  TRINO 
OPTI  • MAXIMO 
IN  HONOREM  B • MICHAELIS 
ET  OTm  • SS  • ANGELORUM 

INSTAURATUM  1597. 

In  der  Kapelle  ein  Barockaltar  mit  Statue  des  h.  Michael.  Das  wertvollste  Stück 
aber  ist  eine  Casel  von  gelber,  graudurchwirkter  Seide  mit  aufgenähtem  älterem  Kreuz  und 
Balken  (Tafel  IXX).  An  dem  Kreuz  der  in  Seide  hochgestickte  Kruzifixus,  etwa  30  cm 
hoch,  unten  Maria,  den  Stamm  umklammernd;  auch  Goldplättchen  sind  in  reichlicher 
Zahl  aufgenäht.  Auf  der  Vorderseite,  dem  Balken  der  Casel,  in  Seide  Flachstickerei 
von  Rankenwerk  und  anderen  Ornamenten,  auch  noch  die  Reste  einer  Immaculata  Con- 
ceptio  erhalten.  Das  schöne  Stück,  wohl  aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhs.,  ist  jetzt  in 
die  Sakristei  der  Klosterkirche  von  Gengenbach  verbracht,  wo  es  in  besserem  Gewahrsam 
sich  befindet. 

Vor  der  Kirche  ein  Mühlstein  von  1788,  am  Gasthaus  »Zum  Waldhorn«  ein 
Bildstock  des  18.  Jhs. 


SCHUTTERWALD 

Schreibweisen:  in  der  teil  der  wälder,  den  man  da  nemmet  der  Scuterwalt  1293; 
silva  dicta  Schutterwald  1341  ; villa  Schutterwalt  Argentinensis  dyocesis  1351  ; in  banno 
ville  Schutterwalt  1359;  Schutterwald  1478  etc. 

Archivalien  der  Pfarrei:  Mitteil,  der  histor.  Komm.  Nr.  5 (1885),  S.  266;  Nr.  16 
(1894),  S.  78  u.  86. 

Ortsgeschichte:  Nach  der  späten  Erwähnung  als  Ort  dürfen  wir  annehmen,  daß 
Schutterwald  erst  im  13.  bis  14.  Jh.  aus  Gehöften  sich  entwickelt  hat,  die  in  dem  großen, 
gleichnamigen  Walde  gelegen  haben.  Das  Dorf,  ein  tiersbergisches  Allod,  kam  nach 
dem  Aussterben  des  Mannesstammes  durch  die  letzte  Erbtochter  an  die  Schwarzenbergs, 
der  Wald  fiel  an  die  Geroldsecker.  1293  verkaufte  Heinrich  II.  seinen  Anteil  für 
170  Mk.  lötigen  Silbers  mit  Rat  und  Willen  seines  Vetters  Heinrich  von  Geroldseck, 
»der  genannt  wird  von  Veldenze«,  an  die  Bürger  von  Offenburg.  Die  für  damalige 
Zeit  große  Summe  sowie  die  Grenzangaben  zeigen  die  große  Ausdehnung  des  Stückes. 
Doch  hatten  auch  noch  Heinrichs  II.  Bruder  Hermann  und  die  Schwarzenberg  einen 
Anteil,  ersterer  verkaufte  ihn  1332  an  Offenburg  und  letztere  1337,  ein  Teil  war  durch 
Verkauf  an  Straßburger  Bürger  gekommen. 

Das  Dorf  kam  von  den  Schwarzenberg  am  Ende  des  14.  Jhs.  an  die  Hummel  von 
Staufenberg ; die  eine  Hälfte  kaufte  Pfalzgraf  Ludwig,  als  Pfandlehen  erhielt  sie  Albrecht 
Wolf  von  Offenburg.  Die  andere  Hälfte  wurde  erst  1474  verkauft,  und  zwar  an  Bernhard 


AMT  OFFENBURG.  — SCHUTTERWALD. 


539 


von  Bach,  dessen  Sohn  Georg  auch  die  pfälzische  Hälfte  (1330)  dazu  erwarb.  Es  ist 
derselbe,  der  letzte  derer  von  Bach,  der  in  Offenburg  begraben  liegt.  Nach  seinem 
Tode  kam  Schutterwald  wie  Hofweiler  an  die  von  Kronberg,  dann  an  die  Dalberg  und 
Franckenstein,  deren  ritterschaftliche  Besitzung  es  war,  bis  es  1806  badisch  wurde. 

Patronat  und  Zehnt  gehörten  zum  Schloß  Tiersberg,  kamen  also  an  die  Röder.  Seit 
1410  führte  die  Gemeinde  mit  der  Stadt  Offenburg  Prozesse  wegen  der  Waldrechte,  die 
erst  1836  ihren  Abschluß  fanden.  (Wth.) 

Vorgeschichtliches : Im  Gewann  »Dachsrain«  zwischen  dem  Ort  und  Langhurst  Vorgeschicht- 
1886  gefunden  ein  geschliffenes,  durchbohrtes  Steinbeil  aus  hellgrünlichem  Serpentin- 
gestein von  nicht  gewöhnlicher  Form,  etwas  gekrümmt, 
einerseits  mit  senkrecht  geschliffener  Schneide,  anderer- 
seits mit  konvexem  Kopf  (s.  Fig.  302).  Jetzt  in  der  Karls- 
ruher Sammlung. 

Römisches : Östlich  vom  Hügel  im  Feld  »Waide«, 
gegen  Langhurst  hin,  eine  römische  Münze  des  Trajan. 

Bei  Höfen,  das  zur  Gemeinde  gehört,  römische  Nieder- 
lassung (Mauerwerk)  am  Schnittpunkt  römischer  Straßen, 
am  Westrand  des  Waldes  »Faulmatt«,  wo  die  Landstraße 
Höfen  Dundenheim  diesen  verläßt.  (Mitteilung  von  Prof.  Schumacher  1898.)  (W.J 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Jacobum  maj.).  1351  wird  eine  ecclesia  parrochialis  Rath. Pfarrkirche 
erwähnt,  1458  S.  Jacob  der  patron  zu  Sch.;  huius  parrochialis  ecclesiae  patronus  coeli 
est  s.  Jacobus;  collator  et  decimator  nobilis  Roederer  a Dirsperg  haereticus  . . . animas 
regendas  ca  230  habet  1666;  kirspel  Sch.  1390;  in  Sch.  plebanus  7464. 

Die  heutige  Kirche  ist  ein  Bau  von  1780  bis  1786  und  in  ihrem  Grundriß  durch- 
aus analog  derjenigen  von  Hofweier,  was  bei  dem  politischen  Zusammenhang  der 
Gemeinden  leicht  erklärlich  ist:  einschiffiges  Langhaus,  Chor  aus  dem  Achteck,  an  die 
östlichste  Achteckseite  ist  der  viereckige  Turm  angebaut,  in  seinen  unteren  Teilen  wohl 
eine  ältere  Anlage.  Doppelte  Pilaster  gliedern  die  Wände  des  Langhauses,  einzelne  die- 
jenigen des  Chores;  auf  ihnen  sitzen  die  Zwickel  auf,  die  durch  die  in  das  Spiegelgewölbe 
des  Chors  wie  des  Langhauses  einschneidenden  Kappen  entstehen.  An  dem  Spiegel 
Felder  mit  Stuckumrahmung,  in  denen  neue  Gemälde  (Kunstmaler  Huber  in  München). 

Der  vordere  Teil  des  Langhauses  wird  von  einer  Empore  von  geschwungenem  Grundriß 
eingenommen.  An  den  Decken  und  über  den  Fenstern  noch  gute  Rocaillestuckorna- 
mente.  Die  Fassade  ist  durch  Lisenen  gegliedert,  darüber  Rundgiebel  von  eckigen 
Voluten  flankiert.  Der  Bau  besteht  aus  verputztem  Bruchsteinmauerwerk,  die  Gewände  etc. 
aus  Sandstein. 

Die  Altäre  stammen  aus  dem  Ende  des  19.  Jhs.  Die  Kanzel  ist  ein  Schnitzwerk  Innenausstattung 
aus  der  Zeit  des  Baues,  mit  Girlanden  verziert.  Die  Beichtstühle,  die  Kirchenbänke 
und  die  Orgel  zeigen  in  ihren  Schnitzereien  noch  das  ausklingende  Rokoko.  Der  Tauf- 
stein mit  Beschlägornament  stammt  noch  aus  dem  17.  Jh. 

An  Kirchengeräten : Eine  Sonnenmonstranz,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Rocaille-  Kirchengeräte 
Ornamenten,  teilweise  erneuert.  Ein  Kelch  des  gleichen  Materials  und  Stils,  renoviert. 

Der  Wettersegen,  ebenfalls  silbergetrieben  und  vergoldet,  zeigt  gleichfalls  Rocailleorna- 
mente;  aus  derselben  Zeit  noch  eine  rote  Casel  mit  eingewirktem  Kreuz. 


54° 


KREIS  OFFENBURG 


Kruzifix 

Statue 


Römisches 

Ortsgeschichtc 


Kruzifix 


Ortsgeschichtc 


Kapelle 


Auf  dem  Friedhof  Kruzifix  von  1781,  mit  Maria  am  Kreuzesstamm,  auf  dem 
üblichen  ausgebauchten  Rocaillepostament. 

Am  Haus  Nr.  112  Statue  der  Immaculata  Conceptio  von  1780. 

LANGHURST 

(zur  Gemeinde  Schutterwald  gehörig) 

Schreibweise:  Langenhurst  1293. 

Römisches : Münze  des  Trajan. 

Ortsgeschichte:  Der  Ort  hatte  die  gleichen  Schicksale  wie  Schutterwald,  war 
ursprünglich  geroldseckisch,  zuletzt  zur  Hälfte  ritterschaftliche  Besitzung  der  Familie 
Franckenstein  und  zur  anderen  Hälfte  zur  Landvogtei  gehörig  und  wurde  1805  bezw. 
1806  badisch.  Mit  geroldseckischen  Gütern  waren  im  14.  und  15.  Jh.  die  Walpott, 
dann  die  von  Ortenberg,  endlich  Hans  Meyer  von  Offenburg  und  seine  Erben  belehnt. 

An  der  Hauptstraße  etwas  derbes  Kruzifix  in  Rocailleformen,  1765  von  Fr.  Anthoni 
Schnebelt  gestiftet. 


UNTERENTERSBACH 

(und  OBERENTERSBACH) 

Schreibweisen:  Anteresbach  1075;  Entersbach  1220;  curia  monasterii  Gengen- 
bacensis  Entrispach  ca.  1235;  Enterspach  1289;  der  frönhof  zu  Nidern  Entirspach  1423; 
Nidernenterspach,  Obernenterspach  erste  Hälfte  des  15.  Jhs. ; Ober  und  Nider  Enters- 
pach 1596.  (Bach  des  Anter.) 

Ortsgeschichte:  Schon  früh  war  das  Kloster  Gengenbach  hier  begütert,  das  auch 
Patronat  und  Zehnt  hatte.  Der  Ort  aber  gehörte  zum  Gebiet  der  Reichsstadt  Zell,  machte 
also  deren  Schicksale  mit  durch  und  wurde  1803  badisch.  Im  12.  Jh.  erscheint  eine 
Familie  von  Entersbach  — ein  Erlewinus  de  Antresbach  ca.  1111  bis  1122  und  ein 
Hainricus  de  Antirspach  1123  — , die  aber  bald  ausgestorben  sein  muß. 

Eine  Kapelle  ad  S.  Nicolaum  liegt  in  Unterharmersbach.  Schon  1470  hören  wir 
von  der  capell  zu  nydern  Enterspach,  1669  capella  S.  Nicolai  zu  Under-Entersbach.  Der 
heutige,  ganz  schlichte,  einschiffige  Bau  stammt  von  1768.  Schlichter,  spätgotischer 
Taufstein. 

Die  Kapelle  in  Oberentersbach  besteht  erst  seit  1873. 

Zu  Unterentersbach  gehören  noch  die 

GROB ERN  HÖFE 

Schreibweisen:  Grebern  1381  etc. 

Ein  Geschlecht  wird  seit  1332  erwähnt.  Wir  hören  von  Berhtold  von  Grebern, 
1358  von  Berhtold  von  Sneit  genannt  von  Grebern  ritter.  Wie  daraus  hervorgeht, 
ist  die  Familie  ein  Zweig  derer  von  Sneit.  Der  angeführte  Berthold  war  1346 
Schultheiß  zu  Gengenbach,  1359  Vogt  zu  Offenburg,  1360  Zwölfer  des  Gerichts  zu  Offen- 
burg. Mit  ihm  erscheint  zugleich  noch  ein  Tamme  oder  Damme  von  Grebern.  Wir 
finden  Mitglieder  der  Familie  als  Schultheißen  in  Zell,  Wolfach,  als  Ambachtmänner  von 
Gengenbach,  als  Lehensleute  der  Fürstenberger  und  Geroldsecker,  kurz,  sie  haben  in 


AMT  OFFENEURG.  — UNTERHARMERSEACH.  (OBERHARMERSBACH.) 


541 


der  Geschichte  der  Gegend  eine  Rolle  gespielt.  Verschwägert  waren  sie  u.  a.  mit  den 
von  Bern,  von  Schauenburg,  Knobloch,  Bock  etc.  — Um  die  Wende  des  16.  Jhs.  stirbt 
die  Familie  aus  und  wir  finden  im  1 7 . Jh.  die  Mayrshoffen  in  dem  Besitz.  — Die  Höfe 
gehörten  zum  Gebiet  der  Reichsstadt  Zell  und  wurden  1803  badisch. 

Von  dem  Schloß  sind  noch  auf  dem  jetzt  sogenannten  Gröbener  Hof  Reste 
erhalten.  Zunächst  ein  quadratischer  Turin  aus  Bruchsteinmauerwerk,  untermischt  mit 
Backsteinen,  an  den  Ecken  Bossenquader  mit  ziemlich  starkem  Randschlag.  Der  Turm 
steigt  in  fünf  Geschossen  auf  und  zeigt  Doppelfenster  mit  einfach  abgefastem  Gewände; 
eingedeckt  wird  er  durch  ein  Satteldach.  Uber  seinem  unteren  westlichen  Eingang  mit 
geradem  Sturz  Allianzwappen  des  Johann  von  Meyrshoffen  und  seiner  Frau  geb.  Eberhard. 
Zwischen  dem  Wappen  steht  1695,  oben  darüber: 

JOHANN  VON  MEYRSHOFFEN  UND  ZU  GREBERE 

DES  H.  REICHS  RITTER 

MARIA  CLEO  PHE  VON 

MEYRSHOFFEN  ZU  GREBERE 

GEBOHRNE  VON  EBERHARD. 


Im  Innern  des  Turmes:  im  zweiten  Geschoß  eine  Holzdecke,  sogen.  Stabdecke; 
an  der  Westseite  eine  Tür  mit  in  Voluten  endigendem  Rundgiebel,  die  durch  die  Mauer 
zu  einer  ins  Freie  gehenden  Tür,  also  wohl  auf  einen  Abort  führte;  das  dritte  Geschoß 
hat  ebensolche  getäfelte  Decke,  an  den  Fensterpfosten  noch  die  Ritzen  für  die  Läden; 
im  vierten  Geschoß  nur  Balkendecke;  im  fünften  der  Holzdachsluhl.  Uber  dem  obersten 
Stockwerk  zieht  sich  eine  gotische  Wasserschräge  hin,  eine  ebensolche  über  dem  vierten. 

Aus  allem  geht  zweifellos  hervor,  daß  ein  älterer  Turm  aus  dem  Mittelalter  am 
Ende  des  17.  Jhs.,  also  vielleicht  nach  einer  Zerstörung  durch  die  Franzosen,  hier  neu 
hergerichtet  worden  ist. 

Der  Turm  steht  auf  einer  ummauerten  quadratischen  Terrasse.  Der  ganze  Hof  ist 
im  Rechteck  von  einer  Mauer  aus  Bruchsteinmauerwerk  umgeben,  vor  der  noch  die 
Spuren  des  Grabens  sichtbar.  Das  Ganze  also  eine  übliche  Tiefburganlage. 

Das  alte,  schlichte  Herrschaftshaus  aus  Bruchsteingemäuer  und  der  anstoßende 
Riegelbau  sind  offenbar  nach  der  Zerstörung  mit  wenig  Geld  aufgerichtete  Gebäude. 


Schloß 

Turm 


UNTERHARMERSBACH 

(und  OBERHARMERSBACH) 

Schreibweisen:  in  Mortunagia  Hademarsbach  1139;  Hademersbach  ca.  1235; 
Halmersbach  1353;  Harmerspach  1354;  Hadmerspach  1420;  Harnenspach  1500  etc. 

(Bach  des  Hademar.) 

Literatur:  E.  Gothein,  Wirtschaftsgeschichte  des  Schwarzwaldes,  S.  232  ff. 

Ortsgeschichte : Das  Harmersbacher  Tal,  ursprünglich,  wie  die  ganze  Gegend,  dem  Oltsgeschichte 
Kloster  Gengenbach  gehörig,  war  lange  mit  Zell  vereinigt.  Als  dieses  mit  den  zwei 
anderen  Städten  Offenburg  und  Zell  sich  im  13.  Jh.  seine  Reichsfreiheit  erkämpfte,  da  tat 
es  das  auch  für  das  mit  ihm  in  einer  Markgemeinschaft  stehende  Tal.  Nach  dem  Aus- 
sterben der  Zähringer  war  die  Land vogtei  an  das  Reich  gekommen  und  somit  auch  das  Tal. 


542 


KREIS  OFFENBURG. 


Aber  während  die  Landvogtei  an  Straßburg  und  die  Pfalz  verpfändet  wurde,  hatte  das 
Tal  ein  besonderes  Schicksal.  Ludwig  der  Bayer  begann  damit,  wie  er  es  selbst  nannte, 
Stücke  aus  der  Landvogtei  herauszubrechen,  und  so  verpfändete  er  1330  das  Tal 
Harmersbach  mit  allen  seinen  Seitentälern  an  die  Grafen  von  Fürstenberg,  »sie  bis  zur 
Erledigung  an  des  Reiches  Statt  zu  genießen«.1)  Nach  Erwerb  der  Ortenauer  Pfand- 
schaft suchte  nun  der  Straßburger  Bischof  auch  dies  schönste  und  größte  Gebirgstal  ein- 
zulösen. Als  der  Graf  widerstrebte,  kam  es  zu  heftigen  Auseinandersetzungen  und  Fehden, 
unter  denen  die  Bauern  sehr  litten,  bis  1367  durch  die  Vermittelung  der  Städte  Straß- 
burg,  Freiburg  und  Offenburg  endlich  das  Tal  dem  Bischof  geräumt  wurde,  aber  nur  um 
von  diesem  bald  darauf  an  das  Straßburger  Bürgergeschlecht  Bock  um  die  Summe  von 
3100  fl.  verpfändet  zu  werden.  Bedingung  dabei  war,  daß,  wenn  das  Reich  die  Pfand- 
schaft von  Straßburg  wieder  einlöse,  auch  Harmersbach  mit  eingelöst  sei.  Die  Bock  und 
ihre  Erben  behielten  es  mehr  als  300  Jahre;  aber  infolge  von  Erbschaft  und  Verkäufen 
kam  der  Besitz  in  die  Hände  verschiedener  Geschlechter,  und  die  Zersplitterung  erhöhte 
das  Ansehen  der  Gemeinherren  nicht.  »Durch  das  Versatzinstmment,  das  die  Bauern  wie 
eine  Verfassungsurkunde  ansahen,  waren  ihre  Berechtigungen  so  wie  so  eng  begrenzt.« 
Sie  erhielten  40  Mark  Silber,  100  Viertel  Haber  und  drei  Hühner  von  jedem  Haus.  Die 
Freizügigkeit  der  Bauern  durfte  nicht  angetastet  werden,  auch  ihr  Jagdrecht  nicht.  Nur 
ein  Teil  des  Wildbrets  wurde  an  den  gemeinsamen  Vogt  der  Herrschaft  abgeführt,  ein 
anderer  ward  von  dem  Zwölfergericht,  das  die  Taleinwohner  wählten,  in  gemeinsamer 
Mahlzeit  verzehrt. 

Die  Verpfandung  von  zweiter  Hand  an  die  »Junker«  aber  wurde  flir  das  Tal  die 
Vorstufe  zur  völligen  Reichsfreiheit.  Zwar  mußte  es  für  das  Mitmärkerrecht  an  den 
Allmendwäldern  Fälle  und  Wasserzinse  an  das  Kloster  Gengenbach  zahlen  und  das 
Gericht  der  Wassermeier,  die  der  Abt  setzte,  suchen.  Das  Wichtigste  aber  war,  daß  das 
Tal  sein  eigenes  Hochgericht  erhalten  hatte  und  seine  Geschworenen  zu  Richtern  geworden 
waren,  die  in  allen  Fällen  der  hohen  Gerichtsbarkeit  urteilten.  Dies  galt  den  Bauern 
als  ihr  ursprüngliches  Recht,  und  ihren  Pfandjunkem  erkannten  sie  nur  den  Anspruch 
auf  die  Geldeinkünfte  zu.  Mit  Erfolg.  So  kam  es,  daß,  als  die  Pfandschaft  im  17.  Jh. 
ihr  Ende  erreichte,  »die  Reichsfreiheit  als  ihr  Ergebnis  zurückblieb«.  Die  Regierung 
des  Tales  bestand  aus  einem  Reichsvogt,  den  (Jer  Abt  von  Gengenbach  aus  zwei  ihm 
Vorgeschlagenen  zu  wählen  hatte  — das  war  ihm  noch  von  seinen  Rechten  geblieben  — , 
und  den  Zwölfern,  einem  Syndikus  oder  Konsulenten,  der  ein  Rechtsgelehrter  sein  mußte, 
und  einem  Gerichtsschreiber.  In  besonders  wichtigen  Fällen  wurde  noch  ein  Ausschuß 
der  Bürgerschaft  beigezogen. 

Allmählich  entstand  im  Verlauf  dieser  Geschichte  »ein  Geschlecht  von  fürstlichen, 
stolzen  Bauern,  hart  und  wetterfest  von  innen  und  außen,  ruhig,  trotzig  und  kalt  verständig, 
aber  oft  auch  eines  höheren  Gedankenschwunges,  immer  eines  festen  Willensentschlusses 
fähig«.  Es  gelang  den  Bauern,  sich  auch  politisch  zu  Meistern  zu  machen  und  sich  zu  der 
obenangedeuteten  bürgerlich-demokratischen  Verfassung  emporzuarbeiten,  in  des  »heiligen 
Reiches  freien  Tälern,  gleich  den  Schweizer  Urkantonen«.  Das  war  aber  erst  möglich  nach 
einer  Umwandlung  der  ökonomischen  und  Rechtsverhältnisse,  nachdem  die  Geschlossen- 
heit der  Hofgüter  gesichert  war.  Im  13.  Jh.  hatte  der  Bischof  Heinrich  von  Stahleck  das 


Ich  folge  hier  wie  im  weiteren  G o t h e i n , teilweise  wörtlich. 


AMT  OFFENBURG. 


UNTERHARMERSBACH.  (OBERHARMERSBACH.) 


543 


gleiche  Erbrecht  für  sämtliche  männliche  und  weibliche  Nachkommenschaft  festgesetzt 
in  Übereinkunft  mit  dem  Schultheißen  und  den  Bürgern  von  Gengenbach.  Damit  war 
aber  die  Güterzersplitterung  mit  all  ihren  Übeln  Folgen  gegeben,  über  die  man  sich 
wohl  klar  war.  Im  14.  Jh.  scheint  die  Sitte  das  so  geregelt  zu  haben,  daß  nur  einer 
das  Gut  übernahm  und  die  anderen  sich  in  der  Allmend  neue  rodeten,  oder  alle  Miterben 
blieben,  ohne  zu  teilen,  zusammen  auf  dem  Erbgute  sitzen.  Das  15.  Jh.  brachte  dann 
zunächst  doch  die  gleiche  Teilung  der  Mtferben  und  damit  die  Auflösung  der  alten 
Hausgenossenschaften.  Aber  schon  setzte  die  entgegengesetzte  Bewegung  ein.  Wir 
hören  1450  von  dem  in  dem  äußersten  Zinken,  den  Schottenhöfen,  geltenden  Recht, 
daß  die  Geschwister  abgefunden  werden,  damit  der  Hof  nicht  geteilt  zu  werden  brauche, 
und  im  16.  Jh.  setzte  sich  das  auch  im  Haupttale  durch.  1563  ist  die  Anschauung 
soweit  allgemein  geworden,  daß  der  Talvogt  festsetzt  im  Einverständnis  mit  dem  Rat, 
der  Hof  und  die  Güter  sollten  künftig  unzerteilt  bleiben ; der  Jüngste  solle  Alles  erben 
und  die  Geschwister  mit  Geld  auskaufen.  Nur  wenn  das  Besitztum  so  groß  sei,  daß 
sich  mehrere  darauf  erhalten  könnten,  solle  geteilt  werden.  Man  ist  damit  nur  dem 
früheren  Vorgehen  vieler  anderer  Schwarzwaldgemeinden  gefolgt,  aber  hier  wurden  alle 
nötigen  weiteren  Bestimmungen  nun  juristisch  ausgebildet,  zugleich  der  Gefahr  der  Aus- 
wanderung der  Ausgekauften  und  den  begreiflichen  sittlichen  Gefahren  durch  Verbote 
vorgebeugt.  Natürlich  mußte  auch  die  Entschädigung  der  Geschwister  genau  geregelt 
werden.  Im  17.  Jh.  finden  wir  das  Minorat  schon  als  strenges  Recht.  So  bildete  sich 
eine  feste  bäuerliche  Aristokratie,  in  der  sich  eben  jener  geschilderte  stolze  Charakter 
entwickeln  konnte.  Dieses  Jahrhundert  brachte  denn  auch  die  völlige  Reichsfreiheit. 

Noch  einmal  hatten  sich  die  Bauern  gegen  das  Bistum  Straßburg  zu  wehren,  als  Kardinal 
Franz  Egon  von  Fürstenberg  1663  das  Tal  unter  seine  Gewalt  bringen  wollte.  Mit 
Erfolg.  Die  Reichsbehörden  vernichteten  alle  Ansprüche  des  Bistums.  Dann  aber  erhob 
sich  die  Frage  des  Verhältnisses  zur  Stadt  Zell,  die  den  Anspruch  machte,  den  Vogt  zu 
setzen.  Demgegenüber  schien  es  den  Bauern  besser,  dies  Recht  dem  Abt  von  Gengen- 
bach zuzugestehen,  was  sie  auch  durchsetzten.  Aber  noch  wollten  die  Zeller  sie  als 
Teil  des  zellischen  Gemeinwesens  nehmen,  bis  durch  Vertrag  i.  J.  1718  die  völlige 
Selbständigkeit  der  kleinen  Bauernrepublik  festgesetzt  wurde.  Als  endlich  das  Jahr  1803 
derselben  ein  Ende  machte  und  das  Tal  badisch  wurde,  da  fand  in  unerfüllbaren 
Selbständigkeitsforderungen  der  Stolz  der  Bauern  seinen  letzten  starken  politischen  Aus- 
druck. Allerdings  mit  dem  Erfolg  summarischer  Ablehnung. 

Auch  ein  Geschlecht  von  Harmersbach  findet  sich,  und  zwar  vom  14.  Jh.  bis  1506, 
das  in  Gengenbach  und  Offenburg  ansässig  war. 

OB  E RH ARM  E RS  B AC  H 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Gallum).  1289  hören  wir  von  derselben:  ius  patronatus,  Kath.Pfarrkirche 
quod  habet  monasterium  in  Gengenbach  in  ecclesia  vallis  Hademarsbach;  1666  von  der 
ecclesia  parrochialis,  collator  et  decimator  abbas  Gengenbacensis.  Hier  wie  in  Unter- 
harmersbach behielt  das  Kloster  bis  zu  seinem  Erlöschen  Patronat  und  Zehnt.  — 

1240  wird  ein  plebanus  de  Hademarsbach  genannt. 

Der  heutige  Bau  stammt  aus  den  Jahren  1839  bis  1845.  Von  alter  Ausstattung  Ausstattung 
in  der  Sakristei  noch  ein  Kelch  erhalten,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit  aufgelegten 


544 


KREIS  OFFENBURG. 


Ölgemälde 

Kruzifix 


Römisches 


Kapelle 


Chor 


Innenausstattung 


W allfahrtskirche 
Maria  zur  Ketten 


silbernen  Ranken  und  Marterwerkzeugen  Christi  an  der  Cuppa  verziert;  Zeichen  nicht 
mehr  erkenntlich.  Eine  weiße  Casel,  Silberbrokat,  mit  goldenen  Sternen  bestickt,  vom 
Ende  des  18.  Jhs.  Ölgemälde  der  Stationen  Christi,  derbe  Werke  des  17.  Jhs. 

Auf  dem  Friedhof  Kruzifix,  1703  von  Jacob  Frech,  Bürger  in  Harmersbach, 
errichtet,  1800  und  1898  renoviert;  Durchschnittsarbeit. 

(Eine  Kapelle  im  Tal  1882  erbaut.)  (Wth.) 

UNTE  RH  ARM  ERSBACH 

Römisches : »Auf  der  Höhe  der  Waldsteinischen  Waldungen,  linker  Hand  nach 
Harmersbach  zu,  war  vor  Jahren  noch  ein  mehrere  Fuß  über  den  Erdboden  hervor- 
ragendes, offenes  großes  Gewölbe  zu  sehen,  welches  im  Volksmund  die  Heidenkirche 
genannt  wurde.  Vor  diesem  Gewölbe  standen  ehemals  zwei  hohe  unbehauene  Sandsteine 
in  Form  von  Säulen.  Auf  einem  derselben  war  folgende  Inschrift  zu  lesen : 

I • O • M • 

P • B • B 
CL-  F • 

Vielleicht  Jovi  Optimo  Maximo  Posuerunt  Baebius  Baebii  que  filii,  nach  Analogie  der 
Säule  von  Gengenbach  (s  dort).«  (Rappenegger  in  den  Schriften  des  Bad.  Altertums- 
vereins II.  Bd.,  2.  Heft,  1849,  S.  255  f.)  fW.J 

Kapelle  (ad  S.  Michaelem),  (in  Kirnbach).  Patronat  und  Zehnt  gehörten  dem  Kloster 
Gengenbach,  das  auch  für  Chor  und  Turm  baupflichtig  war;  die  Kapelle  war  die  ehe- 
malige Pfarrkirche  des  Untertales.  Laut  einer  im  Pfarrhaus  zu  Zell  aufbewahrten  Urkunde 
vom  29.  September  1760  wäre  dieselbe  1567  erbaut  und  am  29.  September,  dem 
S.  Michaelstag,  eingeweiht,  1643  aber  durch  weimarisches  Kriegsvolk  »verderbt«  worden, 
was  am  29.  Februar  1648  im  Kirchenbuch  verzeichnet  wurde  durch  den  Secretarij 
Dornbluet  von  Gengenbach  »und  ist  bis  heute  29.  September  1760  die  Renovierung  und 
Erneuerung  der  Kapelle  mehrmalen  beschehen  mit  Erlaubniß  des  Herrn  Vogt  Frantz 
Harter  und  ehrsamen  Rath  allhier«. 

Bei  der  genannten  Zerstörung  blieb  der  geradegeschlossene  Chor  offenbar  erhalten. 
Er  öffnet  sich  im  Spitzbogen  gegen  das  Langhaus,  ist  mit  neuer  flacher  Decke  versehen 
und  hat  nach  Norden  und  Süden  zwei  einpfostige,  spitzbogige  Fenster  mit  Kleeblattbogen- 
maßwerk, an  der  Ostwand  eine  spitzbogige  Nische,  wohl  ein  zugemauertes  Fenster.  Das 
Langhaus  mit  seiner  flachen  Holzdecke  und  rundbogigen  Fenstern  dürfte  wohl  aus  der 
Zeit  der  Erneuerung  herrühren.  Wie  gewöhnlich,  ist  der  Bau  aus  Bruchsteinen  errichtet 
mit  Sandsteingewänden. 

Von  der  Innenausstattung  sind  zu  nennen  die  zwei  alten  Glasgemälde  in  den  Chor- 
fenstern mit  erneuertem  Fond  und  wohl  ganz  erneuerter  Umrahmung.  In  dem  südlichen 
der  Tod  Mariä  und  oben  zwei  Engel,  noch  durchaus  in  den  Formen  des  15.  Jhs.,  in  dem 
nördlichen  zwei  jetzt  verkehrt  gestellte  Wappen,  das  eine  Schild  mit  blau  damasziertem 
Balken  längsgeteilt  auf  silbernem  damaszierten  Grund,  roter  Fluß,  das  andere  mit 
rotem  Kreuz  in  gelb  damasziertem  Felde.  — Außerdem  ein  kleines  Ölgemälde,  den 
Gekreuzigten  darstellend,  Durchschnittsarbeit  des  17.  Jhs. 

Die  Wallfahrtskirche  Mai'ia  zur  Ketten  besteht  ihren  Bauformen  nach  jeden- 
falls schon  seit  dem  Ende  des  15.  Jhs.  Dazu  stimmt  eine  Notiz  im  Zeller  Kirchenbuch 


ic  ÄfalirteKirrtjf  ^ÖRoFta  inÄtfli  ia 


ftorrsofa. 


Spälgntiscfte  Bau/cefe  A Cf  J6  t/er 
Fersfer/äfie  trr/f.  Zit/fxtt/  attse/etti 
/£■  Jafiz/tttsie/erf . 


fieiiüm//tm/e7 (ferset//.  Ifv/ffü/sepfifre. 

trf/lS(cJif. 


W 1 1 1 1 1 1 II  H 

(frttstt/ri.v . Z-B. 

- 1 

— F 

y u ! u 

Yri////yrt6oges/p/v/tY. 


■Mwtf — | — I — I — I — f — I — I — I — I — I — 

Keubau  r/er  Tö'rc/tc  ft/t  ■J/f.Ja/te/tu/u/erl. 
g Meutere  tfes  Mrsstner/tztttses  tt/t  /dfZt/tr/tttttt/rs/ 


Wiml  I I I I I 1 II  M 1 1- 

Fig.  joj.  Grundriß  und  Details  der  Wallfahrtskirche  Maria  tur  Ketten  in  Unterharmersbach. 


VII.  Zu  Seite  545. 


AMT  OFFENBURG.  — UNTERHARMERSBACH.  (OBERHARMERSEACH.) 


545 


(begonnen  1654):  »Jacobus  de  bern  (wurde  1475  Abt)  condidit  hic  Dns.  Abbas  nouam 
et  insignem  Basilieam  in  honorem  Bme.  Virg.  Marie  in  Valle  Hadamari,  non  procul 
a Cella  Oppido  imperiali«.  Sie  muß  im  17.JI1.,  im  Dreißigjährigen  Krieg,  ziemlich 
gelitten  haben.  1683  schließt  der  Prior  Ziegler  von  Gengenbach  einen  Vertrag  ab 
mit  Maurer  und  Zimmermann  zur  Renovierung  der  Marienkapelle  in  Harmersbach 
prope  civitatem  Zell.  Sie  sollte  einen  Turm  mit  spanischer  Haube  bekommen.1) 
1715  ließ  der  Pater  Joachim  Schneider  aus  Gengenbach  durch  seinen  Schwager  den 
Hochaltar  arbeiten  »sacelli  beatae  virginis  Thaumaturgae  prope  Zell«,  und  am  2 1.  September 
wurde  das  wundertätige  Bild  in  Anwesenheit  des  Gengenbacher  Abtes  und  Konventes 
auf  denselben  übertragen. 

Derselbe  Schneider  hatte  1697  ein  Wallfahrts-  und  Gebetbuch  verfaßt,2)  in  dem  er  aber  über 
den  Ursprung  der  Wallfahrt  nichts  Genaueres  zu  berichten  weiß.  Der  Legende  nach  soll  ein  Hand- 
werksgeselle von  Schuttern,  der  in  Zell  in  der  Lehre  gewesen  und  sich  später  zum  Krieg  gegen  die 
Türken  hatte  anwerben  lassen,  von  diesen  gefangen  genommen  und  in  Ketten  gelegt  worden  sein. 
Er  habe  in  stetem  Gebet  Maria  um  Hilfe  angefleht  und  eine  Wallfahrt  zu  ihrem  Gnadenbild  nach 
Zell  gelobt.  Im  Traume  habe  sie  ihm  befohlen,  die  Ketten  abzuschütteln,  aber  mitzunehmen,  und  ein 
bereitstehendes  weißes  Pferd  zu  besteigen.  Das  tat  er  und  befand  sich  am  folgenden  Morgen  am 
Lahrer  Berge  bei  Schuttern.  Von  vielen  geleitet,  führte  er  die  gelobte  Wallfahrt  aus  und  hängte  die 
Ketten  zum  Preise  Mariens  in  ihrer  Kapelle  auf,  die  danach  also  vorher  schon  bestanden  hat. 

Ein  kleiner  Plan  der  Kirche  befindet  sich  in  den  Akten  des  Abtes  Paulus  vom 
6.  Juni  1741  im  Generallandesarchiv. 

Der  heutige  Bau  stammt  aus  verschiedenen  Zeiten  (s.  Fig.  303).  Die  ältesten  Teile 
sind  Turm  und  Chor.  Letzterer  ist  aus  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen.  Ihm  sind 
zwei  Joche  vorgelegt,  deren  erstes  mit  einem  Kreuzrippengewölbe  geschlossen  ist,  während 
das  östliche  mit  dem  Achteckabschluß  in  sechsteiligem  Rippengewölbe  eingewölbt  ist,  beide 
mit  geradem  Scheitel.  Die  Rippen  zeigen  das  übliche,  trockene  Profil  der  Spätzeit  mit 
Hohlkehlung,  sie  ruhen  auf  achteckigen,  mehrfach  abgetreppten  Konsolen  mit  Laubwerk- 
endigung auf.  In  den  Schlußsteinen  zweimal  eine  Rose.  Der  Chor  öffnet  sich  in  hohem 
Spitzbogen  mit  Hohlkehlen  nach  dem  Langhaus.  Spitzbogige  Fenster  ohne  Maßwerk 
erhellen  ihn.  Im  Äußeren  Strebepfeiler,  einmal  durch  die  um  den  ganzen  Bau  herum- 
ziehende und  den  Fenstern  als  Kaffgesims  dienende  Wasserschräge  abgetreppt.  In  der 
Südwand  des  Chores  große  im  Kielbogen  geschlossene  Kredenznische  mit  einer  großen, 
von  zwei  Pfosten  gestützten  Tischplatte,  an  den  Pfosten  noch  die  Ansätze  der  alten 
hölzernen  Verschlußtüren  bemerklich.  In  der  Nordseite  führt  eine  Tür  mit  geradem  Sturz 
auf  Konsolen  in  das  Erdgeschoß  des  Turmes,  dessen  erstes  Obergeschoß  sich  nach  dem 
Chor  in  einem  späteren  Rundbogen  logenartig  öffnet.  Der  Turm , in  die  Nordostecke 
von  Langhaus  und  Chor  eingebaut,  die  drei  unteren,  quadratischen  Geschosse  durch 
Wasser  schrägen  mit  Hohlkehlen  voneinander  geschieden,  geht  darüber  in  das  Achteck 
über  mit  Spitzbogenfenstern  und  endigt  in  einem  neueren,  wohl  im  17.  Jh.  aufgesetzten 
Türmchen.  In  dieser  Zeit  wurden  auch  die  geradsturzigen  Fenster  seiner  unteren  Geschosse 
eingebrochen.  Merkwürdigerweise  sitzt  der  Turm  über  dem  Obergeschosse  über,  da, 
wo  in  dem  Erdgeschoß  die  sonderbare  Eckbildung  auf  dem  Grundriß  ersichtlich  ist.  An 
seiner  Nordostecke  ein  zwecklos  scheinender  Strebepfeiler. 

*)  Baumgarten,  Aus  dem  Gengenbacher  Klosterleben,  Z.  NF.  8,  S.  667. 

2)  Hofmann,  Schulkreis  Offenburg,  S.  249. 


Turm 


546 


KREIS  OFFENBURG. 


Langhaus  Das  einschiffige  Langhaus  zeigt  Rundbogenfenster,  aber  in  Süd-  und  Nordseite  je 

eine  Spitzbogentüre  mit  Hohlkehle  und  Birnenrundstäben.  Danach  scheint  es  in  seinen 
unteren  Teilen  älter  und  zwar  bis  zu  J/3  der  Fensterhöhe,  nach  einer  Zerstörung  im 

17.  Jh.  wieder  aufgebaut  worden  zu  sein.  Auch  die  erwähnte  Wasserschräge  setzt  sich 
an  ihm  fort  und  steigt  jeweils  zu  der  Sohlbank  der  Fenster  herunter,  um  ihnen  als  Kaff- 
gesims zu  dienen.  Diesem  Langhaus  ist  querschiffartig  ein  weiterer  Bau  vorgelegt.  Man 
brauchte  offenbar  mehr  Raum,  und  da  bei  einfacher  Fortsetzung  des  Langhauses  der  für 
die  Wallfahrer  nötige  Raum  vor  der  Kirche  dadurch  zu  sehr  eingeengt  worden  wäre  — 
er  ist  durch  den  Bach  begrenzt  — , so  griff  man  zu  diesem  Ausweg,  den  man  auch  damit 
hat  erklären  wollen,  daß  der  Bau  sonst,  wie  der  drei  Schritte  davon  erhaltene  Grenzstein 
zeigt,  auf  das  Gebiet  der  Stadt  Zell  zu  stehen  gekommen  wäre.  So  ergibt  sich  eine  breite 
Fassade.  Zu  beiden  Seiten  des  Portals  je  zwei  Rundbogenfenster.  Das  rundbogige  Portal 
wird  von  übereckgestellten  Pilastern  der  Spätrenaissance  flankiert,  deren  Kompositkapitelle 
ein  reich  verkröpftes  Gesims  tragen,  darüber  gebrochener  Volutengiebel  mit  einer  von 
flachrundem  Giebel  abgeschlossenen  Nische  in  der  Mitte.  In  dieser  das  wundertätige 
Bild,  eine  Holzstatue  der  Madonna  mit  Kind,  wohl  ebenfalls  aus  dem  Anfänge  des 

18.  Jhs.  mit  beabsichtigtem  Anklang  an  ein  früheres  Vorbild.  Auch  um  diesen  zweifellos 
jüngeren  Bau  zieht  sich  die  erwähnte  Wasserschräge  herum.  Sie  steigt  zu  der  Sohlbank 
der  Fenster  herab,  zwischen  ihnen  wieder  empor  und  schließt  an  das  Gebälk  des  Portals 
an,  was  originell  wirkt.  Offenbar  hat  man  am  Ende  des  17.  Jhs.  bezw.  Anfänge  des 
18.  Jhs.  den  neuen  Anbau  auf  diese  merkwürdige  Weise  dem  alten  Bau  einheitlich 
anschließen  wollen.  Die  Steinbehandlung  an  den  Fenstern  und  der  Wasserschräge  unter- 
scheidet sich  hier  aber  deutlich  von  dem  älteren  Bau. 

In  der  Südostecke  von  Chor  und  Langhaus  ein  rundes  Treppentürmchen  angebaut, 
an  dessen  Wendeltreppe  verschiedene  Zeichen  (s.  Fig.  304).  Ein  ebensolches  Treppen- 
tiirmchen  in  der  südwestlichen,  durch  Langhaus  und  Anbau  gebildeten  Ecke. 

Das  Material  des  Ganzen  ist  Bruchsteinmauerwerk,  oben  teilweise  ausgeflickt  mit 
Backsteinen;  an  den  Gewänden,  Sockel  etc.  Haustein,  roter  Sandstein,  Quader  auch  an 
den  Ecken  des  ganzen  Baues  und  an  den  Strebepfeilern. 

An  die  Ostseite  des  Chors  ist  1739  das  ganz  schlichte  Pfarrhaus  angebaut  worden, 
jetzt  Sakristei,  mit  gequaderten  Eckpilastern  und  mit  heute  noch  erhaltener  Blumen- 
malerei an  den  Fenstern  (Fig.  304). 

Innenausstattung  Innenausstattung : An  der  flachen  Langhausdecke  in  einem  großen,  mittleren  Felde 

HAM. 

Deckengemälde  das  Deckengemälde  mit  der  Darstellung  der  Legende  und  bezeichnet  g , in  vier 

kleineren  Feldern  Geburt  Mariä,  Verkündigung,  Unbefleckte  Empfängnis,  Himmelfahrt, 
an  dem  Boden  der  Empore  ein  Bild,  auf  die  Wallfahrt  und  die  Zuflucht  der  Sünder 
bezüglich.  Der  Hochaltar  ist  ein  großer  barocker  Aufbau  mit  gewundenen  Säulen,  Statuen 
der  Madonna  mit  Heiligen  und  die  Ketten  tragenden  Engeln,  im  gleichen  Stil  die  Säulen- 
altäre, auf  dem  einen  neue  Kreuzigungsgruppe  und  die  Barockfiguren  der  Heiligen  Helena, 
Petrus  und  Andreas,  auf  dem  anderen  die  h.  Anna  selbdritt,  Skulptur  der  gleichen  Zeit, 
sowie  einige  weitere  Heilige.  Die  bauchige  Kanzel  ist  mit  Schnitzereien  im  Rocaillestil 
verziert.  Beicht-  und  Kirchenstühle  schlicht  in  den  gleichen  Formen,  in  denen  auch  die 
Orgel  ausgestaltet  ist.  Auf  den  Altären  entsprechend  geschnitzte  Reliquiarien. 


AMT  OFFENBURG. 


— UNTERHARMERSBACH.  (OBERHARMERSBACH.) 


547 


fforclseite  cl  .ja.Yi^hAu.ees . ^rpensttr 
• w vor  Aem-Turm- . 

I 7*  3 mal 

l in  (\u.rt  l » ]e'i t>ung  . 

am  rüir dl.  Chor jens+erge Wand . 


atn  nordosth cHm  Qvor^nster. 

i I j I 


in.  nördlichen.  und  am  ersten. "finster 

Sud].  5eiten.einga.ng.  4ar5u.dfron-t  . 

v 5 


Sli4jtont  h&nq\\a_u.sc£>  H ffenster  vätnÖiaraL 
L/  dgl  3."J-enster. 


Westfront  J r«We 6 "penster  neben  Hau.ptein.gang . lchfit. 

^ O V 

Westfront , Jenster  neben  dem-  rechten  lVeloen.einga.ng . 

30  ^ Vl  £ V 


Strebepfeiler  Am  Chor. 


fe* 


Fi g.  304.  Konsolen , Steinmetzzeichen  und  Sakristeianbau  der  Wallfahrtskirche  Maria  zur  Ketten 

in  Unterharmersbach. 


548 


KREIS  OFFENBURG. 


Holzfiguren 

In  der  Kirche  und  auf  der  Bühne  einige  Holzfiguren:  am  Triumphbogen  ein 
Kruzifix  des  18.  Jhs.,  Durchschnittsarbeit;  in  der  Kirche  Statuette  des  h.  Michael  als 
Seelenwäger,  desgleichen ; auf  der  Bühne  lebensgroße  Statuen  des  Ecce  Homo,  Zacharias 
und  Johannes,  ganz  tüchtige  Arbeiten  des  18.  Jhs. 

Sakristei 

In  der  Sakristei  auf  Sammetunterlage  angebracht  einige  Ex  voto,  silbergetrieben, 
Ohren,  Herzen  und  Augen,  eine  Relieffigur  der  Madonna  auf  Wolken  und  der  vor  ihr 
knieenden  Stifterin  (17.  Jh.),  die  Nachbildung  der  Madonna  der  Wallfahrtskirche  auf 
Wolken  von  Engeln  getragen,  ca.  0,18  m hoch,  eine  Rocaillekartusche  mit  der  Inschrift 
EX  VOTO  (0,13  m hoch);  die  Relieffigur  einer  knieenden  Fürstin  vor  dem  Altar,  eine 
charakteristische,  üppige  Gestalt  der  Rokokozeit,  an  der  Tischdecke  das  badische  und 

Kruzifix 

Aremberger  Allianzwappen  sowie  das  Augsburger  Beschauzeichen,  damals  K,  und  das 
Meisterzeichen  T R Z (0,25  cm  hoch).  — Kruzifix , silbervergoldet,  auf  Fuß  mit  Voluten 

Leuchter 

Kelche 

und  Gitterwerk  verziert.  Sechs  Leuchter,  silbergetrieben,  mit  gleichen  Postamenten. 
Eine  Anzahl  Kelche : 

1 . Silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Rocailleornamenten,  Augsburger  Zeichen,  darunter  I 
und  ^ (?)i 

2.  im  gleichen  Material,  mit  teilweise  aufgesetztem  Silberrankenornament,  Augs- 
burger Zeichen  und  C D,  spätes  18.  Jh.; 

3.  ebenso,  mit  Medaillons,  Früchten,  aufgelegten  Silberranken,  Augsburger  Zeichen 
und  AD,  18.  Jh. ; 

4.  ebenso,  mit  bewegtem  und  feinem  Rocaillekontur,  am  Fuß  getriebene  Trauben, 
Ähren  etc.,  Mitte  des  18.  Jhs. ; 

5.  ebenso,  etwas  flauer  Ludwig  XVI.- Stil,  mit  Blumengirlanden,  Palmblättern  etc., 
Ende  des  18.  Jhs.,  Augsburger  Zeichen,  darunter  B. 

Meßkännchen,  silbergetrieben,  mit  Tablette,  gute  Rocaillearbeit  von  etwa  1750, 
Augsburger  Zeichen,  darunter  W und  C X S ; weitere  Meßkännchen,  silbergetrieben,  mit 
Blumen  und  Blattwerk  verziert,  desgleichen,  auch  Bandgeschlinge  an  der  Tablette,  erste 
Hälfte  des  18.  Jhs.,  Augsburger  Zeichen  und  L B.  Ein  Gürtel  aus  Silber  und  Silber- 
filigran für  die  Madonnenstatue.  Ein  Rosenkranz  mit  silbergetriebenen  Kügelchen,  daran 
ein  Kreuz  mit  schönem,  aus  Silber  geschnittenem  Rankenwerk  und  darin  verschlungen 
S 

^ y,  an  dem  Kreuz  zwei  Medaillen  hängend,  eine  auf  Karl  III.  von  Spanien,  dem  eine 

Gestalt  huldigt,  Barcelona  14.  Oktober  1705,  und  eine  religiöse  Medaille  von  1552,  der 
Avers  zeigt  die  Figur  des  h.  Paulus,  der  Revers  die  Bekehrung  desselben.  Große  Ewige 
Licht-Lampe,  Silber,  mit  getriebenem  Rocailleornament  (in  der  Kirche).  Einige  Kirchen- 

Kircheogewänder^rzuöM^&r.'  eine  weiße  Casel,  mit  applizierten,  gestickten  Blumen  vom  Ende  des  18.  Jhs. 

eine  weiße,  silberdurchwirkt,  mit  eingewirkten,  buntseidenen  Blumen,  Mitte  des  18.  Jhs. 


Grenzstein 

eine  grüne,  mit  eingewirkten  Blumen ; eine  himmelblaue,  mit  buntseidenen  Blumen  durch- 
wirkt, in  dem  reizenden  Farbengeschmack  des  Rokoko ; ein  Velum  der  gleichen  Zeit  mit 
eingewirkten  Blumen;  eine  in  gleicher  Art  gearbeitete  weitere  weiße  Casel. 

Vor  der  Kirche  alter  Grenzstein  (s.  oben),  auf  der  einen  Seite  das  Harmersbacher 
Wappen  und  die  Unterschrift  »Thal  Harmerspach«  und  1680,  auf  der  anderen  Seite  das 
der  Reichsstadt  Zell  und  1680. 

AMT  OFFENBURG.  — URLOFFEN. 


549 


Dann  der  Gnadenbrunnen  (s.  Fig.  305)  in  rotem  Sandstein.  Fünf  Stufen  in 
flachem  Rund  führen  zum  Ausguß  an  der  Rückwand,  an  der  Putten  die  Ketten  halten, 
darüber  auf  kräftig  ausladendem  Sockel  mit  Voluten  und  Rocailleomament  die  Immaculata 
mit  dem  Kinde.  Am  Sockel  steht : »Maria  zur  Ketten  ein  Brunnenquell  der  Gnaden  1790«; 
das  Ganze  dekorativ  sehr  gut  wirkend  und  auch  im  einzelnen  gut  gearbeitet. 


Fig.  joj.  Gnadenbrunnen  vor  der  Wallfahrtskirche  in  Unterhannersbach. 


Hinter  der  Ostseite  der  Kirche  Kruzifix  auf  Rocaillesockel,  Durchschnittsarbeit, 
laut  Aufschrift  von  1741. 

An  der  Straße  von  Zell  nach  Unter-  und  Oberharmersbach  eine  Anzahl  Bildstöcke 
in  den  Formen  des  18.  Jhs.,  einer  von  1713,  ein  anderer  mit  dem  Harmersbacher  Wappen 
ca.  1760,  ein  dritter  aus  der  gleichen  Zeit,  gestiftet  von  Johannes  und  Maria  Muser,  ein 
vierter  von  1787,  einer  bei  der  Michaelskapelle,  wo  auch  ein  in  den  Boden  gesunkener, 
plumper  Grabstein  mit  Kruzifix,  einer  von  1727,  ein  solcher  von  1813  und  noch  einige 
andere  mehr. 


URLOFFEN 

Schreibweisen:  Urlufheimca.  1 150;  Urluffheim  1 218;  Urlfihein  1 2 23 ; Urlefein  1 237  ; 
Urioffen  1341;  Urlafeyn  1360  etcq  Urlofhein  ca.  1400;  zu  Urlefech  im  Zymer  bau  1533; 
Urlauffe  1543;  Urloffheim  in  dem  Kirspell  des  dorfs  Zimbern. 


Gnadenbrunnen 


Kruzifix 


Bildstöcke 


55° 


KREIS  OFFENBURG. 


Geschichte  Geschichte:  Uri  offen  gehörte  zur  Landvogtei  Mortenau,  Gericht  Appenweier. 

Um  1090  schenkte  Ritter  Adelbert  von  Nescilrit  dem  Kloster  Reichenbach  ein  Gut  bei 
dem  Dorfe  Urlufeim,  in  dessen  Nähe  von  alters  her  ein  Schloß  stand,  wie  die  Urkunde 
sagt.  Kloster  Allerheiligen  besaß  schon  1218  das  Spital  der  Heiligen  Jakob  und  Johann 
hier.  Die  von  Schauenburg  bezogen  ehemals  hier  den  Zehnten  und  hatten  das  Besetzungs- 
recht der  Pfarrei.  — 1805  wurde  Urioffen  badisch. 

Kath. Pfarrkirche  Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Martinum):  Sacellum  S.  Brigide  seu  S.  Joannis  Baptistae 
1666.  Kolb  weiß  noch  von  einer  Kapelle  des  h.  Johannes,  die,  wie  er  meint,  wohl  die 
Spitalkirche  gewesen  sein  wird.  Bis  in  den  Anfang  des  19.JI1S.  war  die  in  Zimmern 
stehende  Kirche  die  Pfarrkirche.  Die  heutige  Kirche  ist  ein  ganz  einfacher  Bau  von  1835 
Ölgemälde  ohne  alte  Reste.  — Im  Chor  Ölgemälde,  den  h.  Martin  überlebensgroß  darstellend, 
nicht  sehr  späte  und  kräftige  Kopie  nach  van  Dyck. 

Kirchengeraie  Kirchengeräte : Monstranz  in  der  Sonnenform,  kupiergetrieben,  vergoldet  und 

versilbert,  mit  den  Flachreliefs  der  Kirchenväter  am  Fuß  und  Engeln  an  den  Wolken; 
Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  aufgelegtem  Silberornament  an  der  Cuppa ; wie  diese, 
Taufstein  so  auch  ein  seidengewirktes  Meßgewand  aus  dem  18.  Jh.  — Alter  Tauf. 'stein,  achteckig, 
Kapelle  mit  verwaschenem  Astwerk  und  Spitzbögen,  wohl  1 6.  Jh.  — Eine  ehemalige  kleine  Kapelle, 
die  jetzt  als  Waschküche  dient,  zeigt  im  Giebel  der  Tür  in  plumpem  Relief  das  Lamm 
Gottes,  17/18.  Jh. 

ZIMMERN 


Schreibweisen : zu  Zimbern  in  dem  banne  1312;  in  banno  ville  Cimbern  1315; 
villa  Zymmern  1378;  Ziemern  1381;  Symmem  1482. 

Ortsgeschichte  Ortsgeschichte : Zimmern,  der  ältere  Ort,  in  dem  die  Pfarrkirche  stand,  hat  die 

gleiche  Geschichte  wie  Urioffen,  es  gehörte  zur  Landvogtei  Ortenau  und  wurde  1805 
badisch.  — Im  13.  Jh.  wird  ein  Bertolt  de  Cimbere  erwähnt.  1331  hören  wir  von  Cunrats 
von  Schauenburgs  hof  — heisset  Ortlieps  hof;  die  Schauenburgs  blieben  hier  begütert. 

Kirche  Die  Kirche  (ad  S.  Martinum)  wird  im  Anfang  des  15.  Jhs.  erwähnt:  zu  Zymmern 

in  dem  Kirchspiel  1417,  ein  rector  ecclesiae  1464.  1666  heißt  es:  Zimmern  seu 

Urioffen:  Zimerana  matrix  et  parrochialis,  in  medio  campo  sola  sita,  habet  pro  patrono 
coeli  X s.  Martinum  episcopum : collatores  sunt  nobiles  a Schauenburg  alternantes,  quorum 

pars  catholica,  altera  pars  acatholica capellam  habet  unam  in  s.  Joannis  Baptistae 

dicatam  . . . animas  regendas  habet  300  circiter. 

Baubeschreibung  Die  kleine  Kirche  (s.  Fig.  306)  liegt  am  östlichen  Ende  des  langgestreckten  Ortes. 

Sie  ist  ein  spätgotischer  Bau  von  1517  aus  Bruchsteinmauerwerk,  Gewände  etc.  aus 
rotem  Sandstein.  Das  einschiffige  Langhaus  betritt  man  durch  ein  rundbogiges  Portal 
mit  hohlgekehltem  Gewände,  dessen  Wulst  in  einem  Kielbogen  ausläuft,  an  dem  Portal 

I7IA 

Jahreszahl  und  Steinmetzzeichen: 

Neben  dem  Tor  verwitterter  Weihwasserkessel  mit  Astwerk ; über  dem  Portal  kleines 
Schutzdach  und  dann  Rundbogenfenster.  Das  Langhaus  wird  erhellt  durch  je  drei  ein- 
pfostige  Spitzbogenfenster  mit  gut  behandeltem  Fischblasenmaßwerk,  das  auch  in  den 
Fenstern  des  Chors  wiederkehrt;  Fig.  307  gibt  ein  Beispiel  davon.  An  das  Langhaus 


AMT  OFFENBURG.  — URLOFFEN.  (ZIMMERN.)  55  I 

stößt  der  in  drei  Seiten  des  Achtecks  endigende  Chor  an,  der  sich  in  spitzem  Triumph- 
bogen öffnet  und  mit  einem  Rippennetzgewölbe  eingedeckt  ist.  Die,  wie  in  der  Spätzeit 
üblich,  nur  mit  einer  Hohlkehlung  profilierten  Rippen  setzen  auf  polygonalen,  mehrmals 


abgetreppten  Konsolen  auf.  Von  den  Schlußsteinen  ist  der  eine  rund,  die  zwei  anderen 
in  Vierpaßform,  alle  ohne  weiteren  Schmuck.  Von  den  Fenstern  des  Chors  ist  das  öst- 
lichste zweipfostig,  die  beiden  anderen  haben,  wie  die  Langhausfenster,  nur  einen  Pfosten. 
Vier  einmal  abgetreppte  Strebepfeiler  begegnen  an  den  Ostteilen  dem  Schub  der  Gewölbe. 

Band  VII.  36 


Fig.306.  Zwirnern.  Grundriß  und  Ansicht  der  Kirche. 


I 


552 


KREIS  OFFENBURG. 


Sandsteinkruzifix 


Ortsgeschichte 


Kath  .Pfarrkirche 


Im  Norden  ist  an  den  Chor  die  Sakristei  angebaut  mit  einem  Sterngewölbe  in  gleicher 
Behandlung  und  geradsturzigen  Fenstern,  im  Süden  der  quadratische  Turm  mit  kurzer 
1 reppe  und  Lichtluken,  in  seinem  oberen  1 eil  mit  den  Rundbogenfenstern  und  dem 
Pyramidendach  eine  Erneuerung  des  17.  bezw.  18.  Jhs.  Unter  dem  Satteldach  des  Chors 
und  des  Langhauses  befindet  sich  die  hohlgekehlte  Wasserschräge,  die  auch  um  die 
Fassade  herumzieht. 


Fig.  307.  Fenstermaßwerke  von  der  Kirche  in  Zimmern. 


Im  Innern  in  der  südlichen  Langhauswand  eine  kleine  flachbogige  Nische  im  Bogen- 
stein, ein  doppeltes  scheinbares  Kreuzrippengewölbe  ausgehauen.  Ein  Taufstein  mit 
Fischblasenmaßwerk. 

Auf  dem  ehemaligen  Friedhof  der  obere  Teil  einer  Nepomukstatue  des  18.  Jhs. 
sowie  eine  Rocaillegrabplatte  mit  Kelchen  und  verwischter  Inschrift. 

Im  Ort  einfaches  Sandsteinkruzifix  des  18.  Jhs. 


WALTERSWEIER 

Schreibweisen:  in  Mordinnavia Waltharisvillare  777;  villa  Walterwilre  1289; 

villa  Walterßwilere  1308;  Waltersweyr  1504;  Walterschwier  1534;  Walterßweyr  1597. 
(Weiler  des  Walthari.) 

Archivalien,  den  Freihof  in  W.  betr. : Mitteil,  der  histor.  Komm.  Nr.  IV,  S.  14. 

Ortsgeschichte : Waltersweier  wird  sehr  früh  erwähnt,  schon  777.  Angeblich 
schenkte  damals  ein  gewisser  Wido  dem  Abt  Fulrad  von  S.  Denis  hier  ein  Gut,  das  dieser 
dem  Kloster  Leberau  hinterließ.  Von  diesem  kam  das  Gut  an  verschiedene  Herren,  es 
war  im  Anfänge  des  15.  Jhs.  Eigentum  des  Heinzmann  Selloß,  dann  der  Straßburger 
Patrizier  von  Wintertur  und  von  Grudertheim,  1471  der  Botzheim,  der  Röder,  im  16.  Jh. 
der  Schauenburg,  der  Windeck,  der  Kechler  von  Schwandorf,  der  Fleckenstein,  im  17.  Jh. 
der  Lützelburg,  der  Hoerdt  und  Würz  zu  Rudenz,  der  Theobald,  bis  es  endlich  1767  an 
Karl  von  Dürfeld  kam,  der  bald  einen  Teil  an  das  Andreasspital  in  Offenburg  und  einen 
anderen  an  die  Bürger  von  Waltersweier  verkaufte.  — Der  Ort  selbst  gehörte  zur  Land- 
vogtei Ortenau,  zum  Gericht  Griesheim  und  wurde  1805  badisch. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Johann.  Nepomucenum).  Bis  1790  war  Waltersweier 
kirchlich  eine  Filiale  von  Offenburg  und  hatte  nur  eine  Kapelle  ad  S.  Quirinum.  Schon 
bevor  es  zur  Pfarrei  erhoben  wurde,  war  der  Patron  geändert  worden  und  die  Kirche  in 


AMT  OFFENBURG.  — WEIER. 


553 


schlichtester  Weise  vergrößert,  nämlich  1748.  Uber  einer  Seitentür,  wo  ehemals  die 
Kirche  aufhörte,  steht:  »Zu  Ehren  Dir  o Grosser  Got  ist  diese  Kirche  erbauet.  Sanct 
Johan  von  Nepomuc  wird  se  Högst  vertrauet  1748.«  An  das  einschiffige  Langhaus 
stößt  der  Chor  mit  Achteckabschluß,  wohl  auf  älteren  Fundamenten.  Das  Innere,  mit 
einigen  Stuckornamenten  geziert,  weist  drei  Barockaltäre  auf,  Durchschnittsarbeiten. 
Uber  dem  Portal,  von  Engeln  gehalten,  das  Wappen  von  Waltersweier. 

Auf  dem  einen  Altar  Holzstatue  des  h.  Quirinus,  18.  Jh.,  Durchschnitt. 

Vor  der  Kirche  derbes  Kruzifix  des  18.  Jhs.  auf  bauchigem  Sockel,  ein  weiteres 
mit  Rocailleornament,  Madonna  am  Kreuzesstamm,  im  Feld  etwa  50  Schritt  westlich  vom 
Ort;  der  Corpus  Christi  heruntergefallen. 

Am  ehemaligen  Dürfeldschen  Hause,  jetzt  Schulhaus,  fuhrt  eine  Freitreppe  hinauf 
zu  einem  Portal  mit  flachem,  geschwungenem  Volutengiebel,  darüber  in  Rocailleumrahmung 
das  Dürfeldsche  Wappen. 

Schmiedeeiserner  Wirtshausschild  am  Gasthaus  »Zum  Hirsch«;  am  ehemaligen 
Gasthaus  »Zum  Großherzog«  holzgeschnitzte  Tür  mit  Türklopfer,  Abschluß  ein  gebrochener 
Giebel. 


WEIER 

Schreibweisen:  villa  Wilre  1308;  Wiler  1423;  Wire  1462;  Weiler  1520. 

Ortsgeschichte : Weiler  gehörte  zur  Landvogtei  Ortenau,  zum  Gericht  Griesheim, 
wurde  also  1805  badisch.  Ein  Schlößchen  und  Gut,  das  ehemals  hier  stand,  gehörte 
den  Reichlin-Meldegg. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Johannem  Bapt.).  1429  hören  wir  von  »her  Cunrat 
von  Mülnheim,  in  den  ziten  kircher  der  lutkirchen  zu  Wilre  zu  Mortenöwe  in  Straß- 
burger bystum  gelegen«,  1464  von  der  »ecclesia  Wiler  prope  Offenburg«,  1531  von  der 
»pfarrkirche  sant  Johanns  zu  Weyhr  bey  Offenburg«.  Damals  also  bestand  hier  eine 
Pfarrei,  die  wohl  in  der  Verödung  des  Dreißigjährigen  Krieges  oder  der  Franzosenkriege 
nicht  bestehen  bleiben  konnte,  denn  1699  heißt  es  »ecclesia  parrochials  in  Wyhr  incorporata 
est  ecclesiae  Bylensi«.  Patronat  und  Zehnt  gehörten  den  Johannitern  in  Straßburg. 
1755  wurde  Weier  wieder  zur  Pfarrei  erhoben. 

Der  heutige  Bau  stammt  von  1862,  er  ist  von  Süd  nach  Nord  gerichtet.  Als  Tauf- 
kapelle ist  an  seiner  Ostseite  der  ehemalige  Chor  der  alten  Kirche  erhalten,  der  in  drei 
Seiten  des  Achtecks  geschlossen  ist.  Er  öffnet  sich  in  gedrücktem  Spitzbogen  in  die 
jetzige  Kirche,  ist  von  einem  Netzgewölbe  überdeckt  mit  sich  durchschneidenden  Rippen, 
die  nur  durch  eine  Hohlkehle  profiliert  sind.  In  den  Schlußsteinen  einmal  ein  Schild 

mit  dem  Zeichen-^,,  ein  andermal  ein  Monogramm  (M  mit  Kreuz?).  An  der  Nord- 
wand ein  Sakramentshäuschen,  abgeschlossen  durch  einen  mit  Krabben  besetzten  und  in 
einer  Kreuzblume  endigenden  Kielbogen,  umrahmt  von  sich  kreuzendem  Astwerk.  An 
der  Ostseite  einpfostiges  Spitzbogenfenster  mit  Fischblasenmaßwerk.  Der  Raum  ist  etwa 
4,15  zu  6 m groß  und  5 — 6 m hoch.  Die  architektonischen  Teile  aus  rotem  Sandstein. 
Am  Äußeren  des  Chores,  der  aus  dem  Anfang  des  16.  Jhs.  stammen  dürfte,  noch  die 
gotische  Wasserschräge,  welche  die  zwei  erhaltenen  Strebepfeiler  einmal  abtreppt. 

36* 


Wirtshausschild 


Ortsgeschichte 


Kath . Pfarrkirche 


Chor 


554 


KREIS  OFFENBURG. 


Kirchengeräte 


Kruzifix 


Ortsgeschichte 


Chor 


In  der  Sakristei  Kirchengeräte : ein  Kelch,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Fuß  im 
Sechspaß,  woran  steht  M • A • E • 1697,  sonst  schlicht ; ein  zweiter  mit  spärlichen  Empire- 
formen, eine  Monstranz,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Rocailleornamenten ; ein  ehemals 
roter,  jetzt  schwarz  gefärbter  Rauchmantel,  Seidendamast,  1606  und  1763  ausgebessert, 
grüne  und  weiße  Casel  mit  eingewirkten  Blumen.  — Die  Glocken  sind  alle  neu,  der 
einfache  Taufstein  wohl  aus  dem  1 7 . Jh. 

Südlich  vor  der  Kirche  Sandsteinkruzifix  auf  hohem  Rocaillesockel,  einfache 
Arbeit  von  1772. 

Auf  dem  Friedhof  63  cm  hohes  Sandsteinstück,  mit  Achteckplatte,  Rundstab  und 
Achteckfuß,  wohl  ehemals  Basis  einer  Säule. 


WEINGARTEN 


Schreibweisen:  dedicatio  capellae  prope  Celle  parrochie  Offenburg  1396;  zu  Zell 
hinder  unsser  lieben  frowen  im  Wingarten  genant  1488;  Unserer  frauen  kirche  1629; 
ecclesia  Weingartensis,  filia  ecclesiae  in  Ofifenburg,  divae  Virgini  sacra  1666. 

Archivalien:  Mitteil,  der  hist  Komm.  Nr.  5,  S.  266/67,  Nr.  17,  S.  50. 

Literatur:  Die  Kirche  in  W.  bei  Offenburg,  Christliche  Kunstblätter,  Freiburg  1879, 
Nr.  175  und  176. 

Ortsgeschichte : Wie  aus  obencitierten  Erwähnungen  schon  ersichtlich  ist,  handelt 
es  sich  hier  um  keinen  Ort,  sondern  nur  um  eine  1396  unter  dem  Bischof  Wilhelm  II. 
von  Diest1)  eingeweihte  Wallfahrtskapelle  Beatae  Mariae  virginis,  die  zur  Pfarrei  Offen- 
burg gehörte.  Ich  finde  dann  die  weitere,  für  mich  unkontrollierbare  Notiz,2)  daß  die 
Pfarrkirche  S.  Philippi  et  Jacobi  i.  J.  1596  erbaut  wurde  an  Stelle  des  im  Bauernkriege 
abgebrannten  Baues,  und  die  weitere,3)  daß  die  Pfarr-  und  Wallfahrtskirche  1631  durch 
den  Blitz  zerstört  wurde.  Die  Kirche  war  Filiale  von  Offenburg  und  1616  noch  nicht 
zur  Pfarrei  erhoben.  Wann  dies  geschah,  steht  nicht  fest,  1787  aber  wurde  die  schon 
bestehende  Pfarrei  dem  Kloster  Schlittern  inkorporiert.  In  die  Pfarrei  gehören  die  Orte 
Fessenbach,  Rammersweier  und  Zell -Weierbach.  1805  wurde  die  zur  Landvogtei  Ortenau 
gehörige  Kirche  badisch.  Die  Baupflicht  ging  damals  mit  der  Aufhebung  der  Klöster 
auf  das  Großh.  Ärar  über.  Allmählich  machte  sich  das  Bedürfnis  nach  einer  Ver- 
größerung immer  dringender  bemerkbar,  und  so  wurde  in  den  siebziger  Jahren  des 
19.  Jhs.  das  Langhaus  umgebaut  mit  Unterstützung  durch  die  Großh.  Regierung. 

Unberührt  geblieben  ist  der  alte  Chor  (s.  Fig.  308),  der  sich  in  einem  geraden  Spitz- 
bogen gegen  das  Langhaus  zu  öffnet,  dessen  Gewände  durch  zwei  Hohlkehlen  und 
zwei  Plättchen  profiliert  sind.  Er  ist  von  einem  Netzgewölbe  überdeckt  mit  leicht 
ansteigendem  Scheitel,  dessen  einmal  hohlgekehlte  Rippen  ohne  Konsolen  in  der  Wand 
verlaufen.  In  den  Schlußsteinen  Lamm  und  Rose.  Einpfostige  Spitzbogenfenster  mit 
spitzem  Kleeblattbogenmaßwerk  erhellen  den  Raum.  An  der  Südwand  eine  Nische  mit 
geradem  Sturz,  den  Rundsäulchen  auf  polygonaler  Basis  mit  polygonalem,  aus  Platten 

*)  Siehe  auch  Walter,  Bericht  des  Kirchherren  Lazarus  Rapp  etc.,  S.  16  und  25. 

2)  Hoffmann,  Der  Schulkreis  Offenburg,  S.  239. 

3)  Großherzogtum  Baden,  S.  989. 


AMT  OFFENBURG.  — WEINGARTEN. 


555 


und  Hohlkehlen  bestehendem  Kapitell  tragen.  Das  Gewände  der  Nische  ist  in  Hohl- 
kehle und  Rundstab  profiliert. 

Die  Strebepfeiler  am 
Äußeren  des  Chors  sind  einmal 
abgetreppt,  um  ihren  unteren 
Teil  zieht  sich  die  übliche 
Wasserschräge  herum,  die 
auch  den  Fenstern  als  Kaff- 
gesims dient. 

An  die  Nordseite  des 
Chors  ist  später  die  Sakristei 
angebaut  worden,  wobei  der 
hier  befindliche  Strebepfeiler 
ruhig  stehen  gelassen  und  in 
origineller  Weise  als  Ansatz 
für  die  Gewölbe  benutzt  wurde. 

Die  Sakristei  aus  zwei  Jochen 
ist  mit  Kreuzrippengewölben 
eingedeckt  mit  geradem  Scheitel. 

An  ihrer  Ostseite  öffnet  sich 
ein  Rundbogen,  dessen  Ge- 
wände mit  originell  in  einiger 
Höhe  über  dem  Boden  abge- 
schnittenen Stäben  profiliert  ist. 

Das  Chörlein  ist  aus  dem  Acht- 
eck geschlossen,  ebenfalls  mit 
Rippengewölbe  eingedeckt,  die 
Rippen  hier  wie  in  den  zwei 
Jochen  in  gleicher  Profilierung 
wie  bei  dem  Langhaus.  Im 
Norden  der  Sakristei  eine  kleine 
geradsturzige  Nische  in  Stabwerk- 
umrahmung mit  Wasserabfluß. 

Das  Langhaus  wurde  auf 
die  doppelte  Größe  verlängert, 
die  im  Seitenschiff  nach  alten 
Angaben  vorhandenen  Kreuz- 
gewölbe entfernt,  die  acht- 
eckigen Pfeiler  überarbeitet  und 
die  Westwand  abgebrochen. 

Von  der  alten  Innenaus- 
stattung ist  zu  erwähnen  das 
reich  in  den  Formen  der  Spät- 
renaissance geschnitzte  Chorgestühl  mit  Ranken  etc.,  im  Rankenwerk  der  einen  Bekrö- 
nung die  Figur  Christi,  eine  sehr  gute  Holzschnitzarbeit  etwa  aus  der  Mitte  des  17.  Jhs. 


Sakristei 


I 


ü 


°o 

O 

**5 


Innen- 

ausstattung 


C'norgestühl 


556 


KREIS  OFFENBURG. 


Langhaus 


Friedhof 


Stationskapellen 


Römisches 


Oltsgeschichte 


Kath.  Pfarrkirche 


Taufstein,  bauchig,  mit  achtgekanteter  Cuppa  und  Schild,  worin  Rebwerkzeuge. 

In  der  Sakristei  eine  Holzstatue  der  Immaculata,  mittlerer  Durchschnitt  des  1 8.  Jhs. 

Nach  dem,  was  die  obigen  Nachrichten  an  Baudaten  geben,  möchte  ich  annehmen, 
daß  der  Chor  ein  Bau  des  15.  Jhs.  ist  und  daß  nach  der  Zerstörung  der  Bauernkriege 
bei  dem  Wiederaufbau  die  Sakristei  angefügt  wurde.  1631  scheint  durch  den  Blitz  die 
Innenausstattung  zerstört  worden  zu  sein,  von  deren  Erneuerung  die  schönen  Chor- 
gestühle  zeugen. 

Das  Langhaus  ist  (s.  oben)  zum  Teil  unter  Benutzung  der  vorhandenen  Mauern 
des  ehemaligen  in  unserer  Zeit  neu  errichtet  worden.  In  der  Südostecke  desselben,  da, 
wo  der  Chor  anstößt,  ein  älterer,  schlichter  Wendeltreppenturm. 

Am  Eingang  zu  dem  die  Kirche  umgebenden  Friedhof  die  Jahreszahl  1727.  Auf 
dem  Friedhof  einige  Rocaillegrabsteine  sowie  auf  bauchigem  Sockel  ein  Kruzifix. 

Auf  dem  Weg  von  Offenburg  hierher  die  schlichten  Stationskapellen  des  18.  Jhs. 

Hinter  der  Kirche  steht  das  Mesnerhaus,  ein  Bau  des  18.  Jhs.,  mit  hübscher 
Barockfreitreppe,  am  Türsturz  die  Jahreszahl  1 7 84. 


WINDSCHLÄG 

Schreibweisen:  Windisle  ca.  1 101  ; Windisleh  1111  bis  1 1 1 4 ; Windesle  1123; 
Winslech  1258;  Windslee  1258;  villa  Windeslech  1277;  villa  Wintschlee  1277;  Windes- 
leich 1 280 ; Winteslehe  1356;  Windeschleich  1362;  Winnesleche  1381  etc.  (le,  althoch- 
deutsch hleo,  = Grab,  Grabhügel  des  Windo.)  (Wth.) 

Römisches:  In  der  Nähe  1897  beim  Lehm  stechen  gefunden  eine  Ansammlung  von 
ca.  20  Stück  römischer  Eisenluppen  (Städtische  Sammlung  Offenburg).  (W.) 

Ortsgeschichte:  Wie  aus  obiger  Fundnotiz  und  der  Erklärung  des  Ortsnamens 
hervorgeht,  bestand  hier  schon  zu  römischer  und  zu  germanischer  Zeit  eine  mehr  oder 
minder  kleine  Ansiedelung.  Begreiflicherweise  wird  der  Ort  daher  auch  im  Mittelalter 
sehr  früh  genannt.  Mit  seiner  ersten  Nennung  tritt  auch  ein  eigener  Adel  auf,  ein 
Rudolfus,  1150  ein  Herimannus  und  als  letzter  1226  ein  miles  quidam  nomine  Billungus 
de  Windisle.  Schon  1258  besaß  das  Kloster  Allerheiligen  den  Zehnten,  1350  erwarb  es 
von  den  Röder  von  Diersburg  auch  den  Dinghof  mit  dem  dazugehörigen  Patronat  durch 
Schenkung  und  Kauf.  Wir  hören  1355  von  »der  münch  hof  von  Allenheilgen«,  und 
noch  1462  heißt  es:  »als  Daniel  von  Diersperg  und  seine  altvorderen  den  Kirc.hensacz 
zu  Wintschlehe,  mit  der  gerechtigkeyt,  das  man  nemet  ius  patronatus,  bycz  har  als  für 
ein  recht  lidig  eygen  bessessen«.  Mir  will  danach  scheinen,  daß  dies  Patronat  zum  Schloß 
Diersburg  gehörte,  daß  also  ursprünglich  die  tiersbergischen  Geroldsecker  hier  begütert 
waren.  Im  17.  Jh.  hatten  die  Neveu  Kollatur  und  Zehnten,  denen  auch  die  niedere 
Gerichtsbarkeit  zustand.  Der  Ort  gehörte  jedenfalls  seit  dem  13.  Jh.  zur  Landvogtei 
Ortenau  und  wurde  mit  dieser  1805  badisch. 

Kath.  Pfarrkii'che  (ad  S.  Pancratium,  Ep.  et  mart).  1462  hören  wir  (s.  oben)  von 
dem  Kirchensatz,  1504  von  einem  dominus  Sifridus  Flach,  vicarius  perpetuus  parrochialis 
ecclesie  in  Windesschlehe;  1666  hat  der  Ort  etwa  80  Kirchenangehörige.  Die  heutige 
Kirche  ist  ein  Bau  von  1835,  doch  scheint  man  dabei  den  Unterteil  des  alten  Turmes 
verwendet  zu  haben,  und  zwar  dürften  die  drei  untersten  Stockwerke  auf  quadratischem 


AMT  OFFENBURG.  — ZELL. 


557 


Grundriß  alt  sein,  natürlich  aber  überarbeitet.  Das  Alter  läßt  sich  deshalb  auch  nicht 
bestimmen,  doch  will  mir  das  östliche  Rundbogenfenster  im  Erdgeschoß  fast  noch 
romanisch  dünken. 

In  der  Kirche  ein  spätgotisches,  geschnitztes  Kruzifix  auf  neuem  Kreuz,  ca.  80  cm 
hoch,  eine  gute  Arbeit  der  Spätgotik ; sonst  nur  noch  zu  nennen  ein  schlichter  Beichtstuhl 
im  Empirestil. 

Meistens  im  Pfarrhaus  aufbewahrt  ein  sehr  interessantes  gotisches  Ciborium,  kupfer- 
vergoldet, 36,5  cm  hoch.  Der  Fuß  ist  sechseckig  mit  eingebogenen  Seiten,  dann  folgt 
der  sechskantige  Stock  mit  flachrundem,  späterem  Nodus,  die  sechsseitige  Cuppa  mit 
eingraviertem  Quaderwerk  und  an  der  einen  Seite  vor  netzartig  graviertem  Hintergrund 
ein  h.  Andreas,  trägt  einen  dachförmigen  Deckel. 

Vor  der  Kirche  Steinkruzifix,  Durchschnitt  von  1748,  vor  dem  Ort  ein  solches 
von  ,J6  1 N I H R 85,  der  Corpus  Christi  später  erneuert,  am  Stamm  das  Zeichen  41- 


ZELL 

AM  HARMERSBACH 

Schreibweisen:  in  Mortunaugia  Cella  1139;  Cella  1240;  Zelle  14.  Jh. ; Celle 
civitas  1351  ; Tzell  Halmerspach  1454;  Obercelle  im  Harmersbach  1456;  Zell-Harmers- 
pach  1471. 

Archivalien:  Mitteil,  der  hist.  Komm.  Nr.  19  (1897),  S.  53/54,  und  Nr.  16  (1894), 
S.  114.  Rosenberg,  Bad.  Sammlung  V (1899),  S.  33. 

Literatur : Geograph.  Beschreibung  der  Landvogtey  Ortenau,  dann  von  den  drei 
Reichsstädten  Offenburg,  Gengenbach  und  Zell,  Karlsruhe  1795.  Stadt-Recht  zue 
Zell  a.  H.,  2.  Band  der  Neuen  badischen  Gesetzes-Sammlung,  Karlsruhe,  Müller  1805, 
S.  33—57,  vgl.  Badische  Bibliothek  I,  S.  7,  und  Z.  NF.  XIII,  S.  688.  K.  Walter, 
Beiträge  zur  Gesch.  der  Stadt  Offenburg  I,  S.  110.  Vorstellung  der  Beschaffenheit  der 
Streitigkeiten  zwischen  Zell  und  Grafen  von  der  Leyen,  Straßburg  1759.  F.  Platz, 
Die  Unruhen  in  der  freien  Reichsstadt  Zell  a.  H.  am  xi.  Dez.  1760  und  das  Reichs- 
kammergericht, Z.  NF.  XII,  S.  691  — 756.  Beschreibung  der  in  Zell  den  11.  Dez.  1760 
entstandenen  Empörung,  Straßburg  1761.  Das  Zeller  Geschirr,  Badische  Gewerbe- 
zeitung 1869,  S.  42.  Alb.  Ebbecke,  Ein  Bild  aus  der  bad.  evang.  Diaspora:  Ent- 
wickelung der  evang.  Pastorisation  des  unteren  Kinzigtales,  Karlsruhe  1891. 

Ortsgeschichte:  Ihren  Ursprung  verdankt  die  Stadt,  wenn  wir  aus  ihrem  Namen 
Schlüsse  ziehen  dürfen,  wohl  dem  Kloster  Gengenbach,  dessen  Mönche  hier  vielleicht 
eine  Einsiedelei,  eine  Zelle  gegründet  haben.  Als  das  Kloster  von  Heinrich  II.  dem 
neugegründeten  Bistum  Bamberg  unterstellt  wurde,  da  verlieh  dieses  mit  anderen  Orten 
auch  Zell  als  Lehen  den  Herzogen  von  Zähringen.  Nach  deren  Aussterben  kam  es  als 
solches  an  Kaiser  Friedrich  II. 

Der  letzte  Hohenstaufe,  Konradin,  verkaufte  es  vor  1265,  vor  seinem  unglück- 
lichen Zuge  nach  Italien,  an  die  Herren  von  Geroldseck,  um  eben  die  Mittel  für  diesen 
Zug  aufzubringen.  Es  war  die  Zeit,  da  die  Geroldsecker  auf  dem  Höhepunkt  ihrer 
Macht  standen,  die  allerdings  gerade  um  diese  Zeit,  in  der  Schlacht  von  Hausbergen, 


Kruzifix 


Ortsgeschichte 


558 


KREIS  OFFENBURG. 


ihren  schwersten  Schlag  erhielt.  Möglich,  daß  durch  die  Folgen  dieser  Schlacht  das 
Geschlecht,  das  sich  nur  schwer  seiner  Feinde  erwehren  konnte,  kaum  daß  es  die  Stadt 
gewonnen,  sie  an  den  Bischof  von  Straßburg  wieder  abtreten  mußte,  denn  während 
des  Interregnums  finden  wir  sie  in  dessen  Besitz.  Nach  Beendigung  der  kaiserlosen 
Zeit  zog  das  Reich  unter  Kaiser  Rudolf  von  Habsburg  die  Stadt  wieder  an  sich.  Wie 
die  beiden  anderen  Städte  Gengenbach  und  Offenburg  wird  sie  die  wirren  Zeiten  benutzt 
haben,  um  sich  Rechte  um  Rechte  zu  erkämpfen.  Da  alle  Urkunden  bei  einem  Brande 
im  16.  Jh.  verloren  gegangen  sind,  so  können  wir  nur  vermuten,  daß  die  Entwickelung 
hier  die  gleiche  gewesen  ist  wie  in  den  beiden  anderen  Städten.  Abgesehen  von  der 
Ähnlichkeit  der  politischen  Lage  wird  das  auch  dadurch  wahrscheinlich,  daß  nach  einem 
Brand  die  kaiserliche  Kanzlei  die  Privilegien  neu  ausstellte  auf  Grund  der  Versicherung 
der  beiden  anderen  Städte,  daß  sie  durchweg  mit  den  ihrigen  gleich  gewesen  seien.  So 
bestand  also  auch  hier  ein  alter  Zwölferrat  mit  einem  Schultheiß,  den  der  Abt  von 
Gengenbach  wohl  auf  Vorschlag  der  Zwölfer  zu  setzen  hatte.  Es  heißt  daher  1450:  »das 
schultheißenampt  zu  Celle,  so  Egnolf  abt  zu  Gengenbach  und  sim  gotzhuß  in  eigenschaft 
zustand«.  Von  Schultheißen  wird  zuerst  Damme  von  Sneit  genannt.  Ein  Unterschied 
zwischen  Zell  und  den  beiden  anderen  Städten  bestand  aber  darin,  daß  eine  Anzahl 
bäuerlicher  Gemeinden  zu  Zell  gehörte  und  daß  daher  der  Junge  Rat  hier  aus  den 
Vögten  und  sonstigen  Vertretern  der  abhängigen  Gemeinden  bestand.  Hier  wie  in 
Gengenbach  war  das  Kloster  Oberherr  der  Allmenden,  aber  die  Stadtbehörde  alleiniger 
Markherr.  In  allen  drei  Städten  waren  bis  zum  Anfang  des  14.  Jhs.  die  Grundlagen 
dieser  Verfassung  gelegt.  »Die  stete  und  vesten  Ortemberg,  Offenburg,  Gengenbach  und 
Czelle  und  die  reht,  die  das  reiche  ze  Murtenow  und  in  den  obgenanten  steten  und 
vesten  hat«,  heißt  es  1394.  Wie  in  den  Schwesterstädten  waren  es  hier  zwei  Punkte, 
um  die  sich  die  politische  Entwickelung  der  Stadt  drehte,  das  Verhältnis  zu  dem  Reich 
und  den  Pfandherren  einerseits  und  das  zum  Kloster  andererseits.  Hier  kam  aber  noch 
die  Stellung  zu  den  Unabhängigkeitsbestrebungen  der  bäuerlichen  Gemeinden  dazu.1) 

Der  Reichsvogt  bezw.  später  der  Pfandinhaber  hatten  den  Städten  ihre  unabhängige 
Gerichtsbarkeit,  ihren  Besitz  an  Wäldern  und  Wassern  zu  gewährleisten,  sie  zu  schirmen 
und  ihre  Zwölfersprüche  anzuerkennen.  Auch  sie  sollten  ihm  helfen,  das  Land  zu 
befrieden,  soweit  es  innerhalb  ihrer  Pflege  lag,  außerhalb  aber  nur,  soweit  es  ihnen  gelegen 
war.  Als  einzige  Gegenleistung  war  im  Grunde  genommen  der  Bezug  der  Reichssteuer 
durch  den  Pfleger  festgesetzt. 

Nach  der  kurzen  Pfandherrschaft  der  Markgrafen  von  Baden  war  der  Bischof  von 
Straßburg,  der  die  Pfandschaft  eingelöst  hatte,  alleiniger  Pfandherr  bis  zum  Anfänge  des 
15.  Jhs.,  wo  König  Ruprecht  von  dem  von  den  Pfalzgrafen  erworbenen  Rechte,  die  Hälfte 
derselben  einzulösen,  Gebrauch  machte,  nicht  für  das  Reich,  sondern  für  sein  Haus.  1351 
beschwor  der  Bischof  Bernhard  bei  der  Übernahme  der  Pfandschaft  den  Bürgern  jeder 
einzelnen  Stadt  die  Privilegien,  und  einen  gleichen  Eid  leistete  der  Untervogt,  den  der 
Pfandherr  bestätigte.  Ich  habe  in  der  Geschichte  Offenburgs  und  Gengenbachs  geschildert, 
wie  die  Bischöfe  ihre  Gerechtsame  auszudehnen  versuchten,  insbesondere,  indem  sie  ver- 
suchten, ihre  richterliche  Autorität  festzustellen.  Hier  war  es  das  große  Verdienst  des 
Abtes  Lambert  de  Burn,  ein  großes  Privileg  Karls  IV.  herbeizuführen,  das  fortan  das 


*)  Dies  und  das  Folgende  alles  nach  Gothein  a.  a.  O. 


AMT  OFFENBURG.  — ZELL. 


559 


Verhältnis  zwischen  Pfandherren  und  Städten  bestimmte,  *)  eine  Urkunde,  in  der  die  Bürger 
mit  Recht  die  Grundlage  ihrer  Reichsfreiheit  sahen;  auf  dieser  Grundlage  vereinbarten 
sich  die  drei  Städte  über  die  Auslegung  ihrer  Verpflichtungen,  wie  wir  es  aus  einer  Aufzeich- 
nung über  »der  dreier  Städte  Offenburg,  Gengenbach  und  Zell  alt  Herkommen  ihre  Pfand- 
herren und  Amtleute  berührend«  ersehen.  Unter  anderem  wurden  besonders  die  städtischen 
Pflichten  zu  Kriegszeiten  festgestellt,  wogegen  nur  in  Fehden,  die  das  Fürstentum  des 
Pfandherrn  berührten,  dessen  Truppen  der  Zutritt  in  die  Städte  offenstand,  aber  nur 
gegen  Zahlung  aller  Bedürfnisse.  Selbst  einzugreifen  verpflichtete  sich  die  Bürgerschaft 
nur  bei  »Zugriffen  in  des  Reiches  Land  zu  Mortenau«.  Bald  wußte  man  aber  auch, 
durch  Ausspielen  der  beiden  Pfandherren  gegeneinander,  die  Verpflichtung  der  Truppen- 
aufnahme von  sich  abzuwälzen  und  völlige  Neutralität  zu  erreichen. 

In  diesem  Zustand  blieben  die  Städte  bis  zum  Ausgange  des  Mittelalters,  vor 
unrechtmäßigen  Ansprüchen  der  Pfandherren  in  ihren  Zwölferkollegien  ernstlich  auf  der 
Hut.  Eines  nur  konnte  auf  die  Dauer  eine  Beeinträchtigung  der  Reichsfreiheit  bringen, 
die  Gewohnheit  nämlich,  die  Streitigkeiten  mit  dem  Kloster  Gengenbach  nicht  auf  dem 
umständlichen  Wege  zu  den  Reichsgerichten,  sondern  vor  den  Austrägalgerichten  der 
Pfandherren  entscheiden  zu  lassen.  Denn  diese  Streitigkeiten  mit  dem  Kloster  über 
dessen  Berechtigungen  füllten  die  folgenden  Jahrhunderte  aus.  Bürgerliche  und  bäuer- 
liche Interessen  waren  hier  eins.  Auf  früheren  Seiten  dieses  Bandes  habe  ich  den 
ungeheuren  Druck  nachgewiesen,  den  das  Kloster  mit  seinen  Berechtigungen,  seinen  Güter- 
fällen, seinen  Leibfällen,  den  neuen  Erschätzen  bei  jeder  neuen  Leihe,  mit  seinem  Eigentum 
an  Wald  und  Wasser  ausübte;  ich  habe  erzählt,  wie  diese  Berechtigungen  unter  Ludwig  I. 
noch  verschärft  und  dann  im  15.  Jh.  besonders  drückend  wurden,  als  im  Kloster  die 
Tendenz,  nur  noch  Adelige  aufzunehmen,  durchgedrungen  war  und  der  Adel  der  Ortenau 
diese  Gelegenheit  ausnutzte,  um  die  Gegend  auszusaugen ; besonders  nachdem  auch  noch 
jene  populäre  Bewegung,  die  sich  in  dem  Aufkommen  des  Zunftregiments  in  Gengenbach 
und  nach  allem  auch  in  Zell  bekundete,  niedergeworfen  war.  Das  Verhältnis  der  Zeller 
Bürger  und  Bauern  zu  dem  Kloster  verschlechterte  sich  zusehends  und  verschärfte  sich 
bei  den  Waldstreitigkeiten,  die  neben  Gengenbach  Zell  mit  dem  Kloster  hatte. 

Erst  Maximilian  I.  brachte  Abhilfe.  Auf  dem  großen  Reichstage  in  Worms  wurde 
dem  Abt  die  mißbräuchliche  Ausdehnung  seiner  Rechte  vorgeworfen,  der  König  befahl, 
sofort  die  Bürger  der  Haupt-  und  Leibfälle  zu  entlassen  und  sie  in  den  Gebrauch  der 
Fischwasser  wie  andere  Leute  einzusetzen,  u.  a.  m.  Da  das  Kloster  sich  wehrte,  so 
wurde  den  Pfandherren  der  Entscheid  überlassen,  der  ziemlich  zugunsten  der  Städte 
ausfiel.  Wenn  wir  das  auch  nur  über  Gengenbach  wissen,  so  dürfen  wir  es  bei  dem 
Verluste  der  Urkunden  doch  auch  von  Zell  annehmen.  Um  die  Finanzen  der  Stadt  zu 
verbessern,  verlieh  ihr  Maximilian  damals  einen  Anteil  an  dem  Zolle  in  Biberach,  den 
sie  bis  dahin  entbehrt  hatte.  Als  dann  nach  der  Niederlage  des  Kurfürsten  Philipp  von 
der  Pfalz  im  Landshuter  Erbfolgekriege  diesem  seine  Hälfte  der  Pfandherrschaft  entzogen 
wurde  und  Maximilian  selbst  Ortenberg  erobert  hatte,  wobei  ihm  tatkräftige  Hilfe  der 
Städte  geworden  war,  da  forderte  er  dankbar  1504  ihre  Zwölferkollegien  auf,  alle  etwa 
abhanden  gekommenen  Rechte  festzustellen,  was  denn  geschah  und  auch  die  Rechte 
des  noch  bleibenden  Pfandherrn,  des  Bischofs,  einschränkte.  Auch  als  gleich  danach 
Wolfgang  von  Fürstenberg  die  Pfandschaft  erhielt,  wurde  daran  nichts  geändert. 


*)  Siehe  Stadtgeschichte  von  Offenburg  und  Gengenbach. 


io.  Die  Befestigung  der  Stadt  Ze/l  im  Jahre  168g  nach  Schma/ka/ders  Skizzenbuch. 


KREIS  OFFENBURG. 


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Die  Stürme  der  Bauernkriege  gingen,  wie  an  Offenburg  und  Gengenbach,  an  Zell 
ohne  große  Erschütterungen  vorüber.  War  es  doch  weit  mehr  noch  wie  jene  eine 
Gemeinde  von  Bürgern  und  Bauern,  in  der  gleiche  Interessen  beide  vereinigten.  In  den 
fünfziger  Jahren  löste  Österreich  die  beiden  Pfandschaften  ein,  und  seitdem  blieben  sie  bei 
demselben  mit  Ausnahme  jener  Verpfändung  an  die  Markgrafen  von  Baden  in  den  ersten 
Dritteln  des  18.  Jhs.  Von  neuem  galt  es  nun  gegen  Österreich  die  Reichsfreiheit  zu  ver- 
teidigen, was  schon  bald 
zu  Zwistigkeiten  führte,  so 
daß  es  zu  mehrfacher 
längerer  Verweigerung  der 
Reichs-  und  Türkensteuern 
kam  und  sich  die  drei 
Städte  eng  zusammen- 
schlossen zu  einem  Bunde 
1575,  der  bis  1614  geheim 
gehalten,  damals  erneuert 
wurde.  1545  war  Zell 
einer  »großen,  erschreck- 
lichen Brunst«  zum  Opfer 
gefallen.  Uber  seine  Leiden 
in  dem  Jahrhundert  der 
großen  Kriege,  im  17., 
sind  wir  nicht  so  genau 
unterrichtet  wie  bei  den 
Schwesterstädten ; ganz 
besonders  waren  es  die 
Schweden,  die  den  Ort 
durch  Brand  verheerten. 

Die  Stadt  verarmte  so,  daß 
1683  wegen  ihrer  großen 
Armut  die  Reichssteuer 
von  40  fl.  auf  1 1 fl.  herab- 
gesetzt wurde.  Daß  in 
dieser  kleinsten  aller  un- 
mittelbaren Reichsstädte, 
die  auf  der  schwäbischen  Bank  im  Reichstag  die  33.,  auf  dem  schwäbischen  Kreistag 
die  letzte  Stelle  einnahm,  jene  Zustände,  die  wir  in  Offenburg  geschildert  haben,  sich 
noch  viel  drückender  und  beengender  bemerklich  machten,  liegt  auf  der  Hand,  wie 
auch,  daß  in  seiner  Abgeschlossenheit  der  Ort  nicht  sehr  prosperieren  konnte,  so  daß 
Kolb  kurz  nach  dem  Übergang  an  Baden  schreiben  durfte:  »Den  Einwohnern  fehlet 
es  gänzlich  an  Commerz  und  anderen  hinlänglichen  Nahrungsquellen.«  Schon  in  der 
Mitte  des  18.  Jhs.  zählte  die  Stadt  nur  noch  253  Seelen,  die  über  2000  Bauern  geboten. 
Der  Mauerring  war  zu  weit  geworden,  die  Häuser  füllten  ihn  nicht  mehr  aus,  nicht  ein- 
mal die  Zwölfer  konnten  vollzählig  ernannt  werden.  Nur  ein  Handelszweig  blühte 
dort  etwas,  die  Fabrikation  von  Fayence  waren,  die  auch  heute  noch  existiert. 


Fig.  Jil.  Torturm  in  Zell. 


562 


KREIS  OFFENBURG. 


Anlage 

Befestigung 


In  der  Zeit  nach  der  Reformation,  von  welcher  sich  Zell  nur  wenig  berührt  zeigt, 
im  16.  bis  18.  Jh.  kamen  die  schon  angedeuteten  Kämpfe  mit  den  Selbständigkeits- 
bestrebungen der  verschiedenen  Bauerngemeinden  zum  Austrag.  Diese  waren  Untertanen 
der  Stadt,  ihre  Vögte  und  Geschworenen,  die  den  Jungen  Rat  bildeten,  und  von  den 
Bauern,  aber  nicht  aus  den  Bauern  gewählt  wurden,  hatten  bei  der  Abhör  der  Stadt- 
meisterrechnung und  anderen  wichtigen  Angelegenheiten  zugegen  zu  sein.  Mit  der 
Verarmung  der  Stadt  aber  war  die  Stellung  der  Bauern  eine  übermächtige  geworden; 
die  Krämer  und  Handwerker  waren  allmählich  zu  ihnen  in  eine  Art  Dienstbotenverhältnis 
getreten.  Nun  strebten  die  Bauern  danach,  sich  eine  völlige  Reichsfreiheit  zu  erwerben. 
1655  erklärten  sich  die  Nordracher  als  unabhängiges  Reichstal,  aber  wie  ich  in  der 
Geschichte  des  Orts  berichtet  habe,  ohne  Erfolg,  nach  dreizehnjährigem  Prozeß  vor  dem 
Kammergericht  mußten  sie  ihre  Ansprüche  aufgeben;  trotzdem  fehlte  es  auch  im  18.  Jh. 
noch  nicht  an  Revolten.  Besser  ging  es  den  Harmersbachern,  wir  haben  gesehen, 
wie  es  ihnen  gelang,  sich  selbständig  zu  machen,  und  nun  wußten  die  stolzen  Bauern  der 

Stadt  immer  neue  Schwierigkeiten  zu  bereiten,  bis  die- 
selbe durch  den  Anfall  an  Baden  endlich  erlöst  wurde. 

Von  der  Anlage  der  Stadt  und  ihrer  Befestigung 
gibt  der  Plan  (s.  Fig.  309)  nach  der  Katasterkarte  eine 
Anschauung.  Wie  ganz  selbstverständlich,  hat  sie  sich 
entlang  der  Talstraße  angesiedelt,  und  nur  wenige  unbe- 
deutende Straßen  lagen  neben  dieser  Hauptstraße.  Eine 
Aufnahme  in  Schmalkalders  Skizzenbuch  zeigt  uns  die 
Befestigung  (s.  Fig.  3 1 o),  die  wie  üblich  aus  einer  doppelten 
Mauer,  Graben  und  Zwinger  bestand.  Kolb  berichtet 
von  den  Fallbrücken,  den  drei  Toren,  hohen  Türmen  und 
einem  mit  steinernen  Platten  belegten  Gang  auf  der 
äußersten  Mauer,  also  einem  Wehrgang.  Von  den  Tor- 
türmen ist  uns  wenigstens  das  Bild  des  einen,  des  Unter- 
torturmes, in  einer  Weyß  er  sehen  Zeichnung  (s.  Fig.  311) 
auf  bewahrt:  es  war  der  übliche  quadratische  Turm,  dessen  Stockwerke  durch  gotische 
Gurtgesimse  voneinander  getrennt  waren,  mit  Satteldach  und  kleinern  Dachreiterchen 
nebst  Glocke.  Ein  kleiner  runder  Wendeltreppenturm  vermittelte  den  Aufstieg  zu  den 
verschiedenen  Stockwerken.  Von  hier  stammt  das  unten  verzeichnete  Zifferblatt. 

Erhalten  ist  noch  der  Storchenturm,  von  dem  ich  in  Fig.  312  eine  Abbildung  gebe. 
Der  Turm  ist  von  oblongem  Grundriß,  aus  Bruchsteinmauerwerk  mit  Sandsteinquadern 
an  den  Ecken,  im  obersten  Geschoß  Rundbogenfenster,  darüber  das  Satteldach  mit  dem 
an  den  Giebelseiten  vorkragenden  Abwalmdach.  Die  Giebelseiten  sind  im  Riegelbau 
ausgeführt.  Unter  den  Rundbogenfenstern  nach  Norden  und  Westen  in  flachem  Relief 
der  Reichsadler,  darüber  im  Norden  die  Jahreszahl  1599.  Daß  wir  es  hier  nicht  mit 
einem  Torturm  zu  tun  haben,  zeigt  der  Schmalkaldersche  Plan.  Nur  ein  kleiner  Durch- 
gang führte  hier  aus  der  Stadtmauer,  das  Batzenloch  genannt.  Das  Turminnere  diente 
zu  Gefängniszwecken.  Im  ersten  Obergeschoß  finden  wir  ein  Blockgefangnis  aus  Holz 
mit  Eisenbändern,  das  zwei  kleine  Zellen  enthält.  Neben  dem  Turm  eingemauert  das 
steinerne  Blatt  einer  Sonnenuhr  mit  Ziffern  aus  dem  16.  Jh.,  leider  so  der  Beschädigung 
sehr  ausgesetzt. 


Fig.  31 2.  Einziger  noch  erhaltener 
Turm  in  Zell  a.  H. 


I'ig.  jog.  Plan  der  Stadt  Zell  mit  eingezeichneten  Spuren  der  alten  Befestigung. 


JVbrct 


Ze//  ctJ/e  /Zn/s/w, s/j/k/? 


nach  dem  Staat!.  Katastern'erlC  anjefcrtigt, 
das  den  StacUptan  aus  dem Jahre  IfSrgeyt. 


Band  VII.  Zu  Seite  562. 


AMT  OFFENBURG.  — ZELL. 


563 


Ein  kleiner  runder  Turm  von  der  Südostecke  der  Mauer  ist  noch  erhalten,  er 
gehört  dem  Gasthaus  »Zum  Hirsch«.  Der  aus  Bruchsteinmauerwerk  errichtete  Turm 
mit  spitzem  Kegelschieferdach  ist,  wie  ersichtlich,  im  18.  Jh.  zu  Wohnzwecken  mit 
Fenstern  versehen  worden  (s.  Fig.  313).  Eine  im  Erdgeschoß  nach  der  Stadtseite 
erhaltene,  im  stumpfen  Winkel  gebrochene  Mauer  könnte  darauf  deuten,  daß  er  ur- 
sprünglich polygonale  Grundform  hatte.  In  ihr  eine  zugemauerte  Rundbogenöffnung 
und  der  Rest  eines  Schlußsteins.  An  der  Außenseite  das  Stadtwappen. 

Noch  ist  der  Zug  des  ehemaligen  Grabens  gut  erkenntlich ; auch  sind  kleine  Reste 
der  Stadtmauer  noch  erhalten;  wir  sehen  auf  unserem  Plan,  wie  sie  in  unregelmäßigem 


fM  Ser  Äffend  WS' 


Sleinfniesi 

tffcfofioajijpöb 

fijn.  Turm  *■' 


Orr  öurrh  jBrarib  u-fi-w-o4.^scljnl)igl^ 
Gu'rm  mit' nadj^ Jtjuairfl  ' 


&■' 

ein^emouerftr 


fnluMteui^ 


Fig.  SIS-  Turm  von  der  Südostecke  der  Stadtbefestigung  von  Zell  a.  H. 


Zuge  die  Stadt  umgab.  Im  Südosten  öffnete  sie  sich  in  dem  oben  abgebildeten,  heute 
abgebrochenen  Untertorturm,  nach  Norden  im  ehemaligen  Kirchtor,  nach  Osten  im 
Obertorturm,  während  den  südlichen  Ausgang  der  noch  stehende  Storchenturm  bildete. 
Reste  der  Mauer  mit  Wehrgang  sind  noch  bei  dem  obenerwähnten  runden  Turm,  in  der 
hinteren  Kirchstraße,  bei  Küfer  Adrian  Schneider  Nr.  78,  sowie  hinter  dem  Gasthaus  »Zum 
Raben«  und  dem  Haus  des  Mechanikers  Haas  in  der  Hauptstraße  (s.  Fig.  314)  erhalten. 
Die  Mauer  war  1,20 — -1,25  m stark,  aus  Bruchsteinen  errichtet,  teilweise  durch  Strebe- 
pfeiler verstärkt,  an  deren  Ecken  etwas  sauberer  behauene  Quader  sich  zeigen.  In  ihrem 
oberen  Teil  war  ein  1 m breiter  Platz  für  den  Wehrgang  ausgespart,  dessen  Plattenboden 
auf  steinernen  Konsolen  vorkragte.  Das  Satteldach  des  Wehrgangs  war  in  jeweils  4 m 
Entfernung  von  hölzernen  Stützen  getragen  mit  Strebhölzern,  auf  jede  solche  Abteilung 
kam  eine  Schießscharte,  eine  viereckige,  sich  nach  vorn  verkleinernde  Öffnung  (s.  Fig.  315). 


564 


KREIS  OFFENBURG. 


So  wie  die  Befestigung  im  vorstehenden  geschildert  worden,  zeigt  sie  auch  ein 
Plan  in  den  Akten  der  Stadt  Zell,  im  Großh.  Generallandesarchiv  (dort  unter  Zell, 
Bausachen)  aufbewahrt,  der  indes  sehr  oberflächlich  ist.  Er  gibt  neben  den  Stadt- 
toren außer  dem  noch  stehenden  runden  Turm  drei  weitere  ähnliche  an,  die  in  unserem 
Plane,  da  ihre  Stelle  nicht  feststeht,  nicht  eingezeichnet  wurden.  Daß  die  Angabe  auch 
nicht  exakt  ist,  zeigt  der  Schmalkaldersche  Plan.  Hier  sind  es  polygonale,  nach  innen 
jedenfalls  offene  Türme  bezw.  Schanzen.  Blockhäuser  von  Holz,  wie  er  es  nennt,  welche 
die  Wehrhaftigkeit  der  Mauer  erhöhten,  und  nur  in  der  Südostecke  ist  der  heute  noch 
erhaltene  Rundturm  zu  sehen. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Symphorianum) : Als  Pfarrkirche  1206  genannt;  damals 
verleiht  der  Bischof  Heinrich  von  Straßburg  dem  Kloster  Gengenbach  das  Recht,  in  den 


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Fig.  314.  Zell  a.  H.  Reste  der  ehemaligen  Stadtbefestigung. 

dem  Gotteshaus  vereinten  Pfarrkirchen  Zell,  Harmersbach  und  Griesheim  Mönche  des 
Klosters  als  Pfarrer  einzusetzen  oder  auch  Weltgeistliche  als  Vikare.  1220  hören  wir 
von  einem  plebanus,  1233  von  einem  Bertholdus  archipresbiter  de  Zella,  1248  von 
einem  Cünradus  rector,  und  1261  von  einem  viceplebanus.  1361  wird  die  Pfarrei  durch 
den  Bischof  Johann  von  Straßburg  dem  Kloster  inkorporiert.  1666  heißt  es  in  einem 
Visitationsprotokoll : »huius  parrochialis  ecclesiae  patronus  coeli  est  s.  Symphorianus, 
terrenus  vero  decimator  et  collator  abbas  Gengenbacensis ; habet  capellas  tres,  unam 
in  Gambach  divae  virgini  sacra  (Wallfahrtskirche  Maria  zu  den  Ketten),  secundam 
s.  Michaelis  archangeli  in  Kürnbach,  tertiam  in  Enterspach ; animas  regendas  habet 
800  circiter«.  Zehnt  und  Kollatur  blieben  bis  zu  der  Auflösung  des  Klosters  bei 
diesem. 


AMT  OFFENBURG.  — ZELL. 


565 


Von  Baunachrichten  ist  bisher  nur  die  publiziert,  daß  das  Kloster  1721  zur  Verlängerung 
der  Zeller  Pfarrkirche  und  zur  Erbauung  eines  steinernen  Kirchturmes  ad  calcem  ecclesiae  (statt  des 
aufm  Chor  gestandenen,  ruinösen,  holtzemen  Glockenturms)  200  fl.  zusteuerte.  »Die  Turmkosten, 
auf  1500  fl.  taxiert,  stiegen  auf  mehr  als  das  Doppelte,  darum  wollten  die  Zeller  die  unteren 
Ilarmersbacher  zu  einem  Beitrag  veranlassen:  die  wehrten  sich  und  es  kam  zwischen  Zell  und 
Harmersbach  zu  einem  Prozeß  (1724  bis  1726).  Auch  das  Gotteshaus  sollte  noch  weitere  200  fl. 
beisteuern.  Der  Abt  verstand  sich  zu  160  fl.  und  zu  dem  Versprechen,  in  Zukunft  einen  »nachbar- 
lichen« Beitrag  zu  leisten.  Gegen  den  Ausdruck  »nachbarlich«  wollten  die  Städter  protestieren«, 
worauf  man  von  seiten  des  Gotteshauses  sich  zu  gar  nichts  mehr  verstand.1)  — Die  Notiz  ist,  wie 
alle  derartigen  Nachrichten,  in  ihrem  ersten  Teil  über  den  existierenden  Turm  nicht  gerade  wörtlich 
zu  nehmen. 


Fig.  jsj-  7, eil  a.  H.  Reste  der  alten  Stadtmauer  mit  Wehrgang. 


Die  heutige  Kirche  ist  ein  Bau  des  späten  18.  Jhs. : ein  einschiffiges  Langhaus  mit 
sich  in  der  gleichen  Breite  anschließendem,  geradgeschlossenem  Chor.  Ihr  Äußeres  er- 
fährt seine  Gliederung  durch  dorisierende  Pilaster,  die  das  Gebälk  tragen,  und  die  hohen 
Rundbogenfenster  zwischen  ihnen.  An  der  nördlichen  Langhausseite  ein  geradsturziges 
Portal,  ein  gleiches  an  der  Ostfassade,  darüber  der  große  Giebel.  Das  charakteristische 
Hauptportal  befindet  sich  in  der  südlichen  Langhausseite : Pilaster  tragen  einen  eckigen 
Volutengiebel,  in  dem  das  Auge  Gottes  angebracht  ist  und  die  Inschrift: 

V en\te  olAnes 
^XVL täte  I n Deo 
et  W bW^ate  e\ 

I//  a\La  sanCta  dV.v 
(also  1792). 

*)  Baumgarten,  Aus  dem  Gengenbacher  Klosterleben,  Z.  NF.  9,  S.  243/44. 


Bau- 

beschreibung 


566 


KREIS  OFFENBURG. 


Altäre 

Kanzel 

Glocken 

Turm 


Sakristei 

Urkunden 

Kirchengeräte 


An  dem  Eckpilaster  der  Ostfassade  eingehauen  eine  weitere  Inschrift: 

Hae C A~VLa  \n\  Tr\noq\e  Deo 
sW b InVoCatlone  säCtl  patronl  nostrl 
QonfeCrata  eft  \oanne  laCobo  EplsCopo 
Dorenfl  sVffrganeo  arget\nenf\ 

(also  ebenfalls  1792). 

An  der  Langhausecke  beim  Turm  die  weitere  Inschrift: 

In  praesentla  Praetorls  . sphüer 
et  N\.ag\ftrat\ s ^VIVj'  \rb\s 
beneDlQfVs  eft 
Lap\s  h\c  pof\tVs 

(also  1789  wurde  der  Grundstein  gelegt). 

Im  Innern  tragen  Pilaster  ein  Spiegelgewölbe  mit  tief  einschneidenden  Kappen. 
Auf  den  Pilastern  Urnen  in  Stuck,  im  gleichen  Material  die  fast  noch  rocailleartigen 
Umrahmungen  der  Bilder,  letztere  stellen  Scenen  aus  dem  Leben  Jesu  und  Mose  dar, 
dazu  die  Evangelisten  und  eine  Anzahl  Symbole,  darunter  Pelikan  und  Einhorn.  Im 
Chor  zieht  sich  eine  Empore  herum  mit  reichgeschnitztem  hölzernen  Rocaillegitter,  auf 
der  eine  Orgel  mit  Schnitzerei  im  gleichen  Stil  steht,  wie  überhaupt  diese  Mischung  von 
ausgeprägtem  Zopf  mit  spätem  Rocaille  die  Signatur  der  Kirche  bildet.  Auch  an  den 
Rundbogenfenstem  in  den  Laibungen  noch  Rocailleornamente,  an  den  Kappen  in  gut 
gezeichneten  Ranken  verschiedene  Symbole:  Buch,  siebenarmiger  Leuchter  etc. 

Der  Hochaltar  umschließt  in  sehr  gutem  Louis  XVI.- Rahmen  ein  Ölgemälde  mit 
der  Darstellung  des  h.  Symphorian,  einer  tüchtigen  Durchschnittsleistung  dieser  Zeit;  in 
gleichem  Stil  die  Seitenaltäre,  auf  deren  einem  ein  Gemälde  des  h.  Sebastian,  auf  dem 
andern  Vision  des  h.  Bernhard.  Ebenso  behandelt  die  Kanzel.  — Am  Triumphbogen 
holzgeschnitztes  Kruzifix  des  18.  Jhs.,  mittlere  Arbeit. 

Die  Glocken  sind  alle  im  19.  Jh.  umgegossen  worden. 

Im  Westen  ist  die  Kirche  an  den  älteren  Turm  angebaut.  Derselbe  ist  von 
quadratischem  Grundriß,  die  einzelnen  Stockwerke  durch  Wasserschrägen  abgeteilt,  das 
oberste  offenbar  eine  Erneuerung  des  18.  Jhs.  In  seinem  Erdgeschoß  öffnet  er  sich  in 
großem  Rundbogen  mit  hohlgekehltem  Gewände  nach  Norden,  Süden,  wie  nach  Osten 
in  die  Kirche.  An  der  Südseite,  halb  durch  einen  Treppenanbau  verdeckt,  die  Inschrift : 
ANNO  J722  • DEN  . . IZ  IVNJ  DISE  . . 

GEMA 

An  dem  Bogen  die  Zeichen:  _|  |.  Auf  der  anderen  Seite  ebenfalls:  anno  1722. 

Nach  allem  dürfte  der  Turm  ein  älterer  Rest  sein,  der  zur  Zeit  der  obenan- 
gegebenen Baunachricht,  mit  der  die  Inschrift  insofern  stimmt,  überarbeitet  und  erhöht, 
aber  nicht  ganz  neu  gebaut  wurde.  Das  alte  Langhaus  blieb  einstweilen  noch  stehen, 
1789  begann  der  Umbau,  der  1792  im  wesentlichen  vollendet  war. 

In  der  Sakristei  bezw.  im  Pfarrhaus  einige  Urkunden  und  eine  Anzahl  Kirchen- 
geräte. Unter  den  Urkunden  eine  solche  von  1692,  wonach  am  30.  September 
Abt  Placidus  einen  Altar  geweiht  hat:  in  honorem  SS.  Joachim,  Zachariae,  Annae, 
Elisabethae  etc.  Pfarrblicher,  begonnen  1654,  in  denen  die  bei  den  Kirchen  in  Unter- 
harmersbach citierten  Angaben  über  deren  Gründung  etc.  verzeichnet  sind. 


AMT  OFFENBURG.  — ZELL. 


567 


Eine  große  Sonnenmonstranz,  silbergetrieben  und  vergoldet,  mit  Engelsköpfen  an 
Fuß  und  Nodus,  an  den  Strahlen  Madonna  und  Heilige,  Augsburger  Zeichen  und  AM, 
Dutzendarbeit  des  18.  Jhs.;  Weihrauchkessel,  silbergetrieben,  mit  flauem  Rocailleornament, 

FI* 

Augsburger  Zeichen,  darunter  I und  r ; Weihrauchschiffchen,  silbergetrieben,  in  be- 

^ F l 

wegtem  Rocaillestil,  Augsburger  Zeichen,  darunter  I und  g . Einige  Kronen  und  ein 
Scepter,  die  zum  Schmuck  von  Madonnenbildern  dienten,  18.  Jh.  Kelch,  silbergetrieben, 
vergoldet,  mit  Rocailleornament,  zweite  Hälfte  18.  Jhs.,  Augsburger  Zeichen  und  ein 


zweiter,  ähnlicher,  kupfergetrieben,  mit  Augsburger  Zeichen  und  ICB;  ein  dritter  im 
gleichen  Stile,  Augsburger  Zeichen,  darunter  G und  M ; ein  vierter  mit  äußerst  belebtem 
Rocaillekontur,  silbergetrieben,  vergoldet,  Augsburger  Zeichen,  darunter  L und  ^ g ; ein 


fünfter  in  den  einfachen  und  steifen  Formen  des  späten  18.  Jhs.;  ein  Wettersegen,  silber- 
getrieben, vergoldet  und  graviert,  zweite  Hälfte  des  18.  Jhs.  An  Gewändern  zu  nennen 
eine  rote  Casel  mit  allem  Zubehör,  rote  Seide  mit  buntseidener  Stickerei,  eine  weiße  mit 
Hochstickerei  in  Gold  und  Silber,  aus  der  Mitte  des  18.  Jhs. 

Auf  dem  Friedhof  \ zu  dem  zwei  von  Pilastern  mit  verkröpftem  Gebälk  flankierte 
Tore  führen,  eine  Anzahl  alter  Grabsteine,  teilweise  sehr  verwittert,  so  einer  von  1575  mit 


verschiedenen  Wappen  und  dem  Zeichen : 


ein  weiterer,  ähnlicher  mit  Allianzwappen 


(Meyershofen?),  verwitterter  Unterschrift,  unten  weiteren  verwitterten  Wappen  und  dem 


Zeichen: 


Ein  dritter  mit  dem  Wappen:  geflügelter  Greif  mit  zwei  Ähren  in  den 


Pranken,  im  Schild,  auf  dem  Helm  als  Kleinod  die  Ähren.  Darunter  die  Inschrift: 


BEGRÄBNUS 
DES  WOHLEDEL  . . . 
GEBOHRNEN  GESTR  . . . 
HERREN  ANDREAE  S . . . 
ELEONORE  SANDH  . . 
UND  DEREN  : KINDER  . . 
WELCHEN  GOTT  GNAD 


Das  Ganze  von  Pilastern  flankiert,  welche  einen  Dreieckgiebel  tragen,  an  dem  steht 
1693.  Ein  vierter  Grabstein:  in  einem  ovalen  Kranz  Engel  und  Totenkopf,  darüber 
Wappen,  vierfach  geteilter  Schild:  1.  drei  Lilien,  2.  drei  Rosen  aus  einem  Berg  wachsend, 
3.  desgleichen,  4.  springender  Löwe ; verwitterte  Inschrift  (Theresia  Domblüth).  Der 
fünfte  mit  ähnlichen  Emblemen  und  Wappen  des  Joannis  Blasii  Dornblüth  ex  Gengen- 
bacensi  Praetore  nati  scultiveto  Reipublicae  Zellensis  *j*  1753.  Beim  sechsten,  wie  bei 
dem  dritten,  das  Mittelfeld  von  Pilastern  flankiert,  die  einen  Dreieckgiebel  tragen,  Wappen, 
längsgeteilter  Schild,  rechts  ein  Bogen,  links  drei  Sterne,  Helmkleinod,  ein  gewappneter 
Mann  mit  Rosen,  die  Inschrift  lautet : 

DEN  5ten  MARTH  ANO  1692  STARBE  SEEL.  DIE  WOHLEDLE 
GESTRENGE  FR AW  • MARIA  ELISABETHA  SENWIGIN 
DES  WOHLEDLEN  GESTRENGEN  HERREN  JOHANN  MEYENHOFERS 
DES  HOCHLÖB:  SCHWÄB  KRAYS  ES  OBER  KRIEGSCOMISS 


Friedhof 

Grabsteine 


Band  VII. 


37 


568 


KREIS  OFFENBURG. 


Rathaus 

lasgemiilde 


Am  siebten  Stein  wieder  das  Wappen  der  Meyershofen,  dreigeteilt,  rechts  ein  Adler, 
links  springender  Löwe  oder  Greif  mit  drei  Ähren  in  den  Pranken,  unten  Pfauenkopf. 
Echter  Barockaufbau  mit  Sarkophag,  Putten,  Vorhang  und  Todesemblemen. 

In  dem  Saal  des  jetzigen  neuen  Rathauses  sind  zwölf  Glasgemälde  aus  dem  schon 
vor  einigen  Jahrzehnten  abgebrochenen  alten  wieder  angebracht: 

1.  Oberteil  eines  rotgekleideten  Mannes  in  einer  von  Balustersäulchen  getragenen 
Nische,  darunter  eingeflickt  eine  ursprünglich  nicht  dazugehörige  Genrescene  in  Weiß 
und  Gelb,  weiter  unten  die  Unterschrift: 

ijmrijt  orttenöero 

i h 4 7- 

2.  Ein  Gepanzerter  mit  Schwert  und  rotem  Wappenschild,  worin  ein  Fisch  und 
vier  Steine,  flankiert  von  zwei  Pilastern,  darüber  eine  sehr  zerstörte  Landsknechtsscene, 
unten  steht: 

Thia  gcrirfjt  ^tainartj 

i 5 4 7- 

3.  In  blauer  Stahlrüstung  ein  Mann  mit  gelber  Fahne,  in  der  ein  roter  Wolfshaken. 
Pfeiler  mit  Balustersäulchen  tragen  einen  Bogen  mit  Rankenwerk,  Füllhörnern,  kämpfenden 
Tritonen  und  einer  Tafel,  auf  der  steht: 

ANNO  DOMINI 
• I • 5 • 4 • 7 • Cr 

(wohl  das  Wolfacher  Wappen). 

4.  Zwei  Männer  in  stahlblauer  Rüstung  halten  den  Schild,  worin  auf  gelbem  Grund 
zwei  schwarze  Hörner  auf  schwarzem  Dreiberg.  Pilaster,  an  deren  Sockel  das  württem- 
bergische  Wappen,  tragen  den  sich  über  den  Männern  wölbenden  Flachbogen,  an 
welchem  steht: 

tjornlicrg  1 ■ 5 • 4 • 8 ■ 

5-  Grüne  Pilaster  mit  Renaissancefüllungen  und  rotem  Aufsatz  tragen  Flachbogen, 
über  dem  in  Chromsilber  und  Gelb  musizierende  Engel  unten.  In  der  Nische  auf 
blauem  Grunde  drei  goldene  Korbhelme,  der  eine  mit  rotem  Flug,  silbergebändert,  der 
zweite  mit  einem  silbernen  und  einem  roten  Horn,  der  dritte  mit  der  Halbfigur  einer 
Frau  mit  Blumen  und  Spiegel,  darunter  steht: 

Crafßniuö  hon  gots  • gnüb  bifiljouc 
5ti  • «jtraßburg  • lanbtgr.iUc  • 511  • 

6.  Sehr  zerstört:  Rosa  Pilaster  mit  Renaissancefüllungen,  auf  ihnen  Putten.  Unter 
dem  Bogen  Unterteil  einer  thronenden  Figur  (Oberteil  zerstört,  wohl  Madonna),  rechts 
und  links  knieen  je  ein  h.  Abt  und  ein  König  und  bringen  Kirchengebäude  dar,  links 
deutlich  erkennbar  zwei  romanische  Kirchen  mit  Vierungsturm,  die  eine  mit  Bogenfries 
(wie  er  in  Schlittern  existierte),  dazu  drei  Wappen,  das  eine:  drei  goldene  schreitende 
Löwen  in  Rot,  das  zweite : ein  Zeichen  gleich  einer  römischen  I,  in  Silber  und  Rot  quer- 
geteiltem  Schild,  das  dritte:  der  schwarze  Doppeladler  in  Gold.  Unten  steht  auf 
einer  Rolle: 

R VDOLFVS  GARB  ABBA  . 

IN  SCH  VTTERN  15  . . 

7.  Zwei  braunrote  Säulen  mit  Maskaronschmuck,  darüber  im  Bogen  hübsche 
Bären-  und  Wildschweinjagd.  Unter  dem  Bogen  stark  zerstörte  und  zusammen- 


AMT  OFFENBURG.  — ZELL. 


569 


gestückelte  Reste  des  geroldseckischen  Wappens:  ein  gelbes  Querband  in  rotem  Felde 
und  die  Unterschrift: 

üMtljer  fjer  5Ü  i^afjengerofts 
fccft  unb  ^§uit5  l 1547  l 

8.  Von  zwei  stark  zerstörten  und  geflickten  gewappneten  Männern  wird  das  fürsten- 
bergische  Wappen  gehalten,  flankiert  von  zwei  Renaissancesäulen,  darunter  steht: 

JMfjdm  grabe  511  tfürftenberg 
(anbgraff  311  bare  1 1047  1 

Die  Scheibe  war,  wie  auch  die  drei  vorhergehenden,  früher  höher  und  ist,  wie 
diese,  roh  verkürzt  worden. 

9.  Grüne  und  rote  Balustersäulen  tragen  flachen  Bogen,  in  den  Ecken  kleine  Ver- 
kündigung, im  Mittelfelde  das  Wappen,  roter  Balken  schräglinks  in  Silber,  Helmkleinod, 
weißer  Flug,  rotgebändert.  Unterschrift: 

ftatt  • ^traöburg  • 

1 • 5 • 4 • 7 • 

10.  Ein  bärtiger  Mann  in  reicher  Bürgertracht  mit  Schlapphut  und  Degen  hält 
das  Wappen,  in  rotem  Felde  ein  Besen,  Helmkleinod,  oben  eingeflickt,  der  Pfauenkopf 
mit  den  drei  Besen.  Von  gelb  und  blauen  Säulen  flankiert  darüber  in  Chromsilber  und 
Gelb  eine  Hasenjagd.  Unterschrift: 

15  51 

3iacab  bau  43rcbercn 
3Ü  • %ti\  am  ^arnicrbpadj 

ix.  Rotgekleideter  Landsknecht  mit  Schwert  hält  das  Gengenbacher  Wappen,  im 
Hintergrund  die  Stadt  mit  Fluß  und  Bäumen.  Säulen  mit  goldenen  Kapitellen  flankieren 
das  Mittelfeld,  sie  trugen  ehemals  einen  Flachbogen,  an  dessen  Stelle  jetzt  andere  alte 
Stücke  eingeflickt  sind.  Unterschrift: 

3Dic  £tat  gengcnöarfj 

1 2.  Ein  prächtiger  Mann  in  stahlblauer  Rüstung  mit  gelbem  Bandelier,  den  Marschall- 
stab in  die  Seite  gestemmt,  steht  breitspurig  da,  hinter  ihm  eine  Balustrade  mit  einer 
Blumenvase,  neben  ihm  das  Wappen,  der  schwarze  Adler  in  goldenem  Felde.  Blaue 
Balustersäulen  auf  roten  Sockeln  flankieren  ihn  und  tragen  gerades  Gebälk,  unten  steht 
in  grüner  Kartusche : 

»Die  ^tatt  %t\i  am 
Qarmcripaif)  • 1595  • 

Dies  Gemälde  (Tafel  XX)  ist  also  bedeutend  später  als  die  vorhergehenden. 

Die  Scheiben  sind  jetzt  (nicht  ursprünglich)  32 — 38  cm  hoch  und  23  — 29  cm  breit. 

In  dem  Saal  noch  einige  Gemälde:  ein  Kruzifixus  mit  Maria,  geringe  Arbeit  vom 
Ende  des  17.  Jhs.,  sowie  ein  Christus  vor  Pilatus  von  gleicher  Qualität,  bezeichnet 
A.  Gänshirth  1700,  zwei  Porträts  von  Herren  von  Grebern,  Durchschnittsarbeit  des  1 7.  Jhs. 

An  einer  Hintertüre  des  Rathauses  noch  in  Relief  eingemauert  das  alte  Stadt- 
wappen mit  der  Jahreszahl : 1 1 5 l p l +. 

Hinter  dem  Kanzleigebäude  ein  altes  Trottengebäude  von  1727;  im  Schuppen 
hinter  dem  Rathaus,  jetzt,  wie  ich  höre,  vor  dem  Storchenturm  aufgestellt,  vier  Kanonen 
des  17.  Jhs.,  mit  Rosetten-  und  Palmettenverzicrung. 


Gemälde 


Stadtwappen 


Kanonen 


37 


57o 


KREIS  OFFENBURG. 


Feuerspritzen 


Brunnen 


Kruzifixus 


Ortsgescliichte 


Riegelhäuser 


Das  Kanzleigebäude  ist  ein  Bau  des  18.  Jhs.  mit  französischem  Mansardendach, 
über  der  Tür  in  Rocailleumrahmung  das  Zeller  Wappen  (der  schwarze  Adler)  und  die 
Jahreszahl  1760. 

In  den  Remisen  des  Rathauses  und  der  Kanzlei  werden  verschiedene  schöne, 
bemalte,  ältere  Feuerspritzen  aus  dem  18.  Jh.  aufbewahrt. 

Vor  dem  Brand  standen  in  Zell  noch  eine  stattliche  Anzahl  Fachwerkhäuser, 
worunter  einige  hervorragende. 

In  der  Hauptstraße  Brunnen:  achteckiges  Bassin  mit  drei  bärtigen  Maskarons 
als  Ausguß  und  dem  Stadtwappen,  Kompositkapitell,  auf  dem  eine  Muschelschale  steht. 

Am  Eingang  der  Stadt  vom  Kinzigtal  her  großer  derber  Kruzifixus  auf  üblichem 
dekorativen  Volutensockel  mit  Rocailleomament  von  1759  (Sandstein).  An  der  Straße 
nach  Nordrach  ein  ähnlicher  aus  gleichem  Material,  mit  der  Madonna  am  Kreuzes- 
stamm. 

In  der  Vorstadt  von  Zell  existierte  schon  im  18.  Jh.  eine  Fayencefabrikation.  Im 
19.  Jh.  und  in  unserer  Zeit  blühte  diese  neu  auf;  siehe  darüber  Badische  Gewerbe- 
zeitung 1869,  S.  42.  Von  altem  Zeller  Geschirr  ist  eine  Anzahl  in  den  Großh.  Samm- 
lungen für  Altertums-  und  Völkerkunde  erhalten  unter  den  Nummern:  C.  6333,  6354, 
6717/18,  7936/37,  8427  und  8686. 


ZELL-WEIHERBACH 


Schreibweisen:  locus  dictus  Celle  1242;  Celle  1289;  Zelle  prope  Offenburg  1400; 
Zeller  stab  Orttenberger  gerichts  1597 ; curia  monasterii  Gengenbacensis  Weyersbach 
1235;  rivus  dictus  Wigerbach  1242;  villa  Wygersbach  1289;  Wygerbach  parrochie  opidi 
Offenburg  1447. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  hist.  Kommission  Nr.  17  (1895),  S.  50. 

Ortsgescliichte:  Beide  Orte  gehörten  zur  Landvogtei  Ortenau.  Zell  bildete  mit 
Weingarten  und  Riedle  den  Zeller  Stab.  1458  wird  ein  »Kolbenzell«  als  Filiale  von 
Weingarten  genannt.  In  Weiherbach  war  das  Kloster  Gengenbach  begütert,  wir  hörten 
schon  oben  von  seiner  curia  im  13.  Jh.,  1367  hören  wir  wieder  »vor  dem  dorf  zu  Zelle 
an  des  closters  hof  zu  Gengenbach«,  1469:  »in  dem  Wigerbach  uf  des  apts  gütes«, 
1698:  »des  gottshauß  Gengenbach  abbtshof  im  Weyerbach«.  Eingepfarrt  war  Zell- 
Weiherbach  nach  Offenburg,  bis  (s.  oben)  die  Wallfahrtskirche  in  Weingarten  zur  Pfarrei 
erhoben  wurde.  Wie  aus  allem  hervorgeht,  war  Zell  der  eigentliche  Ort,  neben  dem 
nur  am  Weiherbach  der  Klosterhof  und  andere  Ansiedelungen  existierten.  1805  wurde 
Zell-Weiherbach  badisch. 

In  beiden  Orten  eine  Anzahl  Riegelhäuser , teilweise  leider  verputzt;  ich  hebe 
aus  ihnen  das  Haus  Nr.  91  des  Xaver  Busam  hervor  mit  einem  sehr  malerisch  wirkenden 
Dachvorbau  auf  gebauchten  Holzsäulen.  Dies  sowohl  wie  alle  anderen  Fachwerkhäuser 
des  Orts  sollten  im  gesamten  Interesse  der  Gegend  erhalten  werden.  Bei  dem  erst- 
genannten Haus  auch  ein  alter  Ziehbrunnen,  in  beiden  Ortschaften  sind  deren  noch  eine 
Anzahl  erhalten,  so  auch  im  Riedle. 

Am  Gasthaus  »Zur  Sonne«  trefflicher  schmiedeeiserner  Wirtshausschild 
von  1 8 1 1 . 


Wirtshausschild 


AMT  OFFENBURG.  — ZUNSWEIER. 


571 


An  dem  Weg  von  Riedle  nach  Ofifenburg  ein  Bildstock  noch  mit  dem  Nachklang 
gotischen  Aufbaues,  ein  weiterer  aus  dem  18.  Jh.  am  Weg  von  Weiherbach  nach  Dur- 
bach, in  Weiherbach  am  Haus  Nr.  53  eingemauert  Bildstock  von  1766. 

Am  Weg  von  Rammersweier  nach  Ofifenburg  kleine  Kapelle  des  18.  Jhs.  Im  Kapelle 
Innern  drei  Holzstatuen,  zwei  davon,  ein  h.  Kaiser  und  ein  Schmerzensmann,  halb- 
lebensgroß, Durchschnittsarbeiten  des  16.  Jhs.,  die  dritte  eine  knieende  Maria  aus 
dem  1 8.  Jh. 

ZUNSWEIER 

Schreibweisen:  Sinswiler  1016  (Fälschung);  Zunswilre  1136;  Zinßweyler  1230; 

Zunswilre  1240;  Zunßwiller  1277;  Zunswiler  14.  Jh.;  ze  Zunswilr  dem  dorfe  1377; 

Czunswiller  1384;  dorff  Zunßwyr  1543.  (Weiler  des  Sinzo?) 

Literatur:  Ruppe rt,  Gesch.  der  Mortenau  I,  S.  466. 

Ortsgeschichte : Obgleich  die  betreffenden  Urkunden  des  9.  und  11.  Jhs.  sich  als  Ortsgeschichte 
Fälschungen  erwiesen  haben,  scheint  die  Tatsache,  daß  in  Zunsweier  das  Kloster  Schuttern 
früh  begütert  war,  unbestreitbar  zu  sein.  Grund  und  Boden,  Gericht  und  Steuer  gehörten 
zu  Geroldseck  und  kamen  bei  der  Teilung  dieser  Herrschaft  1277  auf  den  Anteil  Graf 
Heinrichs  von  Geroldseck -Veldenz.  Die  Landeshoheit  über  einen  Teil  des  Ortes  gehörte 
der  Landvogtei  Ortenau;  wie  das  kam,  wissen  wir  nicht  zu  sagen.  1436  bis  1522  hatten 
die  Geroldsecker  das  Dorf  an  die  Böcklin  verpfändet.  Nach  der  Lösung  1522  wurden 
in  einem  Vertrag  mit  den  Amtleuten  zu  Ortenberg  die  beiderseitigen  Rechte  festgelegt. 

Das  Kloster  Schuttern  besaß  einen  Fronhof  mit  eigenem  Dinggericht  und  einen  Widemhof: 
wir  hören  von  »des  gotshüs  zu  Schütter  dinghof  ze  Zunswilre«  1330,  von  dem  »hoft 
zu  Zunßwilr,  so  man  nennet  Suselmannshoff«  1457.  Außerdem  besaß  das  Kloster 
Gengenbach  hier  einen  Hof,  der  schon  1288  erwähnt  wird.  — 1805  wurde  Zuns- 
weier badisch. 

Römisches.  Im  Gewann  »auf  der  Mauer«  und  nordwestlich  vom  Ort  findet  sich  Römisches 
— wahrscheinlich  römisches  — Mauerwerk.  (Die  Sage  geht,  es  habe  dort  früher  ein 
Schloß  gestanden.)  (Mitteilung  von  Prof.  Schumacher  1898.)  (W.) 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Sixtum):  Bereits  1136  wird  »Zunswilre  cum  ecclesia«  er- Kath. Pfarrkirche 
wähnt,  1328  »ecclesia  parrochialis  Zinswillerana«,  »parrochia  ville  Zunswilre«  1364, 

Zunsweihr:  »huius  patronus  coeli  s.  Sixtus;  collator  et  decimator  d.  praelatus  Schutte- 
ranus;  animas  regendas  habet  universim«  ca.  126;  »ad  hanc  spectat  filialis  Berghaupt, 
quae  modo  destructa  est«  1466. 

Ein  »decanus«  wird  1233,  ein  »Stephan  Morlin,  lütpriester  zu  Zunßwilr«  1419 
genannt,  1464  ein  »rector  seu  perpetuus  vicarius  in  Zunßwiler«. 

Patronat  und  Zehnt  gehörten  dem  Kloster  Schuttern.  1325  erlaubte  Papst 
Johann  XXII.  demselben,  die  Pfarrei  zu  inkorporieren,  Bischof  Johann  von  Straßburg 
bestimmte  den  Bezug  eines  Vikars,  der  ein  Weltgeistlicher  sein  mußte. 

Der  heutige  Bau  stammt  von  1743;  wie  weit  dabei  die  Fundamente  des  alten 
benutzt  wurden,  läßt  sich  nicht  mehr  genau  feststellen,  für  eine  Benutzung  spricht  wohl 
der  Chorgrundriß.  Ein  einschiffiges  Langhaus  mit  Stuckspiegelgewölbe,  der  oblonge 
Chor  mit  Achteckschluß  hat  aus  gleichem  Material  ein  Gratgewölbe.  An  der  Eingangs- 
wand des  Langhauses  eine  Empore,  an  der  Unterfläche  derselben  ein  Gemälde  des  Deckengemälde 


572 


KREIS  OFFENBURG. 


Altäre 

Ölgemälde 


Beichtstühle 


Äußeres 


Kirchengeräte 


Riegelhäuser 


Kruzifix 


brennenden  Dornbusches,  an  der  Decke  des  Langhauses  in  großem  Oval  ein  Bild  der 
Übergabe  der  Schlüssel,  bezeichnet:  Ex  sump.  Phil.  Jac.  Waidele  C.  P.  1783.  Am  Chor- 
gewölbe die  vier  Kirchenväter;  gute  Durchschnittsleistungen  des  18.  Jhs. 

Die  Altäre  im  üblichen,  dekorativ  meistens  erfreulichen  Barocksäulenaufbau,  am 
Hochaltar  Ölgemälde,  darstellend  die  Heiligen  Sixtus  und  Laurentius,  am  rechten  Seiten- 
altar Gemälde  des  Gekreuzigten. 

Einfache,  geschnitzte  Beichtstühle  aus  der  zweiten  Hälfte  des  1 8.  Jhs.  Schlichter, 
noch  spätgotischer  Taufstein  des  17.  Jhs.  An  der  Südwand  des  Langhauses  Epitaph 
eines  Pfarrers,  Sandsteinplatte  mit  Kelch,  Kreuz  und  Totenkopf,  durch  früheres  Abtreten 
ganz  verwischt,  mit  unleserlicher  Inschrift. 

Die  Glocken  waren  mir  unzugänglich. 

Nach  einem  Visitationsprotokoll  von  1616  ])  war  die  ganze  Kirche  ausgemalt,  wohl 
aus  mittelalterlicher  Zeit  (worauf  bei  eventuellen  Erneuerungsarbeiten  zu  achten  wäre): 
Tota  ecclesia  antiquitus  picta  est.  Außerdem  befand  sich  in  ihr  ein  sehr  großer  Tauf- 
stein (vielleicht  noch  für  Immersionstaufe):  magnum  antiquumque  mundumque. 

Das  Außere  der  Kirche  ist  ganz  schlicht,  nur  durch  die  Sandsteingewände  der 
rundbogigen  Fenster  gegliedert.  An  der  Fassade  Portal  mit  gebrochenem  Giebel,  woran 
die  Zahl  1743;  darüber  eine  Madonnenstatue  in  der  damals  beliebten,  stark  bewegten 
Haltung.  An  ihrem  Postament  steht:  Dises  Bild  hat  machen  lassen  Josef  Guot  1744. 

An  der  Südwand  des  Chors,  wohl  von  der  alten  Kirche  eingemauert,  eine  sehr 
verwitterte  Löwenfigur  (?)  mit  einem  Gebälkstück,  wohl  Rest  einer  ehemaligen  Konsole. 

Von  Kirchengeräten  ist  zu  nennen : eine  Sonnenmonstranz  in  den  Formen  des 
ausgehenden  18.  Jhs,  silbervergoldet,  getrieben,  neuerdings  restauriert;  ein  Kelch,  silber- 
vergoldet, getrieben,  in  Rocailleformen;  Meßkännchen,  silbervergoldet,  getrieben,  Rocaille, 

S G 

gute  Arbeit,  mit  dem  Augsburger  Beschauzeichen  und  ^ ; an  Gewändern  eine  rote  und 
eine  weiße  Casel,  erstere  mit  bunter  Seidenstickerei,  letztere  mit  eingewebtem  bunten 
Muster,  etwa  Mitte  18.  Jhs. 

Die  Kirche  liegt  auf  einer  Anhöhe  über  dem  Ort,  der  sie  umgebende  Friedhof  ist 
ummauert,  aber  nicht  etwa  richtig  befestigt. 

Im  Ort  eine  ganze  Reihe  teilweise  leider  verputzter  Riegelhäuser,  ich  hebe  ins- 
besondere Nr.  159  und  17  1 hervor. 

Vor  Zunsweier  an  der  Straße  nach  Berghaupten  Kruzifix,  Sandstein,  etwas  derbe 
Arbeit,  auf  Rocaillesockel,  von  1764. 


*)  Publiziert  von  Staudenmaier,  FDA.  XIV,  S.  276. 


AMT  WOLFACH 


EINBACH 

(HAUSERBACH) 

Schreibweisen:  praedium  Einbac  1092;  Embach  1139;  Einbach  cum  ecclesia 
Husen  1179;  Enbach  1329;  Einbach  das  tal  und  die  lute  1411;  der  hof  vor  Einbach 
1493.  (Bach  des  Eio  — Ago,  Ego.) 

Ortsgeschichte : 1092  erhielt  das  Kloster  S.  Georgen  einen  Teil  von  Einbach.  Ortsgeschichte 
1303  wurde  der  ganze  Ort  durch  die  Grafen  von  Fürstenberg  zusammen  mit  Wolfach 
erworben.  Einbach  bildete  einen  weitschichtigen  Stab  in  der  Herrschaft  Kinzigtal,  es 
gehörten  dazu  die  Nebentäler  Unter-  und  Obemeuenbach,  Osterbach,  Fronau,  Gechbach, 

Breitenbach  und  Hauserbach.  Während  letzteres  links  der  Kinzig  liegt,  ist  der  Haupt- 
ort Einbach  an  einem  gleichnamigen  Bach  rechts  derselben  erbaut.  1328  hören  wir 
von  einem  Rupreht  von  Einbach.  Seit  dem  15.  Jh.  wurde  in  Hauserbach  ein  Silbererz- 
bergwerk betrieben.  — 1806  wurde  der  Ort  mit  der  ganzen  fürstenbergischen  Herrschaft 
Kinzigtal  badisch. 

Eingepfarrt  war  Einbach  nach  Hausach.  Im  Osterbachtal  steht  bei  einem  Hof 
eine  Kapelle  (ad  S.  Wendelinum),  ein  kleiner  Bau,  der  keine  Anhaltspunkte  zur  Datierung  Kapelle 
bietet.  — Eines  der  interessanten  Bauernhäuser  des  Orts  ist  in  dem  AVerk : Das  Bauern-  Bauerohäuser 
haus  in  Deutschland,  s.  unten,  Baden,  Blatt  6,  abgebildet. 

Auf  dem  Weg  nach  Hausach  einige  Bildstö  ekelten  in  schlichter  Form  aus  dem  Biidstöckchen 
18.  Jh. 

FISCHERBACH 

(mit  WEILER -ES  CH  BACH) 

Schreibweisen:  Vischerbac  11 01;  Viscerbach  1240;  Vischerbach  1293;  Vyscher- 
bacher  turn  1456;  im  Fischerbach  1499;  'm  Espach  1493;  Willer  1297;  Wiler  1371; 
zu  Willer  in  dem  dorf  1350;  Wyler  1435;  Wiler  prope  Haselach  1464;  Wylr  1489; 
Ramsteinweiler  18 1 6. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895),  S.  90 — 91. 

Ortsgeschichte:  Urkundlich  schon  1101  genannt,  erscheint  das  Tal  1318  als  Ortsgeschichte 
fürstenbergisches  und  geroldseckisches  Lehen  der  Herren  von  Vasant,  kam  es  später 
an  die  von  Ramstein,  deren  Stammschloß  in  Ramstein  bei  katholisch  Thennenbronn 
stand,  weiter  an  die  von  Gippichen,  dann  an  die  von  Blumeneck  und  1551  zurück  an 
Fürstenberg.  In  der  ersten  Hälfte  des  12.  Jhs.  schenkt  eine  »matrona  Rethilt  nomine  de 
Bernoldeshoven  cum  marito  suo  Gotefrido  villico  de  Stoufenberc«  ihr  Gut  »in  villa 
que  dicitur  Visbach«  mit  allen  Rechten  »omni  potenti  deo  et  beato  Gregorio«,  d.  i. 
dem  Kloster  Reichenbach  im  württembergischen  Oberamt  Freudenstadt.  — Seit  1240 
hören  wir  von  einem  Geschlecht  von  Fischerbach,  beginnend  mit  Cünradus  de  Viscer- 
bach miles.  Seit  1280  finden  wir  dieselben  als  Dienstmannengeschlecht  des  Margareten- 
stiftes und  der  Freiherren  von  Schwarzenberg  in  Waldkirch.  Vor  1453  ist  der  letzte 


576 


KREIS  OFFENBURG. 


des  Namens  gestorben.  — Der  Zehnt  gehörte  dem  Gotteshaus  zu  Gengenbach.  1806 
wurden  Ort  und  Tal,  die  zu  der  fürstenbergischen  Herrschaft  Kinzigtal  gehörten,  badisch. 
— Bemerkenswert  ist  noch,  daß  der  Fischerbach  die  Grenze  zwischen  den  Bistümern 
Konstanz  und  Straßburg  bildete. 

Weiler  wird  zum  erstenmal  1297  genannt,  damals  verkauften  die  Fürstenberg  ihre 
dortigen  Besitzungen  an  Rudolf  von  Schnellingen;  1579  wurde  der  Ort  wieder  fiirsten- 
bergisch  und  blieb  es  bis  1806,  dem  Übergang  an  Baden. 

In  Weiler  stand  ein  Schloß  derer  von  Ramstein,  eines  abgegangenen  Ministerialen- 
geschlechtes, welches  von  1336  bis  1557  in  Urkunden  vorkommt  und  einen  Widder  auf 
einem  Dreiberg  im  Wappen  führte.  Sie  brachten  das  Dörfchen  Weiler  1358  an  sich, 
das  daher  zuweilen  zum  Unterschied  von  anderen  Ramsteinweiler  genannt  wurde.  Zu 
dem  Schloß  gehörte  der  Hof  Bergeck:  »der  hof  zu  Bergegk  mit  dem  burgstall  zu  Ram- 
stein« 1358,  Fälschung  aus  der  zweiten  Hälfte  des  15.  Jhs.  Ein  Burckart  von  Ramstein 
zu  Wiler  wird  erwähnt  in  einer  Fälschung  von  1318.  Vor  denen  von  Ramstein  hören 
wir  1240  von  einem  Albertus  de  Wilere  miles,  1329  von  Fritsch  und  Heinrich  von  Wiler. 

1508  wird  das  »schlößlein  Wylr  im  Kintzigental«  genannt.  1598  erscheint  ein 
»Hans  Pluier  von  und  zu  Rambsteinweyler,  gräfflich  Ftirstenbergischer  hoffmeister«. 
Nach  Schuster1)  soll  der  letzte  Herr  von  Ramsteinweiler  auf  dem  Gut  Bergeck  1863 
gestorben  sein. 

Im  Mittelalter  wurde  hier  Bergbau  getrieben,  1471  und  1488  werden  die  Gruben 
erwähnt. 

Kath. Pfarrkirche  Die  kath.  Pfarrkirche  (für  Weiler-Fischerbach)  (ad  S.  Michaelem  Are.)  wurde  1888 

auf  dem  Schloßberg  erbaut,  dessen  Name  wohl  der  einzige  Rest  der  alten  Burg.  Früher 
war  Weiler  nach  Hausach  eingepfarrt.  Erwähnt  wird  1329  ein  »pfaff  Jo.  von  Wiler«, 
1499  ein  »Martin  Buwmann  lütpriester  zu  Wyler«.  1491  ist  angeblich  die  alte  Kirche 
Kirchengeräte  gebaut  worden,  von  der  heute  keine  Spur  mehr  erhalten,  wohl  aber  eine  Anzahl  Kirchen- 
geräte: eine  Monstranz  in  der  üblichen  Sonnenform,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit 
Rocailleornament  und  nicht  mehr  erkennbarem  Zeichen  (zweite  Hälfte  des  18.  Jhs.);  ein 
Kelch  in  gleichem  Material,  Arbeit  und  Stil,  mit  dem  Augsburger  Zeichen,  darunter  P 
und  FCM;  ein  schlichtes  Weihrauchschiffchen  vom  Ende  des  18.  Jhs. 

Die  Glocken  waren  bei  meinem  Besuch  nicht  zugänglich. 


GUTACH 


Schreibweisen:  Güta  zwischen  1360  bis  1370;  Gütach  1421;  Gütach  1534; 
Guottach  1631. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  13  (1891),  S.  28;  Nr.  16  (1894),  S.  159. 

Onsgeschichte  Ortsgeschichte : Gütach  ist  ein  langgestrecktes  Dorf  mit  zahlreichen  Nebenorten, 

das  typische  Schwarzwalddorf  mit  weit  entlegenen  Höfen.  Es  beginnt  nahe  der  Stadt 
Hornberg  und  zieht  sich  herab  bis  zur  Kinzig,  bis  gegen  Hausach,  wie  bekannt,  eine  der 
schönsten  Gegenden  des  Badischen  Schwarzwaldes,  in  Bild  und  Lied  gefeiert.  Es  gehörte 
ursprünglich  den  Freiherren  von  Hornberg,  die  gleichen  Stammes  waren  mit  denen  von 


x)  Schuster,  Der  Schulkreis  Offenburg,  S.  27. 


AMT  WOLFACH.  — GUTACH. 


577 


Triberg.  Im  14.  Jh.  teilte  sich  die  Familie  in  zwei  Linien,  von  denen  die  eine  im  Breis- 
gau und  Elsaß  1450  erlosch,  während  die  andere,  ältere,  ihre  Besitzung,  selbst  Stadt  und 
Schloß  Hornberg,  allmählich  aufgeben  mußte.  Bereits  im  14.  Jh.  eroberten  die  Straß- 
burger zweimal  (1368  und  1383)  den  »neuen  Turm«  von  Hornberg,  offenbar  eine  kleine 
mit  einem  Turm  verstärkte  Tiefburg,  die  nahe  bei  Hausach  an  der  Stelle  stand,  die 
heute  noch  »Am  Turm«  heißt.  1423  verkaufte  Bruno  Wernher  von  Homberg  einen 
Teil  der  Herrschaft,  darunter  Güter  und  Gülten  in  der  Gutach,  und  dazu  zwei  Gerichte, 
deren  eins  in  Gutach,  an  die  Grafen  Ludwig  und  Ulrich  von  Württemberg,  zugleich 
mit  der  Feste  Hornberg.  Damit  hatten  diese  festen  Fuß  im  Tale  gefaßt.  Es 
mag  in  der  Einleitung  nach- 
gelesen werden,  wie  weitere 
Teile  des  Hornbergschen  Ge- 
bietes an  Württemberg  kamen, 
wie  nach  dem  Aussterben  des 
Geschlechtes  Württemberg  die 
Kastvogtei  in  den  Gebieten 
des  Klosters  S.  Georgen,  das 
die  Besitzungen  geerbt  hatte, 
verwaltete,  bis  es  diese  nach 
der  Reformation  in  eine  Landes- 
hoheit umänderte.  1534  ließ 
sich  Herzog  Ulrich  von  Würt- 
temberg von  der  ganzen  Herr- 
schaft Hornberg  als  Landesherr 
huldigen.  Er  führte  in  seinen 
Landen  die  Reformation  ein, 
und  so  erklären  sich  die 
kirchlichen  Verhältnisse  dieses 
Landesteils.  — 1810  wurde 
derselbe  durch  Staatsvertrag 
von  Württemberg  an  Baden 
abgetreten.  — Durch  den  Ort 
durch  führte,  wie  heute  die 
Schwarzwaldbahn,  so  die  im  Mittelalter  hervorragend  wichtige  Handelsstraße  von  Kon- 
stanz nach  Straßburg  und  an  die  Bergstraße. 

Evang.  Pfarrkirche  (ad  S.  Petrum)  (s.  Fig.  316):  1275  wird  ein  plebanus  in 
Gutach  in  decanatu  Kürnbach  sive  Sultz  erwähnt,  1360  bis  1370  ecclesia  Güta  in  decanatu 
Oberndorff  sive  Rotwil,  sannt  Peters  Pfarrkirche  Anfang  1 6.  Jhs.,  der  hailige  sannt  Petter 
in  der  Güttach  1576.  Der  Chor  der  Kirche  ist  1452  erbaut.1)  In  den  dreißiger  Jahren 
des  16.  Jhs.  wurde  die  Reformation  eingeführt,  im  18.  Jh.  genügte  offenbar  das  alte 
Langhaus  nicht  mehr,  es  wurde  daher  1743  unter  Herzog  Eugen  von  Württemberg  an 
den  stehen  bleibenden  Chor  ein  neues  Langhaus  angebaut. 

Diesen  Daten  entsprechend  zeigt  der  Chor  spätgotische  Formen.  Er  ist  in  drei 
Seiten  des  Achtecks  geschlossen,  hat  zwei  vorgelegte  Gewölbejoche  und  ist  mit  einem 


Fig.  316.  Kirche  i?i  Gutach. 


Evang.  Pfarr- 
kirche 


*)  Stöcker,  Schematismus,  S.  103. 


578 


KREIS  OFFENBURG. 


Netzgewölbe  mit  ansteigendem  Scheitel  und  drei  Schlußsteinen  gedeckt.  Die  nur  mit 
Hohlkehle  und  Abschrägung  profilierten  Rippen  setzen  auf  schlichten,  polygonalen 
Konsolen  an.  Den  Chor  erhellen  vier  Spitzbogenfenster,  einpfostig,  mit  flamboyantem 
Maßwerk.  An  seiner  Nordseite  führt  eine  Tür  mit  geradem  Sturz  in  die  Sakristei,  das 
Gewände  durch  Hohlkehlen  und  Rundstäbe  auf  steilen  Basen  gegliedert,  eine  weitere 
Tür  führt  nach  Süden  aus  dem  Chor.  Am  Äußern  ein  abgeschrägter  Sockel,  weiter 
oben  eine  Wasserschräge,  die  auch  als  Kaffgesims  der  Fenster  dient,  eine  ebensolche 
hohlgekehlte  Wasserschräge  unter  dem  Dach. 


Die  schlichte  Sakristei,  wohl  ein  späterer  Bau,  ist  in  der  Tonne  eingewölbt,  über 
einem  ihrer  Fenster  ist  jetzt  ein  Stein  mit  der  Jahreszahl  eingemauert,  der  wohl 

das  Datum  des  Chorbaues  gibt. 

Auf  den  zwei  Gewölbejochen  des  Chors  sitzt  der  Turm  auf,  unten  quadratisch,  in 
der  Höhe  über  dem  First  des  Langhauses  in  das  Achteck  übergehend,  darüber  ein 
Zwiebeldach. 

Der  Chor  ölfnet  sich  in  einem  Rundbogen  dem  Langhaus  zu,  dessen  östlichste 
Mauern  wohl  zum  Teil  noch  gotisch  sind.  Es  ist  im  Äußern  nur  durch  die  rund- 
bogigen  hohen  Fenster  gegliedert.  An  der  Fassade  ein  rundbogiges  Portal  mit 
leicht  hohlgekehltem  Gewände,  darüber  eine  Tafel  mit  zwei  ovalen  Abteilungen,  in 
denen  steht: 


AMT  WOLFACH.  — GUTACH. 


579 


IM  JAHRE  CHRISTI  ANNO  174? 

WARD  DE  KIRCH  NEIERBA 
ZU  WELCHER  ZEIT  OBER 
AMTMANN  • ZU  HORNBERG 
HERR 

VICTOR  SIG 

GRAFF  VON  GRAEFFENIZ 
SPECIAL  HERR 
M • GEORG 
CHRISTOPH 
GRISINGER 
STAB 
GUTACH 
HERR 
PFA 
RER 

M • M 
H : W 
ALLTER 
H : MILLER 
M : HE  : 

TREITWEIN 
STABSVOGT 
J • ABERLEN 
H : MOSER 
G : BREISHAUBT 
C : ABERLEN 
H : BREITH= 

AUBT 

Ein  ähnliches  Tor  auf  der  Nord-,  ein  weiteres  auf  der  Südseite. 

Das  Innere  zeigt  an  dem  Spiegelgewölbe  der  Decke  Rocaillestuckornamente,  über 
dem  Triumphbogen  in  Stuck  ein  großes  Wappen  von  Württemberg  mit  der  Überschrift: 

17  • C • E • H • Z • W • +?. 

Eine  Kanzel  des  18.  Jhs.  in  der  üblichen  gebauchten  Form  mit  Stuckverzierung.  Ein 
Taufstein  aus  Granit  in  der  schlichten  gotischen,  polygonalen  Form,  etwa  16.  Jh. 
Vom  Triumphbogen  hängt  ein  holzgeschnitztes  Kruzifix  herab,  Durchschnittsarbeit  des 
17.  Jhs.  (ist  inzwischen  abgenommen  und  durch  ein  neues  ersetzt  worden). 

Von  den  Glocken  ist  die  eine,  kleine,  1715  von  Joh.  Peter  Edel  in  Straßburg 
gegossen,  die  beiden  anderen  von  1854  und  1877.  Am  Querbalken  des  Glockenstuhls 
eingeschnitten  die  Inschrift: 

O HERR  REGIERE  DIESEN  GLOCKENKLANG 
DASS  DEIN  VOLK  GERN  ZUM  WORT  GOTTES  GANG 
SOLI  DEO  GLORIA  1781; 


Inneres 

Kanzel 

Taufstein 

Glocken 


KREIS  OFFENBURG. 


Grabplatte 


weiter  am  Glockenstuhl  noch  eine  Inschrift,  die  über  seine  Errichtung  Kunde  gibt: 
unter  Pfarrer  Magister  Lehrenkraus  neuaufgebaut  1781  von  Andreas  Kratt,  Zimmermeister 
in  Hornberg.  Zuvor  hatte  die  -Kirche,  deren  frühere  Gestalt  an  der  Kanzelbrüstung 
abgebildet  ist,  zwei  gotische  Spitztürme,  einen  über  dem  Chor,  den  anderen  kleineren 
vorn  über  dem  Portal. 


An  der  Westwand  der  Kirche  neben  dem  Tor  Grabplatte  mit  dem  Wappen, 
Todessymbolen,  der  Jahreszahl  1623  und  der  Inschrift: 

ANO  1619  STARB  DIE 
EHRN  UND  TUGETSAM 
FRAW  MARIA  CLEOPHE 
SCHMIDIN  DES  EHRN 
WIRDIGEN  UND  WOHL 
GELERTEN  HERRN  M. 

LUDOVICI  SCHÖNWA 
TERS  PFARRERS  DISER 
KIRCHEN  GUTACH  GE 
LIEBTE  HAUSMUTTER 
DEREN  ER.  M.  LUDOVICUS 
IN  ANO  162)  SEELIG- 
LICH  NACHGEFOLGT  DEN 
EN  DER  ALLMECHTIGE 


AMT  WOLFACH.  — GUTACH. 

Obergeschoss 


58x 


c 

iSchveineslitfl 

Fig.  319.  Hof  am  Bergle  in  Gutach,  Grundriß. 


GOTT  EIN  FRÖHLICH  AU- 
FERSTEHUNG DURCH 
CHRISTUM  VERLEIHEN 
WOLLE  AMEN  • 

NACH  GOTTES 
WILLEN. 


582 


KREIS  OFFENBURG. 


Das  Wichtigste  in  Gutach  aber  sind  seine  Bauernhäuser  und  Bauernhöfe.  In 
wenigen  Orten  sind  so  viele  und  so  malerische  Exemplare  des  Schwarzwaldhauses 
erhalten,  daneben  aber  auch  gute  Beispiele  größerer  Riegelbauten,  unter  denen  ich  vor 
allem  die  Schmiede  (s.  Fig.  317)  als  ein  prächtiges  Beispiel  hervorhebe.  Des  weiteren 
nenne  ich  das  Haus  Nr.  149  des  Joh.  Lehmann  mit  Hohlkehlen,  Rundstäbchen  und 
Voluten  an  der  Sandsteintüre,  altem  schmiedeeisernem  Schild  »Zum  Rößle«,  oben  schönes 
Riegelwerk,  sowie  die  Häuser  Nr.  149,  221,  234  und  238. 

Demgegenüber  ist  besonders  in  den  zerstreuten  Höfen  zahlreicher  vertreten  das 
eigentliche  Schwarzwaldhaus,  auf  einem  Untergeschoß  von  verputztem  Bruchsteinmauer- 


Fig.  320.  Hof  am  Bergle  in  Gutach,  Ansicht. 


werk  gemischter  Holz-  und  Riegelbau,  darüber  der  Heuschober  und  das  mächtige,  vorn 
meist  abgewalmte  Satteldach  mit  Strohbedeckung.  Oft  ist  auch  schon  das  Erdgeschoß 
aus  Holz-  bezw.  Riegelwerk,  wie  es  unser  Beispiel  von  Haus  Nr.  204  (s.  Fig.  318)  zeigt, 
auch  der  Hof  am  Bergle  (s.  unten)  und  andere  mehr.  Charakteristisch  ist  diesen 
Häusern,  daß  alle  Wirtschaftsräume  mit  unter  einem  Dach  vereinigt  sind  (s.  Fig.  319). 
Vorne  im  Erdgeschoß  unter  dem  Hausgang  (dem  Hausern)  Schlaf-  und  Wohnstuben, 
dahinter  der  Kuhstall  mit  dem  Futtergang,  eventuell  eine  Streue,  darüber  die  Hühner.  Im 
Obergeschoß  Zimmer  und  Kammern  und  dahinter  die  große  Heubühne,  in  die  von  dem 
meist  ansteigenden  Berg,  an  den  die  Häuser  angelehnt  sind,  eine  direkte  Einfahrt  führt. 
Ein  typisches  Beispiel  dafür  gibt  der  Hof  am  Bergle  (s.  Fig.  320)  des  Aberlebauern,  der 
i.  J.  1761  erbaut  worden  ist.  An  ihm  sehen  wir  auch  die  in  Gruppen  zusammen- 


AMT  WOLFACH.  — GUTACH. 


583 


geschlossenen  kleinen  Fenster,  aus  der  Konstruktion  einfach  zu  erklären,  vielleicht  im 
Geschmack  ein  Überbleibsel  der  Gotik,  sowie  die  Holzgalerie  mit  den  vorgekragten 
Holzstützen,  die  so  viel  zum  Reiz  dieser  Bauten  beitragen.  Ein  sehr  reiches  Beispiel, 
insbesondere  in  der  Vorderansicht,  der  Bachhof  (s.  Fig.  321)  des  Bürgermeisters  Joh. 
Wöhrle,  der  i.  J.  1769  erbaut  worden.  In  seinem  Grundriß  (s.  Fig.  322)  ist  er  dem  vorher 
geschilderten  Hof  am  Bergle  durchaus  verwandt,  wenn  er  auch  auf  etwas  größere  Bedürf- 
nisse zugeschnitten  ist. 


Fig.  321.  Bachhof  in  Gutach. 


Ich  kann  hier  selbstverständlich  auf  die  Entwickelung  dieses  Schwarzwaldhaustypus 
nicht  näher  eingehen,  auch  nicht  auf  die  einzelnen  feinen  Unterschiede  und  die  etwas 
gefährlichen  Fragen  über  das  Alter  der  verschiedenen  Typen.  Es  ist  das  ja  um  so 
weniger  nötig,  als  in  dem  großen  Werk  über  das  deutsche  Bauernhaus1)  sowie  in  einem 

1)  Das  Bauernhaus  im  Deutschen  Reiche  und  seinen  Grenzgebieten.  Herausgegeben  vom  Ver- 
bände deutscher  Architekten-  und  Ingenieurvereine,  Text  und  Atlas,  Dresden  1906,  S.  261  ff.  und 
Tafel  I ff. 


Band  VII. 


38 


584 


KREIS  OFFENBURG. 


Spezialvverk  über  die  Schwarzwaldhäuser1)  B.  Koßmann  diese  ganze  Frage  in  gründ- 
lichster Weise  besprochen  und  mit  Abbildungen  erläutert  hat.  Abgebildet  sei  hier  nur 

Obergeschoss 


\ 


noch  das  Haus  am  »Schlößle«  (s.  Fig.  323),  Besitzer  H.  Suhm,  erbaut  1818  von  Chr.  Hilde- 
brand, dessen  Grundriß  (s.  Fig.  324)  von  den  bisher  geschilderten  durch  andere 


*)  Die  Bauernhäuser  im  badischen  Schwarzwald,  von  B.  Koßmann,  Berlin  1894. 


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AMT  WOLFACH.  — GUTACH. 


585 


38' 


586 


KREIS  OFFENBURG. 


Gruppierung  der  Räume  nicht  unwesentlich  abweicht.  Erwähnt  sei  noch  der  Hof  des 
Oberbauern,  des  »Schluchbur«,  des  Vogtsbauem,  der  Bürlehof  am  Bahnhof,  die  Nr.  162, 


Fig.  324.  Hatts,  sogen.  •»  Schloß le «,  in  Gut  ach,  Grundriß. 


I 

1 


18 1 und  auf  die  Abbildungen  in  dem  großen  Werk  »Das  Bauernhaus«,  Tafel  1 und  Ab- 
bildungen 28  und  32  im  Text,  sowie  in  dem  Werk  »Bauernhäuser  im  badischen  Schwarz- 
wald« hingewiesen. 

HASLACH 

Schreibweisen:  Hasela  ca.  1099;  Haselahe  1250;  Haslach  1326;  bürg  und  stat 
1358;  stat  1389;  Häßlach  1437. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  6 (1894),  S.  155/56;  Z.  NF.  13,  S.  672. 
Literatur : Hansjakob,  Der  steinerne  Mann  von  Hasle,  Erzählung. 


AMT  WOLFACH.  — HASLACH. 


587 


Ortsgeschichte:  Der  am  Ende  des  11.  Jhs.  erstmals  genannte  Ort  war  im  Besitz  Ortsgeschichte 
der  Herzoge  von  Zähringen,  die  ihn  offenbar  vom  Reiche  und  nicht  von  Bamberg 
hatten.1)  Nach  dem  Tode  Bertholds  V.  von  Zähringen  kam  er  an  Graf  Egon  von 
Urach  mit  dem  Barte  als  Erbe  seiner  Gemahlin  Agnes,  der  Schwester  Bertholds,  bei 
der  Teilung  unter  den  Söhnen  Egenos  II.  an  Heinrich  I.,  der  sich  erstmals  von  Fürsten- 
berg nannte.  Doch  war  der  Besitz  nicht  unangefochten,  und  Heinrich  sah  sich  unter 
Aufgabe  seiner  Ansprüche  genötigt,  Haslach  1250  vom  Bistum  Straßburg  zu  Lehen  zu 
nehmen.2 3)  König  Rudolf!  versuchte  die  Stadt,  wie  Villingen,  als  heimgefallenes  Reichs- 
gut einzuziehen,  überließ  sie  aber  laut  Urkunden  von  1278  und  1283  den  Fürsten- 
bergern als  Reichslehen.  1278  wird  »Haselach  oppidum  nobilis  viri  Henrici  comitis 
de  Vurstenberg«  genannt.  Als  er  1283  (1284?)  starb,  erhielt  sein  zweiter  Sohn  Egeno 
die  Herrschaft  Haslach,  mit  ihm  beginnt  die  Haslacher  Linie.  Von  seinen  vier  Söhnen 
starb  der  eine,  Egeno  IV.,  als  Komtur  des  Johanniterordens  1363  zu  Freiburg,  Heinrich 
in  jugendlichem  Alter  jedenfalls  vor  1317.  Die  beiden  anderen,  Johann  und  Götz  I., 
verloren  gleich  nach  des  Vaters  Tode  die  Stadt  Villingen  an  Österreich  und  sahen 
sich  also  auf  einen  kleinen  Besitz  beschränkt,  in  der  Hauptsache  ein  Gebiet  im  Kinzig- 
tale um  Haslach  und  eines  im  Schwarzwalde  fast  rings  um  Villingen,  aber  ohne  diese 
Stadt. a)  Klugerweise  teilten  sie  dasselbe  nicht,  sondern  verwalteten  es  gemeinschaftlich. 

Durch  ihre  Schwester  Anna  mit  Walter  III.  von  Geroldseck -Tübingen  verschwägert, 
scheinen  sie  vielleicht  durch  diese  Verwandtschaft  in  eine  Masse  kleiner  Fehden 
der  Umgegend  verwickelt  gewesen  zu  sein,  die  aber  alle  ziemlich  glücklich  flir  sie 
endeten.  Als  Johann  1332,  wie  es  scheint  unvermählt,  starb,  war  nun  sein  Bruder 
Götz  im  alleinigen  Besitz  der  Lande.  Er  war  mit  Anna  von  Montfort  verheiratet, 
deren  Grabplatte,  wie  auch  vermutlich  die  seinige  wir  unten  kennen  lernen  werden. 

Das  offenbar  sehr  kriegerische  Wesen  des  Grafen  kommt  gerade  in  der  Primitivität 
der  Grabfigur  zum  Ausdruck.  Er  starb  1341  und  hinterließ  Haslach  seinen  Söhnen 
Heinrich  und  Hugo  I.,  »grafe  Heinrich  und  grafe  Hug  von  Fürstenberg  herren  zu 
Haselach«,  wie  es  1351  heißt.  1345  wird  der  beim  Tode  des  Vaters  noch  minder- 
jährige Johann  ihr  Mitregent,  doch  scheint  er  bald  gestorben  zu  sein.  Die  Besitzungen 
des  Hauses  hatten  sich  unterdes  wieder  um  das  ehemals  verloren  gegangene  Bräunlingen 
vermehrt,  das  wohl  als  österreichisches  Pfand  an  die  Haslacher  kam,  die  auch  von 
Württemberg  einige  Besitzungen  pfandschaftlich  übernommen  hatten.  Auch  Heinrich, 
vermählt  mit  einer  Werdenberg,  starb  ohne  Erben,  und  so  regierte  der  Sohn  Hugos, 

Hans  (Johann  I.),  allein  über  die  Haslacher  Besitzungen.  Er  gelobte  am  4.  Dezember 
1374  der  Stadt  Haslach  »ihre  Freiheiten  zu  erhalten,  welche  im  allgemeinen  dieselben 
sein  sollten,  wie  sie  die  Stadt  Freiburg  von  alters  her  besessen«.  Zwei  Punkte  aber 
treten  besonders  hervor:  »die  Stadt  soll  an  ihn  nur  eine  jährliche  Steuer  von  10  Mark 
Silber  zahlen,  also  nur  den  vierten  Teil  dessen,  was  ein  halbes  Jahrhundert  vorher  die 
Stadt  Villingen  ihren  Herren  steuerte,  und  die  Zwölf,  die  Mitglieder  des  Rates,  sollen 
in  ihren  Häusern  das  Asylrecht  besitzen«.  Wann  die  Stadt  ihre  Freiheiten  erhalten 
hatte,  scheint  nicht  festzustehen.  (1278  wird  sie  schon  oppidum  genannt,  s.  oben.) 

*)  Heyck  a.  a.  O.  S.  513. 

2)  Ebenda. 

3)  Riezler,  Gesch.  des  fürsÜ.  Hauses  Fürstenberg. 


588 


KREIS  OFFENBURG. 


Trotz  der  geringen  Steuer  muß  sie  immerhin  schon  eine  gewisse  Ausdehnung  gehabt 
haben  und  wohl  über  ihren  alten  Mauerbezirk  hinausgewachsen  sein,  denn  eine  Notiz 
von  1350  sagt:  »in  der  stat  zu  Hasela  an  dem  bach  und  in  den  garten  in  der  Nüwen- 
stat«.  Die  Grafen  residierten  in  einer  Burg  oder  einem  Schloß,  das,  wie  es  scheint, 
1358  zum  erstenmal  genannt  wird.  Uber  die  Verfassung  der  Stadt  wissen  wir  nur, 
daß  es  der  übliche  Zwölferrat  war,  dem  ein  Schultheiß  Vorstand.  Schon  1297  wird 
»Albrecht  der  schulthais  von  Hasela«  genannt,  1350  ein  Johannes  scultetus,  1437  Hans 
von  Berembach,  Schultheiß.  Mit  ihnen  ist  nicht  zu  verwechseln  das  Geschlecht  der 
Schultheiß  von  Haslach,  von  dem  wir  1332  einen,  den  »Johannes  Sch.  v.  H.  ein  edel- 
knecht«  kennen  lernen.  Auch  Münzrecht  muß  die  Stadt  besessen  haben,  und  zwar 
seit  dem  13.  Jh.,  denn  eine  Notiz  von  1312  spricht  von  »15  mark  silber  Haselaher 
geweges«  (u.  s.  f.). 

Mit  dem  kinderlosen  Grafen  Hans,  der  1386  auf  österreichischer  Seite  kämpfend 
bei  Sempach  fiel,  starb  die  Linie  aus,  und  die  Besitzungen  fielen  an  die  Hauptlinie  in 
der  Baar  zurück  (die  von  dem  ältesten  Sohn  Egenos  II.  ausgegangen  war),  und  zwar  an 
Heinrich  IV.,  dem  nach  dem  Wortlaute  des  Lehensbriefes  die  Erbfolge  zustand.  Trotz- 
dem wurde  dieselbe  bestritten,  und  zwar  von  dem  König  Wenzel,  von  dem  Straßburger 
Bischof,  dem  Markgrafen  Bernhard  von  Baden  und  dem  Grafen  Friedrich  dem  Älteren  von 
Hohenzollern,  von  diesem  als  Gemahl  der  einzigen  Schwester  des  letzten  Grafen,  Adelheid. 
Heinrich  IV.  aber  hatte  unterdes  bereits  den  tatsächlichen  Besitz  ergriffen  und  sich  mit 
der  Bürgerschaft  von  Haslach  gut  gestellt,  indem  er  ihr  am  11.  November  1386  einen 
weitgehenden  Freiheitsbrief  verlieh,1)  der  alle  Gnaden  und  Freiheiten  bestätigte,  die 
Freiburg  besaß.  König  Wenzel  hatte  unterdes  Haslach  als  heimgefallenes  Reichslehen 
erklärt  und  zunächst  seinem  Hauptmann  zur  Schweidnitz,  dem  Edlen  Benesch  von  Thuß- 
nik,  auf  dessen  Bitten  aber  (dem  der  Ort  zu  entfernt  lag)  1388  dem  Bischof  von 
Straßburg  zugesprochen.  In  der  Tat  scheint  auch  der  Bischof  eine  Zeitlang  die  Stadt 
besetzt  zu  haben,  doch  kam  es  zu  einer  gütlichen  Beilegung,  der  Bischof  belehnte  seiner- 
seits den  Grafen  Heinrich  mit  der  streitigen  Herrschaft  Haslach,  sein  Amtmann  wird 
angewiesen,  den  Grafen  einzulassen  und  das  Schloß  ihm  zu  überantworten.  Am  6.  Juni 
1392  gab  dann  der  Bischof  der  Stadt  einen  mit  dem  gräflichen  übereinstimmenden 
Freiheitsbrief.  Auch  die  badischen  Ansprüche  verschw  inden,  aber  erst  1405  werden  die 
Zollernschen  aufgegeben. 

Damit  war  der  ganze  Länderbestand  des  Hauses  Fürstenberg  wieder  in  einer 
Hand  vereinigt.  Schon  vor  Heinrichs  Tode  (1408)  aber  wurde  eine  neue  Teilung  vor- 
genommen. 1398  übergab  er  seinen  Söhnen  die  Regierung  in  Wolfach  und  Haslach, 
vermutlich  schon  die  ganze  Herrschaft  im  Kinzigtale,  1407  aber  erhielt  diese  Konrad  IV. 
allein.  Mit  ihm  beginnt  die  Wolfacher  Linie.  Nach  seinem  Tode  übernahmen  seine 
zwei  Brüder  Heinrich  V.  und  Egeno  zusammen  mit  seiner  Frau  Adelheid  von  Bitsch 
und  deren  Stiefvater  Ludwig  von  Lichtenberg  die  Vormundschaft  über  ihren  jungen 
Neffen,  Heinrich  VI.  Dieser,  zur  Regierung  gelangt,  wußte  durch  geschickte  Er- 
werbungen, dann  aber  auch  durch  stattliche  Erbschaften  seinen  Besitz  zu  vergrößern 
und  denselben  auch  sehr  glücklich  zu  verwalten.  So  ging  er  auch  eifrig  an  die  Wieder- 
herstellung der  Schlösser  und  Burgen:  »zu  derselben  zytt  und  in  den  zweyen  jam 

1)  Fürstenb.  Urk.  II,  Nr.  513  u.  514. 


AMT  WOLFACH.  — HASLACH. 


589 


darnach  ward  von  herrn  Heinrichen  graven  zu  Furstenberg,  lantgrave  in  Bare,  herr  zu 
Husen  im  Kintzigental  und  zu  Wartemberg  etc.  und  synr  gnaden  fruwen  und  müter, 
fraw  Adelheiten  von  Bitsch,  ernuwert  und  gebuwen  das  huß  zu  Haselach,  das  huse 
zu  Wolfach,  das  nuw 
kornhus  zu  Haselach 
vor  der  Burgk,  das  hus 
zu  Brünlingen  1447«. 

Es  ist  Michel  Spiser, 
seit  1447  Schreiber  im 
Dienste  des  Grafen, 
der  uns  diese  und 
andere  Aufzeichnungen 
über  dessen  Leben 
und  laten  hinterlassen 
hat. ')  Danach  baute 
derselbe  in  Haslach 
noch  i.  J.  1463  »die 
usser  muly  zu  Hase- 
lach vor  der  statt«  ; 
sie  brannte  1470  ab, 
wurde  aber  sofort 
wieder  aufgebaut.  Mit 
dem  Jahre  1477  hören 
die  Aufzeichnungen, 
wohl  weil  Spiser  Vogt 
auf  Fürstenberg  wurde, 
auf,  aber  vermutlich 
nicht  die  Bauten. 

Schon  aus  diesem  Be- 
richt indes  geht  her- 
vor, wie  gründlich  Graf 
Heinrich  VI.,  auch  ge- 
sellschaftlich ein  offen- 
bar sehr  begabter  und 
beliebter  Herr,  das 
Bild  seiner  Städte 
verändert  hat.  Auch 
politisch  hat  er  eine 
bedeutende  Rolle  ge- 


Fig.  325.  Haslach,  nach  einer  Federzeichnung  auf  einer  Har  te  der  Herr- 
schaft Kinzigtal  aus  dem  Fürstlich  Fürstenbergischen  Archiv  zu  Donau- 
eschingen  ( von  1655). 

spielt,  auf  die  einzu- 
gehen hier  nicht  der  Ort  ist.2)  Seinen  wohlregierten  Landen  konnte  er  mit  Aus- 
nahme geringer  Fehden  den  Frieden  wahren.  Mit  Ausnahme  eines  sehr  heftigen 
Handels  mit  Bräunlingen  war  das  Verhältnis  zu  seinen  Untertanen  ein  durchaus 


*)  Riezler  a.  a.  O.  S.  365;  Ftirstenb.  Urk.  III,  Nr.  371. 
2 Ri  e zier  a.  a.  O. 


59° 


KREIS  OFFENBURG. 


gutes,  und  dankbar  stifteten  daher  wie  die  Wolfacher  so  auch  die  Haslacher  Bürger 
1485  in  ihrer  Pfarrkirche  einen  reich  bedachten  Jahrtag  für  den  Grafen.  Dieser  hatte 
außer  anderen  Zuwendungen  »auf  die  Einlösung  eines  Zolles,  der  von  einem  Wagen  6, 
von  einem  Karren  2%,  von  einem  Rosse  1 Pf.  betrug  und  von  seinen  Vorfahren  an  die 
Stadt  verpflichtet  war,  für  sich  und  seine  Nachkommen«  verzichtet.  »In  dem  Ver- 
mächtnisbrief an  die  Wolfacher  hatte  der  Graf  den  Wunsch  ausgesprochen,  daß  dieselben 
aus  Dank  für  diese  Zuwendungen  keinen  Würfel-  und  Spielplatz  mehr  in  ihren  Mauern 
dulden  möchten,  und  nach  seinem  Wunsche  ward  dies  nun  sowohl  in  Haslach  als  Wolfach 
von  der  Bürgerschaft  gelobt.«1)  Am  Schlüsse  seiner  segensreichen  Regierung  wurde 


Fig.  326.  Plan  der  Stadt  Haslach  vom  Jahre  1690  aus  Schmalkalders  Skizzenbuch. 

Heinrich  VI.  von  schweren  Leiden  heimgesucht,  von  denen  ihn  am  30.  November  1490 
der  Tod  erlöste.  Er  war  unvermählt  geblieben.  In  seinem  Testament  hatte  er  seinen 
Vettern  Wolfgang  und  Heinrich  seine  Besitzungen  vermacht,  aber  vorsorglich  bestimmt, 
daß  seine  Schlösser  in  Wolfach,  Hausach  und  Haslach  von  Bürgern  bewacht  werden 
und  kein  Erbe  eingelassen  werden  sollte,  bis  er  den  Städten  nicht  alle  Vermächtnisse 
und  Gunstbriefe  bestätigt  habe. 

Von  neuem  kamen  die  Lande  an  die  Hauptlinie  zurück,  und  wieder  waren  alle 
Besitzungen  vereinigt,  da  die  beiden  Brüder,  die  Söhne  des  Grafen  Konrad,  zunächst 
gemeinsam  regierten,  bis  dann  nach  dem  Tode  Heinrichs  Wolfgang  I.  sie  alle  in  seiner 
Hand  hielt.  Beide,  insbesondere  der  letztere,  standen  in  engsten  Beziehungen  zu  König 


*)  Riezler  a.  a.  O.  S.  379. 


AMT  WOLFACH.  — HASLACH. 


591 


Maximilian,  dem  Wolfgang  verschiedentlich  Kriegsdienste  leistete;  die  Brüder  wurden  zu 
seinen  Dienern  und  Räten  ernannt.  Als  König  Max  dann  dem  Kurfürsten  Philipp  die 
Hälfte  der  Landvogtei  Ortenau  absprach  und  1504  dieselbe  in  einem  Kriegszug  eroberte, 
da  befand  sich  bei  ihm  auch  Wolfgang  von  Fürstenberg,  und  ihm  verpfändete  der  König 
nun  den  eroberten  Anteil.  Damit  stand  das  ganze  Kinzigtal  unter  seiner  Herrschaft, 


Fig.  327.  Der  Obertorturm  in  Haslach  am  Anfänge  des  iq.  Jahrhunderts. 


und  er  wählte  das  prachtvoll  gelegene  Ortenberg  zu  seinem  Lieblingswohnsitz.  Er  starb 
1509  und  hinterließ  von  seiner  Gemahlin  Elisabeth  von  Solms  zwei  Söhne,  Wilhelm  I. 
und  Friedrich  III.  Ersterer,  als  der  »wilde  Graf  von  Fürstenberg«  bekannt,  führte  bald 
in  kaiserlichen,  bald  in  französischen  Diensten  ein  kriegerisch-stürmisches  Leben,  in  dessen 
Ruhepausen  er  meist  auf  Schloß  Ortenberg  residierte.  Er  neigte  sich  immer  mehr,  offen- 
bar aus  gemischten,  sowohl  praktischen  als  idealen  Beweggründen,  der  Reformation  zu, 
die  er  im  ganzen  Kinzigtal,  also  auch  in  Haslach,  einführte.  Als  er  1549  (ohne  männ- 
liche Erben)  starb,  da  war  kaum  ein  katholischer  Priester  zu  finden,  der  die  Leiche 


592 


KREIS  OFFENBURG. 


zu  ihrer  Beisetzung  in  der  Pfarrkirche  zu  Haslach  begleiten  konnte.  Diese  seine 
Stellung  hatte  ihn  in  immer  schärferen  Gegensatz  zum  Kaiser  gebracht,  so  daß  ihm  der 
Verlust  seiner  Lande  drohte  und  er  sich  genötigt  sah,  die  Regierung  seinem  Bruder 
Friedrich  III.  zu  übergeben.  Mit  diesem  begann  die  Rekatholisierung  der  Gegend,  der 
er  übrigens  nach  außen  hin  den  Frieden  sicherte.  Die  Landvogtei  der  Ortenau  mußte 
er  allerdings  abgeben,  und  so  war  der  Versuch,  die  fürstenbergische  Herrschaft  bis  an 
den  Rhein  auszudehnen,  mißlungen.  Nach  seinem  Tode  fand  eine  neue  Teilung  der 
Besitzungen  statt,  mit  seinem  Sohn  Christoph  I.  begann  die  uns  hier  allein  interessierende 
Kinzigtaler  Linie.  Schon  nach  dem  Tode  des  nachfolgenden  Albrecht  I.  teilte  auch 
diese  sich  wieder  in  einen  Möhringer  und  Blumberger  Zweig,  beginnend  mit  Christoph  II., 


Fig.  328.  Haslach.  Reste  der  ehemaligen  Stadtbefestigung.  Tünchen  am  Stadtbach 

hinter  der  Zehntscheuer . 


welch  letzterem  Haslach  zufiel.  Die  Möhringer  starben  zwar  1641  aus  und  das  Gut 
kam  an  die  Haslacher  zurück,  allein  wiederum  hatten  sich  hier  in  den  zwei  Brüdern 
Wratislaus  und  Friedrich  Rudolf  zwei  Linien,  die  Meßkircher  und  die  Stühlinger, 
geschieden.  Friedrich  Rudolf,  der  die  Besitzungen  im  Kinzigtal  erhalten,  ist  in  der 
Geschichte  Haslachs  bemerkenswert  durch  die  Erbauung  des  Kapuzinerklosters,  wo  er 
auch  beigesetzt  wurde.  Bei  dieser  Linie  blieb  das  Land  und  die  Stadt,  bis  sie  1806 
badisch  wurden.  — Wie  die  ganze  Gegend,  so  hatte  die  Stadt  im  17.  Jh.  schwere  Stürme 
zu  erleiden  durch  die  Kriegsscharen  des  Dreißigjährigen  und  der  Franzosenkriege.  1632 
nahmen  die  Württemberger  Haslach  in  Besitz,  1633  erschienen  die  Schweden,  1635  die 
Kaiserlichen,  1637  verwüsteten  die  Regimenter  des  Grafen  Gallas  die  ganze  Gegend. 
1638  verließen  die  Einwohner  in  heller  Flucht  vor  den  Schweden  das  Städtchen.  Das 
Schlimmste  aber  brachte,  wie  auch  in  Gengenbach,  die  Armee  Bernhards  von  Weimar, 
welche  die  Stadt  völlig  ausplünderte.  Und  kaum  war  der  Dreißigjährige  Krieg  vorbei, 


Word 


— i T T — i \ i \ " T T 


JPig.  329.  Stadt  Bas/ach  nach  dem  JCa  tasterplan  von  1SS1  mit  ein  gezeichneten  Befestigungen. 

Band  VII.  Zu  Seite  593. 


Band  VII.  Zu  Seite  S93- 


Fig.  SJO.  Ansicht  der  Stadt  Haslach  nach  einem  Aquarell  von  1804. 


AMT  WOLFACH.  — HASLACH. 


593 


so  kam  neue  Not.  1576,  nach  der  Eroberung  von  Philippsburg,  fielen  österreichische 
Husaren  in  das  Kinzigtal  ein,  plünderten  und  raubten  selbst  die  Kirche  aus;  zum  Schluß 
aller  dieser  Leiden  wurde  Haslach  am  3 1 . August  1704  von  den  Franzosen  völlig  verbrannt. 

Wie  die  Stadt  mit  ihren  Befestigungen  im  17.  Jh.  aussah,  zeigt  uns  die  oben  in 
Fig.  325  wiedergegebene  Zeichnung,  die  eine  Erläuterung  erfährt  durch  den  Plan  in 
Schmalkalders  Skizzenbuch  von  1690  (s.  Fig.  326),  sowie  ein  Ölgemälde  auf  Schloß 
Heiligenberg  (1688).  Wir  sehen  die  Kirche,  den  Platz  vor  ihr  und  den  Marktplatz,  die 
innere  Stadtmauer  mit  den  vier  Türmen,  wovon  zwei  Tortürme  waren,  und  zwar  nach 
AVesten  das  Untertor,  nach  Nordosten  das  Obertor.  Ersteres  scheint  der  Zeichnung  nach 
ohne  Turm,  was  aber  wohl  ein  Irrtum  sein  dürfte.  Die  Stelle  beider  Tore  ist  noch  heute 
deutlich  und  auf  unserem  Plan  der  Stadt  eingezeichnet.  Ein  in  Privatbesitz  befindliches 
Ölgemälde  (s.  Fig.  327)  aus  dem  Anfänge  des  ip.Jhs.  gibt  uns  ein  Bild  des  oberen  Tores. 

Schmalkalders  Skizze  und  die  Zeichnung  stimmen  in  der  Angabe  zweier  weiterer 
Türme  überein ; die  Stelle  des  einen,  offenbar  an  Dimensionen  alle  anderen  übertreffenden, 
läßt  sich  noch  in  der  Eisenbahnstraße  angeben,  die  des  anderen  ist  nicht  mehr  nach- 
zuweisen, eines  der  Häuser  der  Pfarrgasse  muß  auf  seinem  Standplatz  stehen.  Schon  im 
17.  Jh.  waren,  wie  aus  der  Zeichnung  ersichtlich,  die  Häuser  auf  die  Stadtmauer  auf- 
gebaut, wie  das  noch  heute  zum  Teil  der  Fall  ist.  Ein  Blick  auf  den  Plan  zeigt  uns  im 
Anschluß  an  den  abgebrochenen  Obertorturm  und  den  Turm  in  der  Eisenbahnstraße  den 
Verlauf  der  alten  inneren  Mauer,  die  an  dem  heutigen  »Inneren  Graben«  entlang  lief. 
Hinter  der  Kirche  bog  sie  in  einem  scharfen  Eck  zur  Zehntscheuer  um  und  führte  von 
dieser  aus  wieder  zum  Untertor  und  weiter  herum.  Nahe  bei  der  Zehntscheuer  hat  sich 
noch  ein  Mauerrest  sowie  ein  Pförtchen  mit  Eselsrückenbogen  und  der  Jahreszahl  1491 
erhalten  (s.  Fig.  328).  Vor  dieser  inneren  Mauer  lag,  von  dem  die  Stadt  durchschneiden- 
den Bach  aus  gespeist,  der  innere  Graben,  dessen  Anlage  aus  der  Abbildung  Fig.  329 
ersichtlich  ist.  Er  war  1,10 — 2 m breit.  An  ihn  schloß  sich  zunächst  ein  Zwinger 
an  mit  der  zweiten,  äußeren  Mauer,  die  nach  einem  Aquarell  aus  dem  Jahre  1804  damals 
noch  recht  gut  erhalten  war  (s.  Fig.  330).  Auch  heute  ist  sie  teilweise  noch  vorhanden, 
mindestens  aber  in  ihren  Spuren  sicher  nachzuweisen,  so  daß  sie  auf  unserem  Plan  ein- 
gezeichnet werden  konnte.  Sie  war  mit  vier  runden  Türmchen  bezw.  Bastionen  bewehrt, 
daneben  mit  fünf  eckigen,  die  teilweise  die  Vorbauten  der  Tore  waren.  AVie  sie  aus- 
sahen, sagt  uns  das  Aquarell  von  1804.  In  den  Stadtplan  konnten  nur  die  Rundtürme 
eingezeichnet  werden,  da  nur  ihre  alte  Stelle  sich  sicher  festlegen  ließ,  der  letzte  ist  erst 
1803  abgebrochen  worden.  Am  besten  ist  die  Mauer  an  der  Südwestseite  erhalten,  hier 
findet  sich  auch  noch  eine  runde  Geschützschießscharte  mit  Kammer  (s.  Fig.  331),  hier 
ferner  noch  ein  Rest  eines  nach  innen  offenen,  halbrunden  Turmes.  Nach  Süden  führte 
aus  dieser  Mauer  ein  später  angelegtes:  Neues  oderSautor  heraus,  das  zu  Schmalkalders 
Zeit  noch  nicht  bestand.  Vor  der  äußeren  Mauer  lag  der  offenbar  ziemlich  breite  äußere 
Graben,  dessen  Spuren  heute  in  Gärten  erkennbar  sind.  Das  Material  der  Mauern  ist 
Bruchstein,  an  dem  Pförtchen  und  der  Schießscharte  gut  zugehauene  Sandsteine.  Das 
erhaltene  Datum  läßt  darauf  schließen,  daß  die  von  uns  geschilderte  Befestigung,  in 
gewissen  Teilen  natürlich  älter,  unter  dem  baueifrigen  Heinrich  VI.  eine  durchgreifende 
Erneuerung  erfahren  hat,  die  indes  erst  nach  seinem  Tode  fertiggestellt  wurde.  Von 
dem  Schloß,  das  wir  uns  nach  der  Art  seiner  Bezeichnung  wohl  als  Tiefburg  zu  denken 
haben,  ist  merkwürdigerweise  auch  im  Plan  nicht  einmal  die  Spur  zu  entdecken.  ( Wth .) 


594 


KREIS  OFFENBURG. 


Kirchliches  Kirchliches.  Mich.  Hennig,  Gesch.  des  Landkapitels  Lahr,  Lahr  1893.  H.  Hans- 

jakob,  Das  Kapuzinerkloster  zu  Haslach  im  Kinzigtal,  FDA.  IV,  S.  135 — 146.  Visi- 
tationsprotokolle über  Haslach,  FDA.  XIV,  S.  274  ff.;  NF.  IV,  S.  294.  Alb.  Ebbecke, 
Ein  Bild  aus  der  bad.  evang.  Diaspora : Entwickelung  der  evang.  Pastoration  des  unteren 
Kinzigtales,  Karlsruhe  1891. 

Die  Kirche  zu  Haslach  wird  verhältnismäßig  spät,  1328,  erwähnt,1)  kurz  hernach 
auch  eine  Kapelle  (1363),  1240  schon  ein  Heinricus  vicarius,  1373  ein  Kilcherr  Nicolaus 
Bökler.  Unter  der  Kollegiatkirche  S.  Laurentius,  die  Krieger  fürs  J.  1470  anführt,  muß 
wohl  die  elsässische  Stiftskirche  Haslach  verstanden  werden,  die  früher  den  Titulus 
S.  Florentius  (Verwechslung  in  Laurentius),  später  den  S.  Trinitatis  hatte.2)  Die  Haslacher 
Pfarrkirche  war  kirchlicher  Mittelpunkt  für  ein  größeres  Gebiet  (Hofstetten,  Mühlen- 
bach, Weiler  und  Steinach)  und  ihr  Patron  der  h.  Arbogast.  Der  Pfarrsatz  und  der 
Zehnt  standen  dem  Grafen  von  Fürstenberg  zu.  In  besonderer  Weise  scheint  sich  Graf 
Heinrich  von  Fürstenberg  die  Pfarrgemeinde  Haslach  verpflichtet  zu  haben,  so  daß  diese 

sich  am  12.  Februar  1485 
urkundlich  bereit  erklärt,  das 
Anniversar  alljährlich  am 
Dienstag  nach  Oculi  hoch- 
feierlich zu  begehen  bei  auf- 
gestellter verdeckter  Bahre 
auf  dem  Grab  des  Grafen ; 
am  Vorabend  solle  Toten- 
vesper unter  dem  Geläute 
der  Glocken  gesungen  und 

Fig.  SJi-  Haslach.  Schießscharte  in  der  äußeren  Stadtmauer.  un^er  Abbetung  des  Psalmes 

Miserere  das  Grab  besucht 

werden,  tags  darauf  durch  zwölf  Priester  die  Vigil  und  drei  Ämter  gesungen  und  andere 
Stillmessen  gelesen  werden.3) 

Lag  hier  auch  nicht  die  anderwärts,  z.  B.  in  Gengenbach,  zur  Reformation  treibende 
Spannung  zwischen  Bürgerbevölkerung  und  Ordensklerus  vor,  so  sorgte  doch  Graf 
Wilhelm  von  Fürstenberg  mit  Nachdruck  hier  wie  überall  im  Kinzigtal  für  Ein- 
führung der  evang.  Lehre.  Schon  1542  konnte  in  Haslach  ein  »gemain  Capittel«  der 
protestantischen  Geistlichkeit  der  Landvogtei  Ortenau  und  der  Herrschaft  im  Kinzigtal 
abgehalten  werden,  wobei  u.  a.  der  Graf  ersucht  wurde,  eine  Visitation  des  Tales  durch 
Hedio  abhalten  zu  lassen.4)  Als  Prädikant  endete  1548  in  dem  Kinzigstädtchen  Magister 
Franz  Beckh,  »ein  gelarter,  frommer,  stiller  mann,  erbar  zichtigs  wandeis,  der  all  sein 
tag  gestudiert  uff  den  furnempsten  universiteten,  auch  selber  schuel  gehalten,  ist  nye 
khein  geweichter  priester  gewesen,  begert  auch  noch  keiner  zu  werden«,  und  neben  ihm 
als  Helfer  und  Schulmeister  Hans  Jerg  Lemp,  der  sich  verheiratet,  bevor  er  seinen 

4)  Fürstenb.  Urk.-Buch  II,  S.  41. 

2)  Vgl.  Grandidier,  Nouvelles  Oeuvres  ined.  III,  S.  87. 

3)  Fürstenb.  Urk.-Buch  IV,  S.  38  ff.  Eine  ganz  gleichlautende  Stiftung  war  unter  dem  gleichen 
Datum  auch  in  Wolfach  gemacht  worden.  Ebenda  S.  38. 

4)  Vierordt,  Gesch.  d.  evang.  Kirche  in  Baden  I,  S.  312.  FDA.  II,  S.  24  ff.  Hennig, 
Gesch.  des  Landkapitels  Lahr,  S.  135. 


AMT  WOLFACH.  — HASLACH. 


595 


Dienst  angetreten.1)  Das  Interim  und  mehr  noch  der  bald  hernach  erfolgte  Tod  des 
Grafen  Wilhelm  stellten  allmählich  die  alte  Ordnung  wieder  her.  Zwar  fand  sich  noch 
1549  nach  dem  Bericht  des  Amtmanns  Jost  in  ganz  Haslach  kein  kath.  Geistlicher,  der 
etwa  der  Überführung  der  Leiche  des  Grafen  Wilhelm  in  die  Gruft  der  Pfarrkirche  hätte 
assistieren  können, 2)  und  auch  die  Prädikanten  des  Kinzigtales  zeigten  sich  wenig  gewillt, 
die  im  Interim  vorgesehene  Rekatholisierung  .der  Gegend  fördern  zu  helfen.  Graf  Friedrich 
aber,  der  Bruder  und  Erbe  Wilhelms  im  Kinzigtal,  unterzog  sich  dafür  dieser  Aufgabe, 
im  allgemeinen  ohne  Härte  und  Schroffheiten. 

Den  kath.  Kult  noch  mehr  zu  festigen  und  zu  erhöhen,  entschloß  sich  1612  Graf 
Christoph  II.,  neben  der  Pfarrkirche  in  Haslach  eine  Kapelle  mit  zwei  Altären  und  eine 
Kaplanei  zu  stiften.  Er  wies  auch  schon  die  Mittel  an,  wandelte  die  Stiftung  aber  noch 
vor  der  Ausführung  in  ein  Klösterlein  für  vier  bis  fünf  Franziskaner  oder  Kapuziner  um. 
Da  er  schon  1614  starb  und  sein  Erbe  Friedrich  Rudolf  noch  unmündig  war,  verschob 
sich  die  Verwirklichung  dieses  frommen  Wüinsches  bis  1630.  Außer  den  schon  1612 
auf  Zinsen  angelegten  Mitteln  wurde  u.  a.  für  die  Klosterstiftung  jetzt  noch  der  zehnte 
Pfennig  aus  dem  Nachlaß  verschiedener  als  Hexen  in  Haslach  damals  justifizierter  Personen 
verwendet.  Am  12.  November  1630  wurde  in  Gegenwart  des  Provinzials  Pater  Columban 
der  Grundstein  gelegt.  Baumeister  waren  Georg  Hofacker  von  Wolfach  und  Michael 
Steiner  von  Haslach,  deren  Kostenanschlag  sich  auf  7377  fl.  belief.  Schon  1632  konnten 
acht  Kapuziner  einziehen.  Es  war  die  Zeit,  da  die  Drangsale  des  Dreißigjährigen  Krieges 
wie  eine  Hochflut  jahrelang  über  die  Gegend  hinzogen.3)  Eine  Plünderung  der  Stadt 
um  die  andere  folgte.  Nur  das  Kloster  blieb  meist  in  all  dem  Wirrwarr  verschont;  da 
der  Pfarrer  Ramsteiner  geflohen  war  und  erst  1643  "’ieder  zurückkehrte,  so  oblag  den 
Kapuzinern  auch  ganz  allein  die  Seelsorge.  Die  Stadtkirche,  die  das  Visitationsprotokoll 
von  1616  als  schmucklos,  ohne  Wandgemälde,  außen  getüncht,  in  gutem  Zustand,  mit 
fünf  würdig  gezierten  Altären  geschildert  hatte,4)  war  jetzt  ausgeplündert  und  entweiht; 
selbst  die  Türschlösser  und  Glockenseile  waren  der  Raubgier  nicht  entgangen.  1661  nahm 
W^eihbischof  Gabriel  Haug  von  Straßburg  die  eigentliche  Konsekration  der  Kapuziner- 
kirche (in  honorem  S.  Christophori)  vor.  Schon  1676  erlitt  die  Pfarrkirche  eine  neuer- 
liche Plünderung  und  Schändung  durch  die  Kaiserlichen,  dagegen  blieb  sie  1704, 
31.  August,  als  das  ganze  Städtchen  durch  die  Franzosen  niedergebrannt  wurde,  ver- 
schont. Ein  Erdbeben  brachte  der  Kapuzinerkirche  1728  beträchtlichen  Schaden  bei. 

Die  Kapuziner  hatten  während  des  17.  Jhs.  durch  eifrige  Missionierung,  besonders 
unter  dem  Guardian  Maximilian  von  Kißlegg,  die  Rekatholisierung  fast  der  ganzen  Herr- 
schaft Geroldseck,  nach  deren  Übergang  an  Österreich  (1649),  bewirkt.  Länger  und 
schwieriger  gestaltete  sich  die  gleiche  Aufgabe  im  Oberprechttal,  wo  die  Kapuziner- 
mission bis  1743  dauerte. 

Ende  des  18.  Jhs.  war  die  Zahl  der  Klosterinsassen  auf  17  gestiegen.  Die 
Reduktion,  die  der  damalige  Guardian  aus  Gründen  der  Disziplin  beantragt  hatte,  trat 
rasch  genug  von  selbst  ein  infolge  der  Kriegszüge  der  neunziger  Jahre,  während  deren 

*)  Vierordt  a.  a.  O.  I,  S.  391.  FDA.  II,  S.  38,  39. 

2)  FDA.  II,  S.  19. 

3)  Vgl.  Konstanzer  Nachr.  1893,  Nr.  30,  31. 

4)  FDA.  XIV,  S.  274,  275. 


596 


KREIS  OFFENBURG. 


Kath  .Pfarrkirche 
Turm 


die  Patres  entweder  im  Leprosenhaus  oder  in  Bürgerhäusern  wohnen  mußten.  1795 
beschränkte  der  fürstliche  Obervogt  die  Zahl  überhaupt  auf  vier;  dem  Guardian  gelang 
es  zwar  noch,  beim  Fürsten  Karl  die  Erlaubnis  zu  erwirken,  mit  acht  Konventualen  das 
Kloster  beziehen  zu  dürfen.  1802  wurde  das  Kloster  in  fürstlichen  Civilbesitz  genommen 
und  bald  hernach  infolge  ärgerlicher  Vorkommnisse  und  innerer  Uneinigkeiten  nach 
einer  vom  Geistlichen  Rat  Burg  geführten  Untersuchung  nominell  aufgehoben  (1823), 
doch  konnten  der  Guardian  Marcellian,  Pater  Leopold,  der,  zuletzt  in  der  Stadt 
wohnend,  1851  starb,  und  ein  Laienbruder  bis  zum  Aussterben  die  Klosterräume 
bewohnen.  Letztere  kamen  1844  an  die  Gemeinde  Haslach.1) 

Grablegen  befanden  bezw.  befinden  sich  noch  in  der  Stadtkirche : außer  der  schon 
erwähnten  des  Grafen  Wilhelm  das  Grab  einer  Gräfin  von  Fürstenberg,  Gemahlin  Gozos 
von  Fürstenberg,  geb.  von  Montfort,  gest.  1341,2)  das  eines  Fürstenbergers,  vielleicht 
dieses  Götz,  seit  1802  in  der  Kirche,  vorher  an  deren  Außenseite,3)  die  Epitaphien 
des  Grafen  Johann  von  Fürstenberg  (gest.  1332)  und  der  Gräfin  Anna,  seiner  Frau 
(gest.  1382  ?),  ehedem  im  Chor,  heute  nicht  mehr  vorhanden.4)  In  der  Gruft  der 
Kapuzinerkirche  wurden  u.  a.  beigesetzt:  der  Gründer  Friedrich  Rudolf  (gest.  1655), 
sein  Sohn  Graf  Maximilian  Franz  (gest.  1681),  Graf  Prosper  Ferdinand  (gest.  1704). 

Neben  der  Kapuzinerkirche  hatte  Graf  Maximilian  eine  kleine  Lorettokapelle  1657 
bauen  lassen  infolge  eines  Gelübdes,  das  er  während  einer  schweren  Erkrankung  in  Rom 
gemacht  hatte.  Eingeweiht  wurde  sie  1661.  Die  Mühlenkapelle  (zu  Ehren  Mariä  Himmel- 
fahrt) ist  um  1622  erbaut  worden;  sie  wird  als  ziemlich  reich  geschildert,  die  Einkünfte 
aber  kämen  niemand  zugut,  sondern  würden  durch  den  Vogt  verwaltet.5)  Eine  dritte 
Kapelle  stand  auf  dem  Friedhof.  Die  Filialkapelle  (S.  Erhardi)  in  Hofstetten  ist  1616 
völlig  restauriert  und  die  »metilis«  (wohl  inutiles)  Bilder  entfernt  worden.6)  (Sauer.) 

Die  kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Arbogastum)  ist  mit  ihrem  Turm  heute  noch,  wie 
schon  1690,  an  das  eine  Zehnthaus  angebaut.  Von  viereckigem  Grundriß,  aus  Bruch- 
steinmauerwerk erbaut,  an  den  Ecken  mit  behauenen  Sandsteinquadern,  steigt  der  Turm 
über  dem  Erdgeschoß  noch  in  drei  weiteren  Geschossen  auf,  deren  zwei  untere  einfache 
Lichtluken  zeigen,  das  oberste  dagegen  einpfostige  Spitzbogenfenster  mit  flamboyantem 
Maßwerk,  die  nach  Osten  und  Westen  teilweise  durch  die  anstoßenden  Dächer  verdeckt 
sind.  Darüber  ein  Pyramidendach.  Die  Stockwerke  des  Turmes  sind  durch  die  übliche 
gotische  Wasserschräge  voneinander  geschieden.  Das  Erdgeschoß  öffnet  sich  nach 
Norden  und  Süden  in  spitzen  Bögen,  deren  Laibung  in  zwei  Hohlkehlen  profiliert  ist, 
nach  Osten,  nach  der  Kirche  zu,  ist  der  Bogen  jetzt  zugemauert  und  enthält  die  Eingangs- 
tiire,  die  Seite  nach  Westen  war  wohl  stets  durch  einen  Anbau  abgeschlossen.  Das 
Erdgeschoß  ist  von  einem  Netzgewölbe  überdeckt,  dessen  Rippen  das  übliche,  nur  ein- 
mal hohlgekehlte  Profil  der  Spätzeit  zeigen. 

4)  Vgl.  Hansjakob  in  FDA.  IV,  S.  135  ff.;  FDA.  XVIII,  S.  195. 

2)  Aus  der  Freib.  Predigerkirche  1802  in  die  Haslacher  Kirche  überführt  (vgl.  Allg.  Intelligenz- 
und  Wochenbl.  für  das  Land  Breisgau  1802,  Nr.  74,  75).  Fürstenb.  Urk.-Buch  II,  S.  145. 

3)  Fürstenb.  Urk.-Buch  II,  S.  149. 

4)  Fürstenb.  Urk.-Buch  II,  S.  1 1 7,  326. 

°)  Visitationsbericht  von  1692,  FDA.  NF.  IV,  S.  295. 

6)  FDA.  XIV,  S.  275. 


AMT  WOLFACH.  — HASLACH. 


597 


Am  Äußern  des  Turmes  über  der  nördlichen  Bogenöffhung  befindet  sich  eine 
Tafel,  von  sich  kreuzendem  Stabwerk  umrahmt,  mit  der  Inschrift: 

%\\  11D  l 
bm  i (R  l 
cccc  i imi 

Am  Rahmen  noch  einmal  die  Jahreszahl  • I • Ä • $ • I •,  wonach  also  auch  dieser  Bau 
unter  der  segensreichen  Regierung  Heinrichs  VI.  entstanden  ist. 

In  der  Westseite  des  Erdgeschosses  eingemauert  ein  Relief  (Sandstein),  darstellend 
den  Sündenfall  (s.  Fig.  332).  Links  zwischen  zwei  romanisch  stilisierten  Bäumen  die 
sehr  ungefügen  Gestalten  Adams  und  Evas,  rechts  Gott -Vater  mit  dem  Kreuznimbus  und 
eine  mir  nicht  deutbare  kleine  Gestalt,  beide  offenbar  in  Wolken,  was  wohl  die  Zacken 


Fig.  SS2-  Relief  im  Turme/ dgeschoß  der  kath.  Pfarrki/che  in  Haslach. 

bedeuten  sollen.  Das  Relief  ist  im  Rundbogen  geschlossen  durch  ein  stark  hervor- 
tretendes Flechtband,  es  ist  an  der  linken  Seite  beim  Einfügen  in  diese  Wand  abgestückt 
worden  (hoch  95  cm,  breit  1,70  m).  Wir  haben  es  zweifellos  mit  dem  Tympanonrelief 
einer  romanischen  Kirche  etwa  aus  dem  12.  Jh.  zu  tun  und  dürfen  vielleicht  annehmen, 
daß  diese  im  15,  Jh.  der  größeren  Einwohnerzahl  nicht  mehr  genügte,  weshalb  Hein- 
rich VI.  den  Neubau  begann,  von  dem  heute  auch  nur  noch  der  Turm  steht.  Denn 
das  heutige  Langhaus  ist  ein  späterer  Erneuerungsbau  des  1 8.  Jhs.  nach  den  Franzosen- 
kriegen, in  denen  die  Kirche  offenbar  sehr  gelitten  hatte.  Der  alte  gotische  Bau  war 
nicht  so  hoch,  wie  daraus  ersichtlich,  daß,  von  dem  heutigen  Dach  bedeckt,  das  Gesims 
des  dritten  Turmstockwerkes  auch  hier  noch  herumführt.  Das  heutige  Langhaus  ist  ein 
schlichter,  einschiffiger  Bau  ohne  Querschiff,  mit  einem  Chor,  der  in  drei  Seiten  des 
Achtecks  schließt  und  sich  nach  dem  Langhaus  in  flachem  Bogen  öffnet.  In  beiden 
flache  Stuckdecke  mit  wenigen,  aber  gefälligen  Stuckornamenten.  Ebensolche  auch 


Langhaus 


598  KREIS  OFFENBURG. 

an  den  Wänden  der  Kirche,  feine  Frucht-  und  Blattgehänge  an  den  Lisenen,  die  das 
Langhaus  gliedern,  auch  eine  Anzahl  Symbole,  sowie  feine  Girlanden  über  den  Rundbogen- 
fenstern. An  der  Orgelbrüstung  Musikornamente  in  Palmenkränzen,  alles  Arbeiten  vom 


Fig.  JJS- 

Grabplatte  der  Anna  von  Fürstenberg,  gestorben  1341,  in  der  kath.  Pfarrkirche  zu  Haslach. 


Tafel  XX 


Haslach,  Grabstein  des  Gbtz  von  Fürstenberg. 


AMT  WOLFACH.  — HASLACH. 


599 


Anfänge  des  18.  Jhs.  Das  Äußere  ist  durchaus  schmucklos,  nur  durch  die  Fenster 
gegliedert.  ’) 

Von  der  Innenausstattung  erwähne  ich  die  zwei  Seitenaltäre  im  üblichen  Pilaster- Innenausstattung 
aufbau  des  18.  Jhs.;  die  Orgel  mit  reicherer  Rocailleschnitzerei,  Figur  des  musizierenden 
Davids  und  zweier  Engel,  wie  auch  die  Orgelbühne,  beide  jedenfalls  schon  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  18.  Jhs.  Ebenso  die  wie  immer  wirkungsvolle  Kanzel.  Einige 
Ölgemälde,  Durchschnittsarbeit  der  gleichen  Zeit;  desgleichen  ein  holzgeschnitztes 
Kruzifix. 

Auf  dem  neuen  Hochaltar  aufgestellt  zwei  flotte  Barockbüsten  des  Petrus  und 
Paulus,  Holz.  (1876.) 

An  der  Nordwand  der  Kirche  jetzt  aufgestellt  (früher  am  Äußern)  der  sogen. 

»steinerne  Mann  von  Hasle«,  die  Grabplatte  eines  Grafen  von  Fürstenberg.  Der  Kopf  Grabplatten 
ruht  auf  dem  großen  Topfhelm,  an  dessen  Büffelhörnern  Tragbänder  angebracht  sind, 
die  Füße  ruhen  auf  einem  Löwen  (Tafel  XXI).  Der  Graf  trägt  den  Kettenpanzer  mit 
der  Beckenhaube  und  anschließender  Kettenkapuze,  den  Waffenrock,  auf  seiner  linken 
Hüfte  der  Schild  mit  dem  Wappen,  neben  seiner  rechten  Seite  liegt  das  Schwert  mit 
dem  Wehrgehäng.  An  seinen  Füßen  die  angeschnallten  Sporen.  Er  schaut  klotzig  und 
kriegerisch  drein,  was  der  derben  Hand  des  Bildhauers  zuzuschreiben  ist,  aber  nicht 
schlecht  zu  dem  1341  verstorbenen  Grafen  Götz  paßt.  Ihn  dürfen  wir  in  dem  Dar- 
gestellten sehen. 

Zwar  hat  Essenwein  im  »Anzeiger  ftir  Kunde  der  deutschen  Vorzeit«  1880,  S.  241,  geltend 
gemacht,  das  Denkmal  zeige  so  altertümliche  Formen  der  Rüstung,  daß  es  wohl  noch  dem  Schlüsse 
des  13.  Jhs.  angehören  könnte.  Demgegenüber  hat  Riezler1 2)  darauf  hingewiesen,  daß  genealogische 
Gründe  die  Identifizierung  mit  keinem  anderen  Fürstenberg  gestatten.  Auch  scheint  mir  diese  Tracht 
noch  in  der  ganzen  ersten  Hälfte  des  14.  Jhs.  herrschend  zu  sein.3)  Erst  um  1340  und  1350  voll- 
zieht sich  hier  der  große  Umschwung.  (Sandstein  2,48  m hoch,  1,33  m breit.) 

Diesem  Grabmal  gegenüber  das  der  Gemahlin  des  Götz,  der  Anna  von  Fürsten- 
berg geb.  von  Montfort,  die  wenige  Monate  vor  ihrem  Gemahl  gestorben  ist  (s.  Fig.  333). 

Sie  wurde  in  der  Dominikanerkirche  zu  Freiburg  beigesetzt;  erst  1802  ist  der  Grabstein 
hierher  übertragen  worden.  Er  ist  jetzt  2,60  m hoch  und  1,05  m breit,  zeigt  das 
Fürstenbergsche  und  das  Montfortsche  Wappen  in  flachem  Relief,  darüber  den  Topfhelm 
mit  den  Büfifelhörnern.  Durch  die  Einmauerung  des  unteren  Randes  in  den  Fußboden 
ist  die  Umschrift  hier  teilweise  zerstört.  Sie  lautet : 

II  mino  o di»  o d 0 ccc  / xli  ° m ° Die  o rylhrii_°  & ° Dnsr  ° jma  ° 

VXOR  ° D . . / comi  / SIS  o D o HVRSSBrG  ° ß ÄSH  ° D€  ° 

WVßSRORT  o II 

1)  Im  Jahre  1907  hat  ein  Erweiterungsbau  der  Kirche  stattgefunden,  das  Langhaus  der  alten 
und  der  Turm  blieb  erhalten,  der  Chor  wurde  abgebrochen,  um  für  eine  Verdoppelung  des  Lang- 
hausraumes Platz  zu  schaffen.  Neben  dem  neuen  Chor  wurde  ein  zweiter  Turm  errichtet  in  spätem 
Barockstil  mit  Zwiebeldach.  — Die  Seitenaltäre  und  die  Kanzel  konnten  in  dem  neuen  Bau  nicht 
mehr  verwendet  werden.  — Die  Stuckdekoration  des  alten  Langhauses  wurde  im  neuen  fortgeführt. 

2)  Riezler  a.  a.  O.  S.  257.  Ebenda  auch  eine  Abbildung  des  Grabmals  sowie  der  weiter 
unten  erwähnten  Grabplatte  der  Anna  von  Fürstenberg. 

3)  Siehe  die  Beispiele  bei  Hefner-Alteneck,  Trachten,  Kunstwerke  und  Gerätschaften 
vom  frühen  Mittelalter  bis  zum  18.  Jh.,  Bd.  III2.  — Über  den  Grabstein  s.  auch  Näher,  Die 
Ortenau,  S.  46. 

Band  VII. 


39 


6oo 


KREIS  OFFENBURG. 


Glocken 


Kirchengeräte 


Kapuzinerkloster 


Von  den  Glocken  trägt  die  größere  die  Inschrift: 

in  öcm  jor  ba  man  satt  nucccixxxxm  tuarb im  namcti  gotcsä 

a rer  gloric  criftc  lieni  cum  pace. 

Nach  einer  schriftlichen  Mitteilung  Mones  ist  sie  ein  Werk  des  Georg  von  Gundheim  (?). 
Die  kleinere  trägt  die  Aufschrift: 

anno  bomini  mcccclxxxx  jor  taarb  iclj  gegoffcn  d rer  gtarie  crcbeni  cum  pace. 

Eine  dritte  Glocke  stammt  von  1595  mit  dem  Namen  Susanna,  einem  aufgelöteten 
Relief  des  Gekreuzigten  mit  Maria  und  Johannes  sowie  mir  nicht  lesbarer  Inschrift. 

An  Kirchengeräten  ist  zu  erwähnen : Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  Rocaille- 

I A 

omamenten,  Zeichen : ^ ; desgleichen,  von  gleicher  Arbeit  in  sehr  flüssigem  Rocaillestil, 

G I 

Augsburger  Zeichen,  darunter  K und  ^ ; desgleichen,  silbervergoldet,  mit  eingravierten 

Ornamenten  am  Fuß  und  aufgelegtem  silbernen  Rankenwerk  an  der  Cuppa;  Speise- 
kelch, silbervergoldet,  getrieben,  mit  Rocailleornamenten ; Meßkännchen  mit  der  Platte, 
silbervergoldet,  sehr  hübsch  getrieben,  die  Kännchen  mit  Rankenornament,  die  Platte 
mit  Früchten,  an  allen  dreien  steht  eingraviert:  Jac.  Lipp;  kein  Goldschmiedezeichen, 
etwa  um  1700;  große  Sonnenmonstranz,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  den  Relieffiguren 
der  Heiligen  Arbogast  und  Michael  in  dem  Rankenornament,  mittelgute  Arbeit,  ohne 
Zeichen;  Wettersegen,  in  gleichem  Material  und  gleicher  Technik  mitRocailleornament;  der 
sechspaßförmige  Fuß  mit  Maßwerkornament  und  eingravierter  Figur  des  h.  Christophorus 
scheint  älter  zu  sein  und  noch  aus  dem  16.  Jh.  zu  stammen;  ein  Weihrauchfaß,  silber- 
getrieben, mit  Rocailleornament,  und  ein  Schiffchen  des  gleichen  Stils ; ein  Meßbuch  mit 
gravierten  Beschlägen  und  unter  der  Jahreszahl  1700  eingraviertem  Wappen  des  Pfarrers 
Lipp,  auf  der  Rückseite  in  rundem  Schild  Sämann. 

Das  Kapusinerkloster , zu  dem  (s.  oben)  1630  der  Grundstein  gelegt  wurde,  ist 
ein  Komplex  von  sehr  schlichten  Gebäuden,  wie  es  bei  den  damaligen  geringen  Mitteln 
während  des  Dreißigjährigen  Krieges  nicht  anders  sein  konnte:  die  einschiffige,  von 
Norden  nach  Süden  gerichtete  Kirche  mit  geradem  Chorabschluß,  daran  anstoßend  die 
Sakristei,  an  die  östliche  Chorwand  angebaut  die  Totenkammer.  Gegen  Westen  die 
Klostergebäude,  östlich  von  der  Kirche  liegt  die  furstenbergische  Grabkapelle,  der 
Madonna  von  Lorretto  geweiht. 

Die  Kirche  (ad  S.  Christophorum),  jetzt  Simultankirche,  einschiffig,  mit  quadratischem 
Chor  und  schlichter  flacher  Decke.  Das  Äußere  wird  nur  durch  die  Rundbogenfenster 
gegliedert,  über  dem  Chorbogen  ein  kleiner  Dachreiter.  Ein  rundbogiges  Portal  führt 
an  der  Nordfassade  hinein,  darüber  in  reicher  Rollwerkumrahmung  mit  gebrochenem 
Volutengiebel,  über  dem  ein  Obelisk,  eine  Sandsteinplatte  mit  dem  Wappen  des  Gründers 
und  der  langen  Inschrift,  die  anfängt: 

FRIDERIC  ■ RUDOLPH  • COMES  DE 
FÜRSTENB : HEILGENB  : ET  WER 
DENBERG  • LANDGRAV  • IN  BAHRE 
DNS  IN  HA/SEN 
etc. 

MDCXXXI 

An  dem  Portal  die  Jahreszahl  1733. 


AMT  WOLFACH.  - HASLACH. 


601 


Von  der  Innenausstattung  bemerkenswert  die  Altäre : der  Hochaltar,  großer  Innenausstattung 
Barocksäulenaufbau,  teilweise  eingelegt,  mit  reicher  Rocailleschnitzerei  aus  der  Mitte  des 
18.  Jhs.  und  einem  Gemälde  der  Krönung  Mariä  aus  der  Mitte  des  17.  Jhs.,  von  einem 
italienisierenden  Meister,  der  von  der  Barroccioschule  beeinflußt  ist.  In  der  Mitte  der 
anwesenden  Heiligen  kniet  ein  Mann  in  spanischer  Tracht,  wohl  der  Stifter  der  Kirche. 

Im  Aufsatz  eine  Verkündigung  des  gleichen  Stils.  Die  beiden  Seitenaltäre  im  gleichen 
Barockaufbau  mit  Rocailleschnitzerei.  Der  östliche  umschließt  ein  Gemälde,  den  Tod  des 
h.  Joseph  darstellend,  Durchschnittsarbeit  des  18.  Jhs.,  der  westliche  ein  solches  mit  dem 
Tode  des  h.  Fidelis  von  Sigmaringen  von  einem  Nachahmer  der  spanisch-napolitanischen 
Malerschule.  In  den  Aufsätzen  beider  Altäre  unbedeutende  Brustbilder  von  Heiligen. 

Auf  dem  östlichen  noch  eine  Holzstatue  der  Pieta,  18.  Jh.  — Die  Kirche  ist  mit  einer 
schlichten  Stabdecke  gedeckt. 

An  der  Westwand  der  Kirche  große  Inschrifttafel  von  schwarzbemaltem  Holz, 
flankiert  von  großen,  gewundenen  Säulen,  die  gebrochenen  Giebel  tragen,  umgeben  von 
reichem  Volutenwerk  und  versehen  mit  dem  ftirstenbergischen  Wappen.  Auf  der  Haupt- 
tafel steht: 

D • O • M • 

FRIDERICO  RUDOLPHO  COMITI  A FÜRSTEMBERG 
LANDGRAVIO  IN  BAARE  ET  STUELINGEN 
DOMINO  IN  HOCHENHEWEN,  ET  HAUSEN  VALLIS 
KINTZIGI AN A E • etc. 

SRI  • CAES:  MTIS  A CONSILIO  IMPERI ALI  AULICO 
ET  AULICO  BELLICO  etc. 

HUIUS  MON ASTERII  ET  TEMPLI 
FUND  ATORI 
QU1 

CUM  IN  MUNDI  HUIUS  THEATRO  PAREM  SE  MAG  = 

NIS  N EGOTIIS  EXCELSO  ANIMO  DIU  PROBASSET 
TANDEMQUE  IN  RERUM  HUMANARUM  TRACTATIONE 
MULTUM  MISERI ARUM  COMPERISSET  MILITIAL  ET  AU  = 

LAE  EMERITUS  HANC  CRYPTAM  SIBI  ET  POSTERIS 
NEC  ENIM  IPSIS  MELIOR  PARANTUR 
EXSTRUI  MANDAVIT 
TU  BONE  LECTOR 

BENE  ET  E MORTE  VITAM  PRECARE 
OBIIT  D ATSCHITII  IN  MORAVIA 
26  • $~BRIS 

ANNO  • I • 6 • 5 • 5 • 

VIXIT  ANNOS  • 5}  ■ M • 6 • D • } . 

Unten  am  Postament  eine  weitere  schwarze  Tafel  mit  der,  wie  die  obere,  ver- 
goldeten Inschrift : 


39 


002 


KREIS  OFFENBURG. 


Kanzel 

Kruzifix 

Ölgemälde 

Holzgitter 

Winterchor 

Kapelle 

Bildstöcke 

Klosterfriedhof 


Friedhof 

Friedhofskapelle 


Innenausstattung 

Grabplatte 


Außeres 


MAXIMILIANVS  FRANCISCVS  Comes  de  Fiirsteberg  Land 
gravius  in  Bahre  et  Stiiellinge  Dominus  in  HoKeheiie  & Haus~e  Vallis  Kynzing  • 
S • C • M • Camerar  • et  Equitü  Dux  Frid:  Rud:  Films 
ob\\t  WgeslYAo  qVarto  oQtobrls  VI Val  Deo,  s\t  perehls  Ipsl  gLorla 
VI XI / et  s V perne  posltos,  q V os  \t[q\e  praeterlre  liö  potWt 
statVtos 

sVos  sVi  staut  Posterls 

SIC  SIMILIS  patri  natus,  eritqj  nepos. 

Also  1742  von  dem  Sohne  des  Maximilian  Franz  errichtet.  — Unter  der  Kirche 
die  Gruft  dieser  Fürstenberge. 

Eine  Kanzel  mit  Rocailleverzierung  und  gleicher  Ausgestaltung  wie  die  Altäre. 

Am  Triumphbogen  ein  holzgeschnitztes  Kruzifix  in  halber  Lebensgröße,  mittlere 
Arbeit  des  18.  Jhs.,  in  der  Kirche  noch  ein  etwas  geringeres  aus  dem  17.  Jh. 

An  den  Wänden  in  ovalem  Rahmen  Ölgemälde,  den  h.  Arbogast  darstellend, 
weiterhin  noch  eine  Kreuzigung,  Durchschnittsarbeiten  des  18.  Jhs. 

Vorn  ist  die  Kirche  durch  ein  Holzgitter  mit  geschnitztem  Rocailleornament 
abgeschlossen,  das  den  Laien  den  Einblick  in  die  Kirche  gestattete. 

An  die  südliche  Abschlußwand  des  Chores  stößt  die  Sakristei  bezw.  der  Winter- 
chor an,  mit  Kreuzgratgewölbe  überdeckt. 

Die  nordöstlich  von  der  Kirche  stehende  fürstenbergische  Kapelle  ist  ein  schlichter, 
fensterarmer  Bau  mit  hölzernem  Dachreiterchen.  An  ihrer  Osttüre  die  Jahreszahl  1720. 

Vor  ihr  stehen  zwei  Bildstöcke : einer  mit  dem  fürstenbergischen  Wappen  und 
der  Jahreszahl  1749,  der  andere  mit  säulenartig  gebauchtem  Sockel,  datiert  1700. 

Zwischen  ihm  und  der  Kirche  liegt  der  Klosterfriedhof , auf  dessen  schlichten, 
teilweise  in  die  Erde  versunkenen  Steinen  die  Inschriften  nicht  mehr  lesbar  sind. 

An  die  Westseite  der  Kirche  schließt  das  Konventsgebäude  an,  ein  einfacher  Bau 
aus  Bruchsteinen  und  Riegelwerk,  der  einen  einfachen  Kreuzgang  mit  vierkantigen  Holz- 
stiitzen  des  Oberbaues  umschließt.  Wiederhergestellt,  gäbe  der  Kreuzgang  ein  sehr 
malerisches  Bild  ab.  An  seiner  Südostecke  die  Küche  mit  mächtigem  Rauchfang. 

Nördlich  vor  der  Stadt  liegt  der  Friedhof  mit  der  Friedhofskapelle,  eine  kleine, 
einschiffige,  gotische  Kapelle  mit  geradlinig  abgeschlossenem  Chor,  der,  von  gleicher 
Breite  wie  das  Langhaus,  sich  nach  diesem  in  gedrücktem  Spitzbogen  öffnet.  Auf  beiden 
Seiten  je  ein  kleines,  gekuppeltes  Spitzbogenfenster.  Der  Bau  aus  Bruchsteinmauerwerk 
mit  Sandsteingewänden  ist  wohl  spätmittelalterlich,  aber  nicht  genauer  zu  datieren. 

Innenausstattung:  Kleiner  Hochaltar  mit  Rocailleornamenten  und  einem  Ölgemälde 
der  Krönung  Mariä  von  einem  Provinzmaler  des  17.  Jhs  ; Seitenaltar  mit  gewundenen 
Säulen  und  rohem  Gemälde  mehrerer  Heiligen. 

Vor  dem  Chorbogen  liegt  eine  schmale  Grabplatte,  schräg  rechtsgeteilt,  mit  zwei 
Hirschhörnern  in  den  Feldern,  laut  Inschrift,  soweit  lesbar,  des  Christophorus  von  Horn- 
stein, gestorben  1758.  An  der  Empore  auf  Holz  gemaltes  Wappen  des  Kanonikus  Lipp 
aus  Straßburg,  des  Stifters  oder  Renovators  der  Kapelle.  — Derbes  Holzkruzifix  des  18.  Jhs. 

Eine  Rundbogen tür  mit  Hohlkehle,  Rundstab  und  Volutenablauf  führt  an  der 
Fassade  in  die  Kapelle;  an  der  Südseite  eine  ähnliche  mit  der  Jahreszahl  1603;  was  also 
offenbar  das  Datum  der  Erneuerung  der  Kapelle  vor  der  Zerstörung  in  den  Franzosen- 
kriegen gibt. 


AMT  WOLFACH.  — HASLACH.  603 

An  der  Außenwand  eine  Anzahl  von  Epitaphien  eingemauert : 

1.  Korinthische  Pilaster,  die  Gebälk  und  Volutengiebel  tragen,  an  dem  trauernde 
Putten,  umrahmen  die  mit  Beschlägornament  verzierte  Nische,  in  der  in  Hochrelief 
gearbeitet  rechts  (heraldisch)  von  dem  Gekreuzigten  der  Vater  mit  zwei  Söhnen,  links 
die  Mutter  mit  zwei  Töchtern  kniet;  über  ihren  Köpfen  die  Inschriften,  und  zwar 

rechts : 

SIMON  FINCH  HANS  BENEDICK  FINCK  CHRISTOFFL  FINCH 

links: 

MARTHA  LIPPIN  MARGRET  DRADEA  GEBERIN  MARGRETA 

ANNA  MADENA. 

Unter  der  Nische  eine  Rollwerkkartusche  mit  der  Inschrift: 

AUF  SONDTAG  DEN  16  JUNY  1611  : STARB 
DIE  EHREN  ÜND  TUGENDREICH  FR  AÜW; 

MARTHA  LIPPIN  HERR  SIMON  FINCK  OBERR 
AMBTMANNS  ZÜE  HASLACH  EHELICHE 
HAÜS  FR  AÜW  DEREN  GOTT  GENAT 

Eine  etwas  derbe  Renaissancearbeit.  (Gelber  Sandstein.)  Die  Begrabenen  sind 
die  Stifter  des  Finckschen  Bezirks-Almosenfonds. 

2.  In  Rocaillekartusche,  mit  fünfzackiger  Krone  gekrönt,  das  Allianzwappen  der 
Begrabenen,  darunter  die  Inschrift  (in  Kapitale),  nach  welcher  hier  liegt  begraben  die 
frey  reichs  hochwohlgeborne  Frau  Maria  Theresia  von  Pleyer  gebohme  von  Reithling 
des  gottseeligen  Frey  Reichshochwohlgebohrnen  herren  Carl  Antoni  Pleyer  von  und  zue 
Ramsteinweiler  hochfürstl.  Fürstenbergischen  Forstmeistern  geweste  Ehefraw  ihres  Alters 
71  starb  gottseelige  den  8ten  decembris  1764.  spriche  ruehe  in  den  frinden  • amen. 
(Roter  Sandstein.)  Einfache  Arbeit. 

3.  Der  Grabstein  des  Franz  Schaller,  Priester,  von  1789,  Sandstein,  mit  Kelch, 
Oblate  und  Stola;  langatmige  Inschrift. 

4.  Wappen : schräg  geteilt,  im  Schrägbalken  drei  Lilien,  unten  rechts  in  Gold  ein 
Dreiberg,  oben  in  Gold  ein  Vogel,  darunter  die  Inschrift  in  Kapitale:  hic  sita  sunt  ossa 
praen.  d.  Joseph:  Ant:  Romani  Gebelede  Waldstein  Cons.  Aul.  S.  P.  de  Fürstenberg 
obiit  pridie  nonarum  octob.  aeta.  77  • R.  I.  P.  (Sandstein,  ohne  Jahreszahl,  Mitte  18.  Jhs.) 

Am  Eingang  von  Hausach  her  schlichte  kleine  Kapelle  von  1722.  Uber  der 
Tür  derbes  Gemälde  des  h.  Nepomuk,  im  Innern  kleiner  Barockaltar  mit  gewundenen 
Säulen,  ganz  erfreuliches  Werk  der  Gattung.  In  der  Nische  Holzstatuette  der  Madonna, 
18  Jh.,  am  Antependium  gemalt  die  Immaculata  im  Rosenkranz. 

Gegen  die  Stadt  zu  Bildstock  des  17.  Jhs.  Von  Profangebäuden  ist  zunächst  zu 
erwähnen  das  Rathaus , das  in  zwei  Dritteln  seines  Erdgeschosses  eine  offene  Halle  ent- 
hält, die  sich  in  Rundbögen  auf  Pfeilern  nach  Hauptstraße  und  Marktplatz  öffnet.  Am 
Äußern  dieser  Halle  eine  Sandsteinplatte  eingemauert:  Pilaster  flankieren  das  fürsten- 
bergische  Wappen,  unter  dem  die  Inschrift: 

ALBRECHT  : GRAVE  : ZU  : FÜRSTENBERG  : HEI 
LGEBERG  UND  : WERDENBERG  : LANDGRAVE  : 

IN  BARE  : ÜD  HERR  ZU  : HUSEN  : IM  : KINIZ 
GERTHAL. 

An  dem  abschließenden  Gebälk : I • 5 • 7 • 2 • 


Epitaphien 


Kapelle 


Bildstock 

Rathaus 


604 


KREIS  OFFENBURG. 


Pokal 


Ein  geriefelter  breiter  Wulst  trennt  das  in  Haustein  aufgeführte  Erdgeschoß  von 
dem  in  Riegelbau  errichteten  Obergeschoß.  Vermutlich  ist  der  Bau  des  Grafen  Albrecht 
in  den  Franzosenkriegen  zerstört  und  nachher  wieder  aufgebaut  worden.  (Renoviert  1902.) 


Fig.  jjj.  Fenster  mit  gemalter  C mrahmung  an  dem  ehemaligen  Fürstlich  fiirslenbo gischen 

Zehnthaus  in  Haslach. 


Hier  wird  aufbewahrt  ein  silbervergoldeter  Pokal , von  Astwerk  und  Blättern  ^der 
Haselstaude)  getragen,  auf  dem  Deckel  eine  kleine  Blume  in  Silberfiligran.  Eingraviert 
an  dem  Bauch  des  Gefäßes  ein  Wappen:  schräg  linksgeteilt,  im  Schrägbalken  drei 
Sterne,  oben  heraldisch  rechts  ein  Kreuz,  unten  links  ein  Kelch  sowie  die  Inschrift . 
»Caej.  M.  Jacob  Lipp.  S.S.  S.S  CCC.  Not.  Apost:  Vice^  official:  Archip:  et  par:  in: 
Hasct  Geboren  zu  Haslach  Anno  1640.  Pfarrherr  worden  Anno  1669  & Gestorben  allda 
Aho  1700.«  Auf  der  anderen  Seite  das  Wappen  der  Stadt  und  die  Jahreszahl  1700; 
also  eine  Vermächtnisstiftung  des  Pfarrers  Lipp.  Das  Straßburger  Beschauzeichen  dieser 

IT 

Zeit,  die  Lilie,  darunter  1}  und  q . 

Ebenda  noch  ein  Holzstab  mit  messingener  Schwurhand,  angeblicher  Rats- 
herrnstab. 


AMT  WOLF  ACH. 


HASLACH. 


Östlich  und  westlich  von  der  Kirche  stehen  die  fürstenbergischen  Zehnthäuser: 
das  westliche,  an  den  Turm  angebaute  diente  zur  Aufbewahrung  des  abgelieferten 
Weines  und  ist  ein  einfacher  Bruchsteinbau  mit  schmalen  Lichtöffnungen,  an  den  Ecken 
Sandsteinquader.  Das  östliche,  zur  Aufbewahrung  des  Getreides  dienende,  in  der 
gleichen  Technik  erbaute 
zeigt  in  seinen  zwei  Stock- 
werken unregelmäßig  ver- 
teilte geradsturzige  Fenster, 
deren  Laibungen  hohl- 
gekehlt sind,  mit  Voluten- 
endigung, welches  Motiv 
sich  auch  an  den  kleinen 
Kellerfenstem  und  an  der 
rundbogigen  westlichen  Fin- 
gangstür  (mit  Rhomboid- 
rosetten  an  der  Archivolte) 
wiederholt.  Den  Fenstern 
der  oberen  Stockwerke 
ist  eine  architektonische 
Scheinumrahmung  gegeben 
von  gebrochenen  Giebeln 
mit  Vasen  etc.,  unten  mit 
geradem  Gebälk  (Fig.  334). 

Zwischen  dem  ersten  und 
zweiten  Stockwerk  zieht 
sich  eine  gut  ausgearbeitete 
gotische  Wasserschräge 
bezw.  Gurtgesims  hin. 

An  der  Südseite  treffen 
wir  ein  kleines  Spitzbogen- 
fenster. Ein  stehen  ge- 
bliebener Mauerrest  be- 
stätigt die  Vermutung,  daß 
das  Gebäude  nach  vermut- 
licher Zerstörung  in  den 
Franzosenkriegen  mit  Be-  Fig.  jJS-  Tür  am  Haus  Nr.  jo  in  Haslach. 

nutzung  des  Alten  um- 

gebaut  worden  ist.  Heute  ist  es  vom  Erdboden  verschwunden,  es  hat  dem  Erweiterungs- 
bau der  Kirche  weichen  müssen. 

Von  Privathäusern  ist  zu  erwähnen:  Haus  Nr.  50,  Jos.  Haberstroh,  von  dessen 
spätgotischer,  schöner  Türe  aus  weißem  Sandstein  mit  Hohlkehlen,  Rundstäben  auf 
steilen  kleinen,  geriefelten  Basen,  oben  in  einem  Kielbogen  endigend,  der  von  einem 
Rundbogen  durchschnitten  wird,  unsere  Fig.  335  ein  Bild  gibt.  Die  holzgeschnitzten 
Türflügel  sind  ein  gutes  Beispiel  des  ausgehenden  Louis  XVI.- Stils. 


Zehnthäuser 


Privathäuser 


6o6 


KREIS  OFFENBURG. 


Gutleutbriicke 


Brunnen 


Wasserspeier 


Hauptstraße  Nr.  67  ist  ein  leider  verputzter,  ursprünglich  jedenfalls  sehr  malerischer 
Riegelbau  mit  den  hölzernen  Fensterecken,  im  Innern  einfache,  quadratisch  gemusterte 
Holzstabdecken. 

Ebenda  Nr.  70  ein  ebenfalls  verputztes  Fachwerkhaus;  über  der  Tür  steht: 

I 7 • HAK  • * • M • B • Z O • 

Außerdem  noch  zu  erwähnen  die  Häuser  in  der  Hauptstraße  Nr.  45,  58,  67,  71, 
72,  in  der  Eisenbahnstraße  Nr.  57  als  verputzte  Fachwerkhäuser. 

Die  Gutleutbriicke , die  dem  Namen  nach  zu  einem  ehemaligen  Gutleuthaus  führte, 
ist  ein  steinerner  Bau  mit  zwei  Bogenspannungen ; auf  der  Brüstung  zu  beiden  Seiten 


je  eine  Statue,  einmal  die  Madonna  in  bauschigem  Gewand,  an  dem  Sockel  die  Inschrift : 

CIVITAS 
ME  FIERI 
CVRAVIT 
ANNO  • 175}  • 

Gegenüber  der  h.  Nepomuk  mit  gleicher  Inschrift.  Beide  zweidrittellebensgroße,  dekorativ 
wirksame  Gestalten  in  der  schwungvollen  Haltung  des  Barock.  Hoffentlich  bleibt  die 
für  das  Ortsbild  so  wichtige  Brücke  erhalten. 

Auf  dem  Marktplatz  ein  Bninnen  (s.  Fig.  336),  die  Schale  in  vierfacher,  konkaver 
Einziehung  und  mit  interessanter  Voluten-  und  Blattendigung  am  Überlauf.  An  dem 
konkav  eingezogenen  Postament  des  Brunnenstockes  die  Maskarons,  aus  deren  Mund 
die  Röhren  hervorkommen,  darüber  die  gebauchte  Brunnensäule.  Auf  deren  korinthi- 
sierendem  Blattkapitell  die  wohl  spätere  Statue  des  h.  Sebastian.  Das  Ganze  ein  gutes 

Spätrenaissancewerk  aus  dem  Ende  des  17.  Jhs.  Am  Postament  das  Zeichen: 

An  einem  Haus  befand  sich  ehemals  ein  guter  schmiedeeiserner  Wasserspeier 
mit  Drachenfigur. 


AMT  WOLKACH.  — HAUSACH. 


607 


Am  Südausgang  der  Stadt  ein  Bildstock  mit  origineller  Überleitung  aus  dem  vier- 
eckigen Postament  in  den  runden  Pfosten,  an  dessen  oberem  Ende  vorkragende  Voluten 
die  Ädicula  tragen. 

Bei  Herrn  Hubert  Steider  befinden  sich  einige  Altertümer : eine  holzgeschnitzte, 
drittellebensgroße  Statue  der  Madonna  mit  teilweise  neuem  Kind,  Durchschnittsarbeit 
aus  der  Mitte  des  16.  Jhs. ; eine  fast  lebensgroße  Statue  des  h.  Michael,  mit  dem 
Schwert  den  Drachen  tötend,  tüchtige  Arbeit  vom  Ende  des  17.  Jhs.,  angeblich  aus  dem 
Kapuzinerkloster;  einige  kleinere  Barockskulpturen:  Dreifaltigkeit,  Michael,  Engel, 
Christus  auf  der  Weltkugel  aus  dem  17. — 18.  Jh. ; ein  Türrelief  der  Dreifaltigkeit  aus 
dem  16.  Jh.,  von  einem  hiesigen  Hafner  stammend;  eine  kleine  Tongruppe:  Putten  mit 
Trophäen,  etwa  um  1700;  ein  paar  recht  zerstörte,  aber  gute  Schränke  bezw.  Schrank- 
türen aus  dem  17.  Jh.;  eine  Schwarzwälderuhr  mit  getriebenem  Zifferblatt,  18.  Jh. ; 
geschnitzter  Rokokorahmen  und  desgleichen  Konsole;  ein  kleines  Barockholzaltärchen, 
geschnitzt  und  eingelegt,  Rokoko ; ein  Ölgemälde : Bauemscene,  niederländisch.  Am 
Hinterhaus  eingemauert  Torso,  Arme  und  Beine  fehlen,  eines  Sandsteinkruzifixus,  Arbeit 
aus  der  ersten  Hälfte  des  1 6.  Jhs.  mit  der  üblichen  Übertreibung  des  Brustkorbes. 

HAUSACH 

Schreibweisen:  Husen  1179;  castrum  Husen  1246;  Husen  in  Kinzgental  1272; 
ze  Husen  uf  der  bürge  1328;  Husen  bürg  und  stat  1367  ; Hawsen  im  Kintzigental  1500; 
Hausen  1551.  (husen  Dat.  plur.  von  hüs;  ze  den  hüsen  = bei  den  Häusern.) 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895),  S.  91. 

Literatur:  R.  Streit,  Hausach  und  seine  Umgebung,  Freiburg  1890.  Derselbe, 
Der  Burgenbau  im  Allgemeinen  und  die  Hochburg  Husen,  Hausach  1899.  Alberti, 
Württemb.  Adelsbuch,  Heft  4 u.  5. 

Ortsgeschichte:  Im  1 1 . Jh.  finden  wir  Hausach  im  Besitz  eines  Dynastengeschlechtes, 
von  dem  Udalricus  de  Husen  1086  genannt  wird,  Rütmannus  de  Husin  1099.  Er 
war  mit  den  Zollern  und  anderen  Herren  einer  der  vornehmsten  Stifter  des  Klosters 
Alpirsbach.  Dann  wird  1155  ein  »Bertholdus  vir  illustris  de  Husen«  genannt,  der  1145 
in  das  Kloster  S.  Georgen  eintrat. ')  Dem  gleichen  Geschlecht  gehörte  Friedrich  von 
Husen  an,  der  als  Kreuzfahrer  in  heißem  Kampfe  gegen  die  Sarazenen  am  Montag  nach 
Himmelfahrt  1190  fiel  und  vom  ganzen  Heere  beklagt  wurde.  Die  Genannten  gehörten 
wohl  zu  dem  Hause  der  sogar  unter  den  principes  aufgeführten  Dynasten  von  Wolfach, 
das  Ende  des  13.  Jhs.  ausstarb.  Uber  den  Übergang  Hausachs  an  die  Zähringer  wissen 
wir  nichts  Bestimmtes,  jedenfalls  aber  finden  wir  es  nach  1218  unter  dem  zähringischen 
Erbe  im  Besitze  Egenos  des  Bärtigen  von  Urach,* 2)  wobei,  wie  bei  allen  diesen  Besitzungen, 
es  nicht  sicher  feststeht,  ob  als  Allod  oder  Reichslehen.  Im  13.  Jh.  begannen  die 
Straßburger  Bischöfe  in  erfolgreicher  Weise  nach  Ausdehnung  ihres  Territorialbesitzes 
zu  streben,  und  wie  Gengenbach,  Offenburg,  Ortenberg  eroberte  Bischof  Heinrich  von 
Stahleck  damals  auch  die  feste  Burg  Hausen  1246,  die  jedoch  bald  wieder  in  den 
urachischen  Besitz  zurückgekommen  sein  muß,  denn  in  dem  Teilungsbrief  der  Enkel 
Egenos  des  Bärtigen,  Konrads  und  Heinrichs  (I.),  mit  dem  zugleich  die  Scheidung  in  die 

*)  Kindler  von  IC  nobloch  I,  S.  560. 

2)  Riezler  a.  a.  O.  S.  42. 


Bildstock 


Privat- 

sammluDgen 


Ortsgeschichte 


6o8 


KREIS  OFFENBURG. 


Freiburger  und  Fürstenberger  Linie  erfolgte  (1372),  finden  wir  »Husen«  erwähnt,1)  das 
der  Freiburger  Linie  zufiel,  1328  aber  durch  Erbschaft  an  Heinrich  II.  von  Fürstenberg 
zurückkam.  Über  die  verschiedenen  Linien,  denen  mit  der  Zeit  Hausach  wie  die  anderen 
Kinzigtaler  Orte  zufielen,  brauche  ich  mich  hier  nicht  mehr  zu  verbreiten,  da  in  dem  Artikel 
Haslach  darüber  ausführlich  berichtet  worden  und  die  Geschicke  beider  Orte  von  1328 
an  die  gleichen  waren.  1367  wird  Hausach  zum  erstenmal  als  Stadt  genannt;  wann  es 
Stadtrecht  erhielt,  vermag  ich  nicht  festzustellen.  Hervorzuheben  ist  hier  wie  in  Haslach 
die  Regierungszeit  des  letzten  Grafen  der  Wolfacher  Linie,  des  tätigen  und  begabten  Hein- 
rich VI.,  der  zahlreiche  Bauten  aufführte.  »Im  53  jar  vieng  er  an  Husen  das  schloß  ze 
buwen  und  ließ  nit  einen  alten  sparren  darin  und  ließ  den  brunnen  daryn  bringen«  etc.2) 
Der  Bau  zog  sich  länger  hin,  1466  wurde  der  Vorhof  angelegt,  1467  das  »schießhus 
und  der  schutzrain  zu  husen  uff  dem  schloß  gebuwen  ....  und  der  under  Zwingelhof 
zu  Husen«,  1477  »ward  der  hoch  thurn  zu  Husen  im  schloß  gebuwen  und  das  huß  uft 
dem  hof  zugerüst«.  Unterdes  war  das  Städtchen  1468  zum  größten  Teil  abgebrannt: 
»Desselben  (68)  jares  verbrann  Husen  das  stättlin  in  der  ynnern  rinckmuren  gantz  untz 
von  Velsenbergs  hus,  und  umb  das  sye  wider  buweten,  schanckt  inen  graf  Hainrich  die 
stur  drey  jar«  etc.  Burg  wie  Stadt  verdankten  also  dem  Grafen  ein  völlig  verändertes 
Aussehen,  der  auch  als  Gründer  des  Franziskanerklosters  anzusehen  ist.  »In  dioecesi 
Constantiensi  et  in  custodia  Lacus  1475  rnonasteriolum  in  Hausach  prope  sacellum 
S.  Sixti  donatum  fuit  nobis  a comite  de  Fürstenberg  ordinique  et  provinciae  hoc  anno 
incorporatum  authoritate  apostolica  in  capitulo  generali  celebrato  Urbini  ad  instantiam 
et  solicitationem  fratris  Georgii  Summer,  sacrosanctae  theologiae  doctoris  ac  lectoris 
Argentinensis  ac  custodis  Alsatiae.«3) 

Der  Nachfolger  Heinrichs  VI.,  Wolfgang,  der  die  fürstenbergischen  Lande  wieder 
alle  in  seiner  Hand  vereinigte,  bestätigte  Hausach  am  5.  Oktober  1493  sein  Stadtrecht,4) 
das  wir  hierbei  zum  erstenmal  kennen  lernen.  Wir  hören,  daß  der  Graf  den  Schultheiß 
setzt,  wir  hören  von  dem  Rat,  den  »zwölf  des  gerichs  (sic!)«,  die  von  der  Bürgerschaft 
gewählt  wurden,  kurz,  von  der  gleichen  Verfassung  wie  in  den  meisten  Städten  der 
Gegend.  Am  25.  Dezember  1498  bestellt  der  Graf  einen  Oberamtmann,  dessen  Nach- 
folger eine  Zeitlang  auf  der  Burg  residierten. 

Von  Bedeutung  war  dann  wieder  die  Regierung  des  wilden  Grafen,  Wilhelms  von 
Fürstenberg.  Von  ihm  begünstigt,  drang  die  neue  Lehre  der  Reformatoren  überall  im 
Kinzigtal  ein,  wurde  das  Franziskanerkloster  (1530)  aufgehoben,  wurden  überall  Prädi- 
kanten angestellt,  so  auch  hier,  bis  nach  dem  Sieg  Karls  V.  über  den  Schmalkaldener 
Bund  1547  und  dem  Reichstag  zu  Augsburg  Wilhelm  sich  genötigt  sah,  die  Regierung 
an  seinen  Bruder  Friedrich  abzutreten,  der  bereitwillig  das  Interim  annahm,  welches  denn 
auch  im  Kinzigtale  verkündet  wurde.  In  den  Verhandlungen  des  fürstenbergischen  Amt- 
manns mit  den  Pfarrherren  wird  zu  Hausach  Bastian  Häckelmann  genannt,  der  sich 
verpflichtet,  nichts  wider  das  Interim  zu  predigen.  Es  dauerte  immerhin  noch  Jahr- 
zehnte, bis  die  neue  Lehre  gänzlich  verschwand;  erst  während  der  Minderjährigkeit  des 
Grafen  Albrecht  von  Fürstenberg  war  dieses  Ziel  erreicht.  — 1629  wurde  auch  das 
Franziskanerkloster  wieder  errichtet. 

4)  Fürstenb.  Urk.-Buch  I,  Nr.  477. 

z)  Ebenda  III,  Nr.  371. 

3)  Ebenda  I,  Nr.  50. 

4)  Ebenda  IV,  Nr.  544. 


Nord 


-MW — f — f — f — f — f — l — f — i — f — f 

Fig.  JJ7-  Plan  der  Stadl  Hausach  nach  dem  staatlichen  Katastenverk  vom  Jahre  1SS1 
mit  eingezeichneten  Befcsligingslinun . 


Band  VII.  Zu  Seite  609. 


AMT  WOLFACH.  — HAUSACH. 


609 


Das  17.  Jh.  brachte  auch  dieser  Stadt  Unheil  über  Unheil.  1633  kam  sie  in  die 
Gewalt  der  Schweden,  1643  fiel  die  Armee  Bernhards  von  Weimar  über  das  Städtchen 
her,  plünderte  es  und  äscherte  es  samt  der  Burg  ein,  welch  letztere  seitdem  Ruine  blieb. 
Mit  dem  wechselnden  Kriegsglück  kamen  nun  Kaiserliche  und  Franzosen  über  das  Land, 
bis  der  Westfälische  Friede  einige  Jahrzehnte  der  Ruhe  brachte.  In  den  ersten  fran- 
zösischen Kriegen  auf  deutschem  Boden  scheint  Hausach  einigermaßen  verschont  geblieben 
zu  sein,  dagegen  wurde  es  während  des  Spanischen  Erbfolgekrieges  von  den  Franzosen 


Fig.  338 . Ansicht  der  Stadt  Hausach  nach  einer  Federzeichnung  aus  dem  alten  PlaJie 
der  Herrschaft  Kinzigtal,  Kopie  von  1796. 


im  August  1704  verbrannt,  und  1707  wüteten  zur  Abwechslung  kaiserliche  Husaren 
hier.  Von  da  an  konnte  sich  die  Stadt  in  langem  Frieden  erholen  und  hat  auch  in  den 
Kriegen  nach  der  großen  Revolution  und  während  der  Zeit  Napoleons  wenig  gelitten, 
da  die  Schanzen,  welche  die  Österreicher  1814  anlegten  und  von  denen  noch  bei  Ein- 
bach ein  Rest  erhalten  ist,  dank  der  Siege  der  Verbündeten  nicht  benutzt  wurden.  Acht 
Jahre  vorher,  1806,  war  Hausach  badisch  geworden. 

Aus  unserem  Plan  (s.  Fig.  337)  und  der  oben  gegebenen  Abbildung  (Fig.  338)  geht 
die  Anlage  der  Stadt  hervor,  deren  äußere  Umfassungslinie  von  größter  Unregelmäßigkeit 


KREIS  OFFENBURG. 


6 I O 


ist  und  sich  in  der  bedeutenden  Verschmälerung  nach  Westen  zu  dem  hier  vorspringen- 
den Burgberg  anpaßt.  Hier  stand  das  untere  Tor,  nach  Osten  das  1826  abgebrochene 
obere  Tor.  Die  Stadt  selbst  ist  offenbar  aus  einer  Ansiedelung  an  der  hier  durch- 
führenden großen  Kinzigtalstraße  entstanden,  doch  scheint  die  Anlage  des  südlichen 
Stadtteils  planmäßig  geschehen  zu  sein,  vielleicht  nach  dem  Brande  von  1466.  Nach 
unserem  Bilde  (Fig.  338)  dürfen  wir  hier  in  der  Mitte  wohl  einen  Markt  mit  Marktbrunnen 
vermuten.  Die  alte  Stadtmauer  ist  im  Süden  noch  als  Untermauer  der  dortigen  Häuser 
erhalten,  auch  der  Füllgraben  vor  ihr  ist  noch  erkennbar,  im  Norden  und  Westen  beruht 
die  Einzeichnung  der  Mauern  zum  Teil  nur  auf  Vermutung,  unterstützt  durch  einen 
Gemarkungsplan  von  1778  im  Besitz  der  Stadt.  An  der  Art,  wie  der  obere  Torturm 
über  die  innere  Mauer  vorsprang,  können  wir,  was  ja  eigentlich  selbstverständlich,  eine 
äußere  Mauer  nebst  äußerem  Graben  annehmen.  Den  östlichen  Teil  der  äußeren  Stadt- 


Fig.  jjg.  Ansicht  der  Burgruine  Hausach 
von  Westen. 


mauer  sehen  wir  noch  auf  dem  Bilde  Fig.  338.  Dort  auch  die  westlich  gelegenen 
Schanzen,  über  deren  Errichtung  wir  nichts  Genaueres  wissen,  denn  die  von  der  Armee 
Bernhards  von  Weimar  in  aller  Eile  hergerichteten  hat  dieselbe  vor  ihrem  Abzug  mit 
der  Einäscherung  der  Stadt  wieder  zerstört,  östlich  vor  der  Stadt  lag  dem  Plan  von 
1778  nach  das  kleine  Franziskanerklösterchen  sowie  ein  Zehnthaus. 

Uber  dem  westlichen  Teil  der  Stadt  erhob  sich  im  Süden  die  Burg  in  der  Höhe 
von  305  m auf  einem  Vorberge  (s.  Fig.  339).  1246  wird  das  »castrum  Husen«  zum 

erstenmal  genannt.  Da  aber  bereits  im  n.  Jh.  ein  Zweig  des  Wolfacher  Dynasten- 
geschlechts »de  Husen«  offenbar  hier  residiert,  so  dürfte  schon  damals  eine  mehr 
oder  minder  ausgedehnte  Burganlage  hier  bestanden  haben.  Diese  scheint  im  15.  Jh. 
den  gesteigerten  Bedürfnissen  nicht  mehr  genügt  zu  haben,  und  so  begann  1453  Graf 
Heinrich  VI.  von  Fürstenberg  mit  dem  Neubau,  über  den  wir  durch  die  oben  wieder- 
gegebenen Notizen  seines  Schreibers  unterrichtet  sind.  Das  in  Fig.  338  wiedergegebene 
Bild  der  Stadt  mit  der  noch  etwas  besser  als  heute  erhaltenen  Burg  ergänzt  dieselben, 
seine  verhältnismäßige  Richtigkeit  wird  durch  den  Befund  erwiesen. 


AMT  WOLFACH.  — HAUSACH. 


6l  I 

Die  Burg  ist  durch  einen  künstlichen  Halsgraben  von  dem  überragenden  Berge 
geschieden.  Der  unregelmäßige  innere  Bering,  etwa  40  zu  30  m groß,  wird  von  einer 
Mauer  umgeben,  die  nach  Süden,  dem  Graben  zu,  etwa  2 m stark  ist,  soweit  sie  noch 
erhalten;  nach  Norden,  wo  ihre  Mauern  zugleich  die  Außenmauern  des  Palas  waren, 
zeigt  sie  eine  Verdickung  auf  etwa  3 m.  Die  Mauern  sind  1466  verstärkt  worden;  wir 
dürfen  danach  wohl  annehmen,  daß  sie  älter  sind  als  die  Bauten  Heinrichs  VI.  Etwa 
5 m von  der  Mauer  entfernt  steht  in  dem  südlichen  Teil,  also  an  der  Angriffsseite,  auf 
einer  kleinen  felsigen  Erhöhung  der  Bergfried  (A),  der  nach  Spisers  Aufzeichnungen 


0 10  20  30  W 50 

Fig.  3 40.  Plan  der  Burgruine  Hausach. 


1477  gebaut  wurde.  Maueransätze  deuten  darauf  hin,  daß  zwischen  diesem  Turm  und 
der  Mauer  (C)  ein  Vorhof  sich  befand,  ein  ebensolcher  südwestlich  von  dem  Turm,  wo 
von  der  äußeren  Mauer  nur  noch  der  Zug  erkennbar,  während  die  Innenmauer  ( G) 
besser  erhalten  ist.  Hier  war  der  Eingang  in  die  Burg,  der  Burgweg  führte  vom  Tal, 
von  Norden,  an  der  Westseite  des  weiter  unten  zu  nennenden  Zwingers  herauf,  bog 
dann  nach  Osten  um  und  führte  durch  den  Halsgraben  bezw.  am  Anfänge  desselben 
herein.  In  der  Nordwestecke  des  oberen  Berings  lag  der  einmal  in  stumpfem  Eck 
geknickte  Palas  (B).  Neben  ihm  scheint  in  dem  nördlichen  Teil  der  Mauer  (C)  eine 
Nebenpforte  vom  unteren  Zwinger  (Z)  heraufgeführt  zu  haben.  In  der  Nordostecke 


KREIS  OFFENBURG. 


Bergfried 


Palas 


612 

des  Beringes  die  Spuren  eines  runden  Flankierungsturmes ; wir  wissen  von  zweien und 
müssen  den  zweiten  wohl  irgendwo  an  der  Südseite  suchen.  Gegen  Nordwesten  war 
der  große  Zwinger  (Z)  vorgelagert  mit  einer  nur  etwa  1 m starken  Umfassungsmauer 
und  einem  runden,  nach  innen  offenen  Batterieturm,  der  drei  Schießscharten,  sogen.  Maul- 
scharten mit  bis  zu  3/4  m sich  erweiternder  Kammer  aufweist.  In  diesem  Teil  sehe  ich 
den  1466  angelegten  Vorhof,  auch  Vorburg  oder  Zwinger  genannt.  Die  angeblich 
einstmals  in  dem  Batterieturm  noch  sichtbaren  Gewölbespuren  deuten  auf  einen  nicht 
weiter  erstaunlichen  Kellerraum,  aber  nicht  auf  einen  Gang,  über  den  die  Volkssage, 
wie  immer,  das  Erstaunlichste  zu  berichten  weiß. 

Uber  dem  Halsgraben  drüben,  an  der  Bergseite,  ist  noch  etwa  5 m lang  ein 
Mauerrest  zu  verfolgen,  der  entweder  auf  ein  hier  befindliches  isoliertes  Vorwerk  deutet 
oder  wohl  wahrscheinlicher  mit  der  Mauer  des  Zwingers  (Z)  in  Verbindung  stand, 
wonach  hier  mit  Einschluß  des  Halsgrabens  an  der  Südseite  ein  weiterer  Zwinger  zu 
verzeichnen  wäre.  Um  den  Zwinger  (Z)  herum  ist  das  Terrain  so  geebnet,  daß  wir 
hier  ein  weiteres  Vorwerk,  vielleicht  einen  Wirtschaftshof  zu  vermuten  haben.  Eine 
weiter  noch  nach  Westen  gelegene,  ziemlich  regelmäßige,  oblonge  Ebene  mit  undeut- 
lichen Mauerresten  an  ihrer  Nordwestecke  läßt  an  eine  weitere  Anlage  denken;  in  einer 
dieser  Anlagen  dürfen  wir  wohl  den  1467  angelegten  unteren  Zwingerhof  vermuten,  in 
der  anderen  vielleicht  den  der  gleichen  Zeit  entstammenden  Schutzrain  (?).  Wo  das 
damit  ebenfalls  erwähnte  Schießhaus  stand,  dafür  fehlen  alle  Anhaltspunkte.  Der  1453 
genannte  Brunnen,  der  bisher  nicht  gefunden,  dürfte  in  dem  oberen  Bering  der  eigent- 
lichen Hochburg  zu  suchen  sein. 

Auch  eine  Anzahl  Gärten  waren  im  15.  Jh.  um  das  Schloß  vorhanden,  1498 
werden  dieselben  dem  neu  angestellten  Oberamtmann  Hans  von  Reckenbach  zur 
Benutzung  übergeben. 

Nach  diesem  Überblick  über  die  Anlage  gehe  ich  zur  Besprechung  der  einzigen 
etwas  besser  erhaltenen  Teile  über,  des  Bergfriedes  und  der  Palasmauer.  Ersterer,  aus 
Granitbruchsteinen  oft  von  großer  Mächtigkeit  erbaut,  wie  die  ganze  Burg,  ist  in  einer 
Höhe  von  etwa  1 4 m erhalten,  darüber  der  moderne  Abschluß.  Er  ist  von  kreisrundem 
Grundriß,  der  ganze  Durchmesser  beträgt  9 m,  die  Mauerstärke  3 m,  der  Durchmesser 
des  Innenraums  3 m.  In  etwa  6 ’/2  m Höhe  vom  Boden  erblicken  wir  die  alte  Eingangs- 
tür, spitzbogig,  2 m hoch,  das  Gewände  von  Sandsteinquadern  mit  Bossen  und  breitem 
Saumschlag  gebildet.  Unter  der  einen  Ecke  der  Türe  kragt  eine  Konsole  vor,  unter 
der  anderen  zeugt  noch  ein  Loch  von  dem  Vorhandensein  einer  zweiten,  etwas  höher 
gelegenen,  offenbar  hat  eine  Holztreppe  zu  der  Tür  geführt.  Ungefähr  60  cm  über  dem 
Bogenscheitel  des  alten  Eingangs  um  den  ganzen  Turm  herum  in  jetzt  etwa  2 m Abstand 
voneinander  Löcher  für  Balken  oder  Konsolen,  vielleicht  von  einem  Wehrgang  (?).  Im 
Innern  befand  sich  unterhalb  der  Türe  ein  hohes  Geschoß  bezw.  Verlies,  darüber  sind 
die  Andeutungen  zweier  weiterer  Geschosse  zu  konstatieren,  wie  unten  jeweils  in  dem 
Zurücktreten  der  Mauer  zum  Auflager  der  Balken.  Die  an  den  Turm  ansetzenden 
Mauerlinien  sind  auf  unserem  Grundriß  ersichtlich. 

Die  Außenmauer  des  alten  Palas  steht  noch  in  einer  inneren  Höhe  von  etwa  6 m, 
in  einer  äußeren  Höhe  von  10 — 11  m.  Sie  ist  wie  der  Bergfried  aus  Granitbruchsteinen 


a)  Streit,  Der  Burgenbau  etc.,  S.  24. 


AMT  WOLFACH.  — HAUSACH. 


613 


erbaut.  In  dem  südlicheren  Teil  noch  die  Löcher  von  unten  einem,  oben  zwei  Fenstern 
(eines  wohl  gekuppelt)  enthalten,  ähnlich  in  dem  nördlicheren  Teil.  Da  überall  die 


Fig.  341  • Ansicht  der  alten  Kirche  von  Hausach  ( von  Osten  atts). 


Gewände  herausgebrochen  sind,  läßt  sich  ihre  Form  nicht  mehr  feststellen.  In  der 
Nordwand  auch  eine  Schießscharte  mit  zwei  schrägen  Seitenschlitzen. 

Diese  geschilderte  kleine,  aber  offenbar  gute  Anlage,  auf  den  Granit  des  Berges 
gegründet,  beherrscht  weithin  das  Tal;  dem  von  Wolfach  oder  Steinach  Nahenden 


Vor- 

geschichtliches 

Eisernes  Schloß 
Alte  Pfarrkirche 


614  KREIS  OFFENBURG. 

erscheint  von  ferne  die  Burg,  eine  uralte  Gründung,  so  wie  wir  sie  aber  heute  sehen, 
wohl  das  Werk  Heinrichs  VI.  (Wth.) 

Vorgeschichtliches:  Als  auf  dem  hiesigen  Schloß  gefunden,  befindet  sich  in  der 
städtischen  Sammlung  in  Lahr  die  Klinge  eines  Bronzebeils  mit  Schaftlappen  und 
Ringchen  (W.)\  in  den  Großh.  Sammlungen  für  Altertums-  und  Völkerkunde  zu  Karlsruhe 
ein  ebendaher  stammendes  eisernes  Schloß  (C.  8664). 

Die  alte  Pfarrkirche  (ad  S.  Mauritium)  wird  schon  1148  erwähnt,  und  zwar  als 
ecclesia  quae  est  apud  Husen,  was  doch  wohl  darauf  zu  deuten  scheint,  daß  sie  schon 
damals  außerhalb  des  Ortes  gelegen  war  (s.  Fig.  341).  Dann  dürften  wir  vielleicht  — auch 
der  Heilige  spricht  für  hohes  Alter  — eine  fränkische  Ansiedelung  annehmen,  während 
der  mittelalterliche  Ort  sich,  um  den  Schutz  der  Dynastenburg  zu  genießen,  weiter  östlich 
unter  dieser  bildete.  Die  Kirche  wird  weiter  genannt  in  decanatu  Kürnbach  1275,  in 


o 5 ,0  1?  2°  «m 

-M H — I — I 1 -I  I I 1 I I f | 1— 


Fig.  342.  Grundr  iß  der  allen  Kirche  in  Hausach. 

decanatu  Rotwil  zwischen  1360  und  1370,  Kirche  s.  Moritzen  zu  Husen  1505,  Kirche 
s.  Moricien  und  Jörgen  zu  Husen  1508  (Georg  ist  wohl  um  diese  Zeit  neu  hinzu- 
gekommen); 1396  wird  ein  Sippolt  leutpriester  zu  Hausen  im  Kinzigenthal  genannt,  1454 
Niclaus  von  Tönen  kirchherr  zu  husen,  1467  Michael  Fabri  presbiter  ad  ecclesiam 
parrochialem  opidi  Husen,  vacantem  per  mortem  quondam  Hainrici  Behem,  per  Hainricum 
comitem  de  Furstemberg  et  dominum  in  Husen  vallis  Kinczige  praesentatus ; 1479  pfaft 
Hans  Schnider  Kirchherr  zu  Husen  im  Kinczigental.  1548  lernen  wir  als  Vertreter  der 
neuen  Lehre  den  Pfarrer  Sebastian  Häckelmann  kennen. 

Wichtig  für  die  Baugeschichte  ist  die  Notiz,  laut  welcher  am  3.  Februar  1514  der  Stadtrat  zu 
Freiburg  dem  fürstenbergischen  Amtmann  als  Baumeister  zu  dem  Bau  der  Pfarrkirche  zu  Husen  den 
Steinmetzmeister  Erhärt  empfiehlt  wegen  seiner  Geschicklichkeit,  der  lange  Zeit  Polier  am  Freiburger 
Münster  war.1)  Ich  möchte  doch  glauben,  daß  das  derselbe  ist,  bezüglich  dessen  derselbe  Stadtrat 
an  jenen  zu  Straßburg  schrieb : der  Werkmeister  am  Freiburger  Münster,  Erhärt  Im  Kof,  Steinmetz- 
polier, wünsche  an  des  verstorbenen  Werkmeisters  zu  Straßburg  Stelle  zu  kommen.  Dazu  empfahl 


*)  Z.  17,  S.  288. 


Tafel  XXI 


Hausach,  Blick  in  den  Chor  der  alten  Kirche. 


AMT  WOLFACH.  — HAUSACH. 


6:5 


ihn  der  Freiburger  Stadtrat  als  einen  ehrlichen,  fleißigen,  geschickten  Mann,  »dem  meister  und  gesellen 
uff  unser  frowen  buw  gemeinlich  des  lob  geben,  das  er  sinerkunst  vast  wol  berumpt  und  bewart  sy«.1)  Es 
wäre  vielleicht  eine  lohnende 
Aufgabe,  auf  Grund  des  Hau- 
sacher Raues  dem  Meister 
etwas  nachzugehen. 

Der  Grundriß  (vgl. 

Fig.  342)  zeigt  uns  ein  ein- 
schiffiges Langhaus,  daran 
anstoßend  der  Chor,  süd- 
lich von  diesem  der  Turm, 
nördlich  die  Sakristei.  Der 
reich  ausgebildete  Chor 
(Tafel  XXI)  ist  in  drei 
Seiten  des  Achtecks  ge- 
schlossen mit  drei  vorge- 
lagerten Jochen  und  ist 
eingedeckt  mit  einem 
eleganten  Sterngewölbe, 
dessen  mit  Hohlkehle  und 
Birnstab  profilierte  Rippen 
einander  schneidend  an 
der  Wand  verlaufen.  Die 
runden  Schlußsteine  sind 
heute  neu  gemalt.  Erhellt 
wird  der  Raum  durch 
sechs  Spitzbogenfenster  mit 
flamboyantem  Maßwerk, 
die  in  den  Achteckseiten 
zweipfostig,  die  übrigen 
einpfostig.  An  der  Nord- 
seite führt  eine  spitzbogige 
Tür  in  die  Sakristei,  deren 
Gewände  in  Hohlkehlen 
und  teils  stumpf  ver- 
laufendem, teils  sich  im 
Spitzbogen  schneidendem  . 

Stabwerk  besteht.  Die 
vorderen  Stäbe  wachsen 
aus  hübschen  steilen  Basen 
hervor,  die  auf  der  einen 
Seite  gerautet,  auf  der 


- 


0 so  700  Centum. 

Fig.  343-  Alte  Kirche  in  ffausach,  Türe  vom  Chor  in  die  Sakristei. 

anderen  mit  Zickzackkannellüren  versehen  sind.  Zwischen  dem  Stabwerk  das  Zeichen: 
rp.  Uber  dem  Scheitel  des 

x)  z.  15,  s.  128. 


Bogens  eingehauen  die  Jahreszahl : f ^ ^ J ^ (j> 


Bau- 

beschreibung 


Band  VII. 


40 


6i6 


KREIS  OFFENBURG. 


Der  Türflügel  selbst  entstammt  der  gleichen  Zeit  und  besitzt  noch  das  alte,  wirkungs- 
volle schmiedeeiserne  Beschläg  mit  Schloß  (s.  Fig.  343).  Gegenüber  führt  eine  Türe 
in  das  Turmerdgeschoß,  die  durchaus  ähnlich  behandelt  ist.  Eine  Stufe  erhöht  den 
östlicheren  Teil  des  Chores,  an  dieser  Stufe  eingehauen: 

anno  bin  tn  cccccfu. 

Gleich  nach  der  Stufe  im  östlicheren  Teil  an  der  Nordwand  das  außerordentlich  reiz- 
volle Sakramentshäuschen  (Tafel  XXII),  eine  Flachnische,  von  Rundstäben  auf  steilen, 
gerauteten  Basen  flankiert,  die  den  Kielbogen  mit  dem  astartigen  Maßwerk  tragen, 
weiterhin  große  architektonische  Umrahmung  von  Fialentürmchen  mit  Krabben  und 
Kreuzblumen  und  ein  Ausklingen  dieser  Dekoration  in  gemalter  Architektur,  die  bei  der 
Renovation  der  Kirche  am  Anfänge  des  20.  Jhs.  aber  von  Grund  aus  erneuert  worden  ist. 
Zu  bemerken  auch  das  schöne  schmiedeeiserne  Durchsteckgitter  mit  Rosetten  an  den 
Kreuzungspunkten. 

Gegen  das  Langhaus  zu  öffnet  sich  der  Chor  in  hohem,  gedrücktem,  kämpferlosem 
Spitzbogen,  der  in  Hohlkehlen  und  Stabwerk  profiliert  ist;  letzteres  auf  schräg  kannellierten, 
gerauteten  (etc.)  kleinen  Basen  läßt  einige  Nebenstäbe  am  Bogen  sich  totlaufen.  An 
dem  Gewände  noch  die  Angriffspunkte  des  ehemaligen  Abschlußgitters  zu  sehen. 

Am  Äußern  des  Chors,  den  Ansatzpunkten  der  Gewölberippen  entsprechend, 
doppelt  abgetreppte  Strebepfeiler,  die  eine  Abtreppung  durch  die  um  den  ganzen  Bau 
sich  herumziehende  Wasserschräge,  die  zugleich  Kaffgesims  der  Fenster  ist,  bewirkt.  Die 
Strebepfeiler  sind  in  konkaver  Schweifung  abgedeckt.  Das  Sockelgesims  des  Chors  ist 
etwa  50  cm  hoch,  oben  mit  einer  Hohlkehle  abgeschlossen. 

In  der  Nordostecke  von  Langhaus  und  Chor  ist  die  Sakristei  angebaut.  Sie  ist 
mit  einem  geradscheiteligen  Sterngewölbe  überdeckt,  dessen  Rippen  mit  der  üblichen 
trockenen  Profilierung  der  Spätzeit  ohne  Konsolen  in  den  Ecken  verlaufen.  Von  Norden, 
Osten  und  Westen  erhält  sie  Licht  durch  kleine  lukenartige  Fenster  mit  geradem  Sturz 
und  Blendkielbogen,  am  nördlichen  im  Sturz  die  Jahreszahl : 


an  den  beiden  anderen  ein  Wappenschild  mit  Kelch.  An  der  Nordwand  der  Sakristei 
ein  Wasserablauf.  Am  Äußern  derselben  1 m hoher  Sockel,  der  im  Osten  plötzlich 
abschneidet  und  sich  in  zwei  Stäben  kreuzt  über  der  geradsturzigen  Tür  mit  Blendkiel- 
bogen, die  in  den  unter  der  Sakristei  befindlichen  Raum  (Beinkammer?)  führt.  — Alle 
diese  Bauten  sind  aus  Bruchstein,  haben  Gewände  von  rotem  Sandstein  und  an  den 
Ecken  Quader  des  gleichen  Materials.  In  derselben  Technik  ist  der  Turm  erbaut,  von 
quadratischem  Grundriß,  das  Erdgeschoß  wie  die  drei  Obergeschosse  jeweils  durch 
Wasserschräge  voneinander  getrennt.  Im  Erdgeschoß  noch  die  Ansätze  des  ehemaligen 
Rippensterngewölbes,  nach  Osten  und  Süden  zwei  im  Kielbogen  geschlossene  Licht- 
luken, im  ersten  Geschoß  geradsturzige,  im  zweiten  zwei  ähnliche  und  eine  im  Dreieck 
geschlossene  Luke,  im  dritten,  das  Dach  überragenden  Glockengeschoß  nach  allen  vier 
Seiten  einpfostige  Spitzbogenfenster  mit  flamboyantem  Maßwerk.  Darüber  ein  Sattel- 
dach, dessen  beide  Giebelseiten  nach  Norden  und  Süden  mit  entsprechenden  Luken 
schauen. 


Tafel  XXII 


Haus  ach,  Sakramentshäuschen  in  der  alten  Kirche. 


AMT  WOLFACH.  — HAUSACH.  6 I 7 

Das  einschiffige  Langhaus  ist  flachgedeckt  und  präsentiert  sich  nach  außen  ohne 
Sockel  und  reichere  architektonische  Ausbildung.  Einpfostige  Fenster  mit  teils  Fisch- 
blasenmaßwerk, teils  Vierpässen  erhellen  es.  Im  Innern  an  der  Nordseite  eine  kleine 
kielbogenförmige  Wandnische.  Die  später  eingezogene  Empore  mit  schlichten  Holz- 
stützen hat  in  dem  vorderen,  westlichen  Teil  das  Einbrechen  zweier  Rundfenster  nötig 
gemacht,  zu  der  gleichen  Zeit  hat  man  weiter  an  der  Nordwand  ein  geradsturziges  Fenster 
aus  irgendwelchen  Gründen  eingebrochen. 

An  der  Westfassade  eine  schlichte  spitzbogige  Eingangstür.  Hier  wurde  wohl  im 
18.  Jh.  ein  jetzt  sehr  malerischer  Vorbau  vorgelegt,  der  die  zur  Empore  führenden 
Treppen  enthält.  An  der  äußeren  Nordwand  des  Langhauses  ist  über  einer  später  ein- 
gebrochenen geradsturzigen  Tür  ein  dreieckiges  altes  Tympanon  eingemauert,  Sandstein, 


Fig.  S44-  Romanisches  Tympanon  mit  der  Kreuzigung  von  der  alten  Kirche  in  Haus  ach. 


1,75  m breit  und  1,05  m hoch  (s.  Fig.  344).  Im  Mittelfelde  der  Gekreuzigte,  wie  es 
scheint  noch  bartlos,  mit  Lendenschurz,  neben  ihm  Johannes,  die  Hand  klagend  oder 
deutend  erhoben,  auf  der  anderen  Seite  Maria  mit  ähnlicher,  kaum  mehr  erkennbarer 
Handbewegung.  Das  Kreuz  geht  ohne  Abgrenzung  in  die  Einfassung  über.  Die  Scene 
ist  gedacht  in  einer  romanischen  Architektur,  wir^  sehen  zu  beiden  Seiten  eine  Säule  mit 
Würfelkapitell  mit  zwei  Pfeilern  durch  Rundbogen  verbunden,  oben  dagegen  einen  Pfeiler 
zwischen  zwei  Säulen,  von  denen  die  Rundbogen  weiterführend  gedacht  sind.  Im  ganzen 
wie  im  einzelnen  erinnert  diese  Architektur  an  die  Hirsauer  Bauschule,  was  bei  den 
nahen  Vorbildern  von  Alpirsbach  und  Gengenbach  wohl  kein  Wunder  ist.  Und  wenn 
wir  dazu  die  äußerst  plumpen  Skulpturen  ansehen,  so  möchten  wir  geneigt  sein,  das 
Werk  noch  in  das  Ende  des  11.  bezw.  den  Anfang  des  12.  Jhs.  zu  datieren,  allerdings 
mit  dem  Vorbehalt,  daß  die  Rückständigkeit  eines  Provinzialkünstlers  auch  noch  später 
etwas  derartig  Primitives  geschaffen  haben  kann.  Wir  kämen  aber  mit  dieser  Datierung 
in  die  Zeit,  in  der  die  Kirche  zum  erstenmal  genannt  wird,  nämlich  1148. 

40* 


Langhaus 


Tympanon 


KREIS  OFFENBURG. 


Innenausstattung 


Seitenaltäre 


Kanzel 


Holzfiguren 


Grabplatten 


Stein  kruzifix 


6 18 


Die  Baugeschichte  dürfen  wir  folgendermaßen  rekonstruieren:  Am  Anfänge  des 
12.  Jhs.  wurde  die  erste  Kirche  hier  gebaut,  wovon  dieses  Tympanon  allein  noch  Zeugnis 
gibt.  Diese  genügte  am  Ende  des  Mittelalters  nicht  mehr,  und  so  plante  man  vielleicht 
schon  unter  dem  baulustigen  Heinrich  VI.  einen  Neubau.  Erst  unter  dem  Grafen 
Wilhelm  aber  kam  man  dazu  und  holte  sich  den  Baumeister  aus  Freiburg,  den  Meister 
Erhärt,  der  dort  am  Münsterchor  und  vermutlich  auch  am  Straßburger  Münster  gearbeitet 
hat;  man  legte  also  offenbar  Wert  auf  einen  tüchtigen  Meister.  Dieser  begann  mit  dem 
Chor;  1514  bis  1516  etwa,  also  ziemlich  rasch,  wurde  dieser  und  die  Sakristei  aufgeführt, 
in  schnellem  Anschluß  daran  wohl  der  Turm.  Der  lichte  Chor  von  bester  Raumwirkung 
ist  eine  sehr  stattliche  Leistung  der  Spätgotik,  er  wie  Sakristei  und  Turm  in  allen  Einzel- 
heiten fein  durchgearbeitet.  Der  Turm  in  seiner  schlichten  und  schlanken  Erscheinung 
zeugt  von  der  weisen  künstlerischen  Beschränkung,  dem  Maßhalten  des  Meisters.  — - Nach 
Vollendung  dieser  Teile  aber  gingen  offenbar  die  Mittel  aus.  Der  wilde  Graf  wurde 
von  den  Stürmen  seines  Lebens  bald  hierhin,  bald  dorthin  verschlagen,  sein  Vermögen 
schmolz,  und  so  begnügte  man  sich  mit  dem  einfachen,  flachgedeckten  Langhausanbau, 
dem  später,  im  18.  Jh.,  die  Empore  ein-  und  die  Vorhalle  zugefugt  wurde. 

Von  der  Innenausstattung  der  Erbauungszeit  ist  nichts  mehr  erhalten,  dagegen 
manches  aus  dem  1 8.  Jh.  So  der  gut  gearbeitete  Hochaltar  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
18.  Jhs.  Auf  der  Mensa  das  Tabernakel,  gute  Holzschnitzerei  mit  Voluten  und  Girlanden, 
größere,  reich  bewegte  Engel  sitzen  neben  ihm,  auf  ihm  kleinere  Putten  und  das  Pelikan- 
symbol. Darüber  in  gutem  Rocaillerahmen  Ölgemälde,  Halbfigur  Christi  mit  Kreuz 
und  brennender  Lampe,  gute  Arbeit  eines  deutschen  Nachahmers  des  van  Dyck.  Darüber 
ein  Holzkruzifix  mit  der  Drehung  des  Körpers  in  verschiedener  Richtung,  ein  gut  durch- 
gearbeitetes Werk  des  18.  Jhs.  Die  zwei  Seitenaltäre  zeigen  den  üblichen  Aufbau  des 
Barock  mit  gewundenen  Säulen  und  gebrochenen  Giebeln.  Auf  dem  nördlichen  eine 
Madonnenstatue  aus  Holz,  mittelmäßige  Arbeit  aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhs.,  auf  dem 
südlichen  verblaßtes  Ölgemälde  der  Maria  und  Johannes,  jetzt  auf  leeren  Zwischenraum 
deutend,  wo  ehemals  wohl  ein  Holzkruzifix  angebracht  war.  Davor  Holzstatuen  der 
Madonna,  des  h.  Michael  und  eines  heiligen  Bischofs,  handwerkliche  Durchschnittsarbeiten 
des  17.  Jhs. ; an  der  Predella  auf  Holz  Ölgemälde  der  Kreuztragung,  Werk  des  16.  Jhs. 
nach  älterem  Vorbild.  An  dem  nördlichen  ebenfalls  eine  Predella,  eine  Darstellung  der 
Seelen  im  Fegfeuer,  Schnitzerei  des  17.  Jhs.  Die  Kanzel  ist  eine  einfachere  Barock- 
arbeit des  18.  Jhs.  Aus  der  gleichen  Zeit  wohl  der  übertrieben  lange  und  derbe  Holz- 
kruzifixus  über  der  Nordtür.  Im  Chor  ein  einfacher  achteckiger  Taufstein.  Die  drei 
Glocken  sind  von  Matthäus  Edel  in  Straßburg  gegossen,  und  zwar  im  18.  Jh. 

In  der  Sakristei  einig z Holzfiguren:  ein  h.  Michael  in  der  bewegten  Haltung  des 
Barock  aus  dem  18.  Jh. ; eine  trefflich  gearbeitete  Figur  des  guten  Schächers,  mit  noch 
knittrigem  Faltenwurf  des  Schurzes,  aber  schon  raffinierter  Fleischbehandlung  des  17.  Jhs. ; 
eine  Holzstatue  der  Madonna,  mit  seidenen  Gewändern  bedeckt,  Durchschnittsarbeit 
des  17.  Jhs. 

Auf  dem  Friedhof  drei  einfache  und  verwitterte  Grabplatten,  eine  von  1703 
trägt  die  Inschrift  in  Kapitale:  Hier  ruhet  neben  Jacob  Glück  sein  ehliche  Hausfrau 
Catharina  Moserin  geb.  1618.  gest.  1703;  darüber  ehemals  Christusfigur,  jetzt  abgebrochen 
und  daneben  aufgestellt.  Ebenda  ein  Steinkruzifix , schlichte  Arbeit  von  1753. 


AMT  WOLFACH.  — HAUSACH. 


619 


Nicht  weit  entfernt  an  der  Straße  ein  Kruzifix , mit  zwei  unteren  Seitenarmen, 
vom  Sockel  ausgehend,  auf  denen  Maria  und  Johannes  stehen.  Am  Sockel  Relief  der 
Gefangennahme  Christi  und  ein  weiteres,  den  h.  Wendel  darstellend.  Sandstein,  teil- 
weise noch  in  ursprüng- 
licher Bemalung,  Sockel 
mit  Rankenornament,  ein 
derbes,  aber  besonders 
reiches  und  deshalb  inte- 
ressantes Werk  der  Gat- 
tung. Weiterhin  aufPosta- 
menten  mit  Rocaille- 
ornamenten  die  Sand- 
steinstatuen der  h.  Jung- 
frau und  des  h.  Nepomuk, 

Durchschnittsarbeiten  von 
1770. 

Am  Weg  nach  Has- 
lach einfacher  Bildstock 
des  18.  Jhs. 

Über  der  Kinzig  drüben 
die  Reste  einer  der  oben- 
genannten Bastionen,  noch 
Wall  und  Graben  sichtbar. 

Neue  kat/i.  Pfarr- 
kirche (ad  S.  Mauritium). 

Die  Kirche  ist  ein  Neu- 
bau vom  Ende  des  1 9 . Jhs. 

In  der  linken  Seiten- 
kapelle neu  gefaßte,  80  cm 
hohe  Holzstatue  der 
Pietä,  gute  Arbeit  vom 
Anfänge  des  16.  Jhs.,  die 
Madonna  mit  lebendigem 
Ausdruck  und  stark  be- 
wegtem, knittrigem  Falten- 
wurf. In  der  Sakristei 
ca.  80  cm  hohe  Holzfigur 
des  h.  Sebastian  mit  stark 
hervortretendem  Brust- 
korb und  perückenartigen  Locken,  neu  gefaßte  Durchschnittsarbeit  von  etwa  1520; 
Hochrelieffigur  des  h.  Sixtus,  derbe  Schnitzerei  aus  der  Mitte  des  16.  Jhs. 

Kirchengeräte : Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  Rocailleomamenten  und  der 
eingravierten  Inschrift:  »Diser  Kelch  Gehert  zur  Glichischen  Capelaney  auf  hausach 
1783«,  weiter  eingraviert  kleine  Fortuna  und  B W 1766.  Verwischtes  Beschauzeichen 
und  Goldschmiedezeichen  I B ; ein  weiterer  in  gleichem  Material  mit  gewundenem  Fuß, 


Fig.  345-  Hausach , Portal  des  sogen.  Kaplaneihauses. 


Kruzifix 


Sandstein- 

statuen 


Neue  kath. 
Pfarrkirche 


Holzstatue 


Kirchengeräte 


6 2 o 


KREIS  OFFENBURG. 


ohne  Zeichen ; ein  schlichter  desgleichen  mit  Augsburger  Zeichen  und  L S (?) ; Sonnen- 
monstranz, gleiches  Material  und  Arbeit,  Stil  Louis  XVI.  mit  Augsburger  Zeichen, 
darunter  A und  F A G;  eine  zweite,  kupfervergoldet,  getrieben,  mit  in  Silber  getriebenen 
Engeln,  Dreifaltigkeit  und  Madonna  im  Relief,  kräftig  getriebenen  Engeln  am  Fuß; 
Kreuzpartikel,  silbervergoldet,  getrieben,  aus  der  Mitte  des  1 8.  Jhs. ; Wettersegen  in  der 
Form  einer  kleinen  Sonnenmonstranz,  silbervergoldet,  mit  aufgelegtem  silbernen  Ranken- 
werk und  eingravierten  Ornamenten  am  Fuß ; weißer  Rauchmantel,  Stoff  neu  mit  wieder 
verwendeter  alter  Seidenstickerei  von  Blumenranken,  gutes  Werk  des  18.  Ths. 

Ölgemälde  In  der  Kirche  noch  ein  Ölgemälde , darstellend  die  Madonna  vom  guten  Rat  mit 

Rahmen  dem  Kind,  Durchschnittsarbeit  des  18.  Jhs.,  in  vorzüglichem  Rahmen  mit  kraftvoll 
geschnitzten  Rocailleornamenten.  Ferner  ein  Prozessionskreuz  auf  hoher,  mit  geschnitztem 
Rankenwerk  verzierter  Stange,  Kruzifix  selbst  gute  Schnitzerei  des  18.  Jhs.  Auf  dem 
Kruzifix  rechten  Seitenaltar  ein  holzgeschnitztes  Knizifix  auf  Sockel  mit  Voluten,  mittlere  Arbeit 
der  gleichen  Zeit. 

Franziskaner-  Das  Franziskanerkloster  wurde,  wie  in  der  geschichtlichen  Einleitung  gesagt 

kloster  . 

worden,  1475  unter  Heinrich  VI.  gegründet.)  1530  war  es  »ruinosum  et  derelictum« 
und  wurde  dem  Grafen  von  Fürstenberg  verkauft.  1619  begann  die  Neugründung. 
Das  Kloster  lag,  wie  aus  dem  Gemarkungsplan  ersichtlich,  im  Osten  vor  den  Mauern  der 
Stadt.  Nur  die  kleine,  schmucklose  Kapelle  S.  Sixti  erinnerte  noch  an  dasselbe,  ist 
aber  jetzt  verbaut. 

Uber  dem  Dorfe  Hausach  auf  dem  stattlichen,  bewaldeten  Kreuzberg,  der  auch 
Kapelle  das  Schloß  überragt,  liegt  die  kleine  Kapelle  (ad  S.  Crucem),  die  einer  Vision  des 
Pfarrers  J.  Rothweiler  ihren  Ursprung  verdankt,  ein  schlichter  Bau  von  1746,  einschiffig, 
mit  Rundbogenfenstern ; an  den  Fenstern  sind  die  Linien  der  geplanten  bezw.  verwischten 
Bemalung  vorgeritzt.  An  der  Westfassade  die  Konsolen,  welche  die  Außenkanzel  tragen 
sollten.  Im  Innern  ein  Haupt-  und  zwei  Seitenaltäre  in  dem  üblichen  Barockaufbau 
mit  Säulen  und  Giebeln,  in  den  Altären  Gemälde  des  19.  Jhs.  An  der  Decke  leichte 
Stuckornamente  in  beginnendem  Rocaillestil. 

Häuser  Von  Häusern  ist  zunächst  das  sogen.  Kaplaneihaus  zu  erwähnen,  gestiftet  von 

Glück  1784,  das  Sandsteinportal  (s.  Fig.  345),  mit  Rocailleranken  und  -blattwerk  ver- 
ziert, über  dem  Sturz  eine  Kartusche  mit  dem  Reliefbild  der  Fortuna  (Glück)  und  der 
Inschrift : 

GLÜCK  UND 

WERA  ISCHES 

KAPL  ANEY 

HAUS 

J 7 8 + 

Auch  die  einfache,  holzgeschnitzte  Tür  von  guter  Wirkung.  An  den  Schlußsteinen  über 
den  Fenstern  des  Erdgeschosses  eine  Anzahl  Embleme,  Krone,  Tiara  etc. 

Im  übrigen  ist  noch  eine  Anzahl  Fachwerkhäuser  zu  erwähnen,  zum  Teil  leider 
verputzt. 

Schmiedeeiserner  Am  Gasthaus  »Zum  Hirsch«  schmiedeeiserner  Schild  um  1800. 

Schild 

*)  Mone,  Quellensamml.  III,  S.  633. 


AMT  WOLFACH.  — HOFSTETTEN.  (HEIDBURG.) 


Ö2I 


HOFSTETTEN 

Schreibweisen:  Elofstetten  1363;  Hoffstetten  1475;  Hoffstätten  1502.  (=  Hofstätte.) 

Literatur:  Heinr.  Hansjakob,  Im  Paradies,  Tagebuchblätter,  mit  einer  Ansicht 
von  Hofstetten,  1897. 

Ortsgeschichte:  Der  Hauptort  liegt  in  einem  Seitentale  des  Kinzigtales,  da,  wo 
sich  dasselbe  in  drei  kleinere  Täler  scheidet.  Die  einzelnen  Höfe  und  Wohnstätten  sind 
auf  vier  Täler  verteilt  und  auf  zehn  Zinken.  Der  Ort  gehörte  wohl  seit  dem  13.  Jh. 
den  Grafen  von  Fürstenberg  und  teilte  die  Schicksale  der  Kinzigtäler  Lande,  bis  er  mit 
diesen  1806  an  Baden  kam.  Der  Zehnte  gehörte  den  Herren  von  Geroldseck.1) 

Die  kath.  Kirche  (ad  S.  Erhardum)  findet  ihre  erste  mir  bekannte  Erwähnung 
bei  Kolb.2)  Der  heutige  Bau  stammt  aus  den  Jahren  1832  und  ist  ein  Werk  der  auf 
Weinbrenner  folgenden  Schule.  In  der  Kirche  ist  der  Hochaltar  zu  erwähnen,  ein 
einfaches  aber  gutes  Werk  des  Rocaillestiles.  Die  zwei  Seitenaltäre , die  aus  dem 
Kloster  Tennenbronn  stammen  sollen,  zeigen  den  üblichen  Aufbau  des  18.  Jhs.,  mit 
Voluten,  geschwungenem  Giebel,  Engelsköpfen,  und  wirken  dekorativ  gut.  Der  eine  ist 
der  h.  Jungfrau  zu  den  drei  Birken,  der  andere  dem  h.  Wendel  geweiht.  An  der  rechten 
Seitenwand  aufgestellt  eine  große  Holzstatue  der  Madonna  aus  dem  18.  Jh.,  etwas  ober- 
flächlich, aber  wie  gewöhnlich  von  einem  geschickten  Wurf. 

Von  den  Glocken  stammt  die  eine  aus  der  Edelschen  Werkstätte  in  Straßburg 
(18.  Jh.),  also  wohl  aus  der  alten  Kirche,  die  beiden  anderen  sind  neueren  Datums. 

In  der  Sakristei  ein  Schrank  mit  reicher  Rocailleschnitzerei.  An  Kirchengeräten 
ein  schlichter  Kelch,  silbervergoldet,  mit  dem  Augsburger  Zeichen  und  S ; ein  Wetter- 
segen in  der  Sonnenform,  aus  dem  gleichen  Material;  eine  Kreuzpartikel,  messingvergoldet, 
mit  gravierten  Ornamenten. 

In  den  Tälern  einige  Bauernhöfe  und  Häuser,  die  mehr  oder  minder  gut  erhalten 
die  typische  Form  des  Schwarzwaldhauses  aufweisen. 

Vor  dem  Gasthaus  »Zu  den  drei  Schneeballen«  ein  Brunnen , Sandstein,  von  1815, 
in  den  Formen  des  ausgehenden  Empire. 

Auf  den  Höhen  gegen  Welschensteinach  zu  finden  sich  Grenzsteine  des  18.  Jhs. 

Zu  der  Gemeinde  Hofstetten  gehört  die  nur  noch  in  wenigen  Trümmern  erhaltene, 
auf  der  Höhe  von  618  m gelegene 

HEIDBURG 

Schreibweisen:  Heideberg  1289;  Heideburg  1351  dü  vesti,  du  gelegen  ist 
zwüchent  Eltzach  und  Haseloch  uf  der  hohi;  Heydeburg  1358;  Haidburg  1413;  daz 
burgstal  14./15.  Jh. ; Heydburg  1476;  Heidtberg  des  schloß  16.  Jh.  (Burg  im  Heide- 
land; doch  auch  möglicherweise  = arx  paganorum,  vgl.  Haidenbühl.) 

Die  Burg  wird,  wie  aus  obigem  hervorgeht,  erstmals  1289  genannt,  1351  schon  im 
Besitze  der  Grafen  von  Fürstenberg.  Möglich,  daß  sie  als  zähringisches  Erbe  in  den 
Besitz  des  Hauses  gekommen  ist.  Damals  verpfänden  die  Grafen  Heinrich  und  Hug 
einen  jährlichen  Zins  von  50  Mark  Silber  von  ihrer  Burg  Heidburg  und  vier  Meierämter 


Ortsgeschichte 


Kath.  Kirche 

Hochaltar 

Seitenaltäre 


Holzstatue 

Glocken 

Schrank 

Kirchengeräte 


Brunnen 


1)  Großherzogtum  Baden  853. 

2)  Kolb  n,  S.  81. 


6 2 2 


KREIS  OFFENBURG 


Ortsgeschichte 


an  Johans  Geburen  Wittwe,  Elisabeth  Kotzin,  von  Freiburg.1)  1358  gelobt  Graf  Hug 
dem  Bischof  von  Straßburg,  mit  allen  seinen  Vesten,  darunter  »Heydeburg,  so  sü  irloset 
wiirt«,  auf  zehn  Jahre  zu  dienen.2)  1359  bekundet  Graf  Hug,  daß  der  Pfandsatz  infolge 
einer  Nachzahlung  von  seiten  der  beiden  Gläubiger  auf  550  Mark  gestiegen  war.3) 
Durch  Erbschaft  gelangte  dann  die  Pfandschaft  an  Johans  von  Valkenstein,  Sneweli 
Im  Hofe,  Ritter,  Hanmann  von  Hornberg,  ein  Edelknecht,  und  Hanmann  Gebüre, 
Berhtolt  des  Geburen  sei.  Sohn,  ein  Burger  von  Friburg.  Ihnen  konnte  in  diesem  Jahr 
Graf  Hug  425  Mark  von  dem  Pfandsatze  zurückzahlen,  worauf  bestimmt  wurde,  »daß 
fortan  nur  id/2  Mark  Gilt,  die  mit  125  Mark  wiederkäufig  sein  sollen,  und  zwar  an 
Johans  von  Valkenstein,  Ritter,  fallen«.4) 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die  verschiedenen  Verpfändungen,  Vererbungen  etc. 
einzugehen,5)  die  Falckenstein  blieben  im  Besitz  der  obigen  Pfandschaft,  1493  sitzt  ihr 
Vogt  auf  der  Burg:  »mins  hem  von  Valckenstains  burgvogt  zu  Heidburg«,  1502  nennt 
sich  Sigmund  von  Falckenstein  noch  »friher  zu  Heitberc«,6)  1519  aber  verkauft  er  seine 
veste  Heidburg  an  Wilhelm  und  Friedrich,  Grafen  zu  Fürstenberg. 

1289  hören  wir  von  einer  Kapelle  S.  Michaelis,  im  16.  Jh.  von  zwei  Altären  in  der- 
selben: »Heidberg  hat  gehört  in  die  pfarr  Eltzach,  dieweil  der  von  Valckenstein  ingehept 
und  besessen  hat,  und  von  dem  pfarher  von  Eltzach  versehen  worden  ....  es  sind  auch 
zween  altaria  in  dem  schloß,  der  ein  ist  Costentzer,  der  ander  Straßburger  bistumbs, 
und  ist  der  in  Costentzer  bystumb  gewyhet,  der  ander  nit.« 

Wann  die  Burg  verlassen  wurde,  weiß  ich  nicht  anzugeben.  In  den  letzten  Jahr- 
hunderten ist  sie  in  gründlicher  Weise  als  Steinbruch  benutzt  worden,  so  daß  die  heutigen 
geringen  Spuren  keine  Anhaltspunkte  mehr  über  ihre  Anlage  geben. 


KALTBRUNN 

(ROSSBERG  und  WITTICHEN) 

Schreibweisen:  Kaltabrunnen  1336;  Kaltabrunn  1348;  Kaltenbrunnen  1357; 
Caltenbrunnen  1372;  Kaltenbronn  1488;  ze  Kalbrunncn  1504. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  153 — 155. 

Ortsgeschichte:  Die  Gemeinde  Kaltbrunn  setzt  sich  aus  den  Zinken  Gallenbach, 
Grtißgott,  Heubach,  Kaltbrunn,  Reilinsberg,  Rinkenbach,  Roßberg,  Vortal  und  Wittichen 
zusammen.  Dieselben  verteilen  sich  auf  eine  Anzahl  kleiner  Gebirgsseitentäler,  deren 
Bäche  in  die  Reinerzau  fließen ; am  Wittichenbach  liegt  Wittichen,  das  heute  als  Hauptort 
Kirche,  Schulhaus  und  Rathaus  enthält,  am  Kaltbrunnerbach  liegt  der  Ort,  nach  dem  die 
Gemeinde  heißt.  Älter  als  er  wohl  die  Ansiedelung  auf  dem  Roßberg,  auf  dem  schon 
früh  eine  Pfarrkirche  stand,  sowie  das  Kloster  Wittichen.  Im  Anschluß  an  dieses  mögen 
auch  hier  sich  Bewohner  angesiedelt  haben.  1336  wird  Kaltbrunn  zum  ersten  Male 

4)  Fürstenb.  Urk.-Buch  II,  Nr.  287. 

2)  Ebenda  Nr  331. 

3)  Ebenda  Nr.  340. 

4)  Ebenda  Nr.  412. 

5)  Ebenda  III,  Nr.  111  und  weiter  Nr.  119,  123,  239  etc. 

6)  Kindler  von  Knobloch  a.  a.  O.  I,  S.  335  f. 


AMT  WOLFACH.  — KALTBRUNN.  (ROSSBERG.)  623 

genannt.  Es  gehörte  zur  Herrschaft  Schenkenzell,  also  den  Herren  von  Hohengeroldseck, 
und  wurde  mit  dieser  Herrschaft  durch  den  Verkauf  Gangolfs  von  Hohengeroldseck 
fürstenbergisch,  was  es  bis  zum  Übergang  an  Baden  1806  blieb. 

Kapelle : »in  villa  Kaltbronnen  capella  in  honore  beatissimae  virginis  Mariae  et 
s.  Sebastiani  ecclesiae  in  villa  Rossberg  annexa  1501«.  Mit  der  Verlegung  der  Pfarrei 
vom  Roßberg  nach  Wittichen  wurde  die  Kapelle  Filiale  hiervon.  Die  1501  erwähnte 
Kapelle  steht  wohl  heute  noch  in  der  Friedhofskapelle,  einem  kleinen  spätgotischen  Bau 
aus  Bruchsteinmauerwerk  mit  Sandsteinen  an  den  Gewänden.  Ein  Rechteck,  das  in 
drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen  ist,  in  diesen  geradsturzige  Fenster  mit  abgefastem 
Gewände  aufweist,  jeweils  ein  gleiches  an  den  Langseiten.  Eine  spitzbogige  Tür  führt 
in  die  Kapelle.  An  der  nördlichen  Langseite  eine  kleine  Sakramentsnische,  in  spitzem 
Kleeblattbogen  und  darüber  Kielbogen  geschlossen,  an  der  die  Jahreszahl:  I + 7 + , die 
mit  obiger  Notiz  zusammengehalten  also  wohl  die  Erbauungszeit  angibt. 

An  der  Glocke,  deren  Henkel  zopfartig  gedreht  sind,  steht: 

ljan^jocrg  * £tb(cr  ♦ bon  * e*>ling  ♦ goö  ♦ mtrfj  ♦ bo  * man  ♦ satt  -m  cccclm  ??  * 

jat  • o^anna  ♦ ftaiS  ♦ irij. 

Eine  der  Kapelle  gehörige  Holzfigur  war  bei  meinem  Besuch  nicht  zu  sehen,  weil 
auswärts  zur  Reparatur  gegeben. 

An  einem  Haus  in  der  Nähe  des  Friedhofes  zwei  dreipaßförmige  Schlußsteine 
eingemauert,  der  eine  die  Halbfigur  Christi,  der  andere  die  eines  bärtigen  Heiligen  im 
Relief  enthaltend,  gute,  spätgotische  Sandsteinarbeiten,  die  aus  dem  Kloster  Alpirsbach 
stammen  sollen.  (Vielleicht  aus  der  um  die  Zeit  der  Erbauung  des  Hauses  zerstörten 
Bücherei  ?) 

ROSSBERG 

Schreibweisen:  Rosberch  1275;  Rosberg  1337;  Rossberg  1398;  uff  Roßberg  1493. 
(Roß  Pferd.) 

Ortsgeschichte:  Auf  dem  749  m hohen  Roßberg,  wo  heute  nur  noch  eine  Kapelle 
und  einige  Bauernhöfe  liegen,  muß  ehemals  eine  bedeutendere  Ansiedelung  bestanden 
haben.  Sie  gehörte,  wie  Kaltbrunn,  in  die  Herrschaft  Schenkenzell,  also  den  Herren 
von  Hohengeroldseck,  bis  diese  1498  durch  Kauf  an  die  Fürstenberg  überging.  1806 
wurde  Roßberg  badisch. 

Kapelle  (ad  S.  Georgium):  Bereits  1275  wird  eine  Kirche  erwähnt:  Rosberch  in 
decanatu  Kürnbach  sive  Sultz-(bäch),  1324  in  decanatu  Krumbach  (Kürnbach)  seu  Obern- 
dorf. 1331  schenkt  Walter  von  Geroldseck  »magistrae  et  conventui  monasterii  in 
Widechenstain  ins  patronatus  ecclesiarum  parrochialium  in  Schenkenzella  et  in  Rosse- 
berg«. Und  so  hören  wir  denn  zwischen  1360  bis  1370:  »ecclesia  Rosberg  in  decanatu 
Oberndorf  pertinet  monasterio  sanctimonialium  in  Widchen«.  1501  werden  die  patroni 
coeli  genannt:  »ecclesia  parrochialis  in  honore  sanctorum  Egidii  confessoris  et  Ursule 
sodaliumque«.  Jetzt  ist  die  Kapelle  Filiale  von  Wittichen  (Kaltbrunn).  — Ein  flach- 
gedeckter, kleiner,  einschiffiger  Bau  mit  Chor,  der  aus  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen 
ist.  Roh  behauene  Sandsteinquader  und  Bruchsteinmauerwerk.  An  zwei  Ecken  des 
Chorabschlusses  sind  kleine,  einfache  Strebepfeiler  angebracht.  Das  Zurückspringen  der 
Mauer  kurz  über  den  Fenstern  im  Chor  deutet  auf  ursprünglich  andere  Bedeckung.  Im 


Kapelle 


Schlußsteine 


Ortsgeschichte 


Kapelle 


624 


KREIS  OFFENBURG. 


Ortsgeschichte 


Chor:  drei  einpfostige  Spitzbogenfenster  mit  Fischblasen-  und  Kleeblattmaßwerk.  Ein 
gleiches  in  der  Südseite  des  Langhauses.  An  dessen  Nordseite  und  im  Chor  noch  je 
eine  schmale  Lichtluke,  nach  außen  spitzbogig  geöffnet.  Der  Chor  öffnet  sich  im  Rund- 
bogen gegen  das  Langhaus.  An  der  Nordseite  des  Chors  befindet  sich  eine  Tabemakel- 
nische,  geradlinig  abgeschlossen,  die  Laibung  durch  Hohlkehlen  und  Rundstäbe  auf  den 
üblichen  schlanken,  geriefelten  Rasen  gegliedert,  die  Nische  umgeben  von  sich  kreuzendem 
Astwerk.  Daneben  ehemalige,  jetzt  zugemauerte  Spitzbogentür.  An  der  Südostseite 
des  Chors  kleine  dreieckig  abgeschlossene  Nische  für  ewiges  Licht. 

Übliche  spätgotische,  einfach  profilierte  Mensa. 

Von  der  Ausstattung  die  kleinen  barocken  Seitenaltärchen  zu  erwähnen.  Die 
Glocke  in  dem  kleinen  Dachreiterchen  war  bei  meinem  Besuch  nicht  zugänglich. 

Eine  Inschrift  über  dem  geraden  Sturz  der  Eingangstür:  NM  1826  BG,  läßt  auf 
eine  damalige  Renovierung  schließen.  Eine  gründliche  Restaurierung  erfuhr  das 
malerische  Kirchlein  in  den  ersten  Jahren  unseres  Jahrhunderts  durch  den  staatlichen 
Konservator  der  Baudenkmale,  Oberbaurat  Kircher. 

WITTICHEN 

Schreibweisen:  viculus  qui  vocatur  Wittic.hiwilare  1091;  villa  juxta  Schiltach  im 
Ktinzinger  thal  prope  arcem  Wicktenstein,  spectans  ad  ducem  de  Theck  1324;  Grünen 
Widechen  1099;  Grunenwitichin  nach  1127;  terra  sancti  Benedicti  in  loco  Witichin 
nach  1127;  Widechen  1332;  Widchenstain  1336;  Witchen  1348;  Wittichen  1348; 
Wittechen  1349;  Wichenstein  1352;  Widchen  zwischen  1360  bis  1370;  Wickten  1466; 
Wittheyn  1481;  Wicktenn  1488  etc.  (Stein  des  Witicho.) 

Die  Ortsgeschichte  ist  im  wesentlichen  in  der  Klostergeschichte  enthalten,  doch 
muß  hier  noch  der  Burg  gedacht  werden,  die  im  13.  und  14.  Jh.  hier  stand:  Wittichen- 
steinensis  arx  1293,  die  bürg  zu  Witechenstain,  die  zu  Sulz  in  die  herschaft  gehört  1312, 
burgstall  Witchenstein  1344,  ain  halb  mile  von  Schenckenzell  ain  bürg,  hieß  Wickestain. 
Auch  ein  Geschlecht  kommt  vor,  der  Zweig  eines  württembergischen  Hauses  nannte  sich 
nach  der  Burg:  Walther  der  schenke  von  Andegge,  Burkart  der  schenke  von  Wittech- 
henstein  sin  sweher  1297.  1364  aber  hören  wir  von  einem  Ulrich  von  Wytken.  Von 

der  Burg,  die,  wenn  man  nach  dem  Namen  schließen  darf,  sehr  alt  gewesen  sein  dürfte, 
ist  heute  auch  nicht  die  geringste  Spur  mehr  erhalten. 

Bergwerk : berg  und  bergwerkh  zue  und  by  dem  gotzhuß  genant  im  Wittechen- 
stein  1517.  Trenkle,  Schwarzw.  Industrie,  S.  325.  (Wth.) 

Literatur:  Leben  der  seligen  Liutgart,  der  Stifterin  von  Wittichen,  von  Pfarrer 
Berthold  von  Bombach.  Mo  ne,  Quellensammlungen  zur  bad.  Gesch.  III,  S.  438 — 468. 
Jahrgeschichten  der  Franziskaner  in  Baden,  ebenda  III.  S.  643  — 648.  Fürstenb.  Urkunden- 
buch, 7 Bände,  Tübingen  1877/1891.  Mitteilungen  aus  dem  Fürstenb.  Archiv,  2 Bände, 
Tübingen  1894/1902.  Fickler  in  Schönhuts  Burgen,  Kirchen  und  Kapellen  Badens 
und  der  Pfalz  II,  S.  91— 108.  Reichenlecher,  Die  sei.  Luitgard  und  das  ehemalige 
Kloster  W.,  2.  Aufl.,  Passau  1889.  Baur  in  FDA.  NF.  I,  S.  54.  Ruppert,  Gesch.  der 
Mortenau  I,  S.  149,  150.  Kolb,  Lexikon  III,  S.  394  ff.  FDA.  XXII,  S.  18 1.  Krueger, 
Topograph.  Wörterbuch  II2,  S.  1485  — 1487. 


AMT  WOLFACH.  — KALTBRUNN.  (WITTICHEN.) 


625 


Die  Gründerin  des  Wittichener  Klosters,  Liutgard,  wurde  als  armer  Eltern  Kind 
im  Schenkenzeller  Tal  nahe  der  Burg  Wittichenstein  1290  oder  1291  geboren.  Im  J.  1302 
fand  sie  Aufnahme  im  Tertiarierinnenkloster  zu  Oberwolfach.  Wunder  und  Vorzeichen 
begleiten  ihren  Eintritt  ins  Leben  wie  jeden  wichtigeren  Schritt  desselben ; Visionen  und 
die  Versenkung  in  die  Geheimnisse  mystischer  Kontemplation  begegnen  allerwärts  in 
der  kurz  nach  ihrem  Tod  (vor  1356;  mit  späteren,  bis  1394  reichenden  Zusätzen)  von 
einem  sonst  unbekannten  Pfarrer  Berthold  verfaßten  Vita,  die  zu  den  anmutigsten  Proben 
mystischer  Literatur  zu  rechnen  ist  (Hss.  aus  dem  Laßbergschen  Nachlaß  in  Donau- 
eschingen).  Zu  beachten  ist  auch,  daß  Liutgard  mit  den  Zentren  mystischen  Lebens 
am  Oberrhein,  Günterstal,  Königsfelden  und  Töß  in  direktem  Verkehr  stand. 

Es  ist  nicht  recht  klar,  weshalb  Liutgard  das  Wolfacher  Kloster  verließ  und  sich 
zu  einer  Neugründung  entschloß.  Nach  der  Vita  wäre  jene  Niederlassung  von  Johann  XXII. 
aufgelöst  und  den  Schwestern  das  Tragen  der  Ordenskleidung  untersagt  worden;  indes 
läßt  sich  das  Mutterkloster  noch  1329  nachweisen, *)  da  das  Wittichener  Klösterchen 
schon  bestand.  Die  »Jahrgeschichten«  verlegen  die  Gründung  des  letzteren  ins  J.  1324 
und  sagen,  daß  anfangs  nur  zwei  Schwestern  von  Wolfach  herübergezogen,  daß  aber 
1325  alle  34  Schwestern  in  Prozession  gefolgt  seien.  Da  das  Gebiet  der  Neugründung 
den  Geroldseckern  und  dem  Herzog  von  Teck  gehörte,  suchte  Liutgard  erst  bei  letzterem 
um  Unterstützung  und  beim  Geroldsecker  Vogt  auf  der  Burg  Schenkenzell  um  Erlaubnis 
nach.  Die  Geroldsecker  Herrschaft  wies  ihr  sofort  das  Erträgnis  der  S.  Katharinen- 
Pfründe  an.  Weitere  Mittel  verschaffte  sich  die  Selige  auf  Bittgängen  nach  Straßburg, 
nach  Aarau  und  zur  Königin  Agnes  in  Königsfelden.  An  letzterem  Ort  wird  ihr  der 
gleichzeitig  stattfindende  Brand  ihres  Klösterchens  geoffenbart(i  327).  Agnes  soll  daraufhin 
die  Kosten  des  Neubaues  (1329)  getragen  und  Güter  in  Brugg  angewiesen  haben. 
1330  wurde  die  Kirche  konsekriert  zu  Ehren  Mariens,  der  Heiligen  Katharina,  Klara, 
Franciscus,  Petrus  und  Paulus  und  aller  Heiligen  (Haupttitulus  Allerheiligen). 

Wie  die  Geroldsecker  die  Stiftung  von  Anfang  an  begünstigt,  so  förderten  sie  sie 
durch  mancherlei  Zuwendungen.  1327  schenkten  Walter  von  Geroldseck  und  der  durch 
seinen  Besitz  gleichfalls  an  dem  neuen  Gotteshaus  interessierte  Graf  Georg  von  Veldenz 
den  Kirchensatz  von  Roßberg,  wogegen  sich  die  Familie  Geroldseck  für  alle  Zeiten  das 
Vogtei-  und  Schirmrecht  garantieren  läßt;  1331  der  gleiche  Geroldsecker  den  viel  einträg- 
licheren Kirchensatz  von  Schenkenzell,  dessen  Kirche  1350  völlig  inkorporiert  wurde.2) 
1348  treten  er  und  seine  zwei  Söhne  zu  ewigem  Zinslehen  gegen  jährlich  4 Pfund  Heller 
den  Wald  in  Wittichen  ab,3)  dieser  Waldzins  wird  aber  zunächst  1358  den  zwei  ins  Kloster 
getretenen  Töchtern  eines  Toley  zugewendet,  nach  deren  Tod  er  erst  frei  dem  Konvent 
zufallen  soll.  Herzog  Albrecht  und  seine  Gemahlin  Johanna  schenken  1340  400  fl.,  womit 
für  alle  Zeiten  zwei  Priester  unterhalten  werden  sollen.4)  Eine  Straßburgerin,  Duda, 
Witwe  des  Bürckelin  genannt  Schaffner  von  Westhoven,  vermacht  1376  einen  Hof  samt 
allem  Zubehör  in  Molsheim  (gelegen  neben  Mag.  Mathias  von  Neuenburg).0)  In  großer 
Menge  häuften  sich  in  der  zweiten  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  die  Schenkungen  von  seiten 

L Fürstenb.  Urk.-Buch  V,  S.  381. 

2)  Regesten  der  Bischöfe  von  Konstanz  II,  Nr.  4529  und  5009. 

8)  Ruppe  rt,  Gesch.  der  Mortenau  I,  S.  500. 

4)  Vgl.  Lichnovsky,  Gesch.  des  Hauses  Habsb.,  Regg.  von  Birk  III,  S.  1235. 

5)  Z.  21,  S.  294. 


Ö2Ö 


KREIS  OFFENBURG. 


des  Kinzigtäler  Adels  wie  der  Gemeinen.  So  kam  1347  der  Kirchensatz  von  Weitingen 
durch  Volz  Neuneck  ans  Kloster,  1352  der  von  Hohenmössingen,  1357  der  von 
Hierlingen  mit  dem  Zehnten  in  Frommenhausen.  Besonders  ausgedehnt  war  der  Besitz 
in  Rottweil.  Hier  wie  in  Hohenmössingen,  Horb,  Gengenbach,  Lahr,  Straßburg,  Villingen 
und  Brugg  (jährlicher  Ertrag  4500  fl.)  waren  besondere  Schaffneien.  Auch  an  Privilegien 
fehlte  es  von  Anfang  an  nicht.  1330  wurde  durch  eine  Ablaßverleihung  die  Bedeutung  des 
Gotteshauses  erhöht;  1336  die  Hintersassen  und  das  Gesinde  des  Klosters  von  der  kirch- 
lichen Zuständigkeit  in  Reinerzau  gelöst  und  nach  Wittichen  gewiesen;  1339  wurde  der 
Kirche  das  Begräbnisprivileg  verliehen  bezüglich  aller,  die  sich  dort  bestatten  lassen 
wollten.1)  Der  Vorsteherin  wurde  durch  eine  Verfügung  Gregors  XI.  (1376)  der  Titel 
einer  Äbtissin  bewilligt  und  der  Personalstand  des  Klosters  auf  50  festgelegt.  Im  14.  Jh. 
vollzog  sich  nach  der  Klostertradition  auch  die  Umwandlung  des  Tertiarierinnen- 
konvents  in  ein  Klarissinnenkloster.  Wann  das  geschah,  wissen  wir  nicht;  wir  haben 
nur  die  nachträgliche  päpstliche  Bestätigung  von  1402.  Aber  da  schon  1331  »von 
Wittgenstein  St.  Claren-Ordens«  die  Rede  ist,  wäre  es  denkbar,  daß  das  Klösterchen  von 
vornherein  eine  Klarissinnenstiftung  war  und  daß  gerade  der  Wechsel  der  Regel  mit  dem 
Preisgeben  des  Wolfacher  Klosters  zusammenhängt. 

Das  1 4.  Jh.  ist  unverkennbar  die  Blütezeit  des  weltverlorenen  Schwarzwaldklöster- 
chens;  die  Selige  selbst  sah  es  noch  in  voller  Entfaltung,  da  sie  erst  1347  oder  1348 
starb.  Wenig  nur  ist  aus  dem  folgenden  Jahrhundert  bekannt ; und  das  Wenige 
beschränkt  sich  auf  einen  Schutzbrief  des  Kaisers  Sigismund  (1417)  und  auf  eine 
Bestätigung  des  Vogteirechts  für  Diebolt  und  Gangolf  von  Geroldseck  (1473).  I5°°  aber 

geht  dieses  Recht  zugleich  mit  der  käuflichen  Erwerbung  der  Herrschaft  Schenkenzell 
zufolge  kaiserlicher  Verfügung  an  Graf  Wolfgang  von  Fürstenberg  über.  Diese  Ver- 
bindung brachte  in  der  Folge  das  Kloster  mit  der  Kinzigtäler  Herrschaft  in  die  Wirren 
der  Reformation.  Graf  Wilhelm,  der  Nachfolger,  versuchte  auch  hier  1540  die  neue  Lehre 
einzuführen : die  Klosterfrauen  wurden  verjagt  oder  zum  Heiraten  angehalten,  die  Kloster- 
urkunden weggenommen,  die  Pfarre  Roßberg  beseitigt  und  die  Glocken  in  Straßburg 
zu  Geschützen  umgegossen.  Der  Pfarrer  von  Roßberg,  der  jetzt  ein  Prädikant  war,  sollte 
laut  »Befelchzedel«  von  1542  im  Kloster  selbst  amtieren  und  die  noch  gebliebenen 
(zuletzt  nur  noch  zwei)  Nonnen  der  neuen  Lehre  gewinnen.  Noch  ist  das  Verzeichnis 
aller  Wertgegenstände  erhalten,  die  in  den  J.  1546  und  1547  auf  Befehl  des  Grafen 
dem  Kloster  weggenommen  wurden.  Es  sind  meistens  wertvolle  Paramente,  die  an 
Bekannte  und  Verwandte  des  Grafen  Wilhelm  verschenkt  wurden;  an  Dreikönig  1547 
alle  »briefe«  über  Schaffneien,  18  silberne  Becher  von  20  im  Inventar  von  1542  ver- 
zeichneten,  6 silberne  Kelche  von  7,  2 Sakramentsbüchslein.2)  So  war  tatsächlich  die 
Säkularisation  über  dieses  Frauenkloster  verhängt.  Als  Prädikant  von  Wittichen  wird 
der  bejahrte  Jakob  Gyr,  von  Schenkenzell  Georg  Häner  genannt.  Nach  Einführung  des 
Interims  und  nach  dem  Tode  des  Grafen  Wilhelm  nahm  die  Gegenreformation  wieder 
ihren  Einzug;  aber  die  sittliche  Verwilderung,  eine  Folge  des  glänzenden  Wohlstandes 
und  der  durch  die  Reformation  hervorgerufenen  Ungebundenheit,  beschäftigte  fast  ein 
Jahrhundert  lang  die  weltlichen  und  geistlichen  Behörden  unablässig  mit  den  abstoßendsten 


*)  Regg.  der  Bischöfe  von  Konstanz  II,  Nr.  4528  und  4575. 

2)  Mitteilungen  aus  dem  Fürstenb.  Archiv  I,  S.  415. 


AMT  WOLFACH.  — KALTBRUNN.  (WITTICHEN.) 


627 


Skandalen.  Wohl  wurde,  wie 
schon  1512  durch  den  ober- 
deutschen Provinzial  Georg 
Hoffmann  eine  Reformord- 
nung erlassen  worden  war, ') 
nach  der  Wiederherstellung 
des  Katholizismus  wiederholt 
der  Versuch  gemacht,  das 
Kloster  gründlich  zu  refor- 
mieren; so  wurde  1568/69 
ein  Reformentwurf  festgestellt, 
nach  dem  durch  Schwestern 
aus  Valduna  bei  Feldkirch 
eine  Regeneration  der  Kloster- 
disziplin herbeizuführen  war. 
Aber  das  Übel  nahm  unter 
diesen  Neuangekommenen 
eher  noch  zu.  Eine  zweite 
Reformordnung  wurde  1571 
getroffen.1 2)  Der  Dreißig- 
jährige Krieg  brachte  zu 
diesem  moralischen  Elend 
noch  reichlich  Ungemach  und 
äußere  Sorgen.  Wiederholt 
mußten  die  Nonnen  (1620, 
1624,  1632)  mit  der  wert- 
vollsten Habe  sich  flüchten ; 
1636  wurde  aber  auf  der 
Flucht  der  Klosterbeichtvater, 
der  Kelch  und  andere  wert- 
volle Geräte  an  sich  ge- 
nommen hatte,  erschlagen. 
Vier  Jahre  später  wurde  das 
ganze  Kloster,  nachdem  es 
sich  noch  wenige  Jahre  vorher 
bei  Bernhard  von  Weimar 
von  der  Brandschatzung  frei- 
gekauft hatte,  niedergebrannt 
mit  dem  größten  Teil  der 
Kirche  und  dem  nahen  Wald. 
Nachdem  1642  das  Ganze 


1)  Mitteil,  aus  dem  Fitrstenb. 
Archiv  I,  S.  14. 


2)  Ebenda  II,  S.  12 1 — 157. 


■l'/g-  34^-  Kanzel  der  ehemaligen  Klosterkirche  in  Wittichen. 


628 


KREIS  OFFENBURG. 


wieder  aufgebaut  war,  fiel  es,  mit  Ausnahme  der  Kirche,  schon  1663  einem  dritten  Brande 
zum  Opfer.  Erst  zum  Jahre  1681  vermelden  die  Jahrgeschichten  den  Neubau,  den  Pater 
Euprepis  geleitet  haben  soll.  1629  war  die  Gruft  der  Gründerin  geöffnet  und  deren  Gehirn 
laut  Gutachten  des  Dr.  Gabler,  Leibarzt  des  Markgrafen  Wilhelm  von  Baden,  des 
Physikus  Jakob  Häusler  von  Villingen  und  des  Dr.  Kiefer  von  Straßburg  in  wunderbarem 
Zustande  gefunden  worden.  — Auf  die  späteren  zum  Teil  langwierigen  Streitigkeiten  mit 
den  Kapuzinern,  die  teilweise  aus  materiellen  Gründen  die  Beichtväter  für  das  Kloster 
zu  stellen  wünschten,  sowie  mit  den  Fürstenbergern  wegen  Kompetenzanfechtungen 
braucht  hier  nicht  weiter  eingegangen  zu  werden.  Wittichen  wurde,  noch  bevor  es  an 
Baden  fiel  (1806),  von  den  Fürstenbergern  (1803)  säkularisiert,  den  Nonnen  aber  gestattet, 
bis  zum  Aussterben  des  Konventes  im  Kloster  zu  bleiben.  Bezüglich  des  Kirchenschatzes 
sind  zwei  Inventare  wertvoll  aus  den  J.  1542  und  1565.  Sie  zeigen  uns  das  Kirchlein 
entsprechend  dem  Wohlstand  des  Klosters  in  sehr  guter  Ausstattung:  es  werden  zahl- 
reiche Meßgewänder  aus  Samt,  Damast  und  Seide,  zum  Teil  reich  gestickt,  aufgeführt, 
ein  schwarz-rot-gelber  »fürhang«  für  das  Sakramentshäuschen,  zwei  gestickte  »Fürhänge« 
für  die  Altäre,  ein  »goldengestickter  Borden  mit  den  zwölf  Aposteln«  für  einen  Altar,  ein 
»blau  schettern  Sakramentstüchlein«,  in  einer  »Schindellade  eine  kupfer« vergoldete  Mon- 
stranz, zwei  silberne  Meßkännlein,  ein  silbernes  Kruzifix,  sieben  gewirkte  Bankkissen,  ein 
ebensolches  Stuhlkissen,  eine  Decke  auf  der  Stifterin  Grab,  zwei  gemalte  Tücher  mit 
dem  König  Pharao  und  der  Krönung  des  Herrn,  ein  grünes  Tuch  auf  der  Gräfin  Grab, 
sieben  Kelche,  für  die  Schwestern  silberne  Becher,  Löffel  u.  a.  Der  Schatzbestand 
von  1542,  der  1546/47  teilweise  reduziert  wurde,  befand  sich  zum  Teil  im  Kreuzgang 
in  einem  »Kensterli«,  zum  Teil  in  der  Custorie,  zum  Teil  im  Gewölbe.1)  (Sauer.) 

Die  heutige  Kirche  ist  ein  einschiffiger  Bau  mit  polygonaler  Apsis  und  hohen,  rund- 
bogigen  Fenstern,  also  wohl  der  schlichte  Neubau  von  1681.  Doch  blieben  bei  den 
Bränden  1642  und  1663  offenbar  die  unteren  Mauern  der  gotischen  Kirche  stehen  und 
konnten  bei  dem  Neubau  benutzt  werden,  wie  die  an  den  Chorteilen  erhaltene  gotische 
Wasserschräge  und  die  spitzbogige  Eingangstür  in  die  Kirche  mit  hohlgekehltem  Gewände 
bezeugen.  An  der  Decke  des  Chors  Deckenbild  mit  der  Stigmatisation  des  h.  Franz, 
ein  weiteres  Bild  unter  der  einfachen  Empore. 

Innenausstattung  Die  Innenausstattung  stammt  ebenfalls  zum  größten  Teil  aus  der  Zeit  nach  1781, 

Altäre  so  Altäre  und  Kanzel.  Der  Hochaltar,  großer  Säulenaufbau  mit  verkröpftem  Gebälk 
und  flachrundem  Giebel,  reich  geschnitztem  Rankenwerk,  Holzstatuen  der  Heiligen  Franz 
und  Liutgard  sowie  kleineren  Heiligenstatuen  auf  der  Bekrönung,  Putten  etc.  (auch  am 
Tabernakel),  umschließt  ein  Gemälde  der  Krönung  Mariä  und  aller  Heiligen,  ein  mittel- 
gutes, wirksames  Werk  vom  Ende  des  1 7 . Jhs.  Auf  dem  Bild  ein  Wappen : springender 

I G G D 

Hund  mit  rotem  Halsband,  darüber  Kardinals  (?) hut,  dabei  die  Schrift:  gy.  Die 

beiden  Seitenaltäre  zeigen  die  gleiche  Ausbildung  wie  der  Hauptaltar,  ohne  nennens- 
Kanzei  werte  Einzelheiten.  Die  Kanzel  (s.  Fig.  346),  mit  reicher  Ranken-  und  -Bandschnitzerei, 
zeigt  unten  die  Gestalten  der  vier  Kirchenväter,  an  dem  von  Voluten  getragenen 
Baldachin  die  Figur  der  Stifterin  mit  dem  Kirchlein  und  einen  posaunenblasenden  Engel. 
Taufstein  Der  Taufst ein  (Sandstein)  in  schlichter,  sechskantiger  Form  trägt  das  Monogramm 

Mariä  und  die  Inschrift:  IOHANNES  DER  DAVF  . . 

*)  Mitteilungen  aus  dem  Fiirstenb.  Archiv  I,  S.  323  ; II,  S.  89. 


AMT  WOLFACH.  — KALTBRUNN.  (WITTICHEN.) 


629 


An  Epitaphien  enthält  die  Kirche  eine  größere  Anzahl.  Zunächst  ist  die  Gruft  Epitaphien 
der  Stifterin  mit  einer  Platte  geziert,  auf  der  in  flachem  Relief  ihre  Figur  ausgehauen  ist, 
der  leere  Raum  zu  ihren  Füßen  mit  Maskarons  und  Beschlägomament  ausgefüllt  (17.  Jh.), 
die  Umschrift  lautet: 

S • LEUDTGARD  • STIFTERIN  DISES  GOTTSHAUS  WITTICHEN. 

Darunter  angebracht  ein  kleiner  Steinsarkophag  mit  der  Aufschrift  1629,  der  das 
Gehirn  der  Heiligen  enthalten  soll.  Uber  der  großen  Platte  ein  Ölgemälde,  wohl  aus 
der  gleichen  Zeit,  auf  dem  die  Heilige  dargestellt  ist  und  die  Klostergebäude,  wie  sie  bis 
1855  noch  bestanden. 

An  der  Wand  daneben  zwei  Grabplatten,  die  beide  in  Umrißlinien  eingeritzt  die 
Figur  eines  Priesters  mit  Kelch  zeigen  in  eleganter  Zeichnung  des  14.  Jhs.  Leider  sind 
die  Steine  sehr  abgetreten,  so  auch  die  Umschriften.  Von  der  einen  ist  entzifferbar: 

ncis  Dfiß . racoiijiuß . oe . ß jjß  ßuo. 


von  der  anderen : 

+ • jrrmo  tmi imo  (?)  (Do^sauß  eßs 

oeß viciLi . . . io^ji  . . euß  . jive. 


Weiterhin  die  Grabplatte  der  Gräfin  Barbara  von  Fürstenberg,  geb.  Montfort,  oben 
das  Allianzwappen,  darunter  von  zwei  Gerippen  gehalten  ein  Schild,  auf  dem  ein  Kruzifix 
zwischen  zwei  Leuchtern  auf  einer  Tumba  dargestellt  ist ; die  in  sehr  schlechter  Kapitale 
gehaltene,  durch  Abtreten  zudem  stark  verwischte  Umschrift,  in  zwei  Reihen  über- 
einander, lautet : 

DEN  IZ  DECEMBRIS  ANNO  + 15  + 9Z DIE  HOCHWOLGEBORNE 

FR AW  BARBARA  GEBORNE  GRAEVIN  ZU  MUNTFORT  • EGWEIL  UND 
. . . . DES  HOCHW  ....  HERREN  CHRISTOFFEN  ZU  FÜRSTENBERG  • 

C • C • W . SELIGEN  ANGEDE GEWESENE  EHLICHE  GEMAHLIN 

DEREN  DER  ALLMECHTIG  GOTT  GNEDIG  UND  BARMHER EN. 


Von  dem  folgenden  Grabstein  ist  nur  noch  der  Topfhelm  erhalten,  dessen  Helm- 
kleinod einen  bärtigen  Männerkopf  mit  phrygischer  Mütze  hat,  auf  der  drei  Schildchen. 

Kleinere  Grabplatten  von  1751  und  1757,  sonst  abgetreten,  auf  dem  Boden  der 
Kirche,  vor  dem  Altar  die  des  Pater  Melch  von  1762  und  des  Hyazinth  Neef  von 
Offenburg,  gestorben  1773. 

In  der  Kirche  noch  Holzfigur  des  Heilandes  in  Ketten,  Durchschnittsarbeit  von  Holzfigur 
1700;  Kruzifix,  neben  ihm  Sebastian  und  Wendelin.  Der  h.  Sebastian,  eine  mittlere, 
oberdeutsche  Schnitzarbeit,  mit  dem  beliebten,  perückenartigen  Haar,  ca.  1,15  m hoch, 
am  Sockel  steht  IX9Ä,  das  Kruzifix  Durchschnittsarbeit  aus  der  Mitte  des  16.  Jhs.,  der 
h.  Wendel  desgleichen  aus  dem  17.  Jh. 

Auf  dem  Altar  holzgeschnitzte  Leuchter  mit  Puttenköpfen,  gute  Arbeiten  des  Leuchter 
beginnenden  18.  Jhs. 

Eine  Tür  mit  Flachschnitzerei,  Rankenwerk  (um  1700),  führt  in  die  Sakristei.  Tür 

Zwei  Glocken  sind  1789  von  Matthäus  Edel  in  Straßburg  gegossen.  Glocken 

In  der  Sakristei  und  im  ehemaligen  Klostergebäude  werden  noch  eine  stattliche 


Anzahl  alter  Kirchengeräte  und  Kirchengewänder  aufbewahrt: 

Monstranz,  silbervergoldet,  getrieben,  in  der  Sonnenform,  mit  schönen  Ranken  vor 
den  Strahlen,  in  ihnen  die  getriebenen  Halbfiguren  von  fünf  Franziskanerheiligen  sowie 


Kirchengeräte 

Kirchengewänder 


630 


KREIS  OFFENBURG. 


Gott -Vaters,  gute  Arbeit,  Augsburger  Zeichen  und  AM;  Wettersegen  in  gleicher  Form, 
Material  und  Arbeit,  mit  teilweise  aufgelegtem,  getriebenem  silbernen  Rankenwerk, 
Mitte  18.  Jhs. ; Kelch,  silbervergoldet,  getrieben,  mit  reichen  Rocailleornamenten,  in  den 
Rocaillekartuschen  des  Fußes  eingraviert  das  Wappen  Wittichens,  darunter  1744  und: 


Fig.  347.  Casel  in  Wittichen. 

THOMAS  HEISLER  CATHARINA  HEISLERIN 

MEMENTO  MIHI 

sowie  das  Zeichen : ^ , Augsburger  Beschauzeichen,  darunter  F,  das  Goldschmiede- 
zeichen unleserlich;  zweiter  Kelch,  gleiche  Arbeit  und  Material,  am  Fuß  die  Leidens- 
werkzeuge und  Früchtekränze,  an  der  Cuppa  aufgelegtes  Silberrankenwerk,  Zeichen  S ? 

IE 

und  ; Meßkännchen  mit  Platte,  silbervergoldet,  getrieben,  Zeichen  ein  Adler  (?)  und  N ; 

desgleichen  in  gleicher  Arbeit  und  Material,  reichere,  gute  Arbeit  aus  der  Mitte  des 
18.  Jhs.,  Augsburger  Zeichen,  darunter  F,  Meisterzeichen  verwischt;  ewige  Licht-Lampe, 
silbergetrieben,  mit  Rocailleornamenten,  auf  den  Rundmedaillons  steht: 


AMT  WOLFACH.  — KALTBRUNN.  (WITTICHEN.) 


631 


Augspurg  UnC*  I75o’ 

auf  dem  dritten  eingraviert  das  Klosterwappen;  große,  silber getriebene  Barockleuchter 
mit  dem  üblichen  Volutenfuß;  Missale,  der  Samteinband  mit  reichem  Beschläg,  silber- 


Fig.  348.  Casel  in  Wittichen. 


getriebenes  Rocaillewerk,  gestiftet  von  dem  Pfarrer  in  Kaltenbronn  Christian  Hug  nach 
Wittichen  1760;  Rosenkranz,  teils  silbergetriebene,  teils  achatne  Glieder,  18.  Jh. 

An  Gewändern  nenne  ich : Casel,  Brokatstoff  mit  eingewebten  Seidenblumen  auf 
Kreuz  und  Stab ; eine  weiße,  ebenfalls  mit  reicher  Buntseidenstickerei  von  Blumen  und 
Rocaillewerk;  eine  solche  von  rotem,  gepreßtem  Samt,  Kreuz  und  Stab  zeigen  auf 
roter  Seide  reiche  Stickerei  in  Gold  und  Silber  (s.  Fig.  347);  auf  gleichem  gepreßten 
Samt  auf  weißseidenem  Stabe  sehr  schöne  Stickerei  in  bunter  Seide,  große  Blumen- 
ranken (s.  Fig.  348);  eine  Casel  in  dem  in  der  Rokokozeit  so  beliebten  Hellblau,  mit 
eingewirkten  buntseidenen  Blumen,  ein  echtes  Beispiel  des  damaligen  Farbensinnes; 
weiße  Casel  und  Levitenröcke  mit  eingewebten  buntseidenen  Blumen ; Casel  von  grünem 


Band  VII. 


41 


632 


KREIS  OFFENBURG. 


Abteigebäude 


Seidendamast  und  lila  Stab,  worin  buntseidene  Blumen  eingewirkt,  auf  der  Rückseite 
Stickerei  in  Gold  und  Lila  auf  schwarzer  Seide;  Palla  von  roter  Seide  mit  eingestickten 
Goldplättchen  und  Blumen,  schönes  Stück  des  ausgehenden  18.  Jhs. ; ein  weißes  Velum 
mit  Goldstickerei,  ein  blaues  mit  hochgestickten  Goldranken  und  seidenen  Blumen,  Mitte 
des  18.  Jhs.,  zwei  in  Citronengelb  vom  Ende  des  18.  Jhs.;  eine  Alba  mit  schöner 
Weißstickerei  und  breiten  Klöppelspitzen;  eine  Anzahl  weiterer  Alben  und  Altardecken 

des  18.  Jhs.;  ein  Leinentuch  (jetzt  in  zwei  Stücke  geteilt)  (s.  Fig.  349),  weiß  und  gelb 

WH 

gestickt,  und  zwar  in  Ranken  Adam  und  Eva,  neben  ihnen  eingestickt  j-  sowie  die 
Evangelistenzeichen;  zwei  sogen.  Engeltücher  mit  wenigen  eingestickten  seidenen  Blumen; 


Fig.  J4Q.  Gelb  und  weiß  gesticktes  Leinentuch  in  Wittichen. 


ein  in  geometrischem  Muster  von  Rauten  und  Trapezen  gestickter  Teppich ; eine 
Madonnenfigur  bezw.  nur  der  Kopf  und  darunter  das  Gestell,  in  Holz  geschnitzt,  bekleidet 
mit  bunt  gestickten  Seidengewändern  des  18.  Jhs. 

Ein  Reliquiar,  holzgeschnitzt,  in  Barockformen  mit  Rankenumrahmung. 

Das  heute  noch  stehende  Abteigebäude  ist  ein  schlichter  Bau1)  vom  Ende  des 
17.  Jhs.,  dessen  Fassade  auf  der  einen  Seite  durch  einen  Erker,  auf  der  anderen  durch 
ein  stattliches  Portal  belebt  wird.  Dieses  Renaissanceportal  (s.  Fig.  350)  mit  reich  ver- 
zierten Hohlkehlen  der  Laibung,  mit  durch  Beschlägornament  verziertem  Wulst,  wird  von 
Pilastern  mit  ionischen  Kapitellen  flankiert,  die  ein  mit  Früchten  verziertes  Gebälk  tragen, 
darüber  der  gebrochene  Rundgiebel  mit  Zahnschnitt  und  Obeliskenbekrönung,  zwischen 

*)  Abgebildet  bei  Näher  a.  a.  O.,  Blatt  11. 


AMT  WOLFACH.  — KALTBRUNN.  (WITTICHEN.) 


633 


dem  Giebel,  von  Voluten  flankiert,  das  Fenster.  Dieses  wird  von  Rollwerk  bekrönt,  in 
dessen  Mitte  das  Monogramm  Jesu. 

Das  Innere  ist  durchaus  schlicht,  die  Holzumrahmung  der  Türen  zeigt  die  Profili- 
rung  des  ausgehenden  17.  Jhs.,  so  besonders  am  Kapitelsaal,  an  dem  der  obengenannte 


Fig.  350.  Portal  des  Abteigebäudes  in  Wittichen. 

Erker  sich  befindet.  Im  dritten  Stockwerk  liegt  im  Gang  ein  Sandstein,  eine  ehemalige 
Türbekrönung  mit  reich  skulpierter  Rollwerkkartusche  und  Früchtekranz;  in  ersterer  steht: 

J6i5 

4 

Einige  Zimmer  weisen  noch  von  der  alten  Ausstattung  schlicht  getäfelte  Decken  (Stab- 
decken) auf,  so  besonders  die  Paramentenkammer.  Hier  auch  ein  eingelegter  Schrank 
von  1749,  fernerhin  ein  Ofen  mit  gußeiserner  Platte,  auf  der  Rankenwerk. 

An  dem  Weg  nach  Schenkenzell  einige  Bildstöcke  des  18.  Jhs. 


41 


634 


KREIS  OFFENBURG. 


Ortsgeschiclite 


Wirtshausschild 


Ortsgeschichtc 


Hof 


Ortsgeschichte 


KINZIGTAL 

(HALBMEIL,  IPPICHEN,  LANGENBACH,  S.  ROMAN) 

Aus  in  den  Gebirgstälern  weit  zerstreuten  Orten  setzt  sich  diese  Gemeinde  zu- 
sammen, deren  Hauptort  Halbmeil  im  Flußtal  der  Kinzig  liegt. 

HALBMEIL 

Schreibweisen:  zur  Halbenmil  ob  Wolfach  1482;  von  der  Halbenmil  1492.  (Wörtlich 
zu  nehmen.) 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  153. 

Ortsgeschichte'.  Früher  zur  Herrschaft  Wolfach  gehörig,  kam  es  mit  dieser  an  das 
Haus  Fürstenberg,  bis  es  1 806  badisch  wurde. 

Wirtshaus  »Zum  Engel«  hübscher  schmiedeeiserner  Wirtshausschild . 18.  Jh. 

IPPICHEN 

Schreibweisen:  Gypchen  1332;  Gipechen  1341;  Gypken  1386;  Gipchen  1393  etc.; 
Gyphen  1453;  Gyppich  1476;  Gippich  1479.  (Hof  des  Gibicho.) 

Ortsgeschichte:  Die  Gegend  kam  mit  der  Herrschaft  Wolfach  an  Fürstenberg. 
Nach  der  hier  ehemals  stehenden  Burg  (s.  unten)  nannte  sich  ein  Dienstmannengeschlecht 
der  Herren  von  Hohengeroldseck,  der  Grafen  von  Fürstenberg,  der  Grafen  von  Lupfen 
und  der  Herren  von  Homberg,  von  dem  Ulrich  de  Gipeche  1268,  Ulrich  von  Hepchen 
1280  zuerst  erscheint.1)  1472  scheint  mit  Diebolt  von  Gippichen  das  Geschlecht  zum 
letzten  Male  genannt  zu  werden.  Von  der  Burg  hören  wir  zum  ersten  Male  1451, 
Gippicher  burgstall  1493.  Sie  wird  nach  dem  Erlöschen  des  Geschlechts  allmählich  zur 
Ruine  geworden  sein,  heute  sind  von  ihr  keinerlei  Reste  mehr  erhalten,  nur  der  Name 
Burgmatte  beim  Abrahamsbauer  deutet  darauf  hin. 

Hof  des  Klasenbauern.  Das  Haus  hat  zwei  rundbogige  und  ein  spitzbogiges  Tor 
mit  gewelltem  Profil.  — Scheune  mit  rundbogiger,  abgefaster  Tür ; die  Stockwerke  durch 
gotische  Wasserschräge  (Wasserschlag)  voneinander  geschieden.  Fenster  mit  geradem 
Sturz  und  abgefaster  Laibung,  außerdem  noch  Lichtluken.  Das  Haus  ist  später  ver- 
größert und  das  Dach  erhöht  worden.  Bruchsteinbauten,  die  Einfassungen  etc.  aus 
Sandstein,  17.  Jh. 

LANGENBACH 

Schreibweisen:  Langenbach  1428;  im  Langembach  1451. 

Ortsgeschichte:  Mit  der  Herrschaft  Wolfach  kam  Langenbach  an  das  Haus  Fürsten- 
berg, 1806  wurde  es  badisch. 

Im  Schulhaus  aufbewahrt  eine  Urkunde  von  14S7  (Montag  nach  S.  Gilgentag), 
Entscheidung  des  Gerichts  zu  Schiltach  in  Sachen  der  Gemeinden  Langen-  und  Ubel- 
bach  gegen  Gangolf  von  Hohengeroldseck  und  Schenkenzell  bezüglich  des  Waldes 
in  Hägbach. 

*)  Kindler  von  Kn  ob  loch  a.  a.  O.  I,  S.  446. 


Tafel  XXIII 


S.  Roman,  Sakramentshäuschen. 


AMT  WOLFACH.  — KINZIGTAL.  (S.  ROMAN.) 


635 


Geringe  Kapelle  des  18.  Jhs.,  ehemals  gotisch,  worauf  noch  Fenstergewände  Kapelle 
deuten.  Glocke  nicht  zugänglich. 

Haus  Nr.  9 von  1728  laut  Inschrift  über  der  Tür.  Daran  kleiner  Grabstein  mit  Hauser 
roh  ausgehauenem  Kreuz  von  1728  eingemauert.  Haus  Nr.  24  (sogen.  Weidelibauer), 
hinten  im  Tal,  von  1814;  typisches  Schwarzwaldhaus,  eine  Anlage  von  zwei  Tennen. 

S.  ROMAN 

Schreibweisen:  sant  Rumann  1493;  s.  Ruma  1499. 

Archivalien  der  (kath.)  Pfarrei:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  14  (1892),  S.  114/15 
und  123. 

Ortsgeschichle : S.  Roman  gehörte  zu  dem  Schlosse  Rumberg  bezw.  Romberg  Ortsgeschichte 
(s.  Schapbach)  und  mit  diesem  den  Hohengeroldseckem.  1472  verpfändete  Gangolf  von 
Geroldseck  Schloß  nebst  Zubehör  an  Hans  Mollenkopf  vom  Rise,  von  dem  es  1490 
Graf  Wolfgang  von  Fürstenberg  einlöste  und  den  Geroldseckern  abkaufte.1)  1806  wurde 
der  Ort  badisch. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Romanum):  Zwischen  1360  und  1370  wird  die  ecclesia  Kath  Pfarrkirche 
sancti  Romani  in  decanatu  Oberndorf  sive  Rotwil  genannt,  1470  ecclesia  parrochialis 
sancti  Romani  in  Nigrasilva.  Bald  nachher  kam  nach  Kolb2)  die  Pfarrei  in  Abgang, 
wurde  1520  neu  fundiert,  geriet  wieder  in  Verfall,  und  die  Wallfahrtskirche  wurde  Filiale 
von  Wolfach.  Seit  1784  wurde  wieder  die  eigene  Pfarrei  errichtet.  — S.  Roman,  auf 
waldiger  Höhe  gelegen,  ist  ein  von  der  ganzen  Gegend  sehr  besuchter  Wallfahrtsort, 
der  in  Hansjakobs  Schriften  häufig  vorkommt. 

Der  heutige  Bau  ist  einschiffig  mit  geradabschließendem  Chor,  schlichter  gotischer 
Bau  aus  Bruchsteinen,  kleinen  Sandsteinfindlingen  Im  18.  Jh.  wurde  er  vorgeschuht. 

Der  vordere  Teil  zeigt  daher  Lichtöffnungen  in  der  Form  des  (Eil  de  Bceuf;  der  hintere 
geringe  geradsturzige,  spätgotische  Fenster  mit  abgeschrägtem  Rahmen.  Das  Portal  ist 
rundbogig,  hohlgekehlt  und  abgefast. 

Die  an  die  Nordseite  des  Chors  angebaute  Sakristei,  ein  einfacher,  viereckiger  Bau 
mit  kleiner  Fensterluke,  hat  an  der  Nordwestecke  einen  kurzen  stämmigen  Strebepfeiler, 
dessen  Stirnfläche  mit  einfachem  Kleeblattmaßwerk  geschmückt  ist.  Gotische  Dachschräge. 

Inneres:  flachgedeckt,  ohne  jede  Bedeutung.  Der  Chor  öffnet  sich  in  gedrücktem  inneres 
Spitzbogen  mit  abgefasten  Kanten  nach  dem  Langhaus.  An  der  Nordwand  des  Chors 
Sakramentsnische,  ähnlich  der  in  Hausach  (Tafel  XXIII).  Reiches  Stab-  und  Fadenwerk 
auf  gedrehten  Basen  umgibt  die  Nische.  Kleeblattmaßwerkbogen,  Kielbogenwimperg 
vervollständigen  das  Ganze,  darüber  noch  flaches,  in  die  Wand  verlaufendes  Maßwerk 
und  ein  Sims,  von  Astwerk  umgeben,  in  dessen  Mitte  ein  Schild  mit  der  Jahreszahl : 

ix  $r. 

Das  Ganze  ist  dick  überschmiert.  Die  Nische  selbst  durch  ein  hübsches  gotisches, 
schmiedeeisernes  Netzgitter,  das  an  seiner  äußeren  Umgrenzung  Rosetten  hat,  ab- 
geschlossen. 

Geringer  Taufstein  mit  Fischblasenverzierung.  Der  Fuß  ist  weggebrochen.  Taufstein 


*)  Großherzogtum  Baden,  S.  868. 

2)  Kolb  a.  a.  O.  III,  S.  122. 


636 


KREIS  OFFENBURG. 


Türe 

Gemälde 

Sakristei 


Altar 

Kirchengeräte 

Kelche 

Steinkreuz 


Ortsgeschichte 


Evang. 

Pfarrkirche 


Türe  zur  Sakristei  an  der  Nordwand  des  Chors,  flachbogig,  Hohlkehle  und  sich 
kreuzende  Stäbe  auf  gedrehter  Basis,  in  zwei  Ecken  leere  Schilde. 

Im  Chor  sollen  jetzt  überschmierte  Gemälde  gewesen  sein. 

Die  Sakristei  zeigt  ein  spätgotisches  Netzgewölbe  mit  trockener  Profilierung  der 
auf  sechs  Konsolen  endigenden  Rippen.  Zwei  Schlußsteine : in  einem  das  Lamm  Gottes 
mit  Kelch,  im  anderen  ein  h.  Märtyrer  (S.  Romanus  r)  mit  einer  Bischofs  (?)  mütze,  Schwert 
und  Palme,  flache  Steinreliefs,  fast  nur  silhouettenartig  ausgearbeitet. 

Vier  der  Konsolen  sind  als  fratzenartige  Männerköpfe  gebildet,  deren  einer  im 
Mund  eine  Schlange,  einer  auffallend  große  Zähne  hat ; die  zwei  übrigen  Konsolen  haben 
Wappenschilder,  alles  dick  überschmiert.  Die  archaisch  strengen  und  starren  Konsolen- 
köpfe wäre  man  geneigt  einer  früheren  Zeit  zuzuschreiben,  ohne  das  zweifellos  spät- 
gotische Gewölbe,  mit  dessen  Rippen  sie  bündig  sind. 

Der  Altar  ist  der  übliche  Barockaufbau  mit  Säulen,  darauf  die  Holzstatue  des 
Heiligen  aus  dem  18.  Jh. 

Kirchengeräte : Wettersegen,  Kupferblech,  vergoldet. 

Kelche : silbervergoldet,  mit  gewundenem  Fuß,  worauf  die  Romanusfigur  eingraviert 
ist,  aufgelegtes  Silberornament  an  der  Cuppa.  Am  Fuß  eingraviert : E X • M • B • Sl  F 
F • Sax  • I7$I;  geringer  zweiter  Kelch,  etwas  später.  Alles  Arbeiten  des  18.  Jhs. 

Vor  der  Kirche  auf  dem  Friedhof  ein  Steinkreuz  von  1757  mit  neuem  Corpus 
Christi. 


KIRNBACH 


Schreibweisen:  Kurenbach  1280;  in  dem  Kümbach  1398;  Kurnbach  1416; 
ze  Kurnbach  dem  tale  in  dem  Kincgental  gelegen  1424;  in  dem  tal  Kürenbach  1460 ; 
Kirnbach  1545  / in  dem  Langen  Kimbach  Hornberger  ampts  dem  fürstentumb  Wirttem- 
berg  inkorporiert  1569. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  159. 

Literatur:  Krummei,  Die  Feier  der  Einweihung  der  evang. -prot.  Kirche  zu 
Kirnbach,  Lahr  1862. 

Ortsgeschichte : Kirnbach  ist  eine  weit  im  Gebirge  zerstreute  Gemeinde  von 
vielen  Zinken.  Es  gehörte  im  13.  Jh.  den  Herzogen  von  Teck,  die  es  1280  an  die 
Herren  von  Hornberg  verkauften:  »wir  herzoch  Ludewich  von  Dekke  han  verkofet 
hern  Brünen  von  Hornberc  unser  gut  ze  Kurenbach  mit  dem  kilchensaze  1280«. 
Mit  dem  15.  Jh.  beginnt  die  allmähliche  Erwerbung  des  Hornberger  Gebietes  durch 
Württemberg,  zu  ihm  gehörte  Kirnbach  denn  auch  vom  16.  Jh.  an,  bis  es  1810 
badisch  wurde. 

Evang.  Pfarrkirche : Zwischen  1360  und  1370  wird  die  ecclesia  Kurenbach  in 
decanatu  Oberndorff  sive  Rotwil  genannt;  vorher  aber  hören  wir  von  einem  eigenen 
»decanatus  Kürnbach  sive  Sultz  1275.  Unser  lieben  frowen,  dem  lieben  herren  sant 
Nyclausen  und  den  heiligen  gemeinlich  zu  der  pfarrekirchen  in  dem  Kürnbach  1451, 
der  heilige  Niclaus  im  Kürnbach  1491«.  Wie  das  ganze  württembergische  Gebiet,  so 
wurde  auch  Kirnbach  im  16.  Jh.  protestantisch. 

Der  heutige  Bau  von  1861.  In  demselben  eine  Orgel  mit  Rocailleornamenten  aus 
der  alten  Kirche. 


Orgel 


AMT  WOLFACH.  — KIRNBACH. 


637 


ginfr/irt 

Heubüh/ie  \ 

1 I 

fiiair- 

Heubuhne 

eütt/antf 

1 1 

1 

Am  Wirtshaus  »Zum  Hirschen«  schmiedeeiserner  Wirtshausschild  des  18.  Jhs. 
Von  den  zahlreichen  Bauernhäusern  und  Höfen  hebe  ich  hervor  den 
..  yUerköäuerfio/'  rn  Jfir/ifacA 

er6auf/'m  CfoJire  ysä/ 

£'iffentüsner:  flirirfian  /Jc/tne/eJer. 


jCä/icblrassn 


Han/fleint/aruptä/v  en 
das  06er*  u.  IföAngesrfas 


Aberlebauernhof  (Christian  Schneider),  an  dessen  holzgeschnitzter  Haustür  die  Jahres- 
zahl 1581,  an  der  Stalleingangstür  ein  in  Fig.  351  abgebildeter  origineller  Voluten- 


Fig.  SS2-  Wohnstube  des  Aberlebauernhof  es . 
(Unten  die  Inschrift  an  der  Quaderecke. ) 


Schmiedeeiserner 

Wirtshausschild 

Bauernhäuser 

Höfe 


ablauf.  An  der  Ecke  des  Hauses  sorgfältig  behauene  Sandsteinquader,  darin  die  Jahres- 
zahl 1581  noch  einmal  eingehauen.  Der  Grundriß  zeigt  nicht  die  übliche  Anlage,  sondern 


Fig.  SSJ-  Konradsbauernhof  in  Kirnbach. 


AMT  WOLFACH.  — KIRNBACH. 


639 


die  Stuben  oben,  die  Stallung  unten,  die  Heubühne  darüber.  Das  Haus  zeichnet  sich 
vor  allem  dadurch  aus,  daß  auch  die  innere  Einteilung  noch  vollständig  erhalten  ist 
und  daß  die  Wohnstube  noch  durchaus  die  alte  Täfelung  des  16.  Jhs.  besitzt,  in  der  die 
Jahreszahl  1581  eingeschnitzt  war  (r),  sowie  die  alte,  flachgewölbte  Balkendecke  (s.  Fig.  352). 
Auch  die  Stuben  daneben  haben  eine  ähnliche  Decke. 

Ein  weiteres  gutes  Beispiel  bietet  der  Konradsbauernhof  (s.  Fig.  353)  mit  balkon- 
artiger Galerie  unten  und  der  Galerie  an  der  Heubühne;  hübsch  ausgeschnittene  Tür- 
stürze im  Hausern.  Uber  seinen  Grundriß  gibt  unsere  Fig.  354  Auskunft;  der  Bau 
stammt  von  1727. 


Fig.  SS4-  Grundriß  des  Konradsbauernhof  es. 


Bei  dem  Haus  des  »Hofes  an  der  Molz«  (s.  Fig.  355),  Eigentümer  Georg  Hilde- 
brand, von  1808,  sind  die  rückwärtigen  Räume  ein  Anbau  neuester  Zeit,  auch  die  große 
Terrasse  an  der  einen  Hausseite  ist  neu.  Alt  die  ganzen  Wohnräume,  malerische  äußere 
Erscheinung,  mit  der  Galerie  etc.  Zwischen  den  beiden  Stuben  fallt  eine  schöne  Tür- 
verdachung und  Verkleidung  auf  sowie  wieder  der  schön  geschnittene  Türsturz  im 
Hausern  (s.  Fig.  356). 

In  dem  Werk  »Das  Bauernhaus  in  Deutschland«  ist  auf  dem  Blatt  Baden 
Nr.  21  in  Abbildung  5 die  Ansicht  eines  weiteren  Hauses  gegeben ; ein  in  allen 
Details  sehr  reiches  und  interessantes  ist  auf  Blatt  Baden  Nr.  2 mit  zahlreichen  Details 
abgebildet. 


Hof  an  der  Molz « in  Hirnbach. 


AMT  WOLFACH.  — MtJHLENBACH. 


641 


Noch  eine  weitere  Anzahl  könnte  namhaft  gemacht  werden,  in  manchen  Seiten- 
tälern sämtliche  Höfe,  doch  liegt  das  nicht  im  Bereich  dieses  Werkes. 


MÜHLENBACH 


Schreibweisen:  Flumen  Milenbach  1234;  im  Milnbach  1301;  alse  der  Mülebach 
gat  bi  der  Kinzcge  1324;  Mülenbach  1341;  Milerspach  1449  etc.;  Mülenbach  1574. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  156. 

Ortsgeschichte:  Der  Ort  ist  nach  dem  Bach  genannt,  in  dessen  Tal  er  liegt:  tal  Ortsgeschichte 
Milenbach  1464,  der  Bach  nach  den  daran  betriebenen  Mühlen,  1493  wird  »die  müllin 
zu  Millenbach«  erwähnt.  Mühlenbach  kam  mit  Haslach,  also  wohl  aus  dem  Zähringer 
Erbe,  an  das  Haus  Fürstenberg.  Rudolf  von  Habsburg,  der  es  zuerst  den  Grafen  ent- 
ziehen wollte,  belehnte  dieselben  schließlich  damit.  Doch  wurde  schon  1280  nach 
Verzicht  des  Grafen  Egeno  das  Lehen  anderen  übertragen:  nobilis  vir  Egeno  comes  de 
Furstenberg  valles  Milinbach  et  Niederinbach  et  villam  Steina  cum  suis  juribus  et  per- 
tinentiis  universis,  que  idem  a Rudolfo,  Romanorum  rege  et  imperio  in  feodum  tenuit, 
ad  manus  Rudolfi  regis  libere  resignavit  rege  humiliter  supplicando,  ut  bona  predicta 
nobili  viro  Hermanno  de  Geroltsecke  et  Ote  de  Duwingen  in  feodum  concedere  dignare- 


642 


KREIS  OFFENBURG. 


Römisches 


Kath. Pfarrkirche 


tur.  Später  kam  es  wieder  an  die  Fürstenberger  und  war  ein  Stab  der  Herrschaft 
Kinzigtal:  im  stab  zu  Millenbach  1493,  ampt  Millenbach  1493.  1643  wurde  der  Ort 

von  den  Soldaten  der  Armee  Bernhards  von  Weimar  ganz  niedergebrannt.  1806  wurde 
Mühlenbach  badisch. 

Zu  der  Gemeinde  gehören  u. a.  die  Zinken  Ober-  und  Unterbüchern,  Büchorn  1327, 
Büchern  1439,  im  Oberbüchorn  1468.  Der  Name  erklärt  sich:  zu  Horn,  cornu,  in  der 
Bedeutung  von  Bergspitze;  er  rührt  jedenfalls  von  der  Lage  der  heute  verschwundenen 
Burg  her.1)  Nach  dieser  nannte  sich  ein  Geschlecht,  als  dessen  erster  Claus  von 
Büchorn  der  Voget  von  Haselahe  erscheint,  1353  hören  wir  von  Hermann  Frideriche 
und  Otte  gebrüder  von  Büchorn  edelknechte.  Als  letzter  wird  Fridrich  Büchern  1443 
genannt.  Von  ihrer  Burg  ist  auch  nicht  einmal  die  Stelle  mehr  festzustellen.  (Wth.) 

Römisches.  Durch  eine  große  Wasserflut  kam  1778  ein  römischer  Altarstein 
mit  Inschrift  aus  dem  Boden  in  die  Nähe  des  Pfarrhauses.  Der  damalige  Fürst  von 
Fürstenberg  schenkte  denselben  dem  Abt  Gerbert  zu  S.  Blasien.  Nach  Aufhebung  des 
dortigen  Klosters  kam  er  an  die  Universitätsbibliothek  von  Freiburg  i.  Br. 

Die  Inschrift  lautet: 

IN  • H (onorem)  D (omus)  D (ivinae) 

DEANAE  ABN 
OBAE  • C ASSI A 
N VS  • CASATI 
V • S • L • L • M 
ET  • ATTIANVS 
FRATER • FAL 
CON  • ET  . CLARO 
COS 

(Siehe  C.  L.  Wielandt,  Beyträge  zur  ältesten  Geschichte  des  Landstrichs  am 
rechten  Rheinufer  von  Basel  bis  Bruchsal,  Karlsruhe  1816.)  (W.) 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Afram):  zu  Mylembäch  under  der  Kirchen  1440; 

Millenbach,  huius  ecclesiae  patronus  s.  Afra,  collator  et  decimator  d.  comes  a Fürsten- 
berg . . . animas  regendas  habet  ca.  500  1666.  Bis  zum  Jahre  1650  war  Mühlenbach 
Filiale  von  Haslach,  dann  wurde  hier  eine  eigene  Pfarrei  errichtet. 

Von  der  älteren  Kirche  ist  nur  der  Turm  erhalten  (s.  Fig.  357).  Auf  quadratischem 
Grundriß  steigt  er  über  dem  Erdgeschoß  noch  in  drei  Stockwerken  auf  und  ist  mit 
einem  Satteldach  abgeschlossen,  also  die  übliche  Form,  die  wir  von  Haslach,  Hausach, 
Zell  her  kennen.  Eine  gotische  Wasserschräge  trennt  die  einzelnen  Stockwerke  von- 
einander, an  den  Ecken  des  Erdgeschosses  durchkreuzt  sie  sich.  Das  Erdgeschoß  öffnet 
sich  nach  Süden  und  Westen  in  tief  herabgeführten  Spitzbögen  mit  hohlgekehltem 
Gewände.  In  dieser  so  entstehenden  Halle  mit  den  üblichen,  trocken  profilierten  Rippen 
der  Spätzeit  und  im  Schlußstein  eingehauene  grobe  Gesichtslinien.  Im  Geschoß  darüber 
schmale  Lichtluken  und  eine  Steintafel,  auf  der  die  Inschrift 

anno 
üomtm 
m caa  t n 


Zu  Ehren  des  göttlichen  Kaiserhauses 
haben  der  Diana  Abnoba 
Cassianus,  des  Casatus  Sohn 
und  Attianus,  der  Bruder 
froh  und  freudig,  wie  sich  ziemt 
ihr  Gelübde  erfüllt,  unter  den 
Consuln  Falco  und  Clarus 
(193  nach  Chr.  unter  Kaiser  Pertinax). 


1)  Krieger  I,  S.  323. 


AMT  WOLFACH.  — MÜHLENBACH. 


643 


n 


mit  der  Zahl  1512,  womit  wohl  die  Erbauungszeit  des  Turmes  gegeben  ist.  Eine  Wieder- 
holung der  Jahreszahl  im  Süden.  Das  Geschoß  darüber  hat  ebenfalls  nur  Lichtluken, 
das  folgende  große,  einpfostige, 
spitzbogige  Fenster  mit  Fisch- 
blasenmaßwerk, das  westliche 
mit  zwei  Pfosten.  Der  Turm 
besteht  aus  Bruchsteinmauer- 
werk mit  Sandsteinquadern 
an  den  Ecken  und  Sandstein- 
gewänden. An  Steinmetz- 
zeichen finden  sich : 

f 

Das  Langhaus  ist  ein 
Neubau  des  18.  Jhs.,  ganz 
schlicht,  der  im  19.  Jh.  ver- 
schiedentlich renoviert  wurde. 

Daß  das  alte  Langhaus  niederer 
war,  ist  durch  das  Herumführen 
der  Wasserschräge  des  Turmes 
auch  da,  wo  sie  heute  durch  das 
Dach  verdeckt  wird,  ersichtlich. 

Von  der  inneren  Aus- 
stattung ist  der  Hochaltar  zu 
erwähnen,  ein  wirkungsvoller 
Barockaufbau  mit  Säulen, 

Giebeln,  Heiligenfiguren  und 
reichem  Rankenwerk.  Er  nimmt 
die  ganze  Rückwand  ein  und 
schließt  die  Türen  in  den  da- 
hinterliegenden Raum  in  sich 
ein.  Das  Tabernakel  ist  mit 
Voluten  und  Rankenwerk  reich 
gegliedert  und  von  Putten 
flankiert.  — Der  Altar  stammt 
etwa  aus  der  Zeit  um  1760, 
das  Gemälde  aus  dem  19.  Jh. 

— Im  gleichen,  immer  wir- 
kungsvollen Stil  die  beiden 
Seitenaltäre. 

Im  Langhaus  aufgestellt 
Pietä,  die  Madonna,  ein  be- 
kleidetes Holzgestell,  die  Figur  Christi,  eine  gute,  weiche  und  fleischige  Arbeit  des 
18.  Jhs. 

Taufstein  in  der  Form  einer  Muschelschale  vom  Anfänge  des  18.  Jhs. 


Hochaltar 


Taufstein 


644 


KREIS  OFFENBURG. 


Kirchengeräte 


Ortsgeschichte 


Die  Glocken  waren  bei  meinem  Besuch  nicht  zugänglich. 

An  Kirchengeräten  zu  nennen : Sonnenmonstranz,  kupfervergoldet,  mit  aufgelegten, 
getriebenen  silbernen  Ornamenten  und  Figuren,  zweite  Hälfte  des  18.  Jhs. ; Wettersegen, 
kupfervergoldet  und  getrieben,  mit  Rocailleornament;  Kelch,  silbervergoldet  und  getrieben. 


OBERWOLFACH 

siehe  WO L FACH 


RIPPOLDSAU 


Schreibweisen:  Rippoltsowe  1273;  Ripoltsou  1325;  Riplisaw  und  Ripplisaw  1610. 
(Au  des  Rippolt.) 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895). 

Literatur:  W.  A.  Reh  mann,  Rippoldsau  und  seine  Heilquellen,  Donaueschingen, 
Hinterkirch  1830.  Fr.  von  Fahnenberg,  Rippoldsau  und  dessen  Heilquellen. 
(Stoeß,)  Description  historique,  topographique  et  medicale  des  eaux  minerales  de 
Rippoldsau,  Straßburg  1840;  W.  J.  A.  Werber,  Die  Heilquellen  und  Molkenkuranstalt 
zu  Rippoldsau,  Freiburg  1842;  u.  s.  w.  Siehe  die  reiche  balnearische  Literatur  bei 
Kienitz-Wagner,  S.  614  f. 

Die  Kirche  in  Rippoldsau,  Christliche  Kunstblätter  Nr.  125,  151  und  154.  Die 
Wallfahrt  zu  Rippoldsau,  Freiburger  Kirchenblatt  1887,  Nr.  30  und  31. 

Ortsgeschichte:  Seit  dem  1 2.  Jh.  hören  wir  in  Rippoldsau  von  einer  Zelle.  Wann 
dieselbe  gegründet  wurde,  steht  nicht  fest.  Bei  seiner  ersten  Erwähnung  finden  wir 
es  schon  im  Besitz  des  Klosters  S.  Georgen : cella  sancti  Nicolai  in  predio  Rippoldesowe, 
quam  iure  proprietatis  monasterium  sancti  Georgii  in  Nigra  silva  obtinet  1179.  1273 

ist  es  Priorat  geworden,  es  erscheint  als  erster  Prior:  »prior  Werner  der  s.  Nicolauszelle 
in  Rippoltsowe«.  Damals  kauft  das  Priorat  einen  Hof  zu  Hecklingen.  Das  Priorat 
gehörte  damals  zum  Dekanat  Kürnbach  sive  Sultz(i  2 7 5),  später  Rottweil:  monasterium 
sanctimonialium  in  Ripolczow  in  decanatu  Rotwil  zwischen  1360  und  1370.  Die  Namen 
der  Priore  (prior  et  conventus  in  Rippoltzowe  per  priorem  solitus  gubernari  1357) 
gibt,  soweit  sie  feststehen,  Krieger.  Kastvögte  waren  die  Grafen  von  Fürstenberg,  auf 
deren  Gebiet  das  Kloster  stand.  Sie  hatten  die  Gegend  mit  der  Herrschaft  Wolfach 
1306  durch  die  Erbtochter  des  freiherrlichen  Hauses  Wolfach  erhalten.  Wichtiges  ver- 
nehmen wir  von  dem  Klösterlein  im  Mittelalter  nicht.  Unter  der  Regierung  des  Grafen 
Wilhelm  verlor  es  durch  die  Reformation  den  größten  Teil  seiner  Güter,  und  die  Mönche 
flüchteten  nach  Villingen,  wohin  ihre  Konfratres  aus  dem  aufgehobenen  S.  Georgen  eben- 
falls geflüchtet  waren.  1549  setzte  sie  Graf  Friedrich  von  Fürstenberg  wieder  in  ihren 
Besitzstand  ein.  Immerhin  war  1571  noch  solcher  Mangel  an  Geistlichen,  daß  der  Abt 
Nikodemus  von  S.  Georgen,  mit  Bewilligung  des  Grafen  Albrecht,  die  Verwesung  des 
Priorats  dem  Pfarrer  von  Schapbach  überließ.  Auch  die  Gebäude  müssen  in  schlechtem 
Zustand  gewesen  sein,  denn  1577  wurde  die  Zelle  neu  gebaut  und  mit  neuen  Mönchen 
bevölkert.  Im  Dreißigjährigen  Krieg  verödete  das  Kloster  von  neuem,  erholte  sich  aber 


AMT  WOLFACH.  — RIPPOLDSAU. 


645 


in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jhs.  wieder,  so  daß  der  Prior  Johann  Baptist  Amma 
1768/69  das  jetzige  dreistöckige  Klostergebäude  an  Stelle  des  alten  zweistöckigen  erbauen 
konnte.  Im  18.  Jh.  blühte  auch  die  Wallfahrt  zu  dem  alten  Gnadenbilde  der  Kirche 
neu  auf,  wir  hören  1721  von  einem  neuen  Wunder  und  erhalten  zugleich  einen  Bericht 
über  frühere.  Von  dem  Bilde  heißt  es:  »das  uralte  Rippolzavische  schmertzen-  und 
gnadenreiche  Bildnus  Mariä«.  1758  wurde  es  von  dem  Abt  Cölestin  von  S.  Georgen 
unter  großer  Feierlichkeit  »gleichsam  in  das  Hertz  des  Hochaltars  übersetzt«.  1762 
wurde  ein  neuer  Hochaltar  gebaut.  Im  19.  Jh.  ging  das  Bild  verloren,  um  dann  nach 
verschiedenem  Besitzwechsel  nach  der  Tradition  wieder  aufgefunden  und  vor  einigen 
Jahrzehnten  in  die  Kirche  verbracht  zu  werden.  Das  Priorat  wurde  i.  J.  1802  aufgehoben 
und  an  seiner  Statt  eine  Pfarrei  errichtet. 

Eine  Viertelstunde  entfernt  von  dem  Kloster  liegt  das  Bad.  Wann  die  Heilkraft 
der  Quellen  entdeckt  wurde,  steht  nicht  fest,  erst  im  16.  Jh.  nahm  das  Bad  einen  großen 
Aufschwung,  wie  auch  die  benachbarten  Renchtalbäder.  Graf  Albrecht  von  Fürstenberg 
erklärte  das  Bad  als  ein  gefreites  und  erließ  die  erste  Badeordnung  1579,  die  Bauten 
haben  wir  uns  damals  wohl  ähnlich  zu  denken,  wie  sie  die  Meri  an  sehen  Stiche  von 
Griesbach  und  Peterstal  zeigen.  1587  war  das  Bad  verkauft  worden,  1592  brannten 
sämtliche  Gebäude  ab,  wurden  aber  sofort  mit  Unterstützung  des  Grafen  Albrecht  neu 
erstellt.  Der  Dreißigjährige  Krieg  brachte  auch  hier  Unheil,  1643  wurden  von 
schwedischen  Truppen  alle  Gebäude  verbrannt.  Graf  Friedrich  Rudolf  ließ  die  Quellen 
wieder  neu  fassen,  das  Bad  und  Gasthaus  von  Grund  aus  neu  aufbauen,  das  Brunnen- 
haus, die  Tanzlaube  und  die  Stallungen  wiederherstellen.  Trotz  der  steigenden  Frequenz 
verkaufte  Graf  Franz  Maximilian  das  Bad  1670  an  das  Kloster  Gengenbach,  dessen 
damaliger  Abt  Roman  sofort  große  Verbesserungen  durchführte.  1672  begann  er  auch 
mit  dem  Bau  der  Kapelle  der  h.  Maria  Magdalena.  Aber  schon  unter  dem  folgenden 
Abt  wurde  dem  Kloster  die  Verwaltungslast  bei  der  großen  Entfernung  zu  viel,  und 
bereits  1687  verkaufte  Abt  Placidus  das  Bad  wieder  an  die  Fürstenberg.  Nach  kurzem 
abermaligen  Verkauf  und  Rückkauf  behielten  diese  es,  bis  sie  es  1778  verpachteten  und 
1824  an  Balthasar  Göringer  verkauften,  dessen  Familie  heute  noch  im  Besitz  ist. 

Neben  den  Mineralquellen  aber  gab  der  Boden  auch  lange  Zeit  Erze  her,  und 
so  wurde  von  der  Herrschaft  Fürstenberg  Bergbau  betrieben,  der  aber  1714  ein- 
gestellt wurde. 

Pfarrkirche  (ad  S.  Nicolaum).  1828/29  bis  1832  neu  gebaut,  Glocken  aus  Pfarrkirche 
dem  gleichen  Jahr. 

Auf  dem  linken  Seitenaltar  Holzstatue  der  Pietä,  das  obenerwähnte  Gnadenbild, 
stets  mit  Kleidern  angetan  und  schwer  zu  sehen.  Während  der  Kopf  der  Madonna 
im  18.  Jh.  umgearbeitet  sein  dürfte,  ist  die  Figur  selbst  ein  älteres  Werk  des  17.  Jhs., 
der  Corpus  Christi  dagegen,  schien  mir  aus  dem  15.  Jh.  zu  stammen,  ist  aber  nach 
gütiger  Mitteilung  des  Pfarrers  aus  dem  gleichen  Holzblock  geschnitzt,  also  wohl  eben- 
falls 17.  Jh. 

An  der  südlichen  Langhauswand  eine  weitere  Holzgruppe  der  Pietä,  gute  Durch- 
schnittsarbeit des  1 8.  Jhs. 

In  der  Sakristei  Sonnenmonstranz,  kupfervergoldet;  Meßkännchen,  Silber;  Platte, 
kupfervergoldet;  Kelch,  silbervergoldet,  Augsburger  Zeichen,  darunter  C X S;  alle  diese 
Stücke  getriebene  Arbeiten  mit  Rocailleornamenten  aus  der  Mitte  des  18.  Jhs.,  Durch- 


646 


KREIS  OFFENBURG. 


Klostergebäude 


Kapelle 


Badgebäude 


Ortsgeschichte 


Schnittsleistungen,  wie  auch  ein  weitererer  Kelch,  silbervergoldet,  mit  Band-  und  Gitter- 

F T 

Ornament;  Putten  mit  Leidenswerkzeugen,  Augsburger  Zeichen  (?)  und  j ; getriebene 
Arbeit  vom  Anfänge  des  18.  Jhs. 

Klostergebäude  (Klösterle).  Der  jetzige  Bau  aus  den  Jahren  1769/70,  laut  In- 
schrift an  der  Südwestecke  am  20.  Juli  1769  begonnen,  ist  architektonisch  unbedeutend. 

Im  Korridor  Ölgemälde,  Porträt  des  Priors  Johann  Baptist  Amrna,  mit  dem  Grund- 
riß des  Klosters  in  der  Hand,  worauf  steht:  »Monasteriolum  Rippolzov  aedificat.  An.  1769 
et  70.«  Aufbewahrt  wird  hier  eine  Pergamenturkunde  von  1517.  In  einem  Zimmer 
des  dritten  Stockes  ein  in  Marmorimitation  bemalter  (nicht  glasierter)  Ofen  vor  ein- 
facher Rokokonische. 

In  einem  Parterreraum  ist  ein  kleiner  Sandstein  eingemauert,  auf  dem  ausgehauen 
ein  bemalter  Wappenschild  mit  grüner  Tanne  auf  Dreiberg  in  gelbem  Feld,  darunter 

I • 5 • 6 ■ Z. 

An  der  Brücke,  die  zum  Kloster  führt,  lebensgroße  Sandsteinstatue  des  h.  Nepomuk; 
nicht  üble  Barockdurchschnittsarbeit;  am  Fuß  der  Statue:  Z • A • VOA;  am  Sockel  in 
bewegter  Kartusche  ein  Wappen,  Mitra,  daneben  CSNR  — GASG  (9),  darunter  doppelt 
geteilt  im  rechten  Feld  Krummstab  sowie  Platte  mit  drei  Kugeln,  links  ein  Fisch  zwischen 

fünf  Sternen,  darüber  in  kleinem  Schild:  ^ VH  ’ an  ^er  Sandsteinbalustrade,  welche 

die  Statue  umgibt:  I7$$. 

Bei  »Burgbuch«,  eine  Viertelstunde  unterhalb  des  Klosters  (Gemeinde  Rippoldsau), 
auf  dem  Burgbachfelsen,  soll  ehemals  eine  Burg  gestanden  haben,  was  der  geeigneten 
Lage  nach  wohl  möglich  wäre ; jetzt  sind  keine  Spuren  mehr  vorhanden,  wenn  nicht  die 
Futtermauern  der  Pavillonanlagen  aus  Bruchsteinen  der  Ruine  erbaut  sein  sollten. 

Kleine  Kapelle  beim  Bad  (ad  S.  Mariam  Magdalenam),  schlichter  Bruchsteinbau 
des  17.  Jhs.  mit  den  üblichen  Barockaltären. 

Die  Badgebäude  selbst  stammen  größtenteils  aus  dem  Anfänge  des  19.  Jhs.  und 
sind,  insbesondere  das  Quellhaus,  ein  typisches  Beispiel  des  Biedermeierstils. 


SCHAPBACH 


Schreibweisen:  Shappach  1222;  Schappach  1493. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895),  S.  91 — 92. 

Literatur:  J.  J.  Hoffmann,  Volksbräuche  im  Schwarzwald,  II.  Das  Schapbacher 
Thal  und  seine  Bewohner,  »Badische  Fortbildungsschule«  1894,  Monatshefte,  Jahrg.  8, 
S.  106 — 168;  Jahrg.  9,  S.  4 — 8,  20 — 22.  III.  Das  Schapbacher  Fest,  »Badische  Fort- 
bildungsschule«, Jahrg.  9,  S.  86 — 88,  136 — 139.  Derselbe,  Schapbach  und  seine 
Bewohner,  Alemannia  XXIII  (1895),  S.  1 — 50.  Derselbe,  Schwarzwälder  Bauern- 

häuser in  Schapbach,  »Uber  Land  und  Meer«  XVII  (1898),  S.  458 — 464. 

Ortsgeschichte:  Schapbach  ist  eine  aus  31  Zinken  bestehende  Talgemeinde,  deren 
Hauptort  im  Tale  der  Wolf  liegt,  auf  halbem  Weg  zwischen  Wolfach  und  Rippoldsau. 
Es  gehörte  im  Mittelalter  als  Teil  der  Herrschaft  Romberg  den  Herren  von  Hohen- 
geroldseck,  bis  diese  es  1490  an  die  Grafen  von  Fürstenberg  verkauften.  Seitdem 
blieb  es  in  deren  Besitz,  bis  es  1806  badisch  wurde.  — Das  Tal  ist  berühmt  nicht  nur 


AMT  WOLFACH.  — SCHAPBACH. 


647 


ob  seiner  landschaftlichen  Schönheit,  sondern  weil  sich  hier  alte  Bauern tracht,  alte  Bauern- 
sitten unverfälschter  als  in  anderen  Tälern  erhalten  haben.  — Seit  dem  15.  Jh.  wurde 
hier  Bergbau  betrieben,  am  eifrigsten  im  i8.Jh.,  der  mit  einer  kleinen  Ausnahme  seit 
1807  aufgehört  hat. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Cyriacum,  Nebenpatrone  sind  die  Heiligen  Sebastian  Kath. Pfarrkirche 
und  Wendelin).  Sehr  früh  schon  stand  hier  eine  Kirche:  1222  wird  ein  Heinricus 
plebanus  de  Shappach  genannt,  1275  ein  rector  ecclesie  in  Schapbach  in  decanatu  Kürn- 
bach  sive  Sultz(bach),  1324  hören  wir  von  der  ecclesia  parrochialis  sanctorum  Ciriaci 
et  sociorum  eius  in  Schappach,  zwischen  1360  bis  1370  von  der  ecclesia  Schadbach  in 
decanatu  Rotwil,  s.  Ciliax  1505.  1470  erscheint  ein  Johannes  Heck  de  Tagershain, 

rector  ecclesie  parrochialis  in  Schappach,  1482  ein  Jodocus  Himel,  ad  ecclesiam  par- 
rochialem  in  Schappach  in  decanatu  Rottwil  per  Gangolfum  de  Hochengerolczeck  et 
Schenkenzell  presentatus.  — Das  Patronat  ging  mit  dem  Verkauf  der  Herrschaft  Rom- 
berg an  die  Fürstenberg  über. 

Die  heutige  Kirche  ist  ein  Bau  des  18.  Jhs.,  denn  die  Renovation  vom  Jahre 
1715,  bei  der  eine  Sakristei  erbaut,  das  Langhaus  erweitert  und  das  Hauptportal  von 
der  Friedhofseite  nach  der  vorderen  Giebelseite  verlegt  wurde,  scheint  sehr  gründ- 
lich gewesen  zu  sein  und  wesentlich  nur  die  Grundmauern  der  alten  Kirche  teilweise 
benutzt  zu  haben.  Da  infolge  ungenügender  Fundamentierung  die  Giebelseite  einzu- 
stürzen drohte,  wurde  i.  J.  1805  eine  massive  Quadermauer  aufgeführt,1)  1812  mußten 
weitere  Maßregeln  getroffen,  die  Fenster  von  unten  herauf  bis  zur  Hälfte  ihrer  Höhe 
vermauert  werden.  Die  Kirche  ist  einschiffig,  mit  halb  zugemauerten  Rundbogenfenstem, 
der  an  der  Ostseite  gelegene  Turm  mit  einem  Zwiebeldach  gedeckt;  alles  Bruchstein- 
mauerwerk, an  den  Gewänden  Sandstein.  Der  Hochaltar  ist  der  übliche  barocke  Hochaltar 
Säulenaufbau  mit  Säulen,  Heiligenfiguren  etc. 

In  der  Sakristei : Versehkreuz  aus  Silber  mit  eingravierten,  schönen  Rocailleorna-  Kirchengeräte 
menten ; Kelch,  kupfervergoldet,  getrieben,  mit  Ornamenten  des  gleichen  Stils,  Augsburger 
Zeichen,  darunter  L und  S,  laut  Inschrift  unter  dem  Pfarrer  A.  W.  Kistler  gestiftet;  ein 
Missale  mit  Messingbeschlägen  des  18.  Jhs. ; silbergetriebenes  Weihrauchschififchen  aus 
der  Mitte  desselben ; kupfervergoldeter,  getriebener  Fuß  der  sonst  neuen  Monstranz  und 
silbergetriebene  ewige  Licht-Lampe  aus  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jhs. 

Das  Pfarrhaus  ist  ein  schlichter  Bau  von  1791,  1893  renoviert.  Pfarrhaus 

Das  jetzige  Spital,  das  alte  Schulmeßnerhaus,  zeigt  eingehauen  die  Jahreszahl  1564,  Spital 
aber  keine  architektonischen  Besonderheiten. 

Auch  hier  in  all  den  31  Zinken  eine  Fülle  typischer  Baiiernhöfe  und  Häuser,  Bauernhöfe 
in  der  Ausbildung,  wie  wir  sie  in  Kirnbach  und  Gutach  kennen  gelernt  und  durch 
Abbildungen  erläutert  haben.  Ich  erwähne  u.  a.  den  dem  Gasthaus  »Zum  Ochsen« 
gegenüber  liegenden  Heinersbauernhof,  der  Kelleranbau  von  1778,  das  Hauptgebäude 
älter. 2) 

1)  Hof  mann  a.  a.  O.  S.  72. 

2)  Beschrieben  in  Alemannia  XXIII,  S.  6 ff. 


Band  VII. 


42 


648 


KREIS  OFFENBURG. 


Bildstock 


Burg  Romberg 


Ortsgeschichte 


In  der  Nähe  des  Wirtshauses  »Vor  Seebach«  ein  Bildstock  mit  der  Inschrift: 

Allhier  steh  stil  du 
Fromer  Christ  Bedracht 
Was  da  Geshehen  ist. 

Johanno  Merck  zu 
Dot  geslagen  Worten 
Bet  vor  di  ie  Ame 
Sellen  Ain  Vater  Unser 
Und  Afe  Maria  1753. 

Am  Eingänge  des  Wildschapbachtales  lag  einst  die  Burg  Romberg : vesti  zu 
Rumberg  1309,  Ruwenberg  die  veste  1315,  Runberg  1398,  Rumburg  1415,  Ronberg 
1423,  sloß  1453.  Dieselbe  gehörte  den  Herren  von  Geroldseck.  Die  Herrschaft  Rom- 
berg bildete  eine  ihrer  Besitzungen  in  Schwaben:  herrschaft  Rumberg  mit  dem  schloß 
1472.  1467  sah  sich  Diebolt  genötigt,  die  Burg  vom  Bischof  von  Straßburg  zu  Lehen 

zu  nehmen:  »wir  Ruprecht  bischoff  von  Straßburg  bekennen,  das  wir  Thiebolt  herren 
von  Hohengeroltzeck  die  vogthie  zu  Ettenheymmonster,  item  und  die  bürg  genant 
Riiwenberg  zu  rechtem  mannelehen  gelihen  haben«.  1472  verpfändete  Gangolf  von 
Hohengeroldseck  die  Herrschaft  mit  Schloß  dem  Hans  Mollenkopf  vom  Ryse,  1488 
verpfändet  er  das  Schloß  an  Melchior  von  Schauenburg,  1490  verkauft  er  sie  an  die 
Grafen  Heinrich  und  Wolfgang  von  Fürstenberg  und  verzichtet  1499  auf  die  Wieder- 
lösung. ]) 

Ob  und  wann  die  Burg  gewaltsam  zerstört  wurde,  ist  nicht  festzustellen.  Heute 
ist  von  ihr  nichts  mehr  erhalten,  nur  im  Terrain  läßt  sich  das  Burgplateau  erkennen, 
außerdem  finden  sich  geringe  Mauertrümmer,  die  keine  Auskunft  mehr  geben. 


SCHENKENZELL 


Schreibweisen:  Zella  1255;  Cella  pincerne  1275;  Sckenckentzell  1277;  Schencken- 
zelle  1294;  Celle  1303;  Schenkenzel!  1456  etc. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895),  S.  92.  — Mitteil,  aus  dem 
Pfarrarchiv  zu  Schenkenzell  über  die  Kriegsjahre  1796/97,  Offenburger  Zeitung  1895, 
Nr.  10  — 15. 

Ortsgeschichte'.  Der  Ort  wird  1255  nur  als  Zella  bezeichnet,  schon  1275  aber 
als  Cella  pincerne,  Zelle  des  Schenken,  er  hat  sich  also  nach  dem  Geschlecht  genannt, 
das  schon  vor  der  ersten  einfachen  Erwähnung  auf  der  nahegelegenen  Burg  saß : 
1244  hören  wir  zum  ersten  Male  von  einem  pincerna  de  Celle,  1251  von  einem 
dominus  Hermannus  pincerne  de  Shenchenzelle.  Mit  letzterem  dürfte  nicht  der  Ort, 
sondern  die  Burg  gemeint  sein  (s.  unten),  deren  Namen  aus  der  Kombination  des  Namens 
des  auf  ihr  hausenden  Geschlechtes  und  dessen  des  nahe  liegenden  Ortes  entstanden  ist. 
Unter  Schenkenzell  wird  dann  später  sowohl  Burg  wie  Ort  verstanden,  es  heißt:  Schencken- 
zell  die  bürge  1301,  Schenkencelle  die  veste  1309.  Das  Geschlecht  blühte  weiter  im 


R u p p e r t , Mortenau  I,  S.  489  f. 


AMT  WOLFACH.  — SCHENKENZELL. 


649 


13.  Jh.,  gleich  nach  obengenanntem  Hermann  wird  1255  ein  Wernherus  pincerna  de 
Cella  genannt,  1260  pincemae  de  Cella  Werenherus  et  Waltherus  frater  suus  et  Wern- 
herus patruelis  eorum,  1292  ein  Hainze  der  Shenkke  von  Celle,  1294  bis  1313  ein 
Burkart  der  Schenke  von  Schenkenzelle  ein  ritter,  1304  erfahren  war  von  Clara  sin 
eelich  wirtin,  vorher  1299  noch  von  Cunrat  der  Schenke  von  Schenkenzelle,  herr  Eber- 
hart der  Schenk  sin  vatter.  Mit  dem  Anfänge  des  14.  Jhs.  (1313)  scheint  der  Name  zu 
verschwinden.  Sie  waren  ein  Dienstmannengeschlecht  der  Herren  von  Geroldseck,1) 
von  denen  sie  die  Burg  zu  Lehen  hatten,  außerdem  aber  auch  Lehensleute  der  Grafen 
von  Fürstenberg,  wie  aus  den  Urkunden  hervorgeht.  Wann  die  Geroldsecker  in  diesen 
Besitz  gekommen  sind,  scheint  nicht  festzustehen.  Nach  der  Burg  wurde  die  ganze 
Gegend  »Herrschaft  Schenkenzell«  genannt,  es  war  eine  der  sogen.  Besitzungen  des 
Hauses  in  Schwaben,  zu  der  auch  das  Terrain  gehörte,  auf  dem  Wittichen  stand,  weshalb 
sich  die  h.  Liutgard  bei  der  Gründung  außer  an  den  dort  ebenfalls  begüterten  Herzog 
von  Teck  an  die  Geroldsecker  wandte.  1331  schenkt  Walter  von  Geroldseck  dem  Kloster 
Wittichen  das  Patronat  der  Kirche  zu  Schenkenzell.  Nach  dem  Aussterben  der  Schenke 
saßen  seit  1327  als  Ministerialen  die  Hulwer  auf  der  Burg,  urkundlich  erwähnt  erst  seit  1373. 
1377  muß  Georg  von  Geroldseck  dem  Grafen  Eberhard  von  Württemberg  die  Öffnung 
seines  Teils  an  den  Festen  Geroldseck  und  Schenkenzell  verschreiben.  Als  1427  der 
Vertrag  zwischen  Walter  und  seinen  feindlichen  Söhnen  Diebolt,  Walter  und  Heinrich 
erfolgt,  da  erhält  ersterer  das  Dorf,  letzterer  die  Feste  Schenkenzell.  1435  einigen  sich 
die  Brüder  Diebolt  und  Hans  und  schwören  einen  Burgfrieden  zu  Schenkenzell  und 
Geroldseck.  1453  erfolgte  von  neuem  eine  Teilung  zwischen  Diebolt  II.  und  Georg,  wobei 
Georg» Schenkenzelle  das  Sloß,  die  Dorffer  zu  Swoben  . . . und  Rumberg  daz  Sloß2)  etc.« 
erhielt,  die  er  aber  schon  1455  wieder  seinem  Bruder  Diebolt  übergibt,  als  dessen  Burg- 
vogt auf  Schenkenzell  1456  Jörg  von  Ramstein  erscheint.  1474  ist  Burgvogt  Hans 
von  Reckenbach.  1477  erfahren  wir  gelegentlich  einer  Berichtigung  der  Grenze  zwischen 
Württemberg  und  Geroldseck  in  dem  zu  Schenkenzell  gehörigen  Walde  von  dem  Zug 
dieser  Grenze,  sie  ging  von  der  Schneeschleif  bei  der  Glashütte  auf  den  Schöllkopf,  von 
da  gegen  den  vorderen  Htittenhard  und  vom  Hüttenhard  bis  in  den  Schurberg.3)  Mit 
den  Geroldseckern  ging  es  aber  immer  mehr  bergab,  endlich  verkauft  Gangolf  1498  die 
Herrschaft  Schenkenzell  an  den  Grafen  Wolfgang  von  Fürstenberg,  noch  mit  Ausnahme 
des  Schlosses  selbst  und  der  Ivastvogtei  zu  Wittichen ; bereits  zwei  Jahre  später  aber 
trat  er  auch  diese  beiden  Reste  käuflich  ab,  zwar  noch  auf  Wiederlösung,  zu  der  er 
jedoch  nicht  im  stände  war.  Und  so  blieb  die  Gegend  fürstenbergisch,  bis  sie  1806 
badisch  wurde.  — Unter  der  Herrschaft  des  Grafen  Wilhelm  drang  auch  hier  die 
Reformation  ein,  mit  der  Übernahme  der  Regierung  unter  Graf  Friedrich  wurde  die 
alte  Lehre  wieder  eingeführt.  Unter  dem  Dreißigjährigen  Krieg  mag  die  Gegend  wie 
die  Nachbarn  gelitten  haben,  die  Burg  soll  durch  die  Schweden  1633  zerstört  worden 
sein.4)  Noch  kurz  vor  dem  Übergang  an  Baden  hören  wir  von  Kriegsleiden  durch  die 
Franzosen  1796/97  (s.  oben).  Im  19.  Jh.  wurde  die  Burg  verkauft  und  befindet  sich 
heute  im  Privatbesitz  einiger  Herren  in  Stuttgart. 

4)  Fürstenb.  Urk.-Buch  I,  Nr.  628  und  634. 

2)  Reinhard,  Pragmat.  Gesch. -Urk.,  S.  177. 

3)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  493. 

4)  Schuster  a.  a.  O.  S.  87. 

42* 


650 


KREIS  OFFENBURG. 


Kath. Pfarrkirche 


Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Udalricum).  Bereits  1275  kommt  ein  »plebanus  de 
Cella  pincerne  in  decanatu  Kürnbach«  vor.  1331  schenkt  Walter  von  Geroldseck  das 
Patronat  der  Kirche  dem  Kloster  Wittichen.  1350  inkorporiert  dann  Bischof  Ulrich 
von  Konstanz  dem  Kloster  Wittichen  »ecclesiam  parrochialem«  (schon  1331  wird  sie  so 


Fig.  338.  Kirche  in  Schenkenzell. 


AMT  WOLFACH.  — SCHENKENZELL.  65  I 

genannt)  in  Schenkencella,  1360  bis  1370  wird  sie  als  »ecclesia  Schenkenberg  (sic!)  in 
decanatu  Oberndorff«  erwähnt. 

Nach  Schuster  fand  am  Anfänge  des  16.  Jhs.  ein  Neubau  statt,  der  1515  eingeweiht  wurde.1) 
1709  wurde  dieser  Bau  vergrößert,  erwies  sich  aber  trotzdem  60  Jahre  später  wiederum  als  zu  klein. 
Man  schritt  daher  1774  zum  Abbruch  und  Neubau,  welcher  denn  auch  1784  durch  den  Weihbischof 
Wilhelm  Leopold  von  Konstanz  eingeweiht  wurde.  Mit  letzteren  Nachrichten  stimmt  aber  die  unten 
zu  erwähnende  Zahl  am  Bau  selbst  nicht.  1780  wurde  nach  demselben  Schriftsteller  auch  der  alte 
Turm  abgebrochen  und  durch  einen  neuen  ersetzt.  1883  ist  die  Kirche  renoviert  worden.  Aus 
dieser  Zeit  Decke  und  Bemalung. 

Die  heutige  Kirche,  malerisch  auf  einer  kleinen  Anhöhe  im  Ort  gelegen,  ist  ein 
Bau  aus  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jhs.,  einschiffig,  flachgedeckt,  mit  Chor  aus  drei 
Seiten  des  Achtecks,  der  sich  im  Rundbogen  gegen  das  Langhaus  zu  öffnet.  Im  Äußern 
ist  der  Bau  (s.  Fig.  358)  nur  durch  die  rundbogigen  Fenster  gegliedert.  An  der  Tür  der 
Fassade  die  Jahreszahl  1772,  darüber  Rocaillekartusche  mit  der  segnenden  Hand.  In 
der  Nordostecke  von  Langhaus  und  Chor  steht  der  Turm,  von  quadratischem  Grundriß, 
über  dem  Erdgeschoß  noch  in  zwei  Stockwerken  aufsteigend,  darüber  die  zweifache 
Dachkante. 

Innenausstattung : der  Hochaltar  und  die  zwei  S eitenaltäre,  gute,  ruhige  Barock- 
arbeiten mit  Säulen,  verkröpftem  Gebälk,  sie  und  ihre  Aufsätze  von  Voluten  flankiert. 
Sie  umschließen  Ölgemälde,  Durchschnittsarbeiten  des  18.  Jhs.  Auf  dem  Hochaltar  die 
Holzstatue  des  h.  Ulrich,  an  den  Seitenwänden  die  Immaculata  und  die  Heiligen  Petrus, 
Paulus,  Michael,  Nepomuk,  Joseph,  Sebastian,  sowie  ein  Kruzifix  mit  Maria  und  Johannes, 
nicht  gerade  sehr  bedeutende,  aber  doch  recht  schwungvolle  Ho/zstatuen  des  Barock. 

Die  Kanzel , ziemlich  reich  geschnitzt  mit  Rankenwerk  und  Bandgeschlinge,  den 
Statuen  der  Kirchenväter  an  der  Brüstung,  den  Evangelistensymbolen  am  Schalldeckel, 
aus  der  Mitte  des  18.  Jhs.,  soll  von  Oberndorf  (Württemberg)  stammen.  — Der  Taufstein 
ist  ein  schlichtes  Stück  vom  Anfänge  des  18.  Jhs.;  die  Glocken  sind  neu. 

An  Kirchengeräten  zu  nennen:  eine  Sonnenmonstranz,  silbervergoldet,  Mitte  (?) 
18.  Jhs.;  Wettersegen,  gleiche  Arbeit,  aus  der  gleichen  Zeit;  Meßkännchen,  Silber,  teil- 
weise vergoldet,  mit  versilberter  Platte,  auf  der  getriebene  Bandornamente ; weitere  Meß- 
kännchen aus  Zinn  mit  eingeprägtem  Bilde  des  h.  Michael  als  Zeichen;  zwei  Kelche, 
silbervergoldet,  späte  Arbeiten  des  18.  Jhs.,  der  eine  mit  Augsburger  Zeichen,  darunter 
C und  FB. 

Neben  der  Kirche  steht  ein  Steinkruzifix  von  1772;  um  die  Kirche  der  Fried- 
hof; zu  beiden,  hoch  gelegen  und  ummauert,  bildet  den  Zugang  ein  etwas  reicher  aus- 
gebildetes Barockportal. 

Im  Dorf  stand  noch  vor  etwa  20  Jahren  ein  äußerst  malerisches  Haus  von  1620, 
das  ich  in  einer  Zeichnung  Weyßers  wiedergeben  kann  (s.  Fig.  359).  Im  Erdgeschoß 
ein  massiver  Hausteinbau,  der  sich  in  Arkaden  öffnet;  die  Bögen  ruhen  auf  klotzigen 
Eckpfeilern  und  plumpen  Säulen  mit  würfelähnlichen  Kapitellen,  darüber  der  leichte 
Fachwerkbau  mit  Fenstererkern,  schmiedeeisernem  Schild  und  steilem  Dach.  Das  Haus 
war  später  einmal,  wie  die  Abbildung  zeigt,  durch  einen  Anbau  verbreitert  worden. 

Haus  Nr.  40,  Hermann  Armbrusten  Im  Torsturz:  A 17  + 5o  B. 


Hochaltar 

Seitenaltäre 


Holzstatuen 

Kanzel 


Kirchengeräte 


Steinkruzifix 


Häuser 


■*■)  Schuster  a.  a.  O.  S.  87. 


652 


KREIS  OFFENBURG. 


Fig.  JFty.  Abgebrochenes  Fachwerkhaus  in  Schenkenzell. 


AMT  WOLFACH.  — SCHENKENZELL.  (BURGRUINE  SCHENKENZELL.)  653 

Gasthaus  »Zur  Sonne«,  geringer  verputzter  Riegelbau  mit  einfachen  Holzgesimsen; 
gegen  die  Straße  zu  eine  Rundbogensteintür  mit  Hohlkehle,  Wulst  und  unterem  Voluten- 
ablauf. — Gasthaus  »Zum  Ochsen«,  schmiedeeiserner  Schild  vom  Ende  des  18.  Jhs. 
(üblicher  Arm  mit  Ornamenten,  in  Adlerkopf  endigend,  der  den  Kranz,  worin  der 
Ochse,  hält). 

An  der  Weinhandlung  Willy  Armbruster  an  der  Straßenseite  ein  Stein  eingemauert 
mit  der  Inschrift : 

GEORG  WÖLBER 
OTT.  ARMBRVSTER 
1725. 

Im  Dorf  sowie  in  der  anstoßenden  Gemeinde  Bergzell  noch  einige,  teils  verputzte 
Fachwerkhäuser,  in  Bergzell  auch  typische  Schwarzwaldhäuser  zu  erwähnen. 

BURGRUINE  SCHENKENZELL 

Die  Erwähnungen  und  die  Geschichte  der  Burg  sind  in  der  damit  eng  zusammen- 
hängenden Ortsgeschichte  gegeben.  Eine  kurze  Besprechung  hat  sie  durch  Näher 
erfahren, ')  vorher  schon,  natürlich  ganz  belanglos,  in  den  Vues  pittoresques  des  vieux 


Fig.  360.  Plan  der  Ruine  Schenkenze/l  ( Sckenkenburg). 


chateaux  de  l'Allemagne,  Le  Grand  Duche  de  Bade  d’apr^s  les  dessins  de  M.  Maximilien 
Ring,  woselbst  sie  auch  in  einer  Lithographie  abgebildet  ist.  Unsere  Tafel  XXIV  zeigt 
den  Palas  unten  vom  Kinzigtal  aus,  leider  auch  die  moderne  Brücke,  Fig.  360  gibt  den 
Cirundriß  und  Fig.  361  den  Querschnitt  sowie  den  Längsschnitt  durch  die  Burg.  Diese 
liegt  auf  einem  weit  in  das  Tal  vorspringenden  Felsenrücken,  der  von  dem  Berg  durch 
einen  jedenfalls  künstlichen  Halsgraben  getrennt  ist.  Dann  folgen  drei  zweifellos  künst- 
liche, durch  Felseinschnitte  voneinander  geteilte  kleine  Plateaus,  K,  Z,  H , je  8 — 5 m 


Bergzell 


*)  Ortenau,  S.  49  und  Blatt  11. 


j6i.  Längsschnitt  und  Querschnitt  durch  die  Burgruine  Schenkenzell. 


654 

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KREIS  OFFENBURG. 


Cfq' 


lang  und  ähnlich  breit,  deren  östliches,  H,  der 
Brückenkopf  war.  Zu  ihm  führte,  von  Westen 
kommend,  an  der  Südwestseite  von  K und  Z 
entlang  der  Burgweg  L.  Von  diesen  merk- 
würdigen und  selten  so  vorkommenden  Vor- 
befestigungen ist  die  eigentliche  Burg  durch 
den  zweiten,  an  seiner  Sohle  17m  breiten  und, 
soweit  sich  bei  der  Aufschüttung  beurteilen 
läßt,  etwa  15  m tiefen  Halsgraben  getrennt. 
Der  Berganlage  nach  ist  es  unwahrscheinlich, 
daß  diese  Gräben  auf  die  Füllung  mit  Wasser 
berechnet  waren,  da  dasselbe  ohne  besondere 
Vorrichtungen  sofort  nach  Norden  und  Süden 
abgeflossen  wäre.  Uber  dem  Graben  auf  der 
Felshöhe  die  Hochburg  auf  einem  unregel- 
mäßigen Areal  von  etwa  33  m Länge  und 
17  m größter  Breite.  Die  Mauern  von  nicht 
ganz  2 m Stärke  folgen  in  leichter  Kurve 
der  Terrainlinie.  Diese  Mauern  sind  zugleich 
als  die  Außenmauern  der  Gebäude  benutzt, 
und  zwar  eines  der  Angriffsseite,  dem  Graben 
und  dem  Berg  zugekehrten  stattlichen  Berg- 
friedes A,  des  an  ihn  anstoßenden  wohnturm- 
artigen Palas  B und,  wie  es  durch  den  Mauer- 
zug C scheinen  möchte,  eines  weiteren,  der 
Talseite  zugekehrten  Wohngebäudes,  das  wir 
ebenfalls  mit  ^bezeichnen  wollen.  Zwischen  C 
einer-  sowie  A und  B andererseits  haben  wir 
uns  dann  einen  Burghof  zu  denken.  An  der 
Nord-  und  Nordostseite  fällt  der  Felsen  schroff 
und  steil  ab,  unten  bespült  von  den  Fluten 
der  Kinzig:  es  war  somit  hier  keine  weitere 
Befestigung  mehr  nötig,  wohl  aber  nach  Osten 
und  Süden  zu.  Hier  wurde  der 
erste  Zwinger  E angelegt,  von 
dem  durch  die  Mauer  D an  der 
Ostecke  des  vermutlichen  Ge- 
bäudes C ein  weiterer  Teil  ab- 
getrennt war.  Vielleicht,  aller- 
dings in  keiner  Weise  zwingend, 
spricht  der  Umstand,  daß  die 
Mauer  der  Hochburg  an  dieser 
Seite  eine  Lücke  aufweist,  dafür, 
daß  hier  ein  kleiner  Eingang  von  den  Zwingern  in  diese  führte,  der  eben  durch  das  Vor- 
werk bei  D noch  besonders  geschützt  war.  Auf  einer  tieferen  Felsterrasse  war  endlich 


Tafel  XXIV 


Schenkenzell,  Palas  der  Burg  vom  Tal  aus. 


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AMT  WOLFACH.  — SCHENKENZELL. 


655 


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ein  zweiter  Zwinger  angelegt.  So  sehen  wir  die  Burg  für  die  Zeiten  des  12.  bis  14.  Jhs. 
recht  solide  befestigt.  Der  Haupteingang  führte  von  Nordwesten,  vom  Berg  her  über 
eine  Brücke  - die  Mauerreste  eines  Pfeilers  glaubte  ich  im  Graben  G noch  zu  erkennen  — - 
durch  ein  in  der  Ecke  von  A und  B gelegenes  Tor,  wie  ich  vermute,  herein  (?). 

Nach  diesem  Überblick  über  die  Gesamtanlage  gehe  ich  zur  Besprechung  der 
einzelnen  Bauteile  über  und  beginne  mit  dem  Bergfried  A.  Seine  Mauern  sind  noch 
6 — 8 m über  dem  Boden 
erhalten  und  zeigen  die  be- 
trächtliche Stärke  von  etwa 
3 m.  Der  Turm  ist  von 
quadratischem  Grundriß  und 
umschließt  im  Innern  einen 
Raum  von  3:3m.  Er  ist 
aus  Gneisbruchsteinen  er- 
baut, die  oft  40  cm  hoch 
und  60  cm  breit  sind  und 

durch  Kalkmörtel  verbunden  Fig.362.  Lichtluke  oder  Schießscharte  im  Palas  der  Burg  Schenkenzell. 
werden.  Das  Innere  der 

Mauern  scheint  durch  Gußmauerwerk  ausgefüllt  zu  sein.  Da  beinahe  nur  die  Hälfte 
der  Mauerdicke  heute  noch  steht,  so  läßt  sich  mehr  über  die  Ausgestaltung  dieses 
Teiles  nicht  sagen,  nur  scheinen  Sandsteinquader  im  Innern  auch  auf  eine  stärkere 
Verwendung  solcher  am  Äußern  des  Turmes  bezw.  seinen  Ecken  schließen  zu  lassen. 

Bedeutend  besser  er- 
halten, wenigstens  in  seinen 
beiden  Außenmauern,  der 
wohnturmartige  Palas,  aus 
demselben  Material,  dem 
Urgestein  des  Berges,  Gneis- 
und  Granitbruchsteinen  mit 
Kalkmörtel  erbaut,  an  seinen 
Ecken  mit  mehreren  Reihen 
stattlicher  Bossenquader  von 
Sandstein , abwechselnd 
Binder  und  Strecker,  be- 
kleidet. Der  Bau,  von  un- 
regelmäßiger viereckiger  Ge- 
stalt, schloß  in  stumpfem  Winkel  an  den  Bergfried  an,  da  aber  gerade  hier  die  Mauer 
durchgebrochen  ist  und  die  Mauer  des  Bergfrieds  ebenfalls  zerstört,  so  läßt  sich  darüber, 
ob  beide  Teile  im  Verband  gemauert,  also  gleichzeitig  waren,  kein  Urteil  mehr  fällen.  Die 
Mauern  des  Palas  sind  nach  Norden  und  Westen,  der  Angriftsseite  zu,  etwa  2 m,  nach  der 
Zwingerseite  zu,  wie  die  Burgmauer,  etwa  1,60  m,  und  nach  dem  Burghof  zu,  wie  es  nach 
dem  nur  noch  erkennbaren  Zug  der  Mauer  scheint,  etwa  1 m stark.  Die  Mauern  stehen 
nach  außen  noch  in  einer  Höhe  von  14 — 16  m über  dem  gewachsenen  Felsen,  im  Innern 
etwa  12m  über  dem  heutigen  Erdboden.  Der  Innenraum  war  so  ungefähr  8:9m  groß. 
Eine  innere  Abteilung  ist  noch  durch  einen  Maueransatz  an  der  Südwestmauer  erkennbar. 


Fig.  j6j.  Außenansicht  des  dreifachen  Rundbogenfensters  vom  Palas 
der  Burg  Schenkenzell. 


Bergfried 


656 


KREIS  OFFENBURG. 


Erbauungszeit 


In  diesem  Teil  sind  auch  noch  einige  der  alten  Fensteröffnungen  mit  ihrem  Sand- 
steingewände erhalten.  Und  zwar  sehen  wir  unten  zunächst  eine  einfache  Schlitz- 
schießscharte, darüber  zwei  im  Rundbogen  geschlossene  Öffnungen  (s.  Fig.  362),  die 
innere  Laibung  in  sehr  sauber  behauenem  Rundbogen  gewölbt,  wohl  nicht  ausdrücklich 
als  Scharte  hergerichtet,  aber  nötigenfalls  auch  als  solche  benutzt.  Ihnen  entsprechen 
an  der  Südseite  drei  geradsturzige  Lichtluken.  Im  Stockwerk  darüber  nach  Westen  zu 
zwei  große  Fensteröffnungen,  nach  Süden  eine  mit  herausgebrochenem  Gewände,  bei 
denen  man  auf  gekuppelte  Rundbogenfenster  schließen  möchte,  also  auf  eine  hier  auch 
durchaus  wahrscheinliche  Saalanlage.  Im  Stockwerk  darüber  nach  Westen  zu  ein  drei- 
faches Rundbogenfenster  (s.  Fig.  363)  mit  sich  nach  innen  stark  erweiternden,  mit 
geraden  Platten  abgedeckten  Kammern.  Hier  im  Innern  zeigt  sich  kein  regelmäßiges 
Quadervverk.  Nach  Süden  zu  in  diesem  eine  große  Fensteröffnung  mit  herausgebrochenem 
Gewände  und  weiterhin  in  dem  sehr  zerstörten  Mauerwerk  eine  muldenartige  Vertiefung, 


Fig.  364.  Innenansicht  des  dreifachen  Palasfensters  der  Burg  Schenkenzell. 


die  an  ein  Kamin  denken  läßt.  Von  dem  nächsten  Stockwerk  stehen  nur  noch  Reste 
nach  Westen,  darin  die  unteren  Teile  zweier  sauber  behauenen  Sandsteingewände, 
die  auf  große  Fenster  deuten. 

Die  Zwingermauern,  bedeutend  weniger  stark,  sind  von  dem  gleichen  Material  wie 
die  Mauern  der  Hochburg.  Hier  mögen  Wirtschaftsgebäude  gestanden  haben.  Auf  den 
merkwürdigen  Vorwerken  nach  der  Bergseite  zu  noch  wenige  Mauerspuren  von  kleinen 
Gneisbruchsteinen. 

Die  Erbauungszeit  einer  Burg  ist  nach  derartigen  Resten  immer  schwer  zu 
bestimmen.  Soweit  man  bei  Burgen  sicher  urteilen  darf,  lassen  die  geschilderten  Fenster- 
öffnungen noch  auf  die  Zeit  des  romanischen  Stils  schließen.  Zugleich  aber  möchte 
ich  noch  auf  etwas  anderes  aufmerksam  machen.  Abgesehen  von  dem  hier  ausnahms- 
weise vorhandenen  Bergfried  bietet  die  Anlage  der  Hochburg  mit  den  zwei  Palasen  und 
ihrer  Grundrißform  sowie  dem  Hof  dazwischen  wieder  eine  Analogie  mit  der  Diersburg 
und  der  Hohengeroldseck.  Obgleich  ich  darauf  kein  großes  Gewicht  legen  möchte, 


AMT  WOLFACH.  — SCHILTACH. 


657 


scheint  es  mir  auch  aus  historischen  Gründen  immerhin  möglich,  daß  die  Geroldsecker 
auf  der  Höhe  ihrer  Macht  in  der  ersten  Hälfte  des  13.  Jhs.,  als  sie  in  den  Besitz  dieser 
Gegend  kamen,  die  Burg  entweder  neu  erbauten  oder  so,  wie  sie  heute  ist,  ausbauten. 

Uber  dem  Tal  drüben  am  Bergabhang,  auf  einem  niederen  Granitkegel,  Reste 
eines  unregelmäßigen  Gemäuers ; die  Mauerzüge  im  Grundriß  fast  rund,  von  einem 
weiteren  Mauerkreis  ebenfalls  noch  Reste  erhalten.  Uber  Alter  und  Zweck  dieser  Anlage 
ist  nichts  festzustellen. 


SCHILTACH 


Schreibweisen:  Schiltach  1275;  Schiltha  1315;  Schiitache  1333;  Schiltach,  Horn- 
berger Amts  1592;  Schülltach  1621.  (Vielleicht  vordeutsch,  vielleicht  auch  zu  Schild 
gehörig.) 

Arhivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895),  S.  92. 

Literatur:  Ein  erschröcklich  Geschieht  vom  Tewfel  und  einer  unhulden,  beschehen 
zu  Schilta  in  der  Karwochen  ....  1533.  Joh.  Bolte,  Geistl.  Komödie  in  Sch.  1654, 
Alemannia  XVII,  S.  152.  Ders.,  Kommödianten  zu  Sch.,  Alemannia  XIV,  S.  188. 
Eyth,  Altertüml.  Gebräuche  von  Sch.,  Veröffentlichungen  des  Karlsruher  Altertums- 
vereins I,  S.  14.  A.  Rößger,  Bilder  aus  einer  kleinen  altwiirttembergischen  Schwarz- 
waldstadt vom  Ende  des  Dreißigjährigen  Krieges,  Württemb.  Vierteljahrsschrift  NF.  I 
(1892),  S.  386 — 408. 

Ansicht : Merian,  Topographia  Sueviae  1643. 

Oi'tsgeschichte : Im  13.  Jh.  zuerst  genannt,  kam  nach  längeren  Kämpfen  um  die 
Vogteien  Schiltach  und  Alpirsbach  zwischen  den  Herzogen  Friedrich  II.  von  Teck  und 
Konrad  von  Urßlingen  Schiltach  an  letzteren.  Doch  hatten  auch  die  Geroldsecker  einen 
Teil  im  Besitz,  wohl  durch  Verschwägerung  und  Pfandschaft,  1370  hören  wir  von  »Georgen 
von  Geroltzegke  genant  von  Tüwingen  und  Heinrichs  von  Geroltzegke  gemeine  vestinnen 
zu  Geroltzegk  und  zu  Schiltach«.  Wenige  Jahre  nachher  versetzt  »Mathis  von  Signow 
ain  friger  herre«  1378  »Schilta  bürg  und  statt  mit  allem  dem,  daz  dar  in  höret,  dem 
edeln  grave  Wolfen  von  Eberstain  minem  lieben  ohem  und  dem  schultheissen,  dem 
burgermaister,  dem  rät  und  den  bürgern  gemainlich  der  statt  ze  Rotwil  um  achtenhalb- 
hundert  guldin«.  Vorher  schon,  1375,  hatte  er  dem  Grafen  Eberhard  von  Württemberg 
und  dessen  Sohn  Ulrich  gelobt,  »wer  daz  sache,  daz  mir  an  den  vestin  der  Hohen- 
gerolzeg  und  an  der  vestin  Schiltach  gebringe  und  die  ingewinne,  daz  ich  mit  denselben 
vestin  den  vorgenannten  minen  herren  von  Wirtenberg  und  iren  erben  damit  warten 
solle  und  damit  nit  anders  tun  solle,  denne  daz  sie  mich  heizzen«.1)  1395  erlaubt  er 
nun  dem  Grafen  Wolf  von  Eberstein,  die  1378  den  Rottweilern  verpfändete  Hälfte  ein- 
zulösen.2) Gleich  nachher  verkauft  er  seinen  Besitz  endgültig  demselben.  1381  erlangte 
Diem,  der  Schultheiß  von  Dornstetten,  wegen  einer  Schuld  des  Georg  von  Geroldseck 
von  xooo  fl.  »eine  Anleite  auf  dessen  Anteil  an  Burg  und  Stadt  Schiltach  und  Schenken- 
zell«.3) Aber  noch  im  gleichen  Jahre  am  26.  Juni  verkauft  sein  Bruder  Berntz  von 
Dornstetten  mit  seiner  Zustimmung  diese  Ansprüche  um  4000  Pfund  Heller  an  den 

*)  Ruppert,  Mortenau  I,  S.  495. 

2)  Ebenda. 

3)  Ebenda,  S.  496. 


Gemäuer 


Ansicht 

Ortsgeschichte 


658 


KREIS  OFFENBURG. 


Grafen  Eberhard  von  Württemberg,  und  zwei  Monate  nachher  erlangt  dieser  den  ganzen 
Besitz:  »ich  herezog  Reinolt  von  Urßlingen  und  ich  frovv  Anna  herezogin  von  Urßlingen, 
des  vorgen.  herezog  Reinolt  svvester  und  Conracz  von  Gerolczecke  eliche  husfrow,  und 
ich  Conrat  von  Gerolczecke  herre  ze  Sulcze,  geben  ze  kouffen  grave  Eberharten  von 
Wirtemberg  und  der  herrschaft  ze  Wirtemberg  Schilttach  die  bürg  und  Schilttach  die 
statt  in  dem  Kinczgental  gelegen  mit  allen  nuczen,  rehlen  und  mit  aller  zugehorung  für 
ain  fryhe  ledig  aigen  güte  umb  sechstusent  gultin«.  1391  ')  und  1395  wird  dieser  Kauf 
bestätigt,  nämlich  der  Kauf:  »der  aigenschaft  von  dem  edeln  Rennolten  hertzogen  von 
Urslingen  und  die  pfantschaft  von  dem  edeln  Walthern  von  der  Hohengeroltzegg«.  Die 
Geroldsecker  behielten  aber  noch  Besitzungen  »im  langen  Schiltach,  die  sie  1458  an 
»Abt  Johann  genannt  Swigger  zu  S.  Jörgen«  verkaufen.2) 

Stadt  und  Burg  blieben  von  da  an  württembergisch  und  gehörten  zum  Amt  Hom- 
berg, bis  sie  mit  diesem  1810  an  Baden  abgetreten  wurden.  Im  16.  Jh.  hatte  die  Stadt 


Fig.  36 j.  Schiltach,  nach  Merian,  1643. 


mehrere  große  Brände  zu  erleiden.  »1533  ferbran  Schiltach  das  gantz  stettle  gar  uß, 
neher  dann  in  ainer  stund  uf  den  boden  hinweg.«  (Hugs,  Villinger  Chronik  206.) 
Damals  schrieb  man  dies  Unglück  einer  bedauernswerten  Hexe  zu,  die  denn  auch  zu 
Oberndorf  auf  dem  Scheiterhaufen  sterben  mußte.  1590  aber  erfolgte  ein  zweiter  Brand: 
»also  ist  dieses  stättlein,  so  fünf  und  dreyßig  hauser  hatte,  anno  1590  wieder  biß  auf  die 
Kirche  und  deß  prediger  hauß  gantz  abgebronnen«,  berichtet  Merian  (S.  69).  Kein 
Geringerer  als  der  große  württembergische  Stadtbaumeister  und  Architekt  Heinrich 
Schickhardt  entwarf  damals  den  Plan  zum  Wiederaufbau  (wie  für  Freudenstadt),  der  aber 
offenbar  nie  zur  Ausführung  kam.  Mehrfache  Leiden  kamen  dann  im  Dreißigjährigen 
Kriege  über  die  Stadt,  die  schwer  an  ihren  Brandschatzungen  zu  tragen  hatte,  um  so  mehr, 
als  die  Bauern  des  zu  Schiltach  gehörigen  Lehngerichtes  in  der  Zahlung  ihres  Beitrages 
sehr  widerspenstig  waren.  Die  Streitigkeiten  mit  ihnen  machen  überhaupt  in  dieser  und 

*)  Ruppert,  Mortenau  I,  S.  496. 

2)  Ebenda. 


AMT  WOLFACH.  — SCHILTACH. 


659 


der  nächsten  Zeit  einen  großen  Teil  der  Geschichte  von  Schiltach  aus.  Auch  die 
Gebäude  der  Stadt  hatten  in  den  Kriegszeiten  schwer  gelitten  und  befanden  sich  »von 
der  Kirche  und  dem  Rathaus  bis  hinab  zum  öffentlichen  Schlachthause  in  einem  Zustand 
grenzenloser  Verwahrlosung«,1)  ebenso  die  öffentlichen  Brunnen,  so  der  Marktbrunnen. 
Die  Häuser  waren  alle  baufällig,  Wege,  Stege  und  Brücken  in  Unordnung.  Bei  der 
allgemeinen  Armut  war  die  Gemeinde  kaum  im  stand,  für  die  allemötigsten  Herstellungen 
zu  sorgen.  Damit  ging  Hand  in  Hand  eine  große  Verwilderung  der  Sitten.2)  Wie  die 
ganze  Gegend,  so  konnte  auch  Schiltach  erst  im  18.  Jh.  sich  allmählich  erholen. 

Die  Anlage  der  Stadt  knüpft,  wie  so  häufig,  auch  hier  an  die  Burg  an,  obwohl, 
wie  es  scheint,  die  Feste  Schiltach  1370  zum  erstenmal  genannt  wird  in  der  oben- 
citierten  Urkunde  der  beiden  Hohengeroldsecker.  Weitere  Erwähnungen  sind:  1375 


O !0  iO  30  S o so  •ntc. 

Fig.  j66.  Plan  der  Ruine  Schiltach. 


vesti  Schiltach,  1379  bürg  und  stat  Schiltach,  in  dem  Kincgental  gelegen  1391,  schloß 
Schiltach  1534.  Von  der  Burg,  die  auf  dem  Hügel  über  der  Stadt  lag,  wo  jetzt  ein 
Aussichtsturm,  sind  nur  noch  die  Grundmauern  erhalten,  wie  sie  unser  Plan  (s.  Fig.  366) 
gibt.  Sie  soll  am  Ende  des  18.  Jhs.  noch  bewohnbar  gewesen  sein.  Eine  Lithographie 
von  1843  (E  Vife  1 d- Offenburg)  zeigt  uns  nur  noch  eine  kümmerliche  Ruine,  desgleichen 
eine  von  Ring  gezeichnete  in  dem  Werk  über  die  deutschen  Burgen.3)  Unser  Plan  zeigt 
uns  auf  einem  Plateau  von  etwa  65  : 22  111  die  Mauerreste  der  Hochburg,  in  der 
Siidostecke  anscheinend  einen  Turm,  scheinbar  (?)  einen  zweiten  in  der  Südwestecke,  in 
dem  westlichen  Teil  möglicherweise  einen  Palas  mit  der  Mauer  eines  Vorwerkes.  Die 
Nord-  und  Südmauern,  von  Gras  überwachsen,  waren,  wie  es  scheint,  gegen  3 m stark 
und  bestehen  aus  Granitbruchsteinen.  Ein  Halsgraben  trennte  die  Burg  von  der  Berg- 

*)  R ö ß g e r a.  a.  O.  S.  3SS. 

2)  Ebenda. 

3)  Vues  pittoresques  a.  a.  O. 


66o 


KREIS  OFFENBURG. 


seite.  Wenn  wir  den  Befund  mit  dem  ja  nie  sehr  glaubwürdigen  Bilde  bei  Merian  ver- 
gleichen, so  dürfen  wir  den  erstvermuteten  Turm  tatsächlich  als  Bergfried  ansehen,  den 
westlichen  Teil  als  Palas  mit  einem  anstoßenden  Gebäude.  — Auf  unserem  Plan  der 
Stadt  ist  der  vermutliche  Anschluß  der  Zwingermauern  des  Schlosses  an  die  Stadt- 
mauer angedeutet.  Die  Stadt  war  den  Schloßberg  hinauf  gelagert,  ihre  Mauern  begannen 
einige  20  m entfernt  von  der  Kinzig  und  umzogen  sie  in  unregelmäßigem  Laufe,  im 


Fig.  367.  Schiltach,  Reste  der  alten  Stadtmauer. 


Norden,  wo  die  Häuser  mit  ihren  Rückseiten  darauf  stehen,  und  im  Süden  noch  gut 
erhalten,  im  Osten  und  Westen  größtenteils  nur  vermutungsweise  nachweisbar.  Im 
Norden,  gegen  die  Kinzig  zu,  sind  noch  zwei  mit  Quadern  bekleidete  Strebepfeiler 
sichtbar,  die  die  aus  Bruchsteinen  errichtete  Mauer  stützten  (s.  Fig.  367).  ln  der  öst- 
lichsten Höhe  führte  ein  Obertor  herein,  westlich  gegen  den  Einfluß  der  Schiltach  in  die 
Kinzig  zu  ein  Untertor  heraus,  deren  Stelle  und  Form  nach  alten  Angaben  einigermaßen 
vermutet  werden  konnten.  Wie  man  sieht,  liegt  der  größere  heutige  Teil  der  Stadt 
außerhalb  der  Mauer.  Das  muß  aber  schon  zu  Merians  Zeit  gewesen  sein,  schon  damals 


Band  VII.  Zu  Seile  660. 


Fig.jöS.  Plan  der  Stadt  Schiltach  nach  dem  staatlichen  Katasterwerk 


1881. 


AMT  WOLFACH.  — SCH1LTACH. 


66l 


lag  die  Kirche  jenseits  der  Schiltach  und  dehnten  sich  östlich  und  westlich  zahlreiche 
Häuser  aus.  Ob  die  Talstraße  vor  der  Mauer  vorbei  führte,  oder  ob  sie  anstieg,  beim 


Fig.  jöq.  Rathaus  in  Schi/tach. 


Obertor  herein  und  beim  Untertor  heraus  führte,  läßt  sich  nicht  mehr  feststellen.  Eine 
andere  Straße  führte  im  Osten  am  hinteren  Tor  herein,  beide  vereinigten  sich  in  dem 


602 


KREIS  OFFENBURG. 


Evang.  Kirche 


Marktplatz,  der  etwa  auf  mittlerer  Höhe  der  Stadt  liegt.  Hier  stand  das  Rathaus,  das 
in  seiner  heutigen  Gestalt,  wie  wir  sehen  werden,  aus  der  Zeit  nach  dem  zweiten  Brande 
1590  stammt.  Der  Meriansche  Stich  zeigt  uns  noch  die  Kirche,  aber  nur  mehr  den 
gotischen  Chor  mit  Achteckabschluß,  vielleicht  ein  Stück  Langhaus,  der  Rest  ist  bei 
einem  der  großen  Brände  zerstört  und  offenbar  bis  1643  nicht  wieder  aufgebaut  worden. 
Merian  gibt  übrigens  keine  Stadtmauer  und  keine  Türme  an,  wovon  mich  nur  das 
letztere  einigermaßen  stutzig  macht,  vielleicht  waren  sie  so  zerstört,  daß  sie  im  Stadtbilde 
gar  nicht  mehr  mitsprachen.  Der  gotischen  Form  des  Kirchenchores  nach  muß  schon 
spätestens  im  16.  Jh.  die  Ausdehnung  der  Stadt  über  die  Schiltach  stattgefunden  haben. 


Zu  Merians  Zeiten  stand  hier  noch  ein  stattliches  Pfarrhaus (?).  Hier  auch  das  Rathaus 
(Lehengericht)  der  Gemeinde.  Eine  alte  Brücke  verband  die  Teile  mit  der  alten  Stadt 
(heute  durch  eine  eiserne  ersetzt).  Im  übrigen  ist  auf  der  rechten  Seite  der  Schiltach 
die  Ansicht  im  19.  Jh.  stark  verändert  worden. 

Evang.  Pfarrkirche.  Schon  1275  hören  wir  von  einem  »rector  ecclesie  in 
Schiltach  in  decanatu  Kürnbach«,  1314  von  »herr  heinrich  der  chilchherre  von  Schiltahe«, 
zwischen  1360  bis  1370  von  der  »ecclesia  Schilta  in  decanatu  Rotwil«,  1488  von  »sant 
Johannsen  gen  Schiltach  an  die  Kirchen«,  dies  also  der  ehemalige  Titel.  Das  Patronat 
stand  seit  dem  Ende  des  14.  Jhs.  dem  Grafen  von  Württemberg  zu,  1464  wird  von  dem 
Grafen  Eberhard  »Nicolaus  Gocz  de  Wolfach  ad  ecclesiam  parrochialem  in  Schiltach, 
per  liberam  resignacionem  Pauli  Wilden  vacantem«  präsentiert.  Wie  in  allen  württem- 


AMT  WOLFACH.  — SCHILTACH. 


663 


bergischen  Gebieten  im  Kinzigtal,  wird  auch  hier  sehr  bald  in  den  ersten  Jahrzehnten 
ihres  Auftretens  die  neue  Lehre  der  Reformation  eingeftihrt  und  bleibt  herrschend. 
1577  hören  wir  noch  einmal  von  »des  hayligen  s.  Johanns  pfleg  zu  Schiltach«.  Wie  die 
Kirche  damals  aussah,  haben  wir  oben  nach  Merian  angegeben.  Der  heutige  Bau,  in 
den  pseudoromanischen  Formen  der  damaligen  Zeit,  wurde  1839  begonnen  und  1843 
vollendet.  Ältere  Reste  sind  nicht  mehr  vorhanden. 


Auf  dem  Friedhof  schmiedeeisernes  Kreuz  mit  Rosetten  etc.  aus  dem  Anfänge  Schmiedeeisernes 

Kreuz 


des  18.  Jhs.,  zwei  einfachere  aus  der  zweiten  Hälfte  desselben. 

Von  Profangebäuden  ist  das  wichtigste  das  Rathaus  (s.  Fig.  369),  das  sehr 
malerisch  auf  der  Höhe  des  Marktplatzes  liegt.  Ich  gebe  eine  Federzeichnung  des- 
selben von  Wey ßer  wieder,  . — 

jStadt  jSchiltach- 

m"  am  ehern,  zoy- 

J Ä<3,erhaU9. 


die  allerdings  nicht  ganz 
fertig  geworden  ist,  insbe- 
sondere in  den  Fenstern. 
Das  Haus,  ein  Bau  aus 
Bruchsteinmauerwerk  mit 
Sandsteingewänden,  öffnet 
sich  im  Erdgeschoß  mit 
zwei  Rundbogen  gegen  den 
Platz.  Im  Stockwerk  darüber 
ein  Saal,  der  durch  zwei 
gekuppelte  Fenster  oder 
Fenstergruppen  Licht  erhält 
(s.  Fig.  370).  Die  Pfosten 
und  Gewände  der  Fenster 
sind  abgefast  mit  kleinen 
Volutenabläufen.  Im  Innern 
jeweils  zwei  Fenster  durch 
zwei  Flachbogen  zusammen- 
gefaßt, die  auf  einer  kurzen, 


Fig.  371  Türe  am  ehemaligen  sogen.  Jägerhaus  in  Schiltach. 


bauchigen  Säule  mit  originellem  Würfelkapitell  und  an  den  Ecken  volutenartig  ab- 
gekantetem Sockel  aufruhen.  Der  abgefaste  Durchzugsbalken  im  Saale  ruht  auf  einer 
bauchigen  Holzsäule  (Eichen)  mit  geschnitztem  Renaissancekapitell  und  der  Zahl  1593. 
I11  einer  Wand  des  Saales  eingefügt  ein  Wandschränkchen  mit  Giebelbekrönung,  schlichtes 
Renaissancewerk.  Hier  werden  oder  wurden  zwei  Holzstatuen  des  Königs  David  sowie 
eines  Engels  aufbewahrt,  Durchschnittsarbeiten  des  17.  Jhs.  Auf  der  Bühne  einige 
Folterwerkzeuge,  hier  auch  ein  Blockgefängnis  eingebaut.  — Das  Rathaus  steht  mit  dem 
Giebel  nach  der  Straße,  an  dem  eine  Uhr,  auf  dem  First  ein  kleiner  Dachreiter.  Zu 
erwähnen  noch  der  schmiedeeiserne  Schildhalter  an  der  Ecke. 


Rathaus 


Leider  ist  dieser  gerade  in  seiner  Einfachheit  und  seiner  Lage  an  dem  ansteigenden 
Platz  so  überaus  wirkungsvolle  Bau  1906  und  1907  etwas  verändert  worden,  insbe- 
sondere durch  die  Hinzuftigung  eines  Staffelgiebels  und  eines  Sockels  aus  Kunststein. 
Das  Innere  mußte  mit  Rücksicht  auf  das  praktische  Bedürfnis  wesentlich  umgestaltet 
werden,  wobei  der  Saal  aber  erhalten  blieb. 


Band  VII. 


43 


664 


KREIS  OFFENBURG. 


Privathäuser 


Von  den  Privathäusern  ist  zu  erwähnen:  das  Haus  Nr.  179,  sogen.  Jägerhaus,  an 
dem  sich  ein  sandsteinernes  Türgewände  (s.  Fig.  371)  befindet,  mit  Hohlkehlen,  Voluten- 
ablauf, im  Kielbogen  schließend,  an  dem  mit  Rosetten  gezierten  Sturz  die  Zahl  1590. 
Uber  dem  Erdgeschoß  Fachwerkaufbau. 

Das  Gasthaus  »Zum  Adler«,  Nr.  108,  sei  als  gutes  Beispiel  eines  reicheren  Riegel- 
baues hervorgehoben.  Fig.  372  gibt  eine  Ansicht  der  Giebelseite  des  Hauses,  an  das 
ein  Anbau  anstößt,  der  die  Traufrinne  der  Straße  zukehrt.  An  der  Ecke  kragt  auf 
mächtiger  Steinkonsole  ein  Erker  vor,  in  seinen  zwei  Geschossen  den  zwei  oberen  Stock- 


Fig.  372.  Gasthaus  » '/.um  Adler « in  Schiltach. 


werken  des  Hauses  entsprechend.  Das  Dach  enthält  zwei  Bühnen  übereinander,  die 
sich  in  großen  Türen  zum  Aufzug  der  Waren  öffnen.  Bis  ins  einzelne  der  Beachtung 
wert  ist  die  Behandlung  des  Fachwerkes,  die  Ausbildung  der  Fenstererker  mit  ihren 
Konsolen,  ihrem  Eierstabgesims,  ihren  ausgeschnittenen  Brüstungen  (s.  Fig.  374).  An 
einem  Balken  die  Jahreszahl  1604.  Wohl  über  ein  Jahrhundert  später  ist  der  schmiede- 
eiserne Wirtshausschild  mit  dem  Doppeladler  und  dem  in  einen  Adlerkopf  endigenden 
Halter. 

Haus  Nr.  26,  mit  Hohlkehle  und  Volutenablauf  im  Gewände  des  Rundbogentores, 
an  einem  zweiten  Tor  im  Schlußstein  Initialen  und  die  Jahreszahl  1791.  Wohl  nach 
einem  Brande  damals  erneuert.  Hübscher  Fach werkoberbau.  In  diesem  Haus  noch 
ein  gußeiserner  Ofen,  am  Unterbau  noch  drei  Platten  mit  Reliefdarstellungen,  Bekehrung 


1 


AMT  WOLFACH.  — SCHILTACH. 


665 


Pauli:  »Saul  mit  Wüten  und  Schnauben  — will  Christengut  und  blut  rauben  — durch 
eine  Stimm  er  wird  bekehrt  — Jesum  er  selbst  bekennt  und  lehrt,«  dann  zweimal  die 
Darstellung  Absalons  am  Baum:  »Absalon  sein  Vater  verfolgen  that  — Am  Baum  bleibt 
hangen  wird  getödt.«  (Ende  16.  Jh.) 


Fig.  J7S-  Detail  vom  Gasthaus  » Zum  Adler « in  Schiltach. 


Schmiedeeiserne  Wirtshausschilde  noch  am  »Bären«,  Mitte  18.  Jhs.,  am  Schmiedeeiserne 

. Wirtshaus- 

»Lamm«,  Ende  18.  Jhs.,  ein  sehr  stattlicher  am  Gasthaus  »Zur  Sonne«.  schüde 

Auf  dem  Marktplatz,  sehr  zur  Wirkung  des  Bildes  beitragend,  der  Marktbrunnen.  Marktbrunnen 
Achtseitiges  Bassin  mit  der  Jahreszahl  1751,  der  Stock,  eine  leicht  gebauchte  Renaissance- 
säule mit  Akanthusblättern  am  Schaft  und  korinthischem  Kapitell,  trägt  die  Löwrenfigur 

43* 


666 


KREIS  OFFENBURG. 


Zunftschild 


Ortsbild 


Römerstraße 


mit  dem  Stadtwappen.  An  der  Basis  vier  pausbackige  Maskarons,  aus  deren  Mäulern 
die  Ausflußrohren  mit  ihrem  schönen  schmiedeeisernen  Gitterwerk  herauskommen.  Sie 
sowie  die  ganze  Säule  nebst  dem  Löwen  sind  älter,  wohl  aus  der  Zeit  um  1600.  Es  ist 
dies  der  Brunnen,  von  dem  wir  1636  hören,  daß  er  nicht  mehr  läuft.  Sein  Wasser 
entsprang  auf  dem  Grundstücke  zweier  Privatbesitzer,  von  denen  man  1648  die  Frei- 
gebung  des  Wassers  erzwang.1) 

Zunftschild  der  Küfer,  Schlosser,  Flaschner,  vom  Anfänge  des  19.  Jhs.,  im  Gast- 
haus »Zur  Krone«.  Eine  alte  Truhe  aus  dem  Gasthaus  »Zur  Sonne«,  jetzt  beim  Sonnen- 
wirt Bühler  im  Hinterlehengericht. 

Das  wichtigste  Denkmal  in  Schiltach  aber  ist  das  Ortsbild  selber.  Nur  in  äußerst 
wenigen  Orten  haben  sich  in  solcher  Anzahl  die  Fachwerkhäuser  erhalten  wie  hier,  man 

könnte  mit  geringer  Ausnahme 
jedes  Haus  hier  anführen,  wes- 
halb ich  darauf  verzichte.  Leider 
sind  die  meisten  verputzt.  Eine 
Wiederherstellung  des  alten 
Charakters  wäre  dringend  zu 
wünschen.  Da  das  ansteigende, 
immer  abwechselnde  Bilder 
bietende  Terrain  der  malerischen 
Wirkung  sehr  günstig  ist,  würde 
ein  seltenes  und  anziehendes 
Bild  geschaffen.  Vom  Kinzigtal 
aus  präsentiert  sich  ja  heute 
schon  die  Stadt  mit  ihren  hoch 
auf  die  alte  Mauer  gebauten  Häusern  sehr  malerisch.  Man  kann  nur  den  Wunsch  aus- 
sprechen, daß  durch  Neubauten  in  nicht  hierher  passendem  Steinstil  nichts  ver- 
dorben wird. 

Zu  Schiltach  gehörte  früher  das 


Fig.  374.  Detail  vom  Gasthaus  » Zum  Adlern  in  Schiltach. 


LEHENGERICHT 

eine  aus  zerstreuten  Höfen  bestehende  Gemeinde,  die  mit  der  Stadtgemeinde  ehemals 
den  Stab  Schiltach  bildete  (Schiltacher  Lehengericht  1590)  und  mit  ihr  die  gleiche 
Geschichte  hat.  Auch  hier  sind  eine  Anzahl  Bauernhöfe  und  Bauernhäuser,  wie  in  der 
ganzen  Gegend,  zu  verzeichnen.  — Im  sogen.  Hinterholz  vier  vierkantige  Pfosten,  etwa 
1,70  m hoch  und  80  cm  stark,  längs  des  Weges  an  der  Grenze,  wohl  aus  dem  18.  Jh. 

Durch  Schiltach  führte  die  römische  Militärstraße,  die,  i.  J.  74  nach  Christus  an- 
gelegt, Straßburg  über  Offenburg,  Gengenbach,  Haslach  mit  Rottweil  verband  und  hier, 
oberhalb  Schiltach,  die  Wasserscheide  erstieg.2)  Ihr  Zug  ist  von  der  Stadt,  vom  Rathaus 
aus  noch  zu  vermuten.  Auf  dem  Höhenrücken  hinter  dem  Schloßberg,  kurz  vor  dem 
Eintritt  in  den  Wald,  tritt  auf  etwa  35  Schritte  hin  das  antike  Pflaster  zutage,  etwa  in 

*)  Rößger  a.  a.  O.  S.  389. 

,£)  E.  Fabricius,  Die  Besitznahme  Badens  durch  die  Römer,  Neujahrsblatt  der  bad.  histor. 
Komm.,  S.  39. 


AMT  WOLFACH.  — SCHNELLINGEN.  STEINACH. 


667 

der  Breite  von  4 m,  bestehend  aus  50 — 60  cm  langen  und  40  cm  breiten  Granitsteinen, 
die  nach  oben  leise  gerundet  sind. 

Etwas  weiter  hinauf  ist  ein  kleines  Plateau  bemerkbar  mit  Mauerresten,  einem  Mauerreste 
mittleren  Hauptteil,  um  den  herum  geringe  Trümmer  einer  weiteren  Umfassungsmauer, 

Spuren  eines  Grabens  und  davor  eines  Walles.  Uber  den  Zweck  und  die  Geschichte 
dieser  Anlage  vermag  ich  nichts  zu  sagen. 


SCHNELLINGEN 


Schreibweisen:  Snellingen  1293;  Snellingin  1330;  Schnellingen  erste  Hälfte  des  16.  Jhs. 

(Bei  den  Angehörigen  des  Snello.) 

Archivalien:  Mitteil.  der  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  157. 

Ortsgeschichte : Der  Ort,  Dorf  und  Schloß,  war  geroldseckisches  und  fürsten-  Ortsgeschichte 
bergisches  Lehen  eines  Adelsgeschlechtes,  das  sich  nach  ihm  nannte.  1293  erscheint  ein 
Frischelin  von  Snellingen,  1306  ein  Rudolf  und  »Mene  seine  eheliche  wirtin,  hern 
Heinrichs  tochter  von  Tiersberg«.  Es  folgt  ihr  Sohn  Wigerich,  seine  Kinder  (Dietrich, 

Betli  und  Süßeli),  1371  verkauft  »Mene,  hern  Wigerichs  von  Snellingen  tohter,  Renboltz 
von  Windegge  seligen  witwe«  ihren  Teil  an  der  Burg  und  an  dem  Dorf  Schnellingen,  am 
Dorf  Welschensteinach  etc.,  aus  welcher  Urkunde  wir  von  einem  Burggraben  hören. 

Unzählige  weitere  Mitglieder  des  Geschlechtes  werden  genannt,  das  sich  in  zwei  Äste 
geteilt  hatte,  bis  dasselbe  um  die  Mitte  des  15.  Jhs.  ausstarb.  Seine  Güter  kamen  an 
die  verwandten  von  Gippichen,  an  die  von  Blumeneck,  Stoll  von  Staufenberg,  Erasmus 
von  Harmersbach.  Die  Landeshoheit  hatte  Fürstenberg  bis  1806,  wo  das  Ort  badisch 
wurde.  Im  15.  und  16.  Jh.  wurde  ein  Bergwerk  hier  betrieben. 

Von  der  Burg  steht  heute  nichts  mehr,  nur  der  Name  Schloßberg  erinnert  daran.  Burg 
Ob  die  Mauerreste  im  Anwesen  des  Wilhelm  Pfaff,  auf  einem  Bühel  gelegen,  tatsächlich 
mit  derselben  zusammenhingen,  kann  ich  nicht  entscheiden. 

Eine  schlichte  Kapelle  zu  Mariä  Himmelfahrt  trägt  über  der  rundbogigen  Ein-  Kapelle 
gangstiir  die  Jahreszahl  1745.  An  der  Holzdecke  gemalt  die  marianischen  Symbole, 
primitive  Arbeiten  des  18.  Jhs.  Ein  holzgeschnitztes  Kruzifix,  Durchschnittsarbeit  der 
gleichen  Zeit. 


STEINACH 


Schreibweisen:  in  Mortunagia  Steinach  1139;  Steinahe  1240;  Stenahe  1250; 

Steynach  1380;  zu  Stainach  im  dorf  1500. 

Daneben  hören  wir  im  Gegensatz  zu  Welschensteinach  1381  vom  dorf  zu  Tüschen 
Steinach,  1411  Tütschen  Steinach,  1464  Düczschen  Steinach. 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  157.  — EDA.  14, 

S.  273  — 278. 

Ortsgeschichte:  Nach  Heyck  ursprünglich  zum  Kloster  Gengenbach  gehörig,  Ortsgeschichte 
scheint  Steinach  wie  andere  Besitzungen  des  Klosters  bambergisches  Lehen  der  Herzoge 
von  Zähringen  gewesen  zu  sein,  nach  deren  Aussterben  es  ihre  Erben,  die  Grafen  von 
Urach,  beanspruchten.  Auch  belehnte  später  König  Rudolf  das  Haus  Fürstenberg  damit, 


668 


KREIS  OFFENBURG. 


Kath.  Pfarrkirche 


Hochaltar 


Seitenaltar 


Kirchengeräte 


1288  aber  verzichtet  Graf  Egeno  mit  Vorbehalt  des  Wiederkaufsrechtes  auf  »valles 
Milinbach  et  Niderinbach  et  villa  Steina,  que  . . . . a Rudolfo  Romanorum  rege  et  im- 
perio  in  feodum  tenuit« ')  und  Rudolf  belehnt  Georg  von  Geroldseck  und  seine  Gemahlin 
Uta  damit.  1304  kam  es  wieder  als  Straßburger  Lehen  an  das  Haus  Fürstenberg 
zurück,  1412  wird  es  als  Zubehör  von  Haslach  genannt  und  den  Fürstenbergem  ihr 
Recht  auf  dieses  Straßburger  Lehen  bestätigt.  Es  blieb  nun  bis  zum  Übergang  an  Baden 
1806  fiirstenbergisch.  Einmal  nur  wird  ein  Ortsadel  genannt:  Riulinus  de  Steinahe  1240. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  Exaltat.  S.  Crucis):  1285  wird  ein  »Dietricus  rector 

ecclesie  in  Stena«  genannt,  1363  ein  Johannes  dictus  Korg,  1419  ein  Conrat  Bachzimer, 
kirchherre  zu  Dütschensteinbach,  1478  pfaff  Georg  Sprung,  kilchherr  zu  Steinach. 
1411  wird  die  ecclesia  parrochialis  in  Tüschen  Steinach  genannt.  Das  Patronat  hatte 
das  Kloster  Gengenbach.  — Mit  der  ganzen  Gegend  trat  auch  Steinach  zur  Lehre 
Luthers  über,  1548  saß  als  Vertreter  derselben  der  Pfarrherr  Simon  Schilling  hier. 
Unter  dem  Grafen  Friedrich  von  Fürstenberg  erfolgte  die  Rekatholisierung.  1616  hören 
wir  über  den  Zustand  der  Kirche  u.  a. : templum  non  tabulatum  alias  ornatum,  sed  sine 
pictura.  1666  wird  berichtet:  Teütschen-Steinach,  haec  ecclesia  est  sub  titulo  s.  Crucis; 
collator,  decimator  et  dominus  temporalis  est  dominus  comes  Maximilianus  a Fürstemberg ; 
animas  regendas  700  ca.  habet. 

Der  heutige  Bau  wurde  1750  nach  Abbruch  des  alten  begonnen.  Doch  scheint 
mir  der  Turm  stehen  geblieben  zu  sein,  wenigstens  in  den  unteren  Stockwerken.  Das 
Erdgeschoß  mit  einem  Kreuzgratgewölbe  dient  jetzt  als  Sakristei.  Das  Material  des 
Baues  ist  Bruchsteinmauerwerk.  Bei  dem  Neubau  1750  hat  er  einen  achteckigen  Aufsatz 
mit  barockem  Walmdach  erhalten.  Die  Kirche  selbst  ist  einschiffig,  mit  Chor  aus  drei 
Seiten  des  Achtecks,  sie  wurde  i.  J.  1888  renoviert  und  um  ein  Drittel  vergrößert.  Im 
Innern  zeigt  sie  an  Decke  und  Wänden  Stuckdekoration  aus  der  Zeit  ihrer  Erbauung. 

Der  Hochaltar , wirkungsvoller  Aufbau  von  vier  Säulen,  mit  Voluten  und  Baldachin, 
und  einigen  flotten  Barockfiguren,  ist,  nach  Mitteilungen  des  Pfarrers,  1777  vom  Schreiner 
Hansjörg  Sutter  in  Haslach  angefertigt  worden.  Zur  gleichen  Zeit  von  demselben  für 
300  fl.  der  eine  Seitenaltar  des  hl.  Joseph  mit  neuem  Bild,  in  entsprechendem  Aufbau, 
ähnlich  der  Altar  Mariä  Trost,  alle  mit  geschnitzten  Rocailleornamenten  verziert.  Auch 
die  Kanzel  ist  ein  Werk  des  gleichen  Stils  und  der  gleichen  Zeit.  Der  Taufstein 
stammt  wohl  noch  aus  dem  17.  Jh.,  daran  flache  Akanthusverzierung  und  Holzgruppe  der 
Taufe  Christi  aus  dem  18.  Jh.  Von  dem  Triumphbogen  hängt  ein  holzgeschnitztes 
Kruzifix  herab,  Durchschnittsarbeit  des  18.  Jhs.,  darüber  das  fürstenbergische  Wappen. 
In  der  Kirche  holzgeschnitztes  kleines  Kruzifix,  Prozessionskreuz,  ebenfalls  Durchschnitts- 
arbeit des  18.  Jhs.  — An  den  neuen  Kirchengestühlen  zwei  Bekrönungen  von  der  alten 
Orgel  erhalten  in  Rocailleschnitzerei ; in  sehr  schlichten  Formen  dieses  Stils  die  Beicht- 
stühle. 

An  Kirchengeräten  zu  erwähnen : Sonnenmonstranz,  silbervergoldet  und  getrieben, 
mit  Blumen,  Gitter  und  Rocailleornament,  sowie  Heiligenhalbfiguren;  Kelch,  gleiches 
Material  und  Arbeit,  mit  Kränzen  und  vier  Emailmedaillons  am  Fuß,  guten  Arbeiten, 
auf  die  Kreuzeslegende  bezüglich,  drei  solchen  an  der  Cuppa,  auf  die  Bruderschaft  Maria 
vom  Trost  bezüglich,  die  etwa  1720  gegründet  wurde,  Augsburger  Zeichen,  darunter 


*)  Ftirstenb.  Urk.-Buch  I,  Nr.  601. 


AMT  WOLFACH.  — STEINACH. 


669 


A und  C X S Arbeit  aus  dem  dritten  Viertel  des  18.  Jhs.;  ein  schlichterer  Kelch  mit 
gewundenem  Griff,  silbervergoldet,  aus  der  gleichen  Zeit;  Speisekelch,  silbervergoldet, 
getrieben  mit  einfacherem  Ornament,  aus  der  gleichen  Zeit;  ein  ähnlicher,  größerer  im 
Tabernakel.  — Weiße  Casel  mit  eingewebten  bunten  Blumen,  aus  dem  18.  Jh. ; alter 
Schrank  des  18.  Jhs.  mit  halblebensgroßen,  gemalten  Brustbildern  der  Propheten. 


Fig.  375.  Gasthaus  » Zum  Adler « in  Steinach. 


Von  den  Glocken  ist  die  größte:  1750  gegossen  von  Matthaeus  Edel  in  Straßburg. 
Auf  der  einen  Seite  die  Mutter  Gottes  mit  Kind  und  die  Worte:  Monstra  te  esse  matrem; 
ferner:  Cura  et  industria  Archipresbyt.  et  parochi  Joh.  Matthäi  Gaengwisch  et  Sebastiani 
Gussler,  praefecto  huius  pagi.  Auf  der  anderen  Seite  Christus  am  Kreuz  mit  Maria  und 
Johannes.  Die  mittlere  1714  von  Peter  Edel  in  Straßburg  mit  der  Aufschrift:  Conatu 


Glocken 


670 


KREIS  OFFENBURG. 


Kruzifix 

Schmiedeeisernes 

Kreuz 

Sandsteinplatte 


Mariaschnee* 

kapelle 


Pfarrhaus 


Fachwerkhaus 


et  industria  friderici  Vogler  Archipresbyt.  Haslachii  et  Joanis  Symacher,  praepositi  totius 
judicii  indicti  Papi  Steinavensis.  Auf  der  anderen  Seite  ein  Kreuz  und  die  Umschrift: 
Libera  nos  Deus  noster  per  signum  Crucis  de  inimicis  nostris.  Die  dritte  Glocke  ist 
1892  umgegossen  worden. 

An  der  Südwand  der  Kirche  ein  Kruzifix  von  1799,  Durchschnittsarbeit.  — - Ebenda 
ein  schmiedeeisernes  Kreuz  mit  der  Schrift:  MLE  und  17 76.  Weiterhin  eine  Sand- 
steinplatte mit  einem  Reliefbild  des  Gekreuzigten  und  der  Inschrift: 

KOMM  LIEBER  GAST  UND  LESE  DA 
HIER  LIEG  ICH  TODT  ROSALIA 
NACHDEM  ICH  4+  JAHR 
EINE  GUTE  EHE-  UND  WIRTSFRAU  WAR  • 

DA  NUN  MEIN  FLEISCH  IN  STAUB  VERGEHT, 

WIE  MEINST,  DASS  ’S  UM  MEINE  SEELE  STEHT? 

WO  ICH  KEIN  HELLER  ZECH  MEHR  LÖS 
ALS  NUR  FÜR  DAS  WAS  GUT  UND  BÖS 
JA,  WAS  ICH  AUCH  NICHT  SELBST  GETHAN 
RECHNET  MAN  MIR  AUF’S  GENAUESTE  AN 
UND  MUSS  BEZAHLEN  FREMDE  SCHULD 
WENN  ICH  WAS  BÖSES  HAB  GEDULD  • 

LASST  DIESES  EUCH  ZUR  WARNUNG  SEIN 
IHR  WIRTH  UND  ALLE  INSGEMEIN 
SPRECHT  BEI  MEINEM  WIRTSHAUS  ZU, 

SPRECHT,  GOTT  GEB  IHR  DIE  EWIGE  RUH  • 

ANNO  1780  19  AUGUSTI. 

Etwas  vor  dem  Ort  die  Mariaschneekapelle , von  zwei  Eheleuten  auf  ihrem  Grund- 
stück errichtet,  1889  wurde  sie  restauriert.  Schlichter  Bau  des  18.  Jhs.  mit  gekuppelten 
Spitzbogenfenstem,  also  auf  älterer  Grundlage,  an  der  flachen  Decke  der  Kapelle  die 
Mariensymbole  gemalt.  Holzstatue  der  Pieta  aus  dem  18.  Jh. 

Im  Pfarrhaus  wird  ein  Schlußstein  mit  Christuskopf,  wohl  aus  der  alten  Kirche, 
aufbewahrt. 

Das  Gasthaus  »Zum  Adler«  (s.  Fig.  375)  ist  ein  hervorragend  schönes,  sehr 
charakteristisches  Fachwerkhaus,  1715  durch  Joh.  Georg  Bech  erbaut.  Auch  sonst 
im  Ort  noch  einige  Beispiele  dieser  Bauart,  leider  teilweise  verputzt. 


WELSCHENSTEINACH 


Schreibweisen:  Welscensteina  1240;  Welschunsteina  1275;  Welschensteinah  1306; 
zu  Welscheme  Steine  in  dem  tal  1323;  Welschensteinahe  1330;  Welschensteina  1341; 
Welschensteynach  1392  und  1476;  Welschen-Steinach  1411;  ze  Welschenstainach  in 
Strausburger bistom  gelegen  1447  ; in  der  Weltschen  Steinach  1456;  Wälschensteinach  1461 
und  1475;  Welschensteynach  1491  etc.  (Steinach  der  Walchen,  Welschen.) 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  16  (1894),  S.  158. 


AMT  WOLFACH.  — WELSCHENSTEIN  ACH. 


671 


Literatur:  F.  L.  Baumann,  Romanisches  in  Welschensteinach  und  den  ostwärts 
angrenzenden  Seitentälern  des  Kinzigtales,  Schriften  f.  Gesch.  u.  Naturgesch.  d.  Baar  V 
(1885),  Kleine  Mitteilungen,  S.  135 — 137. 

Ortsgeschichte : Der  Ort,  eine  weit  zerstreute  Gemeinde  in  dem  von  der  Steinach  Ortsgeschichte 
oder  dem  Steinachbach  durchflossenen  Tal,  war  jedenfalls  frühe  durch  Reste  römischer 
Bevölkerung  besiedelt,  worauf  der  Name  deutet.  Er  hatte  im  wesentlichen  dieselben 
Schicksale  wie  Steinach  und  kam  wohl  aus  dem  zähringischen  Erbe  an  das  Haus 
Fürstenberg.  — - Außerdem  wissen  wir,  daß  das  Kloster  Thennenbach  1316  und  1341  von 
dem  Ritter  Berthold  von  Hüfingen  den  Zehnten  zu  Welschensteinach  erwarb.  Die 
Güter,  welche  der  Deutschorden  (Freiburg)  hier  besessen  hatte,  kamen  1461  an  die 
Grafen  von  Fürstenberg,  damit  auch  wohl  das  Patronat.  — Im  Anfänge  des  14.  Jhs. 
bestand  hier  ein  Silbererzbergwerk.  — Der  Ort  blieb  fürstenbergisch,  bis  er  1806  an 
Baden  kam. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Petrum  et  Paulum):  Bereits  1240  wird  ein  Vicarius  in  Kath. Pfarrkirche 
Welcensteina  genannt,  1314  ein  Dietricus  rector  ecclesie.  1313  erhalten  die  Johanniter 
in  Freiburg  das  Patronat : Heinricus  marchio  de  Hachberg  fratri  Hermanno  de  Maguntia, 
commendatori  domus  hospitalis  s.  Johannis  Jerosolimitani  in  Friburgo,  et  conventui  huius 
domus  ius  patronatus  ecclesiae  in  Welschensteina  iure  proprietatis  possidendam  tradit  1313. 

1314  heißt  es:  ecclesia  de  Welschensteinahe  archidiaconatus  ecclesie  Argentinensis,  zwei 
Jahre  später:  in  Welschensteina  under  der  Kilchen,  endlich  in  einem  Visitationsproto- 
koll von  1666:  hujus  patronus  coelestis  est  s.  apostolus  Petrus  et  Paulus;  collator  comes 
de  Fürstenberg;  animas  regendas  habet  400. 

Die  jetzige  Kirche  ist  ein  schlichter,  einschiffiger  Bau  des  18.  Jhs.  An  dem  Sturz 
des  Fassadenportals  die  Jahreszahl  1771.  Das  Äußere  wird  durch  Lisenen  gegliedert. 

Die  gesamte  Kirche  wurde  1840  bedeutend  restauriert. 

Der  an  die  Nordseite  des  Chors  anstoßende  viereckige  Turm  entstammt  bis  zum  Turm 
Uhrgeschoß  einschließlich  noch  dem  12.  bis  13  Jh. ; er  ist  im  18.  Jh.  überarbeitet  und 
um  zwei  Stockwerke,  mit  den  üblichen  rundbogigen  Schallöffnungen  im  jetzigen  Glocken- 
stockwerk, Satteldach  mit  zwei  Volutengiebeln,  erhöht  worden.  Die  alten  Teile  zeigen 
solides  Mauerwerk  aus  Bruchsandstein,  an  den  Ecken  jetzt  übertünchte  Quader.  Im 
Erdgeschoß  nach  Norden  und  Osten  schießschartenähnliche  Luken,  nach  dem  Chor  zu 
einfache  Rundbogentüre  ohne  charakteristisches  Profil;  über  derselben  ganz  geringe 
Gemäldespuren,  die  weiter  hinauf  durch  die  im  18.  Jh.  vorgelegte  Mauer  verdeckt  werden. 

Im  jetzigen  Uhrgeschoß  nach  allen  vier  Seiten  noch  die  alten  Schallöffnungen  erkennbar, 
wenn  auch  zugemauert:  gekuppelte  Rundbogenfenster,  in  ihrer  Vereinigung  von  Doppel- 
säulchen  mit  abgehauenen  Kapitellen  getragene  Bögen,  an  den  seitlichen  Laibungen  ein- 
facher abgeschrägter  Kämpfer. 

Das  Innere  der  Kirche  ist  schmucklos.  Die  zwei  Seitenaltäre,  üblicher  Barock-  inneres 
aufbau  von  Stukkateur  Jodok  Wilhelm  von  Bezau,  sind  maßvolle  und  hübsche  Bei-  Seitenaltaie 
spiele  der  Gattung.  Einfach  geschnitzte  Kanzel  desselben  Stils,  geringer  Taufstein  der 
gleichen  Zeit. 

Kirchengeräte : silbergetriebener,  vergoldeter  Kelch,  Augsburger  Beschauzeichen,  Kirchengeräte 
darunter  B und  C X S ; Sonnenmonstranz,  silbervergoldet,  getrieben  mit  Rocaille- 
verzierung. 


672 


KREIS  OFFENBURG. 


Glocken 


Ansichten 


Oltsgeschichte 


Drei  Glocken , die  größere  neu,  die  mittlere  mit  Reliefs  des  Krucifixus  und  Brust- 
bildern von  Petrus  und  Paulus:  Bin  gegossen  worden  in  Villingen  bei  Benjamin  Grie- 
ninger  1780;  die  kleine  mit  Muttergottesrelief  und  h.  Sebastian:  Benjamin  Grieninger 
gos  mich  1780. 

Die  ursprünglich  dem  Mittelalter  entstammenden  Umfassungsmauern  des  Friedhofes 
sind  im  18.  Jh.  neu  hergestellt  und  gedeckt  worden. 


WOLFACH 


Schreibweisen:  Wolfhacha ad a.  1084;  Wolva ca.  1095,  1156,  1291,  1293  und  1320; 
Wolfacha  im  und  1148;  Wolvahe  1121,  1136,  1235,  1298,  1301  und  1305;  Wolvah 
13.  Jh.  und  1328;  Wolfache  1294;  Wolfa  1299,  1328  und  1367;  Wolfahe  1303,  1317 
und  1359;  Wolvach  1312,  1340  und  1382;  Wolfach  1328,  1395  und  1480;  villa 
Wolfacha  1148.  Als  Stadt  ausdrücklich  erwähnt:  ze  Wolfach  in  der  statte  1305  und 
1365;  bürg  und  stat  1367;  oppidum  1467;  zu  Wolfach  in  der  vorstat  1551. 

Literatur:  H.  Roys,  Wolfach  und  sein  Kiefernadelbad,  Karlsruhe  1857.  Carl 
Kettner,  Das  Kiefernadelbad  Wolfach  und  seine  Umgebung  in  histor.-statist.-topograph. 
Beziehung,  Wolfach  1888.  Woerls  Reisehandbücher,  Führer  durch  Wolfach,  Würzburg 
1887.  W.  J.  A.  Werber,  Die  Kniebisbäder  Sulzbach,  Antogast,  Freiersbach,  Peterstal, 
Griesbach,  Rippoldsau  und  Wolfach,  Erlangen  1863.  Jos.  Bader,  Klausnerin  Leutgart 
von  Wolfach,  Deutsche  Frauenbilder  aus  verschiedenen  Jahrhunderten,  Freiburg  1877. 
W.  Franck,  Bestrafung  einer  7ojähr.  Frau  zu  W.  (Hexe)  1640,  Frbgr.  Z.  II,  S.  430. 
F.  J.  M o n e , Zur  Geschichte  des  Bettels,  von  1363  bis  1367  (Wolfach),  Z.  19,  S.  139 — 163. 
Ders.,  Der  eiserne  Ofen  im  Rathaus  zu  Wolfach,  Z.  19,  S.  303 — -305.  Ders.,  Ge- 
schichtliche Notiz,  betreffend  Bibliothek  zu  W.,  Z.  19,  S.  487.  Ders.,  Wirtstaxe  zu  W., 
Z.  19,  S.  31.  Ders.,  Der  Stadtschreiberdienst-,  Dienstboten-  und  Einwohnereid,  Ordnung 
der  Ratsstube,  Büttelordnung  1470,  Jährl.  Steueranlage  im  15.  Jh.,  Z.  20,  S.  42—49. 
Ders.,  Der  Schauertag  zu  W.,  Z.  20,  S.  76/77.  Ders.,  Neujahrsgebräuche  zu  W., 
Z.  20,  S.  74/75.  Wichtige  handschriftliche  Notizen  des  August  Armbrust  er,  im 
Besitze  desselben. 

Ansichten:  Federzeichnung  auf  dem  »Mathemat.  der  Gräfifl.  Fürstenberg.  Herr- 
schaft im  Kintzgerthal  etc.,  verzeichnet  durch  Jacob  Mentzinger,  Burger  zu  Basell 
Anno  1655«  (Fig.  376),  im  Fürstlich  Ftirstenbergischen  Archiv  zu  Donaueschingen ; ältere 
Bleistiftzeichnung,  danach,  mir  in  Photographie  von  J.  G.  Straub  in  Wolfach  überlassen; 
Federzeichnung,  wohl  gleicher  Ursprung;  Kopie  der  Karte  von  1655  im  gleichen  Archiv 
von  1796;  Gesellenbrief  aus  dem  r8.  Jh.  mit  kleinem  Kupferstich  der  Stadt  als  Kopf- 
stück, mir  in  einem  1770  Unterzeichneten  Exemplar  aus  Privatbesitz  vorliegend;  Aquarell, 
gezeichnet  F.J.  Saxe,  im  Privatbesitz  in  Wolfach;  verschiedene  Lithographien  des  i9-Jhs., 
wovon  eine  mit  dem  Eisgang  1830  von  Mooser  gezeichnet  und  X.  Hillebrand  & Cie. 
in  Freiburg  lithographiert  erwähnt  sei. 

Ortsgeschichte : 1084  zum  ersten  Male  genannt,  gehörte  Wolfach  dem  gleich- 
namigen Dynastengeschlechte,  als  dessen  erster  eben  1084  in  der  Gründungsnotiz  des 
Klosters  S.  Georgen  Fridericus  de  Wolfaha  erscheint.  Das  Stammschloß  des  Geschlechtes 
lag  etwas  oberhalb  über  dem  heutigen  Oberwolfach.  Vermutlich  ist  die  älteste  Ansiedelung 


AMT  WOLFACH. 


WOLF ACH 


673 


dort  zu  suchen,  später  wurde  sie  an  den  Zusammenfluß  der  Wolf  mit  der  Kinzig  verlegt. 
Wir  hören  deshalb  auch  von  einem  Altwolfach,  womit  die  Höfe  am  Fuße  der  Ruine 
gemeint  sind,  allerdings  erst  1413:  die  alte  Wolfach  bürg  und  tale,  1487  us  der  Alten- 
wolfach.  1275  aber  tritt  schon  Oberwolfach  auf,  als  Superius  Wolfach,  1329  Oberwolwach, 
1365  im  tal  zu  der  Oberwolfach,  1409  by  der  bürg  zu  der  ober  Wolfach,  1482  in  der 
Obernwolfach. 

Von  den  Dynasten  erscheint  der  obengenannte  Friedrich  auch  1095  bei  der 
Gründung  von  Kloster  Alpirsbach.  Schon  1085  aber  wird  zugleich  mit  ihm  ein  Udalricus 
de  Husen  genannt,  und  da  man  annimmt,  daß  die  Herren  von  Hausen  ein  Zweig  der 
Wolfacher  sind,  hat  also  ein  Teil  der  Mitglieder  des  Geschlechtes  sich  schon  damals, 
von  der  Hauptlinie  getrennt,  nach  seiner  Residenz  auf  der  Burg  Hausen  genannt.  Von 
den  Wolfachern  hören  wir  weiter  nennen  den  gleichen  Fridericus  de  Wolva  et  filius  eius 
Arnolt  zwischen  1093  und  nn,  er  wird  aber  zwei  Söhne  gehabt  haben:  Fridericus  et 
Arnoldus  fratres  de  Wolva  nach  1101.  Zu  gleicher  Zeit  lebten  Gerhardus,  germani 
sui  Otto  et  Fridericus  de  Wolphaa  1091.  Ein  Arnoldus  wird  1132  genannt,  Gotfridus 
1219,  seine  Witwe  Adilhaidis  »relicta  nobilis  viri  Gotfridi  pie  memorie  de  Wolva«  1247. 
1232  unterzeichnet  Cünradus  de  Wolvach,  archidiaconus  Argentinensis,  einen  Schenkungs- 
brief des  Archidiakon  Heinrich  zu  Straßburg,  und  als  Bischof  Walter  von  Geroldseck 
1262  den  ihm  so  verderblichen  Krieg  mit  der  Stadt  Straßburg  führte,  da  half  ein  Fried- 
rich Ritter  von  Wolfach  vermitteln.  Mit  dem  Ende  des  13.  Jhs.  aber  stirbt  das  regierende 
Geschlecht  aus,  die  letzten  scheinen  sich  dem  geistlichen  Stande  gewidmet  zu  haben, 
der  eine  Cunradus  de  Wolva,  wenn  er  noch  dazu  gehört,  wird  1329  als  rector  ecclesie 
parrochialis  de  Offenburg  erwähnt.  Ob  der  1374  genannte  »bruder  Heinrich  von 
Wolfach,  commendur  des  huses  zum  Grünenwerde  zu  Strazburgh  sante  Johans  Ordens  des 
heiligen  hospitales  von  Jherusalem«  dem  Geschlecht  entstammte,  scheint  mir  sehr  unsicher. 

Die  Erbtochter  war  »Udelhilt  diu  gravinne  von  Wolvahe,  dez  edeln  herren  graven 
Friederichz  seligen  vrowe  von  Fürstenberg«  (1298).  Graf  Heinrich  I.,  der  große  Mehrer 
seiner  Lande,  hatte  diese  Heirat  seines  ältesten  Sohnes  herbeigeführt  und  damit  den 
Anfall  der  ganzen  Herrschaft  an  sein  Haus.  Die  Herrschaft,  »vornehmlich  von  Norden 
nach  Süden  gestreckt,  begriff  das  Tal  des  gleichnamigen  Baches  von  Rippoldsau  oder 
wohl  von  der  Höhe  des  Kniebis  bis  zu  seiner  Mündung  in  die  Kinzig  und  ein  kleines 
Gebiet  rings  um  den  Flecken  Wolfach,  war  also  von  keinem  erheblichen  Umfange,  aber 
durch  ihre  Lage  wichtig.  Durch  diese  Erwerbung  wurden  später  die  fiirstenbergischen 
Besitzungen  im  Kinzigtale  zu  vortrefflicher  Abrundung  gebracht«.  ')  Die  Erbschaft  muß 
vor  1306  angetreten  worden  sein.  Der  Gatte  der  Erbtochter  war  aber  schon  1296 
gestorben.  Ihr  Sohn  Heinrich  II.  wußte  seine  Lande  von  neuem  zu  mehren,  seine  Gattin 
Verena  von  Freiburg,  die  Tochter  Annas  von  Wartenberg,  brachte  ihm  u.  a.  Hausach  zu, 
und  da  seine  Brüder,  Friedrich  II.  und  Konrad  II.,  unverheiratet  starben,  blieb  er  im 
Besitz  der  Lande  seines  Vaters,  zu  denen  außer  der  Herrschaft  Wolfach  auch  die  alte 
Grafschaft  Fürstenberg  mit  der  Stammburg,  dazu  Dornstetten  und  einige  Besitzungen 
im  Renchtale  gehörten,  von  denen  Dornstetten  aber  als  Mitgift  seiner  Schwester  Anna 
verloren  ging,  während  er  und  seine  Mutter  aus  finanzieller  Bedrängnis  die  wesentlichsten 
Güter  im  Renchtale  1303  an  den  Bischof  von  Straßburg  verkaufen  mußten.  Seine 

1)  Riezler,  Gesch.  des  Hauses  Fürstenberg,  S.  210. 


674 


KREIS  ORFENBURG. 


Regierung  zeichnete  sich  durch  verschiedene  unglückliche  Händel  mit  seinem  Onkel 
und  seinen  Vettern  von  der  Haslacher  Linie  und  anfängliche  Kämpfe  mit  den  Habs- 
burgern  aus,  wobei  er  Bräunlingen  verlor.  Auch  in  Erbhändel  mit  der  Reichenau  ist 
er  durch  die  Wartenbergsche  Hinterlassenschaft  gekommen,  bei  welcher  Gelegenheit  er 
vom  Papste  in  den  Bann  getan  wurde. 

Er  hat  abwechselnd  auf  den  Burgen  Wolfach,  Fürstenberg  und  Wartenberg  gelebt, 
während  seine  Mutter  Udilhild  ständig  in  Wolfach  residierte  und  dort  noch  alle  Regierungs- 
handlungen mit  ihren  Söhnen  vollzog.  Der  Ort  wird  noch  1148  ausdrücklich  villa 
genannt,  die  erste  Erwähnung  als  Stadt  ist  1305.  Damals,  am  26.  April  1305,  gab 
Udilhild  der  Stadt  Wolfach  einen  Freiheitsbrief,  »wonach  die  Stadt  ihren  Herren  als 
jährliche  Steuer  in  zwei  Terminen  nicht  mehr  als  20  Mark  Silber  entrichten  sollte,  die 
Hälfte  der  damaligen  Villinger  und  das  Doppelte  der  Haslacher  Steuer.  Außerdem 
sollten  die  Bürger  ihrer  Herrschaft  nur  freiwillige  Dienste  leisten,  der  Bannwein  und  das 
Umgeld  ihnen  zufallen  und  zur  Deckung  der  städtischen  Baukosten  verwendet  werden. 
Jedem  neu  aufgenommenen  Bürger  ward  der  Genuß  der  städtischen  Freiheiten,  Aus- 
wanderern, sofern  sie  freie  Leute,  das  Geleite  der  Grafen  für  eine  Meile  Wegs  verbürgt, 
wogegen  den  Grafen  das  Recht  verblieb,  ihre  fortziehenden  Eigenleute  zu  verfolgen  und 
sich  mit  denselben  auseinanderzusetzen«.1)  Udilhilds  Schwager  Konrad,  der  Kirchherr 
von  Konstanz,  bestätigte  die  Urkunde.2) 

Heinrich  II.  konnte  das  Ende  seiner  Regierungszeit  wenigstens  in  Frieden  verleben. 
Er  starb  1337.  Seine  Söhne  schritten  wieder  zur  Landesteilung,  wobei  Johann  die  Herr- 
schaft Wolfach,  dazu  Hausach  und  die  Reichspfandschaft  über  das  Tal  Harmersbach 
erhielt.  Er  war  zuerst  in  den  geistlichen  Stand  getreten,  unbefriedigt  aber  und  da  er  die 
höheren  Weihen  noch  nicht  erhalten,  entschloß  er  sich  zum  Rücktritt  und  erscheint  seit 
1348  verheiratet  mit  Johanna  von  Signau,  Witwe  des  Freiherrn  Ulrich  von  Schwarzen- 
berg. Er  scheint  sich  stets  in  schlechter  Finanzlage  befunden  zu  haben,  und  so  versetzt 
er  mit  seiner  Frau  denn  1348  »unsern  bürgern  zu  Wolfach  den  zol  zu  Wolfach,  der  zu 
der  stat  höret  zu  Wolfach«.  Vielleicht  dürfen  wir  daraus  auf  einen  gewissen  Reichtum 
und  ein  Aufblühen  der  Stadt  schließen.  Letztere  besaß  schon  1294  eigenes  Gewicht 
»silber  Wolvacher  geweges«;  1428  hören  wir  auch  von  eigenem  Maß. 

Johann  starb  1365,  seine  Kinder,  die  erwähnt  werden,  vor  ihm.  Ihm  folgte  sein 
Bruder  Heinrich  III.,  der  1367  starb.  Der  Tod  des  letzten  der  Brüder  Konrads,  der 
kurze  Zeit  zusammen  mit  seinem  Neffen,  Heinrich  IV.,  regiert  hat,  erfolgte  1370,  und 
Heinrich  IV.  hat  also  wieder  alle  Besitzungen  seiner  (der  sogen.  Fürstenberger)  Linie  in 
seiner  Hand  vereinigt.  Das  wichtigste  Ereignis  seiner  Regierung  aber  war  der  Ausgang 
der  Haslacher  Linie  1386,  womit  auch  diese  Besitzungen  an  ihn  zurückfielen,  nicht 
ohne  Schwierigkeit  und  nicht  ohne  Streitigkeiten  mit  König  Wenzel,  dem  Bischof  von 
Straßburg,  dem  Markgrafen  von  Baden,  den  Grafen  von  Zollern,  worüber  in  der 
Ortsgeschichte  von  Haslach  das  Nähere  ausgeführt  wurde.  Er  konnte  Haslach  nur 
dadurch  für  sein  Haus  retten,  daß  er  es  als  Lehen  vom  Bischof  nahm.  Nach  seinem 
Tode  1408  spaltete  sich  wiederum  sein  Haus;  mit  seinem  Sohn  Heinrich  V.  begann 
die  Fürstenberger  Hauptlinie,  mit  dem  anderen  Sohn  Konrad  IV.  die  Wolfacher  Linie, 
die  indes  schon  mit  dem  Enkel,  mit  Heinrich  VI.,  1490  wieder  ausstarb,  womit  die 

x)  Riezler,  Gesch.  des  Hauses  Fürstenberg,  S.  276. 

2)  Fürstenb.  Urk.-Buch  II,  Nr.  28. 


AMT  WOLFACH. 


WOLFACH. 


675 


Besitzungen  an  die  Hauptlinie  und  zwar  an  die  Grafen  Wolfgang  und  Heinrich 
zurückfielen. 

Ebendieser  Enkel  Heinrich  VI.,  ein  begabter  und  beliebter,  gesellschaftlich 
gewandter  Herr,  der  seine  Lande  klug  zu  mehren  wußte  und  während  seiner  langen 
Regierungszeit  mit  einer  Ausnahme  mit  seinen  Untertanen  gut  auskam,  ist  für  unsere 
Gegend  von  größter  Bedeutung  gewesen.  Er  hat  auch  das  Äußere  seiner  Städte  und 
Burgen  durch  eifrige  Bauten  durch  und  durch  verändert.  So  hat  er  »emuwert  und 
gebuwen  das  huß  zu  Haselach,  das  huse  zu  Wolfach,  das  nuw  kornhus  zu  Haselach  vor 
der  Burgk  1447,  das  hüs  zu  Brünlingen  1447«.  Sein  Schreiber  Michel  Spiser  hat  uns 
genaue  Aufzeichnungen  darüber  hinterlassen,  die  so  lange  dauern,  bis  derselbe  als  Vogt 
nach  Fürstenberg  versetzt  wurde  (1477).  Aber  auch  in  den  noch  folgenden  13  Regierungs- 
jahren wird  die  Bautätigkeit  kaum  geruht  haben.  Von  den  Bauten  zu  Wolfach  hören 
wir  noch:  »Darnach  im  63  jar  buwet  er  die  schiur  zu  Wolfach  von  nuwem  J)  . . . . Item 
im  65  jar  hand  wir  das  neuw  gemach  gegen  Unser  frawen  capell  gebauwt  zu  Wolfach  etc. 
Item  im  66  jare  schuf  er  Unser  frauwen  capell  zu  Wolfach  ze  buwen.  Item  desselben 
jars  ward  das  hinderstüblein  im  hus  Wolfach  gebuwen  und  der  stall  unden  im  hus 
Item  anno  71.  ward  ....  gebuwen  ....  die  neuen  Stuben  und  kamern  im  hus  zu 

Wolfach,  auch  das  schießhus  mit  dem  ercker  uff  dem  graben  zu  Wolfach  etc Item 

in  dem  73  jar  ward  gebuwen  der  gart  zu  Wolfach  und  darinnen  schießhus  und  schutz- 
rain  . . . Mer  75  jar  ward  gebuwen  das  new  huß  zu  Wolfach  by  dem  undtern  thor,  mer 
darnach  das  clain  weigerlin  by  dem  garten.  Im  76  jar  ward  gebuwen  die  neuw  scheur 
und  marstall  neben  der  capell.  Item  in  dem  jare  ward  gebuwen  die  harnischkammer  by 
der  pfistory,  die  er  auch  selbs  gebuwen  hatt«.  Es  muß  also  das  Schloß  seine  Gestalt 
unter  ihm  vollständig  verändert  haben.  — Fünf  Jahre  vor  seinem  Tode  stifteten  die 
Wolfacher  in  ihre  Kirche  für  das  Haus  Fürstenberg  den  sogen,  großen  Jahrtag  mit  drei 
Ämtern  und  neun  heiligen  Messen  auf  ewige  Zeiten.  Es  geschah  das  aus  Dank  dafür, 
daß  er  ihnen  eine  Reihe  von  seinen  Einkünften  aus  der  Stadt,  Stellgeld,  Meßgeld,  Bank- 
zinsen, die  Erträgnisse  der  Fronwage  und  die  Hälfte  der  Hofstattzinsen  vermacht  hatte. 
Zugleich  hatte  er  den  Wunsch  ausgesprochen,  daß  aus  Dank  dafür  die  Bürger  keinen 
Würfel-  und  Spielplatz  mehr  in  ihren  Mauern  dulden  möchten,  was  diese  denn  auch 
gelobten. 

Die  Verfassung  der  Stadt  Wolfach  ist  damals  der  ihrer  Nachbarstädte  ziemlich 
ähnlich  gewesen.  An  der  Spitze  der  Stadt  stand  ein  Schultheiß  und  mit  ihm  der  Rat 
der  Zwölfer,  auf  dessen  Präsentation  hin  der  Landesherr  den  Schultheißen  ernannte, 
Cxing  ein  Zwölfer  ab,  so  wurden,  wie  es  scheint,  von  der  Bürgerschaft  zwei  gewählt,  von 
denen  der  Graf  den  einen  ernannte.  — Hier,  wie  in  Haslach  und  Hausach,  gab  es  eine 
lokale  Zunftverfassung,  und  vor  allem  das  wichtigste  Gewerbe,  auf  dem  der  Reichtum  der 
Stadt  ruhte,  das  der  Holzflößerei,  war  streng  geordnet.  Daraus  läßt  sich  aber2)  nicht  der 
Schluß  ziehen,  daß  die  ganze  Bürgerschaft  zunftmäßig  organisiert  gewesen  ist,  was 
wohl  nicht  der  Fall  war. 

Kurz  vor  dem  Tode  Heinrichs  VI.  und  vor  dem  Übergang  an  die  Hauptlinie  ist 
die  Stadt  1485  durch  einen  großen  Brand  verheert  worden,  und  es  mag  eine  der  letzten 
Sorgen  des  greisen  Fürsten  gewesen  sein,  für  den  Wiederaufbau  zu  sorgen.  Die  Haupt- 

B Fürstenb.  Urk.-Buch  III,  Nr.  371. 

2)  Gothein  a.  a.  O.  S.  336  und  440. 


676 


KREIS  OFFENBURG. 


Stadtanlage 


linie,  die  nach  ihm  wieder  in  den  Besitz  kam,  scheint  ihr  Interesse  mehr  anderen  Orten 
zugewendet  zu  haben.  Auch  hier  hat  Graf  Wilhelm  für  die  Einführung  der  Reformation 
Sorge  getragen.  Im  Anfänge  des  16.  Jhs.  hatte  Wolfach  noch  nebst  einem  Hofkaplan 
sieben  Kapläne,  was  sich  unter  dem  wilden  Grafen  bedeutend  geändert  haben  mag.  1548 
finden  wir  als  Prediger  der  neuen  Lehre  hier  Martin  Schälling  und  als  Helfer  und  Lehrer 
Ulrich  Vogel.  Damals  hatte  Graf  Friedrich  die  Lande  übernommen  und  die  Rekatholi- 
sierung  begonnen  und  der  genannte  Pfarrer  verpflichtet  sich  auch,  sich  dem  Interim 
gemäß  zu  verhalten. 

Nach  dem  Tode  des  Grafen  Friedrich  fand  eine  neue  Teilung  der  Lande  statt, 
mit  seinem  Sohne  Christoph  I.  begann  die  Kinzigtaler  Linie,  die  sich  aber  schon  nach 
dem  Tode  des  nachfolgenden  Albrecht  wieder  in  einen  Möhringer  und  Blumberger  Zweig 
teilte.  Letzterer  begann  mit  Christoph  II.,  dem  Haslach  zufiel.  Die  Möhringer  starben 
1641  aus,  allein  wiederum  hatten  sich  die  Haslacher  in  zwei  Linien  gespalten,  in  die 
Meßkircher  und  die  Stühlinger.  Letztere  übernahm  die  Besitzungen  im  Kinzigtal.  Als 
erster  erscheint  Friedrich  Rudolph,  derselbe,  der  das  Kloster  in  Haslach  gründete.  Für 
Wolfach  ist  von  größerer  Wichtigkeit  gewesen  sein  Sohn,  Maximilian  Franz,  der  den 
Umbau  des  alten  Schlosses  begann  und  auch  im  Äußern  glücklich  zu  Ende  führte, 
während  das  Innere  nie  fertig  wurde,  da  der  Bauherr  1681  bei  seinem  Aufenthalt  in 
Straßburg  gelegentlich  des  Einzuges  Ludwigs  XIV.  durch  einen  Sturz  von  der  Treppe 
sich  verletzte  und  starb ; seine  Nachkommen  aber  scheinen  das  Interesse  an  dem  Bau 
verloren  zu  haben. 

Die  Stadt  hatte  in  dem  17.  Jh.,  während  der  großen  Kriege,  verschiedentlich  zu 
leiden,  so  1633  durch  die  Schweden  und  1703  durch  die  Franzosen.  Letzterer  Krieg 
scheint  besonders  verderblich  gewesen  zu  sein,  die  Quelle  des  Reichtums  der  Stadt,  das 
Holzgewerbe,  stockte.  — Sie  hatte  außerdem  verschiedene  große  Brände  zu  verzeichnen 
1554,  1762  und  1799,  im  übriger!  floß  das  Leben  unter  den  Fürstenbergern  ruhig  dahin. 
1806  wurde  Wolfach  badisch. 

Die  Stadt  und  Schloßanlage  ist  hier  nur  aus  der  alten  Straße  zu  erklären.  Sie 
zerfällt  in  einen  nördlich  der  Kinzig  gelegenen  und  einen  südlichen  Stadtteil.  In  ersterem 
vereinigen  sich,  bei  der  heutigen  eisernen,  ehemals  hölzernen  Brücke  die  beiden  Straßen 
des  Wolfachtales  und  des  Kinzigtales,  um  jenseits  der  Brücke  als  eine  Talstraße  weiter 
abwärts  zu  führen,  immer  auf  dem  linken  Ufer  der  Kinzig,  am  Ausgang  des  Kirnbach- 
tales vorbei  gegen  den  »Turm«  bei  Gutach-Hausach  zu,  wo  der  Knotenpunkt  war,  an 
dem  sich  die  Gutachtalstraße  mit  der  oberen  Kinzigtalstraße  vereinigt. 

Da  die  Kirche  außerhalb  des  jetzigen  Hauptortes  jenseits  der  Kinzig  liegt  und  schon 
im  Mittelalter  lag,  so  glaube  ich  hier  die  ältere  Ansiedelung  vermuten  zu  müssen  (nach  der 
noch  älteren  in  Oberwolfach).  Offenbar  durchaus  planmäßig  haben  die  Herren  von  Wolfach 
oder  ihre  Nachfolger,  die  Fürstenbergs,  ihre  Burg  südlich  verlegt,  da,  wo  sich  das  Tal 
zwischen  Bergen  und  Fluß  verengerte,  so  daß  die  Burg  wie  ein  mächtiger  Riegel  dasselbe 
sperrte.  Die  Talstraße  mußte  durch  sie  durchführen,  wie  heute  noch  das  Tor  des  Schlosses 
den  einzigen  Zugang  zur  Stadt  bildet.  An  die  Burg  schloß  sich  zu  beiden  Seiten  der  Tal- 
straße bis  zur  Kinzigbrücke  nun  die  Stadt  an,  mit  der  Burg  von  gemeinsamen  Befestigungen 
umgeben.  Daß  bei  dieser  Verlegung  des  Schwerpunktes  der  ganzen  Ansiedelung  mit 
klarer  Überlegung  vorgegangen  ist,  scheint  mir  sicher.  Nur  ist  es  mir  unmöglich,  den 
Zeitpunkt  der  Verlegung  auch  nur  annähernd  zu  bestimmen.  Die  innere  Stadtmauer 


AMT  WOLFACH.  — WOLFACH. 


677 


schloß  sich  an  die  Burg  an,  wie  im  Süden  noch  deutlich  sichtbar,  und  führte  bis  zu  der 
Kinzigbrücke  herum.  Sie  war  mit  größeren  Rundtürmen  und  kleineren  Halbrundtürmen 
bewehrt,  von  denen  der  letzte,  der  ßürgerturm,  1892  abgebrochen  wurde.  Der  unge- 
fähre Verlauf  der  Mauer  läßt  sich  noch  einigermaßen  feststellen.  Vor  dem  Schloß  und 
der  Stadtmauer  war  ein  den  Bildern  nach  ziemlich  breiter  Graben  angelegt,  der  wohl 
aus  der  Kinzig  gespeist  wurde.  Seine  Anlage  ist  im  Süden  deutlich,  im  Norden  schwieriger 


Fig.  376.  Ansicht  der  Stadt  IV olfach  vom  Jahre  1^33. 


nachzuweisen,  die  hier  in  unserem  Plan  eingezeichnete  Innenmauer  muß  zum  Teil  die 
Mauer  sein,  welche  den  Graben  von  dem  vor  ihm  gelegenen  Zwinger  trennte.  Am 
breitesten  ist  der  Graben  vor  dem  Schloß,  hier  mündet  in  ihn  der  sogen.  Riesnerkanal, 
der  von  der  oft  genannten  Brücke  an  Wasser  der  Kinzig  durch  die  Hauptstraße  und 
unter  dem  Schloß  hindurch  leitete.  Entweder  also  wurde  der  Graben  auf  diesem  kom- 
plizierten Wege  von  der  Südwestecke  aus  gespeist  oder  der  Kanal  diente  den  Bewohnern 
der  Stadt  für  ihre  wirtschaftlichen  Zwecke.  V or  dem  Graben  dehnte  sich  an  der  Süd- 
wie  an  der  Westseite  ein  stattlicher  Zwinger  aus,  von  einer  Mauer  mit  Rondellen  und 
Rundtürmen  umgeben,  im  Norden  sich,  wie  es  scheint,  mit  der  Innenmauer  vereinigend. 


678 


KREIS  OFFENBURG. 


Im  Osten  ist  die  Zwingeranlage  nicht  mehr  klar  nachzuweisen,  da  die  Abtrennung  zwischen 
ihr  und  dem  Graben  fehlt.  Nach  dem  Bilde  von  1799  möchte  es  scheinen,  als  ob  die 
Zwingermauer  in  weitem  Bogen  um  die  Stadt  auf  das  jenseits  der  Kinzig  gelegene  sogen. 
Obertörle  zu  geführt  hätte.  Im  Norden  betrat  man  die  Stadt  über  die  erwähnte  Kinzig- 
briicke  durch  das  Obertor,  offenbar  ehemals  eine  stattliche  Toranlage  mit  Vortor,  kleineren 
Türmen,  Seitentor  in  den  Zwinger  und  großem  Torturm  mit  Pyramidendach  und  Dach- 
reiter, der  Zeichnung  nach  unten  in  Bruchsteinmauerwerk  mit  Eckquadern,  oben  ver- 
mutlich in  Riegelwerk.  Von  den  Bauten  waren  im  19.  Jh.  noch  ein  Wachthaus  übrig  mit 
Arkaden,  das  Seitentor,  bei  dem  die  1824  abgebrannte  Getreideschütte  lag.  Im  Süden 
öffnete  sich  das  Untertor.  Nach  einer  Brücke  über  einen  zweiten  äußeren  Graben  trat 
man  durch  ein  Torhaus  ohne  Turm  in  den  Zwinger,  eine  weitere  Bohlenbrücke  führte 
über  den  inneren  Graben  durch  das  Schloßtor  in  die  Stadt. 

Ausgeschlossen  von  dieser  Befestigung  war  unseren  Plänen  und  Ansichten  nach 
der  'Peil  der  Stadt  jenseits  der  Kinzig.  Doch  scheint  auch  er  nicht  ganz  ohne  Schutz 
geblieben  zu  sein,  darauf  deutet  wohl  die  Toranlage,  das  sogen.  Obertörle  an  der 
oberen  Kinzigtalstraße  beim  Gasthaus  »Zum  Engel«,  das  früher  in  seinem  Obergeschoß 
die  Ratsstube  der  Gemeinde  Kinzigtal  enthielt.  Die  Kirche,  die  ebenfalls  auf  dieser  Seite 
lag,  war  mit  dem  Friedhof  von  einer  Mauer  umgeben,  die  sich  nach  Westen  zu  in  einem 
großen  Torbau  öffnete  und  möglicherweise  (?)  verteidigungsfähig  war,  obwohl  sie  durch 
verschiedene  Häuser,  wohl  Pfarrhaus  und  Mesnerhaus,  unterbrochen  wurde. 

Wann  von  der  Burg  in  Oberwolfach  der  Wohnsitz  hierher  verlegt  wurde  an  die 
Schloß  Stelle  des  heutigen  Schlosses,  das  für  die  Anlage  der  Stadt  bestimmend  war,  läßt  sich 
nicht  genau  feststellen.  Mit  der  Erwähnung  »in  Castro  Wolfach  1272«  dürfte  vielleicht 
noch  die  alte  Burg  gemeint  sein.  Wenn  wir  aber  1389  von  der  »oberen  bürg«  hören, 
so  wird  damals  schon  die  untere  Anlage  bestanden  haben,  wohl  als  eine  Art  Tiefburg, 
durch  welche  die  Talstraße  hindurchführte.  Unter  dem  »schloß  1405«  werden  wir  sie 
verstehen.  Sie  erfuhr  unter  Heinrich  VI.  die  obengenannten  Veränderungen,  so  daß  wir 
von  ihrer  Gestalt  nichts  mehr  sicher  feststellen  können.  Dagegen  ist  uns  das  Bild  des 
Schlosses  Heinrichs  VI.  wohl  ziemlich  getreu  in  der  Zeichnung  von  1655  (s.  Fig.  376) 
erhalten.  Es  ist  ein  Konglomerat  verschiedener  Bauten.  In  der  Mitte  der  heute  noch 
stehende  Torturm,  an  den  wohl  östlich  (I)  das  »new  huß«  anstößt.  Westlich  sehen  wir 
die  Schloßkirche,  wohl  die  1466  gebaute  »unser  frauwen  capell«,  mit  einem  Dachreiter, 
an  ihrer  Südwand  der  mächtige,  heute  noch  stehende,  von  der  ältesten  Anlage  her- 
rührende Rundturm.  An  die  Kapelle  anstoßend  das  1465  gebaute  »nemv  gemach«. 
Die  weiterhin  erwähnten  »neuen  Stuben  und  kamern«  können  wir  nur  vermutungsweise 
in  den  anderen  Anbauten  erblicken.  Im  Osten  schloß  sich  die  Stadtmauer  an,  an  ihrem 
Eck  mit  einem  Rundturm  bewehrt,  dessen  Grundlinien  noch  heute  sichtbar  (s.  Fig.  379). 
Kurz  nach  dieser  Zeichnung  begann  der  Umbau,  bei  dem  nur  die  angegebenen  Teile 
und  wohl  die  Fundamente  im  Süden  und  Westen  verwertet  wurden.  Dem  Raumbedürfnis 
der  Barockzeit  genügten  die  bisherigen  Dimensionen  nicht,  der  südliche  Teil  der  Stadt 
wurde  dazugenommen,  und  so  entstand  die  heutige,  stattliche  Anlage  mit  den  zwei  Höfen 
zu  Seiten  der  durch  das  alte  Tor  durchführenden  Straße. 

Das  Schloß  ist  jetzt  Wohnung  fürstlicher  Beamten  und  teilweise  an  den  Staat  ver- 
mietet. Es  ist  ein  großer,  unregelmäßiger,  viereckiger  Komplex,  der  sich  wie  ein  Riegel 
vor  das  Tal  schiebt,  ein  verputzter  Bruchsteinbau  ohne  architektonische  Gliederung. 


Band  VII.  Zu  Seite  678. 


fis.J77.  Pta,,  de,  Stadt  Wofach  mit  eingeztichneten  Befestigung tn  nach  dem 
staatlichen  Katastenuak  von  iSSl. 


euer  rfcff/sfri//. 


v 


AMT  WOLFACH.  — WOLFACH. 


679 


Uber  dem  Haupttor  der  alte  viereckige  Turm  mit  Satteldach  und  abgetreppten  Giebeln, 
weiter  in  der  Nordwestecke,  zur  Hälfte  aus  dem  Gebäude  hervortretend,  der  obenerwähnte 
kräftige  runde  Turm.  Der  Giebel  hinter  ihm,  wie  der  an  der  Nordostecke,  mit  kräftigen 
Sandsteinvoluten  und  Obelisken  verziert. 


sturzigen  Schießscharten,  am  Rundturm  auch  Löcherscharten,  gibt  unser  Bild  (s.  Fig.  378). 
Beider  Mauern  sind  etwa  2 ]/2  m stark. 


Band  VII. 


44 


Fig-  37  Grundriß  des  Fürstlich  fürstenbergischen  Schlosses  in  Wolf  ach. 


68o 


KREIS  OFFENBURG. 


Der  Bau  wurde  durch  den  genannten  Grafen  Maximilian  Franz  1671  begonnen. 
Vom  Bahnhof  her  durch  das  Haupttor,  das  zugleich  den  Eingang  in  die  Stadt  bildet 
— in  der  Ecke  desselben  Steinfigurenrest,  ein  doppelt  geschwänzter  Löwe  — , eingetreten, 
hat  man  rechts  und  links  die  beiden  Flügel  der  Anlage,  jedesmal  einen  Hof,  auf  drei 
Seiten  von  dem  Gebäude  umgeben  und  gegen  die  Straße  durch  eine  Mauer  abgeschlossen. 
Der  Flügel  zur  Rechten  enthält  nichts  Bemerkenswertes,  er  ist  zum  Teil  nicht  fertig 
geworden.  In  den  zur  Linken  treten  wir  durch  eine  Mauer  mit  Balustrade  und  hübschem 


Fig.  379.  Wolf  ach,  Schloß,  Eckturm  gegen  Westen. 


Tor  im  Barockstil  (s.  Fig.  380).  Der  übliche,  aber  wirksame  Aufbau  mit  Säulen,  rusti- 
zierten  Pilastern,  Segmentgiebeln  etc.  Oben  das  fürstenbergische  Wappen  und  die 
Initialien  des  Maximilian  Franz.  Im  Hof  an  dem  Südwestbau  ein  etwas  einfacheres  Portal 
des  gleichen  Stils.  Eine  schlichte  Treppe,  tonnengewölbt,  mit  Kreuzgratgewölben  über 
den  Podesten,  führt  zu  dem  nicht  vollendeten  Theatersaal,  einem  zweistöckigen  Saal,  in 
der  angefangenen  Dekoration  von  dem  damaligen  derberen  Geschmack  Zeugnis  ablegend, 
mit  gerader  Stuckdecke,  von  wirkungsvollen  Raum  Verhältnissen.  Von  ihm  aus  führt  eine 
holzgeschnitzte  Tür  in  derber  Spätrenaissance  in  den  Nordwestflügel,  der  die  Kapelle 
und  die  jetzt  vom  Großh.  Amtsgericht  eingenommenen  Räume  in  sich  schließt.  Die 


AMT  WOLFACH.  — WOLFACH. 


68l 


Stiege  zu  letzterem  betritt  man  vom  Hof  aus  durch  ein  hübsches  Portal,  Spätrenaissance : 
mit  Beschlägornament  verzierte  Pilaster  tragen  ebenso  ornamentierten  Rundbogen,  darüber 


ul  I 1 h -1 

0 / ' Z 3 

Fig.  j8o.  Tordurchgang  in  den  westlichen  Schloßfliigel. 


gerades  Gebälk,  auf  dem  ein  Medaillon  mit  dem  fiirstenbergischen  und  Bernhausenschen 
Allianzwappen  Dieses  hübsch  gearbeitete  Medaillon  ist  also  trotz  seines  älteren 
Charakters  gleichzeitig  mit  dem  ganzen  Umbau  (s.  Fig.  381). 


44 


68a 


KREIS  OFFENBURG. 


Holzschnitzerei 


Gemälde 


Kirchengeräte 


Glocken 


In  der  westlichsten  Ecke  des  Baues  führt  eine  kleine  Tür  mit  Abschrägung  und 
Eckvolute  in  die  Kapelle,  einen  einfachen,  zweistöckigen,  rechtwinkligen  Raum.  Hier 
zu  erwähnen  die  üblichen  Barockaltäre.  Zu  seiten  des  Hauptaltars  trennen  Holz- 
schranken mit  gewundenen  Säulen  und  gemalten  Heiligenfiguren  in  den  Füllungen  zwei 
Räume  ab.  Auf  dem  linken  Seitenaltar  ein  Gnadenbild  der  Mutter  Gottes,  nicht  hervor- 
ragende Holzschnitzerei  aus  erstem  Drittel  des  16.  Jhs.,  jetzt  bekleidet,  mit  neuem  Kopf 
versehen,  nur  das  Kind  gut  erhalten. 


An  der  Rückwand,  dem  Altar  gegenüber,  Chorgestühl  des  17.  Jhs.,  darüber  eine 
Unzahl  Gemälde , Votivbilder  aus  dem  16.  bis  18.  Jh.,  meist  geringer  Qualität,  mit 
geschwätzigen  Unterschriften.  Hervorzuheben  sind:  Maria  vor  dem  Kruzifixus,  ohne 
Unterschrift,  Arbeit  eines  Nachahmers  des  Matthias  Grünewald,  sowie  eine  Geburt 
Mariä  in  schwerem  Spätrenaissancerahmen. 

Kirchengeräte : Zwei  geringe  Kelche,  silber- 
vergoldet, getrieben,  einer  mit  Augsburger  Zeichen 
und  M - S,  der  andere  mit  I R ; Meßkännchen  mit 
Platte,  silbervergoldet,  getrieben,  ohne  Zeichen,  sehr 
hübsche  Rocaillearbeit;  ein  zweites  Paar,  einfacher, 
mit  Augsburger  Zeichen  und  A L,  auf  der  hübschen 
Platte  Bildchen  der  Immaculata  und  der  Trinität 
eingraviert,  17.  Jh. ; Perlmutterrosenkranz  mit  ge- 
riefelten, silbernen  Zwischenstücken;  an  ihm  hängt 
Emailherz  mit  hübschen  Gemälden  der  h.  Cäcilie 
und  den  Halbfiguren  von  Maria,  Joseph  und  Kind 

5Zcentim- > auf  beiden  Seiten,  18.  Jh. ; daran  hängt  ferner 

Fig.  381.  Wolf  ach,  Schloß.  Medaillon  religiöse  Medaille,  silbervergoldet,  Avers:  Kreu- 
nut  Allianzwappen  am  Portal  zum  Amts-  zigung  Christi,  Revers:  Eherne  Schlange  und  Jahres- 
s"iM-  „hl  M - XXI. 


Glocken  im  Türmchen  der  Kapelle:  Die  größere  von  1624  wurde  1893  um- 
gegossen, die  kleinere  von  1644  mit  dem  Bilde  Josephs  und  Mariä  und  der  Aufschrift: 
»Gloria  in  excelsis.« 


Von  der  Kapelle  sowohl  als  vom  Theatersaal  aus  gelangt  man  in  den  runden 
Turm  mit  geschnitzter  Wendeltreppe,  in  dem  ein  Raum  ausgespart  ist  für  ein  Block- 
gefangnis;  üblicher  eisenbeschlagener  Holzkasten. 

Dem  Amtsgericht  gegenüber  der  Flügel,  worin  zurzeit  das  Großh.  Bezirksamt 
sich  befindet.  Im  Torweg,  der  sich  nach  einer  Seitenstraße  öffnet  und  an  dem  das 

Steinmetzzeichen  ^ zu  finden,  weiter  ein  hübsches  Sandsteinportal  des  17.  Jhs.  Inden 

Räumen  des  Bezirksamtes  einige  einfache  aber  gute  Holzdecken  und  Holzeinfassungen 
der  Türen.  Anstoßend  der  jetzige  Schöffensaal  mit  schöner  getäfelter  Decke  (s.  Fig.  382) 
aus  verschiedenen  Hölzern,  in  dem  mittleren  vertieften  Oblongum  ein  allegorisches 
Ölgemälde.  Im  Westflügel  ist  noch  neben  der  Treppe  zum  Theatersaal  ein  großer  Raum 
zu  erwähnen,  wohl  die  Schloßküche,  mit  auf  einem  Pfeiler  ruhendem  Tonnengewölbe 
mit  einschneidenden  Kappen  und  hübschem  Spätrenaissancekamin. 


AMT  WOLFACH.  — WOLFACH. 


683 


Die  Meister,  welche  für  Maximilian  Franz  dies  Schloß  1671  bis  1681  erbaut,  sind 
bekannt:  es  sind  Maurermeister  Johannes  Mathias,  der  Steinmetz  Hans  Georg  Brächet 
von  Radolfzell  und  der  Schreiner  Hans  Jakob  Glöckler  von  Waldshut. !) 


0 12  ?>M. 

Fig.  382.  Wolf  ach,  Schloß.  Decke  im  jetzigen  Schöffensaal. 

Kath.  Pfarrkirche  (ad  S.  Laurentium).  Erwähnt  ecclesia  Wolfach  in  decanatu  Kath.  Pfarrkirche 
Oberndorf  1324;  eccl.  Nidern-Wolfa  in  decanatu  Oberndorf  sive  Rotwil  zwischen  1360 
bis  1370;  pfarrkirche  1460;  Kirche  S Laurencien  1466;  Johann  Kirchherr  der  untersten 
Kirchen  in  Wolfach  1273;  rector  ecclesie  Wolfach  inferioris  in  decanatu  Kürnbach 
1275  etc.  Grundriß  der  Kirche  s.  Fig.  383. 


*)  Kettner  a.  a.  O.  S.  19. 


684 


KREIS  OFFENBURG. 


Turm 


Inneres 


Nach  diesen  Erwähnungen  war  die  Kirche  'ursprünglich  wohl  ein  Bau  des  13.  Jhs., 
in  ihr  wurde  Graf  Friedrich  I.  von  Fürstenberg,  der  Gemahl  der  Udelhildis  von  Wolfach, 
1296  beigesetzt;  darauf  folgte  Ende  des  15.  Jhs.  (1470)  ein  Neubau,  der  dann  im  18.  Jh. 
wieder  stark  verändert  und  1880  renoviert  worden  ist.  Von  dem  mittleren  Bau  stehen 
noch  die  Mauern  des  Langhauses  nebst  zwei  Türen,  der  Chor  und  der  Turm.  Der  Chor, 
aus  drei  Seiten  des  Achtecks  geschlossen,  zeigt  spitzbogige  Fenster,  deren  Maßwerk  und 
Pfosten  herausgebrochen  sind.  Wo  das  Langhaus  an  den  Chor  anstößt,  soll  sich  eine 
kleine  Skulptur  befinden,  der  Heiland  als  Kind  im  Hemd  am  Kreuz,  angeblich  aus  dem 
14.  Jh.  (?),  die  ich  nicht  habe  finden  können.  Das  Langhaus  stammt  im  Aufbau  aus 
dem  18.  Jh.  und  ist  schmucklos.  Das  Südportal  eine  gute  spätgotische  Arbeit  (s.  Fig.  384), 
mit  Spitzbogen  und  sich  kreuzendem  Stabwerk,  oben  das  Stadtwappen,  daneben  [5  — 08; 


Fig.  j8j.  Grundriß  der  Kirche  in  Wolfach. 

an  dem  Portal  Steinmetzzeichen  (s.  Fig.  385).  Das  einfachere,  ebenfalls  spitzbogige  Nord- 
portal trägt  die  Jahreszahl  (etwas  verwischt):  ni  ♦ CCCCKfflll. 

Der  Turin,  von  quadratischem  Grundriß,  ist  durch  Wasserschrägen  in  vier  Stock- 
werke geteilt,  hat  Lichtluken  in  den  unteren,  im  obersten  Spitzbogenfenster  mit  flam- 
boyantem  Maßwerk,  das  am  Südende  herausgebrochen  ist  zur  Aufnahme  eines  Glöck- 
leins.  In  seinem  Erdgeschoß  ein  Kreuzrippengewölbe  der  Spätzeit.  Das  Innere  der 
Kirche  zeigt  im  C-hor  Netzgewölbe  mit  trocken  profilierten  Rippen  der  Spätzeit.  Diese 
laufen  im  allgemeinen  spitz  an  der  Wand  aus,  in  den  zwei  Ecken  gegen  das  Langhaus 
aber  und  den  zwei  letzten  Ecken  des  Achtecks  ruhen  sie  auf  Konsolen,  von  denen  die 
beiden  ersteren  als  äußerst  primitive  Fratzen  gebildet  sind,  die  letzteren  als  Wappenschilder, 
auf  deren  einem  der  rote  Wolfsanker  auf  Gold  (Farben  nach  alten  Spuren  neu),  im  anderen 

das  Zeichen  golden  auf  Blau.  — Die  drei  Schlußsteine  des  Gewölbes  zeigen  einmal  das 
fürstenbergische  Wappen,  dann  das  Brustbild  des  h.  Laurentius,  im  dritten  zwei  Wappen, 


AMT  WOLKACH.  — WOLFACH. 


685 


darüber  ein  Kelch,  auf  dem  die  Jahreszahl  1515,  des  weiteren  auf  dem  Wappen  zu  lesen 

H AINRICH 

LE  MP  ' Von  ^em  ^or  führt  eine  flachbogige  Tür  mit  Hohlkehlen  und  Birnen- 
rundstäben auf  steilen  kleinen  Basen  in  die  Sakristei. 

Der  Bau  ist  aus  Bruchsteinmauerwerk  errichtet  mit  Sandsteingewänden.  Material 


An  den  Wänden  des 
Chors  waren  ehemals  die 
Apostelgestalten  gemalt ; 
diese  mußten  auf  Befehl 
des  früheren  Pfarrers  durch 
Maler  J.  G.  Straub  1880 
zugedeckt  werden.  An  der 
Innenseite  des  ehemals 
spitzen,  jetzt  runden  Chor- 
bogens befand  sich  ein  Ge- 
mälde der  Geburt  Christi. 

Das  auf  der  Bühne 
über  dem  Triumphbogen 
etwa  2 m noch  stehende 
Mauerwerk  läßt  eine  steilere 
Höhe  des  gotischen  Daches 
annehmen. 

Die  Sakristei  ist  später 
an  den  Chor  angebaut,  wie 
die  an  der  Kirchenseite 
durchlaufende  Wasserschräge 
beweist. 

Im  Langhaus  über 
den  Seitenaltargemälden  die 
Reste  des  ehemaligen  Hoch- 
altars, offenbar  ein  hübscher 
barocker  Baldachinaufbau, 
der  leider  einem  neuen 

»gotischen«  Altar  weichen  1 * 1 1 ^ * ( — 1 4 — 

mußte.  Kirche  Wol.fwi-i 

An  den  Wänden  des  cSakristeitvre 

Langhauses . ein  großes  Öl-  Fig.  384.  Wolfach,  Kirche.  Sudportal  am  Langhaus, 

geinälde,  die  h.  Katharina 

von  Siena  darstellend,  von  einem  Nachahmer  der  Bolognesen  aus  dem  17.  Jh.,  ferner 
eine  Madonna  mit  Kind,  überlebensgroße  Holzfigur  des  17.  Jhs.,  flotte  Arbeit.  Ein- 
facher Taufstein  des  17.  Jhs.  mit  geringem  Beschlägornament. 


Wand- 

gemälde 


Hochaltar 


Ölgemälde 


Holzfigur 

Taufstein 


Im  Innern  des  Turms  verschiedene  Epitaphien  des  13.  Jhs.,  in  spätgotischer  Epitaphien 
Zeit  als  Bausteine  verwendet ; nur  unzusammenhängende  Stücke  von  Inschriften 
sichtbar. 


686 


KREIS  OFFENBURG. 


Glocken 


Glocken:  Eine  von  1501,  Höhe  etwa  1 m,  Durchmesser  1,17  m,  mit  den  auf- 
gelöteten Flachreliefbildern  eines  h.  Laurentius  auf  gotischem  Postament  und  einer 
Madonna  mit  dem  Kind  in  der  Mandorla  sowie  der  Umschrift  oben: 

2 pt  * 2 eu  2 $ 2 grä  1 plcä  1 bna  1 tecum  1 + 2 iVoi  2 + ♦ ftenebicta  2 3it  2 c’ae  2 
ct  2 gubnatjc  2 oim  2 3tä  2 et  2 abniräa  2 Im  2 ; 

die  zweitgrößte,  Durchmesser  90  cm,  hoch  etwa  76  cm,  oben  gotische  Kleeblattbogen- 
verzierung, darin  abwechselnd  Christus  und  ein  Heiliger  (undeutlich),  dann  Schriftkranz, 
Minuskelschrift : 

+ matfjeu*»  + iucaö  + marcug  + iofjanneö  + got  + batet  + öoon  + 
anno  + botnim  + quabringente^imo  + Im, 

unter  der  Schrift  eine  zweite  Kleeblattbogenstellung,  darunter  Laurentius,  dann  eine 
dritte,  darunter  Kreuzigung  mit  Maria  und  Johannes. 


Fig.  385.  Steinmetzzeichen  und  Schlußstein  im  Turm  der  kath.  Kirche  in  Wolf  ach. 

Kleine,  wohl  ein  Jahrhundert  ältere  Glocke  in  dem  Südfenster  angebracht,  aus 
der  später  zu  erwähnenden  S.  Jakobskapelle  stammend,  mit  der  Umschrift: 

s • ioaoßvs  • GRe  • himo  • dir  • m • aaaa  xxvii. 

Die  jüngste  Glocke  ist  1624  gestiftet  und  reichlich  mit  Inschriften  versehen;  einmal: 

AUS  GROSSEM  FEUR  FLOS  ICH  MIT  GWALT 

GAR  HITZIG  WAR  DAMAL  MEIN  GSTALT 

GOS  MEISTER  CHRISTOF  REBLE  MICH 

ZU  VILLINGEN  WOL  MEISTERLICH 

ALS  DA  MEN  ZALT,  SAG  ICH  HIR  WAHR 

EIN  TAUSENT  UND  SEXHUNDERT  JAHR 

ZWENZIG  UND  VIER  GWISSAG  ICH  DIER 

ZUO  WOLFFACH  WARN  DIE  OFFIZIER 

M.  GEORG  BRIZIUS  GENANDT 

PFARRHERR  DEN  BURGERN  WOLBEKANT 

ELIAS  FINCK  HERR  AMPTMANN  GEWESEN 

SEIN  SOHN  VRATISLAUS  ZUMAL  VERWESER 

DER  SCHAFFNEI  SAMPT  DER  LANDTSCHREIBEREI 

IM  KINZGERTHAL  VERWALTET  FREY 

HIERMIT  HASTU  DIE  URKUNDT  GAR 

DER  EWIG  GOTT  UNS  ALLBEWAR  • AMEN. 

Eine  zweite  Inschrift  lautet: 

EN  EGO  CAMPANA  DENUNCIO  VANA 

LAUDA  DEUM  VOCO  AD  ORANDUM  CONGREGO  CLERUM 
FUNERA  PLANGO  FULGURA  FRANGO  SABBATA  PANGO 
EXCITO  LENTOS  DISCIPO  VENTOS  PACO  CRUENTOS 
SANCTOS  LAUDO  FULMINA  FUGO  FUNERA  CLAUDO. 


AMT  WOLFACH.  — WOLKACH. 


687 


Eine  dritte : 

REGNANTE  ILLUSTRISSIMO  ATQUAE 
GENEROSSISSIMO  DOMINO  DNO  VRA 
TISLAO  COMITE  A FÜRSTENBERG 
EQUITE  AUREI  VELLERIS. 

Darüber  das  fürstenbergische  Wappen  und  die  Jahreszahl  1624.  An  der  Glocke  ferner 
noch  die  Reliefs  der  Krönung  Mariä,  der  Kruzifixus  mit  Maria  und  Johannes,  außerdem 
die  Heiligen  Rochus  und  Sebastian.  Am  eichenen  Glockenstuhl  die  Jahreszahl  1573. 

In  der  Sakristei  werden  aufbewahrt: 

Halblebensgroße  Holzfiguren  des  Kruzifixus,  gut,  18.  Jh.,  mit  Maria  und  Johannes, 
letztere  derber,  t 7 . Jh. 

Eine  36  cm  hohe,  silbergetriebene  Statuette  der  Madonna  mit  Kind.  Die  Statuette, 
sehr  hübsche  Arbeit,  steht  auf  einem  schwarzen,  silberbeschlagenen  Holzpostament  in  der 
üblichen  bauchigen  Barockform,  am  Fuß  ovaler  Schild  mit  eingravierter  Inschrift:  Ego 
Vobis  Mater  ero,  Monogramm  Mariä  und  Jahreszahl  1688. 

Sonnenmonstranz,  silbervergoldet,  Rocaillestil ; Wettersegen,  Messing,  in  der 
Form  einer  kleinen  gotischen  Monstranz,  mit  Fialen,  Krabben,  kleinen  Figürchen  etc., 
Gußarbeit  um  1500;  drei  Kelche,  silbervergoldet,  getrieben,  einer  mit  dem  Augsburger 

1 F . . 

Beschauzeichen,  darunter  M und  ^ , ein  zweiter  das  gleiche  Zeichen  und  — M,  beim 

dritten  nichts  mehr  erkennbar,  alle  drei  aus  dem  18.  Jh.  Vortragskreuz , messing- 
vergoldet, gegossen;  das  Kreuz  selbst  mit  eingraviertem  Rankenwerk  der  Spätgotik  aus 
dem  16.  Jh.  An  den  Kleeblattenden  der  Vorderseite  transluzide  Emails  der  vier  Kirchen- 
väter, 4 cm  Durchmesser,  ziemlich  zerstört,  ursprünglich  gute  Werke  des  16.  Jhs.;  auf  der 
Rückseite  gegossene  Medaillons  mit  den  Evangelistenzeichen.  Corpus  Christi,  geringe 
Arbeit  des  17.  Jhs.  — Das  Ganze  68  cm  hoch. 

Gestrickter  Teppich  mit  Kreuzigung  Christi,  Ranken  und  Rosenwerk,  in  der  Bordüre 
zweimal  das  Lamm  mit  Fahne,  darüber  J C und  L W und  1768. 

Madonnenstatue  bezw.  Gestell,  darüber  ein  Samtgewand  mit  hübscher  Goldstickerei 
aus  dem  18.  Jh.,  hübscher  Rosenkranz  aus  geschliffenem  Glas  und  silbergetriebenen 
Zwischenstücken,  das  Kind  trägt  eine  gut  gearbeitete  Krone  aus  der  gleichen  Zeit. 

In  dem  Raum  über  der  Sakristei  eine  Holzstatue  des  h.  Sebastian  in  Drittel- 
lebensgröße, Provinzkunst  des  16.  Jhs. 

Im  Pfarrhause  wird  zahlreicher  religiöser  Schmuck  aufbewahrt.  Hervorzuheben : 

Rosenkränze: 

1 . Aus  Korallen  mit  silbergetriebenen  runden  Zwischenstücken,  Filigrankreuz.  An 
ihm  hängt  Medaille  auf  Erzherzog  Max  von  Österreich,  Administrator  Prussiae  von  1603. 

2.  Großer  Marienrosenkranz  (mit  1 5 Geheimnissen)  in  Perlmutterkügelchen,  Korallen 
und  Bernstein,  Zwischenglieder  silbergetrieben ; daran  hängt  in  Messingfassung  ein  kleines 
rundes  Perlmutterrelief,  das  unter  zwei  Kielbogen  zwei  weibliche,  nicht  näher  kenntliche 
Heilige  zeigt,  auf  der  Rückseite  der  Messingfassung  eingraviert  die  h.  Anna  selbdritt. 
Daran  hängt  eine  Silbermedaille  auf  Ignaz  von  Loyola. 

3.  Kleiner  Rosenkranz  aus  Korallen  mit  silbergeriefelten  Zwischengliedern ; Anhängsel : 
ein  Kruzifixus  mit  Maria  und  Johannes,  Evangelistenzeichen.  Auf  dem  Rückkreuzesstamm 
Madonna  mit  Kind;  gegossene  Arbeit  des  17.  Jhs. 


Holzfiguren 


Statuette 


Kirchengeräte 


Teppich 


Holzstatue 


Rosenkränze 


688 


KREIS  Ol  FENBURG. 


Kruzifixus 


Armband 


Halsgehänge 


Medaillen 


Grabstein 


Schmiede- 
eisernes Kreuz 


Steinkruzifix 


Wallfahrts- 
kapelle S.  Jakob 


4.  Rosenkranz?  Granatkette  mit  goldenen  Zwischengliedern  und  Filigrankreuz, 
daran  steht  • S V •;  gute  Goldschmiedearbeit  des  i7.Jhs. 

Anderer  Schmuck: 

5.  Kruzifixus , ehemals  Anhängsel  einer  Kette,  messingvergoldet;  das  Kreuz  als 
Baumstamm  behandelt;  unbedeutende  Arbeit  aus  erstem  Drittel  des  iö.Jhs. 

6.  Armband , aus  sechs  Ovalen  bestehend,  die  in 
feiner  Goldfassung  Gemmen:  Köpfe,  antike  Gestalten  und 
ein  Kruzifixus  darstellen;  16.  Jh.,  teilweise  wohl  Kopien  nach 
der  Antike ; goldenes  Schloß,  Blumenzeichnung  in  schwarzem 
Emailgrund 

7.  Halsgehänge,  aus  acht  bis  zehn  silbernen  Ketten 
bestehend  und  getriebenem  silbernen  Schloß ; treffliche  Arbeit 
Mitte  des  1 7.  Jhs. 

8.  Silberne  Kette  mit  großer  silberner  Medaille  auf 
Westfälischen  Frieden,  daran  hängt  weiter  eine  religiöse 
Medaille  von  1565,  messingvergoldet;  Avers:  Kreuztragung 
mit  Umschrift  »Christus  obeire  factus  est  usque  ad  mortem«, 
Revers:  Isaak  am  Brunnen  mit  Umschrift  » Cuius  : imago  : fuit : 
Isaac  : in  : monte  : moria  : « ; daran  weiter  zweite  religiöse 
Medaille,  messingvergoldet,  Avers:  Paulus  in  Korinth,  Revers: 
Bekehrung  des  Paulus  und  1552. 

Außerdem  noch  Medaillen  zu  erwähnen : 

9.  Silbervergoldete  religiöse  Medaille.  Avers : Putto 
mit  Weltkugel  und  Sanduhr,  Umschrift  » . . . pulvere  terrae 

factus  sum corrodent  me«.  Revers:  Aufschrift  »Nihil  • 

morte  • certius  • hora  • autem  • mortis  • nihil  • incert  • «. 

10.  Medaille  auf  Cosimo  III.  von  Toskana.  Avers:  sein 
Brustbild  n.  r.  und  Inschrift.  Revers:  Taufe  Christi. 

An  den  Turm  der  Kirche  angebaut  eine  kleine 
Kammer,  darin  eingemauert  ein  Grabstein  des  13.  Jhs.  mit 
Wappen  und  total  verwischter  Inschrift. 

Der  alte  Friedhof  ist  zerstört:  Reste  desselben  in  drei 
schmiedeeisernen  Kreuzen  erhalten,  die  größtenteils  dem 
18.  Jh.  entstammen  und  deren  bestes  unsere  Abbildung  zeigt 
(s.  Fig.  386). 

Auf  dem  neuen  Friedhof  großes  Steinkruzifix  (Corpus 
neu)  mit  Jahreszahl  1699. 

Wallfahrtskapelle  S.  Jakob.  Sie  liegt  auf  halber  Höhe  der  Berge  am  linken 
Kinzigufer,  etwa  eine  halbe  Stunde  von  der  Stadt  entfernt.  Der  Wallfahrtsort  bestand 
angeblich  seit  dem  11.  Jh.  (?)  Während  der  Reformation  unter  Graf  Wilhelm  von  Fürsten- 
berg wurde  sie  niedergerissen,  bei  dieser  Gelegenheit  wohl  das  Glöcklein  in  die  Pfarr- 
kirche verbracht  (s.  oben).  Erst  1655  begann  die  Wallfahrt  wieder,  und  man  sammelte  Geld 
für  den  Wiederaufbau ; 1664  wurde  die  Bruderschaft  gegründet.  Der  kleine  Notbau 
von  1659  wurde  niedergerissen  und  1680  mit  dem  jetzigen  begonnen  laut  dem  im 
Pfarrhaus  von  Wolfach  aufbewahrten  Bruderschaftsbuche  von  1710. 


Fig.  386.  Wolfach,  alter  Fried- 
hof . Schmiedeeisernes  Kreuz. 


AMT  WOLFACH.  — WOLFACH.  689 


Die  Kapelle  ist  ein  schmuckloser  Bruchsteinbau  des  17.  Jhs.  An  der  Fassade  rund- 
bogige  Tür,  darüber  Außenkanzel  mit  der  Zahl  1680.  Links  neben  dem  Portal  Brunnen, 
reicherer  Aufbau  mit  Muschelnischen,  Rollwerkkartusche  und  Ecce-Homo-Figur. 


Fig.  S&7-  Ansicht  des  alten,  iS()2  abgebrannten  Rathauses  von  Wolfach. 


Inneres  einschiffig ; Chor  im  Achteckschluß  mit  Kreuzgewölbe,  die  Rippen  desselben 
sehr  flau  behandelt. 

Drei  Barockaltäre , zum  Teil  gut  gearbeitet,  Hauptaltar  mit  täuschender  Perspektive 
der  Nische  von  1705. 

Hinter  dem  Hauptaltar  angenagelt  ein  etwa  40  cm  hohes  Lederblatt  mit  der 
Darstellung  des  Gekreuzigten  zwischen  Maria,  Johannes  und  Magdalena,  ehemaliger 


Inneres 


Barockaltäre 


690 


KREIS  OFFENBURG. 


Buchdeckel 


Kirchengeräte 


Glocken 


Kapelle 


Rathaus 


Buchdeckel , der  teilweise  vergoldet  war,  sehr  schöne  Arbeit  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  16.  Jhs. 

In  der  Sakristei:  Kelch , silberver- 
goldet, mit  Gravierungen,  18.  Jh. 

Meßkännchen , Silber,  auf  ihnen  zwei 
Wappen  eingraviert.  Die  Platte,  mit  kräftig 
getriebenen  Blumen  verziert,  ursprünglich 
zu  anderen  Kännchen  gehörig,  hat  das 
Zeichen  L T. 

Die  älteste  Glocke  wurde  in  die 
Pfarrkirche  gebracht.  Diejenige  von  1658 
wurde  später  weggeholt  und  im  Rathaus 
als  Wachtglocke  verwendet ; an  deren  Stelle 
wurde  die  Glocke  der  Antoniuskapelle 
herübergeschafft,  sie  hat  die  Inschrift: 
»Valentin  Allgeyer  gos  mich  in  Offenburg 
1683«  und  »meus  glangor  semper  sit 
domini«,  außerdem  das  Bild  des  S.  Antonius. 

Die  daneben  liegende  kleine  Antonius- 
kapelle ist  ein  geringer  Bau  des  17.  Jhs. ; 
darunter  ein  heiliges  Grab. 

Auf  dem  Platz  bei  den  Kapellen 
liegen  die  Trümmer  ehemaliger  großer  Bild- 
stöcke, einfache  Arbeiten  des  18.  Jhs.  (17  14, 
1736  etc.). 

Eingegangene  Kapelle : Erwähnt  wird 
eine  »capelle  ze  Wolfa  die  in  sant  Nicolaus 
und  in  sant  Katherinen  eren  gestiftet  und 
gemachet  ist«,  1328,  Fürstenb.Urk.-Buch  II, 
S.  106. 

Rathaus.  Das  alte  Rat-  und  Schul- 
haus (s.  Fig.  387),  das  1892  abbrannte,  war 
ein  einfacher,  aber  schmuck  wirkender  Bau, 
ein  Komplex  aus  drei  Häusern,  welche  mit 
den  Giebeln  gegen  die  Straße  standen,  und 
weiteren  Anbauten.  Der  vorspringende 
Mittelbau  hatte  eine  offene  Halle  im  Erd- 
geschoß, darüber  der  Rathaussaal,  auf  der 
einen  Seite  Schulhaus  mit  Wachtlokal  und 
Butterhalle,  während  der  Anbau  auf  der 
anderen  Seite  unten  die  Fruchthalle,  oben 
Ratsstube  und  Registratur  enthielt.  Der 
Komplex  stieß  mit  seinen  Hintergebäuden  an  die  Stadtmauer  an,  die  hier  durch  einen 
mächtigen  runden  Turm  verstärkt  war,  der  später  das  Archiv  enthielt.  Drei  erhaltene 
Inschriften,  jetzt  in  der  neuen  Fruchthalle  angebracht,  datieren  den  Bau.  Eine  derselben, 


•Jblh-3565 

Fig.  j88.  Wolf  ach,  Haus  Nr.  j<? 
der  Ren  aiss  an  cezeit. 


AMT  WOLFACH.  — WOLFACH.  691 

eine  schmale  Sandsteinplatte  mit  zwei  gegenüberstehenden  Wappenschildern  (Wappen 
darin  neu  gemalt),  hat  zu  beiden  Seiten  die  unvollständige  Inschrift: 

röpletm  — mrcccc 

tjOC  OjJUij 

die  sich  früher  hoch  oben  unter  dem  Dache  befand;  sie  sagt,  daß  der  Hauptbau  um 
diese  Zeit  vollendet  war.  Eine  zweite,  große  rechtwinklige  Platte  mit  dem  Fürstenberger 
und  Wolfacher  Wappen  in  flachem  Relief,  das  ehemals  bemalt  war,  zeigt  in  vertieftem 
Felde  die  Inschrift: 

FRIDERI  • GRAFE 
ZV  • FIRSTENBERG 
• • • I • 5 • 6 ■ 4 • AMEN. 

Sie  war  ehemals  an  der  Vorderseite  des  Vorbaues  angebracht. 

Das  dritte  Stück,  das  Sockelstück  einer  Säule  aus 
der  alten  Fruchthalle,  mit  der  Jahreszahl  12  5 l \ l b 
datiert  diesen  Anbau. 

An  einer  der  eichenen  Säulen  der  offenen  Halle 
des  Mittelbaues  waren  zwei  eiserne  Maße  angebracht, 
die  jetzt  in  der  neuen  Fruchthalle  aufbewahrt  werden : 

»Der  Statt  Wolfach  Klaffter  Mess  1686«  und  die 
» Fürstenberger  Ellen  1757«. 

Im  Spritzenhaus  noch  ein  Stein  mit  der  Jahres- 
zahl 1555  und  ein  Säulenkapitell  mit  Stadtwappen. 

In  dem  Rathaussaal,  der  hübsch  getäfelt  war, 
befand  sich  ein  gußeiserner  Ofen  mit  der  Geschichte 
der  Judith,  drei  Heiligen,  der  Geburt  Christi  und  der 
Erschaffung  des  Menschen,  Kaiser,  König,  Bischof 
und  Landsknecht  auf  seinen  Platten,  vgl.  Mone, 

Z.  XIX.,  S.  303.  Er  wird  jetzt  in  der  Altertums- 

, T,  , , r,  , T T . Fig.  380.  Konsole  unter  dem  Erker 

Sammlung  in  Karlsruhe  auf  bewahrt.  Unter  der  Er- 

des  Hauses  Fr.  3g. 

Schaffung  des  Menschen  steht : g . schneden  und  ge- 
gossen in  der  grafschaft  nassav,  geschneden  von  soldan  zum  franckenberg  in  us  . ., 
weiter : sanctus  matheus  got  schufif  den  menschen.  Die  Platten  zeigen  den  Stil  der 
ersten  Hälfte  des  16.  Jhs. 

Die  ehemalige  Wachtglocke,  jetzt  im  Stadtmagazin,  mit  der  Inschrift:  Peter  Speck 
zu  Mainz  goss  mich  Anno  1658,  die  Holzachse  hat  die  Jahreszahl  1660. 

Von  Privathäusern  vor  allem  zu  erwähnen  das  Haus  Hauptstraße  Nr.  39  (s.  Fig.  388), 
gleich  neben  dem  Schloß.  Rundbogige  Tür  mit  Rundstab  und  Hohlkehle,  Jahreszahl  .15(55, 
im  Erdgeschoß.  Daneben  zwei  spätgotische  Fenster  mit  geradem  Sturz.  Im  ersten 
Geschoß  ein  hübscher,  wenn  auch  etwas  trocken  behandelter  Renaissanceerker  auf 
kräftig  ausladender,  reich  profilierter  Konsole  (s.  Fig.  389).  An  dem  einrahmenden 
Pfosten  die  Jahreszahl  X6lp.  Auch  das  schmiedeeiserne  Gitter  der  Biedermeierzeit  auf 
dem  Erker  ist  bemerkenswert. 

Haus  Nr.  40  zeigt  über  dem  Erdgeschoß  vier  reliefierte  Steine  eingemauert,  zwei 
mit  knieenden  Putten,  einer  mit  Namen  Christi  im  Kranz  und  einer  mit  Beschlägornament ; 
erste  Hälfte  des  17.  Jhs.,  das  Haus  selbst  neuer. 


Privathäuser 


692 


KREIS  OFFENBURG. 


Bildstöcke 


Haus  Nr.  152,  Adolf  Neef. 


• I • 5 • S • $ • und  die  Zeichen 


In  dem  Sturz  der  spätgotischen  Rundtür  Zahl 
Der  frühere  schöne  Holzerker  des  Hauses  hat 


einer  Modernisierung  weichen  müssen. 

Haus  Nr.  182  »Zähringer  Hof«  mit  Löwenrelief  über  Tor  und  Zahl  1764;  Nr.  217 
verputzter  Riegelbau  mit  vorgekragten  Stockwerken ; Türe  mit  darüberliegendem  kleinen 
Oberlichtfenster  originell  verbunden;  im  Sturz  J6I+. 


Haus  Nr.  86,  teilweise  verändertes  Haus  vom  Anfang  des  16.  Jhs.  Uber  dem 
Erdgeschoß  Sandstein  mit  dem  zweimaligen  Wolfacher  Wappen  und  Jahreszahl  .15X5 
darunter;  an  einer  Seitenfront  noch  gotische  Wasserschräge,  an  der  anderen  gotische 
geradsturzige  Fenster. 

Haus  Nr.  143,  Mesnerhaus;  i7-Jh. 

In  der  Hauptstraße  Brunnen,  viereckiger  Trog,  plumpe  Säule,  worauf  Statue  des 
h.  Nepomuk;  18.  Jh. 

Bei  der  Kinzigbrücke  auf  Sandsteinpostament  in  bewegten  Rocailleformen  geringe 
Statue  des  h.  Nepomuk  von  1756. 

An  der  Straße  nach  Halbmeil  und  den  anderen  Ausgängen  von  Wolfach  verschiedene 
Bildstöcke  von  1770,  1776,  1787  etc.,  zum  Teil  in  recht  guten  Barockformen,  Voluten  etc. 


OBERWOLFACH 

Archivalien:  Mitteil.  d.  histor.  Komm.  Nr.  17  (1895),  S.  91. 

Kath.  Kirche  Kath.  Kirche  (ad  S.  Bartholomaeum) : Bereits  1275  wird  ein  rector  ecclesiae 

superioris  Wolfach  in  decanatu  Kürnbach  erwähnt,  Jacobus  viceplebanus  in  superiori 
Wolva  1291;  pfaff  Hilwer  zu  der  oberen  Kirchen  in  der  Wolfach  1380;  eccles.  superior 
Wolfach  1324;  eccles.  Obernwolfa  1360  bis  1370;  Kirche  zu  der  Obernwolfach  1389. 
Die  heutige  Kirche  ist  ein  schlichter  Bau  des  18.  Jhs.  mit  Außengliederung  durch 
Lisenen.  Das  Innere  ist  einschiffig  mit  Stuckdecke  im  frühen  Rokokostil. 

Altäre  Altäre : Ein  Haupt-  und  zwei  Seitenaltäre,  tiblicker  barocker  Säulenaufbau  mit 

Rocailleverzierung,  schwachen  Gemälden  und  Statuen,  der  Gesamteindruck  dekorativ 

Kanzel  flott.  Einfache  Kanzel  aus  gleicher  Zeit. 

Kruzifixus  Vom  Triumphbogen  hängt  ein  Kruzifixus  herab,  frische,  erfreuliche  Holzskulptur 

des  18.  Jhs. 

Sonnenmonstranz  In  der  Sakristei  eine  Sonnenmonstranz,  silbervergoldet,  mit  Figuren,  am  Fuß 
hübsche  Ranken  und  zwei  Medaillons  mit  Darstellungen  des  Abendmahls  und  des 
Gebets  am  ölberge,  getriebene  Arbeit.  — Außerdem  noch  silberdurchwirkte  Casel  des 
18.  Jhs. 

Glocke  Eine  Glocke  ist  von  Matthäus  Edel  in  Straßburg  1756,  die  zwei  anderen  in  neuerer 

Zeit  gegossen. 

Ehemals  bestand  noch  ein  Nonnenkloster  der  dritten  Regel  des  h.  Franz  (in  der 
obersten  closen  zu  Wolfach),  Anfang  14.  Jhs.,  Quellensammlung  III,  S.  448  — mona- 


AMT  WOLFACH.  — WOLFACH.  (BURGRUINE  OBERWOLFACH.) 


693 


steriolum  tertiae  regulae  S.  Francisci  in  Ober-  oder  Under-Wolfach  1324;  die  frauen  zu 
Oberwolfach  in  der  klausen  1329.  Aus  ihm  ging  die  h.  Liutgard,  die  Wittichen  gründete, 
hervor. 

Die  Ruine  der  ehemaligen  Burg  Wolfach  auf  dem  linken  Ufer  der  Wolf,  zwischen  Ruine 
Oberwolfach  und  Wolfach.  Auf  einem  vorspringenden  Hügel  mit  gutem  Ausblick  in 
das  Wolf-  und  Kinzigtal  liegen  die  wenigen  Trümmer  des  Gemäuers,  das  zu  dem  Unter- 
bau der  Anlagen  benutzt  ist,  die  den  Hügel  zieren.  Kein  Oberbau  ist  mehr  vorhanden 
(s.  Fig.  390). 

Bereits  im  11.  Jh.  muß  hier  eine  Burg  gestanden  haben,  auf  der  ursprünglich  das 
Dynastengeschlecht  residierte.  Die  erste  Erwähnung  ist  1272  »in  Castro  Wal  fach«,  was 
wir  wohl  auf  diese  Burg  deuten  dürfen.  1389  hören  wir  von  der  »oberen  bürg«,  die 
damals  schon  nicht  mehr  als  Residenz 
diente.  Wann  und  ob  sie  jemals 
zerstört  wurde  oder  nur  langsam  ver- 
fiel, vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Wir 
erkennen  einen  Bergfried  mit  der 
Mauerdicke  von  etwa  3 m,  neben 
dem  der  Eingang  in  den  Burgbering 
erfolgte,  die  etwa  2 m starken  Ring- 
mauern, die  dem  Rand  des  Plateaus 
folgen  und  die  als  Außenmauern  zu- 
gleich für,  wie  es  scheint,  zwei  Wohn- 
gebäude dienten. 

Gegen  die  Bergkette  zu  deutet 
eine  niedriger  gelegene  Terrasse  mit 
ganz  spärlichen,  kaum  über  den 
Boden  herausragenden  Mauerresten 
wohl  auf  eine  einst  hier  vorhandene 
Vorburg.  Die  gesamten  Anlagen  können,  der  geringen  Ausdehnung  des  Plateaus  ent- 
sprechend, nur  unbedeutend  gewesen  sein. 

Talaufwärts  über  dem  Zinken  »Bei  der  Walke«  die  spärlichen  Trümmer  der  ehe- 
maligen Burg  Walkenstein  auf  dem  gleichen  Ufer.  Geschichtliches  über  diese  Burg  BurgWaikenstein 
aufzufinden  ist  mir  nicht  gelungen. 

Der  Granitfelsen,  der  nackt  zutage  tritt  und  von  der  Bergseite  durch  einen 
künstlichen  Einschnitt  (Halsgraben)  geschieden  ist,  trägt  ein  Mauerviereck  von  etwa 
5 : 4 '/2  m im  Geviert.  Dessen  durchschnittlich  etwa  1,70  m starken,  teilweise  bis 

Mannshöhe  erhaltenen  Bruchsteinmauern  ist  man  versucht  auf  eine  Turmanlage  zu 
deuten.  In  der  Mauer  gegen  das  Tal  zu  eine  vorn  30  cm  breite  und  45  cm  hohe 
Öffnung,  die  sich  nach  hinten  erweitert  und  mit  zwei  zugehauenen  Platten  bedeckt  ist. 

Etwas  tiefer  gelegen,  gegen  das  Tal  zu,  anscheinende  Terrassierung  mit  wenigen  Mauer- 
trümmern: Vorwerk?  Die  Burg  beherrschte  gut  das  hier  sich  gabelnde  Tal. 


Kapelle 


694  KREIS  OFFENBURG. 

Zu  Wolfach  und  Obenvolfach  gehört  der  Zinken 

RANK ACH 

Schreibweisen:  Ranningen  1482;  Rangen  1493. 

In  Mittelrankach  steht  eine  Kapelle , der  glatt  abgeschnittene  spätgotische  Chor 
eines  ehemaligen  Kirchleins,  aus  drei  Seiten  des  Achtecks  und  zwei  Jochseiten  bestehend. 
Jetzt  mit  flacher  Holzdecke.  Vier  Spitzbogenfenster,  ehemals  je  mit  einem,  jetzt  weg- 
gebrochenen, Mittelpfosten;  Fischblasenmaßwerk.  Gegen  das  einstige  Langhaus  öffnet 
sich  der  Chor  in  großem  Spitzbogen,  der  nach  außen  hohlgekehlt  ist.  Übliche  gotische 
Wasserschräge. 

Glocke  nicht  zugänglich. 


/ 


NACHTRÄGE 

UND 

BERICHTIGUNGEN 


SAND 

Seite  25,  12.  Zeile  von  unten,  soll  heißen:  ein  Bau  des  16.  Jhs.,  der  im  18.  Jh.  um- 
geändert wurde. 

HUGSWEIER 

Seite  38.  Am  Nebengebäude  des  Gasthauses  »Zum  Löwen«  zwei  Wappensteine  vom 
Kloster  Schlittern  eingemauert,  beide  mit  der  Inschrift : Franciscus  abbas  huius 
nominis  primus  hoc  aedificium  fieri  curavit. 

ICHENHEIM 

Seite  39.  Kirchengeräte:  an  dem  erstgenannten  Kelch  noch  die  Inschrift:  Wagenstadt 
1724. 

Die  Beschreibung  des  Steines  im  Pfarrgarten  muß  folgendermaßen  lauten: 

Im  Pfarrgarten  ein  Stein,  der  auf  beiden  Seiten  bearbeitet  ist  und  wohl 
ehemals  über  einem  Einfahrtstor  angebracht  war.  Auf  der  einen  Seite  war 
im  flachem  Relief  ein  Kruzifixus  dargestellt;  nur  der  untere  Teil  ist  noch 
erhalten  mit  den  Bildern  von  Maria  und  Johannes ; auf  der  Rückseite  in  Rocaille- 
umrahmung  ein  Doppelwappen : auf  der  einen  Seite  ein  Doppeladler  mit  Schild, 
worin  Fische  (das  gleiche  Wappen  wie  über  dem  Portal  des  Pfarrhauses),  auf 
der  anderen  Seite  quergeteilt  im  oberen  Feld  ein  wechselnder,  geflügelter  Hirsch, 
unten  unter  einem  Winkel  ein  Turm  oder  eine  Säule,  darüber  ein  Stern 
(vielleicht  Sinnbilder  Mariä  nach  der  Lauretanischen  Litanei : der  elfenbeinerne 
Turm  oder  Turm  Davids  und  darüber  der  Morgenstern),  darunter  die  Jahres- 
zahl 1594. 

Seite  40.  In  der  Brauerei  Bläsi  findet  sich  am  Okonomiegebäude,  aus  dem  abgebrochenen 
Kloster  Schuttern  stammend,  ein  gut  erhaltenes  Bildwerk,  oben  geschmückt 
mit  Inful  und  Abtsstock  mit  Fähnlein,  darunter  zwei  große  Wappen;  auf  der 
einen  Seite  einfache  Kreuzesbalken,  auf  der  anderen:  oben  1.  Maria  mit  dem 
Kinde,  2.  daneben  eine  gekrönte  Figur  mit  dem  Dome  (Kirche)  in  der  Hand 
(vermutlich  der  h.  Heinrich),  3.  darunter  ein  kleines  Wappen  mit  drei  springen- 
den Löwen. 

Unter  dem  ganzen  Wappen  folgende  Inschrift: 

DEi  GRA  ■ CONRAD?  FRICK  • ABBAS 
HVI?  LOCI  1VE  FIERI l FEClT  AN  - I5Z8 
Ebenda:  Auf  dem  Friedhof  noch  ein  Kruzifix  auf  hohem  Sockel  mit  Rocaille- 
ornament  und  den  Statuen  der  Maria  und  des  Johannes. 


Band  VII. 


45 


696 


KREIS  OFFENBURG. 


Ortsgeschichte 


LAHR 

Seite  42.  Zu  den  Staudenmei ersehen  Aufsätzen  seien  noch  die  Jahrgänge  der  betr. 

Zeitungen  nachgetragen,  soweit  sie  im  Text  nicht  angegeben  werden  konnten: 
Die  adeligen  und  Patriziergeschlechter,  Lahrer  Zeitung  1884,  Nr.  82  u.  84. 
Lahr  nach  der  französischen  Revolutionszeit,  1883,  Nr.  170  u.  171. 

Die  Stadt  Lahr  1802,  1883,  Nr.  182. 

Seite  87.  (BURGHEIM) 

Aufsätze  von  Staudenmaier: 

Die  alte  Pfarrkirche  von  Lahr  zu  Burgheim,  Lahrer  Zeitung  1883,  Nr.  19, 
20,  25  u.  26. 

Die  Kircheneinweihung  zu  Burgheim  am  25.  Juli  1835,  ebenda  1883, 
Nr.  114  u.  11 6.  (IVth.) 

Seite  44,  zweiter  Absatz,  die  Schlacht  bei  Hugsberg:  Der  gebräuchliche  Name  für 

diesen  Ort  ist  »Hausbergen«. 

Seite  45,  23.  Zeile  von  unten:  nicht  Markgraf  Jakob,  der  schon  1453  gestorben,  ver- 
kaufte seinen  Anteil,  sondern  Markgraf  Karl. 

Seite  92.  (Ebendaselbst.)  An  einer  Ecke  der  Kapelle  verzeichnet  F.  Stein  in  seiner 
Gesch.  d.  Stadt  Lahr  eine  angeblich  der  Iris  ähnliche  Figur  als  möglicherweise 
römische.  In  der  Tat  handelt  es  sich  um  ein  Bruchstück  eines  mittelalter- 
lichen Grabsteins:  eine  kauernde,  nicht  näher  deutbare  Gestalt  in  Relief. 

NONNENWEIER 

Seite  97.  Eine  Geschichte  des  Dorfes  Nonnenweier  von  Herrn  Stadtvikar  Karl  Bender 
ist  soeben  bei  J.  J.  Reiff,  Karlsruhe  1907,  erschienen.  Im  ersten  Kapitel  des 
zweiten  Abschnitts  ist  die  Baugeschichte  der  alten  Kirche  ausführlicher  dargestellt, 
als  es  mir  nach  dem  Abbruch  des  Baues  möglich  war.  Auch  für  die  Orts- 
geschichte sei  auf  dieses  Werk  verwiesen.  Schon  vor  dem  Erscheinen  des 
Werkes  hat  mir  der  Verfasser  liebenswürdigerweise  auf  Grund  seiner  For- 
schungen folgende  Notizen  zur  Verfügung  gestellt: 

Ortsgeschichte : Nonnenweier  ist  früh  in  Urkunden  genannt.  Kaiser 
Lothar  schenkte  845  dem  Frauenkloster  S.  Stephan  zu  Straßburg  unter  anderen 
Höfen  auch  »Nunnenwilre«.  König  Ludwig  der  Deutsche  bestätigte  dies  856. 
Kaiser  Heinrich  II.  schenkte  1003  (Urkunde  echt)  die  Abtei  S.  Stephan  als 
Entschädigung  für  Kriegsverluste  dem  Bistum  Straßburg.  Bischof  Werner  I. 
beurkundet  1004  diese  Schenkung,  zu  der  u.  a.  auch  »Nunnewilre«  gehöre. 
Zwar  sind  die  Urkunden  von  845,  856  und  1004  Fälschungen  des  12.  Jhs. ; 
doch  sind  ihre  inhaltlichen  Angaben  höchstwahrscheinlich  historisch. ])  Vom 
Bistum  Straßburg  trugen  später  die  von  Windeck  das  Dorf  als  Lehen.  Bischof 
Johann  I.  löste  es  1316  von  Berhtolt  von  Windeck  um  110  Mark  Silbers  wieder 
aus.  Aber  Bischof  Bertold  II.  belehnte  ihn  damit  1336  aufs  neue.  Wohl  nach 
dem  Tod  des  Vasallen  kam  Nonnenweier  als  Pfandlehen  an  die  von  Geroldseck. 
Sophie  von  Geroldseck,  vermutlich  Erbtochter  Walters  V.  von  Geroldseck 
(gest.  1367),  brachte  es  nämlich  neben  anderen  Gütern  (worunter  auch  Almesch- 
wiler  und  Wittenwiler)  ihrem  Gemahl  Graf  Eberhard  von  Werdenberg  zu.  Nach 

Wiegand,  Z.  49  (NF.  XI),  S.  389fr. 


NACHTRÄGE  UND  BERICHTIGUNGEN.  697 

langem  häuslichen  Hader  gab  die  verwitwete  Sophie  ihre  seit  1381  an  den 
Straßburger  Metzger  Fritsche  Museier  und  Fischer  Johann  Büllin  verpfändeten 
Güter  ihrem  Sohne  Heinrich  zum  Eigentum  1387.  Dieser  belehnte  sie  damit 
sofort  auf  Lebenszeit.  Nach  der  Mutter  Tod  verkaufte  1391  Graf  Heinrich 
von  Werdenberg  Nonnen-,  Witten-,  Allmannsweier  etc.  an  den  elsässischen 
Edelknecht  Wilhelm  von  Burn(e).  Dessen  vier  Erben  (Johann  von  Burn(e), 
Propst  an  S.  Stephan  in  Bamberg,  Edelknecht  Ottemann  von  Burn(e)  und  ihre 
Schwestern,  Lysa  von  Mansberg  und  Susa  von  Kirchen)  verkauften  die  drei 
Dörfer  1403  um  1250  Goldgulden  an  den  Straßburger  Ritter  Reinhold  Hüffelin. 
Dessen  und  der  früheren  Pfandträger  Erben  (Jakob  Berger  von  Blyberg  und 
Wilhelm  und  Caspar  von  Böcklin  zu  Straßburg)  verkauften  dann  Nonnenweier 
1501  um  846  Pfund  an  die  Stadt  Straßburg.1)  Diese  besaß,  seitdem  ihr  1401 
vom  Bistum  Straßburg  die  Stadt  und  Vogtei  Ettenheim  verpfändet  war,  auch  den 
bischöflichen  Anteil  von  Nonnenweier.  1528  löste  das  Bistum  zwar  seinen 
Teil  an  Nonnenweier  (zugleich  mit  der  Vogtei  Ettenheim)  ein,  verpfändete  ihn 
aber  bald  wieder  an  die  Stadt.  Straßburg  besaß  dann  Nonnenweier  ununter- 
brochen bis  1663.  Damals  verkaufte  die  Stadt  das  Dorf  Niederhausen,  ein 
Drittel  von  Witten-  und  Allmannsweier,  seinen  eigentümlichen  und  den  vom 
Bistum  pfandweise  besessenen  Teil  von  Nonnenweier  um  24000  fl.  an  den 
Oberst  Johann  Christoph  von  der  Grün.  Später  kam  Nonnenweier  durch 
Heirat  seiner  Enkelin  (Witwe  des  Ernst  Christoph  von  Löwen)  an  die  Familie 
derer  von  Rathsamhausen  zu  Ehenweyer  1698.  Als  diese  1790  und  1820  im 
Mannesstamme  der  Nonnenweierer  Linie  erlosch,  waren  die  angeheirateten 
Familien  der  Freiherren  von  Böcklin  zu  Böcklinsau  und  der  Freiherren  von  Ober- 
kirch,  später  auch  die  Familien  von  der  'Bann  und  von  Gayling  Grundherren 
von  Nonnenweier.  Das  Dorf  gehörte  also  in  das  Territorium  der  freien  Reichs- 
ritterschaft Ortenau  (schwäbischer  Ritterkreis)  von  1663  an  bis  1805,  seitdem 
zum  Großherzogtum  Baden. 

In  kirchlicher  Hinsicht  gehörte  Nonnenweier  zum  Bistum  Straßburg.  Die 
Patronatsgerechtigkeit  besaß  seit  ältester  Zeit  die  Abtei  S.  Stephan  zu  Straß- 
burg, auch  dann  noch,  als  dieses  Stift  1545  evangelisch  geworden  war.  In 
Nonnenweier  führte  der  Rat  der  Stadt  Straßburg  die  Reformation  ein  (jeden- 
falls kurz  vor  1553)  und  erwarb  auch  den  Besitztitel  der  Kollatur.  Diese  ging 
(samt  dem  Genuß  des  halben  Zehnten  und  der  kirchlichen  Baupflicht)  an  Johann 
Christoph  von  der  Grün  und  seine  Nachfolger  um  4000  fl.  käuflich  über. 

Evang.  Pfarrkirche:  Erwähnt  1270  Johannes  rector  ecclesiae  de  N.  und 
ein  plebanus ; 1419  Johans  Wahter  kircherre,  Johans  frugemesser  und  ein 
plebanus;  1454  rector,  plebanus  und  cappelanus;  1464  rector,  plebanus  und 
primissarius ; 1473  cappelania  ecclesiae  in  N.  — Die  alte  Kirche  bildete,  wie 
sich  beim  Abbruch  im  Mai  1906  des  genaueren  ergab,  in  ihrem  ältesten  Teil 
(Hauptteil  des  Langhauses)  ein  Rechteck  von  12X7,80  m.  Auf  das  12. 
(vielleicht  schon  11.)  Jh.  als  Bauzeit  lassen  schließen:  das  frühromanische  Portal 
und  Rundfenster  der  Westseite  sowie  das  Mauerwerk,  Guß  werk  von  90  cm 
Stärke  (die  beiden  Außenwände  aus  Backsteinen  mit  Kalk  und  Rheinwacken 
*)  Ruppert  a.  a.  O.  S.  231  f.,  387,  396. 

45* 


Pfarrkirche 


69S 


KREIS  OFFENBURG. 


Grabdenkmäler 


gefüllt,  mit  Sandsteinquadern  an  den  Ecken).  Dieser  Kapelle  wurde  im  Osten 
ebenfalls  sehr  früh  ein  Turm  vorgebaut,  dessen  unterstes,  ehemals  gewölbtes 
Geschoß  als  Chor  diente  und  sich  in  großem  Rundbogen  in  die  Kirche  öffnete. 
Der  Turm,  von  dem  um  1650,  wie  bis  1906,  nur  noch  das  mit  Satteldach  ab- 
gedeckte Erdgeschoß  stand,  war  in  Gußwerk  von  70  cm  Stärke  gemauert  und 
bildete  ein  Quadrat  von  5,70  X 5,70  m ohne  Apsis.  In  diesen  »Chor«  wurde 
ein  spätgotisches  Sakramentshäuschen  mit  Fischblasenmaßwerk  links  hinter  dem 
Altar  später  eingemauert;  rechts  befand  sich  der  Wasserausguß  Der  zuletzt 
vorhandene  Kirchturm  auf  dem  östlichen  Teil  des  Langhauses  (vierseitig  mit 
vier-  und  achteckigem  Helm)  war  erst  1715  aus  Fachwerk  errichtet.  1727 
wurde,  wie  die  Inschrift  auf  einem  mit  Muschelornament  verzierten  Renaissance- 
stein bezeugte,  das  Langhaus  um  1 5 Schuh  nach  Westen  verlängert.  Dabei 
wurden  das  alte  Portal  und  Rundfenster  im  Giebelfenster  der  Westfront  wieder 
eingesetzt,  ebenso  die  Giebelecksteine,  deren  einer,  der  auf  der  südwestlichen 
Mauerecke  gelegene,  90  X 30  X 30  cm  groß  war  und  vorne  unten  eine  romanische 
Fratze  mit  herausgesteckter  Zunge  trug  (kein  Wasserspeier).  1803  wurde  an 
der  Nordseite  des  Langhauses  ein  schmuck-  und  geschmackloses  Querschiff 
in  schlechtem  Fach  werk  angebaut.  Die  alten  romanischen  »gar  kleinen 
Fensterlein«  des  Langhauses  wurden  1659  bis  1664  durch  hohe  Spitzbogen- 
fenster ohne  Maßwerk  ersetzt.  Beim  Abbruch  kamen  unter  der  Tünche  des 
18.  und  19.  Jhs.  die  1664  bis  1665  gefertigten  kunstlosen  Malereien  biblischen 
Stoffes  zum  Vorschein.  1770  kam  eine  neue  Orgel  in  die  Kirche  aus  Straß- 
burg (vermutlich  von  Silbermann),  nachdem  die  vorige  »injuria  belli  et  temporum« 
zugrunde  gegangen  war.  Glocken  besaß  einst  die  Kirche  vier,  während  des 
Dreißigjährigen  Krieges  ins  Straßburger  Zeughaus  geflüchtet.  Sie  gingen  zum 
'l'eil  Ende  des  17.  Jhs.  verloren.  1906  waren  drei  Glocken  vorhanden,  die 
mittlere  mit  der  Inschrift:  »Johann  Peter  Edel  gos  mich  1704«  und  auf  der 
Rückseite  mit  dem  Bild  des  Gekreuzigten  zwischen  Maria  und  Johannes;  die 
kleinste  mit  den  Inschriften:  »Mattheus  Edel  gos  mich  1729«  und  »Dem  drei- 
einigen Gott  zu  Ehren«,  ferner  mit  den  Zeichen:  *J-S-V-R*S-D-V-D-G-* 
(d.  h.  Jakob  Samson  von  Rathsamhausen  und  Sophia  Dorothea  von  der  Grün) 
und  den  Wappen  derer  von  Rathsamhausen  und  von  der  Grün.  Eine  dritte 
alte  Glocke  wurde  1871  von  Ludwig  Edel  in  Straßburg  umgegossen.  Diese 
und  die  von  1704  wurden  1907  für  das  Geläute  der  neuen  Kirche  ein- 
geschmolzen, die  von  1729  hängt  seit  1906  im  Turm  des  Rathauses  zu 
Nonnenweier.  — Der  Kirchhof  war  mit  einer  Mauer  umgeben  und,  wie  der 
mit  Schießscharten  versehene  Turm(-stumpf),  zur  Verteidigung  eingerichtet. 

Zwei  Grabdenkmäler  in  schöner  Renaissance  auf  Johann  Christoph 
von  der  Grün  *MDCIII  den  XVIII.  Martij,  fMDCLXVI  den  21.  Dezembris, 
und  auf  Anna  Amalia  von  der  Grün  geb.  von  der  Sachsen  *MDCIV  den 
XV.  Junij,  f MDCLXXIII  den  19.  Octobris.  Beide  Steine  sind  mit  zahl- 
reichen Wappenschildern  bayerischer  Adliger  (wohl  Verwandter?  oder  der 
Stifter)  geschmückt.  — In  den  Neubau  der  Kirche  1906  bis  1907  wurden 
diese  Grabsteine,  das  Sakramentshäuschen,  die  Inschrifttafel  von  1727  wie  der 
romanische  Fratzenstein  mit  aufgenommen. 


NACHTRAGE  UND  BERICHTIGUNGEN. 


699 


RUINE  HOHENGEROLDSECK 

Seite  107.  Pläne  und  Schnitte  in  dem  Schmalkalderschen  Skizzenbuch  von  1690, 
eine  recht  gute  Ansicht  auf  einer  Karte  des  Gebiets  der  Stadt  Zell  von  1604  im 
Großh.  Generallandesarchiv,  publiziert  in  Wilds  Atlas  zur  Badischen  Geschichte. 

SCHUTTERN 

Zu  S.  127,  Fig.  65  a.  Erst  während  dem  Druck  des  Textes  erhielt  ich  die  Platte  geschickt 
und  konnte  einen  Abzug  davon  herstellen  lassen.  Die  Radierung,  mit  der 
kalten  Nadel  überarbeitet,  ist  ein  Werk  des  F.  X.  Schönbaechl,  eines  Künstlers, 
der  u.  a.  in  Einsiedeln  gearbeitet  hat,  über  dessen  Lebensdaten  aber  bisher 
nicht  viel  publiziert  ist.  Unser  Blatt  gehört  jedenfalls  dem  Ende  des  1 7.  Jhs.  an. 
Es  scheint  im  großen  und  ganzen  zuverlässig  zu  sein  und  ist,  man  beachte  nur 
die  Einzelheiten  des  großen  Torturms,  äußerst  gewissenhaft  gearbeitet.  Da 
sehen  wir  denn  noch  die  schlichte  romanische  Basilika,  wie  es  scheint  mit 
geradem  Chorabschluß  ohne  Seitenchöre.  Als  einzige  Zier  der  typische 
Bogenfries  unter  den  Dächern  des  Mittelschiffs  und  der  Seitenschiffe.  Der 
Turm  ist  mit  seinem  reichen  Säulenaufbau  und  Walmdach  ein  reicheres  Werk 
des  17.  Jhs.  Daran  anschließend  der  Konvent,  ein  Bau  des  17.  Jhs.  mit  einem 
Erker  an  dem  Eck  und  stattlichen  Portalen  mit  den  üblichen  gebrochenen 
Giebeln.  Im  Hintergrund  steht  ein  Verbindungungsbau,  aus  dem  sich  der 
Torturm  erhebt  mit  Satteldach  und  Dachreiter.  Er  ist  offenbar  aus  Bruch- 
steinmauerwerk errichtet,  an  den  Ecken  mit  Hausteinquadern  bekleidet  und 
mit  einer  Uhr  sowie  einer  Sonnenuhr  versehen.  Gegenüber  der  Kirche  wieder 
ein  großer  Bau  von  vier  Flügeln,  die  einen  viereckigen  Hof  umgeben.  Von 
ihm  wie  von  dem  Konvent  erstreckt  sich  eine  lange  Gebäudereihe  nach  vorne, 
wo  sie  in  Pavillons  mit  Dachreitern  endigt.  Zwischen  diesen  zieht  sich  eine 
Säulenhalle  hin,  in  der  Mitte  ein  reich  durchgebildetes  Gebäude  mit  Mittel- 
risalit, Giebel,  Pilaster  an  den  Ecken  etc.  Wenn  irgend  etwas  auf  dem  Blatt, 
so  scheint  mir  diese  Anlage  der  Halle  mit  dem  Mittelbau  zweifelhaft,  und  ich 
halte  es  für  sehr  leicht  möglich,  daß  derartiges  vielleicht  nur  projektiert  oder 
überhaupt  eine  Ergänzung  des  Radierers  ist.  Der  Bezirk  war  von  einem  Wasser- 
graben umgeben,  um  ihn  herum  lagen  eine  Anzahl  Gärten  mit  Springbrunnen. 

Seite  133,  Fig  72.  Das  Fragment  befindet  sich  jetzt  in  den  Großh.  Sammlungen  für 
Altertums-  und  Völkerkunde  in  Karlsruhe. 

GAISBACH 

Seite  142.  In  der  Kapelle  wird  noch  aufbewahrt  eine  Holzstatue  der  h.  Magdalena, 
ganz  hervorragende  Holzschnitzerei  vom  Ende  des  15.  Jhs.,  künstlerisch  wie 
kostümlich  nach  der  mir  vorliegenden  Photographie  gleich  interessant.  Sie 
war  bei  meinen  Besuchen  leider  nicht  zu  sehen. 

RUINE  SCHAUENBURG 

Seite  169,  oben.  In  der  Ostwand  des  Turmes  ging,  noch  an  der  Auskragung  der  Mauer 
kenntlich,  eine  Treppe  vom  vierten  Stock  auf  den  Wehrgang,  worauf  mich  der 
Kaiserl.  Legationsrat  R.Freiherr  von  Schauenburg  aufmerksam  zu  machen  die 
Liebenswürdigkeit  hat.  Derselbe,  der  auch  die  so  interessanten  Ausgrabungen 


700 


KREIS  OFFENBURG. 


Geschichtliches 


der  letzten  Jahre  geleitet  hat,  teilt  mir  mit,  daß  er  in  diesem  Sommer  (1907) 
eine  Reittreppe  aufgefunden  hat  sowie  zwölf  neue  Steinmetzzeichen,  die  leider 
hier  nicht  mehr  nachgetragen  werden  können. 

LAUTENBACH 

Seite  213.  Zur  Gemeinde  Lautenbach  gehört  der  Weiler  Hubacker  (in  der  Hueb  bey 
Lauttenbach  1660),  bei  dem  die 

RUINE  NEUENSTEIN 

liegt. 

Schreibweisen:  Nuwenstein  1249;  burgstall  zu  Nuwenstein  1363;  daz 
burgstadel  zu  dem  alten  Nuwenstein  1405 ; Nuwenstein  1415;  Neuwenstein  1600. 

Literatur:  Ruppe rt,  Regesten  des  Mortenauer  Adels  (Neuenstein), 
Z.  37,  S.  385— 411 ; 38,  S.  130—156;  39,  S.  181/82. 

Geschichtliches : In  der  Geschichte  der  Burg  wie  den  nach  ihr  sich 
nennenden  Herren  haben  wir  zwei  Perioden  zu  unterscheiden,  die  durch  den 
Zwischenraum  von  ein  paar  Jahrzehnten  voneinander  getrennt  sind.  Im 

12.  Jh.  erscheint  eine  Familie  von  Neuenstein,  und  zwar  sind  es  Ministerialen 
der  Herzoge  von  Zähringen.  Als  erster  tritt  ein  Konrad  von  Nuwenstein  auf, 
der  eine  Schenkung  des  Herzogs  Konrad  bezeugt  (1123).  Mit  dem  Aus- 
sterben der  Zähringer  gehörten  sie  zum  Dienstadel  ihrer  Erben,  am  Ende  des 

13.  Jhs.  wird  in  erster  Linie  ein  Johannes  genannt,  er  starb  in  der  Zeit  von 
1307  bis  1317,  »nachdem  er  einen  Sohn  und  zwei  Töchter  schon  frühe  hatte 
ins  Grab  sinken  sehen,  und  hinterließ  nur  eine  Tochter,  die  unverehelicht  als 
Klosterfrau  zu  Oberndorf  ihre  Tage  beschloß«. ')  Mit  ihr  starb  das  Geschlecht  aus. 

Erst  am  Ende  des  14.  Jhs.  nennt  sich  wieder  eine  Familie  nach  der  Burg, 
als  erster  Rufelin  Schultheiss  von  Nuwenstein  ein  Edelknecht,  der  aus  der 
Familie  der  Rohart  stammte,  die  im  13.  und  14.  Jh.  in  Offenburg  ansässig 
und  im  Rate  der  Stadt  oft  vertreten  waren.  »Ein  Mitglied  desselben,  Kunze 
Rohart,  siedelte  wahrscheinlich  erst  nach  Erwerbung  des  Renchtales  durch 
den  Bischof  von  Straßburg  und  nach  der  Erhebung  Oberkirchs  zur  Stadt 
dahin  über,  erhielt  das  Schultheißenamt  und  wurde,  während  zu  Offenburg 
die  Rohart  erloschen,  der  Stammvater  der  heutigen  Freiherren  von  Neuen- 
stein.« * 2)  Als  Lehensträger  des  Bischofs  von  Straßburg,  der  Grafen  von 
Freiburg  und  Eberstein,  der  Herren  von  Lupfen,  der  Edlen  von  Schauenburg 
und  von  Staufenberg,  dann  durch  Heirat  der  beiden  Erbtöchter  des  1320  im 
Mannesstamme  erloschenen  Rittergeschlechtes  von  Schopfheim  scheint  die 
Familie  kurz  nachher  in  den  Stand  der  Edelknechte  übergetreten  zu  sein. 
Sie  spaltete  sich  in  zwei  Linien,  die  Rohartsche,  die  diesen  Namen  beibehielt 
und  1601  ausstarb,  während  bei  der  anderen  der  Amtsname  Schultheiß  nach 
einigen  Generationen  zum  völligen  Geschlechtsnamen  wird.  Der  obengenannte 
Rufelin  empfing  1381  von  den  Markgrafen  Bernhard  und  Rudolf  von  Baden 
die  »guter,  die  sinre  bruder  und  vettern  gemeyn  sind,  dez  ersten  die  bürg  die 
da  heißet  daz  alte  Nuwenstein«.  Vielleicht  mit  erlangtem  Anteil  an  der  Burg 

*)  Ruppert,  Z.  37,  S.  387. 

2)  Ebenda  S.  387. 


NACHTRÄGE  UND  BERICHTIGUNGEN. 


701 


ging  der  Name  auch  auf  die  übrigen  Familienmitglieder,  selbst  auf  die  Rohartsche 
Linie  über.  Der  Name  Schultheiß  verschwand  mit  der  Zeit.  Die  Mitglieder 
dieser  Linie  teilten  sich  in  die  Rodecksche  und  Hubackersche,  welch  letztere 
sich  nach  dem  Hubackerhof  nannte,  der  als  Surrogat  für  den  Wiederaufbau 
des  alten  Schlosses  Neuenstein  entstanden  war.  Denn  dieses,  das  offenbar 
nach  dem  Aussterben  des  älteren  Geschlechtes  verfallen  war,  wieder  aufzubauen, 
dazu  wurden  die  Neuensteiner  von  ihrem  Lehensherrn,  dem  Markgrafen  von 
Baden,  immer  wieder  aufgefordert;  so  hören  wir  1476  von  der  »bürg  zu 
Nuwenstein,  die  wir  Melchior  und  Gebhart  von  Nuwenstein  gevettem  oder 
unsere  mannlehenerben  buwen  und  wider  uffrichten  sollent«.  Es  scheint  aber 
nicht  geschehen  zu  sein,  wie  1509  aus  der  Bezeichnung  »das  burgstadel  zu 


+-H  1 I I I l-H 1 1 -I 1 

/O  20  30  30  .S0  4n* 

Fig.  S91-  Plan  der  Ruine  Neuenstein. 


dem  alten  Nuwenstein«  herausklingt.  An  Stelle  dessen  legten  sie  eben  jenen 
Hof  an,  auf  den  alle  Rechte  und  Verpflichtungen,  die  vordem  auf  der  Burg 
ruhten,  übertragen  wurden.  Auch  er  hat  in  den  Stürmen  der  Jahrhunderte 
so  gelitten,  daß  heute  nichts  Nennenswertes  mehr  steht. 

Die  Burg  liegt  auf  einem  Vorsprung  des  Schärtenkopfes  über  diesem  Hof. 
Nur  sehr  geringe,  mit  Gestrüpp  verwachsene  Mauerreste  stehen  noch 
(Fig.  391).  Es  lassen  sich  die  über  3 m starken  Mauern  der  Hauptburg 
noch  nachweisen  und  man  kann  in  A und  B ein  Wohngebäude  mit  einem 
Turm  erkennen.  Eine  mir  vorliegende  Bleistiftzeichnung  Näher s gibt  hier 
noch  die  Mauern  eines  Obergeschosses  mit  flachbogigen  Fenstern,  scheint  mir 
aber,  wie  seine  Grundrißskizze  beweist,  ganz  unzuverlässig.  Auch  die  Stelle 
eines  Brunnens  D ist  zu  vermuten,  desgleichen  ein  weiteres  Wohngebäude 
Lj  und  C2  sowie  der  Graben  F.  Gegen  Norden  sind  zwei  weitere  Ab- 


702 


KREIS  OFFENBURG. 


plattungen  des  Berges  zu  konstatieren,  wie  unser  Plan  zeigt,  auf  denen  wir 
ebenfalls  Befestigungen  vermuten  dürfen.  Da  die  Burg  offenbar  seit  dem 
14.  Jh.  in  Ruinen  liegt,  kann  man  sich  nicht  verwundern,  daß  so  wenig 
erhalten  ist. 

ALTENHEIM 

Seite  298.  Die  Kirche  ist  1759  bis  1761  vergrößert  worden. 

Der  Grabstein  eines  Pfarrers  Kölle,  gest.  1635,  ist  an  einem  Haus  als 
Torpfosten  verwendet. 

Ein  Gemarkungsstein  mit  verschiedenen  Wappen  und  der  Jahreszahl  1786. 

BIBERACH 

Seite  305.  Die  Kirche  ist  vergrößert  und  renoviert  worden  1874.  — Im  Erdgeschoß  des 
Turmes  Kreuzgratgewölbe,  nach  Osten  und  Süden  spitzbogige  Fenster  mit 
innerem  Kleeblattbogen,  in  die  Kirche  führt  rundbogige  Tür  mit  hohlgekehlter 
Laibung.  — Drei  Glocken  aus  der  Edelschen  Werkstätte  in  Straßburg,  18.  Jh., 
am  Glockenstuhl  die  Jahreszahl  1780. 

Mariahilfkapelle,  1879  erbaut.  In  ihr  eine  Holzstatue  der  Maria  mit  dem 
Kind  auf  dem  Arm,  ca.  1,40  m hoch;  etwas  oberflächliche,  aber  gute  Arbeit 
aus  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jhs. 

Im  Pfarrhaus  Kelch,  silbergetrieben,  vergoldet,  mit  Rocailleornamenten, 
Emailmedaillons  und  Topasen  geziert,  ohne  Zeichen;  reichere  Arbeit  aus 
der  Mitte  des  18.  Jhs. 

DURBACH 

Seite  318.  Zorn  von  Bulachsches  Schloß.  Uber  dem  Eingang  Stein  mit  dem  Allianz- 
wappen des  Georg  Zorn  von  Bulach  und  seiner  Frau  Ursula  geb.  von  Landsberg 
von  1556  mit  sehr  zerstörter  Inschrift  dieses  Inhalts.  Im  Gebäude  zwei 
Ölgemälde,  Porträts  derselben,  aus  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jhs. 

GENGENBACH 

Seite  440.  Am  Gebäude  des  Weinhändlers  Schnurmann  eine  Steinmaske  (nach  dem 
Hofe  zu). 

MÜLLEN 

Seite  451.  Im  Innern  ein  Hochaltar,  Barock,  mit  Holzstatuen  der  Apostel  Petrus  und 
Paulus,  oben  die  Dreieinigkeit  von  Putten  umgeben.  Aus  der  gleichen  Zeit, 
der  Mitte  des  1 8.  Jhs.,  die  Kanzel,  der  kelchförmige  Taufstein  mit  neuerem  Deckel 
sowie  das  schöne  schmiedeeiserne  Chorabschlußgeländer  (ca.  65  cm  hoch). 

Vor  der  Kirche  ein  Kruzifix  (Sandstein)  mit  der  Jahreszahl  1753. 

OFFENBURG 

Seite  520.  Judenbad.  Wie  ich  nachträglich  höre,  wird  von  einer  Seite  die  Deutung 
bestritten;  die  Anlage  soll  mit  den  Vorschriften  des  Talmud  nicht  überein- 
stimmen; man  denkt  an  eine  Brunnenanlage  für  die  Zeiten  der  Belagerung, 
was  mir  aber  viel  unwahrscheinlicher  dünkt. 


NACHTRÄGE  UND  BERICHTIGUNGEN. 


703 


UNTERENTERSBACH  und  OBERENTERSBACH 
Seite  540,  Zeile  14  von  unten:  Unterharmersbach  Druckfehler,  gemeint  ist  Unter- 
entersbach. Die  Kapelle  hat  einen  Turm  auf  quadratischem  Grundriß  mit 
Walmdach. 

Eine  Kapelle  in  Oberentersbach  ist  1865,  laut  Jahreszahl  über  dem  Portal, 
erbaut,  aber  wohl  mit  Verwendung  eines  Barockbaues,  wie  indes  nur  noch 
die  Fensterformen  andeuten. 


ALPHABETISCHES 

ORTSVERZEICHNIS 


Allerheiligen  . 

Seite 
214 — 265 

Allmannsweier 

3i 

Altenheim  . 

297  u.  702 

Antogast 

265 

Appenweier 

299 

Auenheim  . 

3 

Bärenburg,  Ruine, 

und  Bärenbach  . 287 

Berghaupten 

3°3 

Biberach 

Bodersweier 

4 

Bohlsbach  . 

305 

Bühl 

Biihlweg 

523 

Burgheim 

87  u.  696 

Butschbach 

i49 

Dautenstein 

i39 

Diersburg  . 

....  309—316 

Diersheim  . 

5 

Dinglingen  . 

32 

Dundenheim  . 

34 

Durbach 

31611.702 

Ebersweier  . 

333 

Eckartsweier  . 

6 

Einbach 

575 

Elgersweier 

335 

Erlach  . 

151 

Fischerbach 

575 

Freistett 

Friesenheim 

34 

Fürsteneck,  Ruine 

i49 

Seite 


Gaisbach 

• ■ 1 55  u-  699 

Gengenbach  .... 

335—445  u-7°2 

Goldscheuer  .... 

....  450 

Gribernhöfe  .... 

....  540 

Griesbach 

. ...  178 

Griesheim 

• • • • 445 

Gutach 

. . 576—586 

Haigerach 

• • • • 537 

Halbmeil 

....  634 

Haslach  (Amt  Oberkirch) 

....  179 

Haslach  (Amt  Wolfach) 

586 — 607 

Harmersbach  .... 

....  541 

Hausach 

607 — 620 

Hausgereuth  .... 

....  8 

Heidburg 

Herztal 

....  179 

Hofstetten 

Hofweier 

....  447 

Hohengeroldseck  . . 

106 — 1 2 1 u.  699 

Honau 

....  9 

Hubacker 

700 

Hugsweier 

• • 37  u.  695 

Ichenheim 

• • 38  u.  695 

Ippichen 

....  634 

Kaltbrunn 

622 

Kehl  Dorf 

I I 

Kehl  Stadt 

Kinzigtal 

Kirnbach 

....  636 

Kittersburg  .... 

....  450 

Kork 

....  14 

706 


KREIS  OFFENBURG. 


Kuhbach  . . . 

Seite 

4° 

Kürzell 

40 

Lahr 

. 42 — 92  u.  696 

Langenbach 

Lautenbach 

. 181 — 214U.700 

Legelshurst 

17 

Lehengericht  . 

666 

Leutesheim 

18 

Lichtenau  .... 

l9 

Lierbach  .... 

Linx 

Maisach  .... 

Marlen 

449 

Meißenheim 

92 

Memprechtshofen 

23 

Mietersheim 

96 

Mühlenbach  . . . 

Müllen 

Nesselried  .... 

Neuenstein 

700 

Neufreistett 

Niederschopfheim 

45 1 

Nonnenweier  . 

Nordrach  . . . . 

455 

Nußbach  .... 

Oberentersbach  . 

54° 

Oberharmersbach 

540 

Oberkirch  .... 

Oberschopfheim  . 

98 

Oberweier  .... 

100 

Oberwolfach  . 

Odelshofen 

23 

Ödsbach  .... 

278 

Offenburg  .... 

• 457 — 521  u.  702 

Ohlsbach  .... 

521 

Oppenau  .... 

. . . 279 — 285 

Ortenberg  .... 

522 

Ortenberg,  Burg  . . 

• • • 527—536 

Ottenheim  .... 

Seite 


Peterstal 285 

Prinzbach 103 


Rammersweier 571 

Ramsbach 287 

Rankach 694 

Reichenbach  (Amt  Lahr)  . . . . 105 

Reichenbach  (Amt  Offenburg)  . . 536 

Rheinbischofsheim 23 

Ringelbach 288 

Rippoldsau 644 

Rohrburg 298 

Roßberg 623 


Sand 

S.  Roman 

S.  Wendel 

Schapbach  

Schauenburg,  Ruine  . . 

Schenkenzell  .... 
Scherzheim  .... 

Schiltach 

Schnellingen  .... 

Schönberg  

Schlittern 

Schuttertal 

Schutterwald  .... 
Schutterzell  .... 

Seelbach 

Stadelhofen  .... 
Staufenberg,  Burg 

Steinach 

Sulz 

Sulzbach  (Amt  Oberkirch) 


22 


157 


657 


— 134 


25  u.  695 
635 
1 80 
646 
—179 
648 
657 
— 666 
667 
106 
u.  699 

135 
538 

136 

137 
289 

—332 
667 
142 
289 


318 


Tiergarten 


290 


Ulm 291 

Unterentersbach 540  u.  703 

Unterharmersbach 541 

Urioffen 549 


ALPHABETISCHES  ORTSVERZEICHNIS. 


707 


Seite 

Waltersweier 

• • 532 

Weier 

• • 553 

Weierbach 

• • 57° 

Weiler  bei  Fischerbach 

• • 575 

Weingarten 

• ■ 554 

Welschensteinach  .... 

670 

Wiedergrün 

• ■ 333 

Willstett 

• • 27 

Windschläg 

• • 556 

Wittelbach 

• • 143 

Seite 

Wittenweier 145 

Wittichen 624 — 633 

Wolfach 672 — 694 

Zell  am  Harmersbach  . . . 557 — 570 

Zell  (Weierbach) 570 

Zierolshofen 28 

Zimmern 550 

Zunsweier 571 

Zusenhofen 333 


VERZEICHNIS 

DER 

ILLUSTRATIONEN 


AMT  KEHL 

1 Bodersweier.  Rundbogenfenster  und  Portal  der  Kirche 

2 Honau.  Holzskulptur:  Krönung  Mariä  in  der  Kirche 

3 Kehl.  Altarflügel  in  der  Kirche,  Vorderseite  . 

4 » Altarflügel  in  der  Kirche,  Vorderseite  . • • 

5 » Altarflügel  in  der  Kirche,  Rückseite  ■ • 

6 Linx.  Kirche 

7 » Wappen  über  dem  Portal  der  Kirche  . • • 

8 Rheinbischofsheim.  Bronzebeil  

9 Sand.  Inschrift  an  der  Pfarrkirche  

io  Willstett.  Ansicht  nach  Merian  1643 

! t » Kanzel  und  Altar  in  der  Kirche  . • • • 


•AMT  LAHR 


1 2 

13 

14 

15 

16 

17 

18 

19 

20 

2 1 

22 


Dinglingen.  Turm  der  evangel.  Pfarrkirche 

Friesenheim.  Epitaph  an  der  Kirche 

» Steinerner  Kellerladen  am  Haus  Nr.  2 . . • • 

Lahr.  Wappen  der  Stadt  . . • ■ 

» Plan  der  Stadt  

» Ansicht  der  Tiefburg  von  Südosten 

» Ansicht  der  Tiefburg  von  Nordwesten 

» Versuchsweise  Rekonstruktion  der  Tiefburg 

» Tiefburg  (sogen.  Storchenturm) 

» Bogenschießscharte  im  Storchenturm ' 

» Rippe  mit  Konsole  aus  dem  IV.  Stockwerk  des  Turmes  er 


bürg 

23  » Doppelfenster  im  Storchenturm  • ■ 

24  » Fenster  in  der  Tiefburg 

25  » Lahr  im  Jahre  1827  und  Lahr  vor  1643  • • • 

26  » Vogtstor  und  Vogtsvorstadt  am  Ende  des  18.  Jhs.  . 

27  » Alte  Straße 

28  » Ansicht  der  Stiftskirche  vor  dem  Jahre  1736  • ■ 

20  » Grundriß  der  Stiftskirche 


7io 


KREIS  OFFENBURG. 


Seite 

Fig.  30  Lahr.  Mittleres  Chorfenster  der  Stiftskirche 68 

31  » Kapitell  und  Kippenansatz  in  der  Stiftskirche 69 

32  » Pfeiler  im  Mittelschiff  der  Stiftskirche 70 

33  » Steinmetzzeichen  an  der  Stiftskirche 71 

34  » Vom  Mittelportal  der  Stiftskirche 71 

35  » Querschnitt  durch  die  östlichste  Langhaustravee  der  Stiftskirche  72 

36  » Längsschnitt  durch  die  Ostteile  der  Stiftskirche 73 

37  » Grabstein  der  Maria  Rebsoeckin  auf  dem  alten  Friedhof  ...  77 

38  » Rathaus  vor  1885 79 

39  » Altan  am  Rathaus 80 

40  » Stoessersches  Haus 81 

41  » Portal  vom  Hause  Marktplatz  Nr.  2 82 

42  » Haus  mit  Holzgalerie 83 

43  » Sturz  eines  ehemaligen  Brunnens 84 

44  » Hausanlage  Marktstraße  Nr.  53 85 

45  Burgheim.  Kirche  Ostansicht 89 

46  » Fenster  am  Turm  der  Kirche 90 

47  » Portal  der  Kirche 91 

48  » Gewändeprofil  vom  Portal  der  Kirche 92 

49  » . Der  h.  Christophorus.  Wandgemälde  in  der  Kirche  . . 91 

50  Meißenheim.  Vorgeschichtliches 93 

5 1 » Rocaille-Kartusche  in  der  Kirche 94 

52  » Die  Ruine  Hohengeroldseck 106 

53  » Die  Hohengeroldseck 1,1 1 

54  » Hohengeroldseck,  Plan  der  Ruine 113 

55  Hohengeroldseck.  Der  Südostpalas  vor  den  Konservierungsarbeiten  . 114 

56  » Der  Südostpalas  nach  den  Konservierungsarbeiten  . 115 

57  » Fenster  von  dem  Südostpalas 1 1 6 

58  » Fenster  im  Südostpalas 117 

59  » Ostgiebel  vom  Südostpalas 118 

60  » Inschrift  und  Wappentafel 118 

61  » Südliche  Burghofecke 119 

62  » Eingang  in  den  Treppenturm  des  Südostpalas  . . 120 

63  » Turmkrönung  und  Helmansatz  am  Treppenturm  des 

Südostpalas 120 

64  » Steinmetzzeichen  vom  Südostpalas  und  Treppenturm  1 2 1 

65  Schlittern.  Kirche 127 

65a  » Ansicht  des  Klosters  vor  seiner  Zerstörung 127 

66  » Turmfassade  der  Kirche 128 

67  » Die  unteren  Turmgeschosse  der  Kirche 129 

68  » Wappen  über  dem  Portal  der  Kirche 129 

69  » Kelch 13° 

70  » Madonnenstatue  am  Pfarrhaus 131 

71  » Ziehbrunnen  von  1623  132 


VERZEICHNIS  DER  ILLUSTRATIONEN.  7 j i 

Seite 

Fig.  72  Schlittern.  Figurenfragment 133 

73  » Türsturz 134 

74  Dautenstein  bei  Seelbach.  Plan  des  Schlosses 140 

75  Wittelbach.  Gewölberippe  mit  Konsole  im  Erdgeschoß  des  Turmes  . 143 

76  » Portal  der  Kirche 144 

AMT  OBERKIRCH 

77  Butschbach.  Bildstöckchen 150 

78  Fürsteneck.  Ruine 151 

79  Erlach.  Nördlicher  Seitenaltar  in  der  Kirche 152 

80  » Südlicher  Seitenaltar  in  der  Kirche 153 

81  Gaisbach.  Holzsäule  im  Nebengebäude  des  Schlosses 155 

82  » Türsturz 156 

83  » Schlußstein 156 

84  » Epitaph 157 

85  » Türsturz  von  der  Burg 157 

86  Schauenburg.  Plan  der  Ruine 164 

87  » Ruine,  Ansicht  von  der  Westseite 165 

88  » » nordwestlicher  Wohnturm 167 

89  » » Fenster  im  nordwestlichen  Wohnturm  . . . . 168 

90  » » Tür  in  den  nordwestlichen  Wohnturm  . . . 169 

91  » » nordwestlicher  Wohnturm,  Nordostecke  170 

92  » » Fenster  der  West-  und  Südseite 171 

93  » » südöstlicher  Wohnturm,  Fenster  im  IV.  Stock  . 172 

94  » » Reste  der  Kapelle 173 

95  » » Eckausbildung  an  der  südlichen  Bastion  . . . 175 

96  » » Zugbrückentorbau 174 

97  » » Ofenkachel 175 

98  » » Ofenkachel 175 

99  » » Ofenkachel 176 

100a  » » spätgotische  Ofenkachel 176 

100b  » » spätgotische  Ofenkachel 176 

1 00  c » » spätgotische  Ofenkachel 177 

101  » » Renaissancekachel 177 

102  Griesbach  im  Jahre  1645  (nach  Merian) 178 

103  S.  Wendelin,  Wallfahrtskapelle  bei  Oberkirch 180 

104  Lautenbach.  Grundriß  der  Kirche 183 

105  » Ansicht  der  Kirche  im  Jahre  1486 185 

106  » Madonna  mit  Kind  vom  Portal 187 

107  » Lettner 188 

108  » Hochaltar 191 

109  » Darbringung  im  Tempel,  Gemälde 192 

1 1 o » Detail  daraus 192 

Band  VII  46 


7X2 


KREIS  OFFENBURG. 


Seite 

Fig.  m Lautenbach.  Detail  daraus  (Der  Kerzenträger) 193 

1 1 2 » Beschneidung  Christi,  Gemälde 194 

113  » Detail  daraus 194 

1 1 4 » Anbetung  der  Könige,  Gemälde 195 

115  » Tod  Mariä,  Gemälde 197 

116  » Rechter  Seitenaltar,  offen 197 

117  » Ehemalige  Rückflügelbilder  vom  rechten  Seitenaltar  . . 198 

118  » Linker  Seitenaltar,  offen 197 

119  » Holzstatuette  der  Madonna 199 

120  » Glasgemälde 201 

12 1 » Glasgemälde 203 

122  » Glasgemälde 206 

123  » Glasgemälde 209 

124  » Madonenstatuette 211 

125  Allerheiligen.  Plan  des  Klosters  und  der  Ruine  von  1803 223 

126  » Grundriß  der  Klosterkirche 224 

126a  » Plan  der  Ausgrabungen  an  der  Klosterruine  1902  u.  1903  225 

127  » Vierungspfeiler  in  der  Klosterkirche 226 

128  » Kämpfer  der  Vierung  der  Klosterkirche 227 

129  » Wasserspeier  vom  Vierungsturm 228 

130  » Blick  in  die  Ostteile  der  Kirche 229 

131  » Chor,  Grundriß 230 

132  » Blendarkaden  der  südlichen  Chorwand 231 

133  » Kapitelle  und  Säulenfüße  der  südlichen  Chornische  . . 232 

134  » Nische  im  nördlichen  Querschiff 233 

135  » Fensterbank  im  nördlichen  Querschiff 234 

136  » Nordwand  des  nördlichen  Querschiffs 235 

137  » Säulenfuß  der  Chorpfeiler  und  Eingangstüre  zum  Treppen- 

türmchen des  nördlichen  Querschiffs 236 

138  » Wendeltreppe  des  nördlichen  Querschiffs 237 

139  » Kapelle  im  südlichen  Querschiff 238 

140  » Südliches  Fenster  der  Querschiffkapelle 239 

141  » Langhaus 240 

142  » Romanisches  Portal  der  westlichen  Vorhalle 241 

143  » Reste  von  dem  nördlichen  Seitenraum  der  Vorhalle  . . 242 

143a  » Fenster  der  Vorhalle 242 

144  » Gewölbeschlußsteine 243 

145  » Schlußsteine 244 

146  » Romanisches  Ornamentfragment 244 

147  » Schlußstein  und  Ornamentstücke 245 

148  » Schiffenster 246 

149  » Nach  vorhandenen  Resten  rekonstruiertes  Fenster  . . . 247 

. 150  » Klosterkirche,  im  Langhaus  gefundener  Steinsarkophag  . 248 

151  » » Tabelle  der  Steinmetzzeichen 249 


VERZEICHNIS  DER  ILLUSTRATIONEN.  713 

Seite 

Fig.  152  Allerheiligen.  Klosterkirche,  der  südwestliche  Vierungspfeiler  und  die 

in  das  Querschiff  führende  Arkade  . . 250 

153  » » Blick  auf  den  südwestlichen  Vierungspfeiler  252 

154  » » Blick  vom  südlichen  Querschiff  auf  den 

südwestlichen  Vierungspfeiler  . . . . 253 

155  » » Rekonstruktion:  Nordseite 254 

156  » » Querschnitt  durch  die 

Vierung 255 

157»  » » Querschnitte  . . 257 

158  » » » Längsschnitt  . 258 

159»  » » der  Ostteile  . . . . 259 

160  » » Portal  zum  Kreuzgange  und  Rippen- 

anfänger in  demselben 260 

161  » » im  Jahre  1732 262 

162  » » Docken  der  Einfassung  des  Klostergartens  263 

163  Nußbach.  Kirche,  Wandgemälde:  zwei  Evangelistensymbole.  . 267 

164  Oberkirch.  Straße  mit  Riegelhäusern 276 

165  » Türablauf  am  Gasthaus  »Zur  Linde« 278 

166  Oppenau.  Wappen  der  Stadt . . 282 

167  » Grundriß  der  Friedhofskapelle 283 

168  » Gewölbe  der  Friedhofskapelle 284 

169  » Schlußstein  in  der  Friedhofskapelle 284 

170  Peterstal.  Bad,  im  Jahre  1644 286 

1 7 1 Ramsbach.  Plan  der  Bärenburg 288 

AMT  OFFENBURG 

172  Appenweier.  Katholische  Pfarrkirche 300 

173  » Haus 301 

174  » Haus 302 

175  Bohlsbach.  Ehemaliger  Altarflügel  in  der  Kirche 306 

176  » Holzstatue  des  h.  Laurentius  in  der  Kirche 307 

177  Diersburg.  Plan  der  Ruine 312 

178  » Sockel  von  Bossenquadern  an  der  Ruine 313 

179  » Haupttor  der  Ruine 314 

180  » Fenster  von  der  Ruine 315 

181  Staufenberg.  Plan  der  Burg 321 

182  » Wappensteine  im  Burghof  ....  ..  ..322 

183  » Türe  in  den  Wohnbau 323 

184  » Fenstersäule  im  Wohngebäude  324 

185  » Glasgemälde 325 

186  » Glasgemälde  im  Wohngebäude 330 

187  Durbach.  S.  Anton 332 

188  Gengenbach.  Nach  einem  Aquarell .336 


Band  VII. 


47 


7i4 


KREIS  OFFENBURG. 


Seite 

Fig.  189  Gengenbach.  Inschrift  an  der  Mauer  beim  Prälatenturm 350 

190  » Plan  der  Stadt  mit  eingezeichneter  Mauer 351 

19 1 » Stadtbefestigung  im  Südwesten 352 

192  » Stadtmauer  mit  Rondell,  sogen.  Schwedenturm  . . . 353 

193  » Wehrmauer  im  Prälatengarten 354 

194  » Niklasturm 355 

195  » Vom  Niklasturm 356 

196  » Kinzigtorturm 357 

197  » Kinzigtorturm,  Erdgeschoß 359 

198  » Obertor  oder  Haigeracher  Tor-Turm 360 

199  » Ansicht  der  Kirche  von  Osten 365 

200  » Grundriß  der  Klosterkirche 374 

201  » Längsschnitt  durch  die  Klosterkirche 376 

202  » Klosterkirche,  Rankenornament  des  Gurtgesimses  . . 375 

203  » » Rankenornament  an  den  Kämpfern  der 

Säulen  und  Pfeiler 376 

204  » » Säulenkapitelle 377 

205  » » Säule  im  Langhaus 378 

206  » » Querschnitt 379 

207  » » Ostteile 380 

208  » » untere  Dekoration 381 

209  » » Westfassade 382 

210  » » Westfassade,  Kämpferstück  am  Hauptportal  383 

21 1 » Fenstervorzeichnung  an  der  Klosterkirche 383 

212  » Adler,  Relief  an  der  Klosterkirche 384 

213  » Fenster  von  der  Fassade  der  Klosterkirche 385 

214  » Romanische  Madonna  im  Giebel  der  Klosterkirche  . . 386 

215  » Turm  der  Klosterkirche 386 

216  » Eckausbildung  an  der  Klosterkirche 387 

217  » Steinmetzzeichen  an  der  Klosterkirche,  am  Niklasturm 

und  an  der  Einbethenkapelle 388 

218  » Der  Chor  der  Klosterkirche  vor  der  Restauration  . . 390 

219  » Ehemaliges  Chorgestühl  und  Orgel  in  der  Klosterkirche  392 

220  » Mittelfeld  am  unteren  Teil  der  ehemaligen  Orgel  der 

Klosterkirche 393 

221  » Ein  Stück  des  alten  Chorgestühls  der  Klosterkirche  . . 394 

222  » Heiliges  Grab  in  der  Klosterkirche 394 

223  » Die  Marien  am  Grabe,  vom  heiligen  Grab  in  der  Kloster- 

kirche   396 

224  » Giebel  des  Abteigebäudes  und  des  südlichen  Querschiffs  403 

225  » Abteigebäude,  Hofseite,  Fensterummalung 404 

226  » Klostergebäude,  Treppenhaus 405 

227  » » Tordurchgang 406 

228  » » Blick  in  das  Treppenhaus 407 


VERZEICHNIS  DER  ILLUSTRATIONEN.  715 

Seite 

229  Gengenbach.  Klostergebäude,  Geländer  der  Treppe  vom  ersten  zum 

zweiten  Geschoß 408 

230  » Inschrift  an  der  Martinskirche 410 

231  » Grabmal  des  Peter  Jüngel  an  der  Martinskirche  . . 414 

232  » Epitaph  des  Stattmeisters  Math.  Arnold  an  der  Martins- 

kirche   417 

233  » Epitaph  der  Eltern  des  Johann  Kuhn  an  der  Martinskirche  418 

234  » Grabstein  auf  dem  Friedhof 420 

235  » Grundriß  des  Rathauses ....  423 

236  » Ansicht  des  Rathauses 424 

237  » Amtsschild  der  Bürgermeisterkette 425 

238  » Bucheinband 426 

239  » Portal  der  Gewerbehalle  . . 427 

240  » Marktplatz  mit  Brunnen 428 

241  » Detail  vom  Marktbrunnen 429 

242  » Ehemaliges  Pfaffsches  Haus .430 

243  » Türvorbau  desselben 431 

244  » Details  von  demselben 432 

245  » Weiteres  Detail 433 

246  » Holztür  mit  Oberlicht ....  434 

247  » Tür  am  ehemals  Rineckschen  Hause  436 

248  » Straße 437 

249  » Fachwerkhaus  auf  dem  Gänsebühl 438 

250  » Ansicht  desselben  von  anderer  Seite 439 

251  » Uberputztes  Fachwerkhaus 440 

252  » Giebel  eines  Fachwerkhauses 441 

253  » Fachwerkgiebel 442 

254  » Löwenbergscher  Pavillon 444 

255  Hofweier.  Grundriß  der  Kirche „ 448 

256  Niederschopfheim.  Römische  Funde 452 

257  » Ansicht  der  Kirche  453 

258  Offenburg.  Ansicht,  Holzschnitt  vom  Ende  des  15.  Jhs 457 

259  » Ansicht  der  Stadt  im  Jahre  1644 468 

260  » Sandsteintorso  eines  römischen  Soldaten 477 

261  » Griff  eines  zweischneidigen  Schwertes 478 

262  » mit  seinen  Befestigungen  im  Jahre  1645  478 

263  » Plan  mit  eingezeichneten  Befestigungslinien 478 

264  » Reste  der  alten  Stadtbefestigung 479 

265  » Kath.  Pfarrkirche,  Grundriß 480 

266  » » » Turm 481 

267  » » » Inneres 482 

268  » » » Kanzel 484 

269  » » » Vortragskreuz,  Detail  der  Rückseite  . . 487 

270  » » » Grabmal  des  Jörg  von  Bach  ....  488 


47 


KREIS  OEB'ENBURG. 


7 1 6 


Seite 

Fig.  271  Offenburg.  Kath.  Pfarrkirche,  Grabmal  des  Schultheißen  Philipp  Berger  489 

272  » » » Grabmal  des  Caspar  Wydt  ....  491 

273  » Kruzifix  auf  dem  alten  Friedhof 492 

274  » Rest  eines  Portals,  an  der  Rückseite  des  Ölbergs  eingemauert  493 

275  » Schmiedeeisernes  Gitter 496 

276  » Franziskanerkirche,  Blick  auf  den  Hochaltar 497 

277  » Grundriß  der  alten  Kapelle  des  ehemaligen  Franziskaner- 

klosters   498 

278  » Innenansicht  derselben 499 

279  » Holzstatue  der  Madonna  in  der  Kapelle  des  ehemaligen 

Franziskanerklosters 500 

280  » Portal  des  ehemaligen  Andreasspitals 501 

281  » Portal  der  Kirche  des  ehemaligen  Andreasspitals  . . . 502 

282  » Grundriß  des  Rathauses .505 

283  » Ansicht  desselben 506 

284  » Mittelstück  der  Fassade 508 

285  » Kopf  des  Baumeisters  im  älteren  Teil  des  Rathauses  . 509 

286  » Grundriß  des  Amtshauses 512 

286a  » Mittelstück  der  Fassade  des  Amtshauses 512 

287  » Einhornapotheke 513 

288  » Schmiedeeisernes  Torgitter  am  Vincentiusgarten  . . . 515 

289  » Galerie  am  Hause  Ritterstraße  Nr.  12 516 

290  » Haus  Ritterstraße  Nr.  14 518 

291  » Details  dieses  Hauses 519 

292  » Judenbad.  Nach  einer  Aufnahme  von  1882  ...  520 

293  Ürtenberg.  Altarbild  in  der  Kapelle  am  Bühhveg 524 

294  » Laurentiusbild  in  der  Kapelle  am  Bühlweg 525 

295  » Aus  Schmalkalders  Skizzenbuch  von  1689 528 

296  » um  1830  530 

297  » » 1807  531 

298  » Plan  der  Burg 532 

299  » Der  Bergfried  der  Burg 533 

300  » Konsolen  an  der  westlichen  Umfassungsmauer,  Tür  in  den 

Jakobsturm  und  Steinmetzzeichen 535 

301  Reichenbach.  Romanischer  Türsturz  vom  Portal  der  Kirche  . . . 537 

302  Schutterwald.  Steinbeil  aus  der  Gegend 539 

303  Unterharmersbach.  Plan  der  Wallfahrtskirche  Maria  in  Ketten  . . . 545 

304  » Konsolen,  Steinmetzzeichen  und  Sakristeianbau  der 

Wallfahrtskirche  Maria  zur  Ketten 547 

305  » Gnadenbrunnen  vor  der  Wallfahrtskirche  549 

306  Zimmern.  Kirche,  Grundriß  und  Ansicht 551 

307  » Fenstermaßwerke  von  derselben 552 

308  Weingarten.  Grundriß  der  Kirche 555 

309  Zell  a.  H.  Plan  der  Stadt  mit  eingezeichneten  Befestigungen  . . 558 


VERZEICHNIS  DER  ILLUSTRATIONEN.  717 

Seite 

.310  Zell  a.  H.  Befestigung  im  Jahre  1689  ....  560 

31 1 » Torturm 561 

312  » Storchenturm 5^2 

313  » Turm  von  der  Südostecke  der  Befestigung 563 

314  » Reste  der  ehemaligen  Stadtbefestigung 564 

315  » Reste  der  alten  Stadtmauer 565 

316  Gutach.  Kirche 577 

317  » Schmiede 57^ 

318  » Schwarzwaldhaus,  Nr.  204 580 

319  » Hof  am  Bergle,  Grundriß 581 

320  » Ansicht  desselben 582 

321  » Bachhof,  Ansicht 583 

322  » Grundriß  desselben 584 

323  » Haus,  sogen.  Schlößle,  Ansicht 585 

324  » Grundriß  desselben 586 

325  Haslach.  Ansicht  der  Stadt  im  Jahre  1655  589 

326  » Plan  der  Stadt  im  Jahre  1690 590 

327  » Das  Obertor  am  Anfänge  des  19.  Jhs 591 

328  » Reste  der  ehemaligen  Stadtbefestigung 592 

329  » Plan  der  Stadt  mit  eingezeichneten  Befestigungen  . . . . 592 

330  » Ansicht  der  Stadt  nach  einem  Aquarell  von  1804  ....  593 

331  » Schießscharte  in  der  äußeren  Stadtmauer 594 

332  » Relief  im  Turmerdgeschoß  der  Pfarrkirche 597 

333  » Grabplatte  der  Anna  von  Fürstenberg 598 

334  » Fenster  mit  gemalter  Umrahmung  am  ehemaligen  Zehnthaus  604 

335  » Tür  an  einem  Privathaus 605 

336  » Marktbrunnen 606 

337  Hausach.  Grundriß  der  Stadt  mit  eingezeichneten  Befestigungslinien  . 608 

338  » Ansicht  der  Stadt 609 

339  » Ansicht  der  Ruine 610 

340  » Grundriß  derselben 611 

341  » Ansicht  der  alten  Kirche 613 

342  » Grundriß  derselben 614 

343  » Sakristeitür  in  derselben 6x5 

344  » Romanisches  Tympanon  an  derselben 617 

345  » Portal  des  Kaplaneihauses 619 

346  Wittichen.  Kanzel 627 

347  » Casel 630 

348  » Weitere  Casel 631 

349  » Gestickte  Decke 632 

350  » Portal  des  Abteigebäudes 633 

351  Kirnbach.  Aberlebauernhof,  Grundriß 637 

352  » Wohnstube  desselben 637 

353  » Konradsbauernhof,  Ansicht 638 


7i8 


KREIS  OFFENBURG. 


Seite 

Fig.  354  Kirnbach.  Grundriß  desselben 639 

355  » Hof  an  der  Molz,  Ansicht 640 

356  » Grundriß  desselben 641 

357  Mühlenbach.  Turm  der  Kirche 643 

358  Schenkenzell.  Kirche 650 

359  » Abgebrochenes  Haus 652 

360  » Plan  der  Burg 653 

361  » Längsschnitt  und  Querschnitt  durch  dieselbe  . . . . 654 

362  » Lichtluke  am  Palas  655 

363  » Palasfenster 655 

364  » Innenansicht  derselben 656 

365  Schiltach.  Ansicht  nach  Merian 658 

366  » Plan  der  Burg 659 

367  » Reste  der  alten  Stadtmauer 660 

368  » Plan  der  Stadt  mit  eingezeichneten  Befestigungen  ....  660 

369  » Rathaus 661 

370  » Fenstergruppe  von  demselben 662 

371  » Tür  am  ehemaligen  Jägerhaus ' 663 

372  » Gasthaus  »Zum  Adler« 664 

373  » Details  von  demselben  665 

374  » Desgleichen 666 

375  Steinach.  Gasthaus  »Zum  Adler« 669 

376  Wolfach.  Ansicht  der  Stadt  von  1655 677 

377  » Plan  der  Stadt  mit  eingezeichneten  Befestigungslinien  . . . 678 

378  » Grundriß  des  fiirstenbergischen  Schlosses 679 

379  » Eckturm  desselben 680 

380  » Tordurchgang 681 

381  » Wappen  von  dem  Schlosse 682 

382  » Decke  aus  demselben 683 

383  » Grundriß  der  Kirche 684 

384  » Südportal  derselben ...685 

385  » Steinmetzzeichen  und  Schlußstein  von  derselben  . . . . 686 

386  » Schmiedeeisernes  Kreuz 688 

387  » Ansicht  des  alten  Rathauses 689 

388  » Haus  mit  Erker 690 

389  » Konsole  unter  dem  Erker 691 

390  » Burgruine  Oberwolfach,  Plan 693 

391  Hubacker-Lautenbach,  Plan  der  Ruine  Neuenstein 701 


VERZEICHNIS 


DER 

TAFELN 


Tafel  I 

» II 

» III 

» IV 

V 

VI 

» Via 

VII 
» VIII 

» IX 

» X 

» XI 

» XII 

» XIII 

XIV 
» XV 

» XVI 

» XVII 

» XVIII 

» XIX 

» XX 

» XXI 

» XXII 

» XXIII 

» XXIV 


Der  Storchenturm  in  Lahr. 

Pieta,  Holzgruppe  aus  Kloster  Schuttern. 

Ruine  Schauenburg,  Ansicht  von  Südwesten. 

Lautenbach.  Portal  der  Kirche. 

» Gnadenkapelle. 

» Mittel  schrein  des  Hochaltars. 

» Rechter  Seitenaltar,  Außenseite. 

» Linker  Seitenaltar,  Außenseite. 

» Kruzifix. 

Allerheiligen.  Kapelle  Allerheiligen. 

Gasthaus  »Zur  Linde«  in  Oberkirch. 

Ehemaliges  Flügelgemälde  eines  Altars  in  der  Kirche  zu  Bohlsbach. 
Gengenbach.  Klosterkirche,  Blick  in  den  Chor. 

Gobelin  in  der  Klosterkirche  zu  Gengenbach. 

Offenburg.  Grabstein  eines  römischen  Kriegers. 

» Vortragskreuz,  Vorderseite. 

» Vortragskreuz,  Rückseite. 

» ölberg. 

» Amtshaus. 

Haigerach.  Casel. 

Haslach.  Grabstein  des  Götz  von  Fürstenberg. 

Hausach.  Blick  in  den  Chor  der  alten  Kirche. 

» Sakramentshäuschen  in  der  alten  Kirche. 

S.  Roman.  Sakramentshäuschen. 

Schenkenzell.  Palas  der  Burg  vom  Tal  aus. 


historische  härte  der  ortenau 

nach  dem  Zufland  um  die  Mitle  des  15  Jahrhunderts. 


I fynjjshein. 


oMünchrveier  oDör/inbach_ 

°ßft^hejmnüqsjer 

oSßl(pejghausen 


)KENZINGEN 


Mathematischer  Grundriß  der  Fürstlich  fürstcnhergischen  Herrschaft  Kinzigtal,  von  dem  Baseler  Bürger  Jakob  Mentzinger,  JÖJS,  kopiert  durch  August  Eckhardt  179b. 

( Aus  dem  Fürstlich  Jiirstenbergischen  Archiv.) 


FOLDOUT  BLANK 


Müllersche  Hofbuchdruckerei  in  Karlsruhe