DIE
KUNSTDENKMÄLER
DES
GROSSHERZOGTUMS BADEN
BESCHREIBENDE STATISTIK
IM AUFTRAGE
DES GROSSH ERZ Ö GLI CHEN MINISTERIUMS DER JUSTIZ
DES KULTUS UND UNTERRICHTS
HERAUSGEGEBEN
VON
GEH. HOFRAT DR. A. VON OECHELHAEUSER
PROFESSOR DER KUNSTGESCHICHTE AN DER
TECHNISCHEN HOCHSCHULE UND KUNSTAKADEMIE
ZU KARLSRUHE
UND
GEH. RAT DR. E. WAGNER
OBERSCHULRAT, DIREKTOR
DER GROSSH. SAMMLUNGEN FÜR ALTERTUMS-
UND VÖLKERKUNDE
UND GROSSH. KONSERVATOR DER ALTERTÜMER
SIEBENTER BAND
KREIS OFFENBURG
TÜBINGEN
VERLAG VON J. C. B. MOFIR (PAUL SIEBECK)
1908
GEH. RAT DR., DR. ING. JOS. DURM
PROFESSOR AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE
ZU KARLSRUHE
DIE
KUNSTDENKMÄLER
GROSSHERZOGTUMS BADEN
9
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DIE
KUNSTDENKMÄLER
DES
GROSSHERZOGTUMS BADEN
BESCHREIBENDE STATISTIK
IM AUFTRAGE
DES GROSSHERZOGLICHEN MINISTERIUMS DER JUSTIZ
DES KULTUS UND UNTERRICHTS
HERAUSGEGEBEN
VON
GEH. HOFRAT DR. A. VON OECHELHAEUSER
PROFESSOR DER KUNSTGESCHICHTE AN DER
TECHNISCHEN HOCHSCHULE UND KUNSTAKADEMIE
ZU KARLSRUHE
UND
GEH. RAT DR. E. WAGNER
OBERSCHULRAT, DIREKTOR
DER GROSSH. SAMMLUNGEN FÜR ALTERTUMS-
UND VÖLKERKUNDE
UND GROSSH. KONSERVATOR DER ALTERTÜMER
GEH. RAT DR., DR. ING. JOS. DURM
PROFESSOR AN DER TECHNISCHEN HOCHSCHULE
ZU KARLSRUHE
SIEBENTER BAND
KREIS OFFENBURG
TÜBINGEN
VERLAG VON J. C. B. MOHR (PAUL SIEBECK)
1908
DIE
KUNSTDENKMÄLER
DES
KREISES OFFENBURG
BEARBEITET
MAX WINGENROTH
MIT 390 TEXTBILDERN, 24 LICHTDRUCKTAFELN, 3 KARTEN
UND 52 WAPPENBILDERN
TÜBINGEN
VERLAG VON J. C. B. MOHR '(PAUL SIEBECK)
tgo8
THE GETTY CENTER
n dem vorliegenden VII. Bande des Inventarisationswerkes
werden die Kunstdenkmäler des Kreises Offenburg be-
schrieben, eines Kreises, der so ungefähr — mit einer
beträchtlichen Ausnahme im Norden, nämlich den Ämtern Achern
und Bühl — den ganzen Gau umschließt, der von alters her die Ortenau
genannt wird. Da die Lande, deren Kunstdenkmäler hier geschildert
werden, wohl mehr, als es bei den sonstigen Kreisen des Landes
der Fall ist, schon im Mittelalter ein einigermaßen zusammengehöriges,
historisches Ganze bilden, so glaubte ich diesem Umstande Rechnung
tragen zu müssen. Ich habe deshalb in einer Einleitung versucht, ein
Bild von der geschichtlichen und kunstgeschichtlichen Entwickelung der
Gebend zu eeben, ohne damit aber dem zünftigen Historiker Neues
bringen zu wollen. Dem Zwecke des Inventarisationswerkes gemäß
mußte ich von vornherein auf eigene historische Forschungen verzichten
und mich damit begnügen, das in den bekannten Werken und Zeit-
schriften Publizierte zu benutzen, um ein halbwegs deutliches Bild zu
gewinnen. Die kirchengeschichtlichen Abschnitte der Einleitung hat
Herr Professor Dr. J. SAUER in Freiburg auf meine Bitte verfaßt. Lim
dem Benutzer des Werkes die politische Gestaltung des Landes vor
Augen zu führen, habe ich eine Karte der Besitzverhältnisse in der
zweiten Hälfte des 15. Jhs. beigefügt. Der Historiker, nach dessen
Angaben sie auf meine Bitten angefertigt ist, will ungenannt bleiben.
Ich habe weiterhin eine Karte der ehemaligen Fürstlich Fürsten-
bergischen Herrschaft Kinzigtal beigegeben, die mir in dem Original
von 1655 und einer getreuen Kopie von 1795 in liebenswürdigster
Weise von dem Fürstlichen Archiv in Donaueschingen zur Verfügung
gestellt wurde. Da die Kopie ein besseres Resultat in der Wieder-
gabe versprach, so habe ich sie dafür gewählt. An die Einleitung
schließt sich eine Wiedergabe der für das ganze Gebiet, insbesondere
.Band VII.
II
VORWORT.
für dessen erhaltene Kunstdenkmäler, wichtigsten Wappen an, eine
Arbeit des Herrn HELD, Heraldiker am Großh. General-Landes-Archiv.
Vollständigkeit war bei diesem ebenfalls ersten Versuch nicht zu
erreichen ; es sollten die Beschreibung entlastet und den Einwohnern
der Gegend selbst hoffentlich willkommene Anhaltspunkte bei etwaigen
heraldischen Fragen gegeben werden. Die Wappen sind teils nach
Siegeln, teils nach den sehr schönen Darstellungen in Konrad
GrUNENBERGS Wappenbuch gezeichnet.
Endlich ist auch bei den einzelnen Orten ihre Geschichte aus-
führlicher gegeben, als es sonst in dem Werke — mit Ausnahme
einiger Abteilungen des Bandes IV — geschehen ist. Während der Ab-
fassung des Bandes fühlte ich mich durch die Erwägung dazu veran-
laßt, daß der Zweck desselben mit der einfachen Beschreibung nicht
ganz erreicht sei : es soll doch auch draußen im Lande die Liebe zu
den Denkmälern erwecken. Dazu aber glaubte ich den Denkmälern
richtiges Leben durch die Geschichte verleihen zu sollen. Insbesondere
bin ich auf die bauliche Entstehung der Städte näher eingegangen.
Auch hier, wie ich betone, ohne archivalische Forschungen, nur auf
Grund des vorliegenden Materials. Ebenso bei der Ortsgeschichte.
Der Fachmann weiß, wie schwierig hier die Verhältnisse liegen, wie
insbesondere im frühen und hohen Mittelalter nichts mit Sicherheit
zu behaupten ist. Noch fehlt uns, eben der ungeheuren Schwierig-
keiten halber, die so wünschenswerte Territorialgeschichte. Meine
Absicht war aber die: das Buch für den Benutzer im Lande draußen
brauchbar zu machen. Dem stehen nicht die literarischen Hilfsmittel
der großen Stadt zur Verfügung, er kann sich auch nicht neben diesem
schon kostspieligen Bande noch die wichtigen Werke KRIEGERS,
GOTHEINS, HEYCKS, RlEZLERS u. a. m. anschaffen. Ihm vor allem
soll mit diesen Abschnitten des Werkes gedient sein — ich bitte
den Fachmann, das bei der Beurteilung zu berücksichtigen. Es soll
dem draußen Wohnenden die Hilfsmittel der Bibliothek etwas ersetzen,
nicht mehr, vor allem nicht dem Gelehrten Neues bieten.
Die Beschreibung der prähistorisch-römisch-germanischen Denk-
mäler hat, wie immer, Herr Geheimrat Dr. E. WAGNER übernommen,
VORWORT.
III
seine Beiträge sind mit W. gezeichnet. Die kirchengeschichtlichen
Einleitungen bei Allerheiligen, Gengenbach, Schlittern, Wittichen
und Haslach entstammen wieder der Feder des Herrn Professor
Dr. J. SAUER und sind stets mit 5. gezeichnet. Alles andere stammt
von mir. Nur wo über den verantwortlichen Verfasser Unklarheit
entstehen konnte, habe ich mich durch Beisetzung eines Wth. kennt-
lich gemacht. Herr Professor Dr. J. SAUER hat auch die Liebenswürdig-
keit gehabt, die Korrekturen mit mir zu lesen. Einem nicht genannt
sein wollenden Gelehrten, der sich der gleichen Mühe unterzogen, sei
hiermit wie Herrn SAUER herzlichst gedankt.
Doch bin ich dadurch der Dankesschulden noch nicht ledig. Herr
'Oberbauinspektor HOFMANN in Offenburg hat in selbstlosester, hin-
gehendster Weise das Zustandekommen des Bandes befördert. Er
hat nicht nur seinen reichen Schatz an Zeichnungen zur Verfügung
gestellt, er hat bereitwilligst neue Aufnahmen gemacht, die ihm zur
Prüfung übersandten Grundrisse und Pläne kontrolliert und durch
zahlreiche Notizen sowie mit seinem regen Interesse mir geholfen.
Der Bezirkspfleger der Altertümer, Herr A. SlEFERT in Lahr, hat für
seine Vaterstadt und deren Umgegend seine reichen Kenntnisse mir
zufließen lassen und auf Reisen wie in reger Korrespondenz mich
unterstützt. Herr Professor STATSMANN in Straßburg hat mit mir
zusammen die Ausgrabungen in Allerheiligen geleitet, die dortigen
Aufnahmen gemacht, und wenn ich auch als Schreiber des Textes
allein dafür verantwortlich bin, so darf ich doch sagen, daß ihm
mit die wichtigsten Feststellungen über die Gestalt der Kirche zu ver-
danken sind. Herr Regierungsbaumeister a. D. O. LINDE in Baden-
Baden hat mir äußerst wertvolle Dienste geleistet, insbesondere auch
bei der Feststellung der Städtebefestigungen. Desgleichen haben die
Herren K. O. HARTMANN, jetzt Gewerbeschulrat in Stuttgart, und
Herr Kunstmaler C. SCHUSTER in Freiburg i. Br., die für das Werk
zeichneten, durch ihre Bemerkungen den Text gefördert. Ihnen allen
sei mein herzlichster Dank ausgesprochen. Dem Kaiserl. Legationsrat
Herrn Generalkonsul Freiherrn R. VON SCHAUENBURG sei für seine Bei-
hilfe bei der Beschreibung seiner Stammburg lebhaft gedankt, ebenso wie
i*
IV
VORWORT.
seinem ehrwürdigen Vater Freiherrn Emil VON SCHAUENBURG. Nicht
minder herzlich den Herren Direktor SUTTERLIN in Lahr, J. G. STRAUB
und A. ARMBRUSTER in Wolfach, Lindenwirt GELDREICH in Ober-
kirch sowie allen Behörden des Landes, insbesondere den Herren
Bürgermeistern und Pfarrern.
Die Zeichnungen sind von den obengenannten Herren HOFMANN,
Linde, Statsmann, Hartmann und Schuster angefertigt worden,
einzelne auch von Kunstmaler C. A. KOCH in Ulm. Einer Hand die
gesamten Aufnahmen zu übertragen, war bei der großen Anzahl nicht
möglich, es konnte daher in dieser Hinsicht keine künstlerische Ein-
heitlichkeit erreicht werden. Die Photographien haben Herr Hofphoto-
graph J. KRAEMER in Kehl und Hofphotograph W. KRATT in Karls-
ruhe aufgenommen, einige wenige auch Herr G. SALZER in Baden-
Baden. Die Lichtdrucke wurden von Herrn J. IvRAEMER in Kehl und
der Hoflichtdruckanstalt J. SCHOBER (K. OBRIST) in Karlsruhe her-
gestellt. Letztere Firma hat auch einen Teil der Autotypien und Zink-
hochätzungen geliefert, den größeren allerdings die Graphischen Kunst-
anstalten Meisenbach, Riffarth & Cie. in München.
Der C. F. MULLERschen Hofbuchdruckerei in Karlsruhe sei für
die Sorgfalt und Umsicht bei der Drucklegung des umfangreichen
Bandes der allerwärmste Dank ausgesprochen.
Von einer Teilung des starken Bandes in zwei Hälften mußte
diesmal aus verschiedenen Gründen noch abgesehen werden; doch
ist sie für den folgenden Band, Kreis Baden, bestimmt vorgesehen.
Karlsruhe, November 1907.
M. WINGENROTH.
EINLEITUNG.
Zur Ortenau wird im allgemeinen Sprachgebrauch der ganze Kreis Offen-
burg gerechnet, mit Ausnahme etwa des oberen Kinzig- und Gutachtales, dazu
vom Kreise Baden die Ämter Achern und Bühl sowie vom Kreise Freiburg
ein Teil des Amtes Ettenheim. Das Hanauer Ländchen gehört auch dazu, wie
es in den obigen Grenzen mit inbegriffen ist. Südlich und nördlich bilden die
Grenze die Bleich und die Oos, im Westen der Rhein, im Osten die Schnee-
schmelze des Schwarzwaldes.1) Es ist dies der geographische Begriff, den wir
mit dem Namen zu verbinden haben ; in der politischen Geschichte wird
darunter im engeren nur die Landvogtei verstanden.
In jenem geographischen Sinne also kann man ohne großen Fehler sagen,
daß in dem vorliegenden Bande die Kunstdenkmäler der Ortenau beschrieben
werden.
Wann aber kommt der Name auf und was bedeutet er? Er erscheint
zum erstenmal als Mordunowa 763, allerdings in einer Kopie bezw. Fälschung
von 1457, dagegen 768 sicher als Mordenaugia. Weiter heißt es dann Mordinuavia
(777), in pago Martinhauga 845 (Fälschung des n.Jhs.), in pagello Mortinau-
ginse 861, Mortonogowa 866, Mortunowa 888. Ich muß hier darauf .ver-
zichten, all die verschiedenen Formen anzuführen, die der Name im Lauf der
Jahrhunderte angenommen hat, und verweise dafür auf Kr i eger.2) Mit dem
Ende des 15. Jhs. verliert der Name seinen Anlaut und nähert sich seiner
heutigen Form; es heißt 1466 in der Ortnow, 1504 in der Ortenaw, 1507 noch
in der Ortenaw und Mortenaw. Von dem 16. Jh. aber verschwindet die letztere
Form und wir hören nur noch von der Ortenau.
Von einer sagenhaften Erklärung des Namens, die lange beliebt war, hat
uns Münster in seiner »Cosmographey«3) berichtet. »Die Mortnaw ligt an
einem gebirg,« schreibt er, »rinnt die kintzig dardurch, hat vorzeiten die ortnaw
geheißen, aber von wegen der Mörder, deren etwann viel darinn gewesen,
besonder am dorff Humbßfelden, das am Rhein ligt, hat es diesen nammen die
Mortnaw bekommen.« Münster spielt hier auf ein Ereignis seiner Zeit an.
1) Kolb, Topographisches Lexikon von Baden III, S. 41, und Birlinger, Rechtsrhein.
Alemannien, S. 40.
2) Krieger, Topographisches Wörterbuch des Großherzogtums Baden, Bd. II2, S. 434.
3) Basel 1574, dccxiiij.
VI
EINLEITUNG.
Damals hauste in dem Dorf Hundsfeld eine Mordbande, die endlich vernichtet
werden konnte: das Dorf wurde 1580 verbrannt und die Gemarkung mit der
Gemarkung Eckartsweier vereinigt. Damit brachte man nun den merkwürdigen
Namen des Landes zusammen. Eine richtige Erklärung desselben scheint bis
jetzt nicht gefunden worden zu sein. Mortun- scheint vordeutsch. Die Deu-
tungen von Vierordt1 (= Moorgegend), Förstemann2 (= Au des Morto)
und Birlinger3 (— kelt. »Mori-dunum«, »Murridunum«) befriedigen nach
Krieger nicht.
❖ %
Über die Besiedelung des Landes in prähistorischen Zeiten möge man aus
den Mitteilungen des Geheimrat Wagner bei den einzelnen Fundorten das
Nötige entnehmen, ebenso über die römischen und frühgermanischen Funde.
Es kann hier nicht versucht werden, daraus ein Gesamtbild zu gewinnen, da
unser Gebiet keine besonderen Schicksale erlitten hat und man also geradezu
die Geschichte der gesamten badischen Lande erzählen müßte. Es sei daher
nur an die wichtigsten Tatsachen erinnert.
Noch im 2. Jh. unserer Zeitrechnung war die linke wie die rechte Rhein-
ebene der Sitz einer reichen Kultur. Kelten und zwar Helvetier waren ihre
Träger, und nach dem angewandten Material gehörte die Kultur der Bronzezeit
an und zwar der sogen. La Tene-Periode. Die Kultur scheint ziemlich hoch
entwickelt gewesen zu sein: »der Ackerbau war überall durchgeführt, eine große
gewerbliche Kunstfertigkeit ausgebildet, und dem Verkehr dienten zahlreiche
gebahnte Wege, die zwar nicht mit Steinoberbau versehen, aber an feuchten
Stellen durch Holzeinlagen gefestigt waren.«1)
Im Laufe des 3. und 2. Jhs. v. Chr. scheinen diese Kelten -Helvetier das
Land nach und nach geräumt zu haben, so daß es ziemlich verlassen dalag
und in der geographischen Überlieferung die Bezeichnung Helvetier -Wüste
sich einbürgerte, mochte auch die Räumung nicht so vollständig gewesen sein,
als es dem Wort nach klingen möchte. Wie Fabricius in der obencitierten
Schrift darstellt, auf die ich ausdrücklich hinweisen möchte, mögen dann von
den Cimbern und Teutonen, als diese den verhängnisvollen Zug nach Italien
antraten, sich einzelne Scharen losgelöst haben, in der Rheinebene zurück-
geblieben sein, nach der Niederlage ihrer Stammesgenossen sich in die Helvetier-
Wüste gerettet und in Miltenberg eine Zuflucht gefunden haben.
Damit beginnt die Wiederbesiedelung des Landes, das immer mehr von
wandernden Germanenscharen heimgesucht wurde. Nach der Niederlage Ariovists
durch Cäsar haben einige der Völkerschaften, die ihm gefolgt waren, auf das
östliche Rheinufer sich zurückgezogen, darunter auch Markomannen, doch wissen
wir nicht, wo z. B. letztere sich niedergelassen und ob sie überhaupt zur Seß-
!) Die Besitznahme Badens durch die Römer, von E. Fabricius, Neujahrsblatt der Bad.
histor. Komm. 1905, S. 17.
EINLEITUNG.
VII
haftigkeit übergegangen sind. Durch den Sieg Casars war das Vordrängen der
Germanen ins Stocken gekommen, und der Rhein blieb zunächst die Grenze.
Da unsere Vorfahren es aber liebten, zwischen sich und den Nachbarn Ödland
zu lassen, so dürfen wir an keine große Besiedelung des Landes denken. Die
ersten 70 Jahre unserer Zeitrechnung lag unser Land ziemlich verlassen da,
zumal Rom nach der Teutoburger Schlacht auf eine Ausdehnung seiner Macht
über den Rhein verzichtete. Auch Rom wußte es zu schätzen, daß zwischen
ihm und den unruhigen Germanen nur wenig bewohntes, ödes Land war, und
versagte noch i. J. 58 die Ansiedelung. Unter Vespasian aber trat eine Änderung
in dieser Politik ein, sein Werk ist die Besitzergreifung unseres Gebietes, der
Vorstoß erfolgte in den Jahren 73 und 74 unter dem Befehlshaber des ober-
germanischen Heeres, Cn. Pinarius Cornelius Clemens, der damals, noch während
des Krieges, eine Militärstraße von Straßburg aus über den Rhein durch das
Kinzigtal und über den Schwarzwald hinweg bis zur Donau erbauen ließ. In
Offenburg haben sich steinerne Dokumente derselben erhalten. An dieser Straße
lagen wohl die ersten römischen Ansiedelungen im Lande oder Lager, deren
Spuren wir eben in Offenburg wie in Gengenbach und Haslach finden. Hinter
Schiltach erstieg die Straße, heute noch deutlich sichtbar, die Höhe. Das Land,
dessen Wiederbesiedelung nun in die Wege geleitet wurde, ist wohl als kaiser-
liche Domäne behandelt worden — soweit es nicht von abhängigen Germanen
bewohnt war — , deren Teile verpachtet wurden: so entstanden die Dekumaten-
äcker. Das rechtsrheinische Gebiet aber wurde mit der Provinz Germania
Superior vereinigt. In der Zeit Trajans erfolgte dann der Ausbau des inneren
Straßennetzes; damals (etwa 100 n. Chr.) wurde die Bergstraße angelegt, die am
Fuße des Gebirges in nordsüdlicher Richtung die Rheinebene durchzieht, wohl
bis zum Rheinübergange bei Augusta-Raurica, Basel-Augst, führte und sich in
Offenburg mit der Kinzigtalstraße kreuzte. An ihr liegen denn auch die weiteren
Fundstätten unserer Gegend, so Dinglingen.
In der zweiten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. scheinen die Germanenvölker von
neuem in Bewegung geraten zu sein; es erfolgten die ersten Vorstöße gegen
das römische Gebiet, und dieses Drängen nahm nun stetig zu. 213 erfolgte der
erste große Ale manne neinfall, notdürftig wurde Frieden geschlossen, der
Grenzwall aufs äußerste verstärkt, was aber natürlich im Kriege nutzlos war.
Dem erneuten Sturme der Alemannen 235 hielt er nicht stand, ein Teil der
Kastelle ist schon damals zerstört worden, nur mit Not wurden die wichtigsten
Punkte über das Jahr 250 hinaus gehalten. »Seit dem Jahre 260 aber war das
Land auf der rechten Seite des Rheins dem römischen Reiche für immer
verloren.« x)
Die Römer mögen zuerst das Christentum in unsere Lande gebracht haben,
und es sei versucht, seinen Spuren, den Anfängen unserer Kirchengeschichte
1) Fabricius, S. 88.
VIII
EINLEITUNG.
zunächst einmal nachzugehen. (Wth.) So wenig aber sich eine einheitliche und
lückenlose Darstellung der geschichtlichen Entwickelung der Kirche im Bereiche
von Baden geben läßt, so wenig oder noch viel weniger läßt sich der kirchen-
geschichtliche Verlauf für einen Teil von Baden in ein einheitliches, geschlossenes
Bild zusammenfassen. Hier noch weit mehr als bei der Rekonstruktion des
Geschichtsverlaufes in dem erst neuerdings zur geographischen Einheit gewordenen
Baden zerfällt die Darstellung der Vergangenheit in Einzelbetrachtungen, zwischen
denen oft genug kein innerer Zusammenhang besteht und auch bezüglich der
äußeren Fakta große und bedauerliche Lücken gähnen. Die Aufgabe des Kirchen-
historikers stellt sich demnach erst recht als ein »colligere fragmenta« dar; und
oft genug muß er, namentlich für die älteste und interessanteste Zeit, die all-
gemeinen geschichtlichen Verhältnisse des gesamten Gebietes als typisch auch
für dessen einzelne Teile zu Hilfe nehmen.
Daß das Christentum bereits unter römischer Okkupation wie im Deku-
matenland überhaupt so auch im heutigen Baden Eingang gefunden hatte, wird
heute kaum mehr zu bestreiten sein, wie auch Hauck die Wahrscheinlichkeit
dieser Annahme anstandslos zugibt.1) Diese älteste Christianisierung unserer
Lande muß aber lokal wie quantitativ sehr beschränkt gewesen sein ; sie bestand
in der Hauptsache wohl nur aus einigen Ansiedelungen von Christen in den
römischen Niederlassungen. Schon die Spärlichkeit irgendwelcher monumentaler
Zeugnisse zeigt das mit wünschenswerter Klarheit. Aus der ganzen vorkonstan-
tinischen Zeit hat Baden nur ein einziges Dokument von christlichem Charakter
aufzuweisen : das gnostische Amulett, das in den Ruinen von Badenweiler
gefunden wurde. Der gnostisch-christliche Mischmasch seines Inhaltes ist eine
charakteristische Probe von den synkretistischen Strömungen jener Übergangs-
zeit, denen ja schließlich auch der weitverbreitete Mithraskult angehört. In dem
Gemeng von griechischen und lateinischen Worten und Namen ist jene Amulett-
umschrift zudem noch ein deutlicher Hinweis darauf, daß die ältesten Träger
und Vertreter des Christentums bei uns vielfach dem östlichen Reichsgebiet
angehörten. Ein sehr großer Prozentsatz der ältesten christlichen Grabinschriften
bezieht sich auf syrische oder sonstige orientalische Kaufleute; und einem solchen,
vielleicht auch einem ausgedienten, wohl ägyptischen Militär mochte das Baden-
weilerer Beschwörungstäfelchen gehört haben.2)
Etwa unter Kaiser Gallienus (260 bis 268) dürfte das Dekumatenland und
damit auch Baden den Alemannen zugefallen sein, und zeitweilig dehnte dieser
Stamm seinen Besitz noch weit über das linke Rheinufer nach Rätien und Gallien
hinein aus. Im 3. und 4. Jh. konnten verschiedene Erfolge der Römer unter den
*) Hauck, Kirchengesch. Deutschlands I (1904), S. 94.
2) Vgl. über diesen jetzt ;n den Karlsruher Sammlungen befindlichen Gegenstand Kraus,
Christi. Inschriften der Rheinlande I, S. 7 ff., wo die frühere Literatur verzeichnet und verwertet ist;
ferner Kunstdenkmäler von Baden, Kreis Lörrach, S. 91, und Cabrol, Dictionaire d’arch. ehret. I
(Paris 1905), p. 1837.
EINLEITUNG.
IX
Kaisern Probus, Julianus und Valentinianus wenigstens die Rheinlinie als Grenze
sichern, aber aus dem rechtsrheinischen Gebiet konnten die Alemannen nicht
mehr verdrängt werden, und im 5. Jh. drangen sie überall über den Rhein südlich
und westwärts vor. Am Ende dieses letzteren Jahrhunderts jedoch scheint ihre
Expansionskraft an der kompakteren Masse der Franken sich gebrochen zu
haben. Ein zweimaliger blutiger Waffengang entschied zuungunsten der Ale-
mannen; sie erkannten jetzt die Oberherrschaft der Franken an, während ein
Teil sich südlich auf das Gebiet des Ostgotenkönigs Theoderich, etwa die heutige
Schweiz, zurückzog, geschieden vom fränkischen Alemannien wohl durch den
Rhein, 536 aber gleichfalls an die Franken kam. Die Alemannen waren zur
Zeit dieses letzteren Ereignisses, als Volksstamm betrachtet, sicherlich noch
Heiden. Vereinzelte Christen hat es aber jedenfalls schon gegeben. Die enge
Berührung mit den Ostgoten scheint da und dort dem Arianismus schon im
5. Jh. Eingang verschafft zu haben, wenigstens berichtet Eugippius (Vita Severini
c. 19) von einem arianischen Alemannenherzog Gibuld. Wenn sich von den
römischen Anfängen des Christentums im Dekumatenland etwas noch nach der
Rückeroberung durch die Alemannen erhalten hat, so kann es nur ein kümmer-
liches Dasein gefristet haben und wohl auch nur in der Nähe der linksrheinischen
Bistümer Augst, Windisch, Straßburg, die, wie man annehmen darf, die Stürme
dieser Umwälzungen überdauert haben. Die nationale Antipathie gegen die
Römer machte am Anfang sicher jegliche Annäherung der »immanis natio« an
das von jenen vertretene Bekenntnis unmöglich. Dagegen haben ohne Zweifel
die unaufhörlich im 4. und 5. Jh. über den Rhein bis tief ins romanisierte Gallien
unternommenen Beutezüge zahlreiche christliche Kriegsgefangene ins alemannische
Gebiet gebracht. Als der Herzog Rando zu Anfang des 5. Jhs. Mainz überfiel,
führte er die gerade beim Gottesdienst versammelten und wehrlosen Christen
»cum supellectili non parva« mit sich.1) Im 6. Jh. müssen sich diese immerhin
dürftigen Anfänge schon bedeutend konsolidiert haben; denn das aus dem Ende
dieses Jahrhunderts stammende alemannische Gesetzfragment hatte in einer
Bestimmung auch christliche Verhältnisse im Auge; allerdings dürfte um diese
Zeit, wenn wir dem Zeugnis des Agathias Glauben schenken, der Alemannen-
stamm als Ganzes noch heidnisch gewesen sein,2) insofern er noch Basiliken
und deren Metallbedachung auf Raubzügen nach Oberitalien plündert und Pferde-
opfer darbringt. Auch für Columban ist das Alemannenvolk noch zu Anfang
des 7. Jhs. heidnisch.
In diese Übergangszeit hat man die Anfänge der Christianisierung der
germanischen Bevölkerung in Baden zu verlegen und auch die ersten spär-
lichen Zeugnisse dafür. Das wichtigste und älteste ist der Silberlöffel, der in
einem Grab bei Sasbach am Kaiserstuhl gefunden wurde. Solche Funde sind
9 Ammianus Marcel! XXVII, io. 2.
2) Agath., Hist. II, i ; I, 7.
X
EINLEITUNG.
auch sonst noch im alemannischen Gebiet gemacht worden, wie in Sierck, in Metz,
in Sindelfingen, Espweiler, Gültlingen und Heilbronn. Die Bedeutung solcher
Löffel kann meines Erachtens eine sehr verschiedene sein, und auch die ins
Grab mitgegebenen könnte man zunächst als einfach aus dem Profangebrauch
stammende Grabbeigaben zu betrachten geneigt sein. Indes trägt der Sasbacher
Löffel den Namen Andreas mit der späteren, seit der Mitte des 4. Jhs. vor-
kommenden Form des Monogramms Christi. Und auch anderwärts begegnen
uns Apostelnamen — denn anders ist wohl der Name Andreas nicht zu deuten J) —
wie Johannes, Matthias, Matthaios, Marcos, Lucas auf Löffeln. Im Kirchenschatz
zu Auxerre werden aus dem frühen Mittelalter zwölf Apostellöffel zusammen
genannt. Wiederholt werden auch Stiftungen von Löffeln für Kirchen erwähnt.
Die Beziehung solcher Kirchenlöffel auf die zwölf Apostel wie auch die Tat-
sache, daß in der griechischen Liturgie die h. Kommunion mittels eines Löffels
gespendet wurde, dürften doch wohl genügende Grundlage sein, diesem Gegen-
stand eine liturgische Bedeutung zuzuschreiben. Man hat allerdings darauf
hingewiesen, daß die römische Kirche den Gebrauch eines Löffels bei der Messe
nicht kennt, ja ihn im Gegensatz zur griechischen Kirche verwirft. Dabei hat
man aber übersehen, daß die älteste Liturgie in Gallien-Germanien nicht römisch,
sondern gallikanisch war und die engste Beziehung zum Orient hatte, wie auch
die Liturgien von Ravenna und Mailand. Gerade in Oberitalien aber wird uns
mehrfach die liturgische Rolle des Löffels durch literarische wie monumentale
Zeugnisse verbürgt. Wie hat man sich aber die Mitgabe solcher Löffel ins Grab
zu erklären? Hofrat Schliz, der den Heilbronner Fund bearbeitet hat,2)
betrachtet den Löffel als Beutestück aus christlichem Gebiet, das den heidnischen
Germanen als geheimnisvoller Zauber mit ins Grab gegeben wurde. Nun fand
sich der Heilbronner Löffel zusammen mit einem interessanten Elfenbeindiptychon
im Grab eines Alemannen. Im Boden des Löffels ist die Inschrift Posenna vivas
eingegraben. Ein anderer Löffel, der in Espweiler gefunden wurde, trägt auf
der Kehrseite die Inschrift Luciliane vivas zwischen zwei auf blühenden Zweigen
sitzenden Tauben. Gerade die letztere Inschrift mit ihren auf das Paradies und
seine Freuden hinweisenden Symbolen schließt meines Erachtens jede andere
außer der Funeralbedeutung aus. Das Vivas ist eine der ständig wiederkehrenden
Grabformeln der Christen, die Weiterführung des Wortes des Herrn: Qui credit
in me, vivet et non morietur in aeternum. Diesem auf dem biblischen Wort
sich aufbauenden Abschiedsgruß gab man noch einen besonderen Nachdruck,
indem man den Toten durch den liturgischen Gebrauch geheiligte Gegenstände
mit ins Grab gab. Sie sollten als Amulette im guten und erlaubten Sinn die
Grabesruhe der Verstorbenen gegen alle dämonische Zudringlichkeit sicherstellen.
*) Nur wenn man die frisch-freie, von allen geschichtlichen Voraussetzungen absehende Inter-
pretationsmanier F. M o n e s besitzt, kann man darin auch den Namen des Goldschmieds sehen
(Die bildenden Künste in Baden XIV, 37).
a) Histor.Verein Heilbronn, Bericht aus den Jahren 1900 bis 1903, Heft VII (Heilbronn 1904), S.23fl.
EINLEITUNG.
XI
Das häufige Vorkommen des Löffels in Gräbern scheint mir demnach geradezu
die ursprünglich liturgische Bedeutung solcher Löffel zu bestätigen. Wie man
den Leichen oft Goldgläser, die vorher bei den Agapen gedient, wie man ihnen
selbst gegen das ausdrückliche Verbot der Kirche die Eucharistie selbst mit ins
Grab gab, so gewiß auch die Utensilien, die bei der Ausspendung der eucha-
ristischen Gestalten ehedem gedient hatten. Wie somit die zwei Löffel von
Heilbronn und Espweiler unzweifelhaft einem Christen und zwar aus einem
christlich-religiösen Motiv ins Grab beigelegt wurden, so müssen wir auch bei
den anderen im alemannischen Gebiet in Gräbern der gleichen Zeit gefundenen
Löffeln dieselbe Bedeutung annehmen.
Im Laufe des 7. Jhs. wuchsen sich die vorher noch spärlichen Anfänge des
Christentums rasch aus, dank einer Anzahl bemerkenswerter Umstände. Schon
der Verkehr alemannischer Großen am fränkischen Hofe führte diese früh bereits
dem Christentum zu;1) sodann haben die Grenzbischofsitze sicherlich auch das
Ihrige zur weiteren Ausbreitung des göttlichen Samenkornes getan. Am nach-
haltigsten aber wirkte der Einfluß der Franken selbst. Dadurch, daß den Franken
offenbar infolge der verschiedenen Siege über die Alemannen eine große Anzahl
Krongüter zufielen, war Gelegenheit geboten und auch durchweg ausgenutzt,
auf alemannischem Boden bei den einzelnen fiskalischen Höfen Kirchen zu
errichten, in denen wir wohl die Uransätze zur Gemeindeorganisation zu erblicken
haben. Es ist denkbar, daß Gotteshäuser wie die Severinskirche bei Denzlingen,
die Kirche in Burgheim bei Lahr u. a. auf solche Anfänge zurückreichen. Der-
artige frühfränkische Kirchen tragen zum Teil heute noch ihren Ursprungs-
stempel in ihrem Patronus an sich. Ein sehr großer Prozentsatz der ältesten
Kirchen ist dem fränkischen Nationalheiligen Martinus geweiht, andere dem
h. Hilarius von Poitiers oder anderen fränkischen Heiligen wie dem Remigius,
Vincentius, Germanus, Leonhard, Urbanus, Pancratius. In nicht wenigen Tituli
und Patronen spiegeln sich auch die orientalischen Elemente der gallikanischen
Liturgie der Franken wieder, wie im Titulus des Kreuzes (Ebersweier, Münch-
weier, Offenburg), der wohl von Poitiers aus zu uns kam, oder in dem sehr oft
vorkommenden Patronat des Erzengels Michael. Man bringt ihn gewöhnlich mit
irgendeiner germanischen Gottheit in Zusammenhang,2) indes wie erklärt man
sich dann das Vorkommen des h. Michael überall da, wo orientalische Liturgie
oder ihre Einflüsse wirksam waren (Ravenna, Süditalien, Küste von Gallien)?
Dabei soll keinen Augenblick bestritten werden, daß nicht nebenher auch Rück-
sichten auf altgermanische Kultstätten da und dort die Wahl gerade dieses
Patrons bedingt haben, vor allem wenn solche Kirchen, wie in Riegel, Unter-
grombach, bei Heidelberg, in Haigerach, auf Anhöhen lagen. Gerade bei letzteren
ist aber stets im Auge zu behalten, daß es sich sehr oft einfach nur um eine
1) Vgl. Agathias I, 7.
2) Bossert, Württemb. Kirchengesch. (Calw 1893), S. 15 ff.
XII
EINLEITUNG.
Nachahmung des Mont Michel in der Normandie handelt. Im Patronatsverhältnis
des h. Michael zu vielen etwas späteren Kirchen ist sein doppelter Charakter
sodann verkörpert, einmal der Charakter eines Seelengeleiters (des »signifer
sanctus Michael, qui repraesentet animas in triem sanctum«), den man um ein
gutes Geleit in der Commendatio animae wie im Totenoffizium anrief (daher
Patron der Kirchhofkapellen), sodann der Charakter des streitbaren Gottes-
kämpfers, der als Schlachtenherr und Bannerheiliger der Deutschen früh schon
nachweisbar ist (daher oft Patron von Burgkapellen). *)
Weit mehr aber als all die genannten Momente trug zur Grundlegung und
Organisierung des Christentums die unter der Anregung und politischen Unter-
stützung der Frankenkönige sich vollziehende, durch professionelle Missionäre
systematisch vorgenommene Christianisierung im 7. und 8. Jh. bei. Uber eine
Anzahl der ältesten bei uns wirksamen Mönchmissionäre, wie Fridolin, Landolin,
Trudpert, berichten nur spätere Legenden, deren historische Zuverlässigkeit nicht
durchweg gesichert ist ; viel besser ist der h. Columban bekannt, der im süd-
westlichen und südlichen Gebiet Alemanniens tätig war und durch die Gründung
seines Schülers, S. Gallen, auch in Baden bis tief nach Norden durch weit aus-
gedehnten Besitz Einfluß bekam, wie sich aus den zahlreichen altes S. gallisches
Gebiet meist anzeigenden Galluskirchen* 2) ersehen läßt. Diese Sendboten des
Christentums waren fast durchweg Iroschotten. Völlig verschieden von den
fränkischen Mönchen, die wie die orientalischen Asketen ein völlig aktionsloses
Leben führten und in keiner Weise Einflußnahme auf ihre Umgebung anstrebten,
brachten diese Insulaner alle Erfordernisse eines Missionarius Apostolicus mit:
vor allem Unerschrockenheit allen Gefahren und Entbehrungen gegenüber und
einen rastlos unsteten Waiidertrieb. In dieser nomadenhaften Gestaltung des
ältesten germanischen Christentums bei uns ist auch der Grund zu suchen, wes-
halb keinerlei monumentale Erinnerungen von der römischen Übergangszeit bis
herauf ins 9. Jh. bei uns erhalten sind.
Die ältesten und zahlreichsten klösterlichen Zentren des Frühchristen-
tums in Baden sind in Mittelbaden, in der Mortenau, zu suchen. Die Einwirkung
von fränkischem Gebiet aus auf dem Weg über Straßburg ist hier unverkennbar;
außerdem scheint gerade dieser Teil des badischen Landes dem fränkischen
Einfluß ganz besonders unterstellt gewesen zu sein. Wir haben hier in geringer
Entfernung voneinander die Gründungen von Ettenheimmünster, Schuttern, Gengen-
bach, Honau und Schwarzach, wovon die zwei ersteren vielleicht noch ins 7. Jh.
hinab reichen, während die anderen sicher in der ersten Hälfte des 8. Jhs. ent-
standen sind. Das Gebiet scheint zu einem großen I eil fiskalisch gewesen zu
sein; so dürfte es erklärlich werden, weshalb dem Frankenkönig unterstellte Ale-
B Andere alte Michaelskirchen in unserm Kreise sind in Appenweier, Honau, Sand, Schutter-
zell, Unterharmersbach.
2) Im Kreis Offenburg in Hofweier, Ottenheim, Oberharmersbach.
EINLEITUNG.
xin
mannenherzöge oder auch fränkische Gaugrafen wie Rudhardus oder Adeibert
mit der Gründung von Schwarzach und Gengenbach bezw. von Honau, d. h. mit
deren Dotierung, in Beziehung gebracht und weshalb sehr viel später Heinrich II.
diese Klöster, wie Schuttern und Gengenbach, dem neugegründeten Bistum Bam-
berg zuweisen konnte. Und auch weiterhin treten uns hier Inhaber von Reichs-
lehen und eine enge Verquickung der Schicksale dieser Gegend und ihrer Klöster
mit der Reichspolitik entgegen.
In ihren Anfängen waren diese klösterlichen Niederlassungen (Ettenheim-
münster und Schuttern, vielleicht auch noch Honau) ursprünglich Einsiedeleien,
so wie wir es auch von den Anfängen des Klosters Münster in Gregorienthai
(Elsaß) wissen. Eine feste, für alle Lagen bindende Regel scheint nicht bestanden
zu haben; auch die Einwirkung auf die umwohnende Bevölkerung dürfte, nach
den kümmerlichen Nachrichten zu schließen, nicht sehr groß gewesen sein.
Solche Niederlassungen bestanden entweder für sich (Schwarzach, Honau, Etten-
heimmünster) oder knüpften an schon vorhandene civile Gemeinden an (wie in
Schuttern und wohl auch in Gengenbach). Möglich, daß die nationale Sonderart
dieser Iren oder, wie sie im damaligen Sprachgebrauch hießen, Schotten, eine
Annäherung mindestens erschwerte; erst allmählich ist wohl auch der Einheimische
solchen Niederlassungen beigetreten. Aber noch in den Tagen Ludwigs des
Frommen zeigen uns die Klosterlisten einen großen Prozentsatz Iroschotten.
Eine gründliche Reform dieser Mönchsgründungen und damit eine Herbeiführung
einheitlich geordneter und gefestigter Zustände erfolgte durch die Einführung
der Benediktinerregel im ersten Viertel des 8. Jhs. Diese Reform ist in der
Hauptsache das Werk Pirmins (gest. 753), der außer verschiedenen elsässischen
Klöstern bei uns Gengenbach, Schwarzach und Schuttern gründete bezw. der
neuen Regel zuführte.
Auf die innerkirchlichen Verhältnisse in den alemannischen Landen wirft
das in der ersten Hälfte des 8. Jhs. entstandene Stammesgesetz scharfe Streif-
lichter.1) Das Volk ist der Hauptsache nach christlich, enthält aber noch einen
größeren Prozentsatz Heiden. Den kirchlichen Personen und Einrichtungen ist
überall die erste Stelle eingeräumt, aber das moralische Niveau ist, wie sich
aus all den Bestimmungen ergibt, ein nicht sehr hohes. Die Kirchen scheinen
klein und sogar ohne das sonst übliche Atrium gewesen zu sein, so daß Asyl-
suchende sich in das Innere flüchten mußten. Im übrigen war das kirchliche
Leben völlig schon organisiert ; es werden uns Bischöfe ebensowohl wie Presbyter
und Diakone bezeugt. Für uns kommt hier allein das Bistum Straßburg, dessen
Grenzen teilweise mit denen des nördlichsten Teiles alemannischer Lande zu-
sammenlaufen, in Betracht. Der badische Teil dieses Bistums, der offenbar erst
nachträglich, infolge der Missionierung, hinzukam, umfaßte die drei Landkapitel
■*■) Vgl. die Ausgabe von K. Lehmann in Mon. Germ. Legg. V S. 1 (Hannover 1888), dazu
Hauck, Kirchengesch. Deutschlands I, S. 343 ff.
XIV
EINLEITUNG.
(Lahr, Offenburg, Ottersweier), die das sechste Archidiakonat (seit 12. Jh. nach-
weisbar) des Bistums, Ultra Rhenum,1) bildeten. In der frühesten Zeit begegnen
uns in Honau Chorbischöfe, die zugleich Äbte waren. Ihnen kamen offenbar für
einen Teil dieses rechtsrheinischen Sprengels in Unterordnung unter den eigent-
lichen Stadtbischof gewisse Rechte für das Land zu; der spätere »Chorbischof«
ist dann nur identisch mit Archidiakon und partizipiert als solcher an der Ver-
waltung der Diözese. (S.)
* *
❖
Uber die innere wirtschaftliche und politische Geschichte des
Landes unter den Alemannen und Franken steht noch so wenig gesichert fest,
daß wir nur mit äußerster Vorsicht einige Andeutungen geben können. Zur
Zeit, als die ersten Alemannenscharen sich zum Anstürme gegen das Deku-
matenland rüsteten, dürften ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Ordnungen im
ganzen noch dem von Tacitus gezeichneten Bilde nahegestanden sein.2) Schon
zu Cäsars Zeit macht sich der Übergang von einer rein militärischen zu einer
landschaftlichen Gliederung bemerkbar, wenn wir von den angeblich ioo Gauen
der Sueben hören, von denen jeder angeblich 1000 Mann zur Heerfahrt stellte
und ebenso viele zu friedlicher Arbeit daheimließ. 3) »Zu Tacitus’ Zeit war der
Gau bereits zu einem räumlich abgegrenzten Gebiete geworden.« 4) Auch die
sonstigen militärischen Gliederungen, von denen wir wissen, galten für Rechts-
und Wirtschaftsleben, so die Abteilung in Hundertschaften und die untersten
Abteilungen der Sippschaften. Zur Zeit des Tacitus scheinen Sippennieder-
lassungen bereits existiert zu haben, die aus einem oder mehreren Höfen
bestanden.
Durch die römischen Geschichtschreiber hören wir aus der Epoche, da
die Alemannen die rechte Rheinebene besetzt hatten, von vielen gleichzeitigen
Gaufürsten oder Königen, besonders zu den Zeiten Julians, aber von den Namen
der einzelnen Gaue erfahren wir nur wenige, so den des Breisgaus. Mit der
Zeit verwischte sich die Sonderstellung der Gaue sowie ihre landschaftliche
Abgrenzung, und statt der früheren Vielzahl von Fürsten und Königen finden
wir im 5-Jh. bei den Alemannen nur einen Herrscher.5) Auch dieser Zusammen-
schluß aber war nicht mein; im stände, den übermächtigen Ansturm der Franken
zu bekämpfen. In zwei Feldzügen — wie jetzt angenommen wird, allerdings
nicht ohne Widerspruch — wurden die Alemannen unterworfen; der Kampf
*) Vgl. Baumgartner, Gesch. und Recht des Archidiakonates der oberrheinischen Bistümer
(Stuttg. 1907), S. 74.
2) K. Weller, Die Besiedelung des Alemannenlandes, Württemberg. Vierteljahrshefte NF.
VII (1898), S. 300.
3) Ebenda, sowie Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte 2, S. 18 ff. Waitz,
Deutsche Verfassungsgeschichte l3, S. 212 ff. Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittel-
alter I2 (1880), S. 1489 ff.
4) Weller a. a. O. S. 307.
5) Siehe auch Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte I2, S. 128.
EINLEITUNG.
XV
von 496 brachte nur eine leichte Abhängigkeit, nach einer Erhebung der Ale-
mannen am Anfang des 6. Jhs. aber wurden dieselben abermals besiegt, ihr
König und Adel fielen in der Schlacht, und die Alemannen wurden nun stark
nach Süden zurückgedrängt, obgleich sie sich dem Schutze des Ostgotenkönigs
Theoderich übergaben; die neue Grenze wurde nach altgermanischem Brauch
aufs genaueste festgelegt,1) sie zog vom Hohenasperg aus in unseren Landen
»nach einer südlichen Ausbuchtung, die den nördlichen Schwarzwald noch den
Franken zuwies, in die Gegend der Hornisgrinde, von hier die Oos entlang über
den Rhein«.2)
Die Besiedelung des Landes durch die Alemannen hat sich in unseren
Gegenden so ziemlich auf die Ebene, auf die Bergabhänge und das große
Kinzigtal beschränkt, der Schwarzwald blieb im allgemeinen frei, ja im Renchtal
sind bis jetzt nicht nur keine prähistorischen und römischen, sondern auch nicht
die geringsten alemannischen oder fränkischen Funde gemacht worden.
Die Alemannen scheinen sich ähnlich den anderen deutschen Völkerschaften
in größeren Haufen gemeinsam angesiedelt zu haben, wie das ja auch natürlich
ist, und zwar nach Familien und Sippen. Ebenso ergibt sich von selbst aus
der Sachlage, daß in den einzelnen Seitentälern sich auch Einzelhöfe fanden.
Bei der Anlage von größeren Siedelungsstätten scheint man die römischen
Wohnorte gemieden zu haben, »deren Ackerland man jedoch gerne benutzte;
die Wohnplätze liegen nicht auf der Stätte der römischen Gebäulichkeiten,
sondern in einiger Entfernung von denselben«.3) Mit dieser Regel scheint mir
übereinzustimmen, was ich in der Geschichte der Stadt Offenburg angedeutet
habe. Während nämlich das römische Kastell, das auch Fabricius hier ver-
mutet, allen Funden nach an der Stelle der erst im 12. Jh. erwähnten mittel-
alterlichen Stadt gelegen haben muß, ist das Kinzigdorf, das früh als Dingstätte
der Grafschaft auftritt, nördlich davon gelegen, wir dürfen in ihm wohl eine
frühe Alemannenansiedelung vermuten. Gleichermaßen haben sich römische
Reste auf dem Kastelberg bei Gengenbach gefunden, und wenn wir alten An-
gaben trauen dürfen, ist das spätere Kloster auf den Trümmern eines immerhin
möglichen römischen Kastells errichtet worden, während die früheste germanische
Ansiedelung weiter westlich lag, wo noch der Titulus der alten Pfarrkirche
ad S. Martinum auf frühfränkische Zeit zurückgeht. Die alte germanisch-gallische
Bevölkerung ist durch die Alemannen teilweise vernichtet oder in die Gebirgs-
täler verdrängt worden, in welch letzteren sie sich noch lange erhalten haben
mag, gerade im unteren Kinzigtal, in Gengenbach und W elscheristeinach haben
wir interessante Anhaltspunkte dafür.
1) Weller a. a. O. S. 325. von In am a- S t e r n e gg , Deutsche Wirtschaftsgeschichte I (1879),
S. 29 ff.
2) Weller a. a. O. S. 326.
3) Ebenda S. 333.
XVI
EINLEITUNG.
Mit Sicherheit einzelne Orte unseres Gebietes auf alemannische Gründung-
zurückzuführen, scheint nicht möglich, jedenfalls lassen sie sich nicht von den
Gründungen in der fränkischen Zeit unterscheiden. Nach den Erwähnungen und
ihrem Namen gehen aber ungefähr folgende Orte ziemlich in die Anfänge des
Mittelalters hinauf : im Amt Achern : Gamshurst, Sasbach, Wagshurst ; im Amt
Bühl: Breithurst, Schwarzach, EMzhurst; im Amt Kehl: Auenheim, Bodersweier,
Freistett, Hausgereut, Kork, Willstett; im Amt Lahr: Burgheim, Dinglingen,
Friesenheim, Schopfheim, Ottenheim, Wittelbach; im Amt Oberkirch: Stadel-
hofen, Urioffen; im Amt Offenburg: Appenweier, Biberach, Bohlsbach, Ebers-
weier, Gengenbach, Griesheim, Harmersbach, Nordrach, Ortenberg, Staufenberg,
Waltersweier, Windschläg; im Amt Wolfach: Steinach;1) wozu aber bemerkt
werden muß, daß in dieser Aufführung weder Vollständigkeit erstrebt noch
zwischen alemannischer oder fränkischer Gründung unterschieden, noch überhaupt
der Ursprung vor dem 8. bis 9. Jh. mit Sicherheit behauptet werden kann.
Südlich von der genannten schwäbisch-fränkischen Grenze ist der Ausbau
des Landes jedenfalls ganz von den Alemannen ausgegangen, und die Franken
hatten als Volksstamm keinen Anteil daran,2) doch findet bei der Abhängigkeit
von den Franken natürlich in gewissem Grade ein Eindringen derselben statt.
Vor allem aber dringt unter den Merowingern ein Teil fränkischen Rechtes in
die alemannische Gerichtsverfassung ein, so in der Grafschaftsverfassung,
die charakteristisch für das merowingische Reich ist. In den Zeiten des Stammes-
herzogtums wurden diese Grafen wohl von dem Herzog ernannt.3) Bis in das
8. Jh. nämlich erhielt sich dieses Herzogtum, das schon bei der Einverleibung
unter Theudebert I. bestand und eine bedeutende Macht besaß, aber von der
Zentralgewalt des Reiches abhängig war ; gegen das Ende seines Bestehens nur
erscheint es fast völlig selbständig.
In den Kämpfen der beiden Königinnen Brunhild und Fredegund tritt der
Alemannenherzog Uncelin auf, später der tapfere Gotfrid, der den merowingischen
Hausmeiern ziemlich zu schaffen machte, ihm folgt wahrscheinlich 4) Villehari,
gegen den Pippin der Kleinere mehrere Züge unternehmen mußte, dann Lant-
frid I., Theobald und endlich Lantfrid II., der von demselben Pippin endgültig
(748) niedergeworfen wurde, womit auf längere Zeit das Stammesherzogtum
beseitigt war; die Grafen wurden von nun an direkt von der Zentralgewalt
ernannt. Sie sind die eigentlichen Provinzialbeamten, die einzigen öffentlichen
Beamten ihres Sprengels; vom König auf Lebenszeit ernannt, konnten sie von
ihm abgerufen oder abgesetzt werden. In der Regel ist der Bezirk des Grafen
der Gau. Solche aber kannte man nicht in Alemannien; schon seit der zweiten
Hälfte des 5. Jhs. begegnen uns die alten Gaue nicht mehr. Auch gab es hier
*) Siehe auch Schul tze a. a. O. XXXII ff.
2) Weller a. a. O. S. 33 1 .
3) Ebenda S. 332.
4) Vielleicht auch nur in der Ortenau (s. unten).
EINLEITUNG.
XVII
keine römischen civitates, die man zu Grafschaftsbezirken machen konnte ; also
faßte man eine Anzahl von Hundertschaften zusammen und bildete so die Amts-
sprengel der Grafen, die aber vor dem 8. Jh. noch keinen festgesetzten Umfang
hatten, für jeden Fall vielmehr besonders festgestellt wurden. Eine Festlegung
wäre ja auch eine Minderung der Rechte des Stammesherzogs gewesen, der
aus seinen Verwandten oder Vertrauten den Grafen ernannte. Nach dem Auf-
hören des Herzogtums ändert sich das, die Grafen unterstehen nun direkt der
fränkischen Regierung, und die feste Abgrenzung der einzelnen Grafenbezirke
wird, wie im übrigen Frankenreich, auch hier durchgeführt.1) Erst seit der
Mitte des 8. Jhs. erscheinen so die Gaue in den Urkunden, zunächst die
Bertholdsbaar am oberen Lauf des Neckars und der Donau, die Ortenau — seit
763 genannt — , als Gau erstmals bezeichnet 845. Im Jahre 700 hören wir ferner
in der Vita s. Desiderii von dem obengenannten Herzog Villehari: »ad fines
Alamannorum ad locum cuius vocabulum est Mortenaugia, ubi dux praeerat
Williarius,« wobei möglicherweise es sich nicht um einen Stammesherzog handelt,
sondern nur um einen Herzog der Ortenau (?), vielleicht um einen »dux«, einen
hauptsächlich militärischen, höheren Beamten als der Graf, dessen Sprengel
stets mehrere Grafschaften umfaßt,2) der aber zugleich Graf eines Gaues sein
kann. Direkt als Gaugraf bezeichnet wird dann zu Zeiten des Königs Arnulf
ein Ebarhard.3) Im Jahre 926 wird ein Graf Bernold erwähnt und als Malstätte
das oben schon besprochene »oppidum« »Chincihdorf«. 961 bis 1003 erscheint
in den Urkunden als Gaugraf Cuonrad,4) dazwischen aber 994 ein Graf Cuno.
1007 hören wir dann von dem »comitatu Hessini comitis«, endlich gelangt die
Grafschaft an die Zähringer, und zwar an Bezelin, der 1016 genannt wird, denn:
»in comitatu Bertoldi in pago Mortinowa« wird man wohl mit Heyck auf ihn
beziehen,5) da sein Sohn die Grafschaft erbt. Unter den Zähringern wird nun
auch das bisher noch wüste Renchtal besiedelt. Als dann Bertold I. die Herzogs-
würde erhielt, gab er die Grafschaft der schwäbischen Gaue auf, da das Ver-
hältnis zu dem Herzog von Schwaben, Rudolf von Rheinfelden, nunmehr doch
lästig wurde, und so treten andere Grafen auf, 1064 ein Wernhard, 1070 ein
Luitfrid.6) Dieser wird genannt in einer Urkunde, in welcher der Franke Sieg-
fried sein Gut Ulm mit Ulmburg dem Bischof von Straßburg schenkt, gelegen
»in pago Mortinowa in comitatu Chinzihdorff et Otenheim«. Man hat aus dieser
merkwürdigen Bezeichnung der Grafschaft mit zwei Dingstätten auf eine Teilung
der Ortenau in zwei Grafschaften geschlossen, wogegen sich Th. Müller in
*) Hier wie im vorhergehenden folge ich Wellers Darlegungen.
2) Gebhardt a. a. O. I2, S. 164.
3) Krieger, Topograph. Wörterbuch II2, S. 435, sowie Schultze, Die Gaugrafschaften
des alemannischen Badens.
4) Schultze a. a. O. S. 4 und Grandidier, Oeuvres inedites II, S. 34.
5) Heyck, Geschichte der Herzoge von Zähringen, S. 13.
®) Heyck a. a. O. S. 31. Schultze a. a. O. S. 4. Mitteil. d. Inv. f. Österr. Geschichts-
forschung V, S. 406. Würdtwein NS. VI, S. 243.
Band VII.
II
XVIII
EINLEITUNG.
einem Aufsatze gewendet hat. ’) Wie dem auch sei, scheint es doch, daß gleich
nachher wieder nur eine Grafschaft bestanden hat, die als letzter Burkard von
Staufenberg innehatte, der auf der gleichnamigen Burg über Durbach residierte
\
und bis 1092 regierte. Aus welchem der bekannteren Dynastengeschlechter er,
sein Bruder Bertold, die späteren Heinrich, Konrad und Adalbert stammten, ist
bisher noch nicht mit Sicherheit festgestellt worden. Mit ihm hört wahrscheinlich
die Gaugrafschaft auf. Im 12. Jh. hatten die Zähringer bis zu ihrem Aussterben
die Ortenau inne, wie es scheint als Lehen des Bistums Bamberg; nach dem Aus-
sterben des Herzogshauses nahm der große Hohenstaufe Friedrich II. das Land
wieder an sich, sein Vogt residierte auf Ortenberg. Die kaiserlichen Gerecht-
same wurden von nun an durch einen kaiserlichen Landvogt ausgeübt ; der Sitz
desselben bezw. seines Vertreters war sicher schon 1233 die Burg Ortenberg,
»der Stein« Ortenberg, auf dem später jährlich zweimal das kaiserliche Hof-
gericht abgehalten wurde. Ihm war der Rest der Grafschaft und des Reichs-
gutes unterstellt, soweit es von den Erwerbungen der großen Dynasten und des
Bistums Straßburg unberührt war. Der Landvogt des Reiches war zugleich der
Kastvogt des Klosters Gengenbach. Doch scheint in den Kämpfen Friedrichs II.
mit dem Papst, in den Wirren, die das Reich damals durchmachte und die von
allen Seiten zur Machtvergrößerung benutzt wurden, die Bedeutung der alten
Grafschaft bezw. Landvogtei sehr geschwunden zu sein, andere Mächte spielten
jetzt die erste Rolle in der Geschichte der Ortenau. Neben den Ansprüchen
der Erben des Zähringer Herzogshauses, der Grafen von Urach, war es das
Dynastengeschlecht der Geroldsecker, welches damals auf seinem Höhepunkt
stand; in dem sogen. Hanauer Land (etwa Amt Kehl) aber konsolidierte sich
im 13. Jh. die Macht der Herren von Lichtenberg, die Reichsstädte der Ortenau
erkämpften sich ihre Selbständigkeit. Ehe wir indes auf diese Verhältnisse näher
eingehen, müssen wir einen Blick auf die kirchliche Entwickelung werfen, zumal
die Klöster, insbesondere Gengenbach und Schuttern, als politische Faktoren
noch vor den weltlichen Mächten in Betracht kamen. (Wtk.)
* *
*
Die Besiedelung des Landes durch die Alemannen, deren Unterwerfung
unter die Franken und die dadurch bedingte eigenartige Entwickelung der ältesten
Christianisierung hat auch einen Niederschlag aufzuweisen in dem Patronat
der ältesten Kirchen. Außer den fränkischen und orientalischen Elementen,
welche die nationale Provenienz dieser Missionierung kennzeichnen, sind als
Kirchenpatrone ganz besonders beliebt die Apostelfürsten, oft noch neben Maria,
Georg (Berghaupten, Gaisbach, Willstätt; als Patron von Burgkapellen und des
Ritterstandes auf Schloß Staufenberg) oder Johannes Evang. und Bapt., Stephanus.
Th. Müller, Beiträge zur Geschichte der Ortenau I, Graf Burkard von Staufenberg und
die Grafen der Ortenau, Z. NF. 8, S. 419 ff.
EINLEITUNG.
XIX
Die Bevorzugung solcher Kirchenpatrone ist ein wertvoller Hinweis auf den
Geist dieses ältesten Kirchentums, auf die engen Beziehungen zu Rom, mit dem
Angelsachsen wie das Frankenland in regem Verkehr standen. Namentlich
mußten die Pilgerwallfahrten an die heiligen Stätten von selbst den Wunsch
wecken, auch in der Heimat ähnliche Kultorte zu besitzen. Nur so läßt sich
meines Erachtens befriedigend die Tatsache erklären, daß die Apostelfürsten
zusammen so häufig in dieser Frühzeit als Patrone von Kirchen Vorkommen.1)
Es ist gar nicht ausgeschlossen, daß sie mancherorts erst nachträglich hinzu-
gefügt worden sind, eventuell in der Pirminschen oder Winfridschen Reform, um
dadurch ein Bekenntnis der Zugehörigkeit zu Rom monumental festzulegen; so
erhält auch die Häufigkeit von Doppelpatronaten, an denen sehr oft Petrus und
Paulus beteiligt sind (Honau, Burgheim bei Lahr, Schwarzach, Schuttern u. a.),
eine natürliche Motivierung. Andererseits hat offenbar auch Straßburg, und
dieses wohl unmittelbar, durch seine Kirchenpatrone auf die Auswahl der
Heiligenpatronate Einfluß gehabt. So ist es leicht denkbar, daß das Patronat
des h. Stephanus (Reichenbach), des h. Nikolaus (Griesheim, Altdorf, Haus-
gereute, Eckartsweier, Freistett, Gamshurst, Seelbach, Unterentersbach), des
h. Hilarius (Weilersbach), des h. Michael u. a. auf solche Anregung von seiten der
bischöflichen Kirche zurückgeht; auch das Doppelpatronat der Heiligen Nabor und
Felix (Oberweier bei Lahr) scheint aus dem Elsaß, wo bei Rosheim eine gleiche
Kirche war, zu uns verpflanzt worden zu sein. Auch die Heiligen Arbogast
(Marlen, Haslach), Gangolph (Offenburg), Aper (ebenda), Leodegar (Oberschopf-
heim, im Elsaß Patron von Murbach, Masmünster, Münster im Gregoriental,
Niedermünster) dürften aus dem Elsaß infolge der Zugehörigkeit zur Straßburger
Diözese übernommen worden sein. Von Honau erhielten wohl Urioffen und
Niederschopfheim die h. Brigida als Patronin. Außer diesen äußeren Motiven
ist die Wahl dieses oder jenes Heiligen in der Frühzeit meist auch noch bedingt
durch eine innere Bezugnahme auf gewisse Bedürfnisse der Menschen oder der
Gemeinde; derart wurde der h. Nikolaus gerne an Flüssen gewählt als Patron
der Fischer; später überhaupt ganz allgemein infolge seiner großen Volkstüm-
lichkeit und als mildtätiger Wohltatenspender verehrt. Nicht weniger beliebt
waren die Patrone gegen Krankheiten (Rochus, Quirinus, Sebastian), der Vieh-
zucht (Antonius der Einsiedler in Antogast, Schuttertal ; Wendelinus) ; am
Schlüsse des Mittelalters waren für die Auswahl entweder das Vorhandensein
hervorragender Reliquien, die Erinnerung an berühmte Wallfahrten (Jakobus,
Michael), der Bestand von Bruderschaften oder besonders gnadenreichen An-
dachten (Georg, Katharina, Ursula, Barbara u. a.), die Zugehörigkeit zu den in
Leibes- und Seelennöten besonders verehrten 14 Nothelfern bestimmend (Georg,
Erasmus, Pantaleon, Dionysius, Achatius, Ägidius, Katharina, Blasius, Vitus,
Christophorus, Cyriacus, Eustachius, Margareta und Barbara).
*) Vgl. hierüber auch meine Zusammenstellung im FDA. NF. VIII (1907), S. 231 ff.
II*
XX
EINLEITUNG.
Sehen wir von dem schon im früheren Band behandelten Kloster Ettenheim-
münster ab, das aus der Einsiedelei des nur legendarisch bekannten h. Landolin
sich herausentwickelte, so ist im Mittellande Schuttern die älteste klösterliche
Niederlassung, gegründet allen Nachrichten zufolge von Angelsachsen und noch
vor dem 8. Jh. und, wenn wir aus der ältesten Bezeichnung Offoniswillare,
nicht -cella, Schlüsse ziehen dürfen, in einem schon bestehenden Gemeinwesen.
In den zwanziger Jahren des 8. Jhs. sehen wir auch hier die Benediktinerregel
dank dem Eingreifen des h. Pirmin einziehen. Aus der Bruderschaftsliste, die
ioo Jahre später bei der Aufnahme Schutterns in die Gebetsverbrüderung der
Reichenau angefertigt wurde, sowie aus anderen historischen Dokumenten ersehen
wir, daß das Kloster eine angesehene und stark besiedelte Reichsabtei war, die
aber, wohl weil sie ursprünglich aus Reichsgut dotiert wurde, erst durch Otto II.
das Recht einer freien Abtswahl erhalten konnte und die nach mancherlei Schick-
salsschlägen 1009 an das neugegründete Bistum Bamberg als Lehen vergabt wurde.
In welcher Weise das hier besonders klar in die Erscheinung tretende Kastvogtei-
system in die inneren Verhältnisse des Klosters eingriff und wie sich dessen Ver-
hältnisse überhaupt im Laufe des Mittelalters gestalteten, wird man weiter unten
nachlesen können. Das Kloster Honau wurde ungefähr um 720 von dem Grafen
Adalbert und dem Abt Benedikt gegründet.1) Es war eine ausgesprochene
Schottenniederlassung; die Namen der meisten ältesten Äbte sind durchaus irisch:
Duban, PIgidan, Forgal, Adalloch u. a. Bemerkenswert ist außerdem, daß die
sechs ersten Äbte (Benedictus, Duban, Stephan, Beatus, Egidan, Thomas) in
Urkunden2) den Charakter eines Bischofs erhalten. Sie können aber nichts anderes
gewesen sein als Regionarbischöfe, die gewisse weniger bedeutende bischöfliche
Funktionen neben dem Ordinarius in einem Landsprengel oder auch nur in
ihrer Klosterniederlassung ausüben durften.
Wenn die Überlieferung als Gründer bald den Adalbertus dux, einen Sohn
Ettichos, nennt, bald den Bischof und Abt Benedict,3) eine Differenz, die uns
auch bei Gengenbach begegnet, so läßt sie sich leicht auf eine einheitliche Tat-
sache zurückführen, insofern Benedict als der seine Niederlassung begründende
Missionär oder Peregrinus zu fassen ist, Adalbertus als der eventuell in königlichem
Auftrag handelnde Stifter, der das Besitztum anweist. Jedenfalls unterlag die
Abtswahl bis zum Jahre 884 der Bestätigung des Königs; erst damals sprach
Karl der Dicke auf Anregung eines Klostervogtes die Freiheit des Besitzes und
der Abtswahl aus. Noch im 8. Jh. hatten sowohl Pippin wie Karl der Große
die ursprünglichen Güterzuwendungen auf beiden Seiten des Rheines neu be-
*) Vgl. Sickel, Acta regnum et imperatorum Karolingorum II (Wien 1876), S.216. — Gran-
didier, Hist, de l’dgl. et des 6veques-princes de Strasb. I, S. 398 — 410, und CEuvres in^dites I,
S. 157 — 165. — Hauck, Kirchengesch. Deutschi. I (1904), S. 305.
2) So eine Urkunde Pippins etwa um 748 (Mon. Germ., Diplom. I), S. 106; Böhmer-
M Uhlbach er, Regesta Imperii I, Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern I, Nr. 60.
8) Eine Urkunde Karls des Großen vom Jahre 775. Böhmer-Mühlbacher a. a. O. S. 185.
EINLEITUNG.
XXI
stätigt und um ein beträchtliches vermehrt und in jeder Weise ihre Gunst den
von den Einheimischen nicht immer freundlich behandelten Fremden bezeugt.
Einen Besitzstreit zwischen Honau und Corvey ließ Karl der Große 870 in
Schlettstadt durch die Kreuzprobe zugunsten des ersteren entscheiden. Die
weitere Geschichte des Klosters interessiert hier weniger, da sie sich auf Besitz-
nachrichten beschränkt. Ende des n.Jhs. wurde es in ein weltliches Chor-
herrenstift verwandelt, 1290 wegen Bedrohung durch den Rhein nach Rheinau ver-
legt und 1398 aus dem gleichen Grund mit Alt -S. Peter in Straßburg vereinigt.1)
Ungefähr um die gleiche Zeit wie Honau entstand auch das Kloster in
Gengenbach, offenbar inmitten einer bürgerlichen Niederlassung. Als Gründer
nennt die Tradition den Ruthardus dux und auch Pirmin, wobei wohl das gleiche
Verhältnis anzunehmen ist wie in Honau. Nach der Reichenauer Verbrüderungs-
liste ist es in der ersten Hälfte des 9. Jhs. eine stark besiedelte Niederlassung.
Wie Schuttern kam auch Gengenbach zu Anfang des n.Jhs. an das Bamberger
Bistum.
Von diesen drei klösterlichen Ansiedelungen sind es namentlich Schuttern
und Gengenbach, die auch wesentlich den Gang der kirchengeschichtlichen
Entwickelung während des ganzen Mittelalters bestimmen. Nicht nur daß sie
für Urbarmachung der Gegend erfolgreich tätig waren, daß sie durch überreiche
Zuwendungen und Privilegienverleihungen immer mehr ihre Macht festigten und
ausdehnten und schließlich bis zu einem Grade, daß heftige Konflikte mit anderen
Instanzen sich daraus ergaben: viel bedeutsamer ist es, daß ihr Verhältnis zum
Reich auch die Wogen der großen Kämpfe der deutschen Kaiser hierher lenkte.
Welche Haltung Schuttern im Investiturstreit einnahm, entzieht sich unserer
Kenntnis, da die Chronik gerade für diese 100 Jahre eine Lücke aufweist; um
so besseren Einblick in die bewegten Verhältnisse jener Zeit gewähren uns die
kaiserfreundlichen Annalen von Gengenbach. Hier vollzog sich jahrzehntelang
keine Abtswahl mehr in ruhiger und normaler Weise. Anscheinend stand die
Mehrzahl des Konvents zum Papst, aber des Kaisers Anhang war dafür um so
mächtiger und einflußreicher. Sobald nicht die Wahl eines ihm ergebenen Abtes
anzunehmen ist, ernennt Heinrich IV. kurzerhand einen, wie 1074 den kurz
zuvor in der Reichenau abgesetzten und exkommunizierten Ruotpert, einen
simonistischen, habgierigen Mann, der schon 1075 erschlagen wurde. Auch sein
Nachfolger ließ sich als Kaiserlicher nicht halten, und als Poppo 1083 gestorben,
kam überhaupt sechs Jahre lang keine Wahl zustande. Der 1089 endlich Gewählte
hatte offenbar auch eine große Gegnerschaft im Kloster, denn er wurde rasch
vertrieben und konnte erst 1096 wieder von seinem Posten Besitz ergreifen. Die
Kämpfe der Staufer mit den Päpsten machten sich erst in deren letzter Phase
auch hier fühlbar; sie wurden nicht etwa als Prinzipienfragen, sondern als
günstige Gelegenheit aufgefaßt, Einfluß und Besitzstand zu mehren. Schuttern
1) Grandidier, Oeuvres inedites I, S. 159 ff.
xxir
EINLEITUNG.
stand anfänglich auf seiten Friedrichs II., verließ aber dessen Sache wie auch
der Bischof von Bamberg, der von Straßburg und die Geroldsecker. Ob der Leut-
kirchenstreit zwischen dem Ortenauer Adel und dem Stift Gengenbach ebenfalls
einen solch politischen Hintergrund hatte, läßt sich mit Bestimmtheit heute nicht
mehr sagen. Jedenfalls standen die königlichen Schultheißen, die die Interessen
des Klosters Gengenbach in erster Linie zu wahren gehabt hätten, auf seiten
der Adeligen, so daß die Gengenbacher erst durch Anrufung der Hilfe der
Königin ihr Recht durchsetzen konnten. In welcher Weise um dieselbe Zeit
der Bischof von Straßburg die verworrene Lage des Kaisers für sich in der
Ortenau auszunutzen wußte, werden wir weiter unten noch erfahren. Auch in
den Kämpfen Ludwigs des Bayern, die hier gleichfalls lokal- und sonderpolitische
Färbung annahmen, waren die zwei Nachbarabteien in ihrer Stellungnahme nicht
Seite an Seite ; wenigstens wird uns über die Haltung von Schuttern Näheres
nicht mitgeteilt. Wir wissen nur, daß Kloster wie Stadt in dem heftigen Kampf
des antiköniglichen Bischofs und der Bürgerschaft von Straßburg gegen das
feste geroldseckische Schloß Schwanau verbrannt und sonst schwer geschädigt
wurden (1333/34). Gengenbach dagegen stellte sich offen und entschieden auf
die Seite des Bayern, freilich auch nur, wie wir sehen werden, um für seine
Interessenpolitik gegen die Reichsstädte Gengenbach und Offenburg eine einfluß-
reiche und wirksame Stütze zu erhalten.
Uber die Entwickelung der Klöster im einzelnen, über den Ausbau ihres
Besitzes wird weiter unten im einzelnen noch zu handeln sein. Während Schuttern
bis in die Neuzeit hinein seinen Besitz und seine Rechte gegen die Kastvögte
zu verteidigen hatte und meist in einer gewissen Abhängigkeit von der politischen
Gemeinde stand, besonders seit diese zur Stadt erhoben wurde (1337), ist die
Haltung von Gengenbach eher agressiv gegen die Bürgerschaft. Namentlich im
13. Jh. hatte dieses Kloster durch Rodungen und Bergbau wie auch durch
Stiftungen nahezu ein geschlossenes, das ganze untere Kinzigtal umfassendes
Territorium sich geschaffen, innerhalb dessen dem Abt sehr weitgehende Rechte
und Privilegien zustanden, wie zwei Drittel des Gerichts und des Allmendgenusses
und das sehr ausgedehnte Fallrecht. Dadurch ergaben sich vielfach Reibereien
zuerst mit dem Nachbaradel, teils weil Kompetenzen strittig waren, teils weil
widerrechtlich kirchlicher Besitz angeeignet wurde, wie im Falle der Gengen-
bacher Martinskirche. In letzterer Angelegenheit mußte der Konvent sich selbst
gegen einen Gegenabt wehren, den der Adel ihm aufgedrungen hatte, und in
corpore die Hilfe der gerade in Hagenau residierenden Königin anflehen (1235).
Beachtenswert ist es, wie schon hervorgehoben, daß die königlichen Schultheißen
als Beamte der Ortenauer Lehen auf. seiten der Klostergegner standen, wie auch
nochmals später unter Rudolf von Habsburg, der ihnen einschärfen mußte, sich
jeglicher Schikanen und der Beeinträchtigung von klösterlichen Rechten und
Einkünften zu enthalten.
EINLEITUNG.
XXIII
Das wachsende Selbstbewußtsein der Städte, das sich vor allem in der
Bekämpfung der Rechte und Privilegien der Grundherrschaft und ganz besonders
der geistlichen Herrschaft äußerte, nicht zum wenigsten auch das Beispiel von
Straßburg, das in der zweiten Hälfte des 13. Jhs. in blutigen Waffengängen die
Gewalt und den Einfluß des Bischofs in der Stadt gebrochen hatte, führten
hauptsächlich in Gengenbach zu jahrhundertelangen Reibereien. Die Rechte der
Abtei konnten im Ernst kaum angefochten werden; anders stellt sich aber die
Frage, ob es klug war von seiten der Äbte, gerade gegenüber den veränderten
Verhältnissen, diese Rechte mit aller Schärfe zu betonen und die Privilegien
wie unter Ludwig dem Bayern noch zu erweitern (1331). Das fühlte der da-
malige weitblickende und das Ganze im Auge behaltende Abt Lambert von
Burn, wenn er die klösterlichen Vorrechte auf ihr richtiges Maß zurückführte.
Dem Kloster wurde von Ludwig das Recht der Ernennung des Stadtschult-
heißen wie auch des Oberboten und Stadtmesners zugesprochen, während ihm
bisher nur ein Einspruchsrecht zustand. Was die Bürger aber ganz besonders
rebellisch machte, war die weit ausgedehnte und mit Spitzfindigkeiten ange-
wendete P'allpflicht, das lästige Forstrecht des Klosters und namentlich dessen
Recht auf zwei Drittel des Allmendgenusses. Die reichsstädtischen Freiheiten
waren dadurch gelähmt. Ebenso fühlte sich Offenburg durch die großen
Privilegien und Rechte der Gengenbacher Abtei wie durch die Ansprüche auf
den Gotteshauswald in seinem Aufschwung gehemmt und sah seine Ausbürger-
politik durch die Ausdehnung der Leibeigenschaftsrechte wie der Gefälle völlig
bedroht. Trotz wiederholter Mahnungen Ludwigs, sich mit dem Abt zu ver-
tragen in bezug auf Gülten und Rechte, blieb Offenburg hartnäckig in seiner
Weigerung und setzte es durch, daß in einem durch den Bischof von Straßburg
vermittelten Vergleich die Wirkungslosigkeit der klösterlichen Leibfallrechte
gegenüber allen Bürgern der Stadt, auch den Ausbürgern, anerkannt wurde.1)
In Gengenbach selbst wandelte Abt Lambert das am drückendsten empfundene
Allmendrecht in die jährliche Abgabe eines kleinen Guldens und einen un-
bedeutenden Erschatz um. Aber beseitigt waren die Differenzen zwischen den
Städten und dem Kloster nicht ; dafür fielen die Interessensphären zu oft
zusammen und waren die Ansprüche beiderseits zu wenig fest umgrenzt. Noch
in den Tagen der beginnenden Reformation legte die Stadt all ihre Gravamina
vor, und darunter figurierte jetzt auch die Exemtion des Konvents von allen
öffentlichen Lasten. Damals bildeten diese Beschwerden die leicht zu durch-
schauende Maske für die eigentlichen Pläne einer Säkularisierung und Prote-
stantisierung des Stiftes.2)
Während der Besitzstand des Ortenauer Adels im Laufe des Mittelalters
sich stark verschob und veränderte, blieb im allgemeinen der der Klöster sich
1) Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes I, S. 238 ff.
2) Ruppert, Z. 31, S. 315 ff.; Z. 32, S. 309 ff.
XXIV
EINLEITUNG.
gleich und nahm eher noch zu. Neben den klösterlichen Territorien bildete sich
in der zweiten Hälfte des Mittelalters noch eine andere Grundherrschaft aus,
die des Straßburger Bischofs,1) die auf die Entwickelung der kirchen-
geschichtlichen Verhältnisse nicht ohne Einfluß war. Auch hier zeigt sich trotz
aller Zwischenfälle infolge von Verpfändungen die Tendenz, den Besitz immer
weiter auszudehnen. Nachdem die Bischöfe schon in der ersten Hälfte des 13. Jhs.
auf der Ullenburg und anders\yo rechtsrheinisch begütert waren,2) suchten sie
die nach dem Aussterben der Zähringer geschaffene unklare Erblage und die
Gebundenheit des Reichsoberhauptes Friedrich II. in den kirchenpolitischen
Kämpfen zur raschen Erweiterung dieses Besitzes durch Aneignung zähringischer
Güter auszubeuten. Unterstützt durch die Geroldsecker brachte Bischof Heinrich
von Stahleck Ortenberg und die Städte Offenburg und Gengenbach an sich
und ließ sich diesen Erwerb durch den Kardinallegaten Petrus wie den Papst
bestätigen (1248). Als nun auch Graf Konrad von Freiburg vom Gegenkönig
die Städte Neuenburg und Offenburg und die Landvogtei Mortenau sich zu-
weisen und ebenfalls durch den Papst bestätigen ließ, kam es zur kriegerischen
Auseinandersetzung, die für den Bischof erfolgreich verlief. Wohl wurde 1250
sein Bundesgenosse Walter von Geroldseck in der Burg Lahr gefangen gehalten,
aber im gleichen Jahre noch gab Heinrich von Fürstenberg, der auf seiten
Konrads stand, seine Ansprüche auf Offenburg, Ortenberg und Gengenbaeh
auf, und ebenso scheint auch gleichzeitig Konrad von Freiburg zurückgetreten
zu sein ; 3) denn die Mortenau verblieb vorerst dem Bischof, bis sie später unter
Rudolf von Habsburg wieder zurückgegeben werden mußte.
In den heftigen Kämpfen, welche die Stadt Straßburg in der zweiten Hälfte
des 13. Jhs. um ihre Freiheit von der bischöflichen Oberhoheit ausfocht, hatten
die Bischöfe keine Zeit, an Erweiterung ihres Besitzes in der Mortenau zu
denken. Um so mehr war das im 14. Jh. der Fall; damals wurde die bischöf-
liche Herrschaft Oberkirch nahezu schon in ihrem späteren Umfang ausgebaut.
Von Udelhildis, der Witwe Heinrichs von Fürstenberg, fielen dem Bistum durch
Kauf Fürsteneck und Oberkirch zu (1303), während die Ullenburg als Lehen,
hernach als freier Besitz für kurze Zeit an die Schauenburger kam, um später
noch oft die Besitzer oder Lehensinhaber zu wechseln. Mit Oberkirch gingen
noch reiche zugehörige Güter in der Umgebung sowie im Oppenauer Tal an
das Stift über; Bischof Johann I. von Straßburg verlieh dem Mittelpunkt dieser
Herrschaft Stadtrecht und eine Umwallung (1326). Von dieser Zeit führt die
Stiftsherrschaft in der Ortenau nicht mehr die Benennung nach der Ullenburg,
sondern noch Oberkirch. In Oppenau war das Stift zum Teil schon ansässig, zum
2) Vgl. Bader, Die ehemals Straßburg. Herrschaft Oberkirch, Badenia II (1840), S. 219 — 237.
2) In der zweiten Hälfte des n.Jhs. war die Ullenburg schenkweise an das Stift Straßburg
übergegangen, von dem sie als Lehen an das Haus Zähringen kam, bis sie nach dessen Aussterben
wieder an das Bistum heimfiel. Vgl. Schöpflin, Als. dipl. I, S. J 74 ; II, S. 124.
3) Vgl. Z. 9, S. 328, und im übrigen Ruppe rt, Mortenau I, S. 36 ff.
EINLEITUNG.
XXV
Teil erwarb es noch weiteren Besitz dazu, wie das Gut des Klosters Aller-
heiligen mit der Burg Friedberg. Kaiser Friedrich trat außerdem (1316) noch
die Reichsdörfer Renchen, Ulm, Sasbach und das Oppenauer Tal mit der ganzen
Jurisdiktion, mit der Unabhängigkeit vom Landvogt und mit allen Rechten
und 1321 die letzten Reichsrechte gegen eine Summe von 300 Mark an den
Bischof Johann ab, welche Cession 1330 auch durch Ludwig den Bayern bestätigt
wurde. Dieses bischöfliche Territorium wurde jetzt in die sechs Gerichte zer-
legt: Oberkirch (mit den Gemeinden Oberndorf, Wollfshag, Winterbach, Lauten-
bach, Sendelbach, Butschbach, Diepersbach, Giedensbach, Ödsbach, Wälden,
Hesselbach, Schlatten), Kappel (mit Bernardshöfe, Steinenbach, Am Bach,
Grimmerswald , Seebach, Hagenbruck, Unterwasser, Furschenbach, Waldulm,
Simmersbach, Ottenhofen), Sasbach (Sasbach, Ried mit den Zinken Wegscheid,
Ottenweier und Malchhurst, Obersasbach mit Vogelsberg, Blumberg, Ziegelhof,
Erlenbad, Kammersbronn, Heinishof, Winterbach, Sasbachwalden mit Sandweg,
Büchelbach, Lierenbach, Eck, Dollen, Straubenhof mit Hagenberg, Schönbüch,
Brandmatt, Bischenberg, Härchenberg, Steimelshof, Murberg, Ober- und Unter-
Langert, Kappelberg, Schelsberg) ; Oppenau (mit Guckinsdorf, Boxberg, Fohren,
Ottersberg, Ebene, Ansätze und Nordwasser, Heimburgertum, Ramsbach, Ibach,
Löcherberg, Freiersbach, Bästenbach, Döttelbach, Rench, Maisach und Lierbach) ;
Ulm (mit den Armenhöfen, Kayer, Weingarten und Rayersbach, Stadelhofen,
Tiergarten mit Ringelbach, Mosbach, Erlach und Haslach); Renchen (mit
Schneckenhöfen, Wagshurst und Honau). Den Bischöfen standen in diesem
Gebiet völlig landesherrliche Rechte zu, die sich auch auf die unmittelbaren
Ritterglieder ausdehnten. Jedem der sechs Gerichte waren der Schultheiß und
Stabhalter sowie zehn von der Bürgerschaft präsentierte Gerichtsmänner vor-
gesetzt, das Zwölfergericht, das für die niedere Gerichtsbarkeit und Verwaltung
zuständig war, während für die höhere der in Oberkirch residierende Landvogt
oder Amtmann und Amtsschreiber in Betracht kamen und im Berufungsfall das
Hof- und Appellationsgericht in Ettenheim, in früheren Zeiten in Zabern; die
Gefälle waren der Amtsschaffnei in Renchen zugewiesen.
Leider bildete die Herrschaft Oberkirch in den langen Jahrhunderten der
Zugehörigkeit zum Stift mehr das Expediens zum Ausgleich finanzieller
Schwankungen denn einen Gegenstand planmäßiger Verwaltung. Wie ein leicht
zu veräußerndes Objekt wurde sie verpfändet oder sonstwie aus der Hand
gegeben oder auch wieder eingelöst, je nachdem die Lage es erheischte. Erst-
mals erfolgte eine Verpfändung 1393. Damals überließ Bischof Wilhelm von
Diest Fürsteneck mit den zugehörigen Gütern pfandweise dem Kloster Aller-
heiligen ; im Falle einer Wiedereinlösung hatten die Gerichte Oberkirch, Ulm,
Sasbach und Renchen für den allenfallsigen Kaufschilling aufzukommen. 1399
kam gleicherweise ein anderer Teil der Herrschaft mit Oberkirch selbst an die
Stadt Straßburg, und als das Stift später wieder in dessen Besitz zu kommen
XXVI
EINLEITUNG.
suchte, entstanden schwere Differenzen (1428/29), in deren Verfolg als Ver-
bündeter des Bischofs Markgraf Bernhard von Baden ein halbes Jahr erfolglos
das Städtchen Oberkirch belagerte.1) Erst nach Erlegung der Pfandsumme fiel
die Herrschaft wieder ganz dem Bischof zu, aber nur um sofort einer schon seit
längerem gemachten Zusage zufolge um 10000 Mark an einen Georg von Bach
(1443) und Friedrich von Schauenburg überzugehen. Jedoch fand bald darauf
wieder ein Rückerwerb statt. Von jetzt an war der Vogtei eine verhältnismäßig
lange Zeit der Ruhe und der inneren Ordnung beschieden. Selbst die Bauern-
unruhen beeinträchtigten diesen Zustand nur wenig; dagegen hatte die Herr-
schaft vom Kapitelstreit des 16. Jhs., wie wir sehen werden, auch wieder die
unangenehmste Seite zu tragen, und als schließlich 1604 eine Einigung erzielt
wurde, bildete sie für die vom Vermittler, dem Herzog von Württemberg, vor-
gestreckte Entschädigungssumme von 380000 Mark an den protestantischen
Markgrafen Johann Georg von Brandenburg das Pfandobjekt. 1665 wurde sie
wieder eingelöst und von jetzt an auch wieder die Spuren des Protestantis-
mus, die mit den Württembergern eingedrungen waren, beseitigt, namentlich
seit die Kapuziner erschienen waren. Den Greueln des Dreißigjährigen und
der späteren Franzosenkriege war das Gebiet als Eingangspforte zum Kinzig-
tale ganz besonders ausgesetzt. Uber das alles ist noch an anderer Stelle zu
berichten. Erwähnt sei hier nur noch, daß nach der Wegnahme Straßburgs
durch die Franzosen der Bischof dafür vom Kaiser verantwortlich gemacht und
gemaßregelt wurde, indem ihm die Herrschaft Oberkirch abgenommen und dem
Türkenlouis, dem Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden, (1683) zugewendet
wurde, bis sie im Ryswyker Frieden wieder ans Stift heimfiel (1697). Durch
die Säkularisation (1803) kam sie an Baden.
Außer den Benediktinern, die neben den genannten Abteien noch ein zu
S. Georgen gehöriges Priorat in Rippoldsau (gegründet 1140) hatten, waren in
unserem Kreis noch die Prämonstratenser vertreten, die sich in dem unwirt-
lichen Lierbachtal eine von der Herzogin Uta von Schauenburg (1196) gestiftete
und mit Gütern in Renchen, Ramsbach, Hesselbach, Eiesweiler, mit dem Patronat
über die wichtige Nußbacher Kirche dotierte Heimstätte Allerheiligen schufen.
Heinrich VII. erweiterte 1227 und 1233 diesen Besitz um ein beträchtliches mit
dem Reichsgut in der Ortenau ; auch von anderer Seite erfolgten Zuwendungen.
Entsprechend ihrer Ordensregel treten die Klosterinsassen im Laufe der Jahr-
hunderte wenig nach außen hervor. In der zweiten Hälfte des 1 5. Jhs. war der
Konvent infolge eines Brandes genötigt, nach seinem Besitztum in Lautenbach
für einige Jahre überzusiedeln; es entstand hier damals (1471 ff) die prachtvolle
Kirche, eines der herrlichsten gotischen Gotteshäuser in Mittelbaden. Vom
16. Jh. an machte sich Allerheiligen weithin bekannt durch sein treffliches
*) Vgl. Schöpflin, Hist. Zaringo - Badens II, p. 1 1 5 ff.
EINLEITUNG.
XXVII
Gymnasium. Von den älteren Orden hatten die Augustiner eine Niederlassung
in Lahr (1259 gestiftet, 1482 in ein weltliches Chorherrenstift umgewandelt, 1558
protestantisch geworden), der Dominikanerorden eine wohl bald wieder ver-
schollene Niederlassung für Dominikanerinnen in Offenburg (gegründet 1246);
die Franziskaner besaßen Konvente in Seelbach, in Offenburg, wo sie seit 1280
den Unterricht in Händen hatten ; die Klarissinnen die Niederlassung in Wittichen ;
die Kapuziner, die im Dreißigjährigen Krieg und den späteren Franzosenkriegen
durch ihr mutiges Auftreten wie durch mancherlei Sympathien bei dem Feinde
zum Segen für ihre Umgebung wurden, Niederlassungen in Haslach (gegründet
1630), in Offenburg (gegründet 1640) und in Oberkirch (gegründet 1696). In
den wilden Kriegszeiten oblag den Kapuzinern vielfach ganz allein die Seel-
sorge, denen in Haslach außerdem nach dem Heimfall der Herrschaft Gerolds-
eck (1649) die Rekatholisierung dieses Gebietes und des Oberprechtales.
Klausnerinnen und Beghinen werden im hohen Mittelalter in Gengenbach, Ober-
kirch und Offenburg erwähnt.
Für die Entwickelungsgeschichte der Benefizien und Pfarreien bietet der
Kreis Offenburg verschiedene sehr typische Beispiele dar. Wie in diesem Bezirk
das Christentum vom fränkischen Gebiet aus über Straßburg durch Kloster-
niederlassungen einen sehr frühen Einbruch vornahm, so auch durch Gründung
von Kirchen und sonstigen Gotteshäusern, offenbar zunächst auf fränkischen Kron-
gütern. Und wie die Circumscription der Bistümer den alten frühgermanischen
Gebietsgrenzen folgen, so spiegeln sich noch oft in den alten Archidiakonaten
oder Dekanaten wie in den Pfarreien die alten Grafschaften oder Hundertschaften
wieder, an die sich die Erinnerung zum Teil bis zur Gegenwart noch in den
Mark- und Waldgenossenschaften erhalten hat. Derart sind die uralte Pfarr-
kirche und der Pfarrsprengel Nußbach entstanden. Noch im 10. Jh. verfügte der
Kaiser, es war Otto III., darüber und vergabte den Kronhof und wahrscheinlich
auch das Kirchenpatronat an das Stift Waldkirch ; 100 Jahre später stritten sich
um das letztere die Herzogin Uta und die Grafen von Freiburg. Ursprünglich
ging die Jurisdiktion des Pfarrinhabers von Nußbach noch über die Kapellen in
Oberkirch und Oberdorf, in Oppenau und Ebersweiler, bis sich im 13. Jh. Ober-
kirch und Oppenau als selbständige Pfarreien loslösten. Weniger rasch erfolgte
die Dismembration der Offenburger Pfarrei, trotzdem sich im 17. Jh. die ver-
schiedenen Filialen Bohlsbach, Elgersweier, Ortenberg, Rammersweier, Tutweiler,
Waltersweier und Weingarten in den unsicheren Zeiten ewiger Kriegsläufte eifrig
um eigene Pfarrechte bewarben; erst Ende des 18. und im 19. Jh. wurden teil-
weise diese Wünsche befriedigt. Auch die uralte, wohl in fränkische Frühzeit
noch hinabreichende Pfarrei Burgheim in Lahr ist durch ihre Lage wie durch
ihre spätere Verschmelzung mit der Stiftskirche in Lahr ein gutes Schulbeispiel
für den Wandel in der Entwickelung eines Pfarrbenefiziums ; auch in Seelbach,
dessen Kirche schon 1179 urkundlich Pfarrechte besaß und in der Reformation
XXVIII
EINLEITUNG.
die früheren Pfarreien Prinzbach, Schuttertal und Reichenbach absorbierte, können
wir den gleichen Vorgang der Zentralisation wahrnehmen. ( S .)
* *
Neben den Klöstern, unter denen Gengenbach an politischer Bedeutung
weit hervorragt, und dem Bistum Straßburg treten im Laufe des 12. und 13. Jhs.
einige mächtige Territorialherren auf. Im Süden des Landes waren es die
Herren von Geroldseck, deren Macht in der ersten Hälfte des 13. Jhs.
ihren Höhepunkt erreicht hat. Der Sage nach war ihr Geschlecht uralt und
leitete seinen Ursprung ab von einem römischen Senator, namens Gerold, der
Kaiser Karl den Großen nach seiner Krönung nach Deutschland begleitet und
ihm im Kriege gegen die Sachsen große Dienste geleistet haben soll. Zum
Lohne sei er zu einem Herzog in Schwaben und später außerdem zu einem
Markgrafen von Österreich ernannt worden. Noch heute erinnert eine Tafel
auf der Burg Hohengeroldseck an diese Stammsage. In der Tat gab es nun
einen Gerold, der aber natürlich ein Deutscher war, sich als Graf in der Baar
und Statthalter in Bayern ein großes Ansehen erwarb und auch in der Karls-
sage eine Rolle spielt.1) Er scheint aber ohne Nachkommen gestorben zu sein,
und für ein Anknüpfen des Geschlechtes an ihn sind auch nicht die geringsten
Beweise vorhanden. Urkundliche Nachrichten, welche über das II. Jh. hinaus-
reichen, haben wir von den Geroldseckern nicht. 1035 wird ein Herimannus
genannt, der wahrscheinlich dem Geschlecht angehörte, dann ein Waltherus de
Geroldsecca. Aber schon mit den folgenden Otto und Burckhardt stoßen wir
auf die Schwierigkeit, welche die Aufhellung der ältesten Geschichte des Hauses
überall hindert, nämlich die Existenz eines gleichnamigen Geschlechtes im Elsaß,
der Herren von Geroldseck am Wasichin, die nach dem Stande der heutigen
Forschung mit den rechtsrheinischen Herren nicht verwandt waren. 1139 wird
die Burg zum erstenmal genannt, am Anfänge des 13. Jhs. treten Mitglieder
des Geschlechtes häufiger hervor, erst mit Walter — dem I. oder II., wie man
will — gewinnen wir einen sicheren Boden. Der Territorialbesitz des Geschlechtes
hatte damals seine größte Ausdehnung erlangt, ihm gehörte das Schuttertal, so
ziemlich der größte Teil der Rheinebene von Mahlberg bis Offenburg, die Herr-
schaft Mahlberg war vielleicht durch Heirat an Walter gefallen, einige Orte im
unteren und die kleine Herrschaft Schenkenzell im oberen Kinzigtal, die Herr-
schaft Romberg mit der gleichnamigen, heute zerstörten Burg bei Schapbach,
zerstreute Besitzungen im Norden bis an die Oos, im Süden bis in das Glotter-
und Dreisamtal, im Westen, über den Rhein hinüber, außer der Feste Schwanau
noch eine Anzahl Besitzungen, kurz, es waren die Anfänge zu einer ganz
bedeutenden mittelbadischen Macht vorhanden.
1) Ruppert, Geschichte der Mortenau I, Geschichte des Hauses und der Herrschaft Gero'.ds-
eck, S. 8.
EINLEITUNG.
XXIX
Damals mochte Walter die Residenz hoch oben auf dem Berge unbequem
gewesen sein, und so gründete er sich eine zweite am Ausgange des Schuttertales,
ziemlich im Schwerpunkt seiner Macht, er erbaute die Tiefburg Lahr. Schon
vorher muß hier eine kleine Burg vielleicht eines zähringischen Ministerialen
gestanden haben, von einem Dorf aber hören wir trotz der alten Namensform
erst etwa ein Jahrzehnt später: möglich also, daß es erst im Anschluß an diese
Tiefburg entstanden ist.
Unter Walter erfolgte die große Teilung der Herrschaft, die eine dauernde
wurde und, wie stets, die Kraft des Geschlechtes lähmte. Die Söhne seines in
der Schlacht bei Hausbergen gefallenen Sohnes, des Landvogtes Hermann,
Heinrich I. und Walter II., erhielten die Herrschaft Lahr-Mahlberg und alles Land
westlich der Bischofsmühle, die zwischen Lahr und Kuhbach zu suchen ist, ferner
halb Ottenheim und alle Güter im Elsaß, außer der Hälfte der so wichtigen
Rheinfestung Schwanau. Diese Hälfte wurde dem anderen Zweig reserviert, also
dem Onkel der beiden, dem dritten Sohne Walters, Heinrich, der die Erbin von
Veldenz geheiratet hatte und sich danach Graf von Veldenz nannte. Er erhielt
alles Land östlich der Bischofsmühle, damit auch die Stammburg, dazu Zuns-
weier, Berghaupten und »was gegen Schwaben liegt und das Gut zu Schwaben .
Nach dem später gebräuchlichen Ausdruck scheinen darunter die Güter im
oberen Kinzigtal, die Herrschaften Romberg und Schenkenzell gemeint zu sein.
Der älteste Sohn dieses Heinrich, Walter, erbte in der Hauptsache die veldenzischen
Besitzungen, sein Interesse lag also ferne von den eigentlichen Stammlanden,
obwohl er ursprünglich an diesen wie an der Stammburg Anteil hatte. In der
Heimat blieb Heinrichs zweiter Sohn Hermann, der mit einer Gräfin Uta von
Tübingen verheiratet war, woher seine Bezeichnung und die seiner Nachkommen:
von Tübingen. Sein Sohn Walter war mit einer Tochter des mächtigsten
Dynastengeschlechtes der Umgegend verheiratet, mit Anna von Fürstenberg, er
war also der Schwager jenes so trotzig dreinblickenden Grafen Götz, dessen
Grabplatte wir in Haslach kennen lernen. Trotz dieser Verbindung aber ging
es Walter herzlich schlecht. In den verschiedenen Fehden zwischen dem Bischof
von Straßburg und dem Grafen von Württemberg, zwischen dem Bischof endlich
und seiner Stadt, in den großen Kämpfen um die Kaiserkrone zwischen Friedrich
von Österreich und Ludwig von Bayern benutzte der Geroldsecker seine Rhein-
feste Schwanau zu einem ausgedehnten Erpressungssystem, insbesondere gegen
die Kaufleute der Städte Zürich und Straßburg, indem er das Recht der Grund-
ruher auf gewissenlose Weise mißbrauchte. Da zogen die Straßburger aus,
eroberten nach heftiger Gegenwehr die, wie es scheint, sehr gut befestigte Tief-
burg und verheerten auch auf dem rechten Rheinufer die Besitzungen des Hauses ;
so wurde Stadt und Schloß Schuttern verbrannt, bei welcher Gelegenheit das
Kloster mit in Flammen aufging (1333). Nach einigen Nachrichten1) soll Walter
*) Kindl er von Knobloch, Oberbad. Geschlechterbuch I, S. 435, wogegen Ruppert
a. a. O. S. 170.
XXX
EINLEITUNG.
selbst in Schwanau gefallen sein, was von anderen bestritten wird. Von seinem
wohl ältesten gleichnamigen Sohn, der sich ausdrücklich Herr von Hohengeroldseck
nannte, ging die hohengeroldseckische Linie aus, die alle anderen überlebte, aber
auch den tiefsten Niedergang des Geschlechtes sah und mit Jakob 1634 endete.
Einer der drei anderen Söhne des unglücklichen Schloßherrn von Schwanau,
Georg, Gangolf oder Wilhelm, war der Stifter einer Sulzer Seitenlinie, die nur
dadurch für unsere Gegend von Bedeutung ist, daß die Hohengeroldsecker Vettern
in ihre Kämpfe mit den Grafen von Württemberg verwickelt wurden. Die Linie
starb im 15. Jh. aus.
Vor der großen Familientrennung i. J. 1277, schon am Ende des 12. Jhs.,
hatte sich ein Zweig von der Familie losgelöst, welcher sich nach seiner Residenz,
der Diersburg in dem kleinen Tal zwischen den Ausläufern des Steinfirst, die
Herren von Tiersperg nannte. Zum erstenmal hören wir 1197 von einem
Waltherus de Tirsperg. ’) Sein Enkel, Heinrich II., der mit einer Heilika von
Lichtenberg vermählt war, fiel 1262 in der Schlacht bei Hausbergen, und da
sein Sohn Ludwig 1279 unverheiratet starb, so fielen die Lehen wohl an den
Hauptstamm zurück, die Allode, darunter die Burg, aber kamen an den Gemahl
der letzten Erbtochter, Wilhelm von Schwarzenberg, und gelangten, als dies
Dynastengeschlecht immer mehr verarmte, in verschiedene Hände (s. unten).
Neben den Geroldseckern waren es die Erben der Zähringer, die
Grafen von Urach, die in der Ortenau zu großem Territorialbesitz gelangten.
Nach dem Aussterben des Herzogsgeschlechtes fielen die Reichslehen an den
Kaiser zurück, die Familiengüter aber kamen an die beiden Schwäger Bertholds V.,
den Grafen Ulrich von Kyburg und den Grafen Egeno von Urach. Letzterer
erhielt die im badischen Oberland gelegenen Besitzungen. Doch hatte er sich
zunächst mit dem König auseinanderzusetzen, der die allodiale Eigenschaft einer
ganzen Anzahl Güter bestritt.* 2) Es kam zu einem ersten Erbfolgekrieg, der in
einem Ausgleich von 1218 sein Ende fand. Die Masse des in unserer Gegend
so erworbenen Besitzes erstreckte sich vom Acher- und Renchtal und von Kork
nach Süden weit über die Grenzen der Ortenau, dazu gehörten Oberkirch,
Ilausach und Haslach. Ein neues Zerwürfnis mit den Hohenstaufen wurde 1226
geschlichtet. Unter Egenos Enkeln, Konrad und Heinrich, erfolgte die Trennung
in die zwei Linien, der ältere, Konrad I., erhielt Freiburg und die Güter im Breisgau,
in unserer Gegend auch Hausach, das weitab von den übrigen Besitzungen lag.
Er und seine Nachkommen nannten sich von nun an Grafen von Freiburg, der
jüngere Bruder, Heinrich I., aber nannte sich noch länger Graf von Urach, aber
daneben schon seit 1250 Graf von Fürstenberg, nach seinem Lieblings-
wohnsitz. Von ihm stammt das heute noch blühende Geschlecht ab. Ihm waren
die höher gelegenen, östlichen Teile des zähringischen Erbschaftsgebietes zu-
*) Ruppert a. a. O. S. 32.
2) Riezler, Geschichte des Hauses Fürstenberg I, S. 40.
EINLEITUNG.
XXXI
gefallen im Schwarzwalde und in der Baar, im Kinzigtal Haslach, Steinach und
Biberach, dazu schöne Besitzungen im Renchtal und ein Anteil am Schultheißen-
amte in Kork. Haslach wurde zwar als angebliches Lehen vom Reiche in An-
spruch genommen, und Heinrich sah sich genötigt, um die Stadt zu behalten,
sie vom Bischof von Straßburg zu Lehen zu nehmen. Auch verzichtete er auf
seine Ansprüche an Offenburg, Ortenberg und Gengenbach, auf die das Bistum
damals seine mächtige Hand gelegt hatte. Der stammverwandte König Rudolf
sicherte dann dem Hause Haslach als Reichslehen, dagegen mußte der offenbar
in schlechter finanzieller Lage befindliche Heinrich die Hälfte seines Dorfes Ober-
dorf und das Tal Ramsbach bei Oberkirch 1271 dem Bischof von Straßburg zu
Lehen aufgeben. Durch Vermählung seines ältesten Sohnes Heinrich mit Udilhild,
der Erbtochter des Freiherrn Friedrich von Wolfach, sicherte er seinem Geschlecht
den Anfall der Herrschaft Wolfach, der auch etwa um 1280 erfolgt ist. Er
dürfte dann noch die Burg Fürsteneck im Renchtal gegründet haben, wohl zum
Schutze der dortigen Besitzungen, von denen Ausläufer bis in die Gegend von
Bühl und das Achertal erkennbar sind, denen gerade Heinrich große Wichtigkeit
beigelegt zu haben scheint.1) Sein gutes Verhältnis zu König Rudolf wirkte
auch auf die Söhne Friedrich und Egeno nach, die so u. a. mit den Reichslehen
zu Fürsteneck und Oberkirch belehnt wurden, nachdem Markgraf Rudolf von
Baden darauf verzichtet hatte.2) Wieder aber hatte unterdes eine Teilung der
Lande stattgefunden: Egeno nahm neben Villingen auch die Besitzungen im
Kinzigtal mit Haslach, das nach dem Verlust Villingens an Österreich der Haupt-
ort der Linie wurde, die sich dann auch danach benannte; Friedrich erhielt die
alte Grafschaft Fürstenberg mit der Stammburg, den größeren Teil des Besitzes
im Renchtal, ein kleinerer war gemeinsam. Wolfach blieb als Erbgut seiner
Gemahlin bei Friedrich.
Die Haslacher Linie überdauerte ein Jahrhundert, einer ihrer für die Geschichte
unseres Landes bedeutendsten Vertreter war der 1341 gestorbene Graf Götz,
der Schwager Walters III. von Hohengeroldseck, der in zahllose Händel der
Gegend verwickelt war. Mit seinem Enkel Hans, der 1386 bei Sempach fiel,
starb die Haslacher Linie aus, der die Stadt wohl ihren ersten Ausbau und ihre
Freiheiten zu verdanken hatte, und die Besitzungen kamen zurück an die
Hauptlinie.
Diese, die mit Heinrich II. begann, hatte gleich im Anfänge eine Anzahl
Verluste zu erleiden; so sahen Heinrich und seine Mutter Udilhild sich genötigt, die
Burg Fürsteneck und die Stadt Oberkirch dem Bischof von Straßburg zu verkaufen
(1303). Damit war die Hauptmasse des Besitzes im Renchtal verloren gegangen.
Dafür aber brachte Heinrich durch seine Heirat mit Verena, der Erbtochter
des Grafen Heinrich von Freiburg (Badenweiler) und der Anna von Wartenberg,
1) Riezler, Geschichte des Hauses Fürstenberg T, S. 217.
a) Ebenda S. 222.
XXXII
EINLEITUNG.
außer Wartenberg usw. auch den altzähringischen Besitz Hausach wieder seinem
Stamme zu. Dagegen hatte eine andere Erwerbung, die des Tales Harmersbach,
das ihm 1330 Kaiser Ludwig verpfändete, keinen Bestand. Seine drei Söline
nahmen eine neue Teilung vor, die aber der Tod bald beseitigte, und seinem
Enkel, Heinrich IV., war es beschieden, alle Lande wieder in seiner Hand zu
vereinigen, als auch 1386 die Haslacher Besitzungen zurückfielen, die er aller-
dings nicht ohne langwierige Streitigkeiten mit den Ansprüchen anderer erhielt.
Schon mit seinen Söhnen erfolgt noch zu seinen Lebzeiten wieder eine Teilung
der Lande, wobei aber die Kinzigtäler Besitzungen endlich vereinigt blieben,
welche Konrad erhielt. Mit ihm und seinem Sohn Heinrich VI. bestand diese
Kinzigtäler Linie von 1406 bis 1490, deren Besitz sich etwa von Steinach bis
Oberwolfach, zum Turm zwischen Gutach und Hausach, bis zur Heidburg oben
auf den Bergen erstreckte.
Gegen Osten grenzte ihr Besitz an Gutach, welches damals noch den Frei-
herren von Hornberg gehörte, die auf der nahen Burg residierten, aber im
Laufe des 1 5. Jhs. sich genötigt sahen, ein Stück ihrer Herrschaft nach dem
anderen an die Grafen von Württemberg zu verkaufen.
Außer dem Reich, dem Bischof, dem Kloster, den Geroldseckern und den
Lürstenbergern teilten sich in den Besitz unserer Gegend noch die Herren
von Lichtenberg und die Markgrafen von Baden. Erstere waren eine der
mächtigsten Dynastenfamilien des unteren Elsaß, die ihren sagenhaften Ursprung
auf Herzog Lticho hinaufführten Doch treten sie urkundlich erst im 13. Jh. auf.
Ihre Stammburg liegt auf einem hervorragenden Lelskegel der Vogesen, über dem
Dorfe Lichtenberg, unweit von Niederbronn.1) Wie andere Dynasten sind auch
sie erst nach dem Niedergange der deutschen Reichs- und Kaisermacht zur
Selbständigkeit und zu größerem fest abgegrenzten Besitz gekommen. Als erster
erscheint ein Albert von Lichtenberc in einer Verschreibung für die Abtei Selz,
angeblich identisch mit Albert, dem Vogte von Rotbach. Von seinen Söhnen
setzte Ludwig I. das Geschlecht fort, da der ältere, Heinrich I., wie es scheint
nur eine Tochter hinterließ. Die Besitzungen des Geschlechtes im Elsaß müssen
damals schon ziemlich bedeutende gewesen sein und ihre Macht im Aufstreben
begriffen. Ludwig war der Schirmvogt der Stadt Straßburg, und die dauernde
Verbindung mit der mächtigen Stadt mag der Lamilie ebenfalls förderlich
gewesen sein. Nach dem Tode Ludwigs verwalteten seine beiden Söhne,
Heinrich II. und Ludwig II., die Vogtei, drei andere waren geistlichen Standes,
und zwei davon, nämlich Konrad und Lriedrich, von größter Bedeutung für das
Geschlecht. Hintereinander bestiegen sie den Straßburger Bischofsstuhl, Konrad
regierte von 1273 bis 1299, Friedrich von 1299 bis 1306. Ersterer ist der Bau-
x) J. Schaible, Geschichte des Bad. Hanauer Landes, Karlsruhe 1855, S. 19. J. G. Leh-
mann, Urkundliche Geschichte der Grafschaft Hanau-Lichtenberg, Mannheim 1862. Kindler von
Kn obloch a. a. O. II, S. 492 ff.
EINLEITUNG.
XXXIII
herr des Münsters, der die Fassade Erwin von Steinbachs erstehen ließ, auch
sonst ein baulustiger Herr, jedoch ebenso kriegslustig, »ein herrlich schöne
Person«, wie er in einer gleichzeitigen Chronik genannt wird.
Als er 129g seinem Neffen zu Hilfe an der Spitze eines Heeres von an-
geblich 12000 Mann gegen die Stadt Freiburg zog, da wurde er, der keinen
Harnisch trug, von einem Metzger erstochen. Schon vor seiner Regierung
müssen die rechtsrheinischen Besitzungen seiner Familie an diese gekommen
sein, Willstett vielleicht schon zu Ende des 12. oder Anfang des 13. Jhs., doch
dürfte er sie wesentlich vermehrt haben. Aus der Chronik des Königshoven
wissen wir, daß er 1293 das Städtlein Sermersheim bei Bennfelden abbrechen
ließ sowie die Burg Krax, und »die Steine wurden enweg gefüret und die Stat
Lichtenowe wart darus gebuwen und mit einer Mauer umgeben«. Es mag
dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um eine völlig neue Gründung handelt,
wie allerdings nach dem vollständigen Mangel einer vorherigen Erwähnung
scheinen möchte, oder nur um einen Ausbau und eine Befestigung mit den
Mauern, die nach einer archivalischen Notiz 1313 fertiggestellt waren.1) Lichtenau
und Willstett blieben jedenfalls die Hauptorte der nach ihnen benannten Ämter,
zu denen später gehörten: zum Amte Lichtenau noch die 16 Dörfer Scherzheim,
Graueisbaum, Hehnlingen, Muckenschopf, Memprechtshofen, Holzhausen, Haus-
gereuth, Diersheim, Leutesheim, Freistett, Bischofsheim, Linx, Hohbühn, Boders-
weier, Zierolshofen und Rencherlocherhof ; zum Amte Willstett dieses selber,
ferner Kork, Odelshofen, Neumühl, Querbach, Eckartsweier, Hesselhurst, Hohn-
hurst, Legelshurst, Bolzhurst, Sand und Auenheim, endlich die ausgegangenen
Orte Weißweiler, Gundesweiler, Neuland, Guerge und Renchenbach.2) Ein
Blick auf die Karte lehrt, daß also so ziemlich das heutige Amt Kehl die Masse
des Lichtenbergschen rechtsrheinischen Besitzes bildete. Wie all das an das
Haus kam, läßt sich im einzelnen nicht immer mehr feststellen. Ein Teil hatte
früher dem Hochstift Straßburg, ein anderer den Geroldseckern, ein anderer
wohl dem Reiche gehört. Mit den Brüdern des Bischofs Konrad, Heinrich II. und
Ludwig II., teilte sich das Geschlecht in zwei Linien, aber verwaltete zunächst
noch die Besitzungen gemeinsam; erst unter ihren Söhnen, Konrad I. und
Johann I., erfolgte eine Teilung. Letzterer, von der jüngeren Ludwigschen
Linie, behielt neben einem Anteil an linksrheinischen die rechtsrheinischen
Besitzungen. Noch einmal spaltete sich seine Linie mit seinen Söhnen Johann
und Ludwig oder Ludemann, um 1335. Des letzteren Nachkommen, die jüngere
oder auch lichtenauische Linie, erhielt neben Buchsweiler und zahlreichen
Orten im Elsaß Burg und Stadt Lichtenau mit den zugehörigen Orten jenseits
des Rheines. Da Ludemann wie sein Sohn Heinrich oft in Lichtenau residierten,
nannten sie sich danach auch direkt Herren von Lichtenau. Da die beiden
*) Lehmann a. a. O. S. 24.
2) Schaible a. a. O. S. 17.
Band VII.
III
XXXIV
EINLEITUNG.
anderen Linien im Anfänge des 15. Jhs. ausstarben, so vereinigten schließlich
die Urenkel Ludemanns, Jakob und Ludwig, die Besitzungen des Hauses wieder
auf sich. — Verschwägert mit den Markgrafen von Baden, den Herren von
Eberstein, Klingen, Teck, Ochsenstein, Werdenberg-Montfort, Veldenz, Gerolds-
eck u. a., haben die Lichtenberger, die erst 1456 in einer Urkunde Friedrichs IV.
Grafen genannt werden,1) an allen Händeln der Gegend reichen Anteil genommen.
Von Norden her griff die Macht der Markgrafen von Baden in die
Ortenau über. Bühl, das 1 302 als ein ebersteinisches Lehen der Windecker
erscheint, kam in seiner nördlichen Hälfte 1386 an Baden; Steinbach gehörte
schon seit älteren Zeiten demselben, 1258 hatte es Stadtrecht erhalten nach
Freiburger Muster, wurde später zum Amtssitz für Bühl. Vimbuch, Sinzheim
und war befestigt. Die badische Herrschaft erstreckte sich zum Teil auf Grund
alten ebersteinischen Besitzes östlich des Hanauer Landes nach Süden bis Neusatz
und Gebersberg, also in den Gegenden der Ortenau, welche der heutigen Kreis-
einteilung zufolge nicht mehr in diesem Bande behandelt werden. Mitten im
Herzen der Ortenau aber lag eine badische Enklave, die Herrschaft Staufen-
berg, welche von den Zähringern durch die Grafen von Freiburg an die Eber-
stein gekommen, die es 1 366 an Baden verkauften. Zu der Herrschaft gehörte
die gleichnamige Burg, Durbach, Bühl, Hespengrund, Wiedergrün, Obernessel-
ried, Illental, Bottenau, Spring etc. Der Markgraf war so an allen Vorgängen
der Ortenau direkt interessiert.
Daneben sind noch eine Anzahl Ministerialengeschlechter zu erwähnen,
die gerade im 13. Jh. zu blühen anfangen, unter ihnen als mächtigste und
bedeutendste die Herren von Schauenburg und Windeck, im Renchtal etwa die
Herren von Neuenstein, weiter die Herren von Schopfheim, von Bach, das
Ministerialengeschlecht von Diersburg, die späteren Herren von Staufenberg, die
auf dieser Burg sitzenden und sich nach ihr nennenden badischen Ministerialen
Kolb, Tarant, Stoll, Wiedergrün, Bock, Pfau von Rüppurr und andere mehr,
welche man am Schlüsse dieser Einleitung in der Wappenzusammenstellung nach-
sehen mag. Sie bildeten zusammen später die Ortenauer Ritterschaft, über die
an geeigneter Stelle noch das Nötige zu bemerken ist.
Die Geschichte des 13. Jhs. beginnt in der Ortenau mit dem Kampf
um die zähringische Erbschaft und dem damit zusammenhängenden Vordringen
der Macht des Straßburger Bischofs. Zu gleicher Zeit steigerte der Aufstand
des Königs Heinrich gegen seinen Vater Friedrich II. die Verwirrungen, die
eben wieder von dem Bischof benutzt wurden. Er führte von 1228 bis 1230
einen Krieg gegen den Grafen Egeno von Freiburg, in dem er verschiedentlich
siegte, aber die Verwüstung seiner Lande durch heuer und Schwert nicht ver-
hindern konnte.2) Erfolgreicher war der Nachfolger, Bischof Heinrich von
Kindler von Knobloch a. a. O. II, S. 497.
a) Vierordt, Badische Geschichte, 8. 280.
EINLEITUNG.
XXXV
Stahleck, dem es in den vierziger Jahren gelang, die Städte Gengenbach und
Offenburg zu erobern sowie die Burg Ortenberg, auf welcher bis dahin ein
Vogt des Reiches, also des unterdes vom Papst geächteten Kaisers Fried-
rich II., gesessen. Damit schien das Bistum die Ortenau in seiner Hand zu
haben, und Heinrich von Stahleck begann sich häuslich einzurichten, u. a. die
Befestigungen von Gengenbach zu erneuern. Obgleich die Kurie dem Grafen
Konrad von Freiburg den Besitz der Städte Neuenburg und Offenburg sowie
des Schlosses Ortenberg bestätigte und obgleich Graf Konrad von Freiburg die
Verbündeten des Bischofs, Walter von Geroldseck und seinen Sohn Heinrich,
in ihrem Schlosse Lahr gefangennahm — das ganze Jahrhundert finden wir die
Geroldsecker im feindseligsten Gegensatz zu den Freiburgern, wohl weil sie
ebenfalls Stücke zähringischen Erbes an sich gerissen — , trotz allem blieb der
Bischof im Besitz. Von ganz anderer Seite wurde seinen Machtbestrebungen
eine Grenze gesetzt. Eine neue Macht trat auf den Plan, die der Städte.
Wie in vielen Bischofsstädten hatte schon längst in Straßburg das Streben der
Bürgerschaft begonnen, die Herrschaft des Bischofs abzuschütteln, und es sollte
ihr auch nach langwierigen Kämpfen gelingen. Ein bischöfliches Recht nach dem
anderen bröckelte ab, um so mehr, als auch die pekuniären Mittel des Bischofs
mit der Zeit nicht Schritt gehalten hatten und er sich nur zu häufig in die
Lage versetzt sah, Rechte an die Stadt zu verpfänden. Diese hatte zur Stärkung
ihrer Wehrkraft zugleich eine lebhafte Ausbürgerpolitik begonnen. Zu dieser
kritischen Zeit bestieg Walter von Geroldseck den Bischofsstuhl, ein Mann,
welcher die Eigenschaften, die wir an verschiedenen Mitgliedern des Geschlechtes
beobachten können, offenbar ebenfalls besaß: eine gewisse Streitlust, verbunden
mit verwegenem Mut und Überschätzung der eigenen Kraft. Bei solchen An-
lagen mußte es zum schärfsten Konflikte kommen; der Bischof begann, gestützt
auf die damals so blühende Macht seines Hauses, den Kampf. Der Stadt
hatten sich zum Bunde gegen ihn u. a. die Städte Neuenburg und Colmar, vor
allem aber der Graf Rudolf von Habsburg und natürlich Graf Konrad von Frei-
burg, die Herren von Ochsenstein, Hohenstein und Girbaden angeschlossen. In
der mörderischen Schlacht bei Hausbergen (1262), die der trotzige Mann trotz
des Abratens vorsichtiger Freunde annahm, wurde er besiegt; zahllose Mitglieder
des Adels und seines eigenen Geschlechtes, des Bischofs Bruder, der Landvogt
Hermann, sein Oheim, der Herr von Tiersberg, Johannes von Werd und viele
andere fanden den Tod.1) 76 andere Adlige waren in Gefangenschaft geraten.
Der Bischof selbst war, nachdem zwei Pferde unter ihm gefallen waren, auf dem
dritten durch eilige Flucht entkommen. Auch die Herren von Lichtenberg
— damals Heinrich II. und Ludwig II. — , obwohl Schirmvögte der Stadt, standen
als Vasallen des Bischofs diesem bei, sowohl in der entscheidenden Schlacht
als bis zu seinem Tode, der 1263 erfolgte. So litt auch ihr Land schwer unter
S Ruppert a. a. O. S. 65.
III*
XXXVI
EINLEITUNG.
den Kriegszügen der Straßburger Bürger, insbesondere wurde ihre Burg Will-
stett von den Straßburgern erobert und zerstört. Mit dem neuen Bischof, der
sich mit den Straßburgern aussöhnte, kam auch der Friede, nur nicht für die
Geroldsecker, gegen welche die Stadt den Kampf bis zum Jahre 1266 weiter-
führte. Die Macht des Geschlechtes wurde in diesen Kämpfen für immer
gebrochen, es gab kein Aufsteigen mehr, sondern nur noch ein wenn auch lang-
sames Niedersteigen. Eine Folge dieses Kampfes aber war auch, daß die
Bestrebungen des Bischofs um Ausdehnung seiner Territorialmacht einige Zeit
auf hörten, da er auch in den nächsten Jahrzehnten noch zu sehr durch seine
Auseinandersetzungen mit der Stadt beschäftigt war. Vor allem jedoch war
mit der Schlacht bei Hausbergen der endgültige Sieg der Stadt über den Bischof
gewonnen. Gewiß blieb derselben noch viel zu wünschen und zu kämpfen
übrig, noch bis in das 16. Jh. hinein, aber es war doch die Entscheidung
gefallen.
Wie die Stadt Straßburg, so blühten im 13. Jh. auch die kleinen Schwester-
städte der Ortenau prächtig auf, und zwar nicht nur die drei Reichsstädte (bezw.
späteren Reichsstädte) Offenburg, Gengenbach und Zell, sondern auch die landes-
herrlichen Städte wie Haslach, Hausach und Wolfach, vor allem aber das neu-
gegründete Lahr, aus einem Dorf hervorgegangen, das möglicherweise erst kurz
vorher im Anschluß an die neuerbaute Tiefburg der Geroldsecker entstanden war.
Schon vor 1279 muß es zur Stadt erhoben worden sein, wie aus dem Freiheits-
brief dieses Jahres hervorgeht, welchen die sich nach der Trennung Herren von
Lahr-Mahlberg nennenden Geroldsecker Heinrich I. und Walter II. ausstellten.
Das Beispiel von Straßburg konnte nicht verfehlen, ansteckend auf Städte
wie Offenburg, Gengenbach und Zell zu wirken. Wie die Ortenau überhaupt,
war wohl auch das Terrain, auf dem die heutige Stadt Offenburg steht, von
Kaiser Heinrich II. dem Bistum Bamberg verliehen worden, als Bamberger
Lehen an die Zähringer gekommen. Diese gründeten hier eine Burg, von der
die Nachrichten, aber keine Spuren mehr sprechen, und im Anschluß daran
entstand die Stadt, die ihr Marktrecht wohl noch von den Zähringern, ihr
Münzrecht vielleicht von dem großen Hohenstaufen Friedrich II. erhielt, der
nach dem Erlöschen des Herzogshauses das Reichslehen an sich zog. Weil
auf freiem Reichsterritorium gelegen, behauptete die Stadt ihre Zugehörigkeit
zum Reich, stieß aber allerecken an die Besitzungen des Klosters Gengenbach,
mit dem der Konflikt unvermeidlich war. Gengenbach war auf dem Eigengut
des Klosters angelegt, und seine Bestrebungen, sich von den drückenden Ver-
pflichtungen gegenüber dem Abte frei zu machen, haben somit eine gewisse
Ähnlichkeit mit dem Vorgehen der Stadt Straßburg gegen ihren Bischof. Bei
Zell, das von dem Kloster aus gegründet worden, lag der Fall vvie bei Gengen-
bach. — Vorerst war allerdings keine Gelegenheit für die Selbständigkeitsregungen
der Städte, denn seit 1247 waren sie im Besitze des Bischofs von Straßburg,
EINTEILUNG.
XXXVII
der in den Wirren der Zeit sie erobert hatte und das ganze Interregnum über
behielt. 1273 aber bestieg Rudolf von Habsburg den deutschen Königsthron
und zog, wie überall verlorenes Reichsgut, auch die Ortenau wieder an sich ;
etwa sechs Jahrzehnte blieb sie beim Reich. Sofort regten sich die Städte
und begannen eine lebhafte Ausbürgerpolitik, die natürlich zu Konflikten mit
den Rechten des Abtes führte. König Rudolf versuchte es, die Beziehungen
des Klosters zu seinen Hintersassen und Zinsleuten zu regeln. Besonders günstig
wurden die Verhältnisse für die Städte, als die großen Kämpfe um die deutsche
Königskrone, die nach Rudolfs Tode ausbrachen, sich auf dem Boden des
Oberrheins abspielten. Denn nun vermochte man ein geschicktes Verhältnis
zu dem König zur Ausdehnung der Privilegien zu benutzen; in der Tat hat
denn auch Adolf von Nassau die Städte sehr begünstigt, in der Geschichte
der einzelnen Städte ist auf die Zeichen dieser Huld eingegangen. Adolf fiel
zwar in der Schlacht bei Göllheim 1298, allein zunächst änderte sich das
günstige Verhältnis zu dem Reiche nicht.
Die Stellung der Dynasten des Landes zu Adolf und seinem Gegner
Albrecht von Habsburg war eine verschiedene, die ungeschickteste wieder die
der Herren von Geroldseck, die, uneinig wie immer, auf beiden Seiten kämpften
und von keiner Seite Dank erhielten. Zwar verlieh Adolf 1296, nach Absetzung
des Albrecht nahestehenden Otto von Ochsenstein, die Landvogtei dem Sohne
Heinrichs von Geroldseck -Veldenz, Hermann, der in der unglücklichen Göll-
heimer Schlacht seine Treue mit dem Tode besiegelte. Die Anhänger Adolfs
traf nun die Rache Albrechts I., den Geroldseckern entzog er das Reichslehen
Mahlberg und verpfändete es ihren alten Feinden, den Grafen von Freiburg,
die allerdings nie in den Besitz gelangen konnten. Zu Heinrich VII. müssen
die Geroldsecker dann wieder in besserem Verhältnis gestanden sein, denn
1309 wurde Walter III. nach Johann von Saarwerden Landvogt der Ortenau,
sein Sohn trat in des Königs Dienst und begleitete ihn auf dem unglücklichen
Römerzug. Von den beiden anderen großen Dynasten standen die Lichten-
bergs treu auf Habsburger Seite, so auch zunächst wie später die Fürstenbergs,
welches günstige Verhältnis nur kurz unter Albrecht I. vom Grafen Heinrich II.
sehr zu seinem Schaden unterbrochen wurde.
Nach der wenigstens von Thronstreitigkeiten freien Zeit Kaiser Hein-
richs VII. folgte 1314 die verhängnisvolle Doppelwahl Friedrichs des Schönen
von Österreich und Ludwigs des Bayern, die neuen Zwiespalt auch in unsere
Gegend brachte. Wieder war die Stellung der Geroldsecker geteilt : die in der
Ortenau regierenden Linien standen nun auf der Habsburger Seite, fatalerweise
diesmal der unterliegenden, die veldenzischen auf der Ludwigs ; die Häuser
Lichtenberg und Fürstenberg blieben habsburgisch. Die ganze oberrheinische
Gegend hatte schwer unter den verheerenden Kämpfen der beiden Gegner zu
leiden, und nach Beendigung der Zwistigkeiten, als Ludwig der Bayer siegreich
XXXVIII
EINLEITUNG.
war, da begann für die Ortenau eine neue Art der Beunruhigung: das jahr-
zehntelange schöne Verhältnis zum Reiche hörte auf, die Könige begannen
Reichsgut und Stadtsteuern nur noch als gute Versatzgegenstände zu betrachten.
Es fängt die Zeit der Pfandschaften an. Zunächst verpfändete 1334 König
Ludwig »Rudolfen margrafen ze Baden genant von Pfarczheim und seinen erben
Ortenberg die burch, Offenburg, Gengenbach und Celle die stet und alles daz,
daz wir oder daz rieh in der Mortenaw haben, ez sein vogtay, zins, stiwr oder
gült, swie daz genant ist«.1) Zugleich aber hatte er angefangen, wie er es
selbst nannte, Stücke aus der Landvogtei herauszubrechen, und das Harmers-
bacher Tal mit seinen Seitentälern an die Grafen von Lürstenberg verpfändet.
1351 wurde dem Bistum Straßburg das Recht gegeben, die Pfandschaft ein-
zulösen, und 1356 das gleiche Recht für eine Hälfte derselben dem Pfalzgrafen.
Letzterer machte zunächst keinen Gebrauch davon, wohl aber der Bischof,
dessen Vögte von nun an auf Ortenberg saßen. Dieser versuchte nun, auch
das Harmersbacher Tal wieder einzulösen, wogegen sich die Ltirstenberger aber
lebhaft sträubten. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen und Lehden, unter
denen die Bauern sehr litten, bis 1367 durch Vermittelung der Städte Straßburg,
Lreiburg und Offenburg das Tal endlich dem Bischof geräumt wurde, der es
allerdings bald darauf in seiner Geldverlegenheit an das Straßburger Bürger-
geschlecht Bock verpfändete. Diese und ihre Erben behielten es 300 Jahre, aber
ihre Rechte waren in dem Versatzinstrument sehr beschränkt, durch die Zer-
splitterung in viele Geschlechter wurde das Ansehen der Gemeinherren nicht
erhöht, und diese Verpfändung von zweiter Hand wurde durch geschickte
Benutzung die Vorstufe zur völligen Reichsfreiheit des Tales.2)
Bis zum Anfänge des 15. Jhs. blieben die Bischöfe im Alleinbesitz der
Landvogtei; als aber (1400) Kurfürst Ruprecht von der Pfalz den deutschen
Königsthron bestiegen, da löste er die eine Hälfte für sein Haus ein (1406), und
ein Jahrhundert lang stand nun die Ortenau unter zwei Pfandherren, dem Bischof
und dem Pfalzgrafen.
Die Geschichte der drei Reichsstädte war während dieser ganzen Zeit von
zwei großen Angelegenheiten erfüllt. Es galt einerseits ihre Selbständigkeit
gegenüber den Pfandherren zu wahren, andererseits dem Kloster Gengenbach
immer mehr Rechte abzuringen. Beide Bestrebungen waren von Erfolg begleitet.
Die Pfandherren, zunächst nur der Bischof, versuchten zwar, trotz des Versprechens,
die Rechte zu wahren, die Städte unter ihre Gerichtsbarkeit zu bringen — mit
diesem Anfang wären sie allmählich zu Landstädten herabgesunken — , der Bischof
erlangte auch 1358 ein Privileg des Kaisers in diesem Sinne, allein die Städte
protestierten, und unter Beihilfe des weitblickenden Abtes Lambert de Burn
erreichten sie von Karl IV. das große Privileg von 1366, das ihre Reichsfreiheit
P Krieger a. a. O. II, S. 435.
-) Siehe unseren Text S. 542, nach Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes I.
EINTEILUNG.
XXXIX
sicherte; sobald die Städte versetzt seien, sollten die Zwölf ihres Alten Rats
sagen, was der Stadt Freiheit sei, außer dem Reichshofgericht sollten sie nur
ihrem Zwölfergericht unterstehen. In dieser Urkunde, die sie sich unzählige Male
neu bestätigen ließen, sahen die Städte mit Recht die Grundlage ihrer Reichs-
freiheit.
Uber die Auseinandersetzungen mit dem Grundherrn der Gegend ist oben
in der Geschichte des Klosters ausführlich gesprochen und wird im Text selbst
Eingehenderes gesagt, so daß hier nur das günstige Resultat für die Städte erwähnt
werden muß, die es verstanden, die Verpflichtungen gegenüber dem Abte auf
ein Minimum einzuschränken. Im Innern der Städte selbst spielte sich unter-
dessen der Kampf zwischen den alten Geschlechtern und den Zünften ab, der
zeitweilig mit dem Sieg der letzteren, dann aber mit einem Kompromiß endigte.
Im 15. Jh. finden wir überall neben den Zwölfern des Alten Rats den Jungen
Rat mit dem Stettmeister, der aus den Zünften gewählt wurde, und diese Ver-
fassung, auf die unten im einzelnen eingegangen wird, blieb im wesentlichen
gleich bis zum Ausgang des Römischen Reiches.
Die Geschichte der Ortenau in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters
wird im wesentlichen ausgefüllt durch die zahllosen kleinen Fehden zwischen
den einzelnen Territorialherren untereinander, unter denen mehr oder minder
jeweils die ganze Gegend litt. Es ist hier nicht der Ort, darauf näher ein-
zugehen, und so seien nur einige der wichtigsten hervorgehoben, so die Fehden
zwischen dem Markgrafen Rudolf III. von Baden und dem Bischof von Straß-
burg, die zunächst begannen wegen dem Strand- und dem Grundruhrrecht sowie
wegen Ansprüchen gegen die Juden.1) Andere Gründe oder vielleicht nur
Anlässe waren Streitigkeiten zwischen den Lehensleuten der beiden, so z. B. wegen
eines badischen Lehensmannes von Ow, der auf Staufenberg saß, wobei der
Markgraf insbesondere die bischöflichen rechtsrheinischen Lande verheerte,
während der Bischof 1327 Staufenberg eroberte. Auch der Markgraf Hermann IX.,
ein streitbarer Herr, geriet mit dem Bistum in Händel, und wieder eroberten die
Truppen des Bischofs das Schloß Staufenberg.2)
Es waren die Zeiten, da die große Pest Europa heimsuchte und auch in
unseren Gegenden fürchterliche Opfer forderte. Wie in vielen Gegenden
beschuldigte man in der Ortenau die Juden der Brunnenvergiftung, so in Offen-
burg, wo man alle der Stadt verwies; die Unglücklichen zogen es aber vor, statt
neuen Schrecknissen entgegenzugehen, sich in einem Hause gemeinsam zu ver-
brennen. Ähnliches geschah in ganz Deutschland, so daß Kaiser Karl IV. sich
zum Einschreiten genötigt sah und teils aus Menschlichkeit, teils um dem Reiche
namhafte Einnahmen nicht entgehen zu lassen, den Städten große Bußen auf-
erlegte. Die Gefahr, (Jaß auch gegen sie große Ansprüche geltend gemacht
1) Weech, Badische Geschichte, S. 29.
-) Das offenbar bereits an Baden verpfändet war, an das es erst 1366 definitiv gelangte.
XL
EINLEITUNG.
werden könnten, einigte auf einen Moment die Reichsstände der Gegend, so
daß sie ein Bündnis zusammen schlossen: so Bischof und Stadt Stoßburg, der
Markgraf von Baden, die Grafen von Württemberg, Freiburg, Hohenberg. Fürsten-
berg, die Herren von Eberstein, Geroldseck u. a.1) Doch kaum war die Gefahr
erledigt, als die Fehden wieder losbrachen, für unsere Gegend die verhängnis-
vollste, der sogen. Dachsteiner Krieg, eine erneute blutige Auseinandersetzung
des Bischofs von Straßburg mit der Stadt. Wilhelm von Diest benutzte den
Auszug eines großen Teils des Adels aus der Stadt, um zum Kampfe zu ent-
flammen, an dem außer dem Markgrafen von Baden und anderen Herren auch
Ludwig von Lichtenberg auf des Bischofs Seite teilnahm. Die Kriegsscharen
des letzteren und seiner Verbündeten legten sich vor Oberkirch, das der Bischof
vor Jahrzehnten der Stadt Straßburg verpfändet hatte, ohne es aber zu erobern;
die Scharen der Stadt verwüsteten die Lichtenberger Lande, ließen einige Orte
in Llammen aufgehen, so auch Bischofsheim, wo die zur Verteidigung her-
gerichtete und von Bauern besetzte Kirche mitsamt ihrer Besatzung verbrannt
wurde,2) worauf der Lichtenberger mit den Straßburgern Lrieden schloß. Im
Jahre 1429 schloß auch der Bischof Frieden. — Kleinere Fehden waren die
zwischen den Badenern, den Lichtenbergern und den Ebersteinern wegen der
Schauenburg, zwischen den Hohengeroldseckern und den Grafen von Mörs um
die lahr-mahlbergische Erbschaft sowie des rauflustigen Diebold von Hohen-
geroldseck mit den Lichtenbergern um das Erbe seiner Mutter.
* *
*
Die Geschichte der Kunst in der Ortenau spiegelt getreulich die Ent-
wickelung derselben mit allen ihren Phasen am Oberrhein, von Basel abwärts,
wider. Wenn auch nicht in demselben Grade wie das Elsaß, ist das Land
kulturell ein Zwischenland, das abwechselnd die Einflüsse von dem östlicheren
Deutschland, von Schwaben und von Frankreich erfuhr. Wenn die rechts-
rheinischen Gegenden begreiflicherweise weniger stark französischen Einflüssen
ausgesetzt waren, so ist für die Ortenau doch wichtig, daß sie zum Sprengel
des Bistums Straßburg gehörte, also mit diesem Zentrum der Kunst am Ober-
rhein in engster Beziehung stand.
Aus den früheren karolingisch-ottonischen Zeiten unserer Geschichte
ist, wie es ja die Regel, in unseren Landen nichts erhalten, wenn wir nicht das
kleine Heidenkirchlein in Freistett in so frühe Zeit datieren wollen.
Dagegen besitzen wir ein ziemlich frühes Denkmal des romanischen
Stils in dem kleinen Kirchlein in Burgheim bei Lahr mit seinen gekuppelten
Rundbogenfenstern und dem um das Portal herum gezogenen Sockel. Wenigstens
steht den Formen nach nichts entgegen, in dem erhaltenen Bau jenen zu sehen,
der 1035 an Stelle eines älteren Gotteshauses eingeweiht wurde. Es ist nicht
') Weech a. a. O. S. 37*
2) Schaible a. a. O. S. 27 f.
EINLEITUNG.
XLI
ausgeschlossen, daß ungefähr zu gleicher Zeit, nach einer förmlichen Neu-
gründung des Klosters durch Heinrich II., die Kirche von Schuttern entstand,
die nach Beschädigungen 1155 nur repariert wurde. Sie ist durch einen Barock-
bau ersetzt, aber eine Ansicht vor dem Umbau zeigt uns eine große, drei-
schiffige Basilika mit schlichtem Äußeren, das nur durch einen Bogenfries unter
dem Dache geziert war. Erhalten ist nur ein Türsturz mit sehr primitiven
Skulpturen, die zweifellos symbolische Bedeutung haben.
Im 11./12. Jh. setzt der obenangedeutete stärkere schwäbische Einfluß
ein. Die Reform der Cluniacenser war mit Anpassung an deutsche Verhältnisse
unter dem großen Abt Wilhelm von Hirsau in seinem Kloster im Nagoldtal
eingeführt worden, und von dort wurden ziemlich die meisten Benediktinerklöster
reformiert. Mit den Hirsauer »Consuetudines« aber brachten die Mönche auch
ihre eigenen Baugewohnheiten mit, so bei uns nach Gengenbach wie in die
benachbarte neue Gründung Alpirsbach im oberen Kinzigtal. Kurz nach der
Gengenbacher Reform i. J. 1 1 1 7 dürfte auch im Anschlüsse daran der Bau der
dortigen Kirche begonnen worden sein, die mit wenigen späteren Anbauten
heute ziemlich in ursprünglicher Gestalt dasteht. Sie zeigt die typische Hirsauer
Form mit den über das Querschiff fortgeführten Seitenschiffen, wie der Haupt-
chor in kleineren Apsiden endigend, nach ihm zu sich in zwei Arkaden öffnend,
daneben an den Ostwänden des Querschiffs noch zwei kleinere Apsiden, ein
Schema, dessen Vorbild in der Aurelius- und Peterskirche in Hirsau nachgewiesen
ist, das aber mit Vorliebe in den niedersächsischen Klöstern Hirsauer Obedienz
erscheint. Die Arkaden des Langhauses werden abwechselnd von Pfeilern und
Säulen getragen — der Stützenwechsel, der in Niedersachsen vor allem beliebt
ist, der aber hier nicht wie dort zu einer Gliederung der Oberwand benutzt ist.
Genau zu gleicher Zeit mag das im Schema etwas abweichende Alpirsbach, eine
reine Säulenbasilika, entstanden sein, das also weder als Vorbild noch als Nach-
bild betrachtet werden kann. Wohl 100 Jahre später ist dann, trotz ihres alter-
tümlicheren Eindrucks, die Schwarzacher Klosterkirche entstanden,1) welche die
typischen fünf Apsiden aufweist, im Innern aber keinen Stützenwechsel, sondern
Säulenarkaden. Gegen die schlanken, klassischen Verhältnisse der Gengenbacher
Kirche wirkt diese schwer und in ihren Einzelformen barock. Hier wie in
Gengenbach fehlt jetzt die Vorhalle, die ihnen ursprünglich, wie in Alpirsbach,
vorgelegt war. — Im Schuttertal sind noch in Wittelbach die Reste einer
romanischen Kirche zu erwähnen.
Was an romanischer Skulptur in der Ortenau erhalten ist, zeigt
durchaus einen frühen oder einen provinzialen, primitiven Charakter. Den Tür-
sturz von Schuttern haben wir schon erwähnt, ein weiterer Türsturz hat sich
in Reichenbach (Amt Offenburg), je ein Tympanon in Haslach und Hausach
erhalten. In Gengenbach müßte man der Eleganz des Baues und seiner orna-
k Ich stimme mit der Datierung Sauers überein.
XLII
EINLEITUNG.
mentalen Details entsprechend eine hochstehende Bildhauerarbeit erwarten, doch
existiert nur die thronende Madonna im Giebel, eine Figur, die noch sehr
unbeholfen im Block stecken geblieben ist. Viel bedeutender das Tympanon-
relief der Schwarzacher Kirche, darstellend den thronenden Heiland mit den zwei
Apostelfürsten, das trotz seines archaischen Charakters in der ungezwung-enen
Haltung und dem Gesichtsausdruck als tüchtige Leistung der Zeit gelten kann.
Eine eifrige Bautätigkeit haben vom Ende des 12. bis zum Ende des
13. Jhs. die Herren von Geroldseck entfaltet, während der höchsten Blüte
ihrer Macht, deren Schwerpunkt ja in der Ortenau lag, was bei allen anderen
I erritorialherren nicht der Fall war. Von der ersten Gestalt der Stammburg
Hohengeroldseck, die 1239 zum erstenmal erwähnt wird, ist uns nichts erhalten,
ln ihrer heutigen Erscheinung der früheste Bau des Hauses ist die entlegene
Burg Schenkenzell: eine Anlage mit zwei Palasen, einem Hof dazwischen
und einem Bergfried, deren schlichte Fensterformen noch durchaus romanisch
scheinen. Den gleichen Stil in seiner Ausbildung zeigt die Diersburg, welche
die früh abgezweigte Linie des Geschlechtes wohl um 1200 bezw. in den ersten
Jahrzehnten des 13. Jhs. erbaut haben mag. Denn als noch vor der Mitte dieses
Jahrhunderts Walter von Geroldseck von der Stammburg herabstieg und sich eine
Residenz im Tale schuf, die Tiefburg Lahr, da war schon jene letzte Blüte
des romanischen Stils eingetreten, die wir ob der spielenden Verwendung
französisch-gotischer Formen den Ubergangsstil nennen. Die erhaltenen Fenster
des schönen Quaderbaues sind gute Beispiele desselben. Bei Betrachtung dieses
Baues und der folgenden möchte man beinahe glauben, daß Walter mit persön-
lichem Geschmacke sich für die Neuerungen in der Kunst einsetzte. Natürlich
ist das eine unbeweisbare Vermutung. Denn nun überschwemmt die ganzen
oberrheinischen Lande auf einmal jene gewaltige Flutwelle französischer Kunst,
es beginnt das Eindringen der Gotik. Als Walter 1259 das Spital in Lahr
gründete und es mit Augustinermönchen aus Obersteigen im Elsaß besetzte, da
wird auch sofort der Bau der Stiftskirche in den Formen und in der
Konstruktion der Gotik begonnen. Noch spürt man in den Seitenschiffen das
Raumgefühl der früheren Zeit, allein der hohe, lichte Chor und die Verhältnisse
des Mittelschiffs, die Konzentrierung des Gewölbeschubs auf die Pfeiler und die
Strebepfeiler zeugen von einem Verständnis für das Wesentliche des neuen
Stils. Allerdings war der Baumeister des Konstruktiven nicht ganz sicher -
die Strebepfeiler zumal sind zu schwach angelegt — , zugleich gingen den Bau-
herren wohl in den schweren Kämpfen der sechziger Jahre mit dem Verluste
ihrer Machtstellung die Mittel aus, die geplante Wölbung des Langhauses unter-
blieb nach wenigen Ansätzen. Trotzdem ist der Bau, den wir wohl kaum
später als in die Jahre 1260 bis 1280 datieren dürfen, ein interessantes und frühes
Beispiel für das Eindringen des neuen Stils. Nicht viel vorher mag der Neubau
der Stammburg in Angriff genommen worden sein, denn während die Tiefburg
EINLEITUNG.
XLIII
Lahr noch ganz im Ubergangsstil erbaut ist, zeigt die weit in die Lande schauende
Hohengeroldseck in den gekuppelten Spitzbogenfenstern, in den gerad-
sturzigen, einpfostigen Fenstern des erhaltenen Palases, des »alten Hauses« schon
die Bauweise der Gotik. Eine merkwürdige, vielleicht nicht zufällige Über-
einstimmung zeigt sich in der Anlage mit der Diersburg, in der Form der beiden
Palase und dem dazwischen liegenden Hof, dem Fehlen einer Schildmauer und
eines Bergfriedes. Der letzte erhaltene geroldseckische Bau — Burg Schwanau
ist bis auf wenige Grabenreste verschwunden — , die Tiefburg Dautenstein bei
Lahr, ist in dem allein alten Grundriß als eine verkleinerte Wiederholung der
Lahrer Tiefburg anzusehen.
Das 1 3. Jh. ist ja überall in deutschen Landen die Zeit gesteigerten
Burgenbaues; so auch bei uns. Die Residenz Welfs VI. bezw. seiner Gemahlin,
die Schauenburg, ist von dem jetzt dort residierenden Ministerialengeschlecht
gänzlich verändert und zu einem interessanten Typus einer Ganerbenburg mit
drei Wohntürmen, merkwürdiger Zugbrückenanlage, einer Schildmauer mit ein-
gebauter Kapelle umgebaut worden. Stärker noch als im nordöstlichen Wohn-
turm kommen im südwestlichen die Fensterformen der Gotik zur Geltung.
Ähnlich haben wir uns wohl den Aufbau der Ruinen Fürsteneck, Neuenstein,
Bärenburg, Schiltach, Wolfach u. a. zu denken, von denen heute nichts mehr
steht als die Grundmauern.
Viel früher als in den Bauten der Geroldsecker, vielleicht mit am frühesten
am ganzen Oberrhein, scheint die Gotik eingezogen zu sein in dem um 1 196
gegründeten Kloster Allerheiligen. Wenn auch nicht in demselben Maße
wie die Cisterzienser, so sind doch die Prämonstratenser, deren Orden zur Neu-
gründung berufen wurde, mehr oder minder ebenfalls die Pioniere der Gotik in
Deutschland gewesen. Nicht lange nach der Gründung begann man in Aller-
heiligen den Bau der Kirche, und zwar der Vorhalle wie des Chores (Sockel)
noch in romanischem Stil, um dann im Aufbau des letzteren rasch durch den
Ubergangsstil zur Gotik zu gelangen. Vielleicht wurde ein mit dem »opus
francigenum« vertrauter Baumeister direkt aus Frankreich bezogen. In rascher
F olge ging man an das Langhaus, das nach allen Anzeichen als Hallen-
kirche geplant war. Allerdings versagten da doch die technischen Fähig-
keiten — wenn die aufgedeckten Strebepfeiler die ursprünglichen sind, so waren
sie freilich durchaus ungenügend — - und der Bau blieb als Provisorium mit
hölzernen Stützen und hölzernem Dache stehen. In den Formen der Ostteile,
besonders in der noch in der zweiten Hälfte des 13. Jhs. angebauten Kapelle
Allerheiligen aber besitzt die Gegend ein vorzügliches Beispiel frühgotischen Stils.
Wie in der politischen Geschichte mit dem 13. und 14. Jh. die Macht
der Städte in den Vordergrund tritt, so auch in der Kunstgeschichte. Es
erfolgt ihr eigentlicher Ausbau und die Verbesserung bezw. Neuanlage ihrer
Befestigungen. Aus dieser Zeit stammen wohl die nur in wenigen Resten
XLIV
EINLEITUNG.
erhaltenen Offenburger, welche uns verschiedene ältere Bilder zeigen, wie auch
die Gengenbacher in der Hauptsache, der Oberbau der Türme ist allerdings
jünger. Die schon in der Mitte des 13. Jhs. von Bischof Heinrich von Stahleck
verbesserten Befestigungen sind am Ende des 14. Jhs. von der Bürgerschaft
durchgehends erneuert worden. Typisch ist, wie am ganzen Oberrhein, die
Anlage mit den zwei Mauerringen, ebenso vielen Zwingern, Gräben, den kleinen,
nach innen offenen runden oder polygonalen Mauertürmen, den großen vier-
eckigen Türmen, die ohne besondere Ausgestaltung in einem Pyramidendach
endigen. Auch das Innere der Städte schmückte sich. In Offenburg erstand
damals im 14. Jh. der Neubau der Pfarrkirche, von welcher im Chor noch ein
Rest erhalten. Es entstand ein prächtiges Rathaus, Pfalz und Laube, das
Andreasspital sowie das Franziskanerkloster. Sie alle sind den Zerstörungen
des 17. Jhs. zum Opfer gefallen. Nur der Chor der Franziskanerkirche zeigt noch
im Äußern seine alte Form, im Innern die hohen, weiten und lichten Verhält-
nisse, wie sie dem Bedürfnis der Predigerorden entsprachen. — Einer der merk-
würdigsten Reste der Zeit aber ist das Judenbad, das, aus rituellen Ansprüchen
entstanden, seinen früheren Formen nach um 1300, also etwa 40 Jahre vor der
großen Judenverfolgung, erbaut worden sein muß. — Die gleiche Zeit brachte
auch einen neuen Klosterbau in W i 1 1 i c h e n , von dem aber nichts Ursprüng-
liches mehr erhalten ist.
Am Ende des Mittelalters beobachten wir eine neue gesteigerte
kirchliche Bautätigkeit. Überall wurden, wie es scheint, die alten Kirchen
zu enge und man errichtete neue. Ihre Langhäuser sind meistens in den späteren
Jahrhunderten umgebaut worden, ihre Türme aber oft stehen geblieben, ein-
fache, viereckige Bauten mit einer kreuzgewölbten Halle im Erdgeschoß, spitz-
bogigen Maßwerkfenstern im obersten Stock und schlichtem Satteldach, so
in Haslach, Mühlenbach, Gengenbach (Martinskirche), Wolfach,
Hausach u. a. An letzterem Orte steht auch noch der reizvolle Chor mit
dem komplizierten Netzgewölbe der Spätgotik, ihren trocken profilierten Rippen,
den schlanken Fenstern mit dem flamboyanten Maßwerk. Beispiele des gleichen
Stils sind die Friedhofkapelle in Oppenau, die Wallfahrtskirche in Unter-
harmersbach, das kleine Kirchlein in Zimmern, die Kirche in Wein-
garten bei Offenburg, die dreischiffige schöne Kapelle des Klosters in
Offenburg.
1470 äscherte der Blitz den, wie wir sahen, zum Teil nur provisorisch
hergestellten Bau des Klosters Allerheiligen ein, und die Mönche sahen sich
veranlaßt, bis zu erstelltem Neubau ihre Residenz einstweilen ins Renchtal zu
verlegen. Diesem Umstand verdanken wir den Bau der Wallfahrtskapelle
in Lautenbach, den in den Jahren 1471 bis etwa 1488 (mit den Einbauten)
der Meister Hans Hertwig aus Bergzabern errichtete, ein hochbegabter Meister,
der zweifellos in der Straßburger Bauhütte seine Schule erhalten. Die Gegend
EINLEITUNG.
XLV
besitzt damit ein Juwel der Spätgotik, in der Einzelausführung wie in der
malerischen Erscheinung des Ganzen gleich reizvoll. Die Bedeutung der Kirche
wird aber dadurch gesteigert, daß sie noch in ihrer alten, etwa von 1480 bis
1524 vollendeten Innenausstattung erhalten ist. Noch zieren sie die größtenteils
vor 1500 entstandenen Glasgemälde, welche denen der verbrannten Magdalenen-
kirche so ähnlich und vielleicht in gleicher Werkstatt gearbeitet sind. Noch
besitzt sie ihre alten Schnitzaltäre mit den Skulpturen und Gemälden.
In den letzten zwei Jahrhunderten des Mittelalters war der Einfluß Frank-
reichs zurückgetreten, und die wichtigsten künstlerischen Beziehungen des Ober-
rheins gingen wieder nach Osten und Süden, nach Schwaben und dem Schwäbischen
Meere. Die Plastik des 14. Jhs. hat uns nur in dem Grabmal des Götz von
Fürstenberg in Haslach ein etwas primitives Beispiel hinterlassen. Das 1 5. Jh.
bringt dann die glänzende Ausbildung des Schnitzaltars und damit der Holz-
skulptur, in die um die Jahrhundertwende schon ein leichter Wind von Süden,
ein Hauch der Renaissance eindringt. Der Lautenbacher Hochaltar ist wohl
eines der glänzendsten Werke der Gattung. Daneben sind die beiden Seiten-
altäre sowie der ganz hervorragende Kruzifixus zu erwähnen, weiter Holzfiguren
in Gaisbach, Bohlsbach, Offenburg und an anderen Orten. Der Holzschnitzstil,
die Vorliebe für außerordentlich knittrige Falten, für eine messerscharfe Behandlung
der Flächen überträgt sich auch auf die Steinskulptur, wie wir an Meisterwerken
derselben, an dem heiligen Grab in Gengenbach, dem Kruzifixus und dem ölberg
auf dem alten Friedhof in Offenburg beobachten können. Letzterer ist eine Kopie
im Gegensinne des Ölberges im Straßburger Münster; ersterer ist früher mit
dem Badener Kruzifix des Niklas von der Leyen in Verbindung gebracht worden,
meiner Ansicht nach ohne Recht, es ist eine durchaus selbständige Arbeit.
Für die Entwickelung der deutschen Malerei, für die Eroberung der Welt
der Wirklichkeit wird der Oberrhein ja neuerdings immer wichtiger. Dazu kann
unsere Gegend keinen Beitrag bieten. Die erhaltenen Denkmäler stammen alle
erst aus der zweiten Hälfte und dem Ende des 15. Jhs. So die Wandmalereien
in Burgheim wie die in der Bühlwegkapelle bei Ortenberg. In den letzteren
macht sich schon in der Tracht das Eindringen des neuen Geschmackes bemerk-
lich. Auch die Tafelgemälde künden bereits die Wendung zum 16. Jh. an.
Es sind meistens Bilder, die zu Hans Baidung Grien in irgendwelcher Beziehung
stehen, mögen sie nun vor ihm oder unter seinem Einfluß geschaffen worden sein.
Noch ist die Geschichte der Malerei am Oberrhein am Ende des 15. und Anfang
des 16. Jhs. ein gänzlich unerforschtes Gebiet, vielleicht tragen die in diesem
Band publizierten Bilder in Lautenbach, Kehl, Bohlsbach etc., zum Teil
hochbedeutende Werke, irgendwie zur Klärung bei.
Am Schlüsse der mittelalterlichen Kunstentwickelung unserer Gegend steht
der Wiederaufbau von Allerheiligen, die spätgotische Herstellung des
Langhauses, der Neubau des Kreuzganges und der Klosterräumlichkeiten, von
XL VT
EINLEITUNG.
denen wir durch Grabungen den Kapitelsaal feststellen konnten, sowie der Um-
bau des Rathauses in Offenburg. Nur ein kleiner Rest ist noch erhalten,
eine Torhalle mit Netzgewölbe, aus dem der Kopf des Baumeisters hervorlugt,
zusammen mit den obengenannten spätgotischen Kirchen und Kapellen eine
Andeutung des Reichtums und der hohen Qualität des früheren Kunstbesitzes
der Gegend.
* *
In den Besitzverhältnissen der Ortenau sind am Ende des Mittel-
alters kleine Verschiebungen eingetreten. Zwei Dynastenhäuser erloschen: die
lahr-mahlbergische Linie der Geroldsecker und die Lichtenberger. Die Herr-
schaft Lahr-Mahlberg kam 1426 an den Gemahl der letzten Erbtochter, an den
Grafen Johann von Mörs-Saarwerden, der aber in schwerem Kampfe gegen die
Hohengeroldsecker das Erbe seiner Gattin zu verteidigen hatte. Die Grafen
gerieten dadurch in derartige Schulden, daß sie 1442 die Hälfte der Herrschaft
zum Mitbesitz an Markgraf Jakob von Baden verkaufen mußten. Baden ver-
kaufte zwar wieder die Hälfte seines Anteils 1462 an die Stadt Straßburg, löste
ihn aber schon 1480 wieder ein. Auch der Mörs-Saarwerdensche Mannesstamm
starb 1527 aus, und nun kam der Schwiegersohn des letzten Grafen von Mörs,
Johann Ludwig von Nassau-Saarbrücken, in den Gemeinbesitz mit Baden. Dieser
Zustand blieb bis 1629, wo u. a. auf Grund konfessioneller Bedenken des katho-
lischen Markgrafen — das Haus Nassau war protestantisch — eine Teilung
erfolgte, bei der die Herrschaft Lahr an Nassau, die Herrschaft Mahlberg aber
an Baden kam.
Das Haus Lichtenberg erlosch 1480 mit Jakob, er wird erstmals 1458
als »Graf« von Kaiser Friedrich III. bezeichnet. Die gesamten rechts- und links-
rheinischen Besitzungen des Hauses waren in diesem Jahrhundert an den jüngsten
Stamm gefallen. Jakob starb kinderlos, sein Bruder Ludwig hatte jedoch zwei
Töchter hinterlassen, Anna und Else, deren Männer, Philipp Graf zu Hanau und
Graf Simon-Weeker von Zweibrücken-Bitsch, als Erben auftraten. Es kam zu
einem PIrbfolgekrieg mit dem Bischof von Straßburg, in dem letzterer Willstett
besetzte. Doch wurde derselbe bald durch Vermittelung beigelegt, Philipp
erhielt außer fünf elsässischen Ämtern das Amt Willstett und Simon von Zwei-
brücken-Bitsch neben der gleichen Anzahl linksrheinischer Besitzungen das Amt
Lichtenau. Doch waren die beiden rechtsrheinischen Ämter als Kondominat
gemeinschaftlich.
Wichtig für die Gestaltung der Gegend war dann vor allem der Nieder-
gang des Hauses Hohengeroldseck. Unglückliche Kriege, durch die Rauflust
seiner Mitglieder heraufbeschworen, brachten es an den Rand des Abgrundes.
Schon Diebolt I. sah sich um die Mitte des Jahrhunderts genötigt, sich in den
Erbdienst der Pfalz zu seinem Schutze zu begeben, der auch Diebolt II. 1474
gegen die Straßburger schützte. Die pekuniären Bedrängnisse aber wurden
EINLEITUNG
XL VII
immer größer, Dorf um Dorf verpfändet und verkauft. Schon war die Hälfte
der Herrschaft verloren, da hatte Diebolt II. auch noch den unglücklichen
Gedanken, sich von dem Erbdienst der Pfalz frei zu machen und dem Pfalzgrafen
Fehde anzukündigen. Dieser — damals Kurfürst Philipp — eroberte i486 nach
sechswöchiger Belagerung die Stammburg, und nun war das unglückliche Ge-
schlecht gänzlich von Haus und Hof vertrieben. Auch die Herrschaft Romberg
sahen sie sich genötigt 1490, die Herrschaft Schenkenzell 1498 (bezw. 1500) an
die Grafen von P'ürstenberg zu verkaufen, deren Gebiet so die wünschenswerte
Abrundung erfuhr. — Kaiser Max erteilte zwar 1 500 Gangolf von Hohengeroldseck
die Reichslehen, erst nach Jahrzehnten aber gelangte dieser wieder in den Besitz
seiner sehr ruinierten Lande.
Mit der Einnahme der Hohengeroldseck schienen die Bestrebungen des
Pfalzgrafen, sich in der Ortenau festzusetzen, von Erfolg gekrönt, hatte er doch
auch die Hälfte der Landvogtei inne. Da wurde der Sohn Philipps, Ruprecht,
durch seine Ansprüche auf das Erbe Georgs des Reichen von Landshut in den
bayerisch-landshutischen Erbfolgestreit verwickelt, und als er sich weigerte, die
Teilungsvorschläge des Königs Max anzunehmen, wurde über ihn die Reichs-
acht verhängt, die Hälfte der Landvogtei wurde ihm abgenommen, ebenso die
Hohengeroldseck. Letztere war zwar zunächst bis zum Ausgang des Prozesses
mit der Pfalz dem Markgrafen Christoph von Baden zur Verwahrung übergeben,
doch konnte endlich 1 5 1 1 Gangolf wieder in sein Schloß einziehen.
So war also das Vordringen der Pfalz zurückgedämmt. Die Reichs-
städte der Ortenau hatten den König dabei kräftig unterstützt, dankbar
bestätigte er jetzt ihre alten Rechte, beschränkte auch den Anspruch des Straß-
burger Bischofs als Pfandherrn auf seinen Anteil an der Reichssteuer und schlich-
tete 1 507 auf dem Reichstage zu Hagenau die Streitpunkte zwischen der Stadt
Gengenbach und dem Kloster in einem für erstere günstigen Sinne.
Auch das Haus P'ürstenberg, das dem König beigestanden hatte,
wurde belohnt. Die Kinzigtäler Linie war mit dem baulustigen und kinderlosen
Heinrich VI. 1490 ausgestorben, die Besitzungen im Kinzigtal waren wieder mit
den Stammlanden vereint unter den Brüdern Heinrich und Wolfgang, und da
ersterer 1499 starb, in der alleinigen Hand Wolfgangs. Der Vermehrung der
Macht durch den Ankauf geroldseckischer Besitzungen ist bereits oben gedacht
worden. Jetzt erhielt Wolfgang, der in der Ortenau mit gefochten hatte, 1 504
die pfälzische Hälfte derselben in Pfand. Er residierte von nun an mit Vorliebe
auf der Burg Ortenberg. Schon fünf Jahre nachher aber starb Wolfgang und
die Lande gingen an seinen Sohn Wilhelm über, der ob seines abenteuer-
lichen und bewegten Lebens, dem die Zimmernsche Chronik ein besonderes
Kapitel widmet, den Namen »der wilde Graf von Fürstenberg« erhielt. Er focht
bald im Dienste des Kaisers, bald in französischen Diensten, dann auf der Seite
Sickingens und wieder 1528 als kaiserlicher Eeldobrist in Italien. Für die Sache
XL VIII
EINLEITUNG.
der Reformation hat er sich frühe interessiert und wohnte 1529 dem Religions-
gespräch in Marburg bei. Gleich nachher dient er wieder dem König von
Frankreich, zerwirft sich aber mit dem Connetable von Montmorency, kehrt
wieder zu den kaiserlichen Fahnen zurück und kämpft gegen Frankreich, wird
gefangen, vom Haus Habsburg im Stich gelassen und endlich von seinem Bruder
Friedrich ausgelöst, um fünf Jahre nachher auf Ortenberg, das auch er als
Residenz bevorzugte, an Geist und Körper zerrüttet zu sterben. Insbesondere
durch seine Stellung zur Reformation — nahm er doch auch an dem Schmal-
kaldischen Kriege teil — hatten sich seine Beziehungen zu dem Kaiser immer
mehr verschlimmert, und so mußte er 1548 die Regierung an seinen Bruder, den
Grafen Friedrich, abtreten.
Dies in groben Zügen die Lage des Landes um die Wende vom 15. zum
16. Jh. Unsere am Schlüsse des Bandes beigegebene historische Karte ermög-
licht einen Überblick über die Besitzverhältnisse: es ist dazu zu bemerken, daß
auf ihr im allgemeinen der Zustand um die Mitte des 15. Jhs. geschildert ist,
daß es sich aber empfahl, für die fürstenbergischen Lande schon die Abrundung
derselben am Ende des Jahrhunderts durch die geroldseckischen Verkäufe
wiederzugeben. (Wth.)
* *
*
Uber den kirchlich-religiösen Geist am Schlüsse des Mittel-
alters gewähren uns die zugänglichen Dokumente nicht allzuviel Einblick.
Dürfen wir aber einen Rückschluß wagen aus der raschen und weiten Verbreitung
und den kirchenfeindlichen Zug der Bauernerhebung und der Reformation, so
ergibt sich daraus nicht gerade ein erfreuliches Bild von der religiösen Haltung
des Volkes. Im Anfang des 17. Jhs. schilderte der Offenburger Pfarrektor Rapp1)
in einem Rückblick auf die Zustände in seiner Pfarrei während der beginnenden
Reformation, daß viele Pfründeinhaber, meist dem Adel angehörig, lieber nach
Straßburg gezogen und daß der Gottesdienst auch von den an Ort und Stelle
Anwesenden arg vernachlässigt worden sei ; ein Adeliger habe innerhalb 30 Jahren
die Kanzel nicht betreten. Man wird sich gewiß hüten müssen, die schweren
und häufigen Anklagen eines Geiler oder Sebastian Brant gegen den Klerus zu
verallgemeinern; aber die Zustände in den großen und reich gewordenen Klöstern,
in Gengenbach, weniger vielleicht in Schuttern, sowie in Wittichen, am Schlüsse
des Mittelalters sind doch unleugbare Erscheinungen und Zeugen einer tiefen
sittlichen Verwilderung. Gengenbach war ja seit dem Anfang des 15- Jhs. nur
noch eine Versorgungsanstalt des Ortenauer Adels geworden; 1461 wurde der
Ausschluß bürgerlicher Elemente geradezu zum Klosterstatut erhoben. Reform-
versuche wie durch Aufnahme in die Bursfelder Kongregation (1463), der auch
Schuttern um diese Zeit beitrat, oder der Reformplan des Kardinals Peraudi
x) K. Walter, Bericht des Kirchherrn Lazarus Rapp über die Pfarrei zu Offenburg vom
26. Oktober 1616, Karlsruhe 1892, und Staudenmaier im Freib. Kirchenbl. 1880, Nr. 4 ff.
EINLEITUNG.
XLIX
blieben ohne nachhaltige Wirkung. Unter Konrad von Müllheim war die Zer-
rüttung des Stiftes Gengenbach aufs höchste vorgeschritten (1506); dem Vorgehen
gegen diesen Prälaten, der kurzerhand gefangen gesetzt wurde, liegt als tiefstes
Motiv wahrscheinlich die Absicht, das Kloster in ein weltliches Stift umzuwandeln,
zugrunde ; wenigstens hat der Haupträdelsführer an dem Anschlag und der
Nachfolger Konrads, Philipp von Eselsberg, diesen Plan mit größter Energie
betrieben und in Rom auch vollen Erfolg erzielt (1523). Nur legte der Kaiser
diesmal ein entschiedenes Veto ein. Auch im Stift zu Lahr hatten »die Priester-
mägde« solches Ärgernis erregt, daß der Rat 15 39 dagegen einschreiten mußte.1)
Nicht besser war es in vorreformatorischer Zeit um Wittichen bestellt, wo eben-
falls der Reichtum eine bedenkliche Laxheit im Lebenswandel gezeitigt, so daß
auch hier Säkularisierungspläne auf seiten der Nonnen bestanden.
In bezug auf Pflege der Volksbildung und der Wissenschaften lassen
sich nur wenige Momente Zusammentragen, die uns dahingehende Bestrebungen
bezeugen können. Im Kloster Gengenbach war jedenfalls in den turbulenten
Zeiten des 15. Jhs. das Schulwesen arg vernachlässigt, so daß zu Anfang des
16. Jhs. der Stadtrat in seinen Beschwerden dieses Desiderium ganz besonders
unterstrich; in der kurzen protestantischen Periode konnte das protestantische
Gymnasium unter seinem Begründer, der mit Sturm in Straßburg in enger
Fühlung sich hielt, unter Matthias Erb, eine gewisse Blüte erzielen; dagegen
ging es schon wieder unter seinem Nachfolger Dionysius Reuchlin (1537) stark ab-
wärts. Auf katholischer Seite hat Cornelius Eselsberger, der Führer der Gegen-
reformation im Stift Gengenbach, dem Schulwesen rühmliche Förderung zu teil
werden lassen. In Offenburg scheint man früher denn anderswo dem Unterrichts-
wesen von Stadt wegen Aufmerksamkeit und Förderung geschenkt zu haben.
Damit hängt, wie wir sehen, die Berufung der Franziskaner zusammen. Im
15. Jh. weist die Stadt eine Anzahl tüchtiger Gelehrter und einen Kreis von
Humanisten auf, der sich um eine 1490 hier errichtete Buchdruckeroffizin
scharte, so den Historiographen Paul Volz, den Straßburger Rechtsgelehrten
Dr. Wendelin Büttelbronn, den gleichfalls von hier gebürtigen Straßburger Stett-
meister Sturm von Sturmeck, den Lehrer der Lateinschule Gervas Sopher.
Andere wissenschaftlich interessierte Offenburger dieser Zeit sind der bischöf-
liche Offizial in Straßburg Nikolaus Lindenstumpf, der seine Studien in Wien,
Paris und Bologna gemacht, 1417 am Konstanzer und 1431 am Basler Konzil
sich beteiligt hatte, 1421 Pfarrer in Offenburg, 1441 Kanonikus von Jung
S. Peter in Straßburg geworden war;2) oder der in Bologna zum Doctor juris promo-
vierte Nikolaus Dych, der 1499 und 1502 als Clericus Argentinensis in Romana
curia causarum procurator vorkommt.3) Über das Schulwesen der späteren Zeit
*) Ruppert, Die Mortenau I, S. 369.
2) Knod, Deutsche Studenten in Bologna (Berlin 1S99), S. 384 ff.
3) Knod a. a. O. S. 90. — Z. NF. VII, S. 122, 128 ff.
Band VII.
IV
L
EINLEITUNG.
geben die Visitationsberichte des 17. Jhs. einige kümmerliche Aufschlüsse, die
aber höchstens über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein sowie ganz
allgemein über die Beschaffenheit der Lehrer an einem Ort etwas besagen.
Die kirchlichen Verhältnisse waren somit auch' in der Ortenau nicht besser
und nicht schlechter am Schlüsse des Mittelalters als anderswo; der Wetterzeichen
waren aber auch hier genug vorhanden, die auf eine Katastrophe hinweisen
konnten. Der weitausgedehnte Besitz, den die Klöster und Stifte hier hatten und
'der gewöhnlich von keiner guten Einwirkung auf die sittlichen Zustände war, die
mangelhafte geistige und religiöse Unterweisung des gewöhnlichen Volkes boten
um die Wende vom 15. zum 16. Jh. sozial-religiösen Agitatoren günstiges Feld.
Die Waldenser, hier Winkler genannt, hatten von Straßburg aus im 15. Jh. in
größeren Gemeinwesen, wie Offenburg und Lahr, regen Anhang gefunden; es
wurden bei einem gerichtlichen Verhör von 32 in Straßburg gefolterten Winklern
die Häuser und Herbergen der Sekte in den zwei genannten Städten bekannt
(1400). Während wir von den Straßburgern wissen, daß sie dem von den
Dominikanern beantragten Feuertod nur durch Einspruch des städtischen Rats
entgingen und mit Verbannung geahndet wurden, ist uns über das Schicksal
der Lahrer und Offenburger Waldenser nichts bekannt. Wir müssen aber
annehmen, daß Reste dieser Bewegung sich bis ins 16. Jh. forterhielten und in
den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts in der Sekte der Wiedertäufer wieder
auflebten. Auch die gegen wirkliche oder vermeintliche Mißstände in der Kirche
und auf seiten der Grundherrschaft gerichtete Bewegung unter der bäuerlichen
Bevölkerung hatte zu Anfang des 16. Jhs. hier Wurzel gefaßt. Von Württem-
berg aus war der Aufstand des Armen Konrad auch aufs badische Gebiet
hinübergedrungen und hatte hier hauptsächlich in Bühl und Achern auf Anstiften
des hernach hingerichteten Gugelbastian1) die Gärung eingeleitet, die im Bauern-
krieg von 1525 ihren gewaltsamen Ausbruch erlebte. In dem uns hier zunächst
interessierenden Gebiet vollzog sich die ganze Bewegung allerdings in harm-
loseren Formen, wenn auch den verschiedenen Klöstern, die in erster Linie als
Angriffspunkte ausgesucht wurden, wie Schuttern und dem Klosterhof von Aller-
heiligen in Lautenbach, beträchtlicher Schaden zugefügt wurde. Anfangs schien
es, als ob die ganze, noch nicht radikale Bewegung durch Unterhandlungen ein-
gedämmt werden könne. Solche führte der Beauftragte des Straßburger Bischofs,
Klaus Meyer, in den einzelnen Gerichtsorten der Ortenauer Landvogtei; nur
Appenweier und Griesheim hatten weitergehende Forderungen gestellt. Während
noch Mitte April überall eine friedliche Lösung zu erwarten war, brach schon
am 27. April der Aufruhr los. Offenbar durch auswärtige Agitatoren geschürt,
richtete sich der Sturm zuerst gegen Schwarzach und verpflanzte sich von dort
auch durch den Oberkircher Haufen von Aufrührern in den nordöstlichen und
*) H. Schreiber, Der Bundschuh zu Lehen und der arme Konrad zu Bühl, Freiburg 1824.
Hartfelder, Zur Geschichte des Bauernkrieges in Südwestdeutschland (Stuttgart 1884), S. 372 ff.
EINLEITUNG.
LI
südlichen Teil der Ortenau, wo Lautenbach und Schuttern besonders zu leiden
hatten. Der Abt von Schuttern floh nach Freiburg, nachdem der auf seinen
Eigenvorteil bedachte Kastvogt Gangolf von Geroldseck nichts ausgerichtet. In
dem herrenlosen Kloster scheint bei der Jugendlichkeit des Priors die Disziplin
rasch in Verfall gekommen zu sein.1) Gengenbach blieb dadurch, daß die Stadt
und der Graf von Fürstenberg zum Zweck der Säkularisierung die Hand über die
dortige Abtei hielten, von Exzessen verschont. Im übrigen einigten sich die ver-
schiedenen Grundherren mit den Bauern in dem Vergleich von Renchen vom
25. Mai 1525, den der Markgraf Philipp, der Bischof von Straßburg, die Grafen
von Hanau -Lichtenberg und Fürstenberg, die Ortenauer Ritterschaft und die
Schultheißen der Hauptorte Unterzeichneten. Die für uns hier in Betracht kom-
menden Punkte betrafen die Anstellung von Pfarrern, die erst nach Anhörung
einer Predigt und nach Prüfung des Lebenswandels des Kandidaten durch das
Ortsgericht erfolgen solle ; ferner die Verkündigung des Gotteswortes auf der
Kanzel, das »unverdunkelt und lauter« sein müsse. Wer sich dessen als unfähig
erweist, solle binnen vier Monaten abgesetzt und aus den Zehntgefällen pensioniert
werden. Zehnten sollen nur vom Wein und allem, was die Mühle bricht, gegeben
werden; von Hanf und Heu bloß der Zwanzigste. Der Zehntherr muß für die
Pfarrerbesoldung besorgt sein, damit die »Nebenschinderei« durch Opfer-, Beicht-
und andere .Gelder aufhöre. Für den südlichen Teil der Ortenau wurde die
Basis zur Verständigung im Offenburger Vertrag vom 13. Juni gefunden, den
Markgraf Philipp für die Herrschaft Lahr annahm. Die Vorteile, die der
Renchener Vertrag garantierte, fehlten hier fast vollständig, dagegen wurden die
Aufständischen zur Rechenschaft und zum Schadenersatz angehalten. Die Ge-
meinde Schuttern wurde in Villingen und später auch durch den österreichischen
Landvogt von Ensisheim zur Bezahlung einer Brandschatzung an das Kloster
verurteilt (1526), die der Kastvogt Gangolf von Geroldseck für sich einzutreiben
suchte (1527), bis man von Ensisheim dagegen einschritt. Im übrigen wurde
die Bewegung, wie man aus der Darlegung der politischen Geschichte dieses
Gebietes ersehen kann, hier ohne die sonstige blutige Strenge zum Halt gebracht.
In der Art und Weise, wie in dem Bauernprogramm auch die Forderung
eines sittlichen Lebenswandels, der unverdunkelten und lauteren Verkündigung
des Gotteswortes und der Pfarreranstellung durch die Gemeinde aufgenommen
ist, lassen sich unzweifelhaft Nachklänge der ersten Vorstöße der lutherischen
Bewegung erkennen. Von ihr war von allem Anfang an auch die Ortenau
berührt. Der allmähliche Übertritt Straßburgs zu der religiösen Neuerung beginnt
mit dem Jahre 1520, und die meisten der ortenauischen Grundherren traten wenn
nicht sofort zu ihr über, so doch wenigstens ihr nicht entgegen. Namentlich
erwies sich der einflußreiche und energische Graf Wilhelm von Fürstenberg als
erfolgreicher Reformator des Kinzigtales2) und der ihm seit 1504 verpfändeten
*) M o n e , Quellensammlung III, S. 670.
-) V i e r o r d t , Gesch. der evang. Kirche in Baden I, S. 30S fl'.
IV*
LII
EINLEITUNG.
Landvogtei Ortenau. Schon in den zwanziger Jahren begann überall in diesem
Gebiete die neue Lehre vorzudringen; freilich war damals der Graf noch meist
auswärts, aber überall unter den ersten Vorkämpfern dafür. Nach dem Marburger
Tag begleitete er die reformierten süddeutschen Theologen Butzer, Hedio und
ökolampad heimwärts und betrieb 1 534 mit dem Landgrafen von Hessen die Heim-
führung des Herzogs Ulrich von Württemberg. Als er Ende der dreißiger und
anfangs der vierziger Jahre in sein Gebiet heimkehrte, begann er systematisch
die Reformation durchzuführen. Den Abt des Klosters Gengenbach, Philipp
von Eselsberg, hatte er seit 1525 durch allerlei kleinliche oder gewalttätige
Mittel zur Abdankung zu bestimmen gesucht, l) wodurch die auch von der Stadt
aus betriebene Säkularisierung des Stiftes ipso facto herbeigeführt worden wäre.
Den durchaus schwachen und wahrscheinlich selbst protestantischen Nachfolger
in der Abtswürde, Melchior von Horneck,2) hatte Graf Wilhelm vollständig in
der Hand, so daß, wie weiter unten ausführlich noch gezeigt werden soll, um
das Jahr 1540 die Abtei unmittelbar vor dem Übergang an die neue Lehre
stand; der Konvent war zeitweilig bis auf einen Pater zusammengeschmolzen.
Dieser eine, Friedrich von Keppenbach, behauptete aber doch das Feld, wenn
auch Graf Wilhelm mit allen erdenklichen Mitteln und zum Teil durch Haft-
strafe ihn zur Nachgiebigkeit zu bestimmen suchte.3) Tatsächlich mußte er sich
auch mit der von seinem Vorgänger, Melchior von Horneck, angenommenen
Säkularisation und mit der Zulassung von aus Stiftsmitteln zu dotierenden Prädi-
kanten einverstanden erklären; auch eine »Statthalterei« des siebenjährigen Otto
von Eberstein, der nur der Stellvertreter des jungen Grafen von Salm war,
wurde ihm aufoktroyiert und ein natürlicher Sohn des alten Salm, ein aus
Rheims gebürtiger Mönch, als Prior.
Auch anderswo in der Ortenau fand unter der Einwirkung des Grafen die
neue Lehre Aufnahme, so rings um Offenburg, besonders in dem Filialort Wein-
garten, wo 1537 ein Prädikant eingesetzt wurde. Im Kinzigtal hatte Graf
Wilhelm erst nach dem Tode seiner Mutter Elisabeth (1540), die sich für Lebens-
zeit einen Anteil an der Herrschaft gesichert hatte, freie Hand. Es wurde jetzt
das Benediktinerkloster Rippoldsau aufgehoben und das Klarisinnenkloster
Wittichen aufs schwerste beeinträchtigt. 1542 fand in Haslach eine evangelische
Synode von Prädikanten der Landvogtei Ortenau und des Kinzigtales statt;
auf ihr wurde das Ersuchen an den Grafen gestellt, eine neuerliche Visitation
des Bezirkes durch Hedio vornehmen zu lassen zur Hebung der Kirchenzucht,
Feststellung einer Kirchenordnung und Besetzung der noch ledigen Pfarr- und
Schulstellen. Bei dieser Veranstaltung werden als im Tale wirkende Prädikanten
angeführt: Magister Franz Beckh und sein Helfer Hans Jerg Le mp, Martin
*) Franck in FDA. VI, S. 1 — 26.
2) Vgl. über die Vorgänge unter diesem Abt Ruppert in Z. 33, S. 128 — 159.
8) Franck in FDA. VII, S. 83 — 105; Ruppert, FDA. XVI, S. 196 — 215.
EINLEITUNG.
Lin
Sch all in g (von Straßburg nach Wolfach versetzt), die von Oberwolfach,
Schenkenzell, Hausach, Schappach, Welschensteinach. Durch die französische
Gefangenschaft des Grafen wurde die weitere Reformierung der Grafschaft und
Vogtei verlangsamt und durch die Einführung des Interims und den baldigen
Tod des Fürstenbergers (1549) gewaltsam unterbrochen. Der Erbe des Grafen
Wilhelm, sein Bruder Friedrich, suchte die frühere Ordnung mit Umsicht und
Besonnenheit wiederherzustellen. ’) In der Abtei Gengenbach hielt sich Friedrich
von Keppenbach allen Schikanen zum Trotz gegen den »wälschen Prior« bis
zu seinem unerwartet raschen Tod (1555). Sein Nachfolger Agricola suchte
vor allem den letzteren zu entfernen, auf strikte, auch vom Kaiser neuerdings
eingeschärfte Durchführung des Interims und damit auf Entfernung der Prädi-
kanten aus dem Reichsstädtchen zu dringen. Die eigentliche Seele der Gegen-
reformation war aber der Stadtpfarrer Cornelius Eselsberger, der sich besonders
um das Schulwesen in der Stadt dauernde Verdienste erwarb. Ruhiger noch
scheint sich nach der Einlösung der Reichspfandschaft über die Ortenau durch
Österreich (1551) die Rekatholisierung hier vollzogen zu haben, soweit unter
Graf Wilhelms Einfluß die neue Lehre eingedrungen war. Wenigstens wird uns
nirgends von einem Gewaltakt berichtet, der doch sicherlich irgendwie festgelegt
worden wäre.
Bleibende Zustände schuf die Reformation im Gegensatz zum Gebiet des
Fürstenbergers in der Grafschaft Hana u -Licht enb e rg. 2) Zu Beginn der
Bewegung stand der obere Teil der Grafschaft auf badischer Seite, das Amt
Willstätt, unter dem Grafen Philipp III. Nahm er sich auch im Verein mit der
Stadt Straßburg des in Lichtenau 1525 verhafteten Prädikanten Martin Enderlin
an, so war er doch in seiner religiösen Haltung zum mindesten schwankend,
wenn nicht Gegner der weiteren Entwickelung der religiösen Neuerung, so daß
er das Vertrauen der Reformatoren in keiner Weise besaß. 1538 folgte ihm
sein Sohn Philipp IV. im südlichen Teile der Grafschaft, indes er sich in die
Herrschaft über den nördlichen, das Amt Lichtenau, ebenfalls mit dem katho-
lischen Grafen Reinhard von Zweibrücken-Bitsch teilen mußte. Der Reformation
offenbar von Anfang an zugetan, leistete er ihr aber erst nach dem Tod seiner
Gemahlin Eleonore von Fürstenberg (1544) offenen Vorschub. Schon 1545
erbat er von Straßburg »etliche taugliche und bewährte Diener des h. Evan-
geliums für die fürnemsten Orte der Grafschaft«. Er erhielt zunächst nur drei
mit der Kölner Reformationsordnung; während er zwei davon in dem elsässischen
Teil seiner Herrschaft verwendete, kam Anselm Pflüger nach Willstätt, Ende
des Jahres 1 545 finden wir ihn in Kork und Sand angestellt. Damals ersuchte
der Graf die Stadt Straßburg um dessen dauernde Überlassung. Gleichzeitig
unterhielt Graf Philipp eine lebhafte Korrespondenz mit dem Straßburger Refor-
x) Vgl. FDA. II, S. 11 ff.
2) Vierordt I, S. 319 fr. Schaible, Gesch. des bad. Hanauerlandes (Karlsruhe 1855),
S. 45 ff.
LTV
EINLEITUNG.
mator Hedio. Zur Besprechung des Reformationsplanes und der kirchlichen
Organisation wurde am 12. Mai 1545 die erste hanau-lichtenbergische Synode
in der elsässischen Residenz des Grafen, Buchsweiler, abgehalten. Es beteiligten
sich daran 21 Geistliche, von denen aber nur ein kleiner Teil sich unbedingt
für Einführung der Reformation aussprach. Im allgemeinen vollzog sich das
Reformationswerk hier weniger schroff als vielfach anderwärts. Die erste wichtige,
von Butzer vorgeschlagene Maßnahme war die Säkularisierung des Kirchengutes.
Es wurde den Heiligenpflegern an den einzelnen Orten mit der Begründung,
daß die Verwaltung vielfach nachlässig gewesen, entzogen und in einer einzigen
für ein Amt zuständigen Kirchenschaffnei vereinigt, für das badische Hanauer-
land in der Schafifnei Rheinbischofsheim. Damit war allerdings eine einheitlichere
Verwaltung der Kirchengefälle gesichert und die letzteren wenigstens teilweise
ihrem Zweck erhalten, insofern sie zur Bestreitung der Kirchen- und Schul-
bedürfnisse verwendet werden sollten. Gleichzeitig verloren die einzelnen Kirchen-
gemeinden ihre Benennung nach dem Orts- oder Kirchenpatron und behielten
ausschließlich die bürgerliche Namensbezeichnung. In Legelshurst, wo das
Kloster Eschau den Pfarrsatz hatte, hielt sich der katholische Gottesdienst am
zähesten; ebenso in der von Allerheiligen abhängigen Pfarrei von Sand, wo uns
aber auch schon 1 560 der Prädikant Schallesius begegnet. In Rheinbischofsheim
starb der letzte katholische Pfarrer, Martin Hildbrandt, 1 564 ; aber auch er war
verheiratet gewesen, und seine Witwe bezog noch einige Zeit das Benefiziums-
erträgnis ; pastoriert wurde die Gemeinde indes von Fautenbach aus. Schließlich
zog auch hier nach langen Auseinandersetzungen zwischen den zwei Herrschafts-
inhabern, Hanau und Bitsch, und dem das Patronatsrecht ausübenden Domkapitel
ein protestantischer Geistlicher ein. In Ilonau, wo das Straßburger Stift gleich-
falls das Patronatsrecht hatte, war schon in den zwanziger Jahren ein Prädikant
tätig gewesen. 1532 wurde zwar nochmals ein katholischer Pfarrer angewiesen,
aber schon 1559 trat das bisher mit Ilonau pastorierte Bodersweier zur neuen
Lehre über, weil das Domkapitel den dem Protestantismus zuneigenden Geist-
lichen Koch von Bodersweier absetzen wollte. Honau dagegen blieb dank den
Bemühungen des Kapitels dem Katholizismus erhalten. Auenheim hatte einen
Prädikanten seit 1561, Linx seit 1566, Eckartsweier wohl schon seit 1555,
Freistett, das bisher Filiale von Rheinbischofsheim war, trotz Einspruchs des
Domkapitels in Straßburg seit 1582, nachdem es zur Pfarrei mit der Filiale
Memprechtshofen erhoben worden war. Im Amte Lichtenau fand die Reformation
nach dem Tode Jakobs von Bitsch, des katholischen Mitherrn (1570), ebenfalls
ungehindert Eingang; das Städtchen Lichtenau hatte einen Prädikanten schon
seit 1565. 1 5 72 wurde eine neue Kirchenordnung von dem Grafen erlassen;
sie fügte der älteren manche aus den badischen und pfälzischen entnommenen
Verordnungen bei.1) 1578 erschien ein vorläufiger Entwurf zur Konkordien-
x) Gedruckt in Straßburg 1573.
EINLEITUNG.
LV
formel, den 65 Prädikanten der gesamten Grafschaft unterzeichnet hatten; wer
ihr nicht beitrat, wie der Pfarrer von Rheinbischofsheim, wurde abgesetzt. Das
Hanauerland war damit bis auf kleine Enklaven, wie Honau, dem Protestantismus
dauernd gesichert.
Weniger nachhaltig war die Reformationsbewegung in der Herrschaft
Geroldseck.1) Von allem Anfang sehen wir dieses freiherrliche Geschlecht,
dessen letzte Schicksale von Verarmung und vielfachen Gewalttaten berichten, auf
seiten Luthers. Diesem letzteren hatte Diebolt von Geroldseck als Admini-
strator von Einsiedeln 1519 ein Asyl angeboten und ein solches auch Ellrich
von Hutten am Zürichersee gewährt; mit Zwingli fand er einen gemeinsamen
Tod bei Kappel (1531). Sein Bruder und Herrschaftsinhaber Gangolf (gestorben
1548) war durch sein späteres Dienst- und Lehensverhältnis zu Österreich von
einer offenen Stellungnahme zum Luthertum abgehalten, dagegen übte er die
Schirmvogtei über Ettenheimmünster und Schuttern in drückendster Weise aus.
Dagegen wandte sich sein Sohn und Nachfolger Quirin unverhohlen, wie der
Abt Johann von Gengenbach bezeugt, der lutherischen Sekte zu, unterstützte
auch 1 568 mit dreizehn Lähnlein die Hugenotten, wobei er in der Schlacht von
Montcontour (1569) hei- Bis dahin ist offenbar die Protestantisierung von Seel-
bach, Prinzbach und Schuttertal schon vollzogene Tatsache gewesen; nicht
bekannt ist, ob auch in den Orten, wo die Geroldsecker nur die Teilherrschaft
hatten, wie in Reichenbach, wo die Röder noch zuständig waren, oder in
Berghaupten, das auch noch der Herrschaft des Bischofs von Straßburg unter-
stand, während Münstertal, Schweighausen und Wittelbach als straßburgisch
bischöfliches Lehen den Geroldseckern verliehen waren. Jedenfalls suchte Karl
von Hohenzollern, der Vormund des noch unmündigen Söhnchens und Erben
Quirins, Jakobs von Geroldseck, der 1573 in die Herrschaft kam, den alten
Religionszustand wiederherzustellen, indem er zunächst vom Abt Gisbert von
Gengenbach zwei »ehrbare gelarte und geschickhte Priester« erbat, »die mit
singen, lesen und predigen wohlgeübt«. Auf die religiöse Haltung des jungen
Geroldseckers hatte er aber offenbar keinen Einfluß, denn kaum hatte dieser
1584 die Herrschaft angetreten, so nahm er mit allem Nachdruck das Refor-
mationswerk wieder auf, so daß bald alle Pfarreien mit Prädikanten besetzt
waren, mit Ausnahme von dem von Ettenheimmünster abhängigen Wittelbach,
das aber nach Wegnahme der Kirchengüter durch den Geroldsecker mit Schweig-
hausen vereinigt werden mußte. Reichenbach bekannte sich, nachdem es schon
seit 1 5 5 2 verheiratete Geistliche gehabt, in einem tumultuarischen Akt 1595
zur neuen Lehre. Als im letzteren Jahre der Subprior von Gengenbach zur
Beerdigung des eben verstorbenen Pfarrers und zur Besitzergreifung der Pfarrei
nach Reichenbach kam, wurde er von der durch geroldseckische Beamte
geschürten Gemeinde zurückgewiesen. Als aber Jakob von Geroldseck ohne
E Vierordt I, S. 486 ff.; II, S. 23S ff. Hennig a. a. O. S. 159 ff.
LVI
EINLEITUNG.
männliche Erben starb, fielen die Lehen an Österreich und Straßburg zurück
und auch die Allodien wurden der einzigen Tochter weggenommen, weil sie mit
einem schwedischen General, Grafen Solms, verheiratet war, und dem katholischen
Grafen Adam Philipp von Cronberg verliehen; wurde auch im Westfälischen
Frieden eine Untersuchung der Erbansprüche der letzten Geroldseckerin in
Aussicht gestellt, so blieb sie doch gänzlich wirkungslos, und nach dem Aus-
sterben der Cronberger wurde die Herrschaft 1692 an die Freiherren von der
Leyen vergabt und die Okkupation des Markgrafen von Baden -Durlach von
Österreich (1697) zurückgewiesen. Unter Adam Philipp von Cronberg wurde
alsbald die Gegenreformation durchgeführt und nicht wenig gefördert durch den
Wirrwarr, den die Kriege Ludwigs XIV. in den siebziger Jahren des 17. Jhs.
über unser Land brachten. Das Hauptverdienst an der Rekatholisierung haben
die Franziskaner von Kenzingen und die Kapuziner von Mahlberg und Haslach
zu beanspruchen und haben es auch zum Teil in rivalisierender Konkurrenz mit-
einander schon in gleichzeitigen Darstellungen betonen lassen. *) Aus Anerkennung
für diese Verdienste ließ Graf Kaspar von der Leyen 1732 in Seelbach ein
Franziskanerkloster errichten.* 2)
In der Grafschaft Lahr-Mahlberg,3) in deren Besitz sich die Grafen
von Nassau und die Markgrafen von Baden-Baden teilten, fand die neue Lehre
zunächst nur sporadisch Eingang. So tauchte schon 1525 in Lahr ein Prädikant
auf, wohl nur vorübergehend, denn der eigentliche Pfarrer »geigte damals«, wie
ein Zeitgenosse sich ausdrückt, »noch auf der alten Geige«. Dagegen wurden
während des Bauernkrieges die Geistlichen angewiesen, das freie Evangelium zu
verkündigen und den Sterbenden nach Wunsch das Abendmahl in zwei Gestalten
zu spenden. Entsprechend der schwankenden Haltung des Markgrafen Philipp I.
wurden aber auch der neuen Lehre nicht allzuviel Konzessionen eingeräumt und
verboten, »weitre endrunge in den irrigen artickeln zu lehren« oder an den bis-
herigen Gepflogenheiten etwas zu ändern, solange nicht ein allgemeines Konzil oder
ein Reichstag entschieden. Andererseits wollte Nassau möglichst ungemildert
die Augsburgische Konfession schon 1531 durchgeführt sehen. Dazu kam es
aber erst mit der Thronbesteigung des Markgrafen Bernhard III. (1533); aber
schon 1536 erfolgte durch dessen frühzeitigen Tod ein Umschwung. Als Vor-
mund der Kinder übernahm Herzog Wilhelm IV. von Bayern die Regentschaft
und stellte die katholische Religion wieder her. Der indes mündig gewordene
Markgraf Philibert bekannte sich zum Protestantismus und führte ihn auf der
Grundlage des Augsburger Religionsfriedens seit 1556 überall durch; 1558
wurde zwischen den zwei Herrschaftsinhabern, Baden und Nassau, eine Religions-
ordnung für das ganze Gebiet erlassen und 1 567 näherhin die Straßburger
*) P. Romuald, Hist. Capucinorum, S. 353. Greiderer, Germania Franciscana (Inns-
bruck 1777/81) II, S. 98.
2) Hennig a. a. O. S. 214 ff.
3) Vierordt, Hennig, Gesch. des Landkapitels Lahr, S. 138 ff.
EINLEITUNG.
LVII
Kirchenordnung für alle Pfarreien vorgeschrieben. Es sollten nur noch pro-
testantische Geistliche von den Patronatsherren verlangt werden. Der einzige
noch katholische Pfarrer der Grafschaft, der von Altenheim, dessen Patronats-
herr der Bischof von Straßburg war, wurde vor die Alternative gestellt, ent-
weder zu resignieren oder zur neuen Lehre überzutreten. In Lahr hielt sich
der katholische Gottesdienst bis zum Augsburger Religionsfrieden. Aber die
Lundamente der kirchlichen Autorität waren hier wie an anderen Orten gründlich
erschüttert. Außer den Prädikanten hatten die Wiedertäufer, die besonders
stark in der Weberzunft vertreten waren, hier den Abfall vorbereitet; 1528 waren
alle Gefängnisse der Stadt damit angefüllt und die Amtleute wurden angewiesen,
eifrig nach diesen Sektierern zu fahnden und ihnen Straffreiheit zuzusichern, wenn
sie ihren Irrtum abschwören wollten; falls sie aber nicht widerrufen wollten,
sollte nochmals an die Regierung berichtet werden. *) Auch die Zustände im
Stift waren nicht dazu angetan, im Volke das Autoritätsgefühl vor dem Klerus
zu stärken. Im Jahre 1539 ordnete der Rat der Stadt an, daß die liederlichen
Priestermägde im Stift, die sich aufs schändlichste gegenseitig beschimpften, dem
Volke großes Ärgernis gaben und wegen Diebstahls und anderen bösen Stücken
arg beleumundet waren, in der Herrschaft nicht mehr geduldet werden sollten.1 2)
Bei solchen Zuständen begegnete die endgültige Berufung des ersten pro-
testantischen Pfarrers — vorübergehend war schon 1536 einer angestellt gewesen — ,
des Johannes Wolph aus Koburg, wohl keinem allzu großen Widerspruch. Schon
1 564 wurden die reichen im Stift vorhandenen und durch die Wappen als
Stiftungen der ortenauischen Adelsfamilien bezeugten Paramente verkauft. An
verschiedenen Orten hatte der katholische Geistliche vor der definitiven Los-
reißung der Gemeinde von der Kirche längst nicht mehr seinen Pflichten ent-
sprochen. So sollten die Pfarrer von Kürzel und Lriesenheim, an welch letzterem
Orte auch Wiedertäufer in den zwanziger Jahren tätig gewesen, wegen Kon-
kubinats oder wirklicher Verheiratung vom Bischof abgesetzt werden im Wider-
spruch mit der Gemeinde und den herrschaftlichen Amtleuten; und als es
schließlich doch dazu kam, erfolgte der Übertritt zum Protestantismus (1565
und 1566), wogegen der Abt von Schuttern umsonst seine Patronatsrechte
geltend machte. Um die gleiche Zeit hatte auch Kippenheim einen verheirateten
Pfarrer, ob noch katholisch oder lutherisch, ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen.
In Hugsweier wurde der katholische Pfarrer durch Gehaltssperre (1562) verjagt
und 1564 durch einen Prädikanten ersetzt, und ähnliches geschah um diese
Zeit in Nonnenweier (1554), Oberweier (um 1570), Oberschopfheim (1562),
Ottenheim, Sulz und Wagenstadt.
Nach dem Tode des Markgrafen Philibert nach der Schlacht bei Mont-
contour (1569) hatte zunächst Herzog Albrecht V. von Bayern die Vormund-
1) Ruppert, Gesch. der Mortenau T, S. 279.
2) Hennig a. a. O. S. 125.
LVIII
EINLEITUNG.
Schaft für den minderjährigen Thronerben Philipp II. zu führen. Während dieser
Regentschaft und der selbständigen späteren Regierung des jungen Markgrafen
wurde trotz Einspruches des Nassauer Mitregenten der Versuch einer Re-
katholisierung gemacht, indem man vor allem die kirchlichen Rechte des Bischofs
von Straßburg und der Äbte von Gengenbach und Schuttern wieder zu berück-
sichtigen anfing. Einen systematischeren Gegenreformationsplan besprach der
Jesuit Roberinus de Montreal mit dem Abt von Schuttern (1581). Indes starb
der Markgraf Philipp schon 1588, und als die leichtfertige Regierung seines Nach-
folgers Eduard Fortunat die Okkupation der oberen Markgrafschaft durch Ernst
Friedrich von Baden-Durlach herbeiführte (1594 bis 1622), wurde der letzte Rest
von katholischem Leben in dieser Gegend vertilgt, wiewohl ein dem Kaiser aus-
gestellter Revers versprach, in Religionssachen nichts zu ändern. Erst Eduard
Fortunats Sohn, der Markgraf Wilhelm, konnte wieder zur Herrschaft gelangen
(1622). Sein erstes war die Rekatholisierung der dem Protestantismus zu-
geführten Gebietsteile. Dabei konnten heftige Differenzen in der auch von dem
protestantischen Nassau mitregierten Grafschaft Lahr-Mahlberg nicht ausbleiben.
Schon gleich der Plan, die Pastoration des Lahrer Schlosses Konventualen von
Schuttern zu übergeben, scheiterte an dem entschiedensten Widerspruch des
Mitregenten; aber auch der Vorschlag der Gebietsteilung wurde abgelehnt und
mußte 1629 durch den Kaiser vollzogen werden. Dabei fiel Mahlberg mit
Kippenheim, Kippenheimweiler, Wagenstadt, Sulz, Langenhard, Kürzel, Schutter-
zell, Ichenheim, Dundenheim, Ottenheim, Friesenheim, Oberweier, Heiligenzell
und Oberschopfheim an Baden, Lahr mit Burgheim, Dinglingen, Altenheim,
Hugsweier und Mietersheim an Nassau. Der nassauische Teil blieb naturgemäß
protestantisch, während der an den Markgrafen gefallene wieder teilweise der alten
Lehre zugeführt wurde. Wo indes geschlossene protestantische Gemeinden
bestanden, blieben sie auch meist erhalten. Schon 1528 setzte Schuttern auf
Veranlassung des Markgrafen nach Friesenheim einen katholischen Pfarrer. Als-
bald nach der Huldigung des mahlbergischen Gebiets ließ Markgraf Wilhelm
am 30. Oktober 1629 in Friesenheim den Geistlichen ihre Entlassung mitteilen
und wenige Wochen später überall katholische Seelsorger einsetzen. In Kippen-
heim erhielten die Jesuiten eine Niederlassung für zwei Patres. Vorübergehend
wurde im Dreißigjährigen Krieg die katholische Pastoration noch wiederholt
durch die Schweden gestört oder durch eine protestantische ersetzt, wie in
Ichenheim (1633 bis 1635); auf Schloß Mahlberg saß ein schwedischer Leutnant.
An vielen Orten war jede Seelsorge ausgestorben, und die moralische Verwilderung
nahm mit dem physischen Elend erschreckend zu Sobald der Markgraf wieder
sein Land betreten konnte (1646), erließ er ein Religionsedikt zur Ordnung der
religiösen Verhältnisse und schloß 1647 jeden protestantischen Gottesdienst unter
Androhung von Strafen aus.1) Jedoch gestattete man den protestantischen Unter-
x) Vierordt II, S. 241 ff. Hennig, S. 152 ff.
EINLEITUNG.
LIX
tanen im gleichen Jahr einen Prädikanten in Kippenheim, ebenso erhielt Friesen-
heim mit Oberschopfheim und Diersburg einen, Ottenheim einen weiteren 1650.
Daß bei solcher konfessionellen Mischung im Laufe der Zeit beiderseits Über-
griffe und ständige Reibungen Vorkommen mußten, ist nur zu natürlich. Im
allgemeinen aber fanden die berechtigten Wünsche und Beschwerden der
Protestanten bei dem Markgrafen willfährige Aufnahme, nicht immer aber bei
dem gegen den protestantischen Teil manchmal schroffen Amtmann Franz Ernst
von Olizy (seit 1678), so daß die evangelische Minderheit 1720 eine mit einer
Widerlegung beantwortete (1723) Beschwerdeschrift an die Regierung richtete.
Dieser Zustand dauerte fort, bis das Gebiet an die Durlacher Linie (1771) fiel;
jetzt aber erregten umgekehrt die Errichtung protestantischer Pfarrstellen in
Friesenheim, Kürzel und Sulz und andere Maßnahmen den Widerspruch des
Straßburger Bischofs Rohan und der Katholiken des Bezirks, die im sogen.
»Syndikatsprozeß« beim Reichshofrat in Wien die Bildung eines Syndikats zur
Vertretung ihrer Interessen anstrebten.
In den kleineren Gebietsteilen der Orten au kam das Luthertum
nicht weniger frühzeitig zur Einführung, dank dem Nachdruck der Gutsherr-
schaften. So durch Egenolph von Röder, der seit 1523 an dem Reformations-
werk in Straßburg mit Eifer beteiligt war, in dem seinem Patronatsrecht unter-
stehenden Hofweier (Prädikanten von 1534 bis 1570, katholisch von 1570),
Oberweier (protestantisch seit 1570, katholisch seit 1647), in Oberschopf-
heim-Diersburg (sehr früh protestantisch, katholisch seit 1655). Nach der
Rekatholisierung der letzteren, ursprünglich einheitlichen Pfarrei wurde der noch
protestantisch gebliebene Teil von Diersburg zur Pfarrei Friesenheim verwiesen
und nach deren Eingehen (1676) zu Kippenheim.1) In Meißen heim wirkten
die Herren von Wurmser (protestantisch seit 1533) für die neue Lehre (1556
erster nachweisbarer Prädikant), in Allmansweier und Wittenweier, wo
die Klöster Schuttern 1540 und Leberau 1553 der Einsetzung eines Prädikanten
widersprachen, die Freiherren von Böcklin. Auch die Reichsstädte blieben von
der religiösen Bewegung nicht unbeeinflußt. Namentlich ließ sich Gengen-
bach sehr weit von ihr treiben. Hier bewirkte der Jahrhunderte alte Gegensatz
zur Abtei und der Einfluß des Grafen Wilhelm nahezu den völligen Abfall der
Stadt. Schon in den zwanziger Jahren dürfte der Stadtpfarrer, ein scharfer
Gegner des Klosters, ein Prädikant gewesen sein; der Stadtschule, die unter Abt
Melchior aus Stiftsmitteln errichtet wurde, wandte Hedio ganz besondere Für-
sorge zu. 1541 unterschrieb Gengenbach in der Reihe der evangelischen Städte
das Protokoll des Regensburger Religionsgesprächs; unter den Auspicien des
städtischen Rats erschien hier 1 545 ein evangelischer Katechismus für die Stadt
und das Kinzigtal. Im Jahr darauf hielt Hedio eine Kirchenvisitation ab. Das
Interim, das durch kaiserlichen Befehl für Gengenbach noch eindringlich betont
1) Vgl. Felix von Röder -Diersburg in FDA. XIV, S. 227 — 236.
LX
EINLEITUNG.
wurde, führte hier wie in der Abtei den alten Zustand wieder her, das treibende
Element der Gegenreformation aber war der auch um das Schulwesen hoch-
verdiente Stadtpfarrer Cornelius Eselsberger. ]) Weniger Wurzel fassen konnte
die Reformation in Offenburg. Es dürfte sich hier in der Hauptsache um
ein anfängliches Schwanken gehandelt haben ; denn auf dem entscheidenden
Reichstag in Augsburg (1530) stellte sich die Stadt auf die Seite des Kaisers
und wehrte auch in der Folge jeder Neigung zur Neuerung, die etwa von außen
her, wie von Weingarten, hätte genährt werden können. Dadurch, daß das
Straßburger Domkapitel später zu einem großen Teil hier Unterkunft fand, hatte
die Sache des Katholizismus eine bedeutende moralische Stütze erhalten.
Den Anlaß zu dieser Übersiedelung des katholischen Teils des Domkapitels
bildete der langjährige Kapitelstreit zwischen den katholischen und protestantischen
Kapitularen, der 1 592 nach dem Tode des Bischofs Johann von Manderscheid
noch dadurch verschärfte Form erhielt, daß eine konfessionell bedingte Doppel-
wahl erfolgte. Die katholischen Kapitulare wählten den Kardinal von Lothringen,
die protestantischen den Markgrafen Johann Georg von Brandenburg, der aber
nur den Titel eines Administrators führte und dem die rechtsrheinische Herr-
schaft zufiel. Die Verwaltung darüber erhielt der Kanonikus Ernst von Mans-
feld als Amtmann in Oberkirch, dem auch Vierordt bescheinigen muß,2) daß
er »die Übermacht zu vielen Gewaltschritten benutzt habe«. Durch Güte wie
durch Gewalt suchte er das bisher noch wenig von der Reformation berührte
Renchtal zu protestantisieren. Wie er im einzelnen das Kloster Allerheiligen
drangsalierte durch Einsetzung eines eigenen Schaffners und durch das Verbot,
neue Novizen aufzunehmen, wird noch unten zu berichten sein. Schließlich zählte
der Konvent nur noch vier Novizen, und der nicht gefügige Propst Jehle starb
im Gewahr der Feste Dachstein unerklärlich rasch. Auch sein Nachfolger
Schüßler, den der Kaiser von Strahow schickte, sah sich zur Resignation
genötigt; endlich wurde in einem Abkommen vom Jahre 1604 der Administrator
durch das Angebot einer bedeutenden Geldsumme zum Verzicht auf die Herrschaft
Oberkirch bestimmt. (S.J
❖ *
Von den beiden großen Bewegungen, die am Anfänge des 16. Jhs. das
ganze Deutschland erschütterten, ist die Verbreitung und Geschichte der Lehre
Luthers in dem vorigen Abschnitt geschildert worden. Auch der große Bauern-
aufstand ist soweit berührt worden, als er die Klöster betraf; ich kann mich
daher auf einen kurzen Überblick über seinen Verlauf beschränken.3)
x) Vierordt I, S. 314 — 319.
2) Vierordt II, S. 75.
3) K. Hart fei der, Der Bauernkrieg in der Ortenau, Zeitschr. der Gesellsch. für Beförderung
der Geschichts-, Altertums- und Volkskunde von Freiburg, Breisgau etc., Bd. V (1882), S. 385 ff.
Derselbe, Die Gesch. d. Bauernkrieges in Südwestdeutschland, Stuttgart 1884. Derselbe,
Straßburg im Bauernkrieg 1525, Forsch, z. deutsch. Geschichte XXIII, S. 221—285. Der Bauern-
krieg am Oberrhein, Mone, Quellensamml. II, S. 17 f.
EINLEITUNG.
LXI
Während in den benachbarten Gegenden der Bauernkrieg schon längst
begonnen hatte, blieb die Ortenau zunächst noch ruhig. Im Frühjahr 1525 aber
regte sich’s auch hier, überall hielt man Zusammenkünfte ab und machte seine
Beschwerden geltend, wie es scheint, zunächst in der Renchener Gegend. Mark-
graf Philipp von Baden dachte zunächst an bewaffnetes Einschreiten, doch nahm
er bald die Ansicht des Rates der Stadt Straßburg an, zu versuchen, die Sache
mit Güte zu erledigen. Der gleichen Ansicht war das Domkapitel von Straßburg.
Vorteilhaft war auch das gute Verhältnis der drei Reichsstädte der Ortenau zu
den Bauern, die in ihnen immer einen Kämpfer gegen die Bedrückungen des
Klosters sahen. Zunächst schien es, als ob die Gefahr gänzlich vorübergehen
wollte, Ende April 1525 aber kam es auch hier zu gewalttätigen Aufständen.
In Schwarzach hatte sich ein Haufen gesammelt und machte seinem Groll gegen
das dortige Kloster Luft durch Plünderung und Brandstiftung. Ein anderer
Haufen sammelte sich bei Oberkirch. Dieser hatte sich Oberkirchs bemächtigt,
die dortige Kirche, den Hof des Klosters Allerheiligen, den Hof des Klosters
in Lautenbach und endlich das Kloster Allerheiligen selbst geplündert. Mit
beiden Haufen unterhandelten die Gesandten der Stadt Straßburg und des Mark-
grafen, sie fanden nur bei dem Oberkircher einigermaßen Gehör. Es kam denn
auch zu einer Art Waffenstillstand; die Bauern sollten einen Ausschuß wählen,
der auf einem Tag zu Renchen mit den Gesandten des Markgrafen und der
Stadt einen endgültigen Vertrag schließen sollte. Es scheint doch auch auf der
anderen Seite das Gefühl dafür vorhanden gewesen zu sein, daß die Bedrückungen
der Bauern durch Adel und Klöster in der Tat auf ein unerträgliches Maß
gestiegen waren. Die Zusammenkunft fand am 22. Mai statt; es war außer den
Bauern bei ihr vertreten der Markgraf und die Stadt Straßburg, deren Räte den
Vorsitz führten, der Bischof von Straßburg, die Grafen von Zweibrücken-Bitsch,
Hanau, Lichtenberg, Fürstenberg, letzterer als Landvogt der Ortenau, und mit
zwei Gesandten die Ortenauer Ritterschaft. Man einigte sich über zwölf Artikel,
über die Besetzung der Pfarrstellen, den Zehnten, die Freizügigkeit, die Steuern,
das Jagdrecht, die Forstrechte, die Frondienste, alle Strafen und Abgaben.
Den Klöstern wurde es dabei überlassen, sich selbst mit den Bauern auseinander-
zusetzen, was sie auch nacheinander taten.
Heftiger war der Aufstand in der südlichen Ortenau. Hier richtete sich
die volle Wut der Bauern gegen die Klöster Schuttern und Ettenheimmünster,
die sich um Hilfe an Gangolf von Geroldseck wandten, allerdings ohne großen
Erfolg. Die Bauern plünderten die Klöster, die Empörung wurde immer all-
gemeiner, bis auch hier der Markgraf, der durch die Herrschaft Lahr-Mahlberg
in Mitleidenschaft gezogen war, und die Stadt Straßburg, deren Besitz in Etten-
heim bedroht war, eingriffen. Die Äbte der beiden ausgeraubten Klöster waren
nach Freiburg geflüchtet. In Offenburg kam endlich im Juni ein Vertrag zu
stände, ungünstiger für die Bauern als der Renchener, der aber doch den
Frieden brachte.
LXII
EINLEITUNG.
Die innere Geschichte der Gegend in den folgenden Jahrhunderten bringt
wenig Bemerkenswertes. 1551 war die fürstenbergische Hälfte der Pfandschaft
der Ortenau, 1556 auch die bischöfliche von Österreich eingelöst worden, und
österreichische Landvögte saßen nun auf Ortenberg. Wie früher die Pfand-
herren, so versuchten jetzt auch sie die Selbständigkeit der Reichsstädte zu
vermindern, und bis zum Ausgang des Römischen Reiches dauerten deshalb die
Streitigkeiten fort. Die Städte wehrten sich mit Erfolg, doch zeigt sich schließ-
lich eine gewisse Müdigkeit; insbesondere schien es bequemer, bei der Langsam-
keit der Reichskammergerichtsentscheidungen das Gericht des Landvogtes an-
zurufen. Im Stadtregiment selber bildete sich, wie das bei so abgeschlossenen
Gemeinwesen nicht anders möglich war, eine üble Vetterles- und Cliquen-
wirtschaft heraus, gegen welche die übrigen Bürger verschiedentlich reagierten,
so daß es zu Kompromissen kam, die aber keine wirkliche Abhilfe brachten.
Die Besitzverhältnisse erfuhren keine wesentliche Veränderung, nur
daß in verschiedenen Territorien ein Wechsel der Dynastien stattfand. In der
Herrschaft Hanau-Lichtenberg starb mit Johann Reinhard III. der Mannes-
stamm der Grafen aus und die Herrschaft kam an den Gemahl seiner Tochter,
an Ludwig VIII., den Landgrafen von Hessen-Darmstadt, und seine Nachkommen.
1634 starb der letzte Herr von Hohengeroldseck, nachdem er vergeblich seiner
Tochter Anna Maria die Erbfolge zu sichern versucht hatte. Nach seinem Tode
überließ Österreich die Lehen den ihm treu ergebenen katholischen Grafen von
Cronberg und ließ diese durch den General Gallas auch in den Besitz der
Allode setzen. Anna Maria, deren erster Gemahl, ein Graf zu Solms-Rockel-
heim, 1640 starb, reichte 1644 dem Markgrafen P'riedrich II. von Baden-Durlach
die Hand, der denn auch nicht versäumte, die Ansprüche auf ihr Erbe zu
erheben, und so entspann sich ein hundertjähriger Prozeß. Nach dem Aussterben
der Cronbergs 1692 ergriff der Markgraf mit Gewalt den tatsächlichen Besitz
der Lande, in die aber Österreich 1697 mit 300 Mann den Freiherrn Karl
Kaspar von der Leyen als Herrn der Grafschaft einführte. Schon 1636 hatte
es diesem treuen und gut katholischen Geschlechte die Anwartschaft darauf
gegeben. Die von der Leyen blieben nun über 100 Jahre lang im Besitz der
Herrschaft, die am Ende noch von Napoleon zum Fürstentum erhoben wurde.
Die fürstenbergischen Lande wurden nach dem Tode jenes Grafen
Friedrich, der auf seinen Bruder, den wilden Grafen, gefolgt war, einer neuen
Teilung unterworfen, sein Sohn Christoph I. erhielt die Kinzigtäler Herrschaft,
ihm folgte Christoph II. Wieder spaltete sich das Haus in zwei Linien, die
Meßkircher und die Stühlinger, von denen die letztere das Kinzigtal übernahm.
In ihr zeichnet sich Maximilian Franz als Bauherr des Schloßumbaues in
Wolfach aus.
Die Herrschaft Lahr kam von dem Hause Nassau-Saarbrücken an
Nassau-Weilburg und endlich Nassau-Usingen 1799, nicht ohne dazwischen einmal
EINLEITUNG.
Lxm
verpfändet gewesen zu sein, nämlich 1654 bis 1727 an die Markgrafen von
Baden-Durlach. So hatten also zeitweise beide badische Häuser hier Posten
gefaßt — Mahlberg war baden-badisch — , und es mochte das um so aussichts-
reicher erscheinen , als Baden-Durlach zugleich die obenerwähnten Ansprüche
auf das Geroldsecker Erbe machte. Allerdings ohne Erfolg, auch die verpfändete
Herrschaft Lahr mußte zurückgegeben werden. 1771 aber kam mit der Ver-
einigung der badischen Lande unter Karl Friedrich auch Mahlberg unter dessen
Scepter.
Auch die Landvogtei der Ortenau war eine Zeitlang badisch geworden.
Denn als in den Kriegen Ludwigs XIV. die militärische Wichtigkeit der Gegend
sich herausstellte, da erteilte man die Landvogtei als Mannlehen einem der
größten Kriegshelden der Zeit, dem Markgrafen Ludwig Wilhelm, und das
baden-badische Haus blieb bis zu seinem Erlöschen 1771 im Besitz derselben.
Das Harmersbach er Tal erringt in dieser Zeit seine vollkommene
Selbständigkeit. Noch einmal versuchte der Bischof von Straßburg, damals
Franz Egon von Fürstenberg, es in seine Hand zu bekommen, doch erkannten
die Reichsbehörden seine Ansprüche nicht an. Auch das Verhältnis zur Stadt
Zell wurde endgültig entschieden i. J. 1718 zugunsten der Bauern, die sich da-
gegen wehrten, ein Teil des zellischen Gemeinwesens zu sein. Sie erreichten
ihr Ziel, und die stolze kleine Bauernrepublik blieb selbständig bis zum Über-
gang an Baden.
Dies die besonderen Schicksale der einzelnen Landesteile. Ein gemein-
sames schweres Geschick aber hatten sie im 17. Jh. zu erleiden: die furcht-
baren Zeiten des Dreißigjährigen Krieges und der Raubkriege
Ludwigs XIV. In beiden Fällen war die Ortenau Jahre hindurch der Kriegs-
schauplatz, immer aber, so noch in den Kriegen der französischen Revolution
und Napoleons, das naturgemäße Durchzugsland der Heerscharen.
Im Dreißigjährigen Krieg waren es die Kämpfe der Schweden unter Horn,
Bernhard von Weimar und der mit letzterem verbündeten Franzosen, die sich
auf unserem Boden abspielten. Insbesondere die Kinzigtalstädte waren den
Plünderungen und Zerstörungen der Soldateska ausgesetzt. Offenburg erfuhr
verschiedene Besetzungen und Plünderungen 1632, 1635, in den gleichen Jahren
Haslach, Staufenberg, Wolfach, Oberkirch; am schlimmsten aber hauste die
Armee Bernhard von Weimars, die i. J. 1643 Gengenbach, Haslach und Hausach
einäscherte. Der frühere Wohlstand der Gegend war vernichtet, Offenburg
z. B. konnte kaum mehr die Zinsen seiner Schulden aufbringen. Und kaum fing
man an, sich ein wenig zu erholen, da brachen die Scharen Ludwigs XIV. herein.
Schon in dem sogen. Holländischen Devolutionskrieg überzogen französische
Truppen das Land und belagerten 1678 Offenburg. 1677 ließ der Marschall
Crequi Lahr in Flammen aufgehen. Das Schlimmste aber brachte der Pfälzische
Erbfolgekrieg 1688 bis 1697. Gleich im Anfang desselben begann die syste-
LXIV
EINLEITUNG.
matische Verwüstung unserer Gegend, 1689 wurde Ottenburg vollständig ver-
brannt, Gengenbach eingeäschert, die Hohengeroldseck erobert und zerstört,
um nur von den größeren Orten zu reden. Fast alle Dörfer der Rheinebene
gingen in Flammen auf. Bei der Beurteilung des Denkmälerbestandes der
Gegend ist die gründliche mehrmalige Zerstörung immer im Auge zu behalten.
— Der Spanische Erbfolgekrieg brachte noch ein kleines Nachspiel; als Marschall
Villars durch das Kinzigtal nach der Donau vordrang, 1704, wurden Hausach
und Haslach eingeäschert. Neues Unheil brachte dann der Polnische Erbfolge-
krieg, in welchem die Franzosen von neuem in der Ortenau übel hausten und
eine Reihe kleinerer Orte verbrannten. Erst von der Mitte des Jahrhunderts
an erfreute sich die Gegend dauernden Friedens. Aber es dauerte begreiflicher-
weise lange, bis sie sich von den fürchterlichen Heimsuchungen erholte, noch
am Ende des 18. Jhs. standen z. B. in Offenburg neben neuen Häusern brand-
geschwärzte Ruinen.
Die Kriege um die Wende des 18. Jhs. verschonten im allgemeinen die
Ortenau, obgleich einer der wichtigsten Akte der Napoleonischen Geschichte
sich auf ihrem Boden abspielte: die Gefangennahme des Herzogs von Enghien
in Ettenheim. Kurz nachher begann die Ausbildung des heutigen Großherzog-
tums Baden, an das im Verlauf der nächsten Jahre auch unsere Lande kamen:
1803 die Herrschaft Lahr, die bischöfliche Herrschaft Oberkirch, die Grafschaft
Hanau-Lichtenberg, die drei Reichsstädte, 1805 die Landvogtei Ortenau, 1806 das
Gebiet der Reichsritterschaft, die fürstenbergische Herrschaft im Kinzigtal, zu-
letzt 1819 die Herrschaft Hohengeroldseck. (Wth.)
❖ ❖
Mit der Schilderung der Reformationsbewegung ist im allgemeinen für das
uns berührende Gebiet das kirchengeschichtliche Leben erschöpft. Die großen
Richtlinien wurden durch sie für die nächsten Jahrhunderte festgelegt. Hatte
schon sie eine vielfache Lockerung oder gänzliche Auslöschung der religiösen und
moralischen Verhältnisse herbeigeführt, so vollendete der Dreißigjährige Krieg noch
diesen Niedergang, namentlich auch nach der materiellen Seite. Daß auch der
Ernst der Lage, der die religiöse Spaltung geschaffen, so wenig wie die positiven,
durchs Tridentinum wiederum aufgefrischten kirchlichen Bestimmungen, eine
Schärfung des Pflichtbewußtseins herbeizuführen nicht im stände war, ersieht
man nicht nur aus den Zuständen im Kloster Gengenbach und Wittichen, sondern
auch aus mancherlei durch Visitationsprotokolle und sonstwie bekannt gewordenen
Vorkommnissen aus dem Leben der Geistlichen.1) Auf dem Hintergrund des
unsagbaren, gerade in Mittelbaden besonders großen Elends des 17. Jhs., das
eine ergreifende Schilderung in Grimmelshausens »Simplizissimus« erhalten
hat, sowie der allgemeinen sittlichen Verwilderung hoben sich die traurigen
B Vgl. FDA. NF. III, S. 307, 322.
EINLEITUNG.
LXV
Hexenprozesse ab, die besonders in Offenburg manche Opfer forderten, ’) aber auch
in Appenweier, Rammersweier, Ebersweier, Zell, Fessenbach, Lahr, Ortenberg,
Oppenau und Haslach.* 2) An letzterem Orte wurden die Erträgnisse aus den
Konfiskationen des Vermögens von Hexen teilweise zur Gründung des Kapuziner-
klosters verwendet. Der Zustand der Kirchen ist im allgemeinen infolge der
ständigen brutalen Kriege ein überaus bejammernswerter. Wo die Gotteshäuser
nicht ganz niedergebrannt waren, da wurden sie doch beraubt oder befanden
sich sonstwie in trostlosem Zustand, so daß es oft an den notwendigsten Gegen-
ständen fehlte. Für die Innenausstattung und namentlich die Aufstellung der
Altäre ist besonders bedeutsam die Einführung von mancherlei Andachten und
Bruderschaften (Herz Jesu- Andacht, Rosenkranzbruderschaft, Ewige Anbetung,
Josephsbruderschaft u. a. m.); die würdige Instandsetzung der Kirchen wurde
durch häufige Visitationen wie auch Synoden ebenso gefördert wie das religiös-
sittliche Leben von Klerus und Volk. Nicht weniger erfolgreich für die Hebung
des religiösen und sittlichen Empfindens im Volk erwiesen sich auch die Wirk-
samkeit der Franziskaner und Kapuziner sowie die Missionen der Jesuiten, zu
deren Niederlassung in Molsheim die Stadt Offenburg seinerzeit 1000 fl. bei-
gesteuert. Zur Errichtung eines Priesterseminars in Straßburg sollten schon 1669
und wieder 1682 auch die diesrheinischen Kapitel herangezogen werden, wo-
gegen diese aber 1688 geschlossen Stellung nahmen. Daraus hat sich 1696
die Verbrüderung der drei Kapitel ergeben. Erst 100 Jahre später (1770), ist
der Plan zur Verwirklichung gelangt, ohne daß der diesrheinische Teil der
Diözese, mit Ausnahme des baden-badischen, der Verpflichtung zu einem Bei-
trag sich entziehen konnte.3)
Die französische Revolution brachte auch über die Ortenau in ihrem
Gefolge eine ganze Anzahl von wichtigen Veränderungen. Wenn auch nicht
direkt von den Exzessen der Revolutionäre berührt, so litt dieser Strich doch
unter der Nähe von Straßburg und vor allem unter den zahlreichen Kriegs-
zügen. Der Straßburger Bischof, Kardinal von Rohan, begab sich 1790, als der
Konstitutionseid von den Bischöfen verlangt wurde, nach Ettenheimmünster und
bald hernach dauernd nach Ettenheim ; das Domkapitel ließ er zuerst nach
Offenburg und dann gleichfalls nach Ettenheim kommen. In ihrem Gefolge
brachte die Revolution die durch sie veranlaßte Neugestaltung der politischen
Verhältnisse in Deutschland und die Säkularisation der geistlichen Stifte. So
wurde das Kloster Mahlberg 1804 aufgehoben und das Gebäude in eine Schule
verwandelt; Schuttern Dezember 1805, faktisch 1806; das Kapuzinerkloster in
Seelbach, dessen Insassen zunächst noch in der Seelsorge verwendet wurden,
*) Volk, Hexen in der Ortenau und in Offenburg, Lahr 1882.
“) Vgl. die Zusammenstellung der in den Jahren 1557 bis 1630 in der Ortenau Justificierten
bei Volk a. a. O. S. 23 ff.
3) Vgl. die einzelnen Beiträge bei Weiß, Gesch. des Dekanates und der Dekane des Rural-
und Landkapitels Offenburg (Offenburg 1895), H. 4, S. 205.
Band VII.
V
LXVI
EINLEITUNG.
1814; Haslach 1802 bezw. 1823; Gengenbach 1808, im gleichen Jahre auch
das Franziskanerkloster in Offenburg, das Oppenauer schon 1807, Allerheiligen
1803. Aus dem Chaos der durch die Säkularisation geschaffenen kirchlichen
Verhältnisse erhob sich das Erzbistum Freiburg (1827), dem die drei bisher
zu Straßburg gehörenden Kapitel Ottersweier, Lahr und Ofifenburg einverleibt
wurden. fS.J
Wir haben die Betrachtung der Kunstentwickelung in unseren Landen
da verlassen, wo die ersten Anzeichen eines neuen Stils in der Skulptur und
Malerei anfangen, sich leise bemerkbar zu machen. Vom Schwabenlande her
dringt die Renaissance ein. Ein typisches Beispiel der Mischung von geradezu
weich geworden gotischen Formen mit den neuen Formen, dem Akanthuskapitell
u. a. bietet der Rest eines Portals, der auf der Rückseite des Ölbergs in Ofifen-
burg eingemauert ist. Die Pfarrkirche in Offenburg bewahrt dann ein Gold-
schmiedewerk mit ähnlicher Mischung der Formen, das bekannte Vortrags-
kreuz, auf dessen Rückseite vollsaftige Renaissanceputten und die Madonna
mit dem Kind nach einem Dürerschen Stich eingraviert sind. Das Kreuz trägt
das Ofifenburger Beschauzeichen; wenn wir solche Werke sonst gern Straßburger
oder Freiburger Künstlern zuschreiben, haben wir hier also ein zweifellos ein-
heimisches vor uns, und zusammen mit einer Notiz von 1518, wonach ein
Ofifenburger Augustin Stoos nach Sölden und S. Ulrich Monstranzen etc. lieferte, ’)
spricht das doch für eine gewisse Höhe des Goldschmiedehandwerkes in der
auch geistig damals sehr angeregten Stadt.
Doch war es wieder ein Schwabe, der das erste Denkmal reiner Früh-
renaissance in der Ortenau schuf: Christoph von Urach, der in Urach selbst,
in der Stiftskirche zu Baden und in Wertheim arbeitete und hier das Grabmal
des Jörg von Bach schuf, ein typisches Frührenaissancewerk in dem Mangel
jedes strengen architektonischen Aufbaues und der Frische der Behandlung.
Die Umarbeitung, die der italienische Formenschatz später in Deutschland erfuhr,
besonders durch die sogen. Kleinmeister, die Ornamentstecher Augsburgs und
Nürnbergs — diese Umarbeitung ins Nationale spiegeln wider die übrigen
Grabmäler an der Offenburger Kirche. Geradezu eine Musterkarte der
ganzen Formenentwickelung bieten die Grabmäler an der Mauer des alten
Lahrer Friedhofes, die in ununterbrochener Reihe vom 15. bis zum 18. Jh.
führen.
Das Jahrhundert vor dem großen Kriege war wie in ganz Deutschland so
auch hier die Zeit des größten Wohlstandes, und das dokumentiert sich denn
auch in zahlreichen Neubauten, insbesondere von Rathäusern. Im Anfänge des
17. Jhs. baute der Meister Wendling Götz das Offenburger, von dem nichts
mehr erhalten ist. Etwa zu gleicher Zeit entstand das Lahrer, trotz seines
1) Kunstdenkmäler des Großh. Baden VI, 1. Abteil., S. 533-
EINLEITUNG.
LXVIi
Umbaues durch die malerische Altane mit dem säulengetragenen Dach, die
spitz herausspringenden Fenstererker noch heute ein wirksamer Bau. Schlichter
das Rathaus in Schiltach, das indes von keinem Geringeren als Meister Beer,
dem Erbauer des berühmten Lusthauses in Stuttgart, herrühren soll.1) Auch
von Privathäusern sind einige Beispiele erhalten, so u. a. in der Einhornapotheke
in Offenburg und in dem Haus mit dem prachtvollen Erker in Wolfach. Auch
noch in der Zeit nach dem großen Kriege blieb die Bauweise herrschend, davon
zeuyt der Umbau des Schlosses in Wolfach und das Portal der Gewerbehalle
in Gengenbach.
Von der reichen Innenausstattung all dieser Gebäude ist natürlich durch
die großen Kriegsbrände wenig genug auf uns gekommen, so u. a. die Stücke
eines figurenreichen gußeisernen Ofens aus dem abgebrannten Wolfacher Rathaus.
Besser haben sich die gemalten Scheiben erhalten, mit denen man die
Fenster der Häuser, insbesondere der Rathäuser, ausschmückte. Meistens setzen
sich die Zwölfer in ihnen ein Denkmal. Solcher nach ihrem Hauptfabrikationsort
so genannter Schweizerscheiben besitzt unsere Gegend noch eine stattliche An-
zahl auf Schloß Staufenberg, in Oppenau und Zell.
Neben dem Steinbau, für den der so reichlich vorhandene rote Sandstein
durchaus bevorzugt wird, bildet sich in unserer Gegend ein reizvoller Fach-
werkbau aus, nicht so reich wie etwa in Niedersachsen und Franken, aber
gerade in seiner größeren Einfachheit gute Muster bietend. 'In Offenburg sind
leider die zwei besten Beispiele neuerdings zerstört worden, ebenso das Pfaffsche
Haus in Gengenbach, doch bietet letztere Stadt noch genug. Ein malerisches
Bild durchgehenden Fachwerkbaues würde, wenn von dem Verputz befreit, die
Stadt Schiltach bieten. Daneben sei auf das Gasthaus Zum Adler« in Steinach
hingewiesen.
Das Bauernhaus der Gegend zerfällt in zwei Typen, das der Rhein -
ebene, ein Riegelbau mit gesonderten Wirtschafts- und Wohngebäuden, in
reicherer Ausbildung im Hanauer Land erhalten, und dann das sogen. Schwarz-
wald haus, von dem vor allem Gutach, Einbach und Kirnbach Beispiele geben.
Ja, an letzterem Ort steht noch eines der ältesten, von 1581, auch in der
Täfelung der Wohnstube interessant.
Gegen Ende des 17. Jhs., als neues Leben aus den Ruinen zu blühen
beginnt, da dringt die letzte machtvolle Ausgestaltung der italienischen Spät-
renaissance, das italienische Barock, ein. Aber nicht von Schwaben her;
seine T räger sind die Meister der Vorarlberger Bauschule aus dem
Bregenzer Wald. Als Gengenbach den Wiederaufbau des Klosters in Angriff
nimmt, da beruft es die Meister Franz Beer, einen der bedeutendsten, Jakob
Rischer u. a. dorther. Ihr Ruhm dringt auch nach Offenburg, der Wiederaufbau
der dortigen Pfarrkirche und der Franziskanerkirche wird ihnen anvertraut, und
1) Die Kunstdenkmale des Königreichs Württemberg I, S. 563.
V*
LXVIII
EINLEITUNG.
sie leisten Glänzendes in dem originellen Grundriß sowie in den flott aufgebauten
Türmen, die in der Gegend weithin Nachahmung finden. Ist doch das Barock
überhaupt die Kunst des Turmbaues, insbesondere für kleinere Kirchen; keine
Epoche hat es wohl so verstanden, darin jedesmal Neues und Gutes zu liefern.
Die Vorarlberger scheinen nach den ersten Jahrzehnten des 18. Jhs. aus
der Gegend verschwunden zu sein, mag auch noch in der zweiten Hälfte ein
wohl vereinzelt zurückgebliebener Maurermeister aus dem Bregenzer Wald dem
Rat von Offenburg seine Dienste angeboten haben. Dagegen setzt wieder, wie
im 13. Jh., der mächtige Einfluß Frankreichs ein, vermittelt durch das jetzt
französische Straßburg, in dem die aus königlichem Geblüt stammenden Rohans
residierten. Ich glaube in der stattlichen Kirche des Klosters Schütter n
eine Verwandtschaft mit Rohanschen Bauten vermuten zu dürfen. Von Schuttern
stammt auch eines der glänzendsten Skulpturwerke des deutschen Rokoko,
wie man wohl sagen darf, die holzgeschnitzte Pieta, jetzt in den Altertums-
sammlungen zu Karlsruhe. Der äußerst bewegte Sockel kündet die Zeit des
Rocaille an, der uns dann überall in den Stuckverzierungen der Klöster —
z. B. Gengenbach — und der Kirchen — z. B. Appenweier — entgegentritt. Auch
jetzt entstehen wieder eine Reihe sehr geschmackvoller Landkirchen, wie Hof-
weier, Niederschopfheim, Schenkenzell und andere, auf die ich hier nicht näher
eingehen kann.
Die Ausstattung ist die bekannte, immer wirkungsvolle. Ein Stück
hors ligne war das Gestühl des Klosters Gengenbach, in Verbindung mit Orgel
und Altar ein großes, glänzendes Ganze. An großen Altären in dem üblichen
Pilaster- und Säulenaufbau sei auf die in den Ofifenburger Kirchen und in
Schwarzach hingewiesen.
Auch der Profanbau blühte von neuem, seine wichtigsten Denkmäler das
Amtshaus und das Rathaus in Ofifenburg. Ersteres, in den ersten Zeiten der
badischen Landvogtei von dem markgräflichen Baumeister Rohrer erbaut, ist
wie das Schloß in Rastatt und die Favorite ein Beispiel eines eigentümlich aus-
gebildeten späten Louis XlV.-Stils. Letzteres, von dem Offenburger Mathias
Fuchs errichtet, bietet eine treffliche, rhythmisch gegliederte Fassade.
Im Hausbau macht sich dann zuerst der beginnende Zopfstil, eine
strengere klassizierende Richtung geltend, so in dem Stößerschen Haus in Lahr.
In zwei kleinen Gartenanlagen, dem Löwenbergschen Pavillon in Gengenbach
und den Balustradefiguren des Vincentiusgartens in Ofifenburg, hat endlich die
scheidende Kunst des 18. Jhs. ein letztes, bescheidenes, aber treffliches Zeugnis
ihres Könnens gegeben.
Mit dem Übergänge an Baden beginnt die Einwirkung der mächtigsten
künstlerischen Persönlichkeit des neuen Großherzogtums, Weinbrenners, also
des Vertreters des reinen Klassizismus bei uns, den man wohl als einen letzten
Ausläufer der Renaissance bezeichnen darf. Er hat damals für die Stadt Lahr
EINLEITUNG.
LXIX
den Plan einer durchgreifenden baulichen Umgestaltung entworfen, der aller-
dings erfreulicherweise für das alte Bild nicht zur Ausführung kam. Dagegen
sind unter seinem Einfluß in Lahr eine stattliche Menge größerer und kleinerer
Hausanlagen entstanden, im sogen. Biedermeierstil, auf die gerade heute die
Blicke zu lenken zeitgemäß ist.
Trotz aller Zerstörungen ist so noch eine erkleckliche Menge an Kunstgut
in der Ortenau vorhanden — und wie vieles habe ich hier nicht erwähnen
können. Möge es durch weise Sorgfalt ihr fernerhin erhalten bleiben. (Wth.J
LXX
I. Lichtenau. S’ oppidi • in liehtenowe. An Urkunden von 1407 bis 165g. Stempel wahr-
scheinlich älter. — 2. Lahr. •{* S’ • : Civivm • '• • de • : • lare • • An Urkunden von 1305 bis 1472.
Stempel wahrscheinlich älter. — 3. Gengenbach. *j* ’ S’ vniversitatis : civiv • in • gengibach ■ An
Urkunden von 1291 bis 1 5 1 1 . — 4. Oberkirch. *p S’ • civitatis • de obernkirchen An Urkunden
von 1338 bis 1638. — 5. Oppenau. S’ • civitatis • in nopenowe. An Urkunden von 1425 bis 1454-
LXXI
i. Zell am Harmersbach. •j*S> • civitatis • d ■ celle ■ i • kizichtal. An Urkunden von 1351 bis
H77- — 2. Offenburg. *1* Sigillvm ■ civitatis • de ■ offenbvrg. An Urkunden von 1284 bis 1595.
Der Stempel wahrscheinlich älter. 3. Haslach. [•}* Sig]illv civi[v]m [in haselach]. Der Stempel
offenbar aus dem 13. Jh. — 4. Hausach. -J- ■ S • civitatis : hvsen : An Urkunden von 1453 b's
1475. Der Stempel zweifellos älter. — 5. Schiltach. S ■ opidi • schilttach. An Urkunden von
1497 bis 1507.
LXXII
I. Wolfach. • Sigillvm civitatis • d’- wolfa. An Urkunden von 1370 bis 1543. — 2. Porträt-
siegel der Gräfin Udelhild, geborene von Wolfach, Gemahlin des Grafen Friedrich I. von Fürsien-
berg. — 3. Mühlenbach. Sig : vogt vnd gericht • stab in mvhlenbach. — 4. Schnellingen-
Bollenbach. "i* Vogt • v • gricht • z • schnelingen • vnd • Bollenbach • sig. — 5. Steinach. Sigillvm
des fleckens Steinach. 1680.
T, XXIII
I. Wappen auf dein ältesten Siegel von Rheinbischofsheim, früher Bischofsheim zum hohen
Steg. — 2. Wappen auf späterem Siegel desselben Ortes. — 3. Siegelbild auf dem ältesten Siegel
von Willstett (Willstatt). Umschrift unleserlich. — 4. Willstett. Späteres Siegel: •}• Sigillvm •
des • gerichts • in • willsetden • 1... — 5. Neufreistett. Nach beschädigtem Oblatensiegel in
Akten 1805. [*j* ■ sigillvm • civivm ■ neufreis[tKltensi]vm].
LXXIV
I. Der hochgeborn Grauffe von Wirtteinberg vnd zuo Mümpelgartte etc. Grünenberg. 1483.
Schild geviert. Feld 1 und 4 schwarze Hirschstangen in goldenem Feld, 2 und 3 zwei goldene Barben
in Rot. Hehnzier rechts: rotes goldbeschlagenes Horn mit blauem Träger, an der Mundöffnung besteckt
mit rot-silber-blauen Federn. Decken: rot-golden. Helmzier links: rotgekleideter goldgekrönter weib-
licher Rumpf, statt der Arme die goldenen Barben. Decken: rot-golden. — 2. Grauf von Eberstein.
Grünenberg. 1483 In silbernem Schild rote, blaubesamte Rose. Zwei Helme. Rechts: weißgekleideter
Bischofsrumpf mit Schildbild auf Brust und Mitra. Links: zwei silberne Hörner, besteckt mit goldenen
Stäben, woran goldene Lindenblätter. Zwischen den Hörnern die rote, blaubesamte Rose. Decken :
rot-silbern. — 3. Friderich vo gots gnaden Pfalzgraue by Rine Hertzog in Beiern vnd graue zu Span-
heim. Lehensbuch des Pfalzgrafen Friedrich I. (angelegt 1454 bis 1464). Gevierter Schild mit Herz-
schild. Letzterer silber-rot geschacht. Feld I und 4 goldener rotgekrönter Löwe mit roten Waffen
in Schwarz. Feld 3 und 4 blau-silberne Rauten (Wecken). Helmzier: der Löwe des i.und 4. Schildfeldes
zwischen zwei silber-blau geweckten Hörnern sitzend. Decken: schwarz-rot. - 4. Der Lantgrauf von
Hessen. Grünenberg. 1483. In blauem Schild ein goldgekrönter Löwe, der von Rot und Silber viermal
(oft auch mehrmals) quergestreift ist. Helmzier: zwei goldene Hörner, die mit schwarzen Hahnenfeder-
büscheln besteckt sind auch silberne Hörner mit goldenen Lindenzweigen besteckt). Decken: rot-silbern.
LXXV
i. Graufif von Frihurg iin Brisgo. Griinenberg. 1483. In goldenem Schild, umgeben von
silber-blauem Wolkenrand, ein roter, blaubewehrter Adler. Zwei Helme. Rechts: ein goldgekrönter,
schwarzer wachsender Adler. Links: auf silber- und blaugestreiftem Kissen mit rot-goldenen Quasten
ein silberner Ball. Helmdecken rechts: schwarz-golden, links: rot-golden. — 2. Graufif von Fürsten-
berg, Landtgrauffe in Baure. Grünenberg. 1483. Schild wie Nr. I. Helmzier: auf rotem Kissen
der Ball gleich Nr. I. Helmdecken: rot-golden. — 3. Graufif von Werdemberg vnd graufif zu dem
hailgenberg. Grünenberg. 1483. Gevierter Schild. Feld 1 und 4 in Rot eine silberne Kirchenfahne.
Feld 2 und 3 ein sparrenweise gebrochener Schrägrechtsbalken, die sogen. Heiligenberger Stiege.
Zwei Helme. Rechts: eine rote Mitra. Decken: rot-silbern. Links: ein goldener Brackenhals. Decken:
schwarz-golden. — 4. Graufif von Mörs vn Graufif zu Sarwerd (Mörs-Saarwerden). Grünenberg. 1483.
Gevierter Schild. Feld 1 und 4 in Gold ein schwarzer Querbalken. Feld 2 und 3 ein silberner,
rotbewehrter Doppeladler. Zwei Helme. Rechts : ein schwarzer Bärenhals mit goldener Kette.
Decken: schwarz -golden. Links : eine silberne Mitra, besteckt mit schwarzem Hahnenfederbusch.
Decken : rot - silbern.
I. von Kronenberg (Cronberg). Griinenberg. 1483. Gevierter Schild. Feld 1 und 4 silbern-
blaue Eisenhütlein. Feld 2 rot, darin eine goldene Krone. Feld 3 rot. Helmzier: schwarzer Federn-
büschel. Decken: blau-silbern. — 2. Fry von Ochsenstain. Grünenberg. 1483. In rotem Schild zwei
silberne Querbalken. Zwei Helme. Rechts: zwei rote Hörner mit den silbernen Querbalken des
Schildes belegt. Decken: rot-silbern. Links: Rumpf eines bärtigen Mannes, in den Farben des
Schildes gekleidet, mit Hermelinhut. Decken : rot-silbern. — 3. von Ettendorf. Gevierter Schild.
Feld 1 und 4 ein roter Adler in Gold. Feld 2 und 3 ein schwarzes Andreaskreuz in Gold. Helm-
zier: der Adler über der Krone stehend mit ausgebreiteten Flügeln. Decken: schwarz-golden. —
4. Fry von Schwartzenberg. Stiffter des barfußen closters ze friburg im brisgo'. Grunenberg. 1483.
In silbernem Schild ein goldgeränderter schwarzer Sechsberg. Ilelmzier: der Sechsberg, darauf eine
weiße Kugel (Ball). Decken: schwarz - silbern.
LXXVII
I. Fry von Geroltzegg. Grünenberg. 1483. In goldenem Schild ein roter Querbalken. Drei
Helme. Mitte : rotgekleideter Weiberrumpf, statt der Arme goldene Hörner mit rotem Querbalken.
Rechts: goldener Flug mit rotem Querbalken. Links: roter Spitzhut mit goldenem Knopf, aus welchem
grüner Pfauenstoß hervorwächst. Decken: rot-golden. — 2. von Andlaw. Grünenberg. 1483. Hier unter:
Des hailgen Richs her Ritter. In goldenem Schild ein rotes Kreuz. Helmzier: ein in Hermelin
gekleideter goldgekrönter bärtiger Mann ohne Arme. Links und rechts eine Fahne mit dem Wappen-
bild. Decken: rot-golden. — 3. Grauff von Salmen. Grünenberg. 1483. In goldenem Schild zwei
abgewendete rote Fische (Salmen). Helmzier: zwei abwärts gekehrte rote Salmen. Decken: rot-golden. —
4. von der Ley (Leyen). Grünenberg. 1483. In blauem Schild ein silberner Pfahl. Helmzier: silberner
Rüdenkopf mit (zwischen) blauen Flügeln. Decken : blau-silbern.
Lxxvm
I. Graue zu Hanawe. (Pfalz. Lehensbuch.) Schild fünfmal von Gold und Rot gesparrt. Helm-
zier: weißer Schwanenhals mit Flügeln. Decken: silbern. — 2. Herr zu Lichtenberg. (Pfalz. Lehens-
buch.) In silbernem Schild mit rotem Schildrand ein schwarzer Löwe. Helmzier : weißer Schwanen-
hals. Decken : silbern. — 3. Grauff von Oettingen. Grünenberg. 1483. In rotem Schild goldene
Eisenhütlein, belegt von einem blauen Herzschildchen. Das Ganze überlegt von einem silbernen
Schrägen Zwei Helme. Rechts : auf blauem Kissen ein rotes Schirmbrett, überzogen von silbernem
Schrägen und besteckt mit Pfauenfedern. Decken: rot-golden. Links: silberner Brackenhals mit
rotem Ohr, das von dem silbernen Schrägen belegt ist. Decken : rot-silbern. — 4. Herezog von
Vrslingen vnd von Schilttach. Grünenberg. 1483. In silbernem Schild drei rote Schildchen (2: 1).
Helmzier: silberngekleideter bärtiger Mann, auf der Brust die drei roten Schildchen. Auf dem Kopfe
eine silberne, rotgerandete Mütze, besteckt am vorderen Rande mit drei roten Federn. Decken :
rot - silbern.
LXXIX
I. Böcklin (Böcklin von Böcklinsauh Grünenberg. 1483. ln rotem Schild ein silberner Bock.
Helmzier: der Bock wachsend. Decken: rot-silbern. — 2. Zorn v. Bullach. Grünenberg. 1483.
Geteilter Schild. Oben: in rotem Feld ein goldener Stern. Unten: goldenes Feld. Helmzier: goldener
SchwertgrifF. Decken: rot-golden. — 3. von Endingen. Grünenberg. 14S3. Geteilter Schild. Oben:
in silbernem Feld ein wachsender roter Löwe. Unten: blaues Feld. Helmzier: der Löwe wachsend.
Decken: rot-silbern. — 4. von Landemberg. Grünenberg. 1483. In rotem Schild drei silberne Ringe
(2 : l). Helmzier: schwarzer, mit silbernen Lindenblättern besäter Flug auf rotem Kissen. Decken: rot.
LXXX
I. von Bettendorf. (Pfalz. Lehensbuch.) In rotem Schild ein silberner Ring. Helmzier: der
Ring am oberen Rand besteckt mit einem schwarzen Hahnenfederbusch. Decken: rot. — 2. Röder
von Diersburg. (Pfalz. Lehensbuch.) In rotem Schild ein silberner überzwerch gelegter Adler. Helm-
zier: silberner Adlerhals mit goldenem Schnabel und Zunge. Decken: rot-silbern. — 3. von Schowen-
burg (Schawenburg). Grünenberg. 1483. Silberner, von blau-goldenem Wolkenrand umgebener Schild.
Das Ganze überlegt von rotem Schrägen. Helmzier: weißgekleideter Weiberrumpf. Auf der Brust
den Schrägen, statt der Arme blaue Hörner, besteckt mit goldenen Kugeln.
LXXX1
I. von Wurmser. (Pfalz. Lehensbuch.) Geteilter Schild. Oben: in schwarzem Feld zwei
silberne Halbmonde. Unten: goldenes Feld. Helmzier: schw'arzgekleideter Weiberrumpf, auf der
Brust die Halbmonde, anstatt der Arme goldene Hörner. Decken : golden. — 2. Kemerer vö Dalbg.
(Pfalz. Lehensbuch.) Blauer Schild, der in das goldene Schildhaupt mit drei Spitzen aufwärtssteigt.
Im goldenen Schildhaupte ein schwarzer Turnierkragen. Im blauen Schild sechs silberne Lilien.
Plelmzier : Flug mit dem Schildbilde. Decken: blau. — 3. von Kippenhaim (Kippenheim). Grünen-
berg. 1483. In rotem Schild drei goldene Fische im Dreipaß. Helmzier: zwei gestürzte, silber-
schwarz geteilte Fische. Decken : schwarz-silbern. — 4. von Blumneg (Blumenegg). Grünenberg.
1483. Schild von rot- und silber-blauem Feh zu sechs Plätzen geteilt. Helmzier: rote Bischofsmütze
mit einem Fehstreifen und die Spitzen besteckt mit Pfauenfedern. Decken: rot -silbern.
VI
Band VII.
LXXXII
I. Pfau von Rüppurr. (Pfalz. Lehensbuch.) In rotem Schild zwei silberne Schlüssel. Hehnzier:
die Schlüssel. Decken: rot-silbern. — 2. von Franckenstein. (Pfalz. Lehensbuch.) In goldenem Schild
ein rotes Parteneisen. Helmzier: goldener Flug mit Schildbild. Decken: rot-golden. — 3. vom Stain.
Grünenberg. 1483. In goldenem Schild drei gestürzte schwarze Wolfseisen (Wolfsangeln) übereinander.
Helmzier: goldene Wolfsangel, deren Spitzen mit Pfauenfedern besteckt. Decken, schwarz-golden.
4. Frig von Flaekenstain her zuo dachstal (Dachstuhl). Grünenberg. 1483. Schild geviert. Feld 1
und 4 von Grün und Silber siebenmal geteilt. Feld 2 und 3 in Gold ein schwarzer Schrägen. Helmzier:
goldgekleideter, goldgekrönter Weiberrumpf, statt der Arme Hörner mit den grün-silbernen Teilungen.
LXXXII1
I.
i. Schenken von Zell (Schenkenzell). Eines Stammes mit den Schenken von Andeck oder
Thalheim und von Erpfingen, auch von Stauffenberg. In silbernem Schild ein roter Querbalken. Über
und unter demselben ein blauer Löwe. — 2. von Windeg (Windeck). Grünenberg. 1483. Ge-
spaltener Schild. Rechts: rote Hirschstange in Silber. Links: silberne Hirschstange in Rot. Helmzier:
die Hirschstangen, gefärbt wie im Schild. Decken: rot-silbern. — 3. von Stoffemberg (Stauffenberg).
Grünenberg. 1483. In silbernem Schild auf blauem Dreiberg ein roter bedeckter Becher. Helmzier:
rotgekleideter Weiberrumpf, statt der Arme silberne Hörner. Decken: rot-silbern.
LXXXIV
I. von Muellenheim in Kalbsgasse. Roter, goldgerandeter Schild mit silberner Rose und grünen
Kelchblättern. Helmzier: die Rose, deren Blätter besteckt mit je einer Pfauenfeder. Decken: rot-
silbern. — 2. von Neuenstein (Rohart). Schwarzer Schild mit goldenem Rad. Um den Schild ein
rot-silbern geschachter Rand. Helmzier: eine schwarze Säule mit dem Rad. Aus der Säule steigen
Flammen. Decken: schwarz-golden. — 3. von Botzheim. In schwarzem Schild ein goldenes Kreuz.
Helmzier: ein wachsender silberner Bracke zwischen zwei goldenen Büffelhörnern. Decken: schwarz-
golden. — 4. Huelwer. In silbernem Schild, aus grünem Dreiberg wachsend, ein feuerspeiender
schwarzer Drache. Helmzier : der Drache wachsend. Decken : schwarz-silbern.
LXXXV
3-
4-
I. von Homberg. In goldenem Schild zwei mit den Mundlöchern auf einen schwarzen Drei-
berg gestürzte schwarze Jagdhörner mit goldenem Beschlag an Mund- und Schalloch. Helmzier: auf
schwarzem Kissen mit schwarzen Quasten an goldenen Knöpfen ein schwarzes Jagdhorn an goldener
Schnur. Decken: schwarz-golden. — 2. Ilorneck von Hornberg. In goldenem Schild auf rotem
Dreiberg ruhend ein rotes Jagdhorn mit verschlungener schwarzer Schnur. Helmzier: zwei silbern-
schwarz übereck geteilte Büffelhörner. Decken: schwarz-silbern. (Nach Kindler von Knobloch viel-
fach in der Ortenau auftretend.) — 3. Erlach von Ulm. — 4. Wolff von Renchen. In silbernem,
rotumrandelem Schild ein grüner eingebogener Sparren von drei roten Sternen begleitet. Helmzier:
zwei grüne Büffelhörner, begleitet von drei roten Sternen (2 : 1). Decken: grün -rot.
LXXXVI
I. von Brumbach. Wappen des Jakob von Brumbach auf dem Grabdenkmal in der Stiftskirche
in Lahr. In silbernem Schild ein rotbewehrter grüner Doppeladler mit roten Kleestengeln in den
Flügeln. Helmzier: zwei rotbewehrte grüne Adlerhälse hintereinander. Decken: grün -silbern. —
2. von Bach. (Pfalz. Lehensbuch.) In blauem Schild ein auch als Meerschnecke bezeichnetes, von
Silber und Rot gestücktes Steinbockshorn (später ein ebenso geformter Hut mit goldenem Aufschlag).
Helmzier: das Hcn wachsend. Decken: rot-silbern. — 3. Kechler von Schwandorf. In rotem Schild
ein rechtsgekehrter silberner Fisch mit goldenem Rückenkamme. Helmzier: ein rotgekleideter bärtiger
Mannsrumpf mit dem Fische auf der Brust. Helmdecken: rot-silbern. — 4. von Grebem. In
rotem Schild ein schrägrechts gestellter silberner Besen oder Mückenwedel. Helmzier- ein am Rücken
mit drei silbernen Besen besetzter schwarzer Adlerhals oder drei auf dem Helme fächerförmig stehende
silberne Besen). Helmdecken: rot-silbern.
LXXXVII
I.
I. Kloster Allerheiligen. Ältestes Konventsiegel.
2.
2. Kloster Schlittern. Ältestes Konventsiegel.
LXXXVIII
Louis Ren£ Edouard, Prinz von Rohan-Guemen^e, Bischof von Straßburg.
(Geboren 25. Sept. 1735, gestorben 17. Febr. 1803 zu Ettenheim.)
Diese Zusammenstellung von Siegeln und Wappen soll, wie schon oben gesagt,
den Benutzern für die Denkmäler eine gewisse Unterstützung geben. Vollständigkeit
war nicht möglich. Auch sind nicht nur eigentliche ortenauische Geschlechter darin
berücksichtigt, sondern auch solche, die irgendwie der Denkmäler wegen wichtig schienen.
Aus Gründen des Raumes war eine streng systematische Anordnung der Wappen nicht
zu erreichen, was ich zu berücksichtigen bitte. So konnte hoher und niederer Adel
nicht ganz geschieden werden.
AMT KEHL
AUENHEIM
Schreibweisen: Ouuanheim 888; Owenheim 961 ; Öwenheim 1318; Auenheim Ende
14. Jhs. (Heim des Ouuo, Owo.)
Archivalien: Mitth. d. histor. Komm. Nr. 17 (1895), S. 89.
Litteratur: K. Asbrand, Die Fischerzunft zu A. Oberrh. Ztschr. IV, S. 79.
Ortsgeschichte : Gehörte zur Herrschaft Hanau -Lichtenberg. 1429 gänzlich
verbrannt. Auenheim hatte eine Fischerzunft mit Fischerordnung von 1472; es wurde
1803 badisch. Patronat und Zehnt gehörten vordem den Chorherrn von S. Peter in
Strassburg. Seit 1561 evangelisch.
Vorgeschichtliches: Bemerkenswerth sind die wiederholten Funde schöner
geschliffener Steinbeilklingen aus der späteren Steinzeit, oder auch noch nach
derselben in Benützung. Das Material bilden passend geformte und dann zugeschliffene
Rheingeschiebe von schwarzem oder grünschwarzem Serpentin ; sie zeigen ein sorgfältig
gearbeitetes, rundes, von oben nach unten sich etwas verengendes Bohrloch für den
Holzstiel.
Zwei solche fanden sich im Schutt eines im 18. Jh. vom Blitz zerstörten Hauses,
und waren trotz dieser Erfahrung seither im Besitz der betr. Familie als »Donnerkeile«,
d. h. als Verwahrungsmittel gegen Blitzgefahr. Das eine 18,3 cm lang, befindet sich in
der Grossh. Alterthümersammlung Karlsruhe, das andere sei verloren gegangen.
Eine ähnliche kleinere Steinbeilklinge derselben Sammlung (Länge 11,5 cm) wurde
1856 bei Ausgrabung der neuen Mündung der Kinzig -Schütter gefunden.
Eine vierte, in der Nähe des Orts wahrscheinlich beim Pflügen gefundene blieb
lange (bis 1856) in einer Familie als Donnerkeil verwahrt, ist aber nicht mehr vor-
handen.
Endlich bewahrt die städt. Sammlung in Freiburg i. Br. ein Steinbeil und 2 solche
kleinere Stücke aus dem Torfmoor »Hüblingswiesen« (Verzeichniss ders. n. Schreiber
1841.) (W.J
Römisches : Fund von drei römischen Münzen.
Evang. Pfarrkirche. [Ehemals ad S. Laurentium] ’), wie es scheint ein Bau des
17. Jhs. der am Ende des 18. Jhs. umgebaut wurde (1792 eingeweiht). Auf ersteres
deutet der mächtige Giebel der Fatjade mit Abtreppungen etc. Portal im späten Zopfstil
mit Säulen und Voluten wie das Südportal mit Säulen und Dreieckgiebel ganz monu-
mental wirkend. An Stelle des Chors nach Osten hat die (einschiffige) Kirche einen
viereckigen Thurm, dessen Erdgeschoss sich ehemals in einem jetzt zugemauerten
Rundbogen nach dem Langhaus zu öffnete. Weder dieser Bogen noch das Bruchstein-
mauerwerk des Thurmes giebt sichere Anhaltspunkte für ein immerhin mögliches höheres
Alter desselben.
x) Schaible, Geschichte des Hanauerlandes S. 54. — Mone, Die bildenden Künste in
Baden. XIV (1890), 82.
Ortsgeschichte
Vorgeschicht-
liches
Römisches
Pfarrkirche
4
KREIS OFFENBURG.
Glocke
Kirchengeräthe
Ortsgeschichte
Pfarrkirche
Urkunden
Fachwerkhaus
Eine Glocke ist 1720 in Strassburg von Edel gegossen, die anderen neu.
Kirchengeräthe: Kupfervergoldete Hostienbüchse des 18. Jhs., zwei einfache,
silberne Kelche mit Patenen, renovirt 1720.
Auf dem Rathhaus auf bewahrt eine sogen. Hals geige (Marterwerkzeug) und eine
eiserne Truhe mit gutem Schloss. (17. Jh. ?)
Ein Hufeisen des 18. Jhs. und ein Ring aus Auenheim stammend im Besitz der
Grossh. Sammlungen für Alterthums- und Völkerkunde in Karlsruhe unter Nr. C. 1550.
BODERSWEIER
Schreibweisen: Bothalasvvileri 884; Boderswiler 14. Jh. (Weiler des Bodal).
Ortsgeschichte: 749 und 754 wird ein Bodal genannt.1) Der Ort, der zur Herrschaft
Lichtenberg gehörte, wurde 1429 von den Strassburgern verbrannt und hatte auch in den
Franzosenkriegen viel zu leiden. 1803 wurde Bodersweier badisch. Begütert waren hier
ehemals die Böcklin von Böcklinsau; 1501 aber kam der »Hub- oder Liebenzellerhof« an
die von Rathsamhausen und nach dem Heimfall an die Freiherrn von Berstett. Das
Patronatsrecht stand vormals dem Stifte Alt-St. Peter zu.2)
Evang. Pfarrkirche .3) (Ehemals ad S. Joannem Baptistam.) Die jetzige Kirche
erbaut von dem Grafen Johann Reinhard von Hanau-Zweibrücken um 1616. Es ist ein
einschiffiger Bau mit gerader Decke, ein Rundbogen öffnet sich in den Thurm, dessen
unterstes Geschoss als Chor dient. Der Thurm hat im Erdgeschoss nach Osten ein
gekuppeltes Rundbogenfenster, mit flachem Bogen (s. Fig. 1, der Pfosten jetzt weg-
gebrochen), darüber dann Lichtluken, im zweiten bezw. dritten Geschoss gekuppelte
Rundbogenfenster des 18. Jhs. nach allen 4 Seiten. Das Langhaus hat einfache Spitz-
bogenfenster, ein spitzbogiges Portal (s. Fig. 1), darüber in etwas derber, aber flotter
Umrahmung das Hanau -Lichtenberg’sche Wappen mit der Inschrift:
IOHANN REINHARDT • GRAVE •
ZV • HANAV • VND . ZWEY-
BRVCKEN • HERR • ZV •
LIECHTENBERCK •
VND • OCHSENSTEIN •
ERBMARSCHALK •
VND • OBERVOGT • ZV •
STR ASBVRG • 1616 •
An den spitzbogigen Seitenportalen die Jahreszahl 1616. Bruchsteinmauerwerk
verputzt; die Profile etc. aus gelbem Sandstein. — Vermuthlich ist der Thurm in seinem
Mauerwerk ein älterer Rest. Anfang des 17. Jhs. erfolgte dann der gänzliche Umbau,
dem die Kirche ihre heutige Gestalt verdankt. — Orgelgehäuse mit Rocailleschnitzerei
von 1777.
*) SehöpfLn, Alsat. illustr. I., 786.
2) Grandidier, Etat ecclesiast. du diocese de Strasbourg en 1454- Strassb. 1897 p. 66.
3) Fr. Stengel, das älteste Kirchenbuch der Pfarrei Bodersweier. Kehler Zeitung 1905,
Nr. 177; das Zweitälteste K. ebenda, Nr. 289; die evang. Pfarrei B. ebenda, Nr. 268.
AMT KEHL. — DIERSHEIM.
5
An der Aussenmauer der Kirche einfaches Epitaph im Zopfstyl der Maria
Francisca Kohlund gebohrne von Helbling -j- 1794 und des Meinrad Kohlund, Lieutenant
unter dem Hohenzollern. Schwaeb. Kreiskürassierregiment.
Im Pfarrhaus Krankenkommissionsbesteck mit der Inschrift » Fridericus Franck
pastor in Bodersweiher « und » Daniel Kober Kirchschaffner l6j2«, in den flauen
spätgothischen Formen dieser Zeit, ohne Zeichen; einfacher, silbervergoldeter Kelch von
1718. Glocken neu, ehemals Edel’sche von 1714 und 1728.
Auf dem Rathhaus eine grosse Anzahl von Urkunden.
Am Ausgange gegen Linx zu ein Fachwerkhaus von 1717.
DIERSHEIM
Schreibweisen: Diersheim 12. Jh. ; die zwei D. 14. Jh. ; Tiersheim 1390; Dierß-
hein 1412; Dierssheym 1492; Oberdiersheim 1620.
Archivalien: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 136.
Ortsgeschichte: Die angeblich erste urkundliche Erwähnung von 961 ist eine Ortsgeschichte
Fälschung des 12. Jhs. — 1469 verkaufte Margaretha Juckmantel, des Edelknechts Anton
von Hornberg Wittwe den Gross- und Kleinzehnten an den Edelknecht Johann Erlin;
1620 befreite sich die Gemeinde durch Zahlung von 1000 fl. von allen Frohndiensten,
6
KREIS OFFENBURG.
Pfarrkirche
Abendmahlkanne
Glocken
Grabstein
Wirthshaus-
schilde
Ortsgeschichte
1731 wurde Diersheim Pfarrei, vorher war es Filiale zu Rheinbischofsheim. Es gehörte
zur Herrschaft Hanau-Lichtenberg, Amt Fichtenau und wurde 1803 badisch.
Evang. Pfarrkirche (ehern, ad s. Brigittam), einfacher Bau, nicht orientirt, aus
Bruch- und Backsteinmauerwerk mit Sandsteinquadern an den Ecken. Einschiffiges, flach-
gedecktes Langhaus und viereckiger Thurm. Am Portal der Kirche die Jahreszahl 1731.
Der Thurm öffnet sich in einem fast hufeisenförmigen Bogen gegen das Langhaus.
Er diente also früher als Chor, hat aber seine Bestimmung verloren, da er im 18. Jh.
durch Emporen verdeckt wurde. So liegt die Vermuthung nahe, dass er älteren Datums
als das Langhaus ist. Darauf deutet das bedeutend stärkere und aus grösseren Bruch-
steinen gefügte Mauerwerk, die Rundbogenfenster mit abgeschrägten Gewänden im
zweiten Obergeschoss, ein flachbogiges Fenster das über der Thür zum Dachraum
zwecklos in diesen hinausschaut. Für irgend welche Datirung des Thurmes fehlen aber
alle Anhaltspunkte.
Der Neubau des 18. Jhs. wurde aus den Steinen der damals abgebrochenen Kapelle
in Zierolzhofen erstellt um 3930 fl. 1 b. 6 kr. ])
Das Innere der Kirche hat als einzigen Schmuck eine grosse Inschrifttafel in Stuck
mit der Aufschrift in Capitale : REGI SAECULORUM IMMORTALI IUSTO
BENIFICO AMANTI HOMINUM BONI AC DONI OMNIS AUTHORI
L ARGITORI FONTI DEO UNI ET TRINO PATRI CREATORI FILIO
JESU CHRISTO IMMANUELI SERVITORI ILLUMINATORI PARACLETO
DEO OMNIPOTENTI BENEDICTO AEDEM HANC SACRAM GUBER-
NANTE HAS TERRAS ILLUSTRISSIMO DN0 DN0 JOHANNE REIN-
HARDO COMITE H ANO VI AE VERAE DOCTRINAE REVERENDI
PATRIS MARTINI LUTHERI MINISTERIO REPURGATAE DOCENDAE
PROPAGANDAE DISCENDAE CUMQUE VERO SACRAMENTORUM
USU ASSERENDAE GRATIA PONUNT DICANT CONSECRANT PACI
DIERSHEIMENSIS INCOLAE ANNO INCARNATI CHRISTI MDCCXXXI.
Abendmahlkanne von 1783.
Die Glocken (18. Jh.) aus der Edel’schen Giesserei in Strassburg.
An der Südwestseite des Chorthurms Grabstein des »Georg Wolfgang Schnabel
dieser Kirche erster Pfarrer J- 10. November 1735«. Sandstein, Rocaille - Cartouche
und Gitterwerk.
Schmiedeeiserne Wirthshausschilde des 18. Jhs. am Gasthaus zum Adler und
zum Rappen.
ECKARTSWEIER
Schreibweisen: Eckebrehtswilare 1316; Eckebrehtzwilr 1372; Eckebrehtzwilre
1378; Eckebrechts wilre 1412; Eckartzwiller 1480; Eckhertzweiher 1557; Eckarts-
weyer 1770 (Weiler des Eckebrecht).
Ortsgeschichte : Nach Kolb I. 249 schon 1005 als Eckertswyr genannt in der
Urkunde des Bischofs Wernher I. von Strassburg über die Besitznahme des Frauenstifts
S. Stephan v. J. 1005. Nach dieser (gefälschten?) Urkunde soll es schon in Schriften
*) Stöcker, Schematismus der evang.-prost. Kirche im Grossh. Baden, Heilbronn 1878;
(Nachtrag Karlsruhe 1886), S. 302.
AMT KEHL. — FREISTETT.
7
des Herzogs Adelbert und in dem Freiheitsbrief des Königs Childerich als an S. Stephan
gegeben, bezeichnet worden sein. 1005 kam es an Strassburg; die Herrn von Hunnen-
burg hatten hier ansehnliche Besitzungen; ihnen wurde es durch Conrad II. von Hunnen-
burg, Bischof von Strassburg zugeeignet; nach ihrem Aussterben kam es an die Graf-
schaft Lichtenberg, war dann als Lehen an die Liebenzeller gegeben, kam 1335 als
Reinbolt Liebenzeller ohne Erben starb, an die Lichtenberg zurück, die es 1418 an die
Böcklin von Böcklinsau verpfändeten. Aus der Herrschaft Hanau-Lichtenberg, wo es
zum Amt Willstett gehörte, bezw. aus dem Besitz der Landgrafen von Hessen-Darmstadt
kam es 1803 an Baden.
Evang. Pfarrkirche. Ehemaliger Titel: ad S. Nicolaum. E. wurde 1555 prote-
stantisch 1). Der jetzige Bau 1824 im Weinbrennerstil. — Zinnerne Abendmahlskanne
mit der Aufschrift: dem Gericht zu Eckartsweier 1761.
Im Pfarrhausgarten, beim Umgraben des Friedhofs gefunden, das mittlere, leider
stark beschädigte Stück eines römischen Viergöttersteins aus rothem Sandstein (Höhe
noch 40 cm). Von den 4 Relief- Götterfiguren ist nur der Rumpf bis herab zum
Knie erhalten. Sicher erkennbar ist Hercules, in der Linken Aepfel der Hesperiden
haltend, die Rechte auf die Keule gestützt, und Jupiter mit dem Blitz in der Rechten.
Dazu vielleicht Mercur und eine weibliche Figur (Fortuna?). (Der Stein jetzt in der
Grossh. Alterthiimersammlung Karlsruhe.) (W.)
FREISTETT
Schreibweisen: Fregistatt 828; Freistetden 1365; villa Freistetten superior 1369;
obern Freistetten 1390; Obern Freistetden 1414; nidern Freistetten (Freistetden) 1390;
die zwey Freistet 1492; die zwey Frystetten 1509 (Stätte des Frego).
Archivalien: Mittheil. d. histor. Kommission Nr. 16 (1894) S. 136.
Litteratur: A. Leitz, Gesch. der Gemeinden Freistett und Neufreistett bis zum
Uebergange an Baden. Kehl 1890. Reinfried, Der Maiwald-Kanalprozess aus dem
Jahre 1749. Acherbote 1895, Nr. 7 5 ff.
Ortsgeschichte: Ober- und Nieder-Freistett (letzteres nicht zu verwechseln mit
Neufreistett), die von jeher einen Bann, ein Gericht und einen Pfarrer hatten, wurden
urk. 1507 zum vierten Male vereinigt. Freistett hatte mit Renchen, Membrechtshofen,
Gamshurst, Wagshurst und Ulm eine Waldgenossenschaft (Maiwald) 2). In den Kriegen
Ludwigs XIV. vielfach verwüstet. Es gehörte zur Herrschaft Hanau-Lichtenberg, zum
Amt Lichtenau und wurde 1803 badisch. Das Patronat besass das Domstift in Strassburg.
Durch Tauschvertrag v. J. 828 erwarb das Kloster Schwarzach vom Grafen Erchanger
hier Güter 3).
Evang. Pfarrkirche. Erwähnt 1574 sant Jörg und sant Niclauß in beiden
cappellen zu Freystet. 1582 erfolgte die Ernennung eines evangelischen Pfarrers für
Freistett und zugleich die Erhebung zur selbständigen Pfarrei, während es bisher Filiale
von Rheinbischofsheim war 4). Der jetzige Bau mit einschiffigem, flachgedecktem Lang-
1) Schaible, a. a. O. 54.
2) Vergl. Reinfried, in Freib. Diöz. Arch. 21, 273 u. Acherbote a. a. O.
3) Vergl. Reinfried in Freib. Diöz. Arch. 20, 144.
4) Schaible, a. a. O. 54. — Vierordt, Gesch. der evang. Kirche in Baden. I, 493.
Pfarrkirche
Abendmahls-
kanne
Römischer Vier-
götterstein
Ortsgeschichte
Pfarrkirche
8
KREIS OEFENBURG.
Thurm
Orgel und Kanzel
Glocken
Heidenkirchle
Glocke
Rathhaus
Ortsgeschichte
haus und daran anstossendem viereckigem Thurm stammt aus dem 18. Jh., wie die
Jahreszahl 1741 an dem flachbogigen Sturz der Faijadenthür zeigt. Er ist fast schmucklos,
aus Bruchsteinmauerwerk mit Sandsteinquadem an den Ecken und den Gesimsen, über
der erwähnten Fagadenthür in Rocaillecartouche das zum Theil abgeblätterte hessen-
darmstädtische Wappen und eine breite Tafel mit gereimter Inschrift:
Vor siebzehnhunderteinundvierzig Jahren
Hats Jesus Wort beliebt , im Fleisch zu offenbaren.
(Siehe die weiteren schwülstigen Verse bei Leitz a. a. O. S. 177.)
Der Thurm , dessen unterstes Geschoss ehemals als Chor diente, öffnet sich in
einem jetzt mit einem Verschlag geschlossenen Rundbogen nach dem Langhaus. Er hat
im Erdgeschoss Rundbogenfenster mit stark abgeschrägten Bänken, im ersten Stock ein
solches mit hohen sitzartigen Vorsprüngen, zeigt im Aeusseren zur Abgrenzung der Stock-
werke ein Gesims aus Platte und Hohlkehle, oben geht er in das Achteck über. Möglich,
aber nicht zu beweisen, dass seine unteren Theile einer früheren Zeit entstammen.
Im Innern Orgel und Kanzel im Empirestil.
Zwei Glocken von Mathäus Edel in Strassburg 1741; eine dritte, kleinere mit
der Minuskelinschrift ;
Ave + Maria + gratia + plena + anno + M + CCCC + XXXX + VII.
Das sogen. Heidenkirchle ziemlich am Ausgange des Dorfs, jetzt unbenutzt, ist
ein einschiffiger Bau mit viereckigem Thurm, dessen Untergeschoss der Chor war, aus
Bruchsteinmauerwerk mit Sandsteinquadern an den Ecken und Fenstergewänden. Im
Langhaus sehr kleine, nach unten sich erweiternde Rundbogenfenster, eine Form, die
besonders an sehr frühen romanischen Bauten vorkommt; sie dürfte auch hier kaum
viel späteren Ursprungs sein und so bezeugen diese einzigen Anhaltspunkte eine Ent-
stehung des Kirchleins in 10. bezw. 11. Jh. Im Thurmerdgeschoss ein gradsturziges
Fenster und ein spitzbogiges mit abgefassten Ecken und Kleeblattbogenfüllung. Verputztes
Backsteintonnengewölbe. Im Obergeschoss des Thurmes ein Doppelfenster mit flachen
Rundbögen. Der Thurm ist mit einem Satteldach gedeckt. Möglicherweise stammt das
Langhaus und das Untergeschoss des Thurmes (ohne Gewölbe) aus dem io./ii. bezw.
16. Jh. und ist im 18. Jh. zum letzten Mal überarbeitet worden. An der Nordwand
Spuren der alten Bemalung in den Resten einiger Apostelkreuze.
Aus letzterer Zeit stammt auch die von Ludwig Edel in Strassburg gegossene Glocke.
Neben der Kirche das Rathhaus im französischen Stil des 1 8. Jhs. mit Mansarden-
dach. Aehnlich gebaut noch verschiedene Häuser im Dorfe.
Die Stadt Neufreistett ist eine Gründung der Kuck’schen Flosskompagnie in
Strassburg von 1740 und enthält nichts Erwähnenswerthes.
HAUSGEREUTH
Schreibweisen: Husgerute 1163; Hugsgerüte 1353; Hugesgerüte 1372; Hugeß-
gerut 1547; Hawsgerait 1525. (Gereute [Rodung] des Huc.).
Ortsgeschichte: 1163 besass das S. Thomasstift zu Strassburg hier einen Dinghof.
Eine Kaplanei, die im folgenden Jahrh. zur Pfarrkirche erhoben wurde, erhielt das Dorf
1288, nachdem es vorher in die Pfarrei Kork gehört hatte; Patronat und Zehnt hatte
AMT KEHL. — HONAU.
9
das Kloster Eschau, bis es dieselben 1552 an das Domstift zu Strassburg verkaufte.
1429 war das Dorf von den Strassburgern niedergebrannt worden. Es gehörte zur
Herrschaft Hanau-Lichtenberg, Amt Lichtenau und wurde 1803 badisch.
Evang. Kirche. Filiale von Rheinbischofsheim. Erw. 1288 s. o., 1289 ein
Oratorium beati Jacobi apostoli ac Marie Magdalene et Nicolai confessoris ; 1425 sanctus
Nicolaus patronus ecclesiae parrochialis. Einschiffiger Bau aus Bruchsteinmauerwerk
mit Holzbalkendecke und viereckigem Thurm, dessen mit einem Kreuzgratgewölbe
gedecktes Erdgeschoss als Chor dient. Im Langhaus kleine Fenster, sowohl mit geradem
Sturz und abgefastem, zweimal auch mit einer Hohlkehle profilirtem Pfosten, als auch
geradsturziges Doppelfenster und ein schmales gedrücktes Spitzbogenfenster. Thür mit
Flachbogen, sich kreuzendem Stabwerk und Hohlkehle.
Der Thurm öffnet sich nach dem Langhaus im Spitzbogen, hat im ersten Geschoss
Lichtluken, im zweiten schwach spitzbogige Fenster. Die Balkenlöcher bezw. einfachen
Konsolen für die alten Decken noch überall sichtbar. Satteldach. An der Ostwand
kleine, kielbogige Sakramentsnische. An den Thurm schliesst die geradgedeckte Sakristei
an mit kleiner, mit zwei Seiten des Dreiecks abgeschlossener Nische. An den Ostecken
des Langhauses und des Thurmes einfache, einmal abgeschrägte Strebepfeiler.
Das Kirchlein gehört wohl dem 16. Jh. an und hat im 18. einige Veränderungen
erlitten.
Glocke von Matthäus Edel 1749.
HONAU
Schreibweisen: Hoinaugia 781; Hoinowa 870; insula Honaugensis 1180;
Honaugia 1191; Honauwia 1199; Honowe 1264; Honow 1268; Honöwe Anf. 14. Jh.
Litteratur: Reinfried, Archivalien des Landkapitels Ottersweier. Oberrh. Ztschr. 51
(1897), Mittheil. Nr. 19, S. 24. Grandidier, Hist, de l’eglise de Strasbourg I,
398 — 410 und Oeuvres inedites I, 157 — 165.
Geschichte : Ehemals ein auf einer Rheininsel um 720 gegründetes Schottenkloster,1)
dessen Aebte den bischöflichen Titel führten.2) Da der Rhein den grössten Theil der
Insel wegfrass und die Stiftsgebäude selbst bedrohte, wurde das Kloster 1290 nach
Rheinau und 1398 aus demselben Grunde nach Alt-S. Peter in Strassburg verlegt, nach-
dem es schon im ri. Jh. in ein Chorherrnstift verwandelt worden war. — Das Dorf
(Mortenau, Herrschaft Lichtenberg) ging 1802 von Strassburg an Baden über. — Seit
1 5 5 9 evangelisch.
Die jetzige kathol. Pfarrkirche wurde 1845 erbaut. Die alte Klosterkirche hatte
den titulus ad S. Michaelem und als Nebenpatrone die Apostelfürsten Petrus und Paulus.
Schon 1259 wird noch eine »capella sancte Brigide« erwähnt, 1365 »altare beate Marie
virginis et beati Nicolai episcopi situm in ecclesia parrocchiali ville Honowe«. Später
gehörte das Dorf zur Pfarrei Wanzenau, von der es 1730 getrennt wurde. — Bauliche
Reste einer älteren Kirche sind keine vorhanden.
1) Vergl. Sickel, Acta regum et imperatorum Karolingorum digesta et narrata. Wien 1867, II. 216.
2) Der Sage nach soll 357 der Bischof Amandus von Strassburg hierher geflohen sein und
seine Gebeine hier einst aufbewahrt worden sein. Mo ne, Die bildenden Künste etc. XIV., 46.
Kirche
Thurm
Glocke
Geschichte
Pfarrkirche
Holzplastik
Taufstein
Kirchengeräthe
IO KREIS OFFENBURG.
Die Kirche bewahrt auf dem Nebenaltar der Epistelseite eine werthvolle Holzplastik
vom Anfänge des 1 6. Jhs., eine Krönung Mariä in zweidrittel lebensgrossen Figuren.
Maria nach vorn knieend, Gottvater und Christus hinter ihr sitzend in den jetzt zwecklos
Fig. 2. Holzskulptur : Krönung Mariä in der Kirche in Honau.
gespreizten Fingern ehemals die Krone haltend (s. Fig. 2). Tüchtige geschmackvolle Arbeit
aus den ersten Jahrzehnten des 16. Jhs., die Fassung gänzlich erneuert.
Auf dem Altar der Evangelienseite kleine Madonna mit Kind auf der Mondsichel ;
im Chor Madonna mit Kind; an der Langhausnordwand Crucifixus, alles Holzschnitzereien
im Durchschnittscharakter des 18. Jhs.
Einfacher Rococo- Taufstein.
In der Sakristei Kirchengeräthe : einfacher Kelch, kupfervergoldet und Wettersegen
mit geringen, getriebenen Rocailleornamenten. Beide ohne Goldschmiedezeichen.
AMT KEHL. — KEHL.
1 1
Vor der Kirche Missionscrucifixus aus Sandstein. Auf mittlerem bauchigem Missions-
crucmxus
Barocksockel der Crucifixus mit Magdalena, auf zwei schmäleren Seitensockeln Maria und
Johannes. Ueberschlanke Figuren. Gestiftet 1779 von Anton Knerle und Frau.
KEHL
STADT und DORF
Schreibweisen : Kelle i2 89;Kenle 1326; Keule i374;Keyle iö.Jh. ; Kaile iö.Jh.;
Keuhel 16. Jh., Keuln 1576; Kayl 16. — 18. Jh.; Keyl 1681; Keyhl 18. Jh.
Litteratur: Bader, Fahrten und Wanderungen, II. (1856) S. 204 — 214.
Alle Ansichten: Grundriss von Bodenehr. Kupferst. Augsb. ca. 1700. — Plan Alte Ansichten
der Stadt und Festung Strassburg, des Forts von Kehl mit allen neuen Werken sammt
der Umgebung, im Massstab von 600 toises. 18. Jh. Bibliothek Le Mans: Catal. des
manuscrits d. bibl. publ. de France, XX. 457.
Ortsgeschichte : Stadt Kehl mit der Festung gegründet, nachdem Strassburg Ortsgeschichte
in die Hände Frankreichs gefallen war, mehrmals zurückgegeben und wieder erobert,
kam 1814 endgültig an Baden.
Dorf Kehl: urkundlich seit Ende 13. Jhs. als Ueberfahrtsort erwähnt, kam 1299
zum vierten Theil mit Suntheim und Iringheim als Geroldseckisches Pfandlehen an die
Böcklin zu Strassburg. Durch verschiedene Erbschaften hatte der Ort am Ausgang des
Mittelalters folgende Herren: Böcklin J/4, das Domstift 1/2 , Baden ’/8 und Nassau 1/g,.
(Das Dorf wurde 1796 und 1797 ganz zerstört und dem Erdboden gleich gemacht.
Vorgeschichtliches : Eine Steinbeilklinge, angeblich ca. 24 cm lang, 1851 Vorgeschicht-
lichcs
im Rheinkies gefunden; Verbleib unbekannt. ( W.)
Die simultane Pfarrkirche (der katholische Titel: ad Johann. Nepomuk), ein Pfarrkirche
Neubau der letzten Jahrzehnte des 19. Jhs. enthält auf dem katholischen Hochaltar zwei
beiderseitig bemalte Altarflügel, die als Vermächtniss des Dekans Hirscher aus dessen
bekannter Sammlung in den Besitz der Kirche gelangt sind. Die Bildfläche beträgt je
1,71 m zu 0,90 m. Der eine Flügel (s. Fig. 3) stellt die Anbetung des Kindes dar, im
Hintergründe die Verkündigung an die Hirten. Auf dem Saum des Kleides Mariä in
der Majuskelschrift des späten 15. Jhs. das Ave Regina. Der zweite Flügel (s. Fig. 4) die
Anbetung der Könige, im Hintergrund Ausblick auf ein Meer. Die Rückseiten der
Bilder konnte ich nicht besichtigen, da die Gemälde leider unbeweglich an der Wand
befestigt sind, doch liegen mir Photographien von Hofphotograph Krämer-Kehl vor.
Danach waren die Rückseiten je in eine obere und untere Abtheilung getheilt: bei dem
einen Flügel zeigt die obere den h. Martin zu Pferde mit dem Bettler in einer Wald-
landschaft, darunter vor einem mit einem Brokat behängtem Schranke stehend die Hei-
ligen Sebastian und Antonius Eremita; auf dem zweiten Flügel erblicken wir oben den
h. Christophorus durch das Wasser watend, mit dem Christuskind auf der Schulter, unten
die Heiligen Paulus Ap. und ein jugendlicher Heiliger (s. Fig. 5). Diese Rückseiten
scheinen den Photographien nach ziemlich beschädigt und restaurationsbedürftig. Sie
sind übrigens nicht ganz von der gleichen Hand wie die der Vorderseiten, sondern
vielleicht von einem Gehilfen. Die Vorderseiten verrathen einen tüchtigen oberrheinischen
KREIS OFKF.NBURG.
I 2
Fig. j. Altarflügel in der Kirche zu Kehl (Stadt), V orderseite.
Meister vom Anfänge des 16. Jhs., wenn auch nicht Baidung, als dessen Jugendwerke
sie früher galten. Genaueres über sie zu sagen ist bei dem noch so unerforschten
Gebiet der oberrheinischen Malerei unmöglich.
AMT KEHL.
KEHL
*3
lüg. 4. Altarflügel in ,ier Kirche sn Kehl (Stadt), Forderseite.
In der (kath.) Sakiistei zwei I\clcJte , der eine silbervergoldet, hübsche getriebene
Arbeit der Mitte des 18. Jhs. mit Augsburger Beschauzeichen und F^T (s. Rosenberg,
Der Goldschmiede Merkzeichen, S. 109). — Der zweite Kelch, kupfervergoldet mit
Kelche
14
KREIS OKFENBURG.
Stadt
Schloss
eingravirten Ornamenten zeigt am Fuss die Umschrift: » M . M. J. E. Stebel Cure et
C. A. Bergmann Bourgemaitre a Kehl out Fait Faire ce Calice en lySg.'i (sic!)
Die Stadt trägt, ihrer
Geschichte gemäss, durchaus
den Charakter der kleinen,
französischen Provinzstadt des
18. Jhs. Die wenigen besser ge-
bauten Häuser mit Mansarden-
dach sind ohne besonderes
Interesse, wenn auch durch
ihre Schlichtheit sehr gefällig.
In der protest. Kirche
im Dorf-Kehl, zwei Oel-
gemälde, Himmelfahrt Mariä
und Anbetung der Könige,
Kopien nach französischen
Werken des 17. Jhs. Im Pfarr-
haus ein einfacher Kelch, silber-
vergoldet , mit eingravirtem
Rocailleornament und der In-
schrift: »Johannes Schütterlin
Schultheis und Georg Jacob
Sachs Pfarrer 1733.« Das
Strassburger Beschauzeichen
(Lilie) und der Goldschmied-
name Ehrlen.
Ein Schloss Borneck ')
(Burneck 1455) im 16. Jh.
durch den Rhein fortgerissen,
die Mauerreste bei niederem
Wasserstand im Rheinbett noch
sichtbar.
KORK
Schreibweisen : Corke
1004; Chor eka 1004; Chorcho
1007 ; Kork 1275; Korg 13 1 1 ;
Korcke 1352; Korck 1366; Korckh 1561. (Keltisch, aus älteren Curciacum, verkürzt
Kurkium.)
Archivalien: Archiv der Röder: Mittheil. d. histor. Kommission Nr. 16 (1894), S. 78.
*) Vergl. hierüber Oberrh. Ztschr. XVI, 286. — Bader, Badenia I, 344. — Ru pp er t,
Mortenau I, 319-
AMT KEHL. — KORK.
15
Litteratur: J. Schaible, Gesch. des bad. Hanauerlandes nebst Topographie des
Amtsbezirks Kork, Karlsruhe 1855; Bacmeister, Alemann. Wanderungen 74;
Germania, Vierteljahrsschr. f. d. Alterthumskunde, 13, 114', Bad. Militäralmanach VII,
S. 73 bis 74 (Gefecht bei Kork und Willstett); J. B. Trenkle, Der Korker Waldbrief
von 1476, Karlsruhe 1880; Oberrh. Ztschr. NF. 3, 344.
Ortsgeschichte: Als Adelbert, angeblich ein Sohn des grossen Acticus, Herzogs Ortsgeschichte
von Hohenburg, i. J. 717 (der Sage nach) das Kloster S. Stephan in Strassburg stiftete,
hat er unten an dem Rheinflusse alles bis an die Grenzen des dem Grafen Hugo ’)
zuständigen Eigenthums, Choreck genannt, an die Stiftung dieses Klosters verwendet.
930 kam es durch Kauf an das Bisthum Strassburg, gegen Ende des 13. Jhs. als
Lehen an die von Lichtenberg. 1275 erwarb das Kloster Allerheiligen Gefälle aus dem
Schultheissenamt, das Ritter Heinrich von Wilre von den Fürstenberg zu Lehen hatte. 1 2)
Das Patronat nebst dem Zehnt war dem Kloster Eschau, später dem Domstift zu Strass-
burg. Gehörte zur Grafschaft Hanau-Lichtenberg, Amt Willstett und wurde 1803 badisch.
— Auf noch höheres Alter will die Sage zielen mit dem Chrimhildestein. 3)
Evang. Pfarrkirche. Ecclesia parrochialis etc. 1288; ehemaliger Titel: ad Pfarrkirche
S. Dionysium. 4) — Die Kirche, in ihren Chormauern noch die Reste eines ehemaligen
gothischen Baues bergend, ist jetzt ein schlichter Bau aus Bruchsteinmauerwerk mit Bewurf
des 18. Jhs. (1732) mit einschiffigem Langhaus, das eine einfache Stuckdecke hat und
einem Chor aus 5 Seiten des Achtecks, ohne deutliche Reste früher Zeit.
Am Westportal Cartouche mit der Inschrift in Capitale: // 17 p2 / JOHANNES /
SCHREIBEISEN / SCHULZ IN KORCK. //
Ueber dem Südportal das Hanau - Lichtenbergische Wappen, darunter in ovaler
Cartouche, von Blätterwerk umgeben, die Inschrift (Capitale): // AVSPICIO / DEI / TER
OPTIMI MAXIMI / HOC / ANTE ANNUM INCERTUM / TEMPLUM /
TANDEM CONSUMATUM / POSTEA SOLENNITER INAUGURATUM /
EST / SUB REGIMINE / ILLUSTRISSIMI DOMINI / DOMINI JOHANNIS
REINHARDI / COMITIS HANOICI / ANNO RESTITUTAE ORBI
SALVTIS / M DCC XXXII. //
In der Kirche an der Nordwand das Epitaph der Maria Elisabeth Schaffalizky Epitaph
von Muckodell geb. von Palm. Sandsteinplatte mit Rundgiebel und Rocailleornament,
darüber die Wappen der Begrabenen und ihres Mannes. Ein Vorhang trägt die Cursiv-
inschrift, über der Todtengebeine abgebildet sind. Sie lautet: Hier ruhet bifs zu
seiner Verklärung der irdische Ueberrest der reichsfrey hochwoldgebohrnen Frey-
frau Frauen Mariä Elisabetha gebohrnen von Palm. Der Hochseligen hoch-
bekümmerter Gemahl Tit. Herr Christian Friedericli Schaffalizky von Muckodell
Premier-Maior des hochfrst. Wirt. Croys. Regts. beklaget den Verlust eines ohn-
schatzbaren Kleynods seine im 29. Lebens - fahr 6 M : 8 Tag ■ A : C: iyjg den
8ten octob: Früh um j uhr leyder allzufrühe in den Englischen Orden erhöhete
Palmin und Hesse der Hochseligen von Kehl hierher gebrachten und nächst
dem Altar in seine Grufft eingesenckten erblassten Leichnam difs Denckmal ewiger
1) Des ethikonischen Grafen Hugo cf. Schaible, a. a. O. 14.
2) Fürst., Urk. I, S. 249.
8) Mone, Die b. K. etc. 14, 91.
4) Schaible, a. a. O. 54.
Kanzel
Glocken
Aussenwand
Kirchengeräthe
Epileptische
Anstalt
Privathäuser
X 6 KREIS OFFENBURG.
Treue und Liebe stifften. Leich. Text: Rom. 8. V. j8 — jp. Ich bin gewiss, dass
weder Tod noch Leben & vor der Liebe Gottes die in Christo Jesu ist unserm
Herrn (sic !). — Am Sockel die Verse :
» Mein Sippschaftsbaum verblüht mit zwo Elisabeten
Die mein Vergnügen hier vollkommen schön erhöhten.
Zwey Kleynod sencke ich in ihr Behältniss ein
Ihr nehmt mein Hertze mit mein Gott gedencke mein .«
Die Kanzel mit Holzskulptur vom Ende des 18. Jhs.
Im Chor unter der Tünche Spuren von Wandmalereien (Apostelkreuze) durch-
schimmernd.
Vier Glocken des 1 8. Jhs. von Matthias Edel mit dem Korker Wappen ; an ihnen
ausserdem noch die Namen der damaligen Gerichtszwölfer. (Näher war nicht beizu-
kommen.)
An der Aussenwand der Kirche drei weitere Grabmäler:
1) Der »Maria Elisabetha geb. Hammerin, Frau des hochfiirstl. Lichtenberg. Hof-
raths und Amtmanns Andreas Lichtenberger zu Kork -f* 8. Okt. 1766« und der »Frau
Margaretha geb. Wetzelin, des weil. Georg Wilhelm Lichtenbergers Rektors und Predigers
zu Colmar Wittib *J* 13. Okt. 1767«. Sandsteinplatte, überragt von Rocaillewerk mit
verwischtem Wappen, Sarkophag und Todtenschädel.
2) In Volutenumrahmung, bekrönt von kleiner Rocaillecartouche, die Inschrift in
Capitale: »D O M JACENT SUB HOC TUMULO FRANCISCUS, DOROTHEA,
SAMSON ET CAROLUS, COGN ATIONE FRATERNA ET SORORIA SE
1NVICEM ATTINGENTES CARISSIMI LIBERI JUSTI JACOBI OTTONIS
PRINCIPIS HEREDIS HASSIAE A CONSILIIS REIPUBLIC AE MDCCLXI •
SIC PATER QUOQUE QUIESCIT MDCCLXII.« Sandsteinplatte.
3) Oblonge Sandsteinplatte mit stark erhöhtem Rand zeigt zunächst in Rocaille-
cartouche das Wappen (Mann mit dem Schlüssel in der einen und Mond in der andern
Hand), darunter in steifer Druckschrift: » Hochfürstlich Hessen Honau Lichten-
bergischer Rath und Landschreiber Aembter Liechtenau und Willstett Friedrich
Wilhelm Wildermuth ward gebohren Ao. 1678 d. 2. November und starb Ao.
1J46 d. 5. Septem .« Grabschrift: ^ Ein jeder lefse das der hier vorübergeht.
In Christo starb ein Christ und wird mit ihm begraben , dass er in Christo
auch hin wieder aujf ersteht .«
Kirchengeräthe : Zwei einfache silberne, vergoldete Kelche mit eingeprägtem
Cäsarenkopf, eine silbervergoldete Empireplatte mit Palmettenornament auf Löwenfüssen
und fünf Zinnkannen mit etwas reicher verziertem Henkel.
Die Epileptiker -Anstalt ist ein ehemals Hanau - Lichtenbergisches Lustschloss
aus dem vorigen Jahrhundert einfachster, schmucker Erscheinung. In einem Zimmer
des Erdgeschoss einfacher Rocaillewandschrank.
Eine Sonnenuhr, Sandstein, von 1663; woher stammend?
Im Privatbesitz des Anstaltsleiters ein hübsches Rocaillebuffet und ein grosser
Schrank in gleichem Stil.
Von Privathäusern seien das einfache, aber gut wirkende Pfarrhaus des 18. Jhs..
der Riegelbau des Wirthshauses »zum Ochsen« hervorgehoben, sowie das Haus Nr. 20
AMT KEHL. — LEGELSHURST.
17
mit Mansardendach; an einem Haus ? die Jahreszahl 1761 und ein Allianzwappen, rechts
das Wildermuth’sche, links zwei gekreuzte Schwerter, dazwischen Lilien.
Am Haus von Georg Königs Wittwe schmiedeeiserner Wirthshausschild »zur Wirthshausschild
Krone« im Stil Louis XVI., ein einfacherer am Gasthaus »zum Ochsen«.
Im Ort schmiedeeiserner Pumpenschwengel mit der Aufschrift: »Joh. Aug. Hes PumpeD-
Schwengel
Schultheiss«, gute Arbeit des 18. Jhs.
LEGELSHURST
(mit B o 1 z h u r s t)
Schreibweisen: Leicholczhurst 1364; Leichen ßhürste 1412; Lechelßhurst 1443;
Leuchelßhurst 1480; Leutzelschurst 1585; Leuttelßhurst 1585; Leuchelshurst 1561;
Legelshurst 1579; Legelßhurst 1655. (Hurst des Leicholt.)
Das Besetzungsrecht der Pfarrei übte bis 1554 das Kl. Eschau aus,1) das wie das
KL Allerheiligen hier zehntberechtigt war.
Ortsge schichte: Erste Erwähnung als Leicholczhurst nach Grossh. Baden S. 882 Ortsgeschichte
schon 1294. 14 11 gestattet der Bischof von Strassburg die Errichtung einer Kapelle in
honorem b. Mariae Virg., die 1443 von ihrer Mutterkirche zu Kork getrennt und mit
Willen des KL Eschau, des Patronat- und Zehntherren (seit 1 5. Jh., vorher Allerheiligen),
zur Pfarrkirche erhoben wurde. Legelshurst gehörte zur Herrschaft Hanau-Lichtenberg
(es war wohl 1234 als Lehen an die Lichtenberg gekommen), zum Amt Willstett und
wurde 1803 badisch.
Evang. Pfarrkirche. Kirchenheiliger vor der Reformation S. Valentinus, Er- Pfarrkirche
wähnungen der Kirche s. oben. Die Reformation wurde 1554 eingeführt. Es ist der übliche
einschiffige Bau mit viereckigem Thurm aus Bruchsteinmauerwerk mit Sandsteinquadern
an den Ecken. In diesem Falle ist aber das ältere Datum des Thurms gesichert. Er Thurm
dürfte aus den Jahren um 1447 (s. oben) stammen. Gegen das spätere Langhaus öffnet er
sich im Rundbogen und hat im Erdgeschoss ein Kreuzrippengewölbe mit kleinem Schluss-
stein, trocken profilirten Rippen, die auf schmalen Konsolen aufsetzen, nach Süden, Osten
und Norden einfache Spitzbogenfenster, an der Nordseite eine Sakramentsnische mit
Kleeblattbogen und Kielbogen, daneben führt eine (spätere) Thür in die Sakristei. Im
ersten Obergeschoss Lichtluken, nach Süden gekuppelte Rundbogenfenster des 18. Jhs.
In den dreieckigen Giebeln, mit denen jede Seite abschliesst, jeweils ein Fenster im
Kielbogen geschlossen, mit zwei Kleeblattbögen, deren Pfosten offenbar herausgebrochen.
Auf der Bühne des jetzigen Langhauses am Thurm noch der Dachansatz des alten,
niederen Langhauses zu sehen.
Das ziemlich einfache Langhaus mit den üblichen rundbogigen Fenstern zeigt Langhaus
über der Thür der Südseite das landgräfliche Wappen, darunter geschwungener und
gebrochener Giebel, unter dem die Inschrift in Capitale : DEO EIUSQUE CULTUI
PUBLICO LUDOVICUS H ASSI AE PRINCEPS HEREDIT ARIUS ATQUE
LANTGRAVIUS AEDIFICIUM HOC EXSTRUI ET SACRUM ESSE VOLUIT
ANNO MDCCXLIII PROCUL HINC ABESTE PROFANI.
x) Vierordt II, S. VII.
Band VII.
2
Glocken
Kirchengeräthe
Ortsgeschichte
Pfarrkirche
Chorthurm
I 8 KREIS OFFENBURG.
An dem Sturz der Westthüre die Jahreszahl 1743.
Drei Glocken des 18. Jhs. aus der Edel’schen Giesserei.
Kirchengeräthe: Einfache Zinnabendmahlkanne und ebensolches Taufgeschirr
von 1771, einfacher, runder, silbervergoldeter Kelch mit undeutlichem Goldschmiede-
zeichen, im Fuss eingravirt: J • G • K • J746.
Im Pfarrhausgarten ehemaliger gothischer Taufstein, mit achtkantiger Schale ohne
besondere Dekoration mit der Jahreszahl flBCCCC a XLVII.
In dem dazugehörigen Bolzhurst sollen unter der Erde noch die Grundmauern
eines alten Schlosses vorhanden sein.
LEUTESHEIM
Schreibweisen: Lutensheim 1233; Lütesheim 14. Jh. ; Lüteßhein 14. Jh. ; Lutisheim
1370; Lüteßhein 1412; daz alte Lütißheim 1434 (Heim des Lütin).
Ortsgeschichte : Leutesheim gehörte zur Herrschaft Hanau -Lichtenberg und zwar
zum Amt Lichtenau. Den Zehnten hatte das Kloster Honau, mit dem der Ort 1229
in Streit kam, später das Kollegiatstift S. Leonhard zu Oberehnheim im Eisass. Seit 1803
badisch.
Evang. Pfarrkirche . Erwähnt 1 434. Kirchenheilige vor der Reformation S. Marga-
retha. Leutesheim war bis 1716 (17) Filiale von Auenheim 5). 1740 wurde die Kapelle
zur Kirche erweitert. Einschiffiges Langhaus mit älterem Chorthurm aus Bruchstein-
mauerwerk mit Sandsteinquadern an den Ecken usw. Das jetzt mit spitzem Tonnen-
gewölbe überdeckte Erdgeschoss öffnet sich in Rundbogen (18. Jh.) gegen das Langhaus,
hat hier nach Süden ein schmales kielbogiges Fenster mit eingeschlossenem gedrücktem
Kleeblattbogen, nach Norden ebenfalls Kielbogenfenster mit einer Fischblase, daneben
im Innern eine kleine kielbogige Sakramentsnische; im obersten Geschoss nach Süden
und Norden je ein gekuppeltes, und nach Osten ein breiteres Rundbogenfenster (des
18. Jhs.), Satteldach. Die Sakristei ist neueren Ursprungs, der Thurm wohl 16. Jh.
Das Langhaus hat im Sturz des Fa^adenportals die Jahreszahl 1740; über dem
Stidportal unter einem Giebel das landgräflich-hessische Wappen und auf einer plastisch
behandelten Draperie in Capitale die Inschrift* 2): DEM DREYEINIGEN GOTT ZU
EHREN UND ZU SEINEN GEFFENTLICHEN REINEN DIENST NACH
INHALT DES GÖTTLICHEN WOTS (sic!) H • SCHRIFT UND DER UN-
VERENDERTEN AUGSPURG • CONFESSION UNTER GESEGNETER
REGIERUNG DES DURCHLEUCHTIGSTEN FIRSTEN UND HERRN
HERRN LUDWIG LANDGRAFF ZU HESSEN FÜRSTEN ZU HERSFELD
WARD DIESE KIRCHE ERWEITERT UND EINGEWEIHT DEN VIII
NOFEMBER I74o.
An der Südwand der Kirche zwei schlichte Grabsteine :
1) der Juliana Katharina geb. Wildin, Frau des Pfarrers Carl Sigm. Schwind,
f 22. Nov. 1753 ;
Ü Schaible, a. a. O. 55.
2) S. Stöcker, a. a. O. S. 309.
AMT KEHL. — LICHTENAU.
19
2) der Frau Katharina Salome r, Frau des Pfarrers Joh. Gottfr. Schuhmeister,
•}*... April 1769.
Kirchengeräthe : Zinntaufschüssel mit Aufschrift: Leutisheim 1741; Brodschüssel, Kirchengeräthe
zwei Zinnabendmahlkannen, die eine mit der Aufschrift:
Samuel — Fasco
Der erste Pfarrer — In Leutesheim
Verehrte dise Zwei — Kandten der Kirchen
Alle Anno 1719.
Eine weitere Kanne wohl noch des i7-Jhs. in guter Renaissanceform, amFuss steht:
P ■ H • H • S • J • B ■ G ■ Leutesheim ■
Silbervergoldeter Kelch mit noch gothischem flauem Nodus, innen am Fuss steht
in Cursiv: » Kirch Lützen oder Leutesheim wigt 26 loth ■ 3 U ■ 17 o\.
LICHTENAU
Schreibweisen: Liehtenöwe 1316; Lichtenowe bürg und stat 1362; Lychtenöwe
1370; Liechtenouwe 1412; Liechnowe 1417; Liechtenaw 1563 (ahd. lioht, lieht-leuchtend).
Litteratur: Mer i an, Topogr. Alsat. 1635 S. 23. — Briefe über eine Reise ins
Wtirttembergische. Frauenzimmermagazin IV. (Kehl und Basel 1783.). — Näher, Die
Ortenau, Lahr 1888, S. 33.
Münzfund: Makedonischer Philippeus. Münzfund
Ortsgeschichte: Konrad III. von Lichtenberg, Bischof von Strassburg zerstörte Ortsgeschichte
1293 das Städtlein Sermersheim, wie auch Burg Krax und verwendete die Steine davon
zur Befestigung von Lichtenau1), dem König Albrecht I. 1300 Stadtrecht verlieh.
Lichtenau gehörte zur Herrschaft Hanau-Lichtenberg, deren eines Amt nach ihm benannt
war2). Denkwürdig ist der Vertrag, den Joh. Gutenberg mit Hans Riffe, Vogt zu
Lichtenau, abschloss3). Im 30jährigen Kriege wiederholt geplündert. 1637 von Bern-
hard von Weimar erobert. 1639 klagt der Pfarrer, in Lichtenau sei schon lange kein
Einwohner mehr gewesen4 5), 1675 von Montecuculi besetzt, 1689 von Franzosen nieder-
gebrannt, die auch 1707 die Festungsmauern, aber nicht, wie Näher annimmt, das
Schloss zerstörten, welches erst im Anfänge des 19. Jhs. abgebrochen wurde, als Lichtenau
1803 badisch geworden war.
Evatig. Pfa7'rkirc1ie. 1378 eine Kapelle erwähnt, 1464 ein capellanus sancti Pfarrkirche
Andree und ein c. altaris sancte Katharine. Im Schloss eine Andreaskapelle. Die
evangelische Lehre wurde vorübergehend schon 1524/25 in Lichtenau durch den ver-
heiratheten Priester Martin Enderlin verbreitet; doch wurde dieser verhaftet und erst
auf gemeinsame Bitten der Stadt Strassburg und des Grafen von Hanau nach Nürnberg
entlassen“). Von 1565 aber war ein evang. Pfarrer in Lichtenau6). Dem Langhaus des
*) Schaible, a. a. O. 17. — Königshoven V. S. 315.
а) Siehe die Einleitung.
8) Schaible, a. a. O. 32. v. der Linde, Gutenberg (1S78) S. 20 ff. Hartwig, Fest-
schrift zum 5oojähr. Tag der Geburt Gutenbergs (Leipzig 1900), S. 2iSff.
4) Schaible, a. a. O. 65.
5) Vierordt, I, 161.
б) Ebenda, I, 494.
20
KREIS OFFENBURG.
Kirchengeräthe
Befestigungen
Oltsgeschichte
Pfarrkirche
19. Jhs. ist der in diesen Gegenden stets wiederkehrende viereckige Thurm vorgelegt,
der sich in einem grossen Rundbogen dorthin öffnet. Das Kreuzgratgewölbe des Thurm-
erdgeschosses bildete ehemals wohl den Chor der (orientirten) Kirche. N^ch Norden
hat dies Geschoss ein viereckiges, innen flachbogiges Fenster, nach Osten ein grosses
Rundbogenfenster, nach Süden eine Lichtluke, in dem obersten Geschoss nach allen
Seiten je zwei Rundbogenfenster (nach Osten nur eines). Wir dürften einen in seinen
Mauern mittelalterlichen, im 18. Jh. überarbeiteten Thurm vor uns haben. Auf ihm eine
Wetterfahne mit dem Schwan aus dem Stadtwappen.
Kirchengeräthe : zwei Kelche. An dem einen mit dem Strassburger Beschau-
zeichen steht: G. E. L. Nessler Past. ibid. 1755; an dem andern: »der Kirchen zu
Lichtenau Anno 1755 G. E. L. Nessler Past. ibid.« An der Westfagade der Kirche ein-
gemauert das aus der alten Kirche stammende Hanau-Lichtenbergische Wappen.
Reste der alten Befestigungen : im Pfarrhausgarten die Mauerreste eines vier-
eckigen Thurmes aus Bruchsteinmauerwerk mit Backstein untermischt, die Mauern
ca. 1 '/2 — 2 m dick, mit jetzt formlosem Eingang. Es sind die Reste des 1826 abgetragenen
Streckthurmes mit daran anstossenden Mauerzügen. Etwa 10 m davor noch weitere
Mauerzüge erkennbar. Reste der Stadtmauer im Garten des Gasthauses zum Ochsen.
Ihr Zug ist in der Anlage der Strassen deutlich erkennbar. Ausserdem erinnern Namen
wie Schanze, Schlosshof, Zwinger, Münzhof, Münzwald an die alten Zeiten.
LINX
Schreibweisen: Lincgisen 1x39; Lingiez 1289; Lingies 14. Jh.; Linkies 1390;
Lynckgieß 1412; Linggieß 1477; Linx 1595. (Verdorben aus Lingisheim = Heim
des Lingo.)
Archivalien : Auf dem Rathhaus ein Waldbrief. ')
Litteratur: Schaible, a. a. O. 54.
Ortsgeschichte : Gehörte zur Herrschaft Hanau-Lichtenberg, wurde 1803 badisch.
Evang. Pfarrkirche. Patron vor der Reformation S. Vincenz.
Die jetzige Kirche (s. Fig. 6) ist ein vielfach überarbeiteter Bau aus verschiedenen
Zeiten in Bruchsteinmauerwerk mit Mörtelbewurf, Gesimse etc. aus rothem Sandstein.
Ein einschiffiges Langhaus mit quadratischem Chor, der das Untergeschoss des Thurmes
ist, zu beiden Seiten desselben je eine Sakristei. Das gerade gedeckte Langhaus hat an
jeder Seite drei einfache Spitzbogenfenster, ausserdem je ein Rundfenster und je eine
spitzbogige Thür in deren Sturz die Zahl 1619 eingehauen ist.
Ueber dem Portal der westlichen Frontseite das Hanau-Lichtenbergische Wappen
(Fig. 7), eine fast genaue Wiederholung des Bodersweier’schen, in gelbem Sandstein, auch
die Inschrift in Capitale der Bodersweier’schen gleich mit geringen Abweichungen und
ohne Jahreszahl : »JOHANN REINHARDT GRAVE ZU HANAU UND ZWEI-
BRÜCKEN HERR ZU LIECHTENBERG UND OCHSENSTEIN, ERBMAR-
SCHALCK UND OBERVOGT ZU STRASSBURG-« Das Langhaus hat einen
*) T r e n k 1 e , a. a. O.
AMT KEHL. — LINX.
2 I
flachen Sockel und eine einfache VVasserschräge als Gesims. An seiner Ostwand zu
beiden Seiten des Thurmes zwei Rundfenster mit flamboyanter Masswerkfüllung.
Ein Rundbogen führt in den ehemaligen, jetzt durch eine Bretterwand abgeschlossenen
Chor, der jetzt gerade gedeckt ist. An der Nordwand dieses Raumes führt eine mit Rund-
stab und Hohlkehle profilirte und im Vorhangbogen abgeschlossene Thür in die Sakristei.
Neben dieser Thür eine kleine, durch einen Wimperg bekrönte Sakramentsnische
mit ziemlich zerstörtem Gewände, ebenso zerstörtem Wappen und Jahreszahl . . 51. An
der Südseite dieses Thurm-
untergeschosses ein rund-
bogiges, einpfostiges Fenster
mit spätem, rohem Mass-
werk, im Osten ein flach-
bogiges Fenster. Im Stock-
werk darüber eine Scharte
und ein kleines flachbogiges
Fenster.
Im folgenden Geschoss
noch an drei Seiten sichtbar
ein gekuppeltes, romanisches
Rundbogenfenster mit einem
teilenden Säulchen , das
eine attische Basis und
ein mächtig ausladendes
Kämpferstück hat. Das ent-
sprechende F'enster an der
Westseite ist noch erkenn-
bar, aber zugemauert und
durch das später höher ge-
führte Dach verdeckt. Im
Geschoss darüber rund-
bogige Fenster des 18. Jhs.
Die nördliche Sakristei Fig. 6. Kirche in Linx.
mit Kreuzgratgewölbe weist
eine gothische Nische für Waschungen auf und wird an ihrer Nordostecke durch einen
Strebepfeiler gestützt. Die südliche Sakristei ist viel späteren Datums.
Die Baugeschichte lässt sich aus den Resten etwa so konstruiren : der Thurm ist
der letzte Rest eines romanischen Baues des 12. bezw. 13. Jhs.; im 15. und 17. Jh.
erfolgte ein Umbau und eine Erhöhung des Langhauses ; letzterer wohl die Spitzbogen-
fenster angehörig und die Thiiren mit der Jahreszahl 1619, von welcher Bauzeit auch die
Inschrifttafel zeugt.
Im Langhaus ein Epitaph: »Epitaphium M. Leonhardis: Ermingen pastoris
ecclesiae lincensis pie defuncti : XLVI annorum : XIII Maij anno MDC conditur
hic tumulo Leonharts Erminger honest • vir tonus ac justus tum pietate gravis •
officio Christi viginti praefuit annos quod mediante deo presto cathedra dedit-« Dazu
Sakristei
Baugeschichte
Epitaph
22
KREIS OFFENBURG.
Friedhof
in deutsch die an die mittelalterliche Darstellung li trois morts et li trois vifs
erinnernden deutschen Worte: »das du jetzund bist bin ich gewesen und was ich
jetz bin wirstu werden«. Unten ein Schild mit verschiedenen Zeichen.
Glocken Von den Glocken
ist die grösste umgegossen
worden vor ein paar Jahren,
eine zweite von Mattheus
Edel 1770, die dritte auch
Edel’sche von 1820.
Der Friedhof war
ummauert, was jetzt nur
' - Seiten führen, flachbogig
' . ' ■ , \N| u «»Ir 8» geschlossen, je eine Thür
7^ ^pß ^y| für Wagen und Fussgänger
''V f \n der Smlu.md dei
* f £>0 Kirche drei Grabsteine
eingemauert :
^|r^K FL 1, /- - — " I
sT,/ V MmitMKrrrir''‘ i)des Ehnoiirdigen
' py 3BHPX^ .jfCijr seeligen Herrn Johann
^ Philipp Jungen von
r.£jl| f iinnbsheim her Creiitz-
^1 ,uu'/i Pfarrer. « y 10 De-
zember 17 11 ; j6 Jahre
alt ; y>desz Ampts 10
Jahr.«- Von Voluten und
Rankenwerk umrahmte
Platte; in einem Oval ein
Tisch, darauf ein Herz, aus
dem drei Blumen spriessen ;
dazu die oben angedeutete
Inschrift und auf einem
A*. 7. Wappen über dem Portal der Kirche in Linx. plastisch behandelten Tuch
die Verse :
» Durchs Wasser und den Geist
Bin ich ausz Gott gebohren
Obgleich durchs Wasser auch
Mein Leben hab verlohren
Ist doch mein Geist bey Got
Der Leib thut hier sanft schlafen
Bisz dasz mein Jesus ruft:
Komm Hirte mit den Schafen .«
AMT KEHL.
MEMPRECHTSHOFEN. ODELSHOFEN. RHEINBISCHOFSHEIM.
23
2) Eine oblonge Platte mit breitem Rahmen unten in Nische Todtenkopf und
Gebeine (vor kurzem weggemeisselt) : » Hier ruhen die Gebeine des weiland wohl-
ehrwürdigen Herrn Johann Stephan Müllers drey jahr und ein viertel allhier
gewesenen treuen Predigers des Evangelii christi welcher gestorben MDCCXXX.
3) Schmuckloser Grabstein der Carolina Wilhelmina Nesslerin -j- 1788 mit Vers:
0 Kind du starbst zu unsern Schmerzen ,
Du starbst für uns zu früh
Jedoch in deiner Eltern Hertzen
Da stirbst du nie.
17S8.
MEMPRECHTSHOFEN
Schreibweisen: Meinbrehteshöwen 1390; Meinbrechtshoffen 1412; Meynbrechtz-
hoffen 1462; Membrechhofen 1521; Meimberthhoffen 1521. (Hofen des Meinbrecht.)
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 137.
Litteratur: K. Bissinger, Münzfund von Memprechtshofen. Gymn. Progr.
Donaueschingen 1894, S. 5.
Ortsgeschichte : Memprechtshofen gehörte bis 1803 zur Grafschaft Hanau-Lichten- Ortsgeschichte
berg, Amt Lichtenau. — Kirchlich war es bis 1790 Filiale von Freistett.
Die protest. Kirche dementsprechend ein Riegelbau von 1794, theilweise renovirt Kirche
1816; von grösster Einfachheit. Empire-Orgel. Empire-Orgel
Am Ausgang des Ortes das alte Entenfängerhaus, wo der von der Herrschaft Entenfängerhaus
Hanau-Lichtenberg bestellte Entenfänger wohnte. Zweistöckiger Bau des 18. Jhs. mit
Mansardendach.
ODELSHOFEN
Schreibweisen: Otoltzhoven 1333; Oteltzhofen 1341: Ottolßhoffen 1412; Ottelß-
hoffen 1480. (Hofen des Otolt oder Otolf.)
Ortsgeschichte : 1354 wurde von Markgraf Rudolf dem Wecker der Edelknecht Ortsgeschichte
Johann der Göler mit Odelshofen belehnt, 1429 von Bernhard I. der Edelknecht Reinh.
von Neipperg-, 1429 von den Strassburgern abgebrannt. Der Ort gehörte bis 1803 zur
Grafschaft Hanau-Lichtenberg, Amt Willstett.
Am Haus Nr. 51 hübscher Ziehbrunnen VOn 1783* Ziehbrunnen
RHEINBISCHOFSHEIM
Schreibweisen: Bischovescheim 1274; Bischovisheim 1304; Bischofesheim prope
Rhenum 1330 u. s. w. Bischffosheim zum Hohensteg 1574. (Heim eines Bischofs.)
Archivalien: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 138 und Rosenberg,
Badische Sammlung V (1899), S. 30.
Litteratur: Kurze Beschreibung eines Theils des Oberamts Bischofsheim, Magazin
für Baden 1803, I, 349 — 384.
24
KREIS OFKENBURG.
Ortsgeschichte
Vorgeschicht-
liches
Pfarrkirche
Glocken
Ortsgeschichte : Erste urkundliche Erwähnung um noo als Biscofesheim (?),')
heisst später gewöhnlich Bischofsheim an hohen Steg ; war 1218 schon eigene Pfarrei ;
1429 von den Strassburgern in Asche gelegt. Gehörte zur Herrschaft Lichtenberg
und zum Amt Lichtenau. Im 17. und zu Anfang des 18. Jhs. residirten verschiedene
Grafen von Hanau daselbst, die auch eine Münze und Kanzley hier hatten. Johann
Reinhard, der letzte Graf von Hanau, ward hier geboren.* 2 3) Ein Theil des Hauses, wo
er zur Welt kam, stand zu Kolbs Zeiten noch als Wohnung eines Hufschmiedes. Ueber
das von diesem Grafen Anfang des 18. Jhs. zu bauen angefangene, aber nicht vollendete
Schloss s. u. — Ging 1803 aus dem Besitz der Landgrafen von Hessen-Darmstadt, denen
die Herrschaft seit 1736 gehörte, an Baden über. Das Patronatsrecht und den Zehnten
besass das Domkapitel in Strassburg.
Vorgeschichtliches. An der Strasse nach Wagshurst fand man 1854
im abgestochenen Mattengrund ein Bronzebeil älterer Form mit Absatz,
18 cm lang (Bronzezeit). In der Grossh. Sammlung Karlsruhe (s. Fig. 8). (IV.)
Protest. Pfarrkirche. Die ehemaligen Patrone sancti ecclesie
parochialis in Bischovissheim Argentinensis diocesis, videlicet sanctus
Johannes baptista et beatus Adelffus episcopus 1484. 1574 nur noch
sanct Johans baptista? 1564 verstarb der letzte (verehelichte) katholische
Pfarrer.8)
Die jetzige Kirche ist ein Neubau von 1873 bis 1876. Eine Photo-
graphie im Pfarrhaus von Diersheim zeigt die alte Kirche, welche den
üblichen, wohl noch romanischen, viereckigen Thurm mit Lichtlucken hatte
und ein teilweiser Neubau des 17. Jhs. nach dem Brande von 1642 war.
Der Wiederaufbau des Chors und Thurmes fiel dem Strassburger Domkapitel,
der des Langhauses der Kirchenfabrik zur Last.4)
Aus der alten Kirche sind noch zwei Glocken vorhanden. Die eine
von 1633 zeigt oben die zweireihige Inschrift in Capitale: //IHS SANCTA
MARIA ORA PRO NOBIS JEAN RODER ESCUIER SEIGNEUR DE
JUBAIN VILLE LIEUTENANT GENERAL AU BAILLIAGE DE 16}} /
LEVESCHE DE TOUL PARAIN (sic!) & DAME MARIE OLIVIER FEMME
A MONSIEUR DEBOULET LIEUTENANT AU GOUVERNEMENT DE
TOUL M ARAINE. // Darunter aufgelöthetes Relief Maria mit dem Kind, sehr plump,
sowie der Gekreuzigte von Engeln gehalten. Am untern Rand der Glocke steht:
ll TOBIE DE LA PAIX MA FAICT EN LAN 16}} // in aufgesetzten Buch-
staben und eine Kreuzigung.
Eine zweite Glocke von 1669 hat oben die Inschrift in Capitale: // DIE HOCH-
GRAFFLICHE H AN AUISCHE VORMUNDTSCHAFFT HATT DIESE
KLOCK IN DIE KIRCHE / BISCHOFFSHEIM GIESSEN LASSEN IM
JAHR 1669 / AUS DEM FEUER FLOSS ICH PETER SPECK IN STRAS-
BURG GOSS MICH. II In der Mitte der Glocke eine Kreuzigung und das Hanauer
Wappen.
*) Das Grossh. Baden, p. 927.
2) Kolb, I, p. 1 1 7.
3) Schaible, a. a. O. 55.
4) Vierordt, II, 236 und 272.
Fig. 8.
Bronzebeil
aus Rhein-
bischof sheim.
AMT KEHL.
SAND.
2 5
An der Strasse nach Freistett grösseres Haus mit zwei vorspringenden Flügeln,
ein schmuckloser Bau des 18. Jhs. (Das oben erwähnte Schloss gänzlich abgerissen in
den 40 er Jahren des 19. Jhs.)
Schmiedeeiserner Wirthshausschild »zum Adler«, 18. Jh.
(Die katholische Kapelle, ein einfacher Bau der letzten Jahrzehnte enthält nichts.)
In den Grossh. Sammlungen f. A. u. V. zu Karlsruhe wird unter C 1628 der
Deckel eines Rauchfasses von Bronze aus Rheinbischofsheim aufbewahrt.
1675 waren Abendmahlskelch und Patene auf einer Rheininsel, wohin der Pfarrer
sie geflüchtet, von den Franzosen erbeutet worden; Ende des Jahrhunderts hatte man
sogar versucht, die Kirchenfenster nach Strassburg zu retten, sie aber bloss bis Diersheim
gebracht. ')
SAND
Schreibweisen: Sande 1254; Sand 1309; Sant i353 ;Sanden 1412; Sannde 1480;
Alt- und Neusand: de Sande antiquo 1311; vom alten Sande 1497; in Altensannd
1526; zu nidern Sant 1372; in banno et villa Sande in superiori 1294.
Orlsgescliichte : Kloster Allerheiligen erhält 1254 hier Güter. Der Ort gehörte
zur Grafschaft Hanau-Lichtenberg und wurde 1803 badisch.
Evang. Pfarrkirche. Sand war zu Ende des 1 3. Jhs. bereits Pfarrei. Erwähnt
eine capella sancti Bartholomei 1311, S. Petri 1383. Capelle S. Peter und Paul (1454).1 2)
Das Patronatsrecht besass das Kloster Allerheiligen, dem es 1280 Friedrich I. von
Lichtenberg Bischof von Strassburg übertragen hatte. Da aber Sand evangelisch wurde
(1560) und blieb, so trat Allerheiligen dieses Recht zu Anfang des 18. Jhs. an den
Landesherrn ab.
Die Kirche ist ein Bau aus einfachem Bruchsteinmauerwerk mit Quadern an den
Ecken, im Langhaus mit später eingesetzten Rundbogenfenstern. Offenbar ein Bau des
Jahrhunderts, der im j8. Jh. umgeändert und erhöht wurde. Die Westfront zeigt in dem
verputzten Bruchsteinmauerwerk eine spitzbogige Thür aus rothem Sandstein, das Gewände
mit Hohlkehle und sich schneidenden Rundstäben auf den üblichen, hohen, kleinen
Basen der Späthgothik.
Im Sturz das Steinmetzzeichen:
4
Den Sockel der Kirche
bildet überall eine Plohlkehle; unterm Dach zieht sich eine Wasserschräge her, an der
die Zeichen
Aund t.
zu bemerken.
An der Fagade über der Thür zieht sich
diese Wasserschräge in die Höhe zur Umrahmung einer rechtwinkligen Tafel mit der
Inschrift (s. Fig. 9) 3) :
Gedenken soll ain jeder crist
dass urtal gotefs zu der fr ist
anno ■ dni • ijoö • jar ■
1) Vierordt, II, 275 und 321.
2) Grandidier, Etat Eccles. S. 34.
a) Vergl. Mone, Pie bild. Künste im Grossh. Baden XIV. S. 59, der die Inschrift nicht ganz
richtig wieder giebt.
Wirthshausschild
Ortsgeschichte
Pfarrkirche
2 6
KREIS OFFENBURG.
Chor
Sakristei
Ansichten
Ortsgeschichte
(mit dem Steinmetzzeichen dazwischen). Dieses Zeichen und das M des Tausenders
sind etwas verdächtig; möglich, dass der Stein beschädigt und diese Stelle nachgearbeitet
wurde.
Das Langhaus ist einschiffig. Der viereckige Chor, das unterste Geschoss des
Thurmes mit Sternrippengewölbe — die Rippen von trockenster Profilirung — zeigt
östlich und südlich einfache
Spitzbogenfenster. Nördlich
führt eine Thür, deren Ge-
wände durch Hohlkehle und
einen Rundstab auf kleinen,
gewundenen Basen gegliedert
ist, in die Sakristei. Diese
hat zwei Kreuzgratgewölbe
und öffnet sich in vier-
eckigem Fenster nach Osten.
Im Aeusseren hat sie an der
Nordseite drei kurze, zwei-
mal abgetreppte Strebepfeiler. In das zweite Geschoss des Thurmes führt vom Dach-
boden des Langhauses aus eine spitzbogige Thür mit total zerstörtem Gewände. An
der Wandung später eingehauen : In der Scheitelhöhe des Spitzbogens an der
Thurmwand die Reste einer Wasserschräge, offenbar war hier der Thurm ehemals frei
und das Langhaus nicht höher. In dem zweiten Thurmgeschoss zwei schiessscharten-
artige Oeffnungen. Glocken neuesten Datums.
In der Nähe von Sand befand sich ehemals das ausgegangene vom 12. — 16. Jh.
in Urkunden vorkommende Dorf Eicha oder Eicher, von dem keine Reste vorhanden.
WILLSTETT
Schreibweisen: Gwillisteti 723; Wilestetin 1254; Willestetten 1254; Willstete 1284;
Willestete 1287; Willesteten 1309; Wilstetten 1289; Wilstette 1318; Willestette 14. Jh.;
bürg und stat 1362; bürg und dorf 1409. (Zu einem Personennamen Willo oder ähnlich.)
Litteratur: H— r, Allgemeine Bemerkungen über die badischen Entschädigungs-
ämter Willstett und Lichtenau. Mittheil, von und für Baden 1802, zweites Stück; Bd. II,
S. 100 — 121; Nachtrag S. 206.
Ansichten : Merian, Topogr. Alsatiae, Frankfurt 1643, S. 43. (Unsere Fig. 10).
Ortsgeschichte: Angeblich soll ein edler Franke, Williharius, der Erbauer Willstetts
sein. Schon früh muss der Ort befestigt bezw. durch eine Tiefburganlage geschützt
worden sein. Zu Ende des 12. oder Anfang des 13. Jhs. muss sie in den Besitz der
Lichtenberg gekommen sein. Im J. 1262 in den Kämpfen zwischen Bischof Walter und
der Stadt Strassburg wurde Willstett als eine wohlbefestigte Stadt von den Strassburgern
erobert und zerstört. Dasselbe Schicksal erfuhr Schloss und Stadt im Kriege zwischen
dem Markgraf Rudolf von Baden und der Stadt Strassburg. 1632 von den Schweden
besetzt, belagerten es die Kaiserlichen und verbrannten es, endlich wurde es 1677 von
den Franzosen gründlich vernichtet. Es war eines der Aemter der Herrschaft Hanau-
AMT KEHL. — WILLSTETT.
27
lichtenberg; 1803 wurde es badisch. — Willstett hat einen sehr berühmten Sohn in
Joh. Mich. Moscherosch (Philander von Sittewald), der 1601 als Sohn des Amtmanns
hier geboren wurde.
Evang. Pfarrkirche. 1357 S. Georg als Patron erwähnt. Heute ein einfacher Pfarrkirche
schmucker Bau des 18. Jhs. aus Bruchstein mit Mörtelverputz. Die architektonischen
Schmucktheile aus rothem Sandstein. Der Westfront ist der viereckige Thurm vorgelegt, Thurm
Fig. 10. Willstett im Jahre 1643 nach Merian.
dessen zwei unterste Geschosse an den Ecken von Pilastern mit Rocaillekompositkapitälen
verziert sind. Im untersten Geschoss öffnet sich die mit flachrunder Gesimslinie abge-
deckte Thür in die Kirche, an deren Sturz das Wappen des Landgrafen Ludwig von Thür
Hessen, darüber von grossen Voluten gestützt ein flachbogiger Giebel. Die so umschlossene
Inschrifttafel mit der Inschrift in Cursiv:
Deo
TRJUNJ
Saluti populi
poni jussit
LUDOWICUS
Princeps Hereditarius
Hassiae Landgravius
MDCCLVI
A. Das Schlei.
3 Die Stak* doch ohrt „
einiges häuf mehr.
C Wercke so du Bpr
J'acheV gemacht.,
p Der Alte St+H H><tÜ ■
E . hie i’A ein muht gewefen.
F. ms Munt? .
O . Etliche Haujer Jo noch:
heu/chnt werden .
kf • Weg nah Strajburg .
J . Ittep nah Ober furch .
28
KREIS OFFENBURG.
Barockkanzel
Kreuzigungs-
gruppe
Orgel
Zunftkannen
Häuser
Ortsgeschichte
Darunter je zwei Bibelsprüche: »Es freue sich das Hertz derer die den Herrn
suchen «, Ps. CV., 3 und » die Gott suchen , denen wird das Herz lehen«, Ps. L. XIX. 33.
Der Thurm wird in seinem zweiten Stockwerk von mächtigen Voluten flankirt,
über denselben geht er in das Achteck über, ist an den Ecken mit Lisenen versehen
und trägt ein Zwiebeldach.
Das im Aeussern ganz schmucklose Langhaus der einschiffigen Kirche mit runder
Nordostapsis hat im Innern an dieser Apsis eine reiche Barockkanzel in höchst geist-
reicher Verbindung mit dem Altar, aus italienischem Stucco mit Imitation der ver-
schiedensten Marmorarten (s. Fig. 11). Auf dem Gebälk der Kanzel die ursprünglich
nicht dazu gehörige Kreuzigungsgruppe (2/3 lebensgrosse Figuren) in weissem Stuck,
dahinter eine Cartouche mit den Evangelistensymbolen. Auf den schmucklosen Emporen
eine Orgel mit einfachem, vergoldetem Rocailleschnitzwerk.
Von den Glocken, soweit beizukommen, eine aus dem 16. Jh. mit ganz ver-
wischter zweizeiliger Inschrift, eine mit Kreuzigungsbild, eine dritte von Matthaeus
Edel 1770, auch die vierte von den Edels; näher konnte ich nicht heran.
Im Gasthaus »zum Adler« aufbewahrt, dem Gewerbeverein gehörig, zwei prächtige
Zunftkannen. Eine von 1720 der ehrsamen Gesellschaft der Zimmerleut und Maurer
Bischen zum Hohensteg (Rheinbischofsheims) mit dem Namen des Johann Michael Schiele
der Zeit Zunfftmeister. Im Schild auf dem Deckel die Zunfftzeichen.
Die zweite von 1763, ebenfalls als Griff des Deckels das Wappen mit Werkzeugen,
gestiftet »den 10. Julius 1763« mit den Namen des Johann Gerhard Jenser, Oberherr;
Jacob Riebel, Zunfftmeister; Jeremias Burg, aeltester Geschwohrner ; Jacob Hörnel, Jüngster
Geschwohrner ; Johannes Wüst; Johann Jacob Stöltzel; Georg Krieg; Friedrich Stöltzel;
Johann Georg Leicht, Adler-Wirth als Herbergs-Vatter ; die weitere Aufschrift in einem
Lorbeerkranz : Meisterkann einer ehrsamen Schneiderzunft ampts Willstett. Ausserdem
noch zwei einfache Zinnkelche und etliche Zunftschilder.
Die Häuser Nr. Ij2, Ij8, IJQ, ijß und noch verschiedene andere sind hübsche
Riegelhäuser. Ueberhaupt ist diese Bauart erfreulicher Weise in W. noch reichlich
vertreten.
ZIEROLSHOFEN
Schreibweisen: Cieringeshoven i4.Jh.; Zieringeshoven 1390; Zieringeshofen 1412;
Zierershoven 1443 (Hof des Zierinc).
Ortsgeschichte: Zierolshofen gehörte zur Herrschaft Hanau -Lichtenberg, Amt
Lichtenau, und wurde 1803 badisch. Ehemals stand eine Kapelle hier, die 1731 abge-
brochen wurde, aus ihren Steinen erbaute man die Kirche in Diersheim (s. dort).
Schmiedeeiserner Wirthshausschild am Gasthaus »zum Ochsen«.
Wirthshausschild
Fig. ii. Kanzel und Altar in der Kirche in JVillstett.
Band VII. Zu Seite 28.
AMT LAHR
§1
.
'
ALLMANSWEIER
Schreibweisen: Almensweiler 1016; Albeswilre 1135, Kop. 1351, wohl irrthüm-
liche Lesart der Kopie; Almerswilre 1356; Almeschwiller 1414; Almersweyler 1426;
Almeschwir 1453 u. s. f. (Weiler des Almar, Adelmar.)
Ortsgeschichte: A. gehörte in die Herrschaft Geroldseck, kam 1340 durch Heirath
an die Grafen von Werdenberg-Trochtelfingen, 1381 durch Kauf an Strassburger Bürger,
1403 an Ritter Reinbold Hüffelin und 1501 an die Stadt Strassburg. Seit 1663 gehörte
]/4 der Familie von Frankenstein, ’/4 der von Berkheim, 1/6 der von Böklin und ]/3 der
von Waldner. A. wurde 1806 badisch.
Evang. Pfarrkirche . Ecclesia de Ottenheim . . . habet filiam seu capellam
sitam in villa dicta Almeswilre 1296. Magister Johann Lentonis dictus ad Angelum,
quondam Rector in Otenheim hat zur Errichtung der Kaplaney 30 Mark Silber gestiftet.1)
1419 hören wir von einem »Sant Niclaus Altar«. Wilhelm Bischof von Strassburg
errichtete 1509 die selbständige Pfarrei, die unter der Abtei Schuttern stand.
Der jetzige Bau zeigt ein einschiffiges Langhaus mit vorgelegtem, in seinem Kern
vielleicht älteren, Thurm ; es wurde 1781 bis 1783 gebaut. Im Erdgeschoss des Turmes
öffnet sich das flachbogige Portal, von kräftigen Voluten bekrönt, die eine Vase tragen;
im Giebelfeld das Wappen der Böcklin. Die Stockwerke durch je zwei verkröpfte
Gesimse von einander geschieden, das zweite mit Rundbogenfenstern, das dritte geht
unvermittelt ins Achteck über mit Lisenen an den abgerundeten Ecken, darüber eine
sehr wirkungsvolle Doppelzwiebel, mit Schiefer gedeckt. Das Langhaus, mit Achteck-
schluss, abgerundeten Ecken, Fenstern mit sehr flachem, einfachem Bogen, hat das
gleiche doppelte und verkröpfte Gesims wie der Thurm. In der Thurmhalle die Inschrift:
Hoc templum exstructum est anno MDCCLXXXIII cura et opere Dmn. G. Schoell et
J. Held u. s. w. 2)
Sehr wirkungsvolle Barockkanzel aus Stuckmarmor mit den vier Holzreliefs der
Evangelisten von Ignaz Speckler in Offenburg 1783 3); ähnlich behandelter Altar und
Orgel von Blasius Schaxel in Herbolzheim 1783 mit feiner Rocailleschnitzerei.
Einfacher, silbervergoldeter Kelch mit Palmettenornament vom Anfänge des 19. Jhs.
Eine Glocke von Matthaeus Edel in Strassburg 1789.
Auf der Bühne aus der ehemaligen Ursulakapelle (s. u.) : der Torso eines Cruci-
fixus, wohl aus der zweiten Hälfte des 1 6. Jhs. ; eine Schmerzensmutter mit dem Heiland,
bessere Arbeit des 17. Jhs., und endlich der Torso einer jungfräulichen Heiligen, wohl
noch vom Anfänge des 16. Jhs.
Diese eingegangene Ursulakapelle (S. Ursula Kirchlin zue Höfen 1628) gehörte zu
»des gotzhus Gengenbach gülthof genant zu den Höffen (1529)«, im 18. Jh. wohnte ein
Einsiedler neben ihr; der letzte verbrannte 1819 mit seinem Haus, worauf die Kapelle
auf Abbruch verkauft wurde.
x) Stöcker a. a. O. S. 150.
2) Die ganze Inschrift s. Stöcker a. a. O. Seite 150.
3) Aus den Pfarrakten, wie auch das Folgende.
Oltsgeschichte
Pfarrkirche
Kanzel
Altar
Orgel
Kelch
Holzfiguren
32
KREIS OFFENBURG.
Oltsgeschichte
Römisches
Alemannisches
Pfarrkirche
Kruzifix
Glocken
DINGUNGEN
Schreibweisen: In comitatu Mortenuuva in villa Tuntelinga 961; Dundelingen
1154; Duldelingen 1289; Tundlingen 1341; Tunglingen 1387. (Bei den Angehörigen
des Tuntilo.)
Ortsgeschichte: Nach alter Ueberlieferung sollen auf dem »Mauerfeld« gefundene
Reste von der ehemals hier gestandenen »römischen« Stadt Lahr gezeugt haben (s. u.).
Erste urkundliche Erwähnung Dinglingens Ende des 10. Jhs. (s. o.). In früher Zeit war
das Bisthum Chur hier begütert; seine Besitzungen kamen durch lausch an das Kloster
Schwarzach. Patronat und Zehnt kam 1355 an das Domstift zu Strassburg. Der Ort
gehörte zu altem geroldseckischem Besitz und ging mit demselben in Nassau-Usingen’schen
über. Auf der Schutterbrücke bei D. fand 24. März 1642 die Auswechslung Gustav
Horn’s gegen Johann von Werth statt. 1677 wurde D. von den Franzosen abgebrannt,
nachher wieder aufgebaut und wurde 1803 badisch.
Römisches: Das »Mauerfeld«, südlich der Schutterbrücke, deckt eine grössere
römische Niederlassung, die sich auf den dortigen Aeckern durch Scherben von
römischen Thongefässen, auch solchen von roter terra sigillata, Ziegelstücke und Mauer-
trümmer in verschiedener Tiefe unter dem Boden kennzeichnet. Die Karlsruher Samm-
lung besitzt einen 1820 beim Bau der steinernen Schutterbrücke in über 5 m Tiefe mit
Münzen von Augustus bis Hadrian zusammen gefundenen römischen Gefässgriff
von Bronze in barocker Zusammensetzung verschiedener Thierfiguren.
Alemannisches: In einem Hausgärtchen fand man 1825 eine alemannische Grab-
stätte, in derselben ein kurzes Eisenschwert, Eisenspeer und Streitaxt, ein Glas und
einige Münzen. Die Funde sind, wie es scheint, in die städtische Sammlung in Freiburg
i. Br. gelangt. Wahrscheinlich ist das Grab nicht vereinzelt, sondern dürfte einem
alemannischen Friedhof angehören. ( IV.)
Evang. Pfarrkirche. Erwähnt »dominus Albertus viceplebanus in Tundelingen
1291«; ecclesia parrochialis in Dindelingen 1349. 1357 inkorporirt der Bischof Johann
von Strassburg die Einkünfte der Pfarrei der Dompräsenz in Strassburg und beschliesst,
die Pfarrkirche in Dinglingen nicht mehr durch einen Rector, sondern durch einen
ständigen Vikar zu besetzen.1) 1419 Niclaus Miige, lütpriester zu Dündlingen. D. trat,
wie die ganze Gegend, in der Mitte des 16. Jhs. dem Protestantismus bei (1553) und
blieb dabei, da es bei der Theilung 1629 zu der Hälfte gehörte, die dem Grafen von
Nassau-Saarwerden zufiel.
Die jetzige Kirche, an Stelle einer älteren 1781 bis 1787 errichtet, ist ein schlichter,
aber schmucker Barockbau aus Bruchsteinen mit Sandsteinquadern an den Ecken, Sand-
stein-Gewänden und -Gesimsen. Sehr gefällig der in Abbildung Fig. 12 wiedergegebene
Thurm, dessen Anschluss an das Langhaus durch Voluten vermittelt wird. Im Innern
ist die Kirche 1898 gänzlich restaurirt worden.
Kruzifix, versilberter, gegossener Corpus Christi auf schwarzem Holzkreuz, vom
Ende des 18. Jhs.
Glocken: die mittlere mit der Aufschrift: Als Johann Georg Müller Pfarrer /
Johann Wickert Johann Bruder beide Schultheifsen / Georg Genshirt Jacob
*) Stöcker a. a. O. Seite 153.
AMT LAHR,
DINGLINGEN.
33
Band VII.
34
KREIS OFFENBURG.
Grabsteine
Ziehbrunnen
Ortsgeschichtc
Rath. Kirche
Evang. Kirche
Glocke
Crucifixus
Ortsgeschichte
Holderer beide Heimburger zu Dinglingen / und Mietersheim waren. / Mathaeus
Edel zu Strasburg gos mich Anno 179 8. Die kleinere: Mathaeus Edel u. s. w. 1774.
An der Aussenseite der Kirche drei Grabsteine früherer Pfarrer eingemauert:
1. des Jacob Friedrich Maler, 37 Jahr, * zu Emmendingen 27. Juni 1652, 1675
Prediger in llugsvveier, 1676 Miitersheim, 1682 Dinglingen, 7 26. Mai 1718.
Ovales Medaillon von Kranz umgeben ; Sandstein ;
2. des Johann Friedrich Deußner, Pfarrers allhier, gest. Ostertag 1759 u. s. w.
Rechteckige Sandsteinplatte, ovales Feld mit Inschrift, darüber Wappen ; Engels-
köpfe und Rocaillevverk ;
3. des Johann Georg Müller, Pfarrer zu Dinglingen (aus Lahr geb.), * 8. Februar
1734, studirte zu Jena, 1757 Pastor. Vikar zu Lahr, 12. Juni 1759 verheirathet
mit Friderike Sophie Hennings aus Karlsruhe, 1768 Pfarrer dahier, starb
12. Februar aetat. 38. 7 Tag. Die langathmige Inschrift auf steinernem Vor-
hang, darüber gebrochener Volutengiebel, Vasen, Wappen in Rocaille-Cartouche;
oben: 1772.
Reim Haus Nr. 167 Ziehbrunnen von 1760.
DUNDENHEIM
Schreibweisen: Dundenheim 1289; Dundenheym 1302 ; Thundenheim 1414;
Tundenheym 1428. (Heim des Dundo.)
Archivalien der Gemeinde und im Privatbesitz: Mitth. der hist. Komm. Nr. 15
(1893) S. 99.
Ortsgeschichte : D. gehörte ehemals zur Herrschaft Mahlberg, also zu dem Theil
der Herrschaft Lahr-Mahlberg, der 1629 Baden-Baden zugesprochen wurde.
Die kath. Kirche (ad. S. Joannem Baptistam) ist ein Bau von 1822 bis 1823; sie
enthält eine kleine Madonnenholzstatue, die noch dem 16. Jh. entstammen dürfte.
Die evang. Kirche, erbaut 1790 zu Ehren des dreieinigen Gottes, ist ein schlichter,
nur mit Lisenen gegliederter Bau, das schmucklose Innere mit unregelmässiger Emporen-
anlage. Eine Glocke von 1791.
An der Dorfstrasse ein Rocaille- Crucifixus mit - lebensgrossem Corpus Christi.
FRIESENHEIM
Schreibweisen: Frisenhaim (?); Friesenheim 1016; Fresenheim 1259; Frvsenheim
1386 11. s. w.
Archivalien: Mittheil, der histor. Kommission Nr. 15 (1893) S. 99; Nr. t6 (1894)
S. 71 — 74. — Ruppert, Mortenau I 272 — 284.
Ortsgeschichte: Die erste Nachricht im Schenkungsbrief K. Heinrichs II., der
dem Kloster Schuttern 1016 »unum mansum in Fresenheim in comitatu Bertholdi in
pago Mortinoua« vergabte. Das Kloster besass auch das Patronatsrecht Seine Besitzungen
wurden 1279 durch die Schenkung des letzten Tiersbergers ansehnlich vermehrt u. s. w.
Der Ort gehörte in die Herrschaft Hohengeroldseck, an die er aber wohl erst nach dem
AMT LAHR. — FRIESENHEIM.
35
Erlöschen der Tiersberger gefallen ist.1) Daraus ist es wohl zu erklären, dass der Ort
den beiden Linien Hohengeroldseck und Lahr-Mahlberg gemeinschaftlich zustand. 1503
kam Fr. an den Markgrafen Christoph von Baden »zu ewigem Kauf und zu rechtem,
stetem Eigenthum«. 1529 machten sich hier Wiedertäufer bemerkbar. Am 8. August
1638 wurde F. von den Schweden niedergebrannt. — Die Klöster S. Ulrich im Breisgau,
Ettenheimmtinster, S. Arbogast zu Strassburg, Gengenbach, ausserdem verschiedene
Geschlechter des Elsasses und der Ortenau hatten hier Besitzungen.
Vorgeschichtliches : Die städt. Sammlung in Freiburg i. Br. bewahrt von dort Vorgeschicht-
liches
einen Halsring von Bronze mit aufgedrückten Schildchen und 3 Schüsselchen zu
eingelegten Glasflüssen, ferner Fragmente eines hohlen und eines derben Armrings
von Bronze (La Tene-Periode), gef. 1828. (W.)
Simultankirche (ad S. Laurentium). Fr. cum ecclesia 1136. Fridericus rector Simultankirche
ecclesie in F., schon 1272 erwähnt. 1290 inkorporirte Bischof Konrad zu Strassburg
die Pfarrei dem Kloster Schuttern und erlaubte demselben, wenn der derzeitige Pfarr-
rector sterbe, seine Stelle künftig nur mit einem Vikar zu besetzen. 1320 erfahren wir
von der Weihe eines Altars des h. Stephan. Der Thurm der Pfarrkirche wurde 1496
von der Gemeinde erbaut.1) Mit der Reformation der Herrschaft Mahlberg wird auch
hier die neue Lehre eingeführt; erst 1628 sandte Schuttern wieder einen katholischen
Pfarrer.
Der jetzige Bau zeigt ein Barocklanghaus und den älteren Thurm (s. o.), der aus Thurm
Bruchsteinmauerwerk errichtet ist mit Bossenquadern an den Ecken der beiden unteren,
mit glatten Quadern an denen der oberen Stockwerke. Im untern sind im 1 8. Jh. grosse
Rundbogenfenster eingebrochen worden, das zweite Stockwerk hat Lichtluken, das dritte
nichts, im vierten noch die spitzbogigen gothischen Fenster mit flambovantem Masswerk,
der jeweils eine Pfosten überall weggebrochen. LTnter dem Dach des jetzigen Langhauses
sieht man am Thurm noch die Ansatzspuren des früheren. Im Erdgeschoss des Thurmes
Kreuzgewölbe mit trocken profilirten Rippen auf gefalteten Konsolen, ein gedrückter,
einmal abgetreppter Spitzbogen führt in das Langhaus. Dieses, im Aeussern schmucklos, Langhaus
hat im Innern ein flaches Spiegelgewölbe mit einschneidenden Kappen auf einfachen
Wandpilastern. Deckengemälde mit der Auferstehung Christi. Unter der Empore ein
solches mit der Austreibung der Wechsler; hier die Bezeichnung »J. G. Nussbaumer pin.«
An dem Südportal der Kirche, das die beliebte Scheinquaderung aufweist, die
Jahreszahl 1768.
Barock -Hochaltar mit einbezogenen Sakristeithüren. In der kath. Sakristei Kirchen- Hochaltar
geräthe: Wein- und Wasserkännchen mit Tablette, Silber getrieben, feine Rocaillearbeit Kirchengeräthe
I G
mit dem Augsburger Beschauzeichen, darunter C und ^ ; Monstranz in der Sonnen-
F T
form, Silber, vergoldet, getrieben, Augsburger Zeichen und ^ r (Rosenberg Nr. 358?);
ein Kelch aus Kupfer vergoldet und getrieben, mit Bandornamenten vom Anfänge des
18. Jhs. ; ein weiterer, Silber vergoldet und getrieben, mit Rocailleornamenten, gute
Augsburger Arbeit, Meisterzeichen I • C • B • ; in Silber getriebenes Rauchfass, Mitte des
18. Jhs. und einfachere Barockholzleuchter. Ausserdem eine nicht schlecht gearbeitete
Holzstatue der Immaculata, etwa vom Ende des 18. Jhs. Holzstatue
*) Ruppert a. a. O. Seite 274.
o*
J
36
KREIS OFFENRURG.
Epitaph
Glocke
Pfarrhaus
Crucinxus
Am Aeussern der Kirche eingemauert Epitaphium in guten Renaissanceformen :
das Allianzwappen unter einem Bogen, welcher von Säulen flankirt wird, die das Gebälk
tragen und von Rollwerk umgeben sind. Unter dem Wappen die Inschrift (s. Abbild.
Fig. 1 3)> wonach der edlen, tugendreichen Frawen Justina von Giffen Wittibin gebornen
Elhefin von Schelnpach ihr Sohn Johann dies Gedächtniss hat machen lassen. Datum:
4. Februar 1612. Eine Glocke von 1715.
^ DEN HFEBRAL - K<5r 2
DER EDLEN TVGENTRE1CH El\l FRAWEN
IVSTINAVON GIFFEN WITTIBIN GEBORN.
E(\l ELHEFIN VON SCHEIN PACH HATT
DERO HINTERLASENER SOHN I0HANN
VON GIFFEN D1SE GEDECHTNVS MACHEN
L'AzREN. 1HESV DV SOHN DAVID ERBARME CH I
Fig. 13. Epitaph an der Kirche in Friesenheini
Pfarrhaus. Am Portal des Gartens auf einem ausgehauenen Band die Inschrift :
Archipresbyter Jacobus Heid 1J22 Conradus Rieh Abbas in Schlittern IJ22.
Das Pfarrhaus ein guter, einfacher Bau des 18. Jhs. ; über dem Eingang in reicher
Rocaille-Cartouche das Wappen des damaligen Abtes von Schlittern, umgeben von den
C A
Buchstaben : Z • S •
175?
Auf dem Platz vor der Kirche Crucifixus mit Maria und Johannes; Sandstein:
Barockarbeit.
AMT LAHR.
HUG.SWEIER.
37
HUGSWEIER
Schreibweisen: Hugesvvillare ca.
1007; Hugeswilre 1341; Hugeswilr
1350; Hügswier 1470; Hugschwiler
1536.
im Ort eine stattliche Anzahl alter Riegelhäuser. Gerade die Hauptstrasse am
Bach hat noch mit geringen Ausnahmen ihren alten, malerischen Charakter bewahrt,
der ihr hoffentlich erhalten bleibt.
Gutes schmiedeeisernes Wirths-
hausschild am Gasthaus »zum
Ochsen«, ein weiteres am »Adler«.
Am Haus Nr. 2 interessanter,
steinerner Kellerladen (s. Fig. 14).
Fig. 14. Steinerner Kellerladen am Haus A'r. 2
in Friesenheim .
Archivalien: der Gemeinde und Pfarrei Mittheil, der histor. Komm. Nr. 15 (1893),
S. 99. (Weiler des Huc.)
Ortsgeschichte : Nach einer sehr alten Notiz schenkte Bischof Richwin von Strass-
burg (916 bis 932) dem Kloster S. Thomas in Strassburg den Ort ’), dem er aber wieder
entzogen und an die Herrschaft Mahlberg gegeben wurde. Dinghof, Pfarrsatz und Zehnt
gehörten dem Frauenkloster zu Waldkirch, von dem sie 1352 an die Johanniter zum
grünen Word in Strassburg übergingen. Erwähnt auch noch ein Besitz: »des huses ze
sante Johans ze Friburg meygertum ze Hugswilre 1353«. Ueber die hier einst begüterten
Geschlechter s. Ruppert.2) Der Ort gehörte zur Herrschaft Lahr-Mahlberg, 1562 trat
er der Reformation bei; bei der Gebietstheilung kam er an Nassau und wurde 1803
badisch.
Evaug. Pfarrkirche. (Ehemaliger Patron?) Erwähnt ecclesia cum villa iuxta
Scutero 1178; 3) ein Henricus rector 1334; ein Bertholt lütpriester 1419. — Die jetzige
Kirche ist ein Neubau aus der Zeit von 1755 bis 1790, wobei wohl der Thurm zuerst
fertiggestellt wurde und später weder renovirt werden musste. Auf der Helmstange
steht nämlich nach Angabe des Pfarrers : (?) N ■ Johanniter • orden ■ in • Strasburg •
commandens ■ Kleinklaus : iygg ■ Johann ■ Michael • Knöri ■ Schulmeister • Christian ■
Fridrich ■ Habel ■ Pfarrer • Michael • Ruder • Schultheis ■ renoviert ■ jypo • comman-
dens de Monge ■ Frid • Jac • Thomae ■ Pfarrer ■ Andreas • Gerhard • Schultheiss.
Im Gebälk des Thurmes die Jahreszahl 1790. Der Thurm besteht, wie die ganze Kirche,
aus Bruchstein mit Mörtelverputz, die Ecken wie die Gewände aus rothem Sandstein;
er hat im Erdgeschoss ein flachbogiges Barockportal, in den zwei nächsten Geschossen
Lichtluken und geht im vierten ins Achteck über. Das einfache, einschiffige Langhaus
schliesst mit Voluten an ihn an, es hat Rundbogenfenster, an der Nord- und Südseite,
wie auch in dem Achteckschluss je ein Portal. Der Thurm öffnet sich gegen das Lang-
1) cf. Strassb. Urkundenbuch I, 43. Yergl. Deutsche Städtechroniken, Strassburg, p. 1055.
Ruppert a. a. O. Seite 297.
2) a. a. O. Seite 298 f.
3) Auf H. zu deuten cf. Ruppert a. a. O. Seite 297.
Riegelhäuser
Wirthshaus-
schild
Ortsgeschichte
Pfarrkirche
Thurm
Langhaus
KREIS OFFENBURG.
Grabsteine
Pfarrhaus
Kirchengeräthe
Bauernhof
Ofenplatte
Ortsgeschichte
3^
haus in einem Rundbogen mit abgefassten Kanten. Das Innere ist sehr schlicht im
Empirestil mit einfacher, aber guter Empirekanzel.
In der Kirche Grabsteine :
1) des Willi. Fnedr. Roedcr von Dierspurg. H. Gr. Hanau- Liclitenberg.
Cammer Juncker und Haubtmann des lob. 0. R. Nassau zu Lahr etc., f 21. Januar
MDCCXXV. Die Inschrift ist umgeben von den Wappen seiner 16 Ahnen, in Mitte
zwischen kriegerischen Trophäen das seinige ;
2) des zv eil. hochehrwürdigen und hochgelehrten Herrn Johannes Morstat,
29 Jahr gezvesten Pfarres allhie f 28. Juli 1J4.3 etc. (Langathmige Inschrift.) Der
Stein ist oben zerstört.
Im Pfarrhaus wird ein Dachziegel der Kirche aufbewahrt mit eingeritzten Rosetten,
Blumen u. s. w. mit der Jahreszahl 1791. An Kirchengeräthen eine versilberte Rocaille-
platte ; Kelch, Silber vergoldet und getrieben mit Palmettenornament vom Ende des
18. Jhs., ein weiterer ähnlicher, Kupfer getrieben und vergoldet. Im Garten die obere
Hälfte eines achteckigen Taufsteins (17. Jh.).
Am Ausgang des Ortes gegen Schlittern besonders hübscher, typischer Bauern-
hof, auch sonst einige hübsche, zu erhaltende Riegelbauten.
Bei Herrn Friedr. Lang gusseiserne Ofenplatte mit Elisascenen, ähnliche noch
sonst im Ort bei Erl. S. Suhm u. a.
ICHENHEIM
Schreibweisen: Ichinhen (902) Fälschung; desgl. 2. Hälfte 13. Jhs.; Ichelenheim
vor 1066 (?); Ichenheim 1136; Ichinhein 1216; Eichene 1275; das huß zu Eiche 1350;
Ychenheim 1368; bürg Aicha 1392 u. s. w. (Heim des Icho.)
Archivalien: der Gemeinde und (kath.) Pfarrei; Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 15
(1893), S. 100.
Ortsgeschichte: I. gehörte zur Herrschaft Geroldseck; bei der Theilung 1277 war
es an die Linie Lahr-Mahlberg gefallen und wurde 1327 an Hug von Geroldseck am
Wasichin verpfändet, von diesem 1340 zur Hälfte an die Strassburger Patrizier von
Miilnheim. Später trat Walter IV. v. G. »das huß zu Eiche« an Graf Eberhard von
Werdenberg, den Mann seiner Enkelin ab1), mit Bedingungen, aus denen hervorgeht,
dass es sich um kein Schloss oder eine richtige Tiefburg handelt, obwohl einige Jahre
später die Bezeichnung Schloss vorkommt. Seine Spuren sind längst verschwunden.
Ende 14. Jhs. musste Heinrich von G. das Haus dem Grafen Eberhard von Wirtenberg
übergeben, um es als Mannlehen wieder zu bekommen. Es kam dann an Mörs-Saar-
werden; seit 1477 gemeinsamer Besitz derselben mit Baden-Baden, fiel es bei der
Theilung von 1629 an dieses als Theil der Herrschaft Mahlberg. Patronat und Zehnt
gehörten dem Kloster Gengenbach nebst einem Freihof. In den ältesten Zeiten war
S. Trudpert hier begütert, später Ettenheimmünster und als weitere Klöster noch Schuttern,
S. Arbogast in Strassburg und Eschau. — In dem Ichenheimer Bann lagen noch die
Orte Hohenwilre und Bastolzwilre, von denen das erste noch in dem Ottenweirer Hof
weiterdauert, während das zweite eingegangen ist.
*) Ruppert a. a. O. Seile 313 ff.
AMT LAHR.
ICHENHEIM.
39
Die Simultankirche (Patron : S. Nikolaus, früher anscheinend S. Peter) ist ein Simnitankirciie
Neubau von 1819. Erwähnt parrochia ville Ichenheim 1372; der heilige sant Peter und
die pfarrkürche zuo Ichenheim 1575; Conradus plebanus de Ichenheim i2iö;Johans
von Bar, Kirchherre zu Ichenheim 1400; Peter Böutin lütpriester 1419. Das Patronats-
recht stand dem Kloster Gengenbach zu (schon 1289). 1567 wurde die Reformation
eingeführt, 1629 Ichenheim mit der einen Hälfte der Herrschaft wieder katholisch,
wechselte dann noch mehrmals, schliesslich wurden die Lutheraner nach Ottenheim,
später Meisenheim eingepfarrt, bis 1765 eine eigene Pfarrei für sie errichtet wurde.
Von dem früheren Bau rührt noch der Thurm her, der aus Bruchsteinmauer- Thurm
werk mit Quadern an den Ecken errichtet ist. Er hat unten Lichtluken, im zweiten
Geschoss, nur von innen sichtbar, die vier alten Spitzbogenfenster mit Fischblasen-
masswerk, die Pfosten theils weggebrochen. Die Fenster sind an drei Seiten durch das
Dach, an der vierten durch ein Gitter verdeckt. Unter diesem Stockwerk, von der
jetzigen Bühne aus sichtbar, die alte Wasserschräge, über der eine ganz verwischte Jahres-
Im Innern zeigt das Erdgeschoss des Thurmes, das sich im Spitzbogen zum Lang-
haus öffnet, ein Sterngewölbe mit den trocken profilirten Rippen der Spätzeit und Schluss-
stein mit Wappen : viergetheilt, I. Feld schrägrechts rother Balken in Blau, II. schwarzer
Balken in Gold, III. schwarzer Adler in Gold, IV. roth und schwarzes Schachbrett.
Von den Glocken eine ältere: Matthäus Edel in Strassburg gos mich 1790. Glocken
In der Sakristei verschiedene Paramente des 18. Jhs. (Casein, Stolen, Mani- Paramente
peln etc.). Ein kleiner, getriebener, silbervergoldeter Kelch mit aufgelegten Silber-
menten und Putten; noch zwei einfachere Kelche und ein Wettersegen des 18. Ths.
Das kath. Pfarrhaus , ein Bau des 18. Jhs., zeigt über dem Portal in Rocaille- Rath. Pfarrhaus
Aufbewahrt wurde im Pfarrhaus ein silberner, gravirter Abtsring, die halblebens-
grossen Holzfiguren der Mutter Anna und der Maria, zu einer Crruppe der h. Anna selbdritt
gehörig, aus den ersten Jahrzehnten des 16. Jhs. Im Pfarrhausgarten ein Stein, der auf
beiden Seiten bearbeitet ist, also wohl ehemals über einem Einfahrtsthor angebracht war;
auf der einen Seite ein Adler mit Schild, worin Fische; rechts im oberen Felde ein
wachsender geflügelter Hirsch, unten ein Schrägbalken rechts in Rocailleumrahmung,
darunter steht 1594, was auf dies Wappen keinen Bezug haben kann, wohl aber auf das
darunter befindliche Stück, auf dem über Rollwerk in flachem Relief ein Crucifixus dar-
gestellt war (nur der untere Theil desselben erhalten) mit Maria und Johannes. Ebenda
noch der Sandsteinfuss eines Ofens mit Maskeron, Voluten und der Jahreszahl 1723.
zahl eingehauen war ; hier auch die Steinmetzzeichen :
(Susanna.)
cartouche ein Abtswappen (Rebstock und Doppeladler), daneben j
40
KREIS OFFENBURG.
Kapelle
Crucifixus
Ortsgeschichte
Kapelle
Riegelhäuser
Eine kleine Kapelle , gänzlich schmuckloser Bau, wurde laut einer Inschrift »zu
Zeiten Lutheri in Grund zerstört« und wieder aufgebaut: »zu Ehren der schmerzhaften
Mutter Gottes und Jungfrau Mariä Herz von Sigmann Emele Bürger zu Ichenheim
geboren zu Gengenbach und seiner Ehefrau Anna Regina Michelin geboren zu Wein-
garten 1736«.
An der Strasse gegen Dundenheim ein Riegelhaus (wie sonst noch einige im Ort),
die Schmiede, mit der Jahreszahl 1687 auf einem Holzbalken.
Das Wirthshaus »zum Schwanen«, ein Bau des 18. Jhs., zeigt über seinem mit
Pilastern und Voluten geschmückten Portal in Rocaillecartouche das Auge Gottes, darüber
die Jahreszahl 17 - 85, darunter: Jacob Derendinger Theresia Kempfin.
Am Ausgang gegen Kehl zu Crucifixus mit Rocailleornamenten, 1754 von Jacob
Bentz und Katharina Wurtin errichtet.
Bei Herrn Apotheker Bauer befand sich ein Messingmörser von 1771 mit dem
Wappen des damaligen Salemer Abtes.
KUHBACH
Schreibweisen: Cuobach 1035; Cübach 1270; Kubach 1367; Kubach 1370;
Kübach 1399; Khubach 1535.
Litteratur: Die Wallfahrtskapelle Bruderthal bei Kuhbach. Bad. Beobachter 1887,
Nr. 219, 239; Lahrer Anzeiger i887, Nr. 80.
Ortsgeschichte: Der Ort gehörte in die Herrschaft Geroldseck; es scheint jedoch,
als ob es den G. nicht ganz gehört hätte, sondern zum Theil Baden, an das es vielleicht
durch die Grafen von Freiburg gekommen sein mag (zweite Hälfte des 14. Jhs. ?). Bei
der Theilung von 1277 war K. der oberen Herrschaft oder Hohengeroldseck zugefallen.
Es bildete mit Schutterthal, halb Reichenbach und Selbach die Vogtei Selbach. Seit
1819 badisch.
Kapelle im Bruderthal: dem h. Gallus geweiht. (?) 1490 hiess die Kapelle zum
Schweisstuch Christi ; später war die Andacht »zur schmerzhaften Mutter Gottes«. Erwähnt
der heylige sannt Blesius zu Kuobach (1579). Jetziger Bau nach dem Abbruch des alten
1886 erstellt.
Zu erwähnen nur einige Riegelhäuser , hübsche Bauten mit sogen. Erkerfenstern.
An einem Haus ein Christuskörper des 17. Jhs., Sandstein, eingemauert.
KÜRZELL
Schreibweisen: Kirtzel 1016 (Fälschung); Cella 1139; Zelle 1368, Kirzel 1367;
Kircelle 1368; Kirczel 1414; Kirchzell 1469; Kürtzlen 1610; Kertzel 1614. (Zelle
mit oder bei der Kirche.)
AMT LAHR. — KÜRZELL.
41
Archivalien: der Gemeinde und Pfarreien: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 15, 1893,
S. 100.
Ortsgeschichte : Nach Kolb1) besass hier das Kloster Schuttern schöne Güter, Ortsgeschichte
welche es theils durch die Offonische Stiftung (!), theils durch Kaiser Heinrich II. 1016
erhalten haben soll. Während erstere Notiz sagenhaft ist, scheint letztere auch nicht
gesichert. 2) Ichenheim gehörte zur Herrschaft Geroldseck, fiel 1277 bei der Theilung
an die Linie Lahr-Malberg, wurde 1321 an Hug von Geroldseck am Wasichin zur Hälfte
versetzt, welche Hälfte von diesem als Pfandlehen an die von Miilnheim kam. Was er
noch nicht verpfändet, brachte 1355 Heinrich von Geroldseck-Lahr wieder an sein Haus.
1430 nach Aussterben der Lahr-Malberger Linie kam K. an Mörs-Sarwerden ; 1442 durch
Pfandschaft zur Hälfte an Baden »und erbte, als auch das Haus Mörs-Sarwerden erlosch,
an die Grafen von Nassau- Sarbrücken«.3) Bei der Theilung 1629 fiel es an Baden-
Baden. — Auf der Gemarkung K. lagen die jetzt eingegangenen Dörfer Meroltsweiler
und Mütershofen.
Die Simultankirche (ad s. Laurentium) ist ein Neubau von 1827. Erwähnt 1136 Simultankirche
Kirechcella cum ecclesia. Um diese Zeit besass (Konfirmation des Papstes Innocenz II.)
Schuttern bereits das Patronatsrecht und einen Freihof mit vielen Gütern. Johannes
papa XXII tres parochias, nempe Saspach, Kirchzell, Jünswiler donat et monachis
monasterii Schutterani administrandas comittit anno 1325. Er gestattete dem Kloster
die Inkorporation undVersehung der Pfarrei durch einen Klostergeistlichen ; was Bischof
Johann I. von Strassburg indess umänderte. 1419 hierThuman von Schuttern lütpriester
erwähnt. In den Jahren 1564 bis 1567 vollzog sich der Uebertritt Kürzells zur Augs-
burgischen Konfession. Da es bei der Theilung der Herrschaft 1629 an Baden-Baden
kam, wurde es wieder katholisch, im 18. Jh. aber wurde die Kirche zum Simultaneum
gemacht.
In der Sakristei : Ein schöner Kelch, silbervergoldet, laut Inschrift im Fuss eine Kircheugeräthe
Stiftung des Henricus Eicharius und der Maria Magdalena Funckartin i6ij. An dem
Fuss (Sechspass), der mit Rollwerk, Engelsköpfen geschmückt ist, auf den fischblasen-
förmigen Abtheilungen Medaillons mit Reliefs: das Wappen der Stifter, Engel mit den
Leidenswerkzeugen, Stigmatisation des h. Franz, Magdalena am Fusse des Kreuzes.
Stange und Nodus mit Beschlägornamenten, Engelsköpfen und Fischblasen dekorirt,
die Cuppa schmucklos.
Ein weiterer, silbervergoldeter Kelch, in einfachen Formen, zeigt in hübsch gravirter
Rollwerkcartouche die Inschrift : Ex gratia Sibyllae Augustae Marchionissae Badensis
und ihr Wappen. — Sonnenmonstranz , silbervergoldet, getrieben, von 1770. — Mess-
gewänder mit typischer Empirestickerei und in den typischen Empirefarben.
L n s. 136.
2) Ruppert a. a. O. S. 331.
3) Ruppert a. a. ü. S. 334.
42
KREIS OFFENBURG.
Fig- IS-
Wappen der Stadt Lahr. ( Sandstein . In der Städtischen Sammlung.)
, /////// //////////
LAHR
Schreibweisen: dominus de Gerolsegge in Castro suo Lare 1250; zu Lare 1270;
in der stat 1366; castrum Lare et oppidum eidem Castro annexum 1311; Lore 1358;
Lor 1373; Lar 1401; Läre 1458; Lhaar 1576. (Lar, in Ortsnamen häufig, vor allem
auch als zweiter Bestandteil. Nach den einen mit Otfrieds gilari, habitalis, nach den
anderen mit ahd. lari — leer zusammenzustellen.)
Archivalien: der Stadt Lahr, Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 12 (1890) S. 97 — 108;
Archiv der Boeder von Diersburg: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894) S. 78;
Th. Müller, Aus dem Lahrer Stadtarchiv. Lahrer Zeitung 1890, Nr. 168 — 170;
P. Staudenmaier; Mittheil, aus den Kapitelarchiven Lahr und Offenburg. Freib.
Diöces. Archiv Band 14, S. 268 ff.
Litteratur: Ursprung der Stadt L. Beil. z. Anzeiger für Stadt und Land 1891,
Nr. 143, Zeitschr. 52 (S. 674). J. J. Reinhardt, Pragmatische Geschichte des Hauses
Geroldseck, wie auch der Reichsherrschaften Hohengeroldseck, Lahr und Mahlberg in
Schwaben. Frankfurt und Leipzig 1766. Ruppert, Mortenau I, S. 338 — 377. F. Stein,
Geschichte und Beschreibung der Stadt Lahr und ihrer Umgebung. Lahr 1827.
Friedr. Müller, Beiträge zur Geschichte der Stadt Lahr. Gymn. Progr. I 1855, II 1856.
P. Staudenmaier, Aus der Türckheimischen Bibliothek, Abdruck einer Chronik von
1593. Lahrer Zeitung 188?. Ders., Ueber die nach dem Schwedenkriege einge-
wanderten Geschlechter. Ebenda 188?. Ders., Die adeligen und Patriziergeschlechter
zu Lahr. Ebenda 188?. Ders., Lahr um 1797 und Lahr um 1880. Ebenda 188?.
Langsdorf, Erläuterung und Erklärung des Freiheitsbriefes von 1877. Lahr 1795.
AMT LAHR. — LAHR.
43
Rau, Auslegung und Erklärung des Freiheitsbriefes vom Jahre 1377. Strassburg 1802.
Tobias Bundius, Lahrische Bettglocke, angezogen den 18. Octobris. Strassburg
1633. J. G. Langsdorf Aem., Abschieds- und Antrittsrede, geh. 21. März 1803, als
die Herrschaft Lahr ... an Baden übergeben wurde. Lahr 1803. K. Steinmann,
Der Lahrer Prozess in Lahrer Mundart. Nach dem Tagebuche eines Zeitgenossen.
Nebst dem Freiheitsbriefe. Lahr 1855.
M. Henning, Geschichte des Landkapitels Lahr. Lahr 1893. Alte Kapitel-
statuten von 1450 aus Registr. des Landkapitels L. Freibg. Kath. Kirchenblatt 1890
Nr. 38, 39. P. Staudenmaier, Mittheil, aus den Kapitelsarchiven Offenburg und Lahr.
Diöces. Archiv. XIV (1881) S. 268 — 279. Wilhelm Weiss, Geschichte des Dekanats
und der Dekane des Rural oder Landkapitels I. Offenburg 1895. Gesch. und Statist.
Nachrichten über die kath. Stadtpfarrei L. Anzeiger für Stadt und Land 1880 Nr. 85 fg.
F. Bauer, Series pastorum Larensium. Bad. Geschäftskalender für d. J. 1898. Ausg.
für Geistliche.
Ad. Sütterlin, Lahr und seine Umgebung. Lahr 1904. Ders., Kleiner Führer
durch Lahr und Umgebung. Lahr 1906. Album Lahr. Den Festgästen der Haupt-
versammlung des bad. Schwarzwaldvereins 26-/28. Mai 1906 überreicht. Lahr 1906.
Ortsgeschichte : Die Gegend war, wie das zu erwarten, schon in frühesten Zeiten Oltsgeschichte
besiedelt, wie Funde aus der Steinzeit und aus der Bronzezeit (s. u.) beweisen. Auch die
Römer wie die Alemannen haben Spuren ihrer Anwesenheit hinterlassen, die uns aber
nicht das Recht geben, von einer grösseren und geschlossenen Ansiedelung zu sprechen.
Die Stadt Lahr verdankt vielmehr, wie es scheint, ihren Ursprung erst dem
Dynastengeschlechte der Geroldsecker. So alt ihr Name klingt, dürfte sie doch erst aus
den Ansiedlungen um die Tiefburg dieses Geschlechtes entstanden sein. Die Erwähnung
eines »Heinricus de Lare miles« 1215 deutet schon auf das Vorhandensein eines Schlosses.
Dieser Ministeriale des Markgrafen Hermann und Friedrich von Baden verkaufte damals
sein Lehensgut Spitzenbach bei Breitebnet dem Kloster Tennenbach. Anhaltspunkte dafür,
dass zur gleichen Zeit schon ein Dorf bestand, fehlen gänzlich. Die Burg dieser Zeit
aber war wohl eine ganz einfache Anlage, vielleicht nur aus einem (noch später vor-
handenen viereckigen?) Thurm nebst Mauern bestehend. Ich werde weiter unten zeigen,
dass die noch existierenden Reste derselben nicht früher als gegen die Mitte des 1 3. Jhs.
erbaut sein können; sie zeigen die Formen des entwickelten Uebergangsstyles. Nun hören
wir, dass 1250 Walter von Geroldseck sammt seinem Sohne in seinem Schloss Lar von
dem Grafen Konrad von Freiburg genommen wurde ]), 1259 wird in der Stiftungsurkunde
des Augustinerklosters eine Hofstätte, iuxta munitionen nostram2) bezeichnet und noch
nicht von einem Dorf gesprochen. Mit der Annahme Rupperts, dass Lahr und andere
Orte Zähringer Güter gewesen sind, die an die Staufer und von da gegen die Mitte des
13. Jhs. an die Geroldsecker gekommen sind, stimmen diese Nachrichten wie der bau-
liche Befund überein. Gleich nach ihrer Besitznahme haben die Geroldsecker gegen
1250, nachdem sie als Helfer des Bischofs von Strassburg ihre Herrschaft durch den
Erwerb Malbergs vergrössert hatten und durch die Auffindung reicher Silberadern zu
mächtigen, angesehenen Herren geworden waren 3), die einfache Tiefburg zu einem
*) Ruppert a. a. O. S. 339; Krieger II, S. 7.
-) Ruppert a. a. O. S. 340.
a) Fr. Müller, Beiträge 1855 S. 16 ff. Ruppert a. a. O. S. 342.
44
KREIS OFFENBURG.
wohnbaren und prächtigen Schlosse umgestaltet. Daran werden sich, wie immer sogleich
Ansiedelungen geschlossen haben, und bald konnte man von einem Dorfe sprechen.
Fast zur nämlichen Zeit aber wie die Schlossbauten stifteten die Dynasten das erwähnte
Kloster und begannen den, man darf sagen, glänzenden Bau der stattlichen Kirche, in
den Formen des Uebergangsstyles und der frühesten Gothik, wohl ehe ihre Mittel in den
Kämpfen des Bischofs Walter von Strassburg so beträchtlich geschwächt wurden. 1267
endlich wird das Dorf erstmals genannt ]) ; es wird unter dem Schutz der aufblühenden
Herrschaft mächtig gewachsen sein, so dass es etwa 10 Jahre später zur Stadt erhoben
werden konnte. Diese Erhebung muss nicht lange vor 1279 stattgefunden haben, denn
in dem Freiheitsbrief von 1279 wird sie schon Stadt genannt.
Bei der Theilung, die Walther I. 1272 vornahm, war Lahr zusammen mit Malberg,
Langenhard etc. (s. Einleitung) an die Söhne seines 1262 in der Schlacht bei Hugsberg
gefallenen Sohnes, des Landvogtes Hermann, an Heinrich I. und Walther II. gefallen.
Diese verliehen Lahr das Stadtrecht nach dem Freiburger Muster. Heinrich I. stellte
den Freiheitsbrief J) aus, der die Stadt mit werthvollen Privilegien ausstattete. 1301, 1314,
1320 und 1354 wurde der Brief erneuert und erweitert, der grosse Freiheitsbrief von
1377 endlich war »nur eine Vereinigung und Erweiterung dieser Urkunden«. 2) An der
Spitze der übrigens stets grundherrlichen Stadt, stand ein Zwölferrath, der jährlich von der
Bürgerschaft gewählt wurde; die Herrschaft aber hatte sich das Recht Vorbehalten, ihr
nicht gefällige Personen auszuschliessen und eine Neuwahl zu verlangen. An ihrer Spitze
stand der Vogt, später der von der Herrschaft ernannte Schultheiss. Eine Zeit lang
wurden aus den Rathsmitgliedern »Vierer« gewählt, welche mit dem Vogt zusammen die
jährliche Steuer zu bestimmen hatten, von 1354 aber an verschwinden sie und die Ver-
theilung der Steuer wird zu einem Recht des gesammten Rathes, in dem 1365 ein Bürger-
meister erscheint. Den Vorsitz behielt der Vogt und der Schultheiss. Das erstere Amt
war als Zeitlehen der Herrschaft in den Händen von Vasallen, während das Schult-
heissenamt wohl einem der Rathsglieder von der Herrschaft verliehen wurde. Später
kam dazu ein Amtmann und solange Baden und Nassau sich in die Herrschaft theilten,
deren zwei.
Die Stadt scheint rasch emporgeblüht zu sein, obgleich die Geroldsecker ihr Ver-
sprechen, sie nicht zu bedrücken, und die Bestimmung, dass die Bürger von Lahr nicht
gegen ihren Willen haftbar oder verpfändet werden sollten, unter dem Drucke der
schweren Zeitläufte oft nicht einhalten konnten. Die Stadt theilte die Schicksale der
Herrschaft und mag unter deren Niedergang oft genug gelitten haben. Die Geroldsecker
haben, wie viele Geschlechter, über fortwährenden Theilungen ihre Macht eingebüsst.
1299 theilten die Brüder Heinrich und Walter ihre Herrschaft in Lahr und Malberg, die
aber bald nachher, nach dem Tode Heinrichs, wieder in der Hand Walthers II. vereinigt
wurde. Er und seine Nachkommen waren nun eifrig bestrebt, soweit es in ihrer
sinkenden Macht stand, die Stadt zu fördern; die Rechte und Freiheiten derselben
scheinen auch reichlich Fremde herbeigelockt zu haben. Das Bürgerbuch von 1356,
das, lange Zeit fortgesetzt, noch im Stadtarchiv zu Lahr aufbewahrt wird, weist 192
Bürger und 1 1 o Ausbürger auf. Die letzteren blieben in ihren nahegelegenen Heimath-
*) Fr. Müller, Beiträge 1855 S. 16 ff. Ruppert a. a. O. S. 342.
2) Abgedruckt u. a. bei Sütt erlin, Lahr (1904), S. 12.
AMT LAHR. — LAHR.
45
orten wohnen, hatten aber bürgerliche Rechte und genossen in Kriegszeiten den Schutz
der Stadt. Wie schon Stein bemerkt, ergiebt sich daraus, dass keine einzige Familie
zahlreich war, die Mannigfaltigkeit der Namen daher gross war, dass alle vor mehr oder
minder kurzer Zeit eingewandert sind.
Kurz ehe dies Bürgerbuch begonnen wurde, hatte die Stadt die beiden gewaltigen
Ereignisse durchzumachen, die ganz Deutschland und mehr oder minder ganz Mittel-
europa erschütterten, das Erdbeben von 1348 und die grosse Pest. Wie allerwärts, so
schrieb man auch hier die Schuld daran den Juden zu und beschloss über diese auf
einem Landtag zu Benfelden (s. Einleitung), dem auch Walther IV. von Lare nebst
seinen Vettern beiwohnte. Die Folge davon war eine schreckliche Judenverfolgung, die
in Lahr mit deren vollständiger Ausrottung und Austreibung geendigt zu haben scheint,
denn in dem Bürgerbuche von 1356 geschieht ihrer keinerlei Erwähnung mehr. Die
Stadt, die sich immer mehr emporhebt, konnte 1362 daran denken, ihr Ohmgeld um
ein Dritttheil zu erhöhen, allerdings ohne grossen Nutzen davon zu haben, denn die
Geroldsecker nahmen nun häufig ihre pekuniäre Zuflucht zu ihren Mitteln, wofür sie
denn manche Privilegien gewähren mussten, so den erwähnten grossen Freiheitsbrief von
1377. — 1426 starb ihr Mannesstamm aus und nun kam die Stadt mit der Herrschaft
an Johann Grafen von Mörs und Saarwerden, der in schwerem Kampfe gegen die Erb-
ansprüche der Hohengeroldsecker das Erbe seiner Gattin zu vertheidigen hatte. Ganz
besonders litt unter diesen Kämpfen die Stadt, da auch ihr Markt von den Hohengerolds-
eckern durch Errichtung eines neuen Marktes in Selbach schwer geschädigt wurde.
1444 wurde endlich Friede geschlossen; die Grafen aber waren derartig in Schulden
gekommen, dass sie 1442 die Hälfte der Herrschaft zum Mitbesitz an Markgraf Jakob
von Baden verkauften. Dieser verkaufte wieder die Hälfte seines Antheils um 1 5 000
Gulden 1462 an die Stadt Strassburg, löste ihn aber schon 1480 wieder ein. Auch der
Mörs-Saarwerden’sche Mannesstamm starb bald aus der letzte Erbe endigte in geistiger
Umnachtung 1527 — , da kam der Schwiegersohn Johanns III., Johann Ludwig von
Nassau-Saarbrücken in den Gemeinbesitz mit Baden. Stadt und Herrschaft machten
nun, wie so manche deutsche Länder, jenes ewige Hin und Her von Verpfändungen,
Rückgabe, Uebergang durch Vererbung an andere Häuser mit, welches die deutsche
Geschichte im 16. bis 18. Jh. so unerquicklich macht. In der Einleitung ist geschildert,
wie auf die Nassau- Saarbrücken die Nassau-Weilburg und die Nassau-Usingen folgten,
wie die Herrschaft bisher im Gemeinbesitz von Nassau und Baden-Baden 1529 zwischen
diesen getheilt wurde, wesentlich auf Grund konfessioneller Bedenken des badischen
Markgrafen. Lahr kam dabei an Nassau und blieb somit protestantisch. 1654 bis 1727
war es pfandweise im Besitz des Markgrafen von Baden-Durlach ; endlich kam es 1803
definitiv an Baden. Seit 1527 wird wohl kaum einer der Herren mehr länger in Lahr
residirt haben, ihre Interesse an der Entwickelung der Stadt mag unter derartigen
Wechselfällen nicht sehr gross gewesen sein und Lahr verlor mit dem Erlöschen des
Geschlechts seiner Gründer immer mehr an Bedeutung, es scheint selbst vor dem
dreissigjährigen Krieg kaum mehr Bewohner gehabt zu haben als im Mittelalter, etwa
100 Jahre nach seiner Gründung. Selbstverständlich nahmen diese dann in den Zeiten
des grossen Krieges rapid ab, es hatte an dessen Ende drei Viertel seiner Bewohner
verloren und fing gerade an, sich zu erholen, als die Kriege Ludwigs XIV. über die
Gegend herein brachen. 1677 wurde, wie andere Orte, auch die Stadt Lahr verbrannt
46
KREIS OFFENBURG.
Vorgeschicht-
liches
und die Tief bürg mit ihren mächtigen Mauern ruinirt; wie gründlich, davon giebt die
weiter unten folgende Abbildung derselben einen Begriff Im 18. Jh. begann die
Stadt unter der offenbar nicht harten nassauischen Herrschaft wiederaufzublühen. 1734
wurde sogar das Schloss so gut wie möglich noch einmal befestigt und auch sonst
manche Ausbesserungen vorgenommen. Die Ruhe, die sich allmählich einstellte,
wurde indess im letzten Drittel des Jahrhunderts durch die Prozesse zwischen den
Bürgern der Stadt und der Herrschaft zerstört, wobei erstere sich auf den alten
Freiheitsbrief mit einseitiger Auslegung desselben stützten. Es kam zu heftigsten
Scenen, die man in Steins Geschichte der Stadt Lahr nachlesen mag; in dem
»Lahrer Prozess«, einem Gedicht in Lahrer Mundart ’), sind diese Differenzen
trefflich geschildert. Ihren letzten Grund mögen sie wohl darin gehabt haben, dass
die grosse Entfernung von dem Sitz der Herrschaft eine intimere Beziehung zwischen
Fürst und Volk unmöglich machten, welche natürlich dadurch nicht besser werden
konnten, dass Nassau sich schliesslich zur Stillung des förmlichen Aufstandes 300
Mann Exekutionstruppen von Baden erbat. Das Unnatürliche solcher Herrschafts-
verhältnisse im alten deutschen Reich offenbart sich damit genügend. Das Reichs-
kammergericht aber hatte von da an mit unendlichen, bei den Haaren herbeigezogenen
Prozessen der Lahrer gegen ihre Regierung genügend zu thun. Diese unglücklichen
Verhältnisse haben natürlich dazu beigetragen, die Lahrer Bürger für die Ideen der
Revolution, die damals in Frankreich ausbrach, besonders empfänglich zu machen. Als
den 13. Jenner 1792 Prinz Conde unter Husarenbedeckung durch Dinglingen fuhr und
sich gegen die Zuschauer verbeugend aus dem Wagen lehnte, schrieen ihm die ver-
sammelten Lahrer das »vive la nation« entgegen.« (Stein.) Auch sonst ergriffen die
Bürger jede Gelegenheit, den flüchtigen Aristokraten ihren Hass auszudrücken, sie
werden also die Besetzung Lahrs am 31. Juni 1796 durch die Republikaner kaum ungern
gesehen haben. Lange dauerte diese allerdings nicht. Den Versuchen aber des Erz-
herzogs Carl von Oesterreich, eine Art Landsturm zu errichten, setzten die Lahrer einen
stillen, aber wirksamen Widerstand entgegen. Die Nassauische Regierung behandelte
die Stadt, angesichts des Zunders, der dort aufgehäuft schien, von nun an äusserst vor-
sichtig und nachgiebig. Es schien sich daher ein besseres Verhältniss herauszubilden,
wie die schnelle Deckung eines Anleihens der Regierung im Jahre 1798 beweist; indess
versuchte die Stadt Lahr doch noch einmal 1802 im sogenannten Dinglinger Zollkrieg
sich mit Gewalt Recht zu verschaffen. So musste es denn eine wahre Erlösung sein,
als Lahr 1803 an Baden kam. Am 26. September dieses Jahres wurde von dem
Geheimen Rath und Landvogt zu Mahlberg, Freiherrn von Roggenbach, die Huldigung
der Herrschaft Lahr, der Oberämter Oberkirch, Lichtenberg, Ettenheim und Schliengen,
den Reichsstädten Offenburg, Gengenbach und Zell in der Stadt Lahr entgegengenommen.
Erst durch diesen Einschluss in ein grösseres Ganzes konnte nun die Stadt emporblühen
und sich zu ihrer heutigen Handelsbedeutung entwickeln. Der Namenstag Karl Fried-
richs, der Karlstag, wurde daher bis auf unsere Zeiten in Lahr mit Recht gefeiert.
Vorgeschichtliches: Ueber ein 1825 von dem Geologen Ami Boue in Wien aus
dem Löss der Gegend von Lahr ausgegrabenes menschliches Skelett s. Albr. Müller,
K. Steinmann, Der Lahrer Prozess in Lahrer Mundart. Nach dem Tagebuch eines
Zeitgenossen. Nebst dem Freiheitsbriefe. Lahr, Geiger 1855.
47
»Die ältesten Spuren des Menschen in Europa«, Basel, Schweighauser, 1871. Auf dem
»Burghard«, ]/2 Stunde südöstlich von der Stadt, befindet sich ein grosser Ringwall,
oval, 300 auf 200 m, Höhe ca. 2,50 m. Herr v. Preen fand 1896 im nordöstlichen
Theil des Innenraums »den prähistorischen ähnliche Scherben«. Seine Grabungen von
1897 auf der Südwestseite ergaben nichts weiteres der Art; in einer Tiefe von 40 cm
kam eine Lage unregelmässig aneinander geschichteter, 20 cm grosser Sandsteine zum
Vorschein, der Wall selbst ist aus Sandsteinschutt hergestellt. »Westlich davon die
Heidenburg mit dem Heidengraben «, nach F. Stein, Geschichte und Beschreibung
lg. 16. Plan der Stadt Lahr 164^
(Nach Merian lopografihia Alsatiac.)
48
KREIS OFFENBURG.
der Stadt Lahr 1827, »etwa 1500 Schritte von der Stadt, auf der rechten Seite des
Schutterthals. Sie ist durch Steinbrüche umwühlt, ohne Spuren früheren Mauerwerks.
Fig. 77. Ansicht der Tief bürg Lahr (von Südosten).
(Aquarellkopie in den Städtischen Sammlungen nach verschollenem .Original.)
Fig. 18. Ansicht der Tief bürg Lahr (von Nordwesten).
( Aquarellkopie im Privatbesitz in Lahr.)
An ihr zieht sich auf einige 100 Schritte der Heidengraben in das Gebirge hinein, dem
Anschein nach von der Kunst zur Vertheidigung benützt, an dessen linkem steilen
Abhange sowohl als auf der Höhe ebenfalls Verschanzungen angebracht sind.«
AMT LAHR. — LAHR.
49
Einige Steimverkzeuge befinden sich in der von Prof. Mohr neu geordneten
Städt. Sammlung in Lahr, darunter zwei grosse Mahlsteine aus Gneis (60 und 65 cm
lang), ein geschliffenes und durchbohrtes Steinbeil aus Serpentin, gef. 1882 bei Legung
der Wasserleitung in der Friedrichstrasse, ein weiteres solches 2 m tief im Löss
gefundenes (oberes Stück abgebrochen). Ebendort eine Bronzebeilklinge mit Schaft-
lappen und seitlichem Eingehen, gef. in einer Felsspalte im »Hohberg«.
Römisches: In der Städt. Sammlung von Freiburg i. Br. befinden sich aus der
Gegend von Lahr Scherben von rother terra sigillata und 2 Ziegelstücke mit dem Stempel
der LEG. VIII (Verzeichniss von Schreiber); in der Sammlung von Lahr ein kugeliger
Thonkrug mit verziertem Schulterband, gef. 1887 beim Bau einer Brücke über den
Schutterkanal, ca. 300 m öst-
lich vom Bahnhof, vier weitere
römische Thongefässe aus der
Umgegend und zwei Bruch-
stücke von römischen Stein-
skulpturen, gef. 1891 auf dem
rechten Ufer der Schütter; das
Kopfstück eines Altarsteins mit
den Buchstaben D E (o) und ein
Fragment mit dem Bein und
Stab des Merkur (31 cm hoch).
Alemannisches : Beim
Ausheben von Baugruben im
»Hagedorn« stiess man 1899
auf Gräber eines alemannischen
Priedhofs. An Beigaben fanden Fig. iq. Versuchsweise Rekonstruktion der Tiefburg Lahr.
sich ein langes zweischneidiges
Eisenschwert (Spatha), zwei einschneidige Kurzschwerter (Scramasax), Speer- und
Pfeilspitzen und Schnallen, von letzteren eine mit Silbertauschirung. (W.)
Da die Entstehung der Stadt Lahr sich anschliesst an die an dieser Stelle vor-
handene Tiefburg der Geroldsecker, da demgemäss auch ihre bauliche Anlage nur aus
der Beziehung auf diese zu verstehen ist, so muss die Besprechung dieser einstmals so
prächtigen Anlage aller weiteren Beschreibung vorangehen. Von ihr steht heute nur
noch ein Rest in dem sogen. Storchenthurm und den beiderseitig an ihn anstossenden
Mauer- bezw. Gebäuderesten. Durch den Plan Merian’s (s. Fig. 16) aber von 1643,
sowie durch zwei Aquarelle — Kopien in der Stadtsammlung und im Privatbesitz, welche
(die Originale habe ich bisher nicht auffinden können) die Burg in dem ruinösen Zustand
des 18. Jhs. wiedergeben — kann ihre ehemalige Gestalt einigermassen festgestellt
werden (s. die Fig. 17 u. 18). Das Bild, das die Burg bot, war der klassische Typus
einer Tiefburg, ein Viereck mit runden Thürmen an den Ecken, an die sich die Wohn-
gebäude anschlossen. Da bei dem erhaltenen Theil die an den Thurm anstossenden
Mauern einen spitzen Winkel bilden (s. Fig. 20), so war das Viereck nicht regelmässig,
sondern an der einen Ecke verschoben, wie es unser rekonstruirter Plan (s. Fig. 19)
zeigt, möglicherweise auch überhaupt rautenförmig gestaltet. Ein grosser, ca. 1 2 m
und darüber breiter Graben, der sein Wasser aus dem Gewerbekanal, einem abgeleiteten
O
Römisches
Alemannisches
Band VII.
4
5°
KREIS OFFENBURG.
Arm der Schütter, erhielt, welcher die Stadt durchfliesst, umgab das Viereck. Erscheint
von einer niederen (früher wohl höheren) Mauer nach aussen begrenzt gewesen zu sein,
Fig. 20. Tief bürg Lahr (sogen. Storchtnthurni).
Grvnpri«^
MömetA
AUF
Höhe B
an ihn setzte im Westen und Osten die Stadtmauer an, Uber die die Bürg etwa um ein
Drittel herausragte. An dieser freien Stelle scheint ehemals ein Zwinger vorgelagert
gewesen zu sein, wenigstens glaube ich, den auf unsern beiden Aquarellen angegebenen
Tafel I
Storchenturm in Lahr.
AMT LAHR. — LAHR.
51
Lattenzaun so deuten zu dürfen. Eine steinerne (?) Bogenbrücke überschritt den Graben
und verband die Burg mit der Stadt.
Soweit die Gesammtanlage. Ueber den inneren Ausbau geben uns die noch
stehenden Reste gute Auskunft. Sie bestehen zunächst aus dem mächtigen Thurm
(A auf der Rekonstruktionsskizze). Dieser, von etwa 8,5 m Durchmesser, einer unteren
Mauerdicke von ca. 2 V4 m, zeigt im Aeusseren eine ausserordentlich wirkungsvolle
Bekleidung mit sauberen Bossen-
quadern (s. Fig. 20), die von
virtuoser Steinmetztechnik —
die Zeichen der Steinmetzen
ebenfalls Fig. 20 — zeugen.
Diese Quader greifen zum
Theil merkwürdig hakenartig
übereinander. Sie sind aus dem
harten, rothen Sandstein der
Umgegend (vom Altvater).
Der innere Mauerkern besteht
aus Bruchsteinmauerwerk. Der
Thurm enthält drei Stockwerke
übereinander. Man betritt ihn
durch eine Thür mit geradem
Sturz, an dem (anscheinend alt)
die Umrisslinien zweier Ritter
auf Pferden eingeritzt sind,
und Kleeblattblendbogen. Fine
nicht mehr zugängliche Treppe
führt von hier herunter in
einen verliessartigen Raum. Im
Erdgeschoss selbst, durch eine
(theihveise erneuerte) Mauer
von der Treppe getrennt und
durch eine geradsturzige Thür
zugänglich , ein halbrunder
Raum, der wenig Licht durch
Schiessscharten mit grosser Kammer erhält. Er ist durch ein später, wohl im 18. Jh. ein-
gezogenes Backsteingewölbe zu einer Art Wachtstube hergerichtet. Zwischen ihm und
dem zweiten Stockwerk führte eine jetzt zugemauerte Thüröffnung in den Ostpalas. Man
sieht schon aus dem bisherigen, dass der Thurm in späterer Zeit viele Ueberarbeitungen
erfahren hat, die seine ursprüngliche Anlage nicht mehr klar erkennen lassen. Das
wird sofort bestätigt durch das folgende, das zweite Stockwerk. Hier, wo sich nach
aussen die langen, interessanten Bogenschiessscharten (s. Fig. 21) öffnen, ist von dieser
Schiessscharte zu der Thür die Mauer abgespitzt, neues Mauerwerk eingefügt und doch
muss zu der Erbauungszeit die Mauer den Raum noch weniger eingeengt haben, da
sonst die Oeffnung für Schützen ganz unbrauchbar gewesen wäre. Auch die Gurtbögen,
welche die Decke dieses ganz unregelmässigen Gewölbes (bei ebenso unregelmässigem
Fig. 21. Bogenschiessscharte im Storchenthnrm zu Lahr.
4'
52
KREIS OFFENBURG.
Grundriss) tragen, sind zweifellos erst im 16. Jh. eingezogen worden, ebenso sind die
Treppen zum Theil bei späteren baulichen Eingriffen verändert. Zwischen dem zweiten
und dritten, und ebenso über dem letzten Stockwerk war die Treppe einstmals durch
I hiiren abschliessbar, deren Spuren noch sichtbar. Das nun folgende dritte Stockwerk
zeichnet sich durch sorgfältigere Behandlung aus. Es ist gegen die Treppe durch eine
Quermauer abgeschlossen, rechts und links von dem durch die einfache Thür Ein-
tretenden sind in der Mauerdicke Flachnischen ausgespart, während die vierte Seite
winnen, da hier im 17. Jh. durch Einziehen schlechter Riegelwände Alles zu kleinen
Zimmern umgeändert worden ist. Ein ähnliches Dach wie heute mag ehemals die
Bekrönung gebildet haben, das heutige, durch einen mächtigen hölzernen Dachstuhl
gehalten, der wohl auch schon in das 17. oder 16. Jh. hinaufragt, es trägt das Storchen-
nest, das dem Thurm den Namen giebt.
Die Thurmmauer war nach dem Innern des Schlosshofes zu bis zu etwa 2/3 Höhe
muldenartig eingeschnitten, um dem hier sich anfügenden Gebäude den guten Anschluss
zu ermöglichen, was allein schon die Gleichzeitigkeit der Bauten beweist. Von diesem
Gebäude stehen nur noch die zwei an den Thurm anstossenden Aussenmauern in einer
Stärke von etwa 2 ’/2 m. Diese Mauern zeigen nach aussen die gleiche vorzügliche
Bossen-Quaderbekleidung wie der Thurm, nach innen zu eine Bekleidung mit sauber
glatt behauenen Quadern, während der Zwischenraum durch Gussmauerwerk ausgefüllt
ist. Alles also in vorzüglich oolider Technik. Das nördliche Mauerstück, das noch
etwa in der Länge von 8 m erhalten ist, hat im unteren Theil keinerlei Oeffnung, im
oberen dagegen die Hälfte eines gekuppelten Fensters, zwei Kleeblattblendbögen
durch die runde Linie der Thurmmauer das Ge-
mach apsidenartig abschliesst, welches von einem
Kreuzgewölbe mit birnenförmig profilirten Rippen
auf achteckigen Konsolen gedeckt wird. Letztere
sind leicht konkav (s. Eig. 22). Der Schlussstein zeigt
verwaschenes, flaues Blattwerk, das auf das 15. Jh.
weist. Die Anlage des Raumes legt den Gedanken
an eine Kapelle nahe; doch möchte ich mich
darüber nicht sicher aussprechen. Dafür sprechen
aber jedenfalls die in den beiden Flachnischen vor-
handenen, jetzt theilweise zugemauerten, Doppel-
fenster mit spitzen Kleeblattbögen (s. Fig. 23). Von
hier aus führt wieder eine Thür in den Ostpalas,
sowie dann, in der Dicke der Mauer, ihrem runden
Zuge folgend, die alte Treppe zur Plattform,
die von mächtigen Zinnen umgeben war, deren
Zwischenräume jetzt zum Theil durch späteres
Flickmauerwerk ausgefüllt sind. Wir sehen im
Innern hinter den Zinnen eine kleine Aufmauerung,
die wohl einer Balkenlage gedient haben mag.
Ueber die ehemalige Gestaltung dieses obersten
Theiles wie über die Art der Endigung der Zinnen
können wir keine sichere Anschauung mehr ge-
Fig. 22. Rippe mit Konsole aus dem IV. Stock-
werk des Thurmes der Tief bürg Lahr.
AMT l,AHK.
LAHR.
53
(einer noch erhalten) auf schlanken Säulchen mit Tellerbasen und Knospenkapitellen,
das Ganze war umschlossen von einem grossen Blendrundbogen und der Zwischenraum
durch eine Platte mit geometrisch geschnittener Oeffnung geschlossen (s. Fig. 24). Sichtbar
auch noch die Löcher für die Verschlussbalken.
Die südöstliche Wand, etwa 9 m lang erhalten, von der gleichen Dicke wie die
andere, aber mit nach Innen nicht so gut sauber hergestelltem Mauerwerk und mit dem
Thurm anscheinend nicht bündig, zeigt zunächst dem Thurm nicht ganz in der Höhe
des geschilderten Nordfensters eine
schlanke, im Kleeblattbogen abge-
schlossene Thür, die ehemals zu einem
Abort führte, dessen Konsolen noch
aussen sichtbar sind. Dann, ebenfalls
etwas tiefer wie das Nordfenster, ein
grosses Doppelfenster, durch einen ab-
geschrägten Pfosten getheilt, geradem
Sturz über den beiden Oeffnungen,
darüber in flacher Ausführung —
gleich der unteren Thür in den
Thurm — Kleeblattblendbögen und
eine geometrisch ausgeschnittene Stein-
platte, das Ganze von einem runden
Blendbogen zusammengehalten. Im
unteren Theil der Mauer über dem
jetzigen Erdboden ein gleiches, lange
Zeit als Hühnerstall gebrauchtes
Fenster. Bei beiden sind die Ge-
wände einfach abgeschrägt. Im Innern
in der stattlichen Mauerdicke spannt
sich über ihnen ein Rundbogen.
Ueber dem unteren Fenster ein Unter-
stützungsspitzbogen. Im unteren Theil
daneben vom Innern aus ein ent-
sprechender Rundbogen, aber durch sehr roh behauene Steine gebildet, der aber nicht
zu einem Fenster gehört, sondern schräg in die Tiefe führt. Vielleicht der auf der
alten Ansicht angedeutete Ausgang in den Graben?
Am ganzen Gebäude zerstreut die für die Mitte des 13. Jhs. ebenfalls charak-
teristischen Steinmetzzeichen (s. Fig. 20).
Und nun werfe man einen Blick auf die beiden in Fig. 17 und 18 abgebildeten
Aquarelle. Auf dem einen (Fig. 18) sehen wir die Nordostwand und zwar an den Thurm
anlehnend einen ziemlich hohen Giebel, in diesem in drei Stockwerken übereinander
zuerst zwei, dann je ein Fenster, unten aber im Hauptgeschoss des Gebäudes ein
gekuppeltes Rundbogenfenster, das Fenster, das wir in Fig. 23 wiedergegeben haben,
wie es deutlicher und genauer der etwas unbeholfene Zeichner bei dem kleinen Massstab
gar nicht hätte wiedergeben können. Der Giebel allerdings ist der Zeit zum Opfer
gefallen, das Fenster aber steht noch. Und bei der Siidostwand (s. Fig. 17) giebt der
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Fig. 23. Doppelfenster im Storckenthurm zu Lahr.
54
KREIS OKFENBURG.
Zeichner ebenfalls mit wünsch ens weither Deutlichkeit die beiden von uns geschilderten
Fenster übereinander, dann wieder ein Fenster, das heute nicht mehr vorhanden, und
dann, wohl dem Thurm etwas
zu nahe gerückt, der Ausgang in
den Graben. Aber nach Allem
dürfen wir, wenn auch nicht in
jeder Kleinigkeit — z. B. nicht
in der Fensterzahl — seinen
Angaben unbedingt trauen und
können uns danach das Bild
des Schlosses folgendermassen
rekonstruiren :
In dem unregelmässigen
Viereck standen sich gegenüber
die zwei palasähnlichen Bauten
B und D. Beide schlossen sich
an je zwei Thürme der Um-
fassungsmauer an ; die Innen-
räume der Thürme waren theil-
weise mit zu Wohnzwecken be-
nutzt. Die Aussenmauern des
Schlosses waren zugleich die
Aussenmauern dieser Gebäude.
Beide waren, wie es schien, im
edelsten Uebergangsstyl erbaut.
Von B können wir sicher sagen,
dass es ein Satteldach besass,
noch sehen wir auf der Zeich-
nung den stattlichen Giebel, der
sich an den Thurm (A) anlehnte.
Der Bau scheint drei Stockwerke
gehabt zu haben; der Erdboden
bedeckt heute das untere, das
sich in einer runden Ausfallthür
nach dem Graben öffnete. Das
Stockwerk darüber zeigt ge-
kuppelte Rundbogenfenster —
es mag wohl die Prachtsäle ent-
Fig. 24. Fenster in der Tiefburg Lahr. halten haben , das obere
Stockwerk ein derartiges Fenster
und dann durch einen Pfosten getheilte geradsturzige Fenster. Gegen den Hof f C) zu
hatte der Bau Spitzbogenfenster und ein grosses spitzbogiges Thor. Eine etwas stärkere
Mauer trennte das letzte Drittel des Baues von dem andern Theil. Von dem gegenüber-
liegenden Bau können wir auf dem Aquarell noch vier grosse gekuppelte Fenster
erkennen, die gedrückte Spitzbogen zu haben scheinen, wenn das nicht, wie bei dem
AMT I.AHK.
I.AHK.
55
gegenüberliegenden Bau nach den Kesten sicher, als missglückte Rundbogen auf Rech-
nung des Zeichners kommt. Die Südmauer des Hofes ( C) scheint eine rundbogige
Ausfallthür (?) gehabt zu haben und eine grosse (?) Schiessscharte, die Nordmauer — an
der wir das gekuppelte Fenster der Schmalseiten der Bauten B wie D noch erkennen —
öffnete sich in spitzbogigem Thor zu der steinernen Brücke. Kurzum, das klare Bild
einer mehr für eine gewisse Prachtentfaltung, als für starke Vertheidigungen errichteten
Anlage.
Indess scheint eine alte Notiz, die Stein mittheilt und die auch Ruppert
abdruckt, diesem ziemlich klaren Befund zu widersprechen. Danach stand nämlich in
dem Schlosse noch ein auf unsern Abbildungen nicht ersichtlicher Thurm. Ich drucke
diese Nachricht nach Stein ab:
tn dem Schlosse stand ehemals noch ein viereckigter, 32 Fuss in das Gevierte haltender,
Thurm, der im Jahr 1655, auf Befehl der Regierung, abgebrochen werden sollte. Sie trug dabei
ihrem Beamten auf, lleissig zu achten, wie derselbe inwendig beschaffen sey, »da in dergleichen
alten Gebäuden oft Sachen wären, die nicht für Jedermann passten.» In dem
hierauf erstatteten Berichte heisst es: dass sich das Abbrechen ohne allzugrosse Mühe und Kosten
»nicht machen lasse, denn das Gezeug sey gar fett und viel härter und fester als die Steine selbst.
Derowegen habe man den Thurm mit allem Fleiss besichtigt und gefunden, dass noch ein Gewölbe
»30 Werkschuh tief darunter sey, dieweilen aber uns der Thurm zu besteigen unmöglich, auch bei
»solchen Umständen andern Leuten anzuvertrauen nicht zu verantworten gedacht; als haben wir dem
»Boden gleich ein grosses Loch eingebrochen. In Auswertung des Grundes, so viel sich annoch
»thun lassen, in Beiseyn unserer des Beamten und Maurermeisters) anders nichts als vermoderte
»grosse und kleine Menschen beisamt verbrannter Asche, welches annoch auf sechs Werkschuh tief
»und Morgens Tags, geliebts Gott, vollends ausgeführt und nach Erfund Bericht erstattet werden soll,
darin befunden, daraus zu inuthmassen, dass vor alten Zeiten Leut darein gethan und mit Feuer
»erstickt und verbrandt worden.«
Weitere Nachrichten fehlen. Von aufgefundenen Waffen oder sonstigen Geräthschaften geschieht
keine Erwähnung.
Nach dem von dem Maurermeister bei dieser Gelegenheit gefertigten Plane enthält der Thurm
drei viereckigte Gewölbe übereinander. Das unterste, 14 Fuss weit und 30 Fuss hoch, wovon 6 Fuss
in dem Boden und 30 Fuss im Lichten, hatte 9 Fuss 4 Zoll dicke Mauern. Aus ihm ging ein
2^2 Fuss weites Loch durch die Wölbung in das mittlere, gleich grosse, und 1 1 Fuss hohe Gemach,
in dessen vier Seiten eben so viele innen 3 Fuss hohe, aber enge auslaufende, Wartlöcher angebracht
waren. Eine 3'/2 Fuss lange und 2 Fuss breite Oeffnung führte in das oberste Gemach. Dieses,
ein 10 Fuss hohes Kreuzgewölbe von der nemlichen Weite wie die übrigen, hatte auf entgegen-
gesetzten Seiten zwei Wartlöcher, einen Kamin, einen Abtritt und eine Treppe, auf der man inner-
halb des Thurmes auf dessen 3^2 Fuss hohe Brustwehr stieg. Aus einer Thitre, der einzigen dieses
Thurines, kam man auf die Fallbrücke, welche mit den Schlossmauern oder Gebäuden in Verbindung
gewesen seyn muss. Der Thurm scheint in der Mitte des Schlosses gestanden und jenen Platz ein-
genommen zu haben, welchen das Viereck des, vor dem Jahre 1643 entworfenen, Schlossplanes
bezeichnet. Diese Vermuthung wird noch dadurch sehr bestärkt, dass die Wohn- und Oekonomie-
Gebäude an den Seiten angebracht waren, und die Schlossmauern allenthalben Oeffnungen hatten.
Der erwähnte Regierungsbefehl nennt diesen Thurm vorzugsweise den alten, und man scheint
ihn daher schon damals für älter als die runden Eckthürme gehalten zu haben. Auffallend ist es,
dass das Innere desselben der Regierung und ihren Beamten unbekannt geblieben war, und dass
man darin besondere und wichtige Geheimnisse, deren allgemeine Bekanntwerdung man nicht für
räthlich hielt, verborgen glaubte.
Woher diese Nachricht stammt, habe ich bis jetzt nicht konstatiren können ; sie
ist immerhin so bestimmt, dass wir ihr einstweilen Glauben schenken dürfen und ich
möchte danach annehmen, dass dieser Wohnthurm, für den in dem doch 12 m breiten
Hofe ( C) reichlicher Platz war, stehen geblieben ist als Ueberrest der alten einfacheren
56
KREIS OKFENBURG.
Geschichte
der Stadtanlage
Tiefburg vor der Besitzergreifung durch die Geroldsecker. Nicht unmöglich aber auch,
dass diese ihn gebaut haben, um der Anlage doch einen grösseren, fortifikatorischen
Werth zu verleihen, als sie nach unsern Bildern zu haben schien.
In dem Hofe bei dem Thurm werden jetzt die Ueberreste des alten Lahrer Galgens
aufbewahrt.
Zu gleicher Zeit etwa mit diesem Burgbau wurde, einige hundert Meter davon
entfernt, das Spital und die Stiftskirche erbaut, die unten besprochen wird. — Im Jahre
1279, da zum ersten Mal von einer Stadt Lahr gesprochen wird, wird dieselbe schon
nicht mehr schutzlos den Feinden preisgegeben, sondern durch eine Befestigung geschützt
gewesen sein. Welcher Art diese war und welchen Umfang sie hatte, können wir,
mangels irgend welcher Anhaltspunkte, nicht sagen. Jedoch kennen wir die Lage der
Schlosskapelle auf dem heutigen Schlossplatz, in der die Bürger bei geschlossenen
Thoren den Gottesdienst besuchten ; sie wird also gegen die Stadt zu gelegen haben,
die sich demnach schon damals nach der gleichen Richtung wie auf dem Merian’schen
Plane ausdehnte, wenn sie auch jedenfalls nicht so viel Raum einnahm. Ein Blick auf
den Stadtplan lässt zunächst eine älteste Anlage vermuthen, die durch die heutigen
Metzgerstrasse, Kirchstrasse, Bismarckstrasse und Waldhorngasse bezeichnet wird und
mit dem darin einbezogenen Schloss etwa ein unregelmässiges Achteck bildete. Zur Zeit
jenes Bürgerbuches 1356 scheint Lahr trotz der nicht geringen Zahl der Bürger keine
grösseren Bauten besessen zu haben, auch die Zahl der aus Stein gebauten Häuser war
gering1), so dass es, wie Ruppert sagt, »Ringmauern undThore abgerechnet, in seinem
Aeussern in nichts von den benachbarten Dorfschaften verschieden war«. Unter den
erwähnten Oertlichkeiten der Stadt befindet sich eine Kapelle, die Predigerherberge, ein
Schulhaus, das Friesenthor, das Rappenthor, das Fulhabernthor, die Trinkstube, die
Badstube, die Brodlaube, der Weg, »do die Kefige (Gefängniss) stant« u. s. w. Inner-
halb der Ringmauer befand sich noch die Stadtmühle, die vordem dem Kloster Gengen-
bach gehört hatte; endlich wissen wir noch, dass seit 1366 das Kloster Schuttern hier
ein Haus besass und etwas später auch das Kloster Gengenbach.
Das Rappenthor ist damals vielleicht am Anfang etwa der heutigen Rappenthor-
gasse zu suchen, es hat auch zu Merians Zeiten (aber wohl an anderer Steller) noch
so geheissen, während ich den Ort des Fulhabernthores nicht zu bezeichnen weiss.
Durchflossen wurde die Stadt von dem Gewerbekanal, der auch den Schlossgraben
bewässerte. Oestlich, einige 100 Meter von den Mauern entfernt, lag die Stiftskirche
mit den Stiftsgebäuden, um die sich wohl auch schon einige Ansiedelungen gruppirt
hatten. Vor der Stadt lag ein Ackerhof von beträchtlicher Grösse, der zum Schloss
gehörte. Weiter südlich floss die eigentliche Schütter dahin, um sich zwischen Dinglingen
und Lahr wieder mit dem abgeleiteten Kanal zu vereinigen.
In den folgenden Jahrhunderten wird die Stadt trotz mancher Schwankungen
allmählich an Umfang zugenommen haben, die alten Häuser werden durch solche aus
Stein ersetzt worden und mancher öffentliche Bau mag erstanden sein. 2) Allzu schön
dürfen wir uns aber diese Bauten nicht vorstellen; bezeichnend genug ist der Umstand,
1) Ruppert a. a. O. S. 359.
2) Es kann nicht die Absicht sein, hier auf Grund neuer Untersuchungen die Baugeschichte
Lahrs zu schaffen. Es wäre aber sehr erfreulich, wenn unsere Skizze dazu anregen wollte, wie über-
haupt eine wissenschaftliche Geschichte der Stadt Lahr ein äusserst dankenswerthes Unternehmen wäre.
AMT J,AHk.
I.AIIK.
57
dass von Bauformen des 13. bis 15. Jhs. geradezu nichts erhalten ist, während die
Renaissance ausser grösseren Bauten auch zahlreiche Spuren hinterlassen hat, obgleich
zwischen beiden Perioden keine nennenswerthe Zerstörung der Stadt zu konstatiren ist,
die das etwa erklärte.
1456 erfahren wir von einem Rathhaus: es findet »in der grossen ratstube« ein
Schiedsgericht statt zwischen den Klöstern Schuttern und Gengenbach. ’) Auch von
diesem Rathhaus aber scheinen mir keinerlei Reste mehr erhalten. — 1471 bestätigt
Kaiser Friedrich III. die von Lahr unternommene Verlegung der Strasse, d. i. also doch
der Schutterthalstrasse, die vormals unter der Stadt hingegangen und unbrauchbar (?)
geworden war, in die Stadt. 2) Diese hatte nun solche zu unterhalten »zu friedsamer
Förderung und Nothdurft derer, die mit ihrer Kaufmannschaft und Handthierung die
Stadt besuchten, in Bau und Besserung. Aus diesem Grunde erhielt sie das Recht, im
Umfange von einer Stunde ein Weggeld zu erheben. Zugleich wurde ihr, sowie andern
Mauthstädten die Bestrafung der Defraudanten überlassen; doch durfte der gemeine
Mann nicht beschwert werden und den Rechten des Kaisers und Reichs, so wie Anderer,
kein Eintrag geschehen«. Diese Strasse ist nun sicher die, welche durch die ehemalige
Rappenvorstadt, die Rappengasse, den Urthelplatz, die Spitalgasse zum Dinglingerthor
hinaus zog nach Dinglingen, oder wie es heute heisst (leider hat man auch hier mit den
alten Namen aufgeräumt), durch die Geroldsecker Vorstadt, die Friedrichstrasse und die
Kaiserstrasse nach Dinglingen. Da nun Stein an anderer Stelle (S. in) davon spricht,
dass nach »den noch vorhandenen Trümmern« — was ich heute nicht mehr nachprüfen
kann die ursprüngliche Stadtmauer anders verlaufen sei, als auf dem Plane von 1643,
nämlich »in bogenförmiger Linie bei der »Krone« und dem Willig’schen Hause durch
die Stadt, so dass die nördliche Grenze letzterer nur wenig nördlich der Obststrasse und
des Marktplatzes hingezogen sei, während die ganze obere Stadt erst die Folge einer
späteren Erweiterung ist«, so scheint mir das auf den wahrscheinlichen Sachverhalt zu
deuten: vor dem Jahre 1471 wurde der Umfang der Stadt umschrieben durch die
Mauern, welche sich, selbst im heutigen Plane noch erkenntlich, folgendermassen herum-
zogen : im Nordwesten etwa im äusseren Eck der südlichen Gebäude der Hundstrasse
beginnend, zunächst in einiger Entfernung der heutigen Schillerstrasse dieser parallel,
dann in einem stumpfen Winkel nach Westen umbiegend mit einem weiteren Knie zum
Gewerbekanal, von diesem mit mehreren »Knieen« zum Graben des Schlosses, das am
Südende der Stadt über die Mauern hervorragte. An der Ostseite des Grabens schlossen
sich diese wieder an, zogen in mehreren Knicken etwa in der Linie der heutigen Bismarck-
strasse (an Stelle der alten Schäferei) nordöstlich zum Kanal, dann etwas umbiegend
direkt nach Norden bis zum Vogtsthor, von hier durch die Gebäude zwischen der
Schnadergasse und der Alleestrasse endigend in einem Knie bis zur Rappenthorgasse,
hier das ältere Rappenthor, dann etwas nördlich der Obstgasse und des Marktplatzes
herüber zum Anfang. Hier scheint mir die Art des Anschlusses nicht mehr zu erkennen.
In dieser älteren Stadt waren die hervorragenden Stellen südlich das Schloss mit dem
Schlossplatz und nördlich der Markt- oder Sonnenplatz, an dem wir wohl das alte Rath-
*) Ruppert a. a. O. S. 374/375-
2) Stein a. a. O. S. 42. — Da Stein leider fast nirgends seine Quellen angiebt, so sind
seine Angaben kaum nachzuprüfen, doch ist er im Allgemeinen verlässig; hier aber habe ich gegen
die Angabe, dass die Strasse »unbrauchbar« geworden sei, Zweifel.
58
KREIS OEKENHURG.
haus vermuthen dürfen. Nördlich der Stadt nun zog die genannte grosse Strasse vorbei,
an der allmählich ausser der schon früh genannten Rappenvorstadt auch nach Westen
hin zahlreiche Häuser erbaut worden waren. In der zweiten Hälfte des 15. Jhs. machte
sich nun das Bedürfniss fühlbar, auch diese Häuser in den Mauerbereich einzuschliessen,
womit denn auch die Strasse in denselben fiel, was eben 1471 von Kaiser Friedrich III.
genehmigt wurde. Die alte nördliche Mauer wurde niedergerissen, da wo die Mauer
von Süden herkommend auf die Rappenthorstrasse stiess, bog sie nun in einem spitzen
Winkel nach Osten, der Südlinie^der Gasse folgend, bog schliesslich um und stiess etwa
gegenüber der Einmündung der Zollamtstrasse auf die Friedrichstrasse (ehemalige Rappen-
gasse). Hier stand das spätere Rappenthor. Von da zog die Mauer nördlich der
Brestenberggasse und der vorderen Mauergasse (vor der Mauer) :) in mehreren Knicken
etwa bis zur Brunnengasse, von hier fast rechtwinklig nach Südwesten umbiegend in der
Richtung der Schillerstrasse über die heutige Kaiserstrasse (ehemalige Friedrichsstrasse);
wo sie diese traf, stand das Dinglingerthor. In der gleichen Richtung zunächst weiter-
gehend, bog sie dann etwa in der Höhe des Sonnenplatzes in fast rechtem Winkel nach
Südwesten um und traf hier auf die ältere Befestigung. Zu den genannten zwei Haupt-
plätzen der alten Stadt kam nun der wohl schon vor der Einbeziehung bestehende Urthel-
platz, an dem dann — naturgemäss an der neuen Hauptstrasse — das spätere Rathhaus
erbaut wurde. So etwa scheint mir die Baugeschichte der Stadt zu rekonstruiren. Von
nun an fehlen weitere Anhaltspunkte, da wir aber nicht wohl Grund haben, in den zwei
Jahrzehnten des 17. Jhs. vor dem dreissigjährigen Krieg eine bedeutende Veränderung
anzunehmen, so dürfte uns die Anlage im 16. Jh. durch den, den obigen Angaben schon
zu Grunde gelegten, Me ri an 'sehen Plan vor 1643 erhalten sein. Danach ergiebt sich
eben jener Mauerumfang, wie auch die drei charakterisirten Hauptstellen leicht ersichtlich
sind, ebenso die grosse Strasse, welche durch den oberen Stadttheil durchführen (s. auch
Fig. 25, unterer Plan). Wir sehen daraus, wie sich um den Urthelplatz, dessen ursprüng-
liche Bestimmung aus seinem Namen erhellt, die wichtigsten Amtsgebäude gruppiren. 2)
Noch in der Spitalgasse die Landschreiberei, dann am Beginn des Urthelplatzes das
Rathhaus, weiterhin der Stiftshof, die alte Landschreiberei, die herrschaftliche Trotte,
das Pfarrhaus, der Speicher, in der Rappengasse am Thor der Amtshof, gegenüber der
Amtsgarten. Am Ausgang der Spitalgasse das Spital. An dem zweiten Mittelpunkt,
dem Marktplatz, lagen Metzig und Brodlaub, am Ausgang der Judengasse die Juden-
schule und schliesslich in der Nähe des Schlosses am Kanal Marstall, Reitschule und
Badhaus, auf dem Schlossplatz die Kapelle. Die Stadt hatte 4 Thore, nach Westen das
Dinglinger Thor, nach Norden das offenbar stattlichste Obere Thor, welches aus zwei
Thoren, deren vorderes mit einem Kreuzgewölbe geschmückt war, und einem Zwischen-
hof bestand ; das Rappenthor, das sich zur Strasse ins Schutterthal öffnete und vor dem
später die eigentlich schon früher genannte Rappenvorstadt lag. Endlich nach Süden
zu am Ende der Kirchgasse das Vogtsthor, auch dies nach Fig. 25 aus zwei Thoren
bestehend, wie das ja überhaupt üblich war, durch das man in die Vogtsvorstadt und
auf dem Kirchweg zwischen dem Schulgarten und dem Pfarrgarten in die Stiftskirche
x) In der hinieren Mauergasse Nr. 6 noch die unten erwähnten Reste der Mauer und eines
halbrunden Thurmes.
2) Ich entnehme diese Angaben der Erklärung Stein’s zu seinem Plan II (Fig. 24), von denen
ich nicht weiss, woher er sie hat.
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br*üue. 3eJ ftäberr/zf/Att . Aß Mark/pa/se . öi-/) Obeb/ape. 4-1 Flapper/jper/&c . 4%. Obere Stnöör/mn
43&piö/Afa/rc . 44 OrAecrtpa/se . 44 OrAsert/jf/i/Stt . 4Ö ßce/öerörua/z. 07 Kra/nerya/de. 4o. Ju/öe/Ufa/d. 40Ptt/.
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0f~rVa,'ÖSsssisj . 3 fJbnrw Th/i/'. ^ 0/n^4d//yfjr-'J7i//Jr‘. -/O Jds/sssyrjyt//, m.
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npcdcAr> dreö/e/ssid, /J 7r//^yipjd/'sd*r> {d>//or-/ö^^ J-rzJ;s r'ck /A De/r/sr/
'Aivr//s?s P'/dir/cf,- . ^ Lj*?/x.be/A,,,'irJ. e Crebrödd .
• 'ffs/yi.t&rssA' oon //O tAti^/rr st
Fig. 2g. Lahr im Jahre 1827 und Lahr vor 164s.
( Nach Stein' s Gesell, u. Beschreib, der Stadt Lahr.)
AMT LAHR. — LAHR.
59
gelangte und zu dem Kloster, hinter dem sich der Stiftsgarten und der Dekanatsgarten
ausdehnte. Ihnen gegenüber, über dem Kanal zwischen diesem und der Schütter, der
Diakonatsgarten und die Klostermatte, weiter nach Westen die Amtsmatte und vor
einem Theil der Südseite die Schäferei. Von Brunnen finden wir vermerkt auf dem
Fig. 26. Vogtstho > und Vogtsvorstadt am Ende des 18. fhs. (von der Schäferei aus gesehen).
Urthelplatz der »obere Stockbrunn«, am Ausgang der späteren Hundsgasse der »Bader-
brunn«, am Beginn der Kirchgasse der »untere Stockbrunn«, in der »Kirchgasse« der
»Kuttelbrunn«. Die Namen der Strassen sind zum Theil dieselben geblieben bis ins
1 9. Jh., wie wir sie auf dem Plan von 1827 noch lesen ; nur der Name der Badergasse
ist in Mühlgasse, der Strauchgasse in Schnadergasse umgeändert worden ; erst die unselige
Umtaufleidenschaft unserer Tage hat gerade die für die Geschichte der Stadt charak-
6o
KKKIS OI'i-'ENBURG.
betrug 1629 ohne
So mag die Stadt
teristischen alten Namen hinweggenommen. Die Zahl der Häuser 1
die gefreiten und ritterschaftlichen Sitze und ohne Burgheim 275.
ziemlich unverändert bis in das Ende des 18. Jhs. ausgesehen haben, die Verwüstungen
der Franzosenkriege allerdings dazu gerechnet. 1734 wurde zum letztenmal das Schloss
mit Palissaden und trocknen
Mauern so gut wie möglich
befestigt, die Mauern längs der
Schäferei abgebrochen und vor
den Stadtthoren Gatterwerke
angelegt. Ein Bild des Schlosses
in damaliger Zeit haben wir
in Fig. 17 und 18 gegeben.
In dem Graben waren mit der
Zeit Karpfenteiche angelegt
worden. 1754 überliess Fürst
Carl von Nassau den ganzen
Platz nebst dem Graben und
der steinernen Brücke, mit Aus-
nahme des zu Gefängnissen
gebrauchten Thurmes und des
Folterhäuschens der Stadt zum
Anbau mit Häusern. 2)
Eine Ansicht eines Theils
der Stadt, nämlich des Vogts-
thores mit dem Anfang der
Vogtsvorstadt von der Schäferei
aus, aus dem Ende des 18. Jhs.
können wir nach einer Aquarell-
kopie aus den Städt. Samm-
lungen in Fig. 26 wiedergeben.
Hier sehen wir auch die Stadt-
mauer, über deren üblichen
Typus mit hölzernen gedeckten
Wehrgängen uns die Bilder der
Tiefburg ebenfalls Aufschluss
gaben, an welche sie mit
runden Thürmen anschloss. Als
Stein seine Geschichte der
•Stadt Lahr schrieb (1827),
standen noch das Dinglinger Thor und das obere Thor, aber seinem Plan nach nur noch
zum kleinen Theil, während das Rappenthor mehrere Jahre vorher und das Vogtsthor ein
Jahr vorher abgebrochen war; die Hauptstrasse, vor den Mauern neue, in der Stadt
Marktstrasse, führte bereits über den Schlossplatz. Die Vorstädte, sowohl die alten : die
Fig. 27. Alte Strasse in Lahr.
(Getuschte Federzeichnung von K. Wey ss er im Bilderarchiv
der Grossh. Sammlungen. )
1) Stein a. a. O. S. 1 12.
“) Ebenda S. 108.
AMT LAHR.
LAHR.
61
Rappen- und die Vogtsvorstadt, als auch die Dinglinger Vorstadt hatten damals ein
grosses Wachsthum zu verzeichnen. In ihnen waren eine Anzahl, zum Theil sehr statt-
licher und vornehmer Häuser im späten Zopf- und Biedermeierstyl entstanden, typisch
für Lahr insbesondere die Verbindung eines freistehenden Wohnhauses mit zwei ein-
stöckigen, vorgelagerten Flügelbauten, Magazinen und im Anschluss daran noch Fabrik-
gebäude, wie die verschiedenen Lotzbeck’schen Anlagen, die Friedrich Vogel’schen
Gebäude, die Trampler’sche und die Daniel Völcker’sche Cichorienfabrik. Auf noch
erhaltene, charakteristische Beispiele werde ich unten eingehen. Die Altstadt bot, wie
gesagt, ziemlich unverändert noch das alte Bild. Aber auch diesem wollte man zu
Leibe gehen. Der Stadtrath liess damals durch Weinbrenner einen Plan ausarbeiten,
nach dem Lahr zu einer regelmässigen Anlage umgeändert werden sollte. ]) Derselbe
kam jedoch nicht zur Ausführung. Indess hat das 19. Jh. doch so gründlich mit dem
Alten aufgeräumt, dass das Stadtbild stark verändert erscheint. Die Grundanlage blickt
allerdings noch durch und besonders zwischen Marktplatz und Storchenthurm hat sich
der alte Charakter noch ziemlich erhalten. Hier haben sich auch noch malerische
Gässchen erhalten, mit Fachwerkbauten und Holzgallerien, wie sie Weysser in seinen
Aquarellen und Zeichnungen, von denen wir eine (s. Fig. 27) abbilden, festgehalten hat.
Ein besonders schöner Blick von der Brücke bei dem Schlossplatz. Wenn nun auch
nur ein Pedant verlangen kann, dass unbesehen jedes alte Haus konservirt werde, so
kann die Denkmalpflege doch fordern, dass nicht lediglich der Reisschiene und dem
Zirkel des Geometers zu Liebe ohne dringende Nothwendigkeit der Charakter dieses
Stadttheils verwischt und durch eine banale Neuanlage ersetzt werde.
Kirchen : Die ersten Ansiedelungen um die Burg Lahr gehörten in das Kirchspiel Kirchen
Burgheim, als aber nach der Erhebung zur Stadt dieselbe sich auch westwärts ausdehnte,
überschritt sie damit die Zehntgrenze von Burgheim und damit gehörte ein Theil in das
Kirchspiel Dinglingen. So besass Lahr, längst Stadt geworden und an Bedeutung allen
Nachbarorten überlegen, bis zum Ende des Mittelalters keine Pfarrkirche. Denn das
vor den Mauern gelegene Kloster, über welches weiter unten gehandelt wird, besass zwar
eine stattliche Kirche, aber keine Pfarrrechte. In der Stadt existirte als älteste Kaplanei
die bei dem Schloss. Die Schlosskapelle (unser liebe frau und die märtyrer Crispin Schloss-Kapelle
und Crispinian in der kapelle zu Lahr ad a. 1497) stand an der von uns schon ange-
gebenen Stelle vor dem Schloss. Später entstand dann die Kapelle im neuen Spital. Spitai-Kapeiie
Während das alte sich seiner Stiftung gemäss bei dem Kloster befand, war dieses neue
mindestens 90 Jahre nach jenem schon in der Stadt gegründet und ist, wenigstens
später, an dem Dinglingerthore nachzuweisen. In diesem neuen Spital stiftete Walther VI.
am 2. März 1349 in honorem trium magorum et S. Petri et Pauli eine Pfründe2), deren
Patronat er sich und seinen Nachkommen reservirte. In der Urkunde ist sein Bruder
Heinrich »rector ecclesiae parochialis in Dinglingen«, in dessen Kirchspiel eben dies
Hospital gelegen sei, erwähnt. Es ist dies der Bruder, der wieder in den weltlichen
Stand zurücktreten musste, um das Geschlecht weiterzuführen, als Walther noch in dem
gleichen Jahre starb. Sein Vater, Walther V., stiftete dann am 5. November des gleichen
Jahres in dem gleichen Spital »in hospitali novo« eine Pfründe zu Ehren der h. Nicolaus,
*) Stein a. a. O. S. 113.
2) Reinhard Urk. S. 57. — Ruppert a. a. O. S. 370.
6 2
KREIS OFFENBURG.
Erhard und Leonhard, deren Patronat er sich ebenfalls reservirte. ]) Erwähnt wird
»Ulrich Pfister ein priester, zu den Ziten spittal pfleger zu Lar 1391« ; ein »Jocob caplon
zu sant Peter und sant Paulus alter in dem spittal zu Lor gelegen 1419; capellanus
sancti Anthonii hospitalis infirmorum 1464; capellanus sanctorum Leonhardi et Nicolai
vel dominii in hospitali 1464.« 1 2) Wie bei der Schlosskapelle wurden auch diese Priester-
präbenden später mit dem Stifte vereinigt und während der Gemeinherrschaft Badens
und Nassaus von diesen abwechselnd vergeben.
Der Mangel einer eigenen Pfarrei machte sich aber allmählich immer fühlbarer,
denn nur in Nothfällen dringendster Art war es den Geistlichen oben genannter Pfründen
gestattet, Funktionen vorzunehmen, die den Pfarrherrn von Burgheim und Dinglingen
zustanden. Zur Errichtung einer Pfarrei aber gehörte nicht nur die Zustimmung der
Herrschaft und des Bischofs, sondern auch des Pfarrers und des Patronatsherrn von
Burgheim, welches an die Markgrafen von Baden übergegangen war. (Das von Ding-
lingen war an das Hochstift Strassburg gekommen.) Erst als die Markgrafen Mitbesitzer
der Herrschaft Lahr geworden waren, war es möglich, die Pfarrei Burgheim dem Stifte
in Lahr zu inkorporiren (1492). Die Einwohner von Burgheim und Lahr hatten nun
ihre Pfarrkirche zu sehen in der ältern Stiftskirche. Der Frühmesser im Spital und der
Kaplan auf dem Schlosse hatten sich aller seelsorgerlichen Verrichtungen zu enthalten.
Nur wenn bei Nacht die Thore geschlossen waren, der Zugang zu dem draussen gelegenen
Stift also nicht möglich war, durften der Kaplan der Schlosskapelle und der von Burg-
heim die Funktionen versehen. 3) Das Präsentationsrecht auf die Pfarrei aber behielt
sich Baden vor und ernannte sofort den Pfarrer Jacob Boll von Stuttgart dazu, der
damit zugleich Canonicus im Stift werden musste.
Kurz nach dieser Neuordnung wurde in der Schlosskapelle eine Predigerpfründe
von den Meistern des Schuhmacher- und Gerberhandwerks zu Lahr gestiftet 4) und ich
vermuthe, dass die Schutzheiligen dieser Zunft damals erst in den Titel dieser Kapelle
hineinkamen. 1518 wird noch erwähnt ein »Johannes Schyber zu der zeyt capplan
unserer frowen in der cappelen by dem schloss in der stat Lore«; bald darauf drangen
die Wogen der Reformation auch nach Lahr. Der neuen Lehre war Nassau von vorn-
herein günstig gesinnt, während Markgraf Philipp I. eine schwankende Haltung einnahm.
So konnte sich die neue Lehre in Lahr leicht einbiirgern. Während des Bauernkrieges
und seiner Nachwirkungen hatte die Lahrer Gemeinsherrschaft die Geistlichen ange-
wiesen, die Predigten dem Evangelium gemäss zu halten, den Sterbenden auf ihr Verlangen
das Abendmahl in beiderlei Gestalten zu reichen u. s. w. Nach der Niederwerfung der
Bauern 1526 kamen von Baden aus entgegengesetzte Befehle; als aber 1533 Markgraf
Bernhard III. an die Regierung kam, der wie Nassau der neuen Lehre zugethan, da
machte diese rasche Fortschritte, allerdings traten noch mehrere Schwankungen ein.
Etwa 1554/55 aber wurde mit Johannes Wolph aus Koburg der erste eigentliche prote-
stantische Pfarrer in Lahr eingesetzt; 1558 an und 1567 wurde durch Beschlüsse der
Gemeinherrschaft die neue Lehre zur allein herrschenden erklärt. Bei der Theilung 1629
1) Reinhard Urk. S. 59. — Ruppert a. a. O. S. 372.
2) Krieger II S. 8.
3) Ruppert a. a. O. S. 362.
4) Henning a. a. O. S. 100.
AMT LAHR.
LAHR.
6 3
kam Lahr an Nassau und blieb somit protestantisch. Erst im Jahre 1844 wurde wieder
mit dem Bau einer katholischen Kirche begonnen.
Auch nach Einführung der neuen Lehre blieben die Kapellen bestehen, auch das
Stift blieb bei seiner Einrichtung und erlosch erst allmählich. In den Stürmen der
Eranzosenkriege aber verbrannten 1673 die Schlosskapelle und 1677 die obengenannte
Spitalkapelle, während die Stiftskirche als Pfarrkirche bestehen blieb.
Ausser diesen Gotteshäusern bestand aber nach Stein noch eine Gutleuthaus-
kapelle ]), in welcher der Pfarrer von Dinglingen zu bestimmten Zeiten predigen musste,
die ebenfalls nicht mehf existirt. Bezieht sich darauf etwa die Nachricht von einem
»her Heinrich von Gisingen, lütpriester ze Lare 1312« ?2)
Das Augustinerkloster und das ehemalige Spital verdankt seine Gründung der
Gemahlin Walthers II. von Geroldseck. Diese hatte in ihrem Testamente »pro sui ipsius
ac suorum parentum animarum remedio« die Gründung eines Spitals für den freien
Unterhalt von zwölf Armen angeordnet und ihrem Gemahle empfohlen. 3) Dieser berief
zu diesem Zwecke aus dem Kloster Steige im Eisass vier Brüder und zwei Laienbrüder
(servos?) und übergab ihnen am 30. November 1259 in der Nähe seines Schlosses (s. o.
iuxta munitionem nostram) eine Hofstätte, stellte ausserdem noch drei Personen zur
Pflege der Armen an und stattete diese Stiftung offenbar auch sonst reichlich aus. (Der
Stiftungsbrief ist stark beschädigt.) W’eitere A^ergabungen machte er dem Kloster 1265 4)
und 1275 5). Auch sonst mögen demselben von verschiedensten Seiten Gaben zugeflossen
sein, so dass dasselbe rasch emporblühte, was wir allerdings nur aus den Baulichkeiten
schliessen können; denn, da das Archiv des Klosters gänzlich verloren scheint0), so ist
über seine Schicksale bis zur Säkularisation nur bekannt, was aus den sonstigen Lahrer
kirchlichen Verhältnissen erhellt. Auch in der Litteratur scheint das Kloster nicht
bekannt.
Die Mönche gehörten dem »Augustinerorden« an, d. h. wohl den nicht lange
vorher aufgekommenen Augustiner-Eremiten und zwar einer Kongregation, deren Mutter-
kloster wohl das erwähnte »Steige« gewesen zu sein scheint. Dieser Gruppe gehörten
nur fünf Klöster an, eben Steige, Zabern, Landau, Lahr und auf dem Beerenberge. Mit
allen waren Spitäler verbunden. ') Angeblich gab ihnen erst 1289 Papst Nikolaus die
Bestätigung ihrer Einrichtungen und Besitzungen. Wir hören dann von einigen neuen
Schenkungen aus dem 14. Jh.8), von »prior und convent dez closters an der nider
steygen by Lor 1419« 9) und von einem »her peter, capplon in dem closter zu der
nidern steigen by Lor gelegen 1419«.
1482: »das closter zuo Lar zu einem stiflft erhoben«. Aus einem Sinne heraus,
der am Ende des 15. Jhs. manche ähnliche Umwandelungen bewirkte — die gesammten
*) Stein a. a. O. S. 122.
2) Krieger II S. 8.
a) Reinhard Urk, S. 34.
4) Ebenda S. 35.
5) Ebenda S. 36.
B) Ruppert a. a. O. S. 367.
‘) Stein a. a. O. S. 1 19.
8) Ruppert a. a. O. S. 368.
ö) Krieger II S. 9 u. Mittheil. d. histor. Komm. 23, 108.
Gutleuthaus-
kapelle
Augustiner-
kloster und Spital
64
KREIS OFFENBURG.
oben genannten fünf Klöster sollen nur noch 32 Mönche gezählt haben1) — , trug der
Generalprior bei Sixtus IV. auf Umwandlung in weltliche Stifter an; in der That bestätigte
der Papst in der Bulle vom 17. Juni 1482 die Umwandlung, die Bischof Albert von
Strassburg schon am 8. hebruar desselben Jahres vorgenommen hatte. Des letzteren
Aufsicht wurde das Stift fortan unterstellt, der Prior wurde Dekan, von den neun vor-
handenen Mönchen fünf Chorherrn, die übrigen Vikare. Im Jahre 1492 wurde dann,
wie oben erzählt, die Stiftskirche zur Pfarrkirche, der neue berufene Pfarrer musste damit
eines der Kanonikate erhalten und da gerade keines frei war, so verzichtete Anton Sybolt
Fig. 28. Ansicht der Stiftskirche ( vom Eingang aus) vor dem fahre 1736.
(Aquarell in der Stadt , Alterthumssammlung in Lahr.)
gegen ein Leibgeding auf das seine. Als Entgelt aber für seine Nachgiebigkeit in der
Pfarreifrage hatte Markgraf Christoph von Baden verlangt und erhalten, dass das Stift
sein bisheriges Recht, Dekanat, Kanonikat und Vikariate selbst zu vergeben, abtreten
musste, ersteres hatte nun Baden, die beiden anderen Stellen abwechselnd Baden und
Nassau zu besetzen. Wenn schon bald die Zahl der Chorherrn nie vollständig war und
das Einkommen der nicht besetzten Stellen zu Aufbesserung der übrigen Pfründen
verwendet wurde, so schlich sich jetzt bald der Missbrauch ein, es zu anderen Zwecken,
zur Unterstützung für Studierende auszugeben, was natürlich dem Stift nicht förderlich
war, aber mit dem Aufkommen der neuen Lehre immer häufiger wurde. Endlich hatte
die arge Verwilderung, die so viele Klöster am Ende des Mittelalters ergriffen hatte, auch
*) Stein a. a. O. S. 119.
AMT LAHR. — LAHR.
65
hier die gute Zucht gelockert; insbesondere die Beziehungen mit dem Kloster Gengen-
bach gaben zu argen Skandalen Anlass und die liederlichen Priestermägde erregten
grosses Aergerniss. Bei den schwankenden Religionsverhältnissen war eine Besserung
dieser Zustände kaum möglich. 1558 aber wurde das Stift von den protestantischen
Beamten in Besitz genommen.
Als Spital ist es wohl bald zu klein geworden, wir hören daneben von einem
neuen, offenbar schon am Anfang des 14. Jhs., gegen welches das alte immer mehr
zurückgetreten ist. Von ihm, wie den Klostergebäuden ist heute nichts mehr erhalten.
Sie schlossen sich (s. Plan Fig. 25) an die Südseite der Kirche an und bogen dann in
rechtem Winkel parallel zur Schütter um; eine offenbar ziemlich unbedeutende Anlage,
die seit der Reformation allmählich zerfiel.
Dagegen steht noch die ehemalige Stiftskirche, jetzige Pfarrkirche, ehemaliger
Titulus: unserer lieben Frau, später S. Jakob; allerdings nicht mehr in ihrem ursprüng-
lichen Zustand. In den Jahren 1848 bis 1851 wurde der schadhaft gewordene Bau
durch Eisenlohr restaurirt. Aus den damaligen Vorlageberichten an den Oberkirchen-
rath, der alten Zeichnung in den Städt. Sammlungen vor dem Jahre 1736 (s. Fig. 28)
und dem heutigen Befund lässt sich der einstige Zustand deutlich erkennen, von dem
auch der restaurirte Bau, von den Details abgesehen, ein ziemlich richtiges Bild giebt.
Wir haben eine dreischiffige, gewölbte, basilikale Anlage ohne Querschiff (s. Fig. 29) Baubeschrdbung
vor uns mit aus dem Achteck geschlossenen Chor, dem ein verhältnissmässig schmales
Viereck vorgelegt ist. Die Seitenschiffe sind zu beiden Seiten dieses Vierecks in je
einer Kapelle weitergeführt. Viereckige Pfeiler mit vorgelegten Halbsäulen tragen die
Gurtbögen der Gewölbe und zwar sind diese Halbsäulen im Mittelschiff, wo sie bis zu
dessen Gewölben emporschiessen, äusserst schlank und von bedeutend geringerem Durch-
messer sowohl als die unverhältnissmässig starken Halbsäulen vorlagen, welche die Arkaden-
bögen und die, welche die Gurtbögen der Seitenschiffe tragen, als auch die Halbsäulen
an den Wänden der Seitenschiffe. Die Kreuzrippengewölbe des Mittelschiffs mit etwas
ansteigendem Scheitel sind auf oblongem Grundriss errichtet, ihnen entspricht je ein
quadratisches Kreuzrippengewölbe mit geradem Scheitel in den Seitenschiffen. Einen
schmalen, oblongen Grundriss weist dann das Gewölbe vor dem Chor auf, der letztere
hat die einfachste Form der Achteckeinwölbung mit Rippen und Schlussstein. Acht
Strebepfeiler stützen auf jeder Seite des Langhauses das Gewölbesystem, vier an den
Ecken des Achtecks dasjenige des Chors. Die beiden westlichsten, sechsten Joche des
Seitenschiffes flankiren den Thurm, der in die Fagade eingebaut, aber gänzlich als
Neubau des 19. Jhs. zu betrachten ist, auch die Fagade ist so sehr erneuert, dass nur
die drei bei der Restauration wieder verwendeten Portale für uns in Betracht kommen.
Erhellt wird der Chor durch ein zweipfostiges und vier einpfostige Spitzbogenfenster.
In letzterer Form wird auch den Seitenschiffen und den beiden Kapellen zu Seiten des
Chores Licht zugeführt, während niedrige gedrückte Spitzbogenfenster über den Dächern
der Seitenschiffe dem Mittelschiff Licht geben.
Dem alten Bau gehören nun an zunächst die Grundmauern der ganzen Anlage,
mit Ausnahme der Fagade. Der östliche Theil der Kirche, der Chor, die beiden
Kapellen, das erste Joch des Mittelschiffes und je die zwei östlichsten Joche der Seiten-
schiffe mit ihren Hochmauern, Pfeilern, Halbsäulenvorlagen und Gewölben repräsentiren
mit Ausnahme der wenigen Ausflickungen in Stuck an den Kapitellen der Dienste den
IUind VII.
5
66
KREIS OEFENBURG.
Fig. 2(). Grundriss der Stiftskirche in Lahr.
ursprünglichen Zustand. "Nicht nur der Chor ist«, schreibt Eisenlohr in einem der
erwähnten Vorlageberichte an den Oberkirchenrath, »mit einem sehr schönen und
wohlerhaltenen Gewölbe, sondern auch das zunächst angrenzende Viereck des Mittel-
AMT LAHR. — LAHR.
67
schiffs mit einem ganz ähnlichen versehen, ja die beiden Seitenschiffe sind noch um ein
Feld weiter westlich eingewölbt, was beinahe ihre (der Kirche) halbe Länge beträgt«.1)
Eine genaue Untersuchung dieser Theile hat denn auch ergeben, dass mit Ausnahme
der Stuck ergänzungen an den Kapitellen, die, schon oben erwähnt, zugleich ein untrüg-
liches Kriterium des Alten sind, Eisenlohr diese Theile, abgesehen von dem Anstrich
unberührt gelassen hat, was ich ausdrücklich betonen möchte, da die etwas flaue Be-
handlung der Kapitelle den oberflächlichen Beschauer leicht zu der Annahme verleiten
möchte, sie seien neu.2) Nur die Pfosten und das Masswerk der Fenster sind — das
vollständig alte Mittelfenster des Chors ausgenommen — neuen Ursprungs, die Gewände
selbst zum Theil auch, zum Theil abgespitzt; das Fenster im östlichsten Joche des süd-
lichen Seitenschiffs ist — hier stiess ehemals das Kloster an — ebenfalls erst bei der
Restauration gebrochen worden, wie auch das Fenster im zweitöstlichsten Joche des
nördlichen Seitenschiffs. Entsprechend der alten Wölbung dieser Teile sind auch die
vier östlichsten Strebepfeiler an der Nordwand, sowie diejenigen des Chores alt, während
an der Langhaussüdseite, wohl des angebauten Klosters halber (?) keine vorhanden waren
(s. unten). Von den alten Strebepfeilern der Nordwand an zieht sich ein Kaffgesims,
das zugleich als Fensterbank dient, mit starker Hohlkehle und Platte um diesen Theil der
Nordwand wie um den Chor zu dessen erhöhten Fensterbänken ansteigend herum. Im
weiteren Theile des Langhauses sind zwar alle Pfeiler und Wandsäulen wie die Wände
alt, ihre Basen auch meistens unberührt, ihre Kapitelle aber müssen fast gänzlich abge-
schlagen gewesen sein, zum grossen Theil auch die über die Arkaden hinaufstrebenden
Schäfte der Dienste des Mittelschiffs, sie sind alle von Eisenlohr in ziemlich getreuer,
aber der Zeit entsprechend trockener Nachahmung der alten Theile erneuert worden.
Er hat hier denn auch die Gewölbe eingezogen, die Seitenthüren gebrochen und einen
Theil der Fenster erneuert, sowie die sämmtlichen Strebepfeiler an diesen Theilen
errichtet. Von dem Fa^adeneck aber bis zum zweiten Fenster hat sich auf beiden Seiten
ein Stück des alten, niederen, einfach abgeschrägten Sockels erhalten. Alt dann noch,
wie schon erwähnt, die drei spätgothischen Portale der Fa^ade.
Da es bei dem Ineinandergreifen der alten, neuen und ergänzten Theile nicht gut
zu machen war, dieselben im Grundriss durch Schraffirung zu scheiden, so gebe ich
hiermit ein Verzeichniss der alten, der erneuerten, und neuen Theile mit Zugrundelegung
der in dem Plan eingeschriebenen Buchstaben und Zahlen :
Die Chorgewölbe / und II sowie das Mittelschiffgewölbe alt, die Mittelschiffgewölbe III bis
VII neu.
Die Seitenschiffgewölbe aa lt bb cc± sind alt, d d x, gg 1 neu.
Die Dienste und die Pfeiler « u j, ß ß y •/ 1, ä ö v 1 1 1, £'C,i sind durchaus alt, ebenso die
Halbsäulen X). /(/( [, v v 1 ; nur an den Kapitellen von f f 1, finden sich einige Ergänzungen
in Stuck.
Bei den Pfeilern rj tj l und & >9- 1 sind die Basen alt, alle Kapitelle und wohl auch die die
Gewölbe des Mittelschiffs tragenden Dienste neu, d. h. also von Eisenlohr im Anschluss an die
alten Osttheile ergänzt, ebenso sind die Halbsäulen der Seitenschiffe o o *, <p q> , in den Basen alt,
*) »Im Jahre 1844 wurde für das Herauswerfen des Schuttes, welcher auf den Gewölben lag,
67 fl. 16 kr. für Taglohn bezahlt. Damals waren in jedem der beiden Flügel der Kirche die Ge-
wölbe 47 Fuss lang und 16 Fuss breit.« (Aus den Vorlageberichten des Oberkirchenraths.)
“) Die E i s e n 1 o h r 'sehe Art ist eine ganz andere, die sich deutlich in den in obiger Schilde-
rung als neu angegebenen Theilen dokumentirt.
5*
68
KREIS OFFENBURG.
Alte Innenansichi
Lettner
in den Kapitellen ergänzt. Bei xp und ?// 1 scheint ein alter Kern vorhanden zu sein, doch hin ich
da nicht ganz sicher, während / und i j ganz neu sein dürften.
Von den Fenstern ist das mittlere Chorfenster A ganz allein intakt erhalten, BB t, CClt DDX
sind in dem Gewände theilweise alt, Pfosleu und Masswerk aber sind neu eingesetzt. Sie hatten,
wie die Spuren zeigen, die friih-
gothische Theilung mit vorgelegten
schlanken Halbsäulen gleich dem
Mitteltenster. Von den Fenstern der
Nordwand sind dann E, K und L
in gleichem Sinne alt, F G und II
scheinen auch nach den Vorlagen des
Oberkirchenraths neu zu sein; eben-
so die Thiire bei F. Von den
Fenstern des Mittelschiffes sind die
über E /"und K in ihren Gewänden
alt ; Pfosten und Masswerk neu, wie
die Oberfenster über G und II.
An der Südseite sind die
Fenster E t, G i, II i vollständig
neu; F K j, L t, sowie das zuge-
mauerte Rundfenster bei G t in
ihren Gewänden ? alt.
Alt die Portale X , V, Z.
Dieses Resultat wird durch
die alte Innenansicht (s. Fig. 27)
ergänzt und bestätigt, welche aus
der Zeit zwischen 1717 bis 1737
stammt, da sie Lettner und Barock-
Orgel zeigt. Von 1677 nämlich,
dem Jahre des Brandes durch die
Franzosen, bis 1717 war keine Orgel
in der Kirche. In letztgenanntem
Jahre wurde eine neue Orgel ange-
schafft und auf den Lettner gestellt,
welcher den Chor von dem Lang-
haus trennte. 1 736 stellte Stiftsver-
walter Dreyspring bei der Kirchen-
behörde den Antrag auf Entfernung
des Lettners und entwarf dazu einen
Plan der Stiftskirche, welcher sich
im Generallandesarchiv in Karlsruhe
befindet. Diesem Antrag wurde statt-
gegeben und die Veränderungen
ausgeführt, 1737 also der Lettner
mit seinen Kreuzgewölben ganz ent-
fernt und die Orgel in den Thurm
versetzt; später, i. J. 1754, wurde
sie zwar wieder in den Chor ver-
bracht. Unsere Zeichnung, vermuth-
lich auch von Dreyspring, giebt also den Bestand vor 1737, allerdings recht ungeschickt wieder.
Wir sehen das heute noch stehende Chorgewölbe, den in drei Spitzbogen sich öffnenden Lettner,
die Orgel darauf mit barockgeschnitzten Orgelgehäuse und Holzgitter auf der Lettnerbrüstung, wir
sehen die wenigen alten Fenster im Mittelschiff, die Fenster des Seitenschiffs mit dem alten Masswerk,
die Dienste des Mittelschiffs in falscher Weise mit Bogen verbunden, die Balkendecken der Schiffe
Fig. jo. Mittleres Chorfenster der Stiftskirche in Lahr.
AMT LAHR. — LAHR.
69
— dass das erste Joch noch gewölbt war, hat die Ungeschicklichkeit des Zeichners nicht anzugeben
vermocht. Im südlichen Seitenschiff war eine Holzgallerie eingebaut, im nördlichen sehen wir eine
Thür mit Eselsrückenbogen und daneben zwei offenbar reichere Grabmäler.
Weitere Anhaltspunkte giebt uns der Plan von Lahr i. J. 1827. Dort sehen wir die Kirche
mit den von uns als alt bezeichneten Strebepfeilern und mit dem eingebauten, etwas über die
Fagade vorspringenden Thurm, der bald darauf die Kirche mit Einsturzgefahr bedrohte.
In dem Chor, dem ersten Gewölbefeld des Mittelschiffs, den zwei Seitengewölben
des Seitenschiffs und den zwei Kapellen (/, II, III, aax, bbx, ccx des Planes) haben
Fig. 31. Kapitell und Rippenansatz eines Dienstes im Chor und einer Halbsäulenvorlage
im Seitenschiff der Stiftskirche zu Lahr.
wir also mit Ausnahme der ausser im mittleren Chorfenster ergänzten Pfosten und Mass-
werke den unberührten alten Theil vor uns, aus dem wir uns ein Urtheil über die
Gestaltung des übrigen und über die Detailbehandlung bilden können. Da haben wir
denn durchaus die Formen und die Anlagen der frühesten Gothik vor uns. Ein
typisches Beispiel derselben ist das Mittelfenster (s. Fig. 30) mit seinen zwei Pfosten und
den vorgelegten vier Säulchen, welche die Spitzbogen tragen, von denen der mittlere
höher ist. Die Säulchen zeigen noch die flachen Tellerbasen, das schmucklose Kelch-
kapitell mit der flachen Kämpferplatte, von dem die runden Wülste ausgehen, welche
die Spitzbögen, den grossen Spitzbogen und die drei Vierpässe umziehen. Die Arbeit
ist hier ausserordentlich exakt und sauber. Die schlanken Dienste, welche die Gewölbe
des Chores tragen, haben Tellerbasen und zwei ein Knospenkapitell (s. Fig. 31), dessen
stylisirende Behandlung fast noch an den Uebergangsstyl anklingt im Gegensatz zu der
ausgeprägt gothischen, hohlgekehlten und abgeschrägten Kämpferplatte. Die starken
Rippen haben das einfache, abgeschrägte Profil der Frühzeit. Aehnlich sind die Halb-
säulen im Seitenschiff behandelt, nur ist ihr Kapitell reicher verziert durch weniger
Detail-
behandlun
7o
KREIS OFFENBURG.
Portale
Gesammtanlage
■ ;•
l
.
f < .
stylisirte Knospen mit sich durchschneidenden Stengeln. Die Schiffspfeiler in der ein-
fachen Form eines Quadrates mit vorgelegten Halbsäulen (s. Fig. 32) zeigen an den Kapitellen
dieser, also auch der das Mittelschififgewölbe tragenden Dienste, um welche die Deck-
platte der anderen Halbsäulenvorlagen wie ein Ring herumzieht, die Fortentwickelung
dieses Knospenkapitells allerdings in einer etwas flauen Form, ähnliches die übrigen Chor-
dienste. Die Rippen sind überall wie im Chor behandelt. Die Schlusssteine zeigen ähn-
liches Blattwerk wie die Kapitelle, in den Kapellen aax die (ja häufig vorkommende) Hand
auf dem Kreuz. Die Strebepfeiler,
von denen allerdings der erste alte
(j des Grundrisses) stark verändert
und geflickt ist, sind einmal abge-
treppt durch die als Kaffgesims
sich herumziehende Wasserschräge
mit starker Hohlkehle, auch ihre
schräge Plattenabdeckung endigt
in einer Schräge mit Hohlkehle.
Das Material des Baues
ist der rothe Sandstein der Um-
gegend, dessen glatt behauene
Quader, abwechselnd Binder und
Stösser, von guter Technik zeigen.
Am Chor finden sich die in Fig. 33
oben abgebildeten frühen Stein-
metzzeichen.
Die drei Portale an der
Facade gehören einer weit jüngeren
Periode, der Spätgothik an. Ihre
Gewände sind mit sich durch-
schneidenden Rundstäben auf
kleinen steilen, reich gegliederten
Basen und Hohlkehlen profilirt;
das mittlere Portal (Fig. 34) ist ent-
sprechend reicher behandelt.
Fig. j2. Pfeiler im Mittelschiff der Stiftskirche zu Lahr.
Die Anlage des östlichen Theiles, die zugleich bekundet, wie das ganze Langhaus
— im Sinne der heutigen Ausführung — gedacht war, weist auf einen Meister, der noch
aus dem Uebergangsstyl herausgewachsen, sich über die konstruktiven und ästhetischen
Vorzüge des neuen Styles wohl im Klaren war (s. Fig. 35 und 36). Die Konzentrirung
der Last der Gewölbe auf die Pfeiler, die Begegnung ihres Schubes durch die Strebepfeiler,
die oblonge Mittelschifftravee, die hohe luftige Gestaltung des Chores sind Beweise dafür.
Leider ist sein Plan nicht ganz zur Ausführung gekommen und der Bau später recht
verdorben worden, wir besässen sonst in ihm ein stattliches und wie mir dünkt recht
frühes Beispiel des Eindringens der Gothik am Oberrhein mehr. Dass der Meister vielleicht
technisch ganz sicher nicht war, darauf scheint uns die etwas schüchterne Ausbildung
der Strebepfeiler, die möglicherweise (?) zum Aufgeben der vollkommenen Einwölbung
führte, zu deuten. In den verhältnissmässig niedrigen Seitenschiffen und der überaus
AMT LAHR
. — LAHR.
71
kräftigen Gestaltung der Halbsäulenvorlagen in denselben klingt doch auch noch das Gefühl
des alten Styles nach.
Der Verlauf der
I laugeschichte dürfte fol-
gender gewesen sein :
Bald nach der Grün-
dung des Klosters (1259)
wurde mit dem Bau
der Osttheile begonnen
und die heute noch alt-
gewölbten Theile, sowie
dieser Annahme ist
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Fig.
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Steinmetzzeichen an der Stiftskirche in Lahr.
Baugeschichte
das gesammte Langhaus in rascher Folge vollendet. Mit
wie ich wohl weiss — der Bau recht früh datirt, er wäre
ziemlich gleichzeitig mit den frühesten gothischen Bauten am Oberrhein entstanden.
Dafür spricht aber die politische Geschichte der Geroldsecker sowie ihre Vermögens-
verhältnisse, die später wohl kaum mehr günstig genug für die Inangriffnahme eines auch
72
KREIS OL FENBURG.
für ihre glänzende Zeit immerhin stattlichen Baues waren. Und da des Gründers, Walters II.
Sohn eben damals Domprobst und später Bischof von Strassburg war, so haben wir damit
zugleich einen Fingerzeig, woher der neue Styl in Lahr stammt, ohne allerdings ein Vor-
bild des Baues in Strassburg selbst nennen zu können. Auch in Steige finden sich für
den Stvl der Lahrer Kirche keine Anhaltspunkte mehr.
-t****F«H 1 1 1 1 1 1 1 1 — — L 1 1 1 1 1 F
Fig. SS- Querschnitt durch die östlichste Latighaustravee der Stiftskirche in Lahr.
Der Baumeister, der den Schub der Gewölbe auf der Nordseite auf Strebepfeiler
überleitete, sah sich durch die an die Südwand anstossenden Klostergebäude, die wohl
vor dem beginnenden Verfall des 16. Jhs. einen grösseren Raum einnahmen, als auf dem
Plan der Stadt von 1827 ersichtlich, hier an der Anbringung von Strebepfeilern verhindert
und verstärkte dafür diese Südwand um ein Beträchtliches. Sie ist ca. 3 m stark gegen 2 m
der Nördlichen. Möglich nun, dass er als Neuling dem Strebepfeilersystem noch nicht
ganz traute, möglich auch, dass eine ungenügende Fundamentierung noch während dem
Bau Risse in den Flochmauern zu Tage treten liess, oder endlich, dass das Geld immer
langsamer floss - es scheint jedenfalls, dass es nicht mehr zu der beabsichtigten Wölbung
AMT LAIIR — LAHR. 73
der übrigen Theile gekommen ist. Dass man sie bei der gleich zu erwähnenden Um-
arbeitung im 18. Jh. weggeschlagen hätte, scheint mir unwahrscheinlich, da sonst doch
kaum das eine Gewölbe im Langhaus und die zwei in den Seitenschiffen stehen geblieben
wären. Dass die Mangelhaftigkeit der Fundamente der Grund gewesen sei, dafür spricht
ein Vorlagebericht aus den Jahren 1848/51 an den Oberkirchenrath: »Beim Ausgraben
■+«+*4 1 1 i 1 [ 1 4 1 4 1 + 1 f 1 f"
Fig. j6. Längsschnitt durch die Ost theile der Stiftskirche in Lahr.
der Fundamente zu den äusseren Strebepfeilern hat sich gezeigt, dass die Kirche in den
Seitenschiffmauern wenig oder gar keine Fundamente hat. Ein Fuss unter der jetzigen
Bodenfläche zeigte sich an einigen Stellen ein Sockel, an anderen auch keiner; unter
dem Sockel zeigte sieh dann noch an manchen Stellen auch zwei Fuss tieferes Gemäuer
von kleinen Steinen und dann der natürliche Boden«. Und weiter »an der Nordseite
am Seitenschiffe entdeckte man ein später eingesetztes Stück Mauer, 41 Fuss lang und
30 Fuss hoch (wo die grossen Risse waren) aus kleinen Stücken schlecht gemauert. Hier
an dieser Stelle muss die Kirche einmal einen grossen Schaden erlitten haben. (Dekan Doll
74
KKKIS OKFENBURC.
an Oberkirchenrath.) Die grossen Hauptrisse verrathen ein grosses Alter«. Haben sich
wie höchst wahrscheinlich jene Risse in den vorderen Mittelschiffmauern gleich anfänglich
bemerkbar gemacht, so könnte dies auch von gänzlichem Einwölben damals abgehalten
haben«. (Eisenlohr.) Diese Risse scheinen an den Mittelschiffmauern etwa über den
Fenstern F — K, an den nördlichen Seitenschiffmauern etwa vom heutigen Strebepfeiler j
bis zum Fenster L gewesen zu sein. Daneben mag dann wohl der rasche politische
und pekuniäre Niedergang des Geschlechtes der Stifter die Mittel für eine genügende
Ausbesserung der erkannten Mängel haben fehlen lassen. Damit hängt denn auch
das Vorhandensein der spätgothischen Portale an der Fagade zusammen. Diese ist im
13. Jh. offenbar nie ausgeführt gewesen, sondern erst am Ausgange des Mittelalters
vollendet worden. Weniger wahrscheinlich ist mir, da ich keine Anhaltspunkte dafür
sehe, dass die Kirche damals vorgeschuht worden sei. Dass der gleichen Zeit auch
erst der Thurm entstammte, scheint mir nach einer flüchtigen Zeichnung, die Ingenieur
Hofmann 1874 anfertigte (Copie bei Dekan Bauer) wahrscheinlich. Ein offenbar sehr
schlichter viereckiger Thurm mit Spitzbogenfenstern. — Bis in das 18. Jh. blieb die
Kirche — abgesehen von dem Brande durch die Franzosen — unberührt. 1736 aber
ging von dem Stiftsverwalter Dreyspring der Antrag auf gründliche Wiederherstellung
aus, dem stattgegeben wurde: leider hatte er die Entfernung des Lettners zur Folge,
ausserdem werden wohl damals die Dienste der Mittelschiffgewölbe abgeschlagen
worden sein, deren Spuren Eisenlohr noch erkannte. Vermuthlich sind damals auch
eine grosse Anzahl von Grabsteinen und andern Monumenten aus der Kirche entfernt
worden. Ebenfalls dieser Zeit ist dann die Erhöhung der Seitenschiffdächer zuzu-
schreiben, bei der — wie Eisenlohr konstatirt — die Fenster, welche dem Mittel-
schiff ihr Licht spenden sollten, gedeckt wurden und jetzt gänzlich vermauert sind.
Die Gurten, welche über den früheren Seitenschiffdächern zur Abdeckung ihres oberen
Randes hinwegliefen, sind noch im Innern der jetzigen Dächer sichtbar, sowie auch
diejenigen Theile dieser Gurten, welche zugleich als Bänke der oberen Fenster gedient
haben«. 1774 wurde der Dachreiter der Kirche, den wir uns also zu dem Bilde hinzu-
denken müssen, entfernt.
In den vierziger Jahren des 19. Jhs. begann man nun, dem Gedanken einer
umfassenden Restaurirung näher zu treten, da der Zustand der westlichen Hälfte die
Kirche gefährdet erscheinen Hess. 1844 wurden die Gewölbe vom Schutt befreit.
E i s e n 1 o h r untersuchte damals die alte steinerne Kanzel eine späthgothische ? — ,
deren Steine durch Brand so gelitten hätten, dass sie nicht wieder herzustellen sei. ’)
Im Oktober 1848 erfolgte dann ein grösserer Bericht Eisenlohrs. Er verlangte
zunächst die Einwölbung der noch nicht eingewölbten Theile, wodurch allein der Kirche
fernerer Bestand auf Jahrhunderte gesichert werden könne, der sonst in nicht allzulanger
Zeit nach dem jetzigen Zustand der westlichen Hälfte gefährdet sein möchte. Daher
die beiden Spitzbogen zu den Seiten des Thurmes zu unterfangen, damit die Gesammt-
last nicht mehr allein auf den etwas geschwächten inneren Thurmpfeilern ruhe. Im
Frühjahr 1850 wurde die Räumung der Kirche begonnen, am 27. April 1851 wurde
sie vollendet. Ich habe in der Beschreibung des Baues die neuen Theile von den alten
geschieden. Eisenlohr hac auch den Seitenschiffdächern wieder die alte geringere
l) Angeblich soll die neue Kanzel mit ihrem Fischblasenmasswerk eine getreue« Nachbildung
der alten sein.
AMT LAHR. — LAHR.
75
Höhe gegeben, dadurch die oben erwähnten Fenster und die Gurten freigelegt. Den
alten Thurm liess er offenbar mit den angegebenen Korrekturen stehen, trotz letzterer
aber scheint derselbe später nicht mehr genügt zu haben, er wurde 1874 durch den
jetzigen ersetzt.
Der alte Lettner stand unter dem Gewölbe IV\ wir dürfen danach Chorschranken
etwa über die Seitenschiffe oder zwischen den östlichen Langhauspfeilern vermuthen, die
einen ziemlichen Raum als Mönchskirche abtrennte.
Die heutige Ausstattung der Kirche entstammt mit geringen Ausnahmen dem
19. Jh. Von den Grabmälern, die sie einst enthalten, sind nur kümmerliche Reste übrig
geblieben. Der Stifter, Walther II., soll nach der Pappenheimer Chronik »im Closter
oder Stifft zu Lare« begraben liegen, doch ist keine Spur des Grabes mehr erhalten.
Vor den (alten) Stufen, auf welchen man zum Altäre (wohl Chor) steigt, befand sich nach
Stein ’) ein »bleiernes Epitaphium mit der Inschrift: Lonerus de Geroldsecke *{• anno
Domini 1348 Pdie Kl. Aug.« Schon Stein konnte aber die Inschrift nicht selbst mehr
entziffern, da sie verwischt und unlesbar geworden, sondern gab sie nach einer alten
Lesart, die er selbst als vermutlich irrig erklärt, da kein »Lonerus« de Geroldsecke bekannt
ist. — Im Pfarrhaus befindet sich noch eine Zeichnung eines Steines, der noch 1766 im
Chor der Kirche gestanden habe, aus der aber nur ein allgemeiner mittelalterlicher Charakter
desselben hervorgeht.
Im nördlichen Seitenschiff befindet sich eine Grabplatte der späthesten, barocken
Gothik mit 5 Wappen und einer theilweise verwischten Inschrift in krausen Buchstaben:
II üHIno • bnt • nt tic • €Ui • ottnö (?) eloi* • ftarft / bei* cbcl • un • erlieft .
3lacaö • uo • öruoöadj • ano m \xz uff • bc • tag ■ ^anuart • ftarü •
bie / ebcl • fratu • cfeoglje • Uo mifljei • fin clirfjc ■ / fju^fr - • ano • bnt nt • iir
ftrü • bie ■ ebcl • fto5 • Itcljert • bn • ßagneeft • abre ■ frota • bene • ale • got • gtia //
Hinter dem Altar ein schöner holzgeschnitzter Crucifixus, aus der Barockzeit,
verhältnissmässig ruhig und vornehm.
Zwei von den Glocken der Kirche stammen aus dem Jahre 1718 und sind von
Mattheus Edel in Strassburg gegossen.
Im Pfarrhaus wenige alte Kirch enge rät he : Ein Kelch, Silber vergoldet, mit getriebenen
Barockornamenten: Joachim Dendele Capitain Leutenant des Kanofskischen Regiments
verehrt disen Kelch der Statt Lahr 1646. Laut einer zweiten Inschrift 1759 »auf der
Stadt Kosten« renovirt. Ein zweiter, ähnlicher Kelch : »die Frau Maria Salome Kanofski
von Langendorf verehrt diesen Kelch der Statt Lahr 1650« und gleiche Renovirungs-
inschrift. — Ausserdem ein hübscher, silbergetriebener Bucheinband einer Kirchenchronik
von 1771, damals aber umgearbeitet aus einem ähnlichen, der 1696 von »Johannes
Mörstadt, gewesenen Spezialsuperintendenten« gestiftet war.
Auf dem Friedhof grosses Steinkruzifix mit Maria und Johannes, derbe, aber
wirkungsvolle Arbeit aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs. Keinesfalls von dem in Offenburg
thätig gewesenen Bildhauer Christoph von Urach, dem es Manche mit Unrecht zuschreiben.
An der Mauer des Friedhofes eine Serie von Grabplatten , die aus 4 Jahrhunderten
stammen, für die Ortsgeschichte sehr interessant sind und man möchte sagen, eine
Art Museum der Stylentwickelung durch die Renaissance zum Barock und zum Zopf
abgeben. Wenn auch keine Kunstwerke ersten Ranges darunter sind, so repräsentiren
sie doch einen guten Durchschnitt. Dass sie nicht durch die Feuchtigkeit des Bodens
Lettner
Ausstattung
Holzgeschnitzter
Crucifixus
Glocken
Kirchengeräthe
Steinkruzifix
Grabplatten
KRKIS OKFKNUUKCJ.
76
schon stärker zerstört sind, verdanken wir nur dem energischen Eintreten des Bezirks-
pflegers der Alterthümer in Lahr, des Herrn A. Siefert.
I )a es keinen Zweck haben kann, die eintönigen, langen Inschriften alle hier ab-
zudrucken, beschränke ich mich auf die Angabe der Hauptsachen. Auch die künstlerische
Gestaltung ist überall die gleiche: die Wappen, gewöhnlich das Allianzwappen des
Begrabenen, darunter die Inschrifttafel in Rollwerkumrahmung oder ähnlichem, das Ganze
in einfacher Umrahmung oder von Säulen flankirt und mit einem Giebel bekrönt. Es
folgen der Reihe nach, beginnend mit dem südlichsten ’) :
1. Anno Domini 1613 den 21. Junius starb .... Fravw Veronica vom Ruest geb.
von Weitterszheim.
2. Johann Burckhart von Müllenheim 7 4. Mai 1623 und seine Fraw Magdalena
geb. von Endingen 16 ? ?
3. Balthasar vom Ruest 7 1. Mai 1629, »seines Alters 74 Jahr und 6 Monat«,
vor dieser Zeit ehemaliger fiirstl. Württemb. Obervogt zu Nagold, dann Markgr. bad.
Amtmann beider Herrschaften Lahr und Mahlberg.
4. Fraw »Maria Salome Stretiffin von Lawenstein geb. Böckin von Ehrlenburg
~\- 7. Sept. 1627, Frau des Philips Streüffen von Lawenstein«, gräfl. Nassau-Saarbrückischem
Rath und Amtmanns beider Herrschaften Lahr und Mahlberg.
5. »Jungfraw Magdalena vom Stein vom Reichenstein« -J* 12. Okt. 1582. (Gesetzt
r 587-)
6. Philibert vom Stein vom Reichenstein J- 1. Januar 1608 und J z vom
Ruost, fiirstl. Markgr. Rath und Landvogt zu Rotteln 7 9. Juli 1597.
7. Fraw Maria von Kippenheim geb. Rochartin von Newenstein -j- 5. Juli 1589.
8. Hans Matheus Musler, Nassauischer Amtmann der Herrschaft Lahr und Mahl-
berg auf Liechteneck J* 12. Dec. 1581.
9. Andreas Vinther »der Rechten Docter« und fiirstl. Markgr. Kanzler zu Baden
-J* 1. Mai 1573 und seine Fraw Magdalena Vintherin geb. Varnbilerin 2. Aug. 1584.
(Gesetzt 1587.)
10. Maria Rebsoeckin geborne Brosingerin 24. April 1576. (Gesetzt 1578.)
(Fig. 37-)
11. Johann Jacob Kirs von Oberndorf, der Rechte Doktor, *J* 19. Okt. 1573.
(Gesetzt 1574-)
12. Frav Catharina Oedtlerin geb. von Tunsel-Silberbergerin 7 28. Sept. 1586.
13. Junckher Hans Volmar von Bernshofen *J* 1. Februar 1572. (Gesetzt 15 73.)
14. Der »Gattin Carolina ? ? gewidmet von Conrad Ludwig Ehrmann Amtshafner
in Brumath«. Mit einem Medaillon geschmückt, vom Ende des 18. Jhs.
15. Jacob von Endingen J- 28. August 1556, Markgr. Amtmann der Herrschaft
Lahr und Mahlberg, und Frav Rickart von Fndingen geb. Zornin von Bulach und die
Töchter der Beiden, Junckfrav Jacobe 7 1574 »am Sant Anno Dach«, Martha *j* Christ-
abend 1575, Susanna *j* 1576 den »20 Dach«.
16. Hans Georg Wurmser J- 7. Nov. . . 79 (1579), »desen Alter war i8Woehen«.
1) Der vollständige Text der Inschriften und die Beschreibung der Steine s. A. Si eiert.
Die Inschriften der Grabsteine alter adeliger und bürgerlicher Geschlechter auf dem Friedhof zu
Lahr. Lahrer Wochenblatt; Unterhaltungsbeilage der l.ahrer Zeitg. 1903. Nr. 98 u. 99.
AMT LAHR. — LAHR.
77
17. Joh. Adam Koch. * 12. Aug. 1739 zu Seelbach im Herzogthum Nassau,
9. Dez. 1814 zu Lahr, Grossherzogi. Bad. Dekan und erster Stadtpfarrer zu Lahr.
18. Adriana Frie-
derica geb. Schneider
'|* 20. ? 1791 im vieren
. . . . ? » Zum Andenken
seiner werthesten Gattin
setzte ihr Ehmann Joh.
Adam Koch Stadt-
pfarrer«.
19. Reichardt Ro-
hardt von Newenstein
-f- ? (Ende 16. Jh.)
20. Inschrift weg-
geschliffen, nach dem
Wappen der Familie
von Bernshofen zuge-
hörig.
2 1. Ebenfalls ohne
Namen und Datum.
Wappen der Neuenstein,
Weitersheim, Endingen
und Horneck von Horn-
berg.
2 2. Wilhelm Streüf
von Lawenstein -f- 1 4. Juli
1622, »nachdem er
69 Jar gelebt«, gräfl.
Nassauischer Amtmann
zu Lahr und Mahlberg
und Fraw Maria Streüffin
von Lawenstein geb. von
Broumbach 7. Dez.
1613.
23. Georg Müller.
Vom Ende des 18. Jhs.
Ohne Datum, mit langer,
gereimter Inschrift.
24. Frav Special
Müllerin geb. Drey-
springin -J- 1778.
25. Fraw Juliana Röederin von Dierspurg geb. von Svit J- 8. April 1588.
26. Die Reichsfrey. Hochwohlgeborne Ehleute Egenolph Friedrich Röder von
Thiersberg de nat. undt Maria Elisabetha Eleonora von Pistorie zu Reicheweiler de nat.
d. 30. Juni 1727. Unten verzeichnet: Johannes Kocher zu 1732.
Fig. 37. Grabstein der Maria Rebsoeckin auf dem alten Friedhof zu Lahr.
78
KREIS OFFENBURG.
Pfarrhaus
Rathhaus
27. Johann Rauh, der 22 Jahre lang Bürgermeister, zehn Jahre zuvor des Raths
Assessor in Lahr gewesen. Mit langer, gereimter Inschrift, »aufgericht von seinen
Kindern d. XV. Apr. 1738«.
28. Hartmann von Brumbach und Frav Ursella von Brumbach geb. Zindra von
Kenzingen 20. Juli 1574.
29. Arbogast von Brombach 7 1. Febr. 1539 und Fraw Maria von Brombach
geb. Wurmbserin J* 10. April 1574.
30. (Minuskelschrift.) Anno Dm die II mensis Februarij obiit honora-
bilis dm. Jacobus ? Also wohl aus dem 15. Jh., ohne besonderen Schmuck.
31. Fraw Katharina Vintherin »weilandt Herrn Johan Vinthers gewesten Stadt-
schreibers zu Lohr eheliche Hausfraw« •{* 1600 »uf Dunerstag den 26 Brachmunats«.
»Hodie mihi gras (sic!) tibi«.
32. Johan Philips Streif von Lawenstein »seins Alters zwey Jar und 9 Monat«
*j- 5. November 1583. (Gesetzt 1584.)
33. Herr Birgenmeister Johan Jacob Scnitzl (?) * 28. Febr. 1709 *j- 4. Jan. 1756.
34. Johanni Morstadio Consiliario eclesiastico Superintendenti Lahrensi etc.
D. XXI. Augusti 1719 placide defuncto Aetatis LXXII ann. etc. (mit Vers).
35. Christiano Henrico Morstadio etc. 23. apr. ann. 1735 pie defuncto aetatis
44 annv. etc. monumentum ergi iussit etc relicta Maria Magdalena nata Mulleria.
36. Johann Andreas Rizhaubt J* 1. Nov. 1749, Specialsuperintendent und Pastor
Primarius bei der Stiftskirche zu S. Jakob in Lahr. Errichtet von der Wittwe Maria
Elisabetha Gerthrud geb. Dernin und dessen VI Waisen. Dazu der Leichentext und
der Vers:
Herrn Rizhaubts Leichenstein
Darf nur acht Wörter haben :
Hier lieget Treu und Fleis
Und Frömmigkeit begraben.
37. Jungherr Carl Wilhelm Baron von Terzi und Cronenthal * zu Kandtern
28. Febr. 1722 J* in Lahr 18. Febr. 1741. »Ledig. Alt 18 Jahr 11 Monat 18 Tag.«
Die freyherrl. Eltern weil. Christian Casimir Baron von Terzi und Cronent. F. M.
Baden-Durlach. Cammer-Jungkerr und Ober-Forstmeister in Sausenb., Rötlen u. Badenw.
Augusta Maria geb. Baronne von Düngern * 28. Nov. 1694 J* in Lahr 16. Juni 1777.
Ebenfalls mit gereimten Sprüchen.
38. Herr Friedrich Wilhelm von Dünger Edler zu Weyher * 7. Sept. 1688 in
Emmendingen, *j* 29. Dez. 1748 zu Lahr »eines Alters 60 Jahr 3 M.« Hofrath, Ober-
amtmann und Forstmeister in der Herrschaft Lahr.
Das Pfarrhaus ist ein einfacher, vornehmer Bau der Biedermeierzeit.
Von öffentlichen Gebäuden ist hier vor allem erwähnenswerth das Rathhaus, das
leider i. J. 1885 etwas gründlich verändert wurde. Wir geben es in Fig. 38, nach den
vorhandenen Zeichnungen rekonstruirt, in seinem alten Bestand.
Das älteste Rathhaus der Stadt — vielleicht jene Rathsstube, von der i. J. 1456
die Rede ist, mag an anderer Stelle gestanden haben, vielleicht (war es das »alte Schul-
haus« ?) am Marktplatz, wenn unsere Annahme (s. oben), dass der nördlichste Theil der
Stadt eine Erweiterung aus dem Ende des 15. Jhs. ist, richtig ist. Das noch heute
stehende gehört erst dem 1 6. Jh. an. Es war ein malerisches Gebäude, dessen Erd-
AMT LAHR. — LAHR.
79
Fig. 3S. Rathhaus in Lahr iwr i88j .
8o
KREIS OFFENBURG.
Fig. jg. Altan am Rathhause in Lahr.
geschoss sich in grossen Spitzbögen
öffnete und eine Halle enthielt, die
als Getreidemarkt diente. Eine grosse
Freitreppe mit Masswerkbrtistung
führte in das obere Stockwerk. Sie
endigt in einem Altan (s. Fig. 39)
mit ähnlicher Brüstung, zwischen der
sich die diamantirten Sockel der drei
kannellirten Kompositsäulen befinden,
welche das Zeltdach tragen. Am
Kapitell der mittleren dieser Säulen
das Fahrer Stadtwappen. An dem
spitzbogigen Thore unter dem Altan
die Jahreszahl 1608. — Eine im
Korbbogen geschlossene Thür mit
sich kreuzenden Rundstäben und
Hohlkehlen führt von dem Altan in
das Obergeschoss. Dieses hat an der
Längsseite des Hauses einfache ge-
kuppelte gradsturzige Fenster mit
hohlgekehltem Gewände, an der
Giebelseite springt jeweils die mittlere
Fensteröffnung als über Eck gestellter
Erker vor. Darüber erhebt sich der
in Voluten endigende geschweifte
Giebel, der noch zwei Stockwerke
enthält, über ihm der Dachreiter.
Bei dem Umbau wurde die Frei-
treppe weggebrochen, die untere
Halle zugemauert und mit Fenstern
versehen, der Dachreiter, vollständig
verändert, von seinem ursprünglichen
Platz weg nach vorn auf den Giebel
gerückt, ausserdem noch im Detail
manches verändert.
An öffentlichen Gebäuden be-
sitzt Lahr sonst nichts Bemerkens-
werthes, dagegen sind eine Anzahl
Privathäuser als Ganzes, oder wegen
an ihnen erhaltener Details wichtig.
Wie schon gesagt, sind aus dem
Mittelalter keine erhalten ; auch aus
der Renaissance eigentlich nur Bau-
reste, die zeigen, was einmal ge-
standen hat, bevor die Einäscherung
AMT LAHR. — LAHR.
durch die Franzosen es vernichtete. Sobald die Stadt sich dann wieder aufrichtete,
entstanden einige Barockhäuser; entsprechend dem Wachsen des Wohlstandes am Ende
des j8. und Anfang des 19. Jhs. können wir in dieser Zeit eine sich immer mehrende
Bauthätigkeit im sogen. Zopf- und Biedermeierstyl vermerken.
Fi«-, jo. Stoesser’ sches Haus in Lahr.
Privathäuser:
Bismarckstrasse (Bärenplatz) Nr. 15a: Haus mit Rocailleornamenten, Maskerons,
hohem Mansardendach und grossem Balkon auf Konsolen aus der zweiten Hälfte des
18. Jhs., leider durch Ladenfenster verunstaltet.
Bergstrasse Nr. 1 9 : Sogen. Leipziger Hof ; Biedermeierhaus.
Brestenberggasse Nr. 1 : Gute schmiedeeiserne Thürbänder des 18. Jhs. (1778).
Ebenda Nr. 2 : An der Thür Beschläg des 18. Jhs., das Gewände der Thür Barock-
einfassung mit Oberlicht und Jahreszahl 1723.
Ebenda Nr. 6 : Zwei von anderswo stammende Säulen tragen das Eck des Ober-
geschosses, diese Säulen sind gerautet und haben über Eck gestellte Sockel.
Privathäuser
Band VII.
6
82
KREIS OFFENBURG.
Gerichtstrasse Nr. 5 : In dem Haus ein skulpirtes Band, darauf zwischen der
Jahreszahl 1564 ein Allianzwappen: Bärtiger Meergreis (von Vinther) und Rosette mit
Fischhaken (Augsburger
Familie Jörger: Agnes
Jörger). Siehe auch S. 78 :
Grabstein Nr. 31 und
S. 84 : Haus Marktstrasse
Nr. 15 (Hinterhaus).
Geroldsecker Vor-
stadt Nr. 2 : Rosshaar-
spinnerei C. F. Maurer.
Die Barockfenstergewände
sowie die beiden flotten
Portale mit gebrochenem
Rundgiebel und Vasen
stammen von dem abge-
rissenen Kloster Etten-
heimmiinster , das der
ehemalige Besitzer dieser
Spinnerei auf Abbruch
erstanden hatte.
Geroldsecker Vor-
stadt Nr. 6 : Gute Villa
vom Anfang des 19. Jhs.
Kaiserstrasse Nr. 6:
Haus des 18. Jhs., die
Fenster flachbogig ge-
schlossen mit Wulstprofi-
lirung und gebauchten
Fensterbänken, über der
Thür hübsches schmiede-
eisernes Oberlicht, Ro-
caille mit Küferzeichen.
Ebenda Nr. 1 1 : Ein-
faches, gutes Haus des
1 8. Jhs.
Ebenda zwischen
Nr. 37 und 39 stand einst
das Dinglinger Thor. ')
Fig. 41. Porta / vom Hause Marktplatz Nr. 2 in Lahr.
Ebenda Nr. 34.
Ebenda Nr. 41: Grosses, dreistöckiges Patrizierhaus (Stoesser) in spätem Zopfstyl
mit kräftigen Urnen an dem Mansardendach (s. Fig. 40).
*) Abbildung in dein Huch: Der Dinglingerthorthunn oder die Verwaltung Völcker- Fingado.
Lahr 1842.
AMT LAHR. — LAHR. 83
Ebenda Nr. 42 : Lotzbeck’sches Haus vom Ende des 18. Jhs. im späten Louis XVI.
Styl; Balkon mit schmiedeeisernem Geländer, in dem das Lotzbeck’sche Wappen an-
gebracht ist. Dazu gehört noch ein erhaltener Seitenflügel. Leider ist die Anlage sonst
verunstaltet.
Ebenda Nr. 43 : Das kleine Haus war das ehemalige Zollhaus vor dem Thore.
Fig. 42. Zn dem Haus Marktplatz Nr. 2 gehöriges Gebäude mit Holzgallerie in Lahr.
Ebenda Nr. 44 : Gutes Biedermeierhaus (mit neuem Stockwerkaufsatz über der
Mitte).
Ebenda Nr. 52 mit charakteristischem Holzunterzugbalken am Thore; am west-
lichen Thorpfosten übertünchte Inschrift.
Ebenda Nr. 56: Barockhaus mit hohem Mansardendach.
Ebenda Nr. 58: Haus in einfachem Empirestyl.
Ebenda Nr. 62: Haus im Biedermeierstyl.
Ebenda Nr. 93 : Haus des ausgehenden Empirestyles.
6
fzOTfri
84
KREIS OFFENBURG.
Ebenda Nr. 60: Gymnasium, ehemaliges Privatgebäude, in der in Lahr gerade in
der Biedermeierzeit vielfach gebräuchlichen Anordnung: das Wohnhaus zurückstehend,
flankirt von zwei einstöckigen Flügelbauten, die sich bis an die Strasse erstrecken und
einen Vorhof oder Garten umschliessen. Hier ist leider der eine Flügel durch einen
sehr unerfreulichen Bau aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs. ersetzt worden.
Ebenda Nr. 97: Haus im späten Empirestyl.
Ebenda Nr. 99 : Die gleiche Biedermeieranlage wie bei dem Gymnasium, hier
sehr »behäbig« wirkend. Nur noch die geschmackvollen Flügel erhalten, das Haus selbst
in unseren Zeiten umgebaut.
Kirchstrasse Nr. 6 : Riegelhaus mit vorkragendem Dachgeschoss.
Ebenda Nr. 9: Der in der zweiten Hälfte des 19. Jhs. umgebaute Gasthof »zur
Blume« weist noch die alte Fenstergruppirung auf.
Ebenda Nr. 25 und 27: Empirehäuser.
Ebenda Nr. 32: Durch Ladenumbau völlig verändertes, ehemaliges Zollhaus vor
dem Vogtsthor mit Lahrer Stadtwappen aus dem 18. Jh.
Ebenda noch eine Anzahl von gut wirkenden Giebelhäusern.
Lammstrasse Nr. 10:
Verputztes Riegelhaus mit
gutem hölzernen Unterzug-
balken des Thores; ebenda
noch eine Reihe leider ver-
putzter Riegelbauten.
Marktplatz Nr. 2 : Haupt-
Fig. 4J. Sturz eines ehemaligen Brunnens am Hinterhaus von gebällde in flottem Barock-
Marktstrasse Nr. 15 in Lahr. styl; die Sandsteinfenster-
gewände mit Muschelbekrö-
nung, das Portal im Style des späten Louis XIV. (s. Fig. 41) sollen vom Kloster
Ettenheimmtinster hierher transportirt worden sein. Der oberste Stock ist erst in
neuester Zeit aufgesetzt. Das Haus ist angedeutet im Hintergrund von Fig. 42;
diese zeigt das dazu gehörige langgestreckte Gebäude mit prächtig wirkender Holz-
gallerie, das in dankenswerther Weise von dem Besitzer wieder hergestellt worden ist.
Die Fenstergewände des Erdgeschosses weisen Hohlkehlen auf, die in kleinen Voluten
endigen; der Bau dürfte am Ende des 17. Jhs. errichtet worden sein, vielleicht mit
Benützung älterer Mauern. Darauf deutet die Jahreszahl am Thor gegen den Markt-
platz zu. In einem Rollwerkschild findet sich zu beiden Seiten des Wappens der
Herrn von Bemhofen (Hund an Kette nach links springend) die Zahl 15-77 und
das Zeichen :
Marktplatz Nr. 4 : Hohes, schmales, zweifenstriges, gut wirkendes Haus, erste
Hälfte oder Mitte des 18. Jhs. mit hohem Mansardendach. Erwähnenswerth auch Markt-
strasse Nr. 4 und 6.
Marktstrasse Nr. 15: Am Hinterhaus gegen Obststrasse eingemauert der Sturz
eines ehemals im Hof stehenden Brunnens, an demselben die Wappen der Vinther und
Jörger (Augsburger Familie) sowie die Jahreszahl 1561 (s. Fig. 43). Siehe auch S. 59:
Haus Gerichtsstrasse Nr. 5, sowie S. 56: den Crrabstein Nr. 31.
AMT LAHR. — LAHR.
85
Marktstrasse Nr. 22: Ein Thordurchgang des 18. Jhs. in flachem Bogen gewölbt
mit einfach verziertem Schlussstein.
Marktstrasse Nr. 53: Eine der besterhaltenen Häuseranlagen der Biedermeierzeit,
mit dem vornehm zurückliegenden Wohnhaus und den zwei einstöckigen, an die Strasse
vorspringenden Magazinflügeln (s. Fig. 44). Besitzer : Geh. Kommerzienrath F. Sander.
Mauergasse, Hintere, Nr. 6 : Hier (s. oben) der Rest bezw. der untere Theil eines
halbrunden Thurmes der früheren Stadtmauer, mit liegender, rechteckiger Schiessscharte,
hier auch die alte Stadtmauer erkenntlich, die unter den Häusern durchgeht.
Mauergasse, Vordere, Nr. 10: Garten- bezw. Hofportal von 1786 mit Wappen:
Bretzel und Wecken unter Kurkrone, darunter :
HIB MSB.
Ebenda Bierbrauerei Dorner: Eingemauert ein Radwappen (Wappen der Familie
v. Newenstein), an den Fenstergewänden die üblichen Voluten des 17. Jhs. An einer
Fig. 44. Hausanlage Marktstrasse Nr. jj in Lahr.
Scheune der Brauerei eingemauert ein Todtenkopf mit Gebeinen (Sandsteinrelief), der
wohl von dem Beinhaus des in der Nähe gelegenen Spitales und seines Friedhofes
stammt.
Miihlgasse Nr. 15: Die ehemalige Stadtmühle; einen Theil des Erdgeschosses
bildet eine Halle auf Holzstützen.
Oberthorstrasse Nr. 4: Haus des 18. Jhs. mit flachbogigen Fenstern, an deren
Stürzen in barock-ornamentaler Behandlung Fische und Fratzen skulpirt sind, die runde
Ecke des Hauses ist quaderartig behandelt.
Obstgasse Nr. 3: Schmuckes, einfaches Barockhaus des 18. Jhs.
Rossgasse Nr. 3 : Eingemauert ein Stein mit dem Wappen der Gerberzunft, Jahres-
zahl 1558 und dem Zeichen: A (Hier am Gewerbekanal die Gerberwerkstätten).
86
KREIS OFFENBURG.
Rossgasse Nr. 4: Jetzt zugemauerter Thorbogen mit unkenntlichem Wappen und
Jahreszahl 1727; altes Fachwerkdachgeschoss.
Rossgasse Nr. 7 : Altes Badhaus (angeblich noch Geroldseckisch) J) mit leicht vor-
kragendem Obergeschoss. Im unteren Stock die Badstellen nach dem Gewerbekanal zu.
Schlossplatz Nr. 20: In der Wand eingemauert flotte Renaissancecartouche mit
Rollwerk und Baden-Durlachischem Wappen; leider ist das Sandsteinwerk schon sehr
verwittert.
Städtische
Sammlungen
Schlossplatz Nr. 2 : Eingemauert ein kleines Steinrelief, Crucifixus mit Maria und
Johannes.
Friedrichstrasse Nr. 2 1 (Grossh. Bezirksamt), jedoch in der Brestenberggasse gelegen :
Spätgothische Sandsteinthürgewände mit Vorhangbogen.
Werderstrasse Nr. 6 : Aehnliche, aber nicht so gute Holzgallerie wie an Markt-
platz Nr. 2.
Für die, wie in anderen Städten, so auch in Lahr sich seit der grösseren Aufmerk-
samkeit darauf häufenden Alterthumsfunde dienen als Aufbewahrungsort die städtischen
Sammlungen, die jetzt in der ehemal. Jamm’schen Villa im Lahrer Stadtpark unter-
gebracht sind. Es finden sich darin prähistorisch-römisch-germanische Funde, deren
wichtigste schon an anderer Stelle besprochen worden sind. Eine Anzahl von Sachen aus
Mittelalter und Renaissance, unter anderem:
Ein Würfelkapitel mit Säulenstumpf, wohl der Rest eines ehemaligen Fenster-
säulchens vom Liitzelhard, das dort i. J. 1905 von Stadtpfarrer Bark gefunden
wurde, womit also die Richtigkeit der sagenhaften Angabe erwiesen ist, dass auf diesem
Berg im hohen Mittelalter eine Burg gestanden ; ein achteckiger abgebrochener Sand-
steinblock, etwa 1 m hoch; auf drei Kanten steht in Majuskelschrift des 14. Jhs. soweit
lesbar: SIftö CVLPH / ? IG0RHGS • 0' ? / HO10R ? ÄRIL (?) // angeblich eine
Mariensäule; der Sandstein mit dem Lahrer Stadtwappen, der an der Spitze dieses
Artikels abgebildet ist ; ein weiterer, vom alten Schulhaus stammend, mit der nicht mehr
ganz erhaltenen Jahreszahl 153?; zwei Steinkonsolen vom ehemaligen Lagerhaus Sättele,
das 1563 erbaut und vor 5 Jahren abgerissen worden, mit Maskerons und Rolhverk,
sowie dem Zeichen :
; steinerne Reinigungskasten und thönerne Röhren von der
mittelalterlichen Lahrer Wasserleitung aus der Bertholdstrasse (vulgo: »Kähner(!)-Gässle«);
ein Majolikateller von Hafnermeister A. Litsch in Lahr von 1750; Ofenkacheln des 16.
und 17. Jhs. von der Hohengeroldseck; das Lahrer Grüselhorn, das in der Lützelhardt-
sage eine Rolle spielt und früher auf dem Vogtsthore aufbewahrt wurde: ein hübsches,
kleines Bronzehorn mit einfacher Gravirung aus dem 16. Jh. ; ein Wappen der Bäcker-
zunft aus dem 1 8. Jh. ; eine Anzahl Oelgemälde, Porträts von Lahrer Bürgern aus dem
17. und 18. Jh. sowie Herkules, den nemeischen Löwen erwürgend, von einem Schüler
bezw. Nachahmer des Rubens; endlich eine Bildersammlung, unter denen sich Stadt-
pläne (der Merian’sche etc.) und Ansichten der Stadt aus dem 19. Jh. befinden, aber
auch die in Fig. 17 wiedergegebene Ansicht des alten Schlosses, die A. Leibiger 1886
nach verloren gegangenem Aquarell kopirt hat, wie auch die in Fig. 18 wiedergegebene
*) Siehe: Grundriss der Stadt Lahr vor dem Jahr 1643 >n »Geschichte and Beschreibung der
Stadt Lahr und ihrer Umgebungen« von Amtmann Stein (Lahr 1827), Objekt 13 (Erklärung II).
AMT LAHR. — BURGHEIM (LAHR).
8?
Ansicht der Vogtsvorstadt von dem gleichen; die alte Ansicht der Stiftskirche (Fig. 28),
ein Plan der noch nicht näher durchforschten Umwallung auf dem Burghard, Zeichnung
des Schlösschens Dautenstein u. a. m.
Dazu eine kleine Sammlung exotischer Gegenstände, indische Speckstein- und
Silberarbeiten etc.
Im Besitze der Schützengesellschaft, auf bewahrt beim jeweiligen Ober-
schützenmeister, befinden sich vier silberne , theilweise vergoldete, Becher aus dem
18. Jh. und zwar:
1. Ein kleiner, ]/2 Liter haltender Becher, vom Markgrafen Carl Wilhelm von
Baden gestiftet, mit eingravirten Medaillons, in denen die verschiedenen Herrschafts-
wappen des Markgrafen von Baden-Durlach, das Monogramm X und die Inschrift : Den
22 May 1717 von Ihro Durchlt. der Schützen-Comp. in Lahr verehrt worden.
2. Ein 3/4 Liter haltender, glatter Becher, vom Fürsten Friedrich Ludwig von
Nassau 1726 gestiftet, mit eingravirten Medaillons, in denen eingravirt das Nassau-
Saarbrticken’sche Wappen, das Lahrer Stadtwappen, das Monogramm F. L. und die
Sprüche . Was schon über sechtzig Jahr
dem Haus Nassau war entnommen
Ist durch Friederich Ludwigs Sorg
wiederum darzu gekommen 1726
Lahr
und :
Den Schützen las ich dieses reichen
zu einem steten gnadenzeichen.
3. J/2 Liter haltender Becher, vom Fürsten Wilhelm Henrich (sic) von Nassau-
Saarbrücken i. J. 1752 gestiftet. Auf dem Deckel ein Putte mit Lorbeerzweig, im
Deckel das Nassauische Wappen und die Umschrift :
Der becher der mir jüngst bey euch
zum preis geworden,
bleibt hier stets wohl verwahrt
zum rühm für euren Orden,
Nehmt diesen von mir an
und wenn ein Schusz gelingt,
so seyd vergnügt, schenckt ein,
gedenckt an mich und trinckt.
Wilhelm Henrich Fürst zu Nassau
Saarbrücken etc. Anno MdccLII.
4. Ein anderthalb Liter haltender Becher, wie Nr. 1 mit Kugelfüssen, vom Fürsten
Carl zu Nassau-Usingen geschenkt, mit Schuppenrand, mit der Inschrift:
Ihro Hochfürstliche Durchlaucht zu Nassau-Usingen, Herr Carl, haben der hochlöblichen
Schützen-Compagnie der Stadt Lahr gegenwärtigen Silberverguldeten Becher gnädigst verehrt im
Jahr 1752.
BURGHEIM
Schreibweisen: Burcheim 1035; Burkheim ca. 1235; Burghein 1367; Burck-
heim 1536 etc.
Archivalien: der Roeder von Diersburg, Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894),
S. 90.
Litteratur: Staudenmaier in der Lahrer Zeitung 18? S. ? — Näher, Ortenau.
Becher
88
KREIS OFFENBURG.
Oltsgeschichte
Kirche
Ortsgeschichte : »Bischof Wilhelm von Strassburg weihte am 25. Juli 1035 unter
dem Zuströmen einer grossen Menge Volkes aus der ganzen Ortenau die Kirche zu
Burgheim zur Mutterkirche und widmete sie der h. Maria, dem Apostel Petrus und allen
Heiligen. Durch die Hand des Vogtes Hermann liess er das Widemgut, Weinberge,
Felder und Leibeigene, sowie den huic ecclesiae ab antiquis patribus institutam Zehnten
bestätigen, indem er Kubach und Diezen, soweit es sein gehörte, hinzufügte. Zugleich
erklärte er öffentlich, dass sein Vorgänger Erkenbold von Tundelingen ohne den Be-
schluss eines Konzils und gegen Recht der Kirche einen Theil ihres Zehnten entzogen
und weggegeben habe und zwar vor den Augen seines Vorfahren Werners; er versprach
feierlich, wenn er am Leben bleibe auf seiner nächsten Generalsynode die Zurückgabe
des Zehnten zu bewirken. Der Urkunde beigefügt ist das Verzeichniss der Reliquien
auf dem Altäre«.1) Da Erkenbold 965 bis 991 Bischof von Strassburg war und da nach
obiger Angabe der Zehnte »ab antiquis patribus« angeordnet war, so muss die Burgheimer
Kirche schon im 10. Jh. für die ganze Gegend von grosser Bedeutung gewesen sein.
Leider ist aber bisher nicht viel mehr über die Geschichte des Ortes im Mittelalter be-
kannt geworden bezw. nichts Sicheres. War der Vogt Hermann ein Geroldsecker bezw.
Tiersberger? Das Patronat der Kirche zu Burgheim war jedenfalls an den Besitz des
Schlosses Tiersberg geknüpft. Wem gehörte die Burg auf der Burghalde, die später von
Baden zu Lehen ging? Ruppert hält es für nicht unwahrscheinlich, dass dieselbe an
Baden kam mit den Ebersteinischen Gütern 1404, da Clara von Schwarzenberg, die
Tochter der letzten Tiersbergerin die Gemahlin Heinrichs I. von Eberstein (1 280 bis 1322)
geworden ist. Dagegen spricht aber die Notiz, wonach schon 1381 ein »Heintzmann
von Croswilre hat von den marggrafen zu lehen eyn halb teil dez vischewassers von
Kubach untz Bischoffs mülin, daz halb gericht zu Burgheim und eyn halben twing und
ban«2); also nicht erst 1410 wie Ruppert annimmt. Kam es daher vielleicht von den
Schwarzenbergern unmittelbar an Baden ? Wer waren die Schenke von Burgheim :
»demüdis uxor Heinrici Pincerne militis de Burchein, filia quondam Alberti militis dicti
Tarant de Stouphenberc 1291« und »Obrecht Schenke selig zu Bürckheim 1343«,
»Heinrich Schenke von Burgheim 1381«3); waren sie identisch mit den Schenken von
Bombach? Das Geschlecht scheint um 1400 erloschen zu sein und die Lehen von
Burgheim gingen an die Stoll von Stauffenberg über4), die nach obiger Notiz über die
Gemahlin des Schenken Heinrich wohl mit ihnen schon länger verschwägert waren und
bis zu ihrem Erlöschen das Lehen behielten. Die erwähnte Burg aber ist heute voll-
ständig vom Erdboden verschwunden. — Burgheim gehörte im 16. Jh. zur badisch-
nassauischen Gemeinherrschaft Lahr, bei der Theilung 1629 kam es an Lahr und wurde
1803 wieder badisch.
Die Kirche (in honorem Dei sanctissimaeque genitricis suae Mariae et in comme-
moratione sancti Petri principis apostolorum et omnium sanctorum), offenbar die älteste
der Gegend s. o., war bis z. J. 1492 die Pfarrkirche auch für das längst Burgheim
an Bedeutung überflügelnde Lahr. Erwähnt wird 1291 ein »dominus rector ecclesie in
Burchein, frater Heinrici Pincerne militis de Burchein«, 1305 und 1312 zwei der
*) Ruppert a. a. O. S. 257 (s. Gail. Urkundenb. III 692).
2) Krieger I S. 354.
a) Krieger, ebenda.
4) Ruppert a. a. O. S. 260.
AMT LAHR
BURGHEIM (LAHR).
89
Fig. 4g. Kirche in Burgheini (Lahr), Ostansicht.
Schenken v. B. als Kirchherren, 1419 als solcher ein Herr Johans und 1458 ein Herr
Johanns Slichlin von Urach. 1429 wird ein »her Heinrich Kleinmann lütpriester« ge-
nannt. — Endlich übergab, da Johann Schlichlin freiwillig verzichtete, Anton Röder die
Pfründe mit all’ ihren Nutzungen dem Lahrer Stift; 1492 kam die Einigung zwischen
Baden, Mörs und Strassburg zu Stande, wonach die Pfarrei definitiv dem Stfft einverleibt
9°
KREIS OFFEN BURG
Haubeschreibung
wurde. An der zur Kapelle degradirten Kirche zu Burgheim amtirte der seitherige
Pfarrer Andreas Miirr als Kaplan weiter. Als die Herrschaft Lahr protestantisch wurde,
ging aber die Kaplanei allmählich ein.
Die malerisch auf der Höhe über Lahr gelegene Kirche ist ein Bau aus verputztem
Bruchsteinmauerwerk mit glatt behauenen rothen Sandsteinquadern an den Ecken ; aus
Sandstein auch die Gewände etc. Die Kirche besteht aus einem einfachen Langhaus,
welchem nach Osten der Thurm, dessen Erdgeschoss als Chor dient, vorgelagert ist. Im
Süden stösst an ihn die
Sakristei, im Norden führt
eine offene, mit einem Dach
geschützte Holztreppe zu
ihm empor (s. Fig. 45).
Der viereckige Thurm
hat im Erdgeschoss nach
Osten ein wohl im 13. Jh.
gebrochenes dreifaches Spitz-
bogenfenster, im zweiten
Geschoss einfache Licht-
lucken bezw. Schiessscharten,
im obersten, von einem
Satteldach gedeckten Ge-
schoss auf allen Seiten je
zwei gekuppelte Fenster,
deren Rundbögen auf kleinen
Säulchen mit steilen attischen
Basen und weit auslaufen-
dem Kämpfer ruhen (vergl.
Fig. 46). Nach Osten und
Westen statt der Säule ein
Pfeiler mit vorgestellter Säule. Im Innern ist das Erdgeschoss des Thurmes, das als
Chor diente, von einem (alten) Tonnengewölbe überspannt, das auf ächtem roma-
nischem Gesims (zum Theil für Eingang in Sakristei später weggehauen) mit Platte,
Wulst und Kehle ruht. Der östlichste Theil des Langhauses, der mit dem Thurm heute
noch kirchlichen Zwecken dient, dürfte mit dem Thurm aus gleicher Zeit stammen
und den Umfang der alten Kirche bezeichnen; später (im 19. Jh.) sind zur besseren
Beleuchtung vier Spitzbogenfenster eingebrochen worden, die alten, vermuthlich rund-
bogigen Fenster sind heute nicht mehr auffindbar. In der Südwand befindet sich eine
alte Sakramentsnische, mit spitzem Kleeblattbogen in Kielbogen und umrahmenden
Fialen aus dem Ende des 15. Jhs., in der Nordwand eine kleinere Nische, die aber
laut Aufschrift 1857 renovirt wurde. Der vordere, breitere Theil der Kirche, jetzt als
Feuerwehrdepot dienend, ist eine Erweiterung späterer Zeit und zwar aus dem 1 5. Jh.,
wie das in der Südwand angebrachte Fenster mit flambopantem Masswerk beweist. An
der gleichen Wand eine Thür mit Blendkielbogen und der Jahreszahl 1X77 (1455).
Merkwürdiger Weise nun hat man bei dieser Erweiterung einfach das alte romanische
Portal benüfzt und es an seine heutige Stelle vorversetzt. Dieses Portal (s. Fig. 47 u. 48)
Fig. 46. Fenster am Thurm der Kirche in Burgheim ( Lahr).
Big. 4g. Der h. Christopherus. Wandgemälde in der Kirche zu Burgheim (Lahr).
Band VII. Zu Seite 91,
AMT LAHR. — BURGHEIM (LAHR).
91
mit graclem Sturz wird in grossem Blendrundbogen von dem mit Rundstäben reich profi-
lirten Sockel der alten Kirche umzogen. Im Tympanon war nach den erhaltenen Spuren
in gothischer Zeit einmal die Kreuzigung gemalt.
In dem vorderen Theil der Kirche nun sind Wandgemälde erhalten, für die gründ- Wandgemälde
liehe Konservirungsarbeiten in Aussicht genommen sind. Und zwar sehen wir an der
Nordwand der Kirche in zwei Reihen übereinander in der üblichen rothen Umrahmung
6 — 3 und 3 Scenen, von denen indess die östlichsten durch die eingezogene Trennungs-
wand und da sie in den unaufgedeckten östlichen Theil sich weiterziehen, nicht erkennt-
lich sind.1) Die anderen
zeigen Passionsscenen und
zwar unten eine Kreuzi-
gung, im Bilde Lanzen,
Fahnen, Männer, also wohl
die Gefangennahme, oben
ist noch zunächst eine
einzelstehende Figur und
daneben eine Dornen-
krönung kenntlich. Weiter
westlich in bedeutend
grösserem Massstabe über
der Thür der h. Jakob von
Compostella mit seinem
Pilgerhut auf gothischem
Throne sitzend, zu seinen
Füssen der Stifter, daneben
Spruchbänder, im Hinter-
grund gothische Archi-
tektur. Auf dem Sturz
der Thür darunter gemalt
die Jahreszahl 1452 (?) in
Minuskeln. An den Wänden Fig 4? Portal dey Kjrche jn Burgheim (Lahr)_
ausserdem noch Apostel-
kreuze, an der Südwand Reste einer Engelsfigur und endlich an der schmalen Fläche,
welche da geboten wird wo die Südwand zur Erweiterung der Kirche vorspringt am
besten erhalten der h. Christophorus mit dem Kinde, eine über den Durchschnitt solcher
Malereien ziemlich herausragende Gestalt (s. Fig. 49).
Die Sakristei zeigt ein Kreuzrippengewölbe, Schlussstein mit ehemals bemaltem Sakristei
Schild; die trocken profilirten Rippen gehen ohne Konsolen in die Wand über.
Das Ganze stellt sich so dar als ein frühromanischer Bau in Thurm und östlichstem Baugeschichte
Langhaustheil, den in die Zeit obiger Weihe, also in die Mitte des 11. Jhs. anzusetzen
eigentlich nichts hindert, wenn auch natürlich keine Gewissheit dafür beansprucht werden
kann. Das 15. Jh. nahm dann die Erweiterung nach Westen vor (1455) und wohl auch
den Neubau der Sakristei. 1857 erfuhr der Bau eine kleine Renovirung, hoffen wir,
dass die jetzt ins Auge gefasste dem ehrwürdigen Kirchlein den alten Charakter bewahrt.
*) S. Lolz, Statistik II 73.
92
KKKIS OFFENBURG.
Grabplatten
Vorgeschicht-
liches
An der nördlichen Aussenwand sind einige, vielleicht aus dem Innern stammende,
zum Theil verstümmelte Grabplatten aufgestellt. Davon sind vier sich sehr ähnlich, mit
in Umrissen eingeritzter Zeichnung.
1 . Die grösste zeigt ein gleichschenkliges Lilienkreuz und in guten Majuskeln die
Umschrift: // + 7UW0 • DO / ÖIIXII : WCKHIVII • K 15 ■ I 'Ä / W . OBII C .
hHIttR’ • DOS • ISBIiLiI fr
2. Die zweite zeigt das zweite Kreuz auf Stange, die unten noch einmal in Lilie
endigt, und die Umschrift: // + HI/I/O • Dill (I)(I(I(I • VIII • III • K L • I)H . . .
/ • : ID’ • HDVOLHl •
Fig. 48. Gewändeprofil
vom Portal der Burgheimer Kirche (Lahr).
DH • LHBH II
3. Die dritte zeigt nur das Lilien-
kreuz unten in einem Standfuss ausgehend,
daneben Hackbeil und Messer.
4. Die vierte Grabplatte, ebenfalls
ohne Umschrift, zeigt ein eingeritztes
Standkreuz mit Kleeblattendigungen auf
breitem Sockel, links ein Zirkel, rechts ein
Kelch.
5. Die fünfte Platte endlich, nur in
ihrem oberen Theil erhalten, zeigt in ver-
tieftem Schild den sehr schönen Doppel-
adler und die zum Theil verwischte oder
abgehauene Inschrift: / ÄM II • DO/SRIIII :
W . • (I • A /
( ? BVRIIHBÄHl» // Die Buch-
staben sind bedeutend schlechter, die N
zum Theil aus unzusammenhängenden
Strichen bestehend, ausserdem stehen die
Buchstaben unregelmässig. Trotzdem kann
ihrer Form nach der Stein kaum später als
135° gearbeitet sein. Es handelt sich um
ein Mitglied der Familie Burnebach, die
uns 250 Jahre später in der Stiftskirche
begegnet.
MEISSENHEIM
Schreibweisen: villa Meissenheim 1267; Missenhein 1270; Myssenheim 1445;
Mihssenheim T464 etc.
Archivalien: der Gemeinde und (evang.) Pfarrei: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 15
(1893) S. 100 101 ; Archiv der Roeder von Diersburg Nr. 16 (1894) S. 93 — 96.
Litteratur . Joh. Georg Schilher, Chronicum Meissenheimensc. s. Huhn Quellen
der bad. Geschichte I Hdbg. 1844; Lahrer Wochenblatt 1907. Nr. 6 ff.
Vorgeschichtliches. Im Gemeindewald »Langenrod« östlich vom Ort steht ein
ansehnlicher runder Grabhügel von 16 m Durchmesser bei 1,50 m Höhe, dessen Unter-
AMT LAHR. — MEISSENHEIM.
93
suchung im Juni und wieder im August 1886 vorgenommen wurde. Merkwürdigerweise
befindet er sich in der Rheinniederung, hart westlich von erhöhtem Terrain, und muss
im Lauf der Zeit des Oefteren überschwemmt worden sein. Während der Boden dort
kiesig, mit schwacher Humusschicht gedeckt ist, besteht der Hügel aus fettem Lehm,
der von 15 bis 20 Minuten östlich hergeholt und festgestampft worden sein muss. Er
enthielt mehrere Bestattungen, alle in verschiedener Tiefe ziemlich in der Mitte. Die
wichtigste in der Tiefe des gewachsenen Bodens kennzeichnete sich durch auf einer
schwarz gewordenen Tannenholz-Unterlage gebettete Skelettreste einer, nach den Zähnen
zu schliessen, über dem mittleren Lebensalter stehenden weiblichen Person mit
einem 8 — 10 jährigen Kind. Anziehend erscheinen die Reste ihres Schmucks: In
der Halsgegend sah man
rechts und links je eine
schwarze mattgeschliffene
grosse Perle von Gagat
kohle (s. Fig. 50) J) hervor-
stehen ; beide mögen oben
am Gewand befestigt oder
an einem Halsband ge-
tragen worden sein.
Zwischen ihnen lagen ein
grösserer Bronzering, Stücke
einer wasserblauen Glas-
perle und eine grössere An-
zahl kleiner Bronzeringchen
mit an ihnen aufgereihten
Thonperlchen, alles wohl
Reste eines Halsschmucks.
An jedem der Unterarme
war zunächst der Handwurzel ein breites offenes, mit Strichmustern verziertes und an
den Enden mit dicken Knöpfen endigendes Armband (Fig. 1 a) von Bronze zu sehen,
hinter dem sich ein zweites, 6 cm dickes, schwarzes, von eigentümlichem kohlen-
artigem Stoff (Lignit) befand (Fig. 1 b), dessen Material, verschieden von der Gagatkohle,
südwestdeutschen Ursprungs sein muss, bis jetzt aber noch der Auffindung harrt. Die
Bestimmung eines in der Nähe gefundenen Ringchens von feinem Gold (Durchmesser
1,3 cm) (Fig. 3) blieb leider unaufgeklärt.
Eine zweite ähnliche Bestattung, gleichfalls auf Holzunterlage, mit verziertem Hals-
ring, Gürtelblech und Beinringen von Bronze, lag in halber Tiefe des Hügels, muss also
später eingesenkt worden sein ; wahrscheinlich war der Hügel längere Zeit benützte
Familiengrabstätte. Weiter fanden sich noch zweimal Armbänderpaare von Lignit, Perlen
von Glas (an eisernem Ringchen) und Bernstein und Scherben von zum Theil verzierten
Thongefässen, auch ein Bruchstück von einem grossen Eisenschwert. In einem oder
1) Die Gagatkohle (engl, jet), durch alle Kulturperioden durch, ähnlich dem Bernstein,
wegen ihres mattschwarzen Glanzes als Schmuck, besonders Trauerschmuck, geschätzt, findet sich im
unteren Jura in Schwaben, England und Spanien als Rohmaterial (s. darüber Corresp. Bl. der West-
deutschen Zeitschrift f. Geschichte und Kunst, Jahrg. 1888 VII Sept. u. Okt. Nr. 138).
Gcujaf
Oloterarm
Fig. jo. Vorgeschichtliches aus Meissenheim.
94
KREIS OFFENBURG.
Ortsgeschichte
Simultankirche
zwei Fällen dürfte Leichenbrand angenommen werden. Formen und Stoff der Fund-
stücke weisen auf die mittlere Eisenzeit, das Ende der sogen. Hallstadt-Periode, ca. 500
vor Chr., hin.
In dem benachbarten Gemeindewald von Altenheim (Mittelwald, Schlag 7)
befindet sich ein ähnlicher Hügel von 14 m Durchmesser, der aber, da sich in seinem
Innern Mauersteine und Dach-
ziegel fanden, nicht als Grab-
hügel in Betracht kommt. Es
soll hier ein Häuschen ge-
standen haben. (W.) Vergl.
dazu noch Westdeutsche Ztschr.
Corr. VI 5; Karlsr. Ztg. 1886
Nr. 290, Verh. d. naturhistor.
Ver. Karlsruhe X (1888) 114.
Ortsgeschichte : Zu m
ersten Male 1267 urkundlich
erwähnt, befand M. sich damals
schon im Besitz der Gerolds-
ecker, bei der Theilung 1277
kam es an die Lahrer Linie,
ging aber nach einiger Zeit ver-
loren '). und kam an das Dom-
stift Strassburg als verfallenes
Lehen. 1558 besass Daniel
Wurmser das Lehen und nach
ihm erscheinen im Katalog der
Ortenauer Ritterschaft eine
lange Reihe von Mitgliedern
der Familie als Besitzer. Bis
1806 gehörte M. zum schwä-
bischen Ritterkreis (Bezirk
Ortenau) und war eine Besitzung
der Familie von Düngern. 2)
Seit 1418 besass das
Kloster Schuttem hier einen
Freihof, auch das Frauenkloster
S. Stefan zu Strassburg hatte
ums Jahr 1450 und später
hier Besitzungen, ebenso die
Johanniter von Kenzingen.
Simultankirche: Ein lütpriester, Johans Fronweier 1419 erwähnt; Paulus Joly
rector ecclesie parocchialis in Myssenheim Argentinensis diocesis 1484. Um das Jahr
1533 trat Meissenheim zum Protestantismus über, der von der Familie Wurmser eingeführt
*■) Ru p p e r t a. a. O. S. 389.
2) Krieger II 167.
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Fig. S1- Rocaille -Cartouche in der Kirche zu Meissenheim.
AMT LAHR. — MEISSENHEIM. 95
wurde. 1634 und 1674 bei Versuchen der Rekatholisirung hielten die Einwohner ihren
Gottesdienst auf den Rheininseln.
Die Kirche ist ein Bau des 18. Jhs. Der Fagade ist der Thurm vorgelegt, dessen
zwei unterste Stockwerke mit Rundportal und Rundbogenfenster an den abgerundeten
Ecken Pilaster aufweisen, über dem verkröpften Gesimse ein Dreieckgiebel mit der
Umschrift: Deo triuni 1766; darüber ein drittes viereckiges Geschoss, worauf der Thurm
in das Achteck übergeht. Zwei kräftige Voluten flankiren ihn und verbinden ihn mit
dem einschiffigen Langhaus, das im Achteck abgeschlossen ist und durch Lisenen
gegliedert wird.
Im Innern hat die Kirche Emporen an den Seitenwänden : sie sind mit unbedeutenden
Bildern aus dem Leben Christi, der Apostel und Propheten in Rocaillestuckumrahmungen
geschmückt.
An der südlichen Langhauswand grosse, üppig schöne, Rocaillecartouche in weissem
Stuck mit langer Inschrift zum Gedächtniss des Joh. Daniel Voelkers und Gottlob Friedr.
Benzens, welche bey erbauung dieser Kirche das Pfarramt allhier bekleidet.
An der gegenüberliegenden Wand eine ähnliche, noch geschmackvollere Cartouche
mit dem Wappen der Grundherrschaft, der Freiherrn Wurmser von Vendenheim, und
an der gleichen Wand eine dritte (s. Fig. 51), auf der verzeichnet sind: Christmann
Fischer Amt-Schultheiss, Joh. Georg Lux Bürgermeister, Christmann Fischer Kirchen-
plleger, Theobald Heimburger, Jacob Kederlin, Andreas Hockenios, Joh. Theobald Kern,
Johannes Wenz, saemtlich Gerichtsschoeffen, Henr. Christoph Kuhlwin, Gerichts-Schreiber,
Johannes Fischer, Kirchenpfleger. MDCCLXVI.
Die ausserordentlich flotte, freie Modellirung dieser jeweils mehrere Meter hohen
Cartouchen lässt vermuthen, dass sich die Meissenheimer hierzu einen ganz besonders
geschickten, vielleicht französisch gebildeten Modelleur etwa aus dem nahen Strassburg
dazu hergeholt haben.
An der geraden Decke des Langhauses in einem Langbild die Himmelfahrt Christi,
in vier runden Medaillons die Evangelisten und in zwei ovalen die Anbetung des Kindes
und der Leichnam Christi, derbe aber kräftig wirkende Malereien im Dekorationsstyl der
zweiten Hälfte des 18. Jhs.
Altar: Mensa in italienischem Stuckmarmor mit Rocaille Verzierung und achter
Marmorplatte.
Kanzel nebst Schalldeckel, über dem grosser Pelikan, in gleichem Geschmack,
ebenfalls Stucco. Auch die Orgel weist, geschnitzt, die entsprechenden Ornamente auf.
Eine achtstufige Treppe mit schmiedeeisernem Gitter und Gitterthür führt zu dem
ummauerten Kirchplatz hinauf. (Aus der gleichen Zeit.)
Auf dem Friedhof: Grabstein mit dem doppelten Wappen der Wurmser; in Roll-
werkcartouche die Inschrift (in Kapitale) : »Anno domini 1624 den 5 Tag Novembris
starb die wohledle und tugendtreiche Fraw Maria Eusebia Wurmserin deren der allmechtige
Gott am jüngsten Tag in fro . . .« (das weitere unter der Erde vergraben).
Einfacher Grabstein aus dem 18. Jh. des Amtsschultheissen Christmann Fischer.
An der Ostwand der Kirche der Grabstein Friederike Brion’s von Sesenheim, der
Jugendliebe Goethes, die ihre letzten Lebensjahre hier, bei ihrem Schwager, dem Pfarrer
Marx als im ganzen Ort geliebte »Tante« verlebte und 1813 hier starb. In hellgrauem
Stückarbeiten
Altar
Kanzel
Friedhof
Grabsteine
96
KREIS OFFENBURO.
Ortsgeschichte
Kapelle
Sandstein erhebt sich die Grabstele, aus kranzumgebenem Medaillon mit vergoldetem
Grund hebt sich in weissem Marmor die Büste Friederikens hervor, darunter die Inschrift:
Friederike Brion
von Sesenheim gewidmet.
Ein Stral der Dichtersonne fiel auf sie,
So REICH, DASS ER UNSTERBLICHKEIT IHR LIEH!
(Verse von L. Eckardt.)
Daneben deckt eine kleine schwarze Marmorplatte das Grab der Schwester, mit
dem Dichternamen aus: Wahrheit und Dichtung als Olivie (in der That Maria Salomea
7 15. Jan. 1807) bezeichnet:
Hier ruht
UNSTERBLICH WIE FRIEDERIKE
„Olivie“
geb. Brion
von Sesenheim
Geb. 17+9 — Gest. I$o7
Wer einem Dichter hold begegnet,
Dess’ Name bleibt fortan gesegnet!
Vergl. dazu: Ph. T. Lucius, Friederike Brion, Strassburg 1878, S. 106: H. Düntzer, Fr. von
Sesenheim, Stuttgart 1893, S. 136 ff. ; Bielschowsky, Fr. Br., Breslau 1880, S. 40: W. H. Das
Grab der Fr. Br. in Meissenheim, Antiquität. Zeitschr. VI (1894 Nr. 13, etc.
MIETERSHEIM
Schreibweisen: Mutherisheim 763; kop. 1457 (Fälschung); Mötrisheim 1x08; villa
Möteresheim; Mütershein 1270; Muterzhein 14. ]h.; Muetershein 1450 etc. (Heim des
Mötheri.)
Archivalien. Der Roeder von Diersburg. Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894)
S. 1 10.
Ortsgeschichte: M. ist ein sehr alter Ort, der schon 763 (?) mit dem benachbarten
Kippenheim dem Kloster Ettenheimmiinster durch Bischof Heddo geschenkt wurde.1)
Damals hiess es: Mutberisheim. 1110 erhält das Kloster S. Peter auf dem Schwarz-
walde eine Schenkung in M. Es gehörte in die untere Herrschaft Geroldseck und wird
häufig in Schenkungen genannt. Pleinrich von Geroldseck-Lahr musste, betheiligt an
dem Ueberfalle des Grafen Eberhard von Württemberg im Wildbad, als er sich mit
demselben aussöhnte, sein Lehensmann werden und gab u. a. Mietersheim dem Grafen
auf, um es als Mannlehen zu bekommen. Bei der Gebietstheilung 1629 kam der Ort
an Nassau und wurde 1803 badisch.
Eine kleine Kapelle , die in die Pfarrei Dinglingen gehört, befindet sich an der
Hauptstrasse. Sie hat einen kleinen Dachreiter, schliesst im Achteck, die Fenster-
gewände sind hohlgekehlt, das hinterste Fenster im Chor hatte einen, jetzt weggehauenen
Pfosten. Ein Bau des 16. oder 17. Jhs. Durch die Tünche im Langhaus schimmern
1) Ruppert a. a. O. S. 395.
AMT LAHR. — NONNENWEIER.
97
Apostelkreuze durch. Dass am Jakobssonntag hier Kirche gehalten, deutet vielleicht
auf den früheren Titel. Früher bestand hier eine eigene Pfarrei.
An dem Kellerzugang eines Hauses (Nr. 12) die Jahreszahl 1623; ausserdem im Privathäuser
Ort eine Anzahl Riegelhäuser, leider zum Theil verputzt.
NONNENWEIER
Schreibweisen: Nunnewilre 1003; Nunnenwilr 1270; Nonnenwilr 1414 ; Nunnen-
weyler 1426; Weiler der Nonnen.
Archivalien der evang. Pfarrei: Kirchenbücher von 1642 an. Mittheil. d. histor.
Komm. Nr. 15 (1893) S. 101.
Ortsgeschichte : Nonnenweier ist ein frühe urkundlich vorkommender Ort. Kaiser Ortsgeschichte
Lothar schenkte angeblich 845 dem Kloster S. Stephan zu Strassburg unter anderen
Höfen auch »Nunnenwilre«. Doch ist die Urkunde eine Fälschung des 11. Jhs. Dann
kam das Dorf an den Bischof von Strassburg, von dem es die von Windeck als Lehen
trugen. 1316 löste es von Berthold von Windeck der Bischof wieder aus. Eine Zeit
lang kam es, wohl als Pfandlehen, an die Geroldsecker, endlich nach verschiedenem
Wechsel wieder an das Stift. ') Später war es eine ritterschaftliche Besitzung der Rath-
samhausen, der Böcklin und der Oberkirch und gehörte bis 1806 zum schwäbischen
Ritterbezirk Ortenau.
Evang. Pfarrkirche: Erwähnt 1270 Johannes rector ecclesie; 1419 Johans Pfarrkirche
Wahter Kircherre und Johans Frügemesser. 1473 war eine Kaplanei hier. Die Refor-
mation führte der Strassburger Rathsherr Bock im Aufträge des Rathes hier ein. Die
Kirche war ursprünglich eine aus dem 12. sec. stammende Kapelle, wie Stöcker schreibt,
welche noch das Langhaus bildete und durch spätere Anbauten vergrössert wurde. Leider
fand ich dieselbe, als ich hinkam, glattweg abgerissen und dem Boden gleich gemacht.
Nach einer Mittheilung, die ich im Pfarrhause erhielt, schloss der Chor mit grossem
Rundbogen an die Kirche an, die 1727 vergrössert wurde. An Resten sah ich noch
einen grossen Sandstein, an dem vorne unten eine romanische Fratze herausgearbeitet
war mit herausgestreckter Zunge. Der Stein soll auf der südwestlichen Giebelecke des
Langhauses gelegen haben. Ausserdem war noch erhalten der Kämpfer eines Bogens
mit Rundstab und weiter die Reste eines romanischen Thürgewändes, sowie eines offenbar
später eingefügten Sakramentshäuschen mit Fischblasenmasswerk, ein mit Muschel-
ornament verzierter Renaissance-Stein und eine Quader mit runder nach vorn sich
erweiternder Oefifnung. (Siehe Nachtrag.)
Zwei Grabplatten mit vollkommener Ahnenprobe in den zahlreichen Wappen- Grabplatten
schildern: der Anna Amalia von der Grün geb. von der Sachsen *J* MDCLXXIII
(genauer siehe im Nachtrag) und der des Joh. Christoph von der Grün J- 21. Dezember
MDCLXYI.
Ein weiterer Grabstein, verziert mit skulpirten Guirlanden und Bändern der Christina
Luisa Frid. Freifrau von Boecklin zu Boecklinsau * 1768 J* 1799 und ihrer Tochter
Luise Francisca Caroline * 1799 J* 1799.
1) Ruppert a. a. O. S. 396.
Band VII.
7
98
KREIS OFFENBITRG.
Kirchengeräthe
«Schloss«
Riegelhäuser
Wirthshaus-
schilde
Porzellanfabrik
Ortsgeschichte
Pfarrkirche
Im Norden der Kirche konstatirte man, etwa am Thurm beginnend, von Süden
nach Norden ziehend einen Mauerzug, vielleicht von einem früheren Kloster.
Im Pfarrhaus ein Kelch aus dem 17. Jh. Cuppa Silber, Fuss kupfervergoldet
mit Fischblasen und Rautenornament am Nodus; am Fuss eingravirt das Wappen von
der Grün und in Minuskelschrift: joerg maria. Vier Zinnkannen von »Joh. Daniel
Reiser in Lohr«. (18 Jh.) Seidengestickte Altar- und Kanzelbekleidung von 1770.
Das alte » Schloss « derer von Boecklin, jetzt Anstalt für evang. Kinderpflege, hat
noch hübsche Rocaille-Einfahrtspfosten aus Sandstein und ein schönes Thorgitter mit
dem Wappen.
Einige gute Riegelhäuser, wie immer leider auch hier verputzt, stehen im Ort.
Schmiedeeiserne Wirthshausschilde »zum Löwen« und »zum Wolf« (?)
Im 18. Jh. befand sich hier eine Pot'zellanfabrik, die im Jahre 1786 von Pfälzer,
der die Fabrik in Dautenstein angelegt hatte, gegründet worden und später als Filiale
der Dautensteiner Fabrik weitergeführt wurde, aber keine grossen Erfolge erzielte. Ein
einziges Stück ist bisher mit Wahrscheinlichkeit auf Nonnenweier zurückzuführen. ')
OBERSCHOPFHEIM
(Niederschopfheim s. Amt Offenburg)
Schreibweisen: Scopfheim 763; kop. 1457 eine Fälschung, dagegen in Morthenania
Scofhaim 777; Schopfheim 1050; Scoppheim 1179; Schophen 1275 etc.
In superiore Schopffen 1016 ist wieder eine Fälschung, zum ersten Mal die
Trennung erwähnt wohl 1273 (Oberschopfen) \ in villa et banus superioris ville Schopf-
heim 1291; Obernschopfhein 1388 etc.
Archivalien der Gemeinde und kath. Pfarrei: Mittheil, der histor. Komm. Nr. 15
(1893) S. 101; Archiv, der Roeder v. Diersburg ebenda Nr. 16 (1894) S. in.
Ortsgeschichte: Ursprünglich, wie aus Obigem ersichtlich, nur ein Dorf, scheint
dasselbe sich im 13. Jh. in Ober- und Niederschopfheim getrennt zu haben. Das Kloster
Ettenheimmiinster war in alten Zeiten hier begütert, später das Kloster Schuttern, eine
Zeit lang auch Alpirsbach, von 1300 bis 1509, wo ihm Schuttern diese Besitzungen
abkaufte, und Gengenbach. Der Ort gehörte in die Herrschaft Geroldseck, kam 1629
an Baden-Baden. (Herrschaft Mahlberg.)
Schon ziemlich früh, im 12. Jh., lernen wir ein Ministerialengeschlecht in Schopf-
heim kennen, das, solange die Grafschaft der Mortenau bei den Zähringern war, zu
deren Dienstadel gehörte. Ihr Siegel zeigt im Schild einen aufrecht stehenden, nach
rechts schauenden Vogel mit ausgebreiteten Flügeln. Am Anfang des 14. Jhs. scheint
ihr Mannesstamm ausgestorben zu sein.
Kath. Pfarrkirche : ad S. Leodegarium episcopum. Im Mittelalter scheint im
Ort selbst nur eine Kaplanei bestanden zu haben, ursprünglich verbunden mit dem Hof,
den das Kloster Gengenbach hier besass, während die vor dem Ort liegende Leutkirche
als Pfarrkirche genannt wird (s. unten). Erwähnt capella annexa curie, quam habet
x) Abgeb. bei K. F. Gutmann. Die Kunsttöpferei des 18. Jhs. im Grossh. Baden. S. 180.
Ueber die Fabriken ebenda S. 165 ff.
AMT LAHR. — OBERSCHOPFHEIM.
99
monasterium de Gengenbach in Oberschopfen ; capella in obem Schopfheim 1452.
1666 dagegen wird von der »ecclesia« geredet, als Collator der Abt von Schuttern
genannt — Oberschopfheim war als baden-badisch katholisch geblieben — >>animas
regendas habet ca 200; adsunt et plures haeretici«.
Der heutige Bau stammt wohl ganz aus derZeit um 1715, welche Jahreszahl über
dem Portal steht. Es ist eine einschiffige Kirche, der Chor in drei Seiten des Achtecks
schliessend, der viereckige Thurm, welcher der Kirche vorgelegt ist, geht in seinen
oberen Stockwerken in das Achteck über und endigt in einem Zwiebeldach. Das
Aeussere der Kirche mit Lisenen etc. gegliedert. Das Ganze steht vorzüglich in der
Landschaft. Im Innern einfachere Barock-, Hoch- und Seitenaltäre.
Kirchengeräthe : Sonnenmonstranz, theilweise restaurirt, mit dem Augsburger Kirchengeräthe
FT
Zeichen und ^ . Zwei reichere und ein einfacher Rocaillekelch, Silber getrieben, ver-
goldet, wieder Augsburger Arbeit, die reicheren mit Silberfiligran und Steinen haben die
Meisterzeichen: B und I ■ C • M. Silbergetriebene Messkännchen der gleichen Zeit.
Einige Kirchengewänder des 18. Jhs.
Die Glocken sind neu. An der Kirche Trümmer eines Rocaille-Grabsteins ; vor
derselben ein Crucifixus, am Kreuzesfuss die Madonna, 1764 von Franz Werterer und
Elisabetha Roderin seiner Ehefrau gestiftet.
Etwa 20 Minuten westlich vor dem Ort die Reste der Giitleulkirche (s. Näher Gutleutkirche
Ortenau S. 41 und Tafel IX), die schon 1362 erwähnt wird: Kirche zu Lütkirche ;
parochia in Ltitkilch 1366, parocchialis ecclesia in Lütkirch 1394, und also im 14. Jh.
Pfarrkirche war, die 1409 dem Kloster Schuttern inkorporirt wurde. Sie wurde in dem
spanischen Erbfolgekrieg mit dem Dorf zerstört, worauf man, wie es scheint, nur den
Chorthurm wiederhergestellt und als Kapelle benützt hat, während das Langhaus in
Ruinen liegen blieb. In den letzten Jahren wurde dasselbe zur Hälfte wieder eingedacht
und ausgebaut. Von dem ehemals sicher damit verbundenen Siechenhaus, das auch
verbrannte, ist heute keine Spur mehr zu sehen.
Die Kirche war ein einschiffiger Bau, mit ziemlich langem Langhaus, dem das
Erdgeschoss des Thurmes als Chor diente. Dies Erdgeschoss ist mit einem Kreuzrippen-
gewölbe gedeckt, mit trocken profilirten Rippen der Spätzeit, die heutigen Fenster sind
nach der Zerstörung eingebrochen. Der Thurm selbst ist nur noch ein Stumpf, da nur
ein Obergeschoss, ebenfalls nach dem 17. Jh. wieder ausgeflickt, vorhanden ist. Im Lang-
hause die Reste spitzbogiger Fenster zum Theil mit Fischblasenmasswerk, ausserdem noch
die Konsolen sichtbar, die wohl einer Empore gedient haben mögen. Auf der noch
stehenden Fagadenwand eine stark beschädigte Kreuzblume, in ihr ein spitzbogiges Thor.
Der Bau besteht aus schlechtem Bruchsteinmauerwerk mit Sandsteinquadern an den
Ecken und Sandsteingewänden.
In dem Chörlein ein ganz wirkungsvoller Barockaltar, in Verbindung mit den zwei
Seitenthtiren zu kleinen Aufbewahrungsorten für die Geräthe. Hinter dem Altar und
an der Decke dekorative Barockmalereien. Im Jahre 1905 sind hier ausserdem die
Reste von Wandgemälden aus dem Anfänge des 16. Jhs. hervorgetreten. An den ■ Wandgemälde
beiden Seitenwänden des Chores fanden sich die zweidrittellebensgrossen Gestalten der
Apostel, je vier auf jeder Seite, der fünfte ist durch das später eingebrochene Fenster
vernichtet. Engel hielten hinter ihnen ausgespannt Teppiche. Diese Figuren begannen
7*
I oo
KREIS OFFENBURG.
Kruzifixe
Ortsgeschichte
Pfarrkirche
etwa i ]j2 m vom Boden, unter ihnen zog sich eine Bordüre hin, in der nach den erhaltenen
Spuren auf deutsch in Minuskelschrift die Worte des Credo standen. In die Kappen
des Gewölbes wuchsen leichte, spätgothische Ranken empor. Die Gestalten wiesen auf
einen Durchschnittsmaler vom Anfänge des 1 6. Jhs. Sie waren sehr schlecht, zum Theil
nur in wenigen Resten der Umrisse erhalten und wurden 1905/6 durch den Maler Kolb
aus Offenburg übermalt, leider etwas stark. Besser erhalten waren die Halbfiguren der
klugen und thörichten Jungfrauen in halbrund abgeschlossenen Nischen an den Laibungs-
flächen des Triumphbogens. Manches, so die Haartracht und die Schapel, welche die
Köpfe der klugen Jungfrauen schmücken, deuten auf eine vielleicht im 1 6. Jh. restaurirte
Grundlage des 14. Jhs.? Erfreulicher Weise ist hier die Uebermalung unserer Zeit nicht
so weit gegangen.
In der Nähe finden sich an der Strasse noch zwei einfache Kruzifixe , das eine
datirt von 1779 und ein Bildstock des 18. Jhs.
OBERWEIER
Schreibweisen: Obernwilire 1064; kop. 17. Jhs.; Oberwilr 1350; Obenvilre 1363;
villa 1368 etc.
Archivalien der Gemeinde und kath. Pfarrei: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 15
(1893) S. 1 xo — 1 1 1.
Ortsgeschichte : O., in die Kastvogtei von Schuttem gehörig, war bambergisches
Lehen, und gelangte nach dem Aussterben der Tiersberger Linie an die Geroldsecker,
also erst 1 2 7 7 1) nach der Theilung; es blieb daher als ungetheilter Besitz beiden Linien
gehörig, denen es allmählich gelang, es in ein Reichslehen umzuwandeln. Mit der Hälfte
der Herrschaft Lahr-Mahlberg kam die eine Hälfte, 1475 mittelst Verkauf durch Diebolt
von Hohengeroldseck das eine Viertel der zweiten Hälfte an den Markgrafen Christoph
von Baden, nach dem Aussterben des Geschlechts das letzte Viertel ebenfalls, somit
war O. baden-badisch.
Das Patronat kam von den Tiersbergern als Allod an die Schwarzenberger ; war
mit der Feste Tiersberg verbunden und wechselte mit dieser die Besitzer. Lehen
besassen hier die Schauenburg und die Brombach und von den Klöstern der Umgegend
war, seiner Lage gemäss, vor allem Schuttern hier begütert. Ein Ortsadel 1361,
1365 und 1370 erwähnt.
Kath. Pfarrkirche: Sancti Naboris et Felicis (später hinzu gekommen), heute
S. Michaelis. Erwähnt 1414, 1545; parocchialis ecclesia 1400; Heinrich Esel, der
kirchherre der pfarrekirche zu Obenvilre 1377; Cunrat Pawel, lütpriester 1413. Durch
die Reformation, die theilweise auch hier vorzudringen versuchte, war die »olirn insignis
parocchia« 1666 sehr zusammengeschmolzen: »parochiani ibidem sunt numero pauci,
haereticorum vero numerus satis magnus«.
Die kath. Pfarrkirche ist ein Bau von 1876 bis 1880. Damals wurden Theile
der alten Kirche im Fundament vermauert. Schon diese aber soll ein Bau im Wein-
brennerstyl gewesen sein. Nur die zwei untersten Geschosse des Thurmes sind in ihrem
x) Ruppert a. a. O. S. 397 ff.
AMT LAHR.
OTTENHEIM.
IOI
Kern alt, mit Cement bekleidet. Im Erdgeschoss Portal im Kielbogen geschlossen, mit
sich schneidenden und todt auslaufenden Rundstäben auf steilen Basen (natürlich Sand-
stein), der Jahreszahl : ll <5 l } i X und dem Steinmetzzeichen : “JT . Kreuzgewölbe
im Innern mit einmal hohlgekehlten Rippen, die ohne Konsolen an der Wand verlaufen,
und Schlussstein mit dem Agnus dei.
Auf dem Friedhof aufgestellt der obere Theil eines verstümmelten, naturalistischen Crudfixus
Crucifixus an baumartig gestaltetem Kreuz (16. Jh.), an dem ehemaligen Postament
eine verwischte Inschrift. An der Friedhofmauer alte Grabsteine mit mehrmals wieder-
kehrendem Streüf von Lawenstein’schem und Brombach’schem Wappen, deren Inschriften
durch Erhöhung des Friedhofniveaus zugeschüttet wurden, jedoch gut erhalten sind.
OTTENHEIM
Schreibweisen: Othenhen 845 Fälschung d. n.Jhs. ; Ottenheim 1016; Oten-
heim 1225 etc.; Heim des Otto.
Archivalien der Gemeinde und Pfarreien : Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 15 (1893)
S. 101— 102.
Litteratur: Heimburger Grammat. Darstell, der Mundart des Dorfes O. Halle 1887;
Götz, A., Volkskunde von Siegelau, nebst Mittheilungen aus O. Alemannia XXV 1 — 62.
Ortsgeschichte : In O. amtirte 1070 der letzte Gaugraf der Ortenau, Luitfrid. Ortsgeschichte
Wie es an die Geroldsecker kam, ist unbekannt. Bei der Theilung von 1277 behielt
sich beide Linien den gemeinsamen Besitz von O. und dem gegenüberliegenden Schwanau
vor, da mit beiden Orten die Rheinschifffahrt beherrscht wurde. Schwanau war eine
mächtige Tiefburg, nach den Nachrichten fortifikatorisch vorzüglich ausgestattet. So
wurde denn auch im Anfang des 14. Jhs. Raub und Schädigung der Schifffahrer, ins-
besondere der Strassburger, Züricher Kaufleute, mit Erfolg betrieben und die Gerolds-
ecker standen diesem Treiben nicht fern. Das wurde schliesslich so arg, dass die Strass-
burger mit ihren Verbündeten vor die Burg zogen, nach langwieriger Belagerung sie
eroberten und dem Erdboden gleich machten. Damit war auch die Bedeutung des auf
der andern Seite liegenden Ottenheim dahin. 1481 ging die der Linie Hohengeroldseck
gehörige Hälfte erst pfandweise, dann 1503 als Eigenthum an Baden über, während die
andere Hälfte bei der Theilung von 1629 der Herrschaft Mahlberg zugewiesen, ihm
ebenfalls zufiel. O. war also baden-badisch. Unter den Geroldseckischen Vasallen hatte
Hans Truchsess verschiedene Güter hier. Ein Ortsadel wird erwähnt 1256, 1288
und 1317.
Simultankirche (ad s. Gallum). Ecclesia erwähnt 1136, Johannes dictus ad Simultankirche
Angelum quondam rector ecclesie in Otenhein 1296 ; Walramus de Veldencze, canonicus
eccl. Arg. et rector eccl. de Otenheim 1311. Bald aber hatte Ottenheim zwei Pfarr-
kirchen, zwei Pfarreien und zwei Pfarrherren. Die erste Erwähnung derselben geschieht
1326, wo ein Acker »bi der nuwen kirchen« angeführt wird2), dann 1422 bei der
*) Hertzog, Edelsasser Chronik (1 592) S. 108 ff. Zimmer’sche Chronik Ed. Barack I. 365.
Strobel, Gesch. d. Elsasses II 199 ff. Badenia, Alte Folge II 301.
2) Ruppert, a. a. O. 403.
102
KREIS OFFENBURG.
Ablösung einer Gült von »der alten kirchen in Ottenheim«. 1419 erfahren wir von
Johans Bromber, Kircherre zu Altenotenheim, 1452 von den »kylichherren der zweyer
Pfarrkirchen zuo Otenheim« oder auch von den »herren Thoman und herren Johannes«
kilchherren und lutpriester der zweier Pfarrkirchen zu Ottenheim. Am Anfänge des
16. Jhs. aber ging die alte Kirche ein, auf die Gründe deutet die Notiz: »Wilhelmus
episcopus Arg. ius parochiale apud ecclesiam vetus Ottenheim nuncupatam, quia timetur
propediem eandem ecclesiam ex vi fluminis Rheni demoliri, ad ecclesiam Ottenheim
nova dictam transferimus 1509«.1) Mit der ehemaligen Existens zweier Kirchen hängt
es wohl zusammen, dass 1692 als »patronus coeli S. Johannes Baptista« genannt wird,
1699 S. Dionysius Ep. et mart. und später im 18. Jh. der h. Gallus.2) Das Patronat
stand dem Kloster Schuttern zu; wie gewöhnlich ward dann auch Ottenheim inkorporirt,
was 1401 durch Papst Bonifaz bestätigt wurde. Schuttern besetzte nun die (eine?) Pfarrei
mit ständigen Vikaren. — Auch hier fand die Reformation bald Eingang und in jener
Notiz von 1692 (s. o.), in der auch als collator et decimator domnus marchio Badensis
genannt wird, heisst es: »animas habet ca 50, reliqui sunt haeretici«. Da die Herrschaft
aber katholisch war, so blieb die Kirche den Katholiken, bis sie 1765 zum Simultan-
gebrauch bestimmt wurde.
Der heutige Bau stammt in den Untertheilen des als Chor dienenden Thurmes
aus älterer Zeit, im Langhaus von 1771. Der Thurm weist unten Spitzbogenfenster aut
mit theils noch vorhandenem, theils herausgebrochenem Masswerk, welches ebenso
wie die Profilirung der Laibungen schon auf das späte 16. wenn nicht 17. Jh. deutet, im
zweiten Geschoss Lichtluken, im dritten Rundbogenfenster, die er einer Restauration
i. J. 1791 zu verdanken hat. Sein Mauerwerk besteht aus Bruchsteinen mit Sandstein-
quadern an den Ecken. Das schlichte Langhaus weist Rundbogenfenster auf und ein
einfaches Barockportal mit dem Datum 1771.
Im Innern hat der Thurm unten ein Sterngewölbe mit trocken profilirten Rippen
ohne Konsolen und unverziertem Schlussstein. Eine Thür mit geradem Sturz, sich
kreuzendem Stabwerk auf steilen kleinen Basen führt zur Sakristei, die mit zwei
Kreuzrippgewölben (ohne Konsolen) mit geradem Scheitel bedeckt ist. — Das Langhaus
zeigt ein Spiegelgewölbe mit einschneidenden Kappen auf schlanken Pilastern. An der
Decke ein Gemälde der Himmelfahrt des seeligen Bernhard, gut-dekorative Malerei
von Morathi, in kleineren Bildern die Sinnbilder Christi, dann die Weihe eines Bildes
durch den Markgraf Georg August und endlich die Seeligsprechung Bernhards, die
eben damals geschehen war.
Altäre In der Kirche drei Altäre mit Altarbildern, eine Kanzel und Orgel, von 1773
K '''rau'fstem1 '* in dem üblichen, wirksamen Rocaillegeschmack. Ein Taufstein, verziert mit Beschläg-
ornament von 1630, renovirt 1771.
docken Die vier Glocken stammen aus der Edel’schen Giesserei in Strassburg und zwar
die grösste von 1777, dem h. Gallus geweiht, eine von 1750, eine kleine von 1791
(h. Sebastian) und die vierte, deren Jahreszahl ich nicht beikommen konnte.
Kirchengerathe Kirch engeräte : Silber getriebener vergoldeter Rocaillekelch ohne Zeichen, des-
gleichen gravirt und getrieben im Uebergang zum Zopfstyl, wohl nach 1771, und ganz
x) Krieger II S. 451. — Ruppert S. 403 meint, die Rechte der einen Pfarrei seien 1509
auf die neu errichtete Kirche in Almersweiler transferirt worden ; also wohl die der neuen Kirche.
2) Stöcker a. a. O. S. 162.
AMT LAHR. — PRINZBACH.
I03
schlichter aus dem 17. Jh. Aus dem 18. Jh. (nach 1771?) die silbergetriebene, vergoldete
übliche Sonnenmonstranz ohne Zeichen und die Kreuzpartikel.
An der Nordwand der Kirche Empir z-Epitaph des Joh. Ant. Ed. Sartori Pfarrer
•j- 14. Dez. 1807 und vor der Kirche grosser Crucifixus mit Maria und Johannes, derbe
Arbeit von 1740.
Kath. Pfarrhaus von 1749 bezw. 1782, schlichter Bau.
PRINZBACH
Schreibweisen: Bmnsebach 1270; Brunspach 1367; Brünsebach 1368; Printzbach
1493; Brinspach 16. Jh.
Archivalien der Gemeinde und Pfarrei: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 15 (1893)
S. 102.
Ortsgeschichte : Die Sage, für die aber nicht die geringsten Anhaltspunkte vor-
handen sind, erzählt von einer römischen Stadt und römischen Silberbergwerken, auch1)
von einem Fund römischer Münzen von Hadrian und seinen Nachfolgern. Wenn letzteres
wohl nicht undenkbar ist, so beweist es doch nichts für das Erstere, ja, könnte geradezu
der Ursprung der Sage sein. Wie es scheint, sind Erwähnungen des Ortes vor dem
13. Jh. nicht zu konstatiren. Erst aus dieser Zeit finden sich denn auch Nachrichten
über die während einer kurzen Periode ergiebigen Silberbergwerke, die offenbar die
Hauptquelle für Walters II. Macht und Reichthum gewesen sind. 2) Möglich, wie
Ruppe rt bemerkt, dass in dem spärlich bewohnten Thal sich daraufhin die Zahl der
Ansiedler mehrte, aber eine Stadt war P. nie. Die aus verschiedenen Gründen unmög-
liche Notiz Kolb’s3), dass die Stadt (!) Prinzbach i. J. 1008 (sic!) am Charfreitage von
den Freiburgern überfallen und geplündert, die Schmelzöfen und Münzwerkstätten aber
zerstört worden seien, mag vielleicht auf ein ähnliches Vorgängniss im 13. Jh. im
Zusammenhang mit der Gefangennahme Walters durch den Grafen von Freiburg zurück-
zuführen sein.4) Dass bei der Theilung 1277 Prinzbach wie alles Land ostwärts der
Bischofsmühle in den Besitz Heinrichs von Geroldseck -Veldenz kam und die Lahrer
Linie sich nicht den Mitbesitz sicherte, wie seinerseits Heinrich an dem in ihrem Theil
gelegenen Schwanau, könnte meines Erachtens darauf hindeuten, dass die Bergwerke
erschöpft waren und man ihnen keinen Werth mehr beilegte. Später hat man ver-
schiedentlich nach Silber wieder gesucht, aber ohne grossen Erfolg, weder bei den
Nachforschungen durch Bischof Friedrich von Blankenheim5) (1375 bis 1393), noch als
Pfalzgraf Friedrich i486 die Herrschaft erobert hatte und nach Silber oder Blei suchen
liess. Es werden erwähnt 1496 »zwo gruben mit namen sant Mauricius fundtgrub im
4) Kolb III 73 und Berstett Münzgesch. p. 171.
2) Anhaltspunkte dafür hat Ruppert (S. 247) gefunden in Richerius Senon. und in den
Colmarer Annalen, die z. J. 1257 bemerken: »In Brusbach monte Brisgaudie inveniebant argentum
in magna quantitate«.
s) Kolb III 74.
4) Wie Ruppert wohl mit Recht vermuthet, der die früheste Notiz darüber (S. 247) in einem
Kopialbuch des XVI. Jhs. gefunden hat, das sie einem alten Messbuche entnommen haben will.
5) Königshofen Deutsche Städtechroniken. Strassburg 1679. Mone Quellensammlung I
S. 267.
Epitaph
Kath. Pfarrhaus
Ortsgeschichte
Pfarrkirche
Ausstattung
Glocken
Kirchen geräthe
I04 KREIS OFFENBURG.
Brunspach und sant Lendlins grub im Emellspach«. J) 1530 waren in Prinzbach drei
Gruben in Betrieb, im Emersbach und im Harmersbach je eine und Markgraf Philipp
von Baden gerieth mit Gangolf von Hohengeroldseck wegen deren Verleihung in Streit.
Der Ertrag war jedenfalls nicht gross, denn man hört kaum mehr etwas davon. Kolb
berichtet zwar, dass 1790 noch das Silber- und Bleiwerk Marianna im Betrieb war.
Man will in unserer Zeit beim Kellerbau des Zimmermann Josef Rosenthal noch das
frühere »Stadt «pflaster gefunden haben, ebenso den Eingang zu dem früheren Bleiberg-
werk, endlich sollen noch Reste einiger »Stadt«mauern, Theil vom Erdwall, Stadtgraben1)
gefunden worden sein. Bis auf geringe thatsächliche Gemäuerreste (s. unten) unkontrollir-
bare Nachrichten. Prinzbach hatte mit der ganzen Herrschaft Hohengeroldseck, bei der
es verblieb, 1485 die Verwüstungen durch den Pfalzgrafen zu erleiden. Mehrere Jahre
nachher noch waren die Einwohner nicht im Stande, ihre Steuern zu entrichten. 1670
kam neues Unheil, der Ort wurde durch die Franzosen unter Crequi verbrannt. 1819
wurde er badisch.
Ein Ritter Johannes von Schutterthal, Lehensmann der Geroldsecker, hatte um 1350
in P. seinen Wohnsitz, ausserdem werden im 14. Jh. verschiedene Edelknechte von Pr.
erwähnt.
Die kath. Pfarrkirche: Ad S. Mauritium. 1291 einWaltherus clericus de Brunse-
bach genannt, 1464 ein rector ecclesie. Die Collatur sowie der Zehnten gehörten von
altersher zu Hohengeroldseck, daher wird der Besitznachfolger »praenobilis liber baro
de Leuen« 1699 als »collator et simul decimator« genannt.
Der heutige Bau ist im Wesentlichen einer Wiederherstellung nach der letzten
Zerstörung, also Ende des 17. oder im 18. Jh. zuzuschreiben. Ein einschiffiges Lang-
haus mit östlichem Thurm, der wie üblich als Chor dient. Dieser Thurm Bruchstein-
mauerwerk mit Sandsteinquadern an den Ecken, hat an diesen schwach hervortretende
Strebepfeiler; an deren südöstlichstem eingeritzt die Linien einer Sonnenuhr. Während
er im Süden ein späteres gradsturziges Fenster mit abgefastem Gewände aufweist, ist
das östliche ein doppeltes Spitzbogenfenster mit nach Innen kurzer, nach Aussen sehr
starker Abschrägung. Die noch viereckigen Geschosse darüber haben schmale Licht-
luken, der Thurm endigt in einem achteckigen Geschoss aus Riegelwerk und dessen
Bedachung aus dem 18. Jh. Im Erdgeschoss ein Kreuzgewölbe mit plumpen Rippen
auf merkwürdig primitiven achteckigen Konsolen. Der Schlussstein zeigt das Lamm
Gottes und weist auf spätgothische Zeit. Der Chor öffnet sich in gedrücktem Spitzbogen,
der auf spätgothischen Kämpfern aufsitzt, gegen das schlichte Langhaus; die Fagade
öffnet sich in gradsturziger Thür, darüber Oculus und Spitzbogenfenster.
Der Taufstein mit gebauchtem Fuss und muschelartig verzierter Cuppa stammt aus
dem 16. bis 17. Jh.; ebenso ein Weihwasserstein am Nordportal. Die Altäre sind im üb-
lichen Barockstyl, die Kanzel dagegen schon Louis XVI. mit den Reliefs der Evangelisten.
Drei Glocken sind neu, die vierte von 1765, also wohl aus der Edel’schen Giesserei.
In unserm Jahrhundert hat die Kirche eine Erneuerung ihrer Bedachung erfahren.
Zwei silbervergoldete Kelche , der eine von 1750 mit Augsburger Zeichen, zwei
schlichte Empire-Kelche, entsprechendes Versehkreuz und übliche Sonnenmonstranz,
Kupfer, versilbert und vergoldet mit Rocailleornamenten.
*■) Krieger II 503.
AMT LAHR. — REICHENBACH. I05
Vor der Kirche Crucifixus mit Magdalena, Sandstein, 1762 gestiftet von Maria
Magdalena Steigerin. Der Friedhof hat alte Ummauerung mit abgeschrägten Deckplatten.
Fünf Minuten östlich der Kirche Reste eines alten Mauerzuges, etwa zwanzig
Schritte langes, ziemlich regelmässiges Granit-Bruchsteinmauerwerk ; ausserdem glaubt
man noch die Anlage eines Grabens zu entdecken.
An dem gegenüber der Pfarrei gelegenen Hause Brunnensäule mit Menschen-
fratze als Ausfluss. Diese Fratze mit merkwürdig stylisirtem Haar könnte noch romanischen
Zeiten nahe stehen.
REICHENBACH
Schreibweisen: Richenbach cum vallibus suis scilicet Diezzen et Weiler 1270;
Richembach 1466; Langenrichenbach 1322 und 1476; zu Richenbach unden im dorff
16. Jh.
Archivalien der Gemeinde und (kath.) Pfarrei: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 15
(1893) S. 102; Archiv der Röder von Diersburg; Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 16
(1894) S. 96.
Ortsgeschichte : Ruppert sieht irriger Weise in dem R., das in dem Schirmbrief
Innocenz II. von 1139 ftü das Kloster Gengenbach erwähnt wird, das Dorf bei Lahr.
Dieses scheint zum ersten Male (s. oben) 1270 erwähnt zu werden. Bei der Theilung
kam es zur Grafschaft Hohengeroldseck zur Hälfte, während die eine Hälfte als Zu-
behörde zu Schloss Tiersberg und Allod die Geschicke des Schlosses theilte, 1466 als
badisches Pfandlehen bei den Rödern war, durch einen gemeinsamen Vogt dieser und
der Geroldsecker verwaltet wurde (gegenseitige Freizügigkeit bestand) etc.1) Es machte
die Schicksale der Hohengeroldsecker mit und wurde 18x9 erst badisch.
Kirche (h. Stephan): ecclesia Rychenbach apud castrum Geroltzecke 1332; sännet
Steffins (sic) der heilige und die Kirche Richenbach etc. Das Patronat hatte schon 1289
hier das Kloster Gengenbach. Die Pfarrei wurde, wie es scheint, im Anfänge des 16. Jhs.
dem Kloster inkorporirt. 1666 erscheint als collator et decimator ecclesiae d. comes
de Gerolzeck und es wird weiter berichtet, dass es damals 1200 Seelen zählte. Der
heutige Bau ist vollständig neu.
Auch das Schlösschen im Weilerthal ist spurlos verschwunden. Es war als Gerolds-
eckisches Mannlehen ein Sitz verschiedener kleiner Adeliger.2) In den Kämpfen dieser
mit dem Pfalzgrafen wurde es, um letzterem keinen Stützpunkt zu geben, von Diebold
von Hohengeroldseck selbst verbrannt.
Im Ort eine stattliche Reihe malerische Riegelhäuser, in ihrer Gesammtheit gut
wirkend.
Am Südausgang des Ortes ein Kruzifix von 1756 und in der Nähe der Kirche
ein kleines Bildstöckle des 18. Jhs.
Mauer
Brunnensäule
Ortsgeschichte
Kirche
Schlösschen
Riegelhäuser
Kruzifix
1) Ruppert a. a. O. S. 406.
2) Ebenda.
io6
KREIS OFFENBURG.
SCHÖNBERG
Schreibweisen: am Schünberg 1444; Schyberg 1476; Schymberg 1496; Schyn-
berg 1522; auf dem Schimperg 1530.
Der Zinken, der nur wenige Häuser enthält, gehörte zur Grafschaft Geroldseck
und wurde 1819 badisch.
Das Gasthaus »Zum Löwen« aus dem 16. Jh., laut Jahreszahl 1732 im 18. Jh.
umgebaut, hat im Innern spätgothische, gebauchte Holzstützen des grossen Durchzugs-
balken mit schachbrettartiger Verzierung am Gebälkstück.
Ihm gegenüber liegt die (s. Fig. 52):
RUINE HOHENGEROLDSECK
Fig. 52. Die Ruine Hohengeroldseck ( Schönberg).
Schreibweisen: castrum Gerolteshecke 1139; kop. 1276; Geroltseck 1228; Gerols-
eke 1253; Geroltsecke 1260 etc. Hochengeroltzeck 1449; zuo der hochen Geroltzeckh
1487; Hoengeroltzeck 1504. Steyn Geroltzeck 1500. (Eck des Gerolt.)
Litteratur : Fr. Gessler, Hohengeroldseck. Sage und Dichtung. Lahr, Schauen-
burg 1887. — Krieg von Hochfelden, Ueber die alte Befestigung der Burg Hohen-
geroldseck in Mo ne ’s Bad. Archiv II S. 307. — Näher, Ortenau S. 14 ff. und 'I’afel III.
— N. Nickles, Das röm. Ehl, Hohenburg und Hohengeroldseck, nebst den Sagen
dieser Gegend. Abdr. a. d. elsäss. Samstagsblatt. Mülhausen, Rissler 1866. - — Ruppert
a. a. O. S. 3 u. 284 ff. — Schulte vom Brühl, Hohengeroldseck. Bad. Volkserzählung.
Lahr, Schauenburg 1893. — Oskar Schwebel, Die Geroldsecker und ihre Burgen.
Vom Fels zum Meer 1888/89, Heft 12. — Alfr. Siefert, Eine Wanderung von Lahr
nach den Ruinen Hohengeroldseck und Lützelhart. Lahr 1890. — Ders., Die Sage
von Walter von Geroldseck und Diepolt von Lützelhardt. Lahr, Geiger 1895. — Ders.,
Ursage von Hohengeroldseck. Lahr 1895. — C. A. Wo 11, Genealogie und Besitzungen
der Reichsgrafen von der Leyen. Pfälz. Mus. IX 31 — 32, 40 — 42. A. Siefert, Burg
Hohengeroldseck etc. Burgwart, II. Jahrg., S. 25 ff.
*) Die Litteratur ist hier nur soweit angegeben, als sie das Schloss selbst betrifft, da die
Geschichte der Dynasten und ihrer Herrschaft in der Einleitung gegeben ist mit den Litteraturangaben.
AMT LAHR. — SCHONBF.RG. (RUINE HOHENGEROLDSECK.)
107
Ansichten: Federzeichnung von Grimmeishausenf?) in den Akten des 30jährigen Ansichten
Krieges im Reichsarchiv zu München (s. Fig. 53). - — Ansicht des .Schlosses H. von 1645
o. O. (?) — Aus dem 19. Jh. in Badenia II, 1840; in Näher, Ortenau, Tafel III; ebenda
Grundriss, ein solcher auch in Mones Bad. Archiv II (zu dem Aufsatz Kriegs v. H.)
v. J. 1693, aufgenommen von dem österr. Genieoffizier Boulaincourt.
Geschichtliches: Es ist nicht die Aufgabe dieses Abschnittes, die Geschichte der Geschichtliches
Geroldsecker zu erzählen, da dies in der Einleitung zu dem Bande in Verbindung mit
der gesammten Geschichte der Mortenau geschehen ist. Nur diejenigen Vorgänge und
Thatsachen sollen hier rekapitulirt werden, die geeignet sein könnten, ein Licht auf die
Baugeschichte des Schlosses zu werfen.
Urkundliche Nachrichten, welche über das 11. Jh. hinaufreichen, haben wir von
den Geroldseckern nicht. »1035 wird ein Herimannus advocatus aecclesiae in Burcheim«
erwähnt, der möglicherweise — auch Krieger scheint es für wahrscheinlich zu halten —
dem Geschlecht angehörte, dann wird ein Waltherus de Geroldsecca im Cod. Hirsaug. 26
genannt, der etwa von 1061 bis 1105 gelebt haben muss. 1141 hören wir von »Otto
et Burchardus de Geroldisecco«, die aber wohl dem elsäss. Geschlecht angehörten (?).
Die Burg wird erwähnt zum ersten Male 1139 in dem Schirmbrief Innocenz II. für das
Kloster Gengenbach. Wir dürfen also annehmen, dass im xi. und 12. Jh. das Geschlecht
bereits seinen Hauptsitz auf der späteren Burg gehabt hat, die damals schon im Mittel-
punkt der noch bedeutend kleineren Besitzungen gelegen haben mag. Häufiger treten
die Mitglieder dann mit Beginn des 13. Jhs. hervor, wir hören von einem Heinri-
cus 1218, von einem Burchardus 1232 und von »B. et. B. de Geroltsecke« 1236. Erst
mit Walter II. aber, dem Vater des gleichnamigen Bischofs von Strassburg, dem Erbauer
der Tiefburg in Lahr und des Stiftes Lahr gewinnen wir einen sicheren Boden. Zu seinen
Lebzeiten lieferten die Silber- und Bleigruben bei Prinzbach jene reichen Erträgnisse,
die die Grundlage seiner Macht bildeten, offenbar der grössten, wie sie nie vorher und
nachher mehr ein Geroldecker besessen. Aber in demselben Augenblick, in dem der
Gipfelpunkt erstiegen war, begann auch schon das Sinken. In den Krieg des genannten
Bischofs mit der Stadt Strassburg verwickelt, erlitten sie schwere Wunden. Dazu kam die
Theilung 1277 zwischen den Enkeln Walters II., Heinrich und Walter, welche Lahr bekamen,
und ihrem Oheim Heinrich von Geroldseck-Veldenz, der alles Land ostwärts der Bischofs-
mühle (in der Mitte des Weges zwischen Lahr und Kuhbach) und somit auch die Stamm-
burg erhielt, sowie das württembergische Sulz. Er scheint sich mehr auf den ihm durch
seine (zweite?) Frau zugefallenen niederrheinischen Besitzungen und in den schwäbischen
Landen aufgehalten zu haben, als in dem alten Erbsitz seines Geschlechtes. *) Von seinen
Söhnen bezw. Nachkommen stammen die zwei Linien Hohengeroldseck und Sulz,
während die Kinder, welche die Veldenzer Länder erhielten, sich Grafen von Veldenz
nannten, doch hatten sie auch ein Erbrecht auf die Geroldseckische Hinterlassenschaft.
Es waren die Zeiten der äussersten Verwirrung Deutschlands durch die Kämpfe um
die Kaiser- bezw. Königskrone und die Familie Heinrichs I. wurde aufs lebhafteste
mit hineingezogen. Und zwar stehen die verschiedenen Mitglieder dabei in schärfstem
und merkwürdigstem politischem Gegensatz. Als dann Albrecht von Oesterreich siegte,
da konnten die auf seiner Seite stehenden Veldenzer ihre Erbansprüche wirksam
*) Ruppert a. a. O. S. 108 ff.
io8
KREIS OFFENBURG.
vertreten und es kam zu einem Vertrag mit den andern Nachkommen Heinrichs I.
Im Laufe des 14. Jhs. aber verloren die Veldenzer allmählich ihren Besitzantheil. Was
die Genealogie der Sulzer und Geroldsecker Linie betrifft, so ist hier Verschiedenes
noch unklar.1) Es ging ihnen indess genau wie ihren Lahrer Vettern, in innern
Zwistigkeiten und äusseren Kämpfen rieben sie sich auf, jeder Vater hinterliess seinen
Söhnen eine grössere Schuldenlast, Verkauf folgte auf Verpfändung. Der Landvogt
Hermann 2) war zwar durch seine Gemahlin Uta von Tübingen in ein verwandtschaft-
liches Verhältniss zu König Rudolf getreten und hatte daher auch von diesem ver-
schiedene Reichslehen erhalten. Er starb aber bald, noch ehe sein Sohn Walter
mündig geworden. Dieser war mit einer Anna von Fürstenberg verheirathet. Er
hatte wegen der Erbansprüche der Veldenzer verschiedene Schwierigkeiten zu bestehen.
Sein Sohn Walter ist dann jener »böse Geroldsecker«,3) der von der Veste Schwanau
aus die Rheinfahrer ausplünderte und schliesslich den Feldzug der Strassburger und
ihrer Verbündeten 1333 gegen diese veranlasste, welcher sich auch über den Rhein aus-
dehnte, Schuttem in Flammen setzte und gewiss viel Elend über die Grafschaft brachte.
Sein Sohn Walter (IV.) scheint verhältnissmässig friedliche Zeiten gehabt zu haben. Ein
Neffe 4) von ihm Namens Walter scheint sich an den Kämpfen Erzherzogs Leopold von
Oesterreich in der Schweiz betheiligt zu haben. Unter seinen Söhnen aber Georg und
Heinrich brach ein heftiger Bruderzwist aus, der schliesslich 1370 zu einer Theilung
ihrer Lande führte und da erfahren wir denn auch von der Stammburg, dass Heinrich
das »vorder Huss« erhielt, Georg das »hinder Huss«.5) Da sie an dem Ueberfall des
Grafen Eberhard von Württemberg im Wildbad beteiligt gewesen waren, so richtete sich
derselbe auch gegen sie und nötigte sie, Heinrich und Georg, 1375 und 1377 ihm die
Oeffnung zu Geroldseck zu verschreiben.6) Georg starb ohne Erben und damit fiel die
ganze Herrschaft Hohengeroldseck wieder an Walter,7) seines Bruders Sohn von einer
Ochsenstein, der mit einer Elisabeth von Lichtenberg verehelicht war, von welcher er
fünf Söhne und zwei Töchter hatte. Er, der i43z(?) gestorben ist, hat wie es scheint noch
einmal eine gewisse Rolle gespielt auf dem Konstanzer Konzil. Dann aber brach wieder
der Verwandten- und Bruderzwist in dem Hause aus, die Söhne Diebold und Heinrich
empörten sich gegen den Vater, der bei Heinrich von Fürstenberg Zuflucht suchte.
Unterdess war 1427 der Mannesstamm der Lahrer Linie ausgestorben und die
Besitzungen derselben kamen an die Mörs-Sarwerden, wogegen nun die Hohengerolds-
ecker protestirten, insbesondere Diebold, der die Wittwe des früh verstorbenen Erbsohnes
des letzten Lahrers zur Gattin hatte. Bei dem Krieg stand aber Walter V. mit seinen
Söhnen Johann und Georg gegen die anderen Söhne, wobei es ihm gelang, die Stammburg
zu erobern. Endlich 1434 nach langem verderblichen Kriege kam es zu einer Einigung
und einer neuen Theilung zwischen den übrig gebliebenen Brüdern Diebold, Georg und
Hans. Die Urkunde darüber ist für das Schloss wieder wichtig.8) Danach sollte Diebold
*) Kindler v. Knobloch, Oberbad. Geschlechterbuch I S. 433 ff.
2) Ich folge hier im Wesentlichen Ruppert.
3) »Der böse Geroldsecker«, Badenia II 1840, S. 301.
4) Reinhardt, Pragmat. Gesch. S. 39.
5) Ebenda S. 42.
6) Ebenda S. 43, Ruppert S. 285.
7) Reinhardt S. 43.
8) Reinhard Urkunde LXIII.
AMT LAHR. — SCHONBERG. (RUINE HOHENGEROLDSECK.) 109
erhalten zu Geroldsecken der Vesten »das nuwe Huss«, Georg und Hans »das ander
alt huss uff dem Velsen, unnd dazu Ruprechts-Stocke«. Alles Andere soll
richtig vertheilt werden und zwar: »sunst allen andern Gebuwe und was noch
in dem Gebuwe uff und inn dem Sloss Geroltzecke ist, und darzu die
andern steynen Stöcke inn der nidern Bürge, sollent glich eynem als vil als
dem andern, und on alle Geuerde, geteyltt werdenn«. Des weiteren heisst es: »Es ist
auch berett und beteydingett, als das Hinderhuss und Ruprechtsstock den
obgenannten Hern Jörgen undjunckher Hansen werden und zugehören
soll ; wer es, dass under den zweyn Gebrüdern eyner abging, so soll das Huss unnd der
Stock an den andern und sin Erbenn fallen«. Aehnliches wiederholt dann ein weiterer
Theilungsbrief von 1435.1) , Durch einen Burgfrieden, dessen Weitreiche bei dem Brück-
lein am Schimberg anfing, den Weg hinab bis zu dem Bache, aufwärts bis zum Kalkofen
am Eichberg, bis an den Ruchkasten, auf den Kopf, »als man die schneit hinabgeht«,
sich erstreckte, wurde bestimmt, dass jeder der Brüder drei wehrhafte Knechte auf dem
Schlosse haben solle, dass jeder zu gleichen Theilen an den Bau- und Unterhaltungs-
kosten beizutragen habe und jeder abwechselnd zwei Jahre Baumeister sein solle’.2)
1451 starb Hans ohne Erben, 1453 theilten die übrig bleibenden Diebold (I.) und Georg
(der Domherr zu Strassburg blieb) und zwar erhielt Diebold Geroltzeck und alle Güter
der Umgegend. Er musste sich, um eine Stütze zu haben, 1454 in den Erbdienst des
Pfalzgrafen Friedrich begeben. Das so stolze Geschlecht war also schon tief gesunken.
Als er 1461 starb, hinterliess er drei Söhne, Diebold (II.), Walter und Gangolf, die indess
erst 1466 mündig wurden, als ihr Vormund und Onkel, Georg, der Domsänger in Strass-
burg, gestorben war, womit sie auch seine Lande wieder erbten. Sie theilten unter sich
i. J. 1470 3); Diebold (II.), als dem »eitesten derselben Herren ist zugetailt auch vorenz
worden und belieben sollent, die Mannschaften und Lehenschafften zu der Herrschafft
Geroltzeck gehörig« und »Geroltzeck das Schloss mit aller Gerechtigkeit und Zugehörde«.
»Wäre auch, dass dieselbe zween mine Geprudere Gangolff und Walther ihre Behausung
und Wohnung uff dem Schloss Geroltzeck auch haben wolten, das mögent sie wohl thun,
doch ungevarlich und ohne min Diepolts Schaden. Dagegen sollen Gangolff und
Walter das Hinterhauss zu Geroltzeck auch im Bau und Ehren halten
inn ihren Costen ohne mins Diepolts Schaden. Dye sollent auch in dem Schloss Geroltzeck
ihr Hofung haben etc.« Diebold (II.) war vermählt mit Elisabeth geb. Frau von Rode-
machern, Wittwe des Lahrer Herren Grafen Friedrich zu Mörs und Sarwerden. Seine
Regierung bedeutete einen weiteren Niedergang. Da er von Ottenheim aus die Räubereien
seines Ahnen auf dem Rheine wieder aufnahm, insbesondere die Eidgenossen auf dem
Rheine belästigte, so zogen die Strassburger 1474 wider ihn, eroberten und zerstörten
Stadt und Schloss Schlittern und belagerten dann, allerdings wie es scheint ohne Erfolg,
die Hohengeroldseck. Nur das Eingreifen des Pfalzgrafen half zum Frieden. 4) Die
pekuniären Bedrängnisse aber wurden immer grösser, Dorf nach Dorf wurde verpfändet
oder auf Wiederkauf verkauft. Die Hälfte der Güter waren so verloren gegangen. Trotz
dieser Lage suchte er sich noch von dem Erbdienst der Pfalz, den sein Vater zu seinem
*) Ebenda Urkunde LXV.
2) Ruppert a. a. O. S. 283.
3) Reinhard, Urk. XCIII.
4) Reinhard, S. 60.
I IO
KREIS OFFENBURG.
Schutze eingegangen, freizumachen und kündigte dem Pfalzgrafen Fehde an, während er
zugleich versuchte, sich in den oesterreichischen Schutz zu stellen1) (i486). Die Folge
davon war, dass er alles verlor, was er noch hatte, nämlich die beiden Vogteien Brins-
bach und Schimberg und die Stammburg. Diese hatte Pfalzgraf Philipp sechs Wochen
lang belagert, Bresche geschossen, worauf sie ihm übergeben wurde.2)
Von dem offenbar händelsüchtigen Diebold hören wir nichts weiter, als dass er
1498 noch einmal eine Fehde mit dem Bischof von Strassburg hatte. Da er ohne Erben
starb, sein Bruder Walther von einem wtithenden Hund gebissen, sich in das Kloster
Ettenheimmünster zurückgezogen und daselbst geendet hatte, so empfing der letzte
Bruder, Gangolf, 1500 von Kaiser Maximilian I. die Reichslehen. Als der Kaiser 1507
die Pfalz besiegt hatte, stellte er das Schloss bis zum Ausgang des Prozesses zwischen
Gangolf und der Pfalz dem Markgrafen Christoph von Baden zu »in truwes handen«.
Endlich 1 5 1 1 sollte der Geroldsecker wieder in sein Schloss einziehen, Baden verlangte
nun aber 1500 Gulden, die es über die Einnahmen der Zinsen und Gefälle an dem
Schloss verbaut habe. Dasselbe muss also in den Kriegsfällen arg gelitten haben. Infolge
dieser Schwierigkeiten gelang es erst seinen Söhnen Gangolf (II.) und Walter in den
Besitz des Schlosses etc. zu kommen, nachdem sie ihre Stammburg und die beiden
Vogteien Prinzbach und Schimberg von Oesterreich zu Lehen genommen hatten 3) und
zwar als Mannlehen, aber mit der Bedingung, dass nach dem Aussterben des Mannes-
stammes auch Töchter erbberechtigt sein sollten. Im gleichen Jahre wurden sie
mit der Herrschaft Sulz belehnt, die der Familie verloren gegangen war, und nannten
sich nun wieder von Geroldseck-Sulz. Sie suchten wenigstens einen Theil der Güter
durch Rückkauf von Baden an sich zurück zu bringen, was auch nach allerlei Prozessen
gelang. Und so hatten sie denn eine allerdings sehr zusammengeschmolzene Herrschaft
wieder beisammen. Gangolf II. war 1549 tot. Sein Sohn Quirin-Gangolf besass dann
bis zu seines Onkels Walters Tode (1555) mit diesem die Herrschaft, dann mit seinem
Vetter Walter, der offenbar bald starb, danach allein. Quirin Gangolf, der sich 1558
mit Maria Gräfin von Hohenstein verheirathet hatte, fiel am 15. Sept. 1569. Er hinter-
liess einen unmündigen Sohn Jacob, den letzten des Mannesstammes. 1584 mündig
geworden, verheirathete er sich mit Barbara von Rappoltstein, dann mit Elisabeth Schenk
von Limburg, von der er eine Tochter Anna Maria hatte. Er hatte unter anderem durch
Vertrag mit der letzten Erbin von Dautenstein dies Schloss wieder an sich gezogen, es
vollständig wieder aufbauen lassen und residirte sehr häufig hier. Er scheint bemüht
gewesen zu sein, seine Herrschaft, in welcher er auch den Protestantismus einführte,
durch geordnete Verwaltung wieder in die Höhe zu bringen. Vor seinem Tode suchte er
noch die Erbfolge seiner Tochter, die mit dem schwedischen Obersten Grafen Friedrich
zu Solms-Roedelheim verheirathet war, sicher zu stellen.4) 1634 schloss er seine Augen,5)
die bambergischen und strassburgischen Lehen gingen zurück, während Anna Maria
4) Reinhard, Urk. C. und S. 62.
2) B. Hertzog, Edels. Chronik (1592) II S. 128 und Reinhard.
3) Reinhard, Urk.
4) Siehe Reinhard, S. 73 ff. auch für die folgende Darstellung.
5) Zwei Kupferstiche zeigen uns den letzten Geroldsecker und zwar der eine zu Pferd, der
andere ein Brustbild (Exemplare davon in der Lahrer Sammlung).
AMT LAHR. — SCHONBERG. (RUINE HOHENGEROLDSECK.)
III
zunächst die Reichs- und österreichischen Lehen behielt bis zur Aussonderung
ihres Eigengutes. Ein Jahr nachher aber wurden diese Lehen den Grafen von Cron-
berg übergeben, die ein grösseres Guthaben bei dem Hause Oesterreich hatten,
und dieselben auch durch die Truppen des Generals Gallas in den Besitz gesetzt,
selbst der Orte, die Anna Maria als Allod beanspruchte. Ihr erster Gemahl starb
1640, ') sie verheirathete sich 1644 mit dem Markgrafen Friedrich V. von Baden-
Fig. SS- Die Hohen geroldseck.
(Nach einer Federzeichnung von Grimm eis hausen (?) im Reichsarchiv zu Muttchen von 164g.)
Durlach und nun begann ein über hundertjähriger Prozess um die Allodien, in dessen
Verfolg Reinhard seine oft citirte pragmatische Geschichte des Hauses Geroldseck
schrieb zur Verteidigung der badischen Ansprüche, die zunächst sich nicht auf das Schloss
richteten. Dieses, im Besitz der Cronberg, hatte unter ihnen seine endgültige Zerstörung
zu erleiden in den Kriegen Ludwigs XIV. Ende 1688 zogen sie auch vor die alte
Dynastenburg und wenige Tage nach Dreikönig 1689 wurde dieselbe erobert, in Brand
gesteckt und zerstört. Von da an lag sie in Ruinen, an einen Wiederaufbau wurde nicht
1) Kind ler v. Kn obloch a. a. S. 234.
I I 2
KREIS OFFENBURG.
mehr gedacht, obwohl die Oesterreicher 1693 um die ganze Burg herum Schanzen
anlegten. !) Als seine Besitzer, die Cronberg, ihrem Ende nahten, da ertheilte der Kaiser
Leopold den Herren von der Leyen die Anwartschaft (eigentlich schon 1636, 1677 nur
erneuert) auf deren Besitz, trotz der Ansprüche Baden-Durlachs. Letzteres aber setzte
sich, nach dem Aussterben 1692 mit Gewalt in den thatsächlichen Besitz der Lande,
in die dagegen Oesterreich i. J. 1697 mit 300 Mann den Freiherrn Karl Kaspar
von der Leyen als Herren der Grafschaft einfiihrten. Das neue Haus war ein altes,
niederrheinisches Geschlecht, nach seinem Schloss Leye an der Mosel benannt ; es hatte
indess auch einige Besitzungen in der Triberger Gegend. Manche Aebte und Bischöfe
waren aus ihm hervorgegangen. Schon die treue katholische Gesinnung mochte es den
Habsburgern empfehlen, auch sonstige politische Gründe sprachen dafür, und so wurde
der Familie bereits 1636 die Anwartschaft auf die Grafschaft gegeben. 1653 wurde
sie in den Freiherrenstand erhoben, 1677 die Anwartschaft erneuert, 1697 kamen
sie in den Besitz und wurden endlich 1 7 1 1 von Karl VI. in den Reichsgrafenstand
erhoben. Sie hatten den Vortheil, dass im 18. Jh. wie in ganz Deutschland, so auch in
ihrer Grafschaft, die wirthschaftlichen Verhältnisse sich allmählich besserten, so dass ihr
Andenken kein schlechtes ist. Im Geiste des Jahrhunderts schufen sie auch eine Schul-
ordnung und manche andere gute Einrichtungen. Ihre Residenz war Dautenstein. Auf
Karl Kaspar folgte Friedrich Ferdinand, dann Franz Karl und endlich Philipp Franz
(J* 1829), dem in den napoleonischen Zeiten eine weitere Rangerhöhung zu Theil wurde.
Zunächst allerdings verlor er durch den Luneviller Frieden die alten linksrheinischen
Besitzungen des Geschlechtes. Bei den berühmten Entschädigungsverhandlungen war
er in Paris anwesend. Trotzdem gelang es ihm jetzt und bei der Gründung des Rhein-
bundes nicht, irgend etwas anderes zu erlangen, als die Erhebung in den Fürstenstand.
1815 kam das kleine Fürstenthum wieder unter oesterreichische Staatshoheit, die Territorial-
kommission nach dem Wiener Kongress aber machte 1819 diesem Zustand ein Ende,
die Herrschaft kam an Baden. Die Burg Hohengeroldseck, Dautenstein und einiges
andere verblieb der Familie als standesherrlicher Besitz.
Konservirungs- Die Ruine blieb unaufgebaut und wurde, wie es ja überall geschehen, auch als Stein-
arbeiten
bruch benützt. Als man i. J. 1860 Ausbesserungen zur Erhaltung vorschlug, hat man statt
dessen die gefahrdrohenden Mauern niedergerissen. Erst am Ende des 19. Jhs. begannen
unter Leitung des Konservators der Baudenkmale, Oberbaurath Kircher, durchgreifende
Wiederherstellungsarbeiten, bei der längst verschüttete Theile, wie Felsenbrunnen und
Brunnenhaus, wieder freigelegt wurden, wie auch der alte Zugang zur oberen Burg. 1892
wurde mit den Bauarbeiten begonnen, die i. J. 1901 fertiggestellt wurden. Diese Instand-
setzung der Burg wurde mit Genehmigung und Unterstützung des Eigenthiimers durch
die Grossh. Regierung und die Stadtgemeinde Lahr ermöglicht. Diesen schloss sich
dann in thatkräftiger Weise der Schwarzwaldverein, Sektion Lahr, an, welcher auch
dauernd diesem Denkmal seine Unterstützung zuzuweisen die Absicht hat.2)
x) Siehe die Schanzen auf dem Plan bei Krieg v. Hochfelden a. a. O. und auf unserem
Plan Fig. 54.
2) Siehe die Berichte des Konservators der Baudenkmale in der Karlsruher Zeitung 1899 Nr. 28
und 1902 Nr. 49. — Da, so viel ich weiss, Oberbaurath Kircher die Absicht hat, Ausführlicheres
über die Ruine und ihre Herstellung zu publiziren, so beschränke ich mich bei folgender Beschreibung
auf das für die Zwecke vorliegenden Werkes Nothwendigste an Text wie Abbildungen.
«vCJurn- Y?^ohfn-
JiP<5mi|ftscrh.
L<n{ttplün imb
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I vorh»rideneo MÄuerwerV. .Untere Burgbn.uici)
■ desgleichen, obere Burg i«u[ dem Telsen
Fig. 54. Platt der Ruine Hohengeroldseck.
(Im Aufträge des Konservators der Baudenkmale, Oberbaurat Kircher, auf genommen.)
Band VII. Zu Seite
113.
AMT LAHR. — SCHONBERG. (RUINE HOHENGEROLDSECK.) I I 3
Beherrschend über dem Kinzigthal und dem Schutterthal, auch dem, der im Rhein-
thal mit der Bahn vorübersaust, von weitem sichtbar, liegt die alte Burg, recht im Mittel-
punkt der Besitzungen des mächtigen Geschlechtes in seiner grössten Blüthe, als diese
von Schwarzach bis Schenkenzell, von da bis nach Mahlberg und zur Landeck und bis
über den Rhein nach Schwanau und Ehrstein reichten. Sie krönt die mittlere Spitze
des Schimberges (525 m über dem Meere) einem der drei Berge — Steinfirst und Rauh-
kasten heissen die anderen — welche die Wasserscheide zwischen Kinzig und Schütter
bilden. Eine schöne Strasse unter Grossherzog Ludwig erbaut und ihm zu Ehren Ludwig-
strasse genannt, führt heute in bequemster Steigung in der Einsattelung des Berges von
Biberach herauf und herunter in’s Schutterthal; ihrem höchsten Punkt gegenüber liegt
eben jene Spitze, welche die Burg trägt. Schon in alten Zeiten mag hier ein alter Pfad
herübergeführt und die Burg so mit beiden Thälern verbunden haben (s. Fig. 54).
Wir verlassen die grosse Strasse und folgen dem Fussweg, der uns in die Ein-
sattelung hinab, dann ziemlich rasch emporführt. Doch biegen wir auf halber Höhe
links ab, um dem alten Aufgang zur Burg zu folgen. Dieser führte von Nordwesten
herauf, bog dann nach Norden um und passirte in einem Thor die Befestigung, die die
Oesterreicher 1693 angeblich angelegt, in der That aber nur erneuert haben und die
einen breiten äusseren Vorhof umschloss. An der nordöstlichsten Ecke desselben gelangte
man zu dem Hauptthor mit einigen Vorwerken und einer Zugbrücke, von denen heute
nur noch Spuren vorhanden sind. Dieser Haupteingang bestand aus einem vorderen und
20 m zurück einem hinteren Thor. Der Thorweg war nördlich von der hier nur (Mauerdicke
ca. 2,05 m) etwa 80 — xoo cm starken äusseren Umfassungsmauer und südlich von einer
den Zwinger von dem Thorweg trennenden etwas stärkeren Mauer umschlossen. Durch das
zweite Thor hindurchgeschritten, befinden wir uns auf dem Plateau der »niederen Burg«,
wie es in den Urkunden heisst, den Ausdruck Zwinger finde ich hier nirgends angewendet.
Das Plateau des Berges von unregelmässiger Form, gegen Südosten spitz auslaufend, von
etwa 95 m grösster Länge und 60 m grösster Breite, ist zum grössten Theil in den
Bereich der Mauer eingezogen, sie folgt seinem Abhang im Norden und Westen ziem-
lich getreu, während sie an den andern Seiten etwas zurücktritt. Hier hatten, nach der
Krieg von H o ch fe 1 d en 'sehen Zeichnung, die Oesterreicher 1693 glacisförmige Ver-
schanzungen angelegt und damit vielleicht das Bild einer ehemals hier vorhandenen
weiteren kleinen Zwingeranlage verwischt. In der »niederen« Burg befanden sich
Wirthschaftsgebäude, im Nordosten ein anscheinendes Wohngebäude, ein Bau, der früher
als Thurm gedeutet wurde, an der südöstlichen Spitze. Ziemlich in der Mitte dieses
Plateaus erhebt sich dann etwa 6 — 8 m hoch ein länglicher Porphyrfelsen, dessen obere
Fläche etwa 50 m zu 15 bezw. 19 m gross ist. Auf ihr stand die eigentliche Burg,
das alte oder hintere und das neue Haus, wie sie in den Urkunden genannt werden, in
dem dazwischen gelegenen Burghof zwei kleinere Gebäude mit leichterem Mauerwerk.
Den Aufgang zu dem eigentlichen Schloss bildete eine in der Nordecke beginnende
Treppe, die zwischen dem hier dem Felsen vorgelegten Brunnenhaus und der Nord-
mauer des neuen Hauses emporführte und an der Nordostecke des neuen Hauses über eine
Zugbrücke hinüber in dem etwas vorspringenden Thorthurm rechts umbiegend in den
Burghof mündete.
Von allen Gebäuden am besten erhalten ist das südöstliche Wohnhaus, das »alte
huss uff dem velsen« oder auch das »hinterhuss«, wie es in den Urkunden genannt wird.
Band VII.
KREIS OFFENBURG.
114
Es ist ein unregelmässiges Viereck, dessen Mauern noch 15 — 20 m hoch emporragen,
sie stehen auf dem gewachsenen Fels und haben eine Stärke von etwa 2 m. Die längeren
Fig. 33. Der Südostpalas der Hohengeroldseck vor den Konservi/'tmgsarbeiten.
Seiten des Wohnhauses sind etwa 15 m lang, von den Schmalseiten die nordwest-
liche (immer im Innern gerechnet) ebenfalls fast 15, die südöstliche ca. 8 m. Fig. 55
AMT LAHR. — SCHONBERG. (RUINE HOHENGEROLDSECK.)
US
zeigt uns den alten Zustand der Burg vor der Restauration, Fig. 56 denjenigen nach
derselben.
In vier Stockwerken steigt der Palas auf. Das Erdgeschoss zeigte nach Süd-
osten einfache Schiessscharten, die bis auf Geringes erhalten waren. Dagegen waren die
Fig. 56. Der Siidostpalas der Hohengeroldseck nach den Konservirungsarbeiten.
Scharten der Südwestwand ihrer Gewände beraubt, die wiederhergestellt werden mussten.
Die Nordostwand zeigt fünf Schiessscharten mit geradem Schlitz, eine davon mit grösserer
Kammer. In der Wand gegen den Hof zu eine Thür, in ihrer ursprünglichen Form
nicht mehr erkennbar, welche in den Anbau führte, zwei Schiessscharten, eine grössere,
spitzbogige Thüre, nach Innen zu im Scheitel noch der Platz für die hier ehemals
8*
KREIS OFFENBURG.
1 16
angebracht gewesene Laterne und wieder eine Nische, d. h. ehemaliges Thürchen, das bei
geschlossener Hauptthür den Ausgang gestattete, dann die Thür, welche in den sich hier
an der Nord westecke anlegenden Treppenthurm führt. Dies Erdgeschoss, dessen Oeffnungen
nicht überall mit dem Bau gleichaltrig sein dürften, hat also wesentlich Vertheidigungs-
zwecken gedient. Es war, wie auch die oberen Geschosse, in verschiedene Räume
abgetheilt, deren Mauerspuren noch in unserm Plane erkenntlich sind. Die Balkenlöcher
und die grösstentheils abgehauenen Kragsteine zum Auflegen der Decke sind noch deut-
lich sichtbar. Das Geschoss darüber zeigt in der Nordost- und Südwestwand gerad-
sturzige Fenster mit jetzt theiweise erneuerten Pfosten, deren Spuren aber vorhanden
waren, und Sitzbänken. In der Südostwand war später einmal eine flachbogige grössere
Oeffnung eingebrochen, die nun
wieder durch ein entsprechen-
des Fenster ersetzt ist. In der
Nordwestwand eine grosse flach-
bogige Oeffnung, die ohne
Zweifel ehemals ein gekuppeltes
Spitzbogenfenster, wie oben
aus zweimal drei Spitzbogen-
öffnungen bestehend, die durch
eine Säule getrennt waren, um-
schloss. In den beiden Seiten-
gewänden auch noch die Reste
der Sitzbänke. Weiter nach
Südwesten, über der unteren
Eingangsthür, beginnt, von Back-
steinen gemauert, ein schmaler
Schacht, der bis in das vierte
Geschoss hinaufführt und dort
in einer flachbogigen Nische
endigt; er diente der grossen
Uhr und ihren Gewichten und
ist natürlich späteren Ursprungs.
Daneben dann ein gut erhal-
tenes, einpfostiges Fenster mit
flachbogigem Sturz, gut erhaltenen Sitzbänken und deutlich sichtbarer Vorrichtung für
die Fensterriegel. Das gleiche Fenster kehrt an dieser Stelle in den beiden oberen
Geschossen wieder, wir geben daher hier als Beispiel dasjenige des vierten Obergeschosses
wieder (s. Fig. 57). Daneben dann, die ebenfalls in den drei Stockwerken wieder-
kehrende Thür in den Treppenthurm, hier im Rundbogen geschlossen, dann gerade,
endlich flachbogig (die ich später wie das Fenster, nicht mehr erwähnen muss). Auch
hier wie überall die Kragsteine zum Auflager der Balken. Das dritte Stockwerk scheint
den eigentlichen Zwecken der Prunkentfaltung gedient zu haben, es enthält nach Nord-
osten, Südosten und Südwesten die gekuppelten Spitzbogenfenster, von denen wir in
Fig. 58 eines abbilden. Sie mussten bei der Restauration, das eine durch Doppelsäulchen
aus Granit, die zwei anderen durch einen Granitpfosten gestützt werden.
Fig. 57. Fenster von dem Südostpalas der Hohengeroldseck.
AMT LAHR. — SCHONBERG. (RUINE HOHENGEROLDSECK.)
1 1 7
Die Nordost- und die Südwestwand haben gegen die Nordwestmauer zu noch je
ein einpfostiges (wiederhergestelltes) Fenster; die Nordwestwand zwei solche; zwischen
ihnen, d. h. schon ein Stockwerk tiefer und zwischen ihnen emporführend, beginnt die
Ausmauerung des grossen, bis zum Giebel hinaufführenden Kamins. Das darübergelegene
Geschoss zeigt ebenfalls wieder einpfostige (theilweise erneuerte) geradsturzige Fenster;
darüber erhoben sich nach Südosten und Nordwesten mächtige zinnenartig abgetreppte
Giebel mit weniger starkem Mauerwerk, auf etwas vorkragenden Konsolen (s. Fig. 59).
Der Bau ist aus Bruchsteinmauerwerk (aus dem Urgestein des Felsens) aufgeführt, an
den Ecken mächtige Sandsteinquader in unregelmässiger Abwechslung von Läufern und
Bindern. Aus Sandstein sind auch die Gewände der Fenster etc., sowie das abgeschrägte
Sockelgesims, das an der Südostseite, wo der Fels höher hinaufragt, emporsteigt und
diesen umrahmt. Am Aeussern unter dem III. Prunkgeschoss ein Zurückspringen der
Mauer mit einfach abgeschrägtem Gesims, auf dem die Fenster mit ihrer Sohlbank auf-
sitzen. Unter dem Dach
schloss eine Hohlkehle
den Bau ab.
An seiner Hofseite
finden wir neben der
Thür des Erdgeschosses
die Inschrift- und Wappen-
tafel eingemauert, die nach
Prinzbach verschleppt,
von dort wieder hierher
zurückgebracht worden ist
(s. Fig. 60), die in ihren
gebauchten Säulchen mit
Kompositkapitellen und
die die Bauchung beglei-
tenden Akanthusblättern
auf die Frührenaissance
weist. Die Inschrift be-
zieht sich auf die sagenhafte Gründung der Burg durch den angeblichen Schwaben-
herzog Gerold :
hohen gerolt-seck mich bau
von ehrn reich herr geroldt hiesz i dem grosz-
en Kaiser Kario werdt l in vil riterlichen • thate •
bewert l wardt auch margroff in Oesterreich
in schwoben hertzog zugleich l auch groff zu
bussen sich genandt den namen tragen in solchem
standt • do disz ehrn
her ■ sein no woppen • fie
chgeboren ret recht,
geschlecht
Die heruntergekommenen und verarmten Herren mochten in dieser stolzen Ursprungs-
sage einen Trost in ihrem Leid finden.
Fig. 58. Fenster im Südostpalas der Hohengeroldseck.
1 18
KREIS OFFENBURG.
Den Zugang zu den einzelnen Stockwerken des Palas bildete ein Treppenthurm,
der den Steinmetzzeichen nach gleichzeitig sein dürfte (s. Fig. 61). Der Eingang (s. Fig. 62)
in ihn, dessen gerader Sturz auf vorkragenden Konsolen
ruht und in merkwürdiger Schweifung an den Thurm
anschliesst, zeigt noch die Vorrichtungen für die Thür.
Der Thurm mit geradsturzigen Lichtluken besteht aus
hervorragend gut gearbeiteten Sandsteinquadern. In der
Höhe des dritten Palasgeschosses öffnet er sich nach Süd-
westen auf einen Abort, dessen Vorkragungen noch sicht-
bar sind. Abgedeckt war der Thurm durch einen nach
innen geschweiften Helm aus Steinplatten (s. Fig. 63). Am
Thurm, wie am Palas selber findet sich eine stattliche
Reihe von Steinmetzzeichen (s. Fig. 64), welche, denen
am Storchenthurm zu Lahr verwandt, in ihrer Form auf
das 13. Jh. hinweisen. Einen weiteren Anhalt für die
Datirung des Baues bieten uns die gekuppelten Spitzbogen-
fenster, die nach aller Analogie mit anderen oberrheinischen
Burgbauten ebenfalls in das 13. Jh. zu setzen sind. Aus
der Geschichte des Geschlechtes möchte man dann den
Fig. 59. Ostgiebel vom Südostpalas. Schluss ziehen, dass noch unter Walter (II.), auf dem
Höhepunkt der Macht und des Reichthums, dieser Palas
erbaut und überhaupt die Burg angelegt worden ist, da der schon im 12. Jh. vor-
handene Bau, von dem keine Spur mehr vorhanden, den Bedürfnissen nicht mehr
Fig. 60. Inschrift- und Wappentafel auf der Hohengeroldseck.
genügte. Eine zu frühe Datirung lassen allerdings die schon hochgoihisch anmuthenden
einpfostigen und geradsturzigen Fenster nicht zu — dass sie einem späteren Umbau
zu verdanken sind, scheint durchaus unwahrscheinlich — und so möchte man annehmen,
AMT LAHR. — SCHONBERG. (RUINE HOHENGEROLDSECK.)
H9
dass die Anlage vielleicht erst unter Walters Sohn, Heinrich I. von Geroldseck- Veldenz
(-f- 1294), vollendet wurde.
Gegenüber diesem Palas erhob sich »das nuwe huss«, das — nach den Berichten
von 1860 damals noch weit besser erhalten — heute nur noch in den Grundmauern
steht. An seiner Westecke sind bei den Konservirungsarbeiten mit geringer Ausnahme
neue Bossenquader wieder eingemauert worden, die den Beschauer über die ehemalige
Behandlung der Ecken aufklären sollen. In der Südwestwand die Spuren zweier Fenster
bezw. Thüröffnungen, die auf eine Altane herausführten, deren Untermauerung auf dem
hier vorspringenden Fels noch
sichtbar. Dieser Südwestpalas
hatte — in umgekehrtem
Sinne — etwa die gleiche
Form, wie das »alte Haus«,
doch misst er im Innern nur
etwa 1 1 m zu 14 m. Eine noch
erhaltene Stiege mit flacher
Wölbung führte in ihm herunter
in den in seinem nordwest-
lichen Theil gelegenen Keller.
Auch in diesem Bau vermittelte
ein angebauter Wendeltreppen-
thurm, der nur noch in seiner
Rundung in der Südwestmauer
und in der Mauer des hier
anstossenden Gebäudes er- •
halten ist, den Zugang zu den
verschiedenen Stockwerken.
In diesem Treppen thurm führte
eine Thür auf die Abortanlage
dieses Palas. Vom älteren zum
jüngeren Bau zog auf der
Breite der - Ringmauer ein
Wehrgang bezw. Verbindungs-
gang hin mit vier nach den
alten Spuren erneuerten Schiess-
scharten. Unter dem Treppen-
thurm des alten Hauses etwa und unter der Ringmauer hat der Burgfelsen einen starken
Einschnitt; ein mächtiger Entlastungsbogen stützt die oberen Mauern, der Felseinschnitt
darunter ist mit Mauerwerk ausgefüllt. — Daraus, dass der jüngere Palas 1434 das
»nuwe huss« genannt wird, zu schliessen, dass er erst kurz vorher erbaut worden, ist
nicht wohl angängig; er kann sehr wohl irgendwann im 14. Th. entstanden und den
Namen im Gegensatz zu dem älteren Bau behalten haben. Zwischen den Treppen-
thürmen beider Bauten lag ein kleineres Gebäude, das mit seinen Mauern von nur
ca. 65 cm an die alte mächtige Aussenmauer des Beringes angelehnt worden ist und
von dem wir nichts weiter zu sagen vermögen. In seinem unteren Geschoss, wo bei
npnmQEKOjpsFctv
TAjJASEINqANCj
TREPPE nTuWTijK.'
Fig. 61. Die südliche Burghof ecke.
120
KREIS OFFENBURG.
Fig. 62. Eingang in den Treppenthurm des
Südostpalas.
den Grabarbeiten Pfeifenköpfe gefunden wurden, ein Schütt- bezw. Ausgussstein, der
auf eine ehemalige Töpferei deutet. Darüber Fenster und daneben im Erdgeschoss ein
zweites jetzt zugemauertes. Auch von dem
gegenüberliegenden, an die Nordostmauer
des Burghofes angelehnten kleineren Gebäude
sind nur noch die Mauerzüge erkennbar. Es
waren drei Räume wohl zu wirthschaftlichen
Zwecken (Waschküche), wie aus der Gestalt
auf der Grimmelshausen’schen Zeichnung
hervorgeht.
An der Nordostwand des neuen Hauses,
die Löcher für das hier angebrachte Ge-
länder noch sichtbar, nun stieg die Treppe,
welche den Zugang zu diesem oberen Bering
bildete, in mehreren Absätzen empor. Sie
war etwa 2,50 m breit; einige ihrer alten
Stufen sind noch erhalten. Der Weg über
sie durchschnitt — nach der offenbar recht
getreuen alten Zeichnung — den kleinen
Thurm, dessen Wendeltreppe — heute von
der Kellertreppe des neuen Hauses zugäng-
lich — unter ihr hinunter mit vier alten, sonst
erneuerten Stufen zum Brunnenhaus führte. Nach diesem Thor folgte eine Felsen-
aussprengung mit einer Fallbrücke, über die man in ein weiteres Thürmlein und von da
in den innem Hof gelangte. Das auf dem unteren Plateau erbaute, an den Felsen
angelehnte, eben durch jene Wendeltreppe zu-
gängliche Brunnenhaus, dessen Mauern noch
ca. 1 J/2 m über dem Boden stehen, ist zur Ver-
theidigung eingerichtet mit 5 Schiessscharten,
worunter auch eine zur Durchführung eines
Geschützrohres nachträglich erweiterte. Vom
Wendeltreppenthurm aus führt merkwürdiger
Weise eine liegende Scharte in das Brunnenhaus.
Es umschliesst den etwa 2,80 zu 3 m (im
Lichten) weiten Brunnenschacht, der durchaus
sauber und präcis ausgearbeitet etwa 65 m tief
hinunter steigt. Er ist in den Felsen gesprengt
und nur gegen die obere Oeffnung zu auf einer
Höhe von etwa 5 m auf eingezogenen Flach-
bogen gemauert, um den Schacht zu verengern.
Er soll etwa 300 Hektoliter reinen Quellwassers
enthalten. Im Aeussern umzog das, wie alle
Gebäude aus Bruchsteinen des Urgesteines gemauerte Brunnenhaus ein abgeschrägter
Sandsteinsockel. Nach seiner Verbindung mit der oberen Burg und seinem Mauerwerk
scheint das Haus noch zu der Anlage des 13. Jhs. gehört zu haben. Dies kann
Fig. 63. Thurmkrönung und Heltnansatz
am Treppenthurjn des Südostpalas.
AMT LAHR. — SCHONBERG. (RUINE HOHENGEROLDSECK.)
I 2 I
dagegen von den in dem unteren Plateau in Mauerspuren noch vorhandenen Gebäuden
nicht sicher mehr ausgesagt werden. An die Nordwestmauer angelehnt war ein aus
zwei Räumen bestehendes Gebäude (Stallung?), mit der Nordostmauer in Verbindung
ein ausgedehnteres mit einem Wendeltreppenthurm, von dessen, im Gegensatz zu den
oberen, dünnen Mauern noch etwas mehr erhalten ist — letzteres wohl irgend ein
Dienerschaftswohngebäude. An der Südostecke vermuthete man ehemals einen Thurm,
doch giebt das geringe hier aufgedeckte Mauerwerk nur Kunde von einem zweigetheilten,
viereckigen Raum (wohl kaum ein Thurm).
Die äussere Ringmauer, in der Stärke von ungefähr 2 m zeigt von dieser Südecke
an bis etwa in die Mitte ihrer Südwestausdehnung den oberen Absatz für den hier auf-
gesetzten Wehrgang und noch weiterhin die Löcher der Balken, die diesen stützten.1)
An ihren Knicken scheint nach der alten Zeichnung die Mauer überall mit kleinen erker-
artigen Vorbauten besetzt gewesen zu sein. In der Mitte des genannten Theiles finden
wir die Reste eines Kamines — möglicherweise die Burgschmiede — und daneben
Arr lac,
iJSM'O
A r\ TREPPETNTVRn
t4±l) + ±
Fig. 64. Steinmetzzeichen vom Südostpalas und Treppenthurm.
einen aus einem Stein gehauenen runden Abfluss. Hier auch noch die abgespitzten
Stufen der steinernen Treppe erkenntlich, die zum Wehrgang hinaufführte.
So steht also das Bild der Burg ziemlich deutlich vor uns — besonders wenn
wir die Grimmelshausen’sche Zeichnung auf Grund der vorhandenen Bauformen
ergänzen ; deutlich in den zwei Palasen, die man auch wohl Wohnthürme nennen könnte,
ihren Treppenthtirmen, dem Zugang und dem Brunnenhaus. Deutlich auch in dem, was
fehlt, einem eigentlichen Berchfried. Nur den in den Urkunden erwähnten »Rupprecht-
stock« können wir nicht bezeichnen, auch nicht einmal vermuthen, welches Gebäude
in ihm gemeint gewesen sei, ebensowenig die anderen Stöcke, während das sonstige
»Gebuwe« sich leicht aus den Resten erklärt.
Allzu grosse Zerstörungen hat die Burg, nach dem ganzen Befund, vor der Zer-
störung durch die Franzosen nicht erlitten. An einigen Stellen nur können wir die wohl
bei der pfälzischen Belagerung geschlagenen Breschen und ihre eilfertige Ausbesserung
nachweisen, so an der Südwestmauer etwas nördlich der Wehrgangstreppe.
|w) vv xx
T
An Brvhhehbw
( yovc'j'f ^CHARTE )
1) Der Wehrgang mit seinen Schiessscharten bei Grimmelshausen sehr deutlich.
122
KREIS OFFENBURG.
Ortsgeschichte
SCHUTTERN
Schreibweisen: Scutura (?) ; Schuttura nach 1129; Schutera 1235; Schötere 1258;
Schutere 1258; Schlittern 1328 etc. (Nach dem Flussname Schütter.)
Archivalien der Gemeinde: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 15 (1893), S. 102;
Archiv der Reeder von Diersburg ebenda Nr. 16 (1894), S. 113. (Litteratur siehe
unter Kloster.)
Ortsgeschichte : Mit der Legende von dem britischen König oder Prinz Offo
verliert sich die Geschichte in das Sagenhafte. In der That wird sich wohl aus einer
ursprünglichen Ansiedelung das Dorf allmählich an das hier gegründete Kloster angeschlossen
haben. Es war offenbar alte Geroldseckische Besitzung, gehörte aber zunächst der Linie
Tiersperg, die auch die Kastvogtei des Klosters hatten, an ihre Stelle traten dann die
Geroldsecker. Möglicher Weise damit zugleich ’) wurde es zur Stadt erhoben, als welche
es in dem Vertrag von 1327 genannt wird. Der Abt war jetzt Grundherr, er gestattete
aber den Geroldseckern »eine statt uff des closters eigen und hofe zu buwende und zu
machende zu Schlittern in gemarken und zilen, als die in derselben statt besonder und
ussgescheiden sint«. *) Damals stand also das Schloss mit seinen Burggräben, die in dem
Vertrag genannt sind, schon, wie Ruppert bemerkt, es mag wohl schon von den Tiers-
pergern erbaut worden und eine (natürlich kleinere) Tiefburganlage wie Lahr gewesen
sein.2) In dem Schwanauer Krieg zogen die Strassburger mit ihren Schaaren auch vor
dieses Schloss, verbrannten es, wobei auch Stadt und Kloster in Flammen aufgingen, und
zerstörten es von Grund aus. Wohl wurde das Städtchen wieder aufgebaut, vierzig
Jahre später eben der Geroldsecker halber wieder verbrannt, zum dritten Male dann
1433 ü1 dem Erbstreit zwischen Diebold von Hohengeroldseck und Mörs-Sarwerden.
Diebolds Bruder wurde bei dem Sturm erschlagen. Abermals 1473 zogen die Strass-
burger gegen Schuttern gegen Diebold II., stürmten es und rissen es nieder. Da nahm
sich der Pfalzgraf der Sache Diebolds an. Nach den Wirren, die dann über die Gerolds-
ecker kamen, gelangte es endlich wieder an Gangolf zurück, aber seine Bedeutung war
sehr gesunken. Bald mussten die Geroldsecker das Schlösschen verpfänden. — - Das
Dorf — es hatte nach 1525 : nur »31 hüser von gemeynen lütten, item 7 hüser sind diener
des apts von Schütter, item 2 witwe hüser, item 1 1er hüs«, und so hiess es jetzt an
Stelle von Stadt Flecken — gehörte wie die Abtei zur Landvogtei Ortenau und wurde
1805 badisch. (Wth.)
KLOSTER SCHUTTERN
Literatur: Chronik von Schuttern vom 9. bis 15. Jh. bei Mone, Quellensammlung III,
41 — 132. — Anonymi Chronicon Coenobii Schutterani bei Schannat, Vindemiae
litt. I, 17 ff. — Monumenta historico-chronologica monastica collecta a P. Gallo
Mezler, herausgegeben von J. G. Mayer im Freib. Diöz.-Arch. XIV, 55 — 167.
— Handschriftl. Diarium des Abtes JacobusII. Vogler von 1689 bis 1702 im
Grossh. Generallandesarchiv (vgl. Freib. Diöz.-Arch. III [1868], 168 ff., und XX, 126 ff).
x) Ruppert a. a. O. S. 426.
2) S. Näher, Ortenau, S. 40.
AMT LAHR. - SCHUTTERN. (KLOSTER SCHOTTERN. )
I23
Vgl. May, Zur Kritik der Annalen von Schlittern. Z.G.O. NF. VIII, 256 — 288. —
Ders., Paul Volz von Offenburg und die Annalen von Schuttern. Leipz. 1898. —
H. Bloch, Die Urkundenfälschungen Grandidiers. I. Die Kaiserurkunde für das Kl.
Schuttern. Z.G.O. NF. XII, 460—471. — A. Gasser, Grandidier est-il faussaire?
Paris 1898.
Trithemius, Annal. Hirsaug. I, 151. — Jod. Coccius, Dagobertus Rex
(Molsheim 1623), S. 72 — 85. — Austria Sacra II, 148 — 178, 400 — 435. — Gerb er t,
HNS. I, 44 ff. — Grandidier, Hist, de l’eglise et des eveques-princes de Stras-
bourg I, 337 — 340, und Oeuvres hist, inedites de Grandidier I (Colm. 1865),
108 — 117. — ■ Kolb, Histor. Topogr. Lexikon von Baden III, 191. — Rettberg,
Kirchengesch. Deutschi. II, 85. — Friedrich, Kirchengesch. Deutsch! II, 528 ff. —
Hauck, Kirchengesch. Deutsch! i3 (1904), 350. — Das alte Kloster Schuttern oder
Offonszel! Bad. Landesztg. 1884 Nr. 157 II. — Das Kloster Schuttern und seine
Beziehungen zur Stadt Lahr und Umgebung nach P. Marquard Benders (1750) Annalen.
Anzeiger f. Stadt und Land (Lahr) 1891 Nr. 135 — 136. — Hennig, Gesch. des Land-
kapitels Lahr (Lahr 1893) S. 20 — 24. — Wilh. Weiss, Gesch. des Landkapitels Offen-
burgin Fred. Mones »Die bildenden Künste im Grossherzogthum Baden« XIV, 20 — 23.
— Ruppert, Gesch. der Mortenau I (1883), 425 — 440. — Krieger, Topograph.
Wörterbuch II2, 918 — 923.
Geschichtliches: Die Anfänge dieser frühesten klösterlichen Niederlassung des Geschichtliches
bad. Landes verlieren sich in völligem Dunkel. Die älteste Bezeichnung Offoniswilare oder
Offunwilare, die in Urkunden aus dem ersten Viertel des 9. Jhs. begegnet, macht es ziemlich
wahrscheinlich, dass die Klostergründung an eine schon vorhandene bürgerliche Nieder-
lassung anknüpfte und dass Offoni nur als Namengeber bezw. ursprünglicher Besitzer,
vielleicht auch als Gründer der letzteren, nicht aber der ersteren in Betracht kommen
kann. Die spätere Tradition kehrte dieses Verhältniss um und identifizirte den Kloster-
gründer (603) mit dem irischen König oder könig! Prinzen Offa, dessen Schicksale durch
Beda (Hist. eccles.V, 19) bekannt waren, und dem man in gleicherweise auch die Gründung
von Offenburg zuschrieb. Die Entstehung dieser Legende giebt sich in der späteren
Benennung Offoniscella, Kloster, nicht Weiler des Offoni (1016 in einer Urk. Hein-
richs II.; schon 964 in einem gefälschten Diplom), zu erkennen; sie wird noch später
gefestigt durch Errichtung eines Grabes und durch die liturgische Feier des Jahres-
gedächtnisses des Heiligen (14. Januar). Nicht unwesentlich mag zur Bildung der Legende
die durch die Verbrüderungsliste der Reichenau belegte Anwesenheit von angelsächsischen
Klosterinsassen beigetragen haben.1)
Diese Liste im Verbrüderungsbuch von Reichenau, sowie das Capitulare Ludwigs
des Frommen, in dem es unter den 14 bedeutendsten Reichsabteien rangirt, die zu
Abgaben und Stellung von Mannschaften in Kriegsfällen verpflichtet sind (dona et
militiam facere debent), 2) lassen Schuttern als ein stark besiedeltes, hochangesehenes
Kloster erscheinen, dessen Anfänge noch über das 8. Jh. hinabreichen. Zwar lässt sich
der geschichtliche Wert der Urkunde, durch die K. Dagobert auf Anregung des Bischofs
1) Die indifferente Bezeichnung Scutura, Schuttern, nach dem Flüsschen, kommt schon in der
Vita S. Pirminii (Mon. Germ., Sript. 15, 26) vor und wird im spätem Mittelalter die ausschliesslich
übliche.
2) Mon. Germ., Legg. Sect. II. Tom. I (Capitu!) 350.
KREIS OFFENBURG.
I 24
Arbogast der Niederlassung einen Hof in Herlisheim geschenkt haben soll (630, bezw.
705), J) heute nicht mehr festhalten, nachdem sie als Fälschung des 12. Jhs. erkannt ist.
Zur Zeit Pirmins aber bestand jedenfalls schon eine Klosterniederlassung in Schuttern,
denn dieser Reformator des alemannischen Mönchsthums gab ihr eine feste Kloster-
regel, d. h. die des h. Benedikt (vgl. Gerbert, HNS I, 45). In vorpirminischer Zeit
war die Organisation wahrscheinlich wie in Ettenheimmünster und Honau eine weniger
feste, bei der das monachale Leben mehr die Form des Eremitenthums annahm. Auch
das Kloster Münster im Gregorienthai (Eis.), dessen Gründung legendarisch zur selben
Zeit wie die von Schuttern erfolgt sein soll, hat die gleiche Entwickelung aufzuweisen.
Vielleicht lässt sich damit auch die Thatsache in Zusammenhang bringen, dass die
Klosterkirche von Schuttern zwei Kirchenpatrone aufzuweisen hat, S. Maria bezw. der
spätere Titulus Assumptio beatae Mariae Virg. und Peter und Paul.
Die lange Abtsliste, welche die Klosterchronisten Volz und Mezler für die Früh-
zeit aufstellen, und Grandidier (Hist, de l’egl. de Strasb. I, 337 ff.) und Kolb (a. a. O.)
wiederholen, muss als völlig unhistorisch abgelehnt werden. Für die Reihenfolge der
Aebte bis ins i2.Jh. hat Fred. Mone in seiner gründlichen Einleitung zur Kloster-
chronik2) hinreichend Klarheit geschaffen. Geschichtlich beglaubigt sind .als erste
Schütterer Aebte nur die fünf dem Ende des 8. und der ersten Hälfte des 9. Jh. an-
gehörenden, im Reichenauer Verbrüderungsbuch aufgeführten, Beretrich, Erchanpert,
Weinbert, Adalbert, Petrus.3)
Für das J. 937 oder 938 ist der erste grosse Klosterbrand bezeugt; Bischof
Erchenbald von Strassb. konsekrirt zu Beginn seiner Regierung (965) die neue Kirche.4)
Was Trithemius5) kurz hernach (963) von einem Reformkonzil in Worms und der
Schlichtung eines langjährigen Streites zwischen dem Kloster und dem Weltklerus wegen
verschiedener Servitien und des Todgefälles zu berichten weiss, kann auf historische
Giltigkeit keinen Anspruch erheben; hingegen kann die bemerkenswerthe Begünstigung
der Abtei durch Otto II. und Heinrich II. nicht bestritten werden, auch wenn verschiedene
darauf sich beziehende Urkunden bei Grandidier Fälschungen sind. Otto II. verlieh 975
das Recht der freien Abtswahl6) und Heinrich II. hob die durch Brand und anderes
Unglück in tiefste Armuth gerathene Abtei dadurch, dass er unter Bestätigung ihrer
Privilegien sie mit anderen alemannischen Klöstern als Lehen dem neugegründeten Bisthum
Bamberg und zugleich dessen Schutze gegen die Willkür der Kastvögte unterstellte7) 1009
und 1016. Gleichzeitig erfolgte die Zuweisung von Gütern in Heiligenzell, Friesenheim,
Plobsheim, Oberschopfheim, Zuntzweier, Kürzel, Almenschweier und Ottenheim, mit
denen der jeweilige Abt bei seiner Investitur vom Bischof von Bamberg belehnt wurde.8)
Heinrich II., der auf einer Reise von Basel nach Strassburg eine Nacht in Schuttern
4) Oberrh. Ztschr. III, 94. Erstmals von Coccius in Dagobertus Rex erwähnt S. 75 ff.
2) Quellensammlung III, 50 — 57.
8) Mon. Germ. Libri Confraternit., ed Pieper, p. 213. Abt Petrus ist auch im Reichenauer
Todtenbuch zum 21. Febr. (ca. 830) vermerkt (Mon. Germ., Necrol. Germ. I, 273.
4) Gerbert, HNS. I, 197.
5) Annal. Hirs. I, 108.
6) Mon. Germ., Dipl. reg. et imper. Germ. 2, 138.
7) Trithemius, Annal. Hirs. I, 1 5 1 . Schannat Vindem. lit. I, 19.
8) Krieger, Topogr. Wörterbuch H, 918.
AMT LAHR. — SCHOTTERN. (KLOSTER SCHOTTERN.)
I25
zugebracht, galt in der Folge geradezu als zweiter Gründer; sein Gedächtniss wurde als
festum duplex secundae clorsis gefeiert.
Aus dem 12. und 13. Jh. berichtet die Klostertradition von zwei grossen Bränden,
um 11 6g in Folge des Ueberfalles durch Graf Berthold von Neuenburg1) und 1240 unter
Abt Heinrich. Bald nach der letzteren Katastrophe wurde eine kleine Marienkapelle kon-
sekrirt, welche, wie auch das Johannesspital, bis zur Wiederherstellung der Klosterkirche
für den Gottesdienst in Gebrauch genommen wurde (abgebrochen unter Abt Konrad
Frick 1527).2) Schon 1153 war das Innere des Chores durch Feuer schwer beschädigt
worden. 1155 fand danach die Konsekration des wiederhergestellten Chores statt :
usque ad parietem, qui ecclesiae corpus a choro disterminat. Mit dem Hochaltar wurden
noch drei Seitenaltäre konsekrirt. Abt Friedrich (1256 — 62) wie sein Nachf. Hermann
von Burner (1262 — 95) besassen beachtenswerthe Grabmonumente in der neuen Kirche
mit entsprechenden Inschriften.3) Der Wiederaufbau nach der Brandkatastrophe von
1240 ging offenbar sehr langsam vor sich. 1268 konnte erst der Aussentheil des
Gotteshauses, corpus ecclesiae nempe pars exterior monasterii, geweiht werden und
zwar durch den. im gleichen Jahr auch in Freiburg nachweisbaren Albertus Magnus.4)
Die eigentliche Konsekration wurde aber erst 1283 vorgenommen und zwar an der
Kirche und an sechs Altären, darunter ein hochgelegener Altar (altare superius in
testudine) offenbar über der Eingangshalle in einem Obergeschoss zu Ehren des
h. Michael und aller h. Engel. Die Ruhestätte der Prälaten im Kreuzgang vor dem
Kircheneingang, die zu gleicher Zeit konsekrirt wurde, trug die Aufschrift: Coemeterium
hoc venerabilium Abbatum huius Monasterii Schuttern Anno Domini MCCLXXXIII XIX
Cal. Dec. sub Abbate Hermanno de Burner, quousque est consecratum, quousque incisae
pictaeque Cruces, muros utrosque insignient. 3) Unter diesem letztgenannten Abt erhielt
das Gotteshaus ein neues Monument des Stifters Offo, eine Sakristei, deren Baudatum
der Custos und Chronist Nikolaus von Gerau noch in der ersten Hälfte des 16. Jhs.
fand in defluxu muri versus orientem : 1290 Hermannus abbas, Gotfridus custos me
fecerunt; ferner zwei silbervergoldete Vortragskreuze, deren eines verschiedene bildliche
Darstellungen hatte. Von Strassburg kam nebst anderen Passionsreliquien eine Reliquie
vom kostbaren Blut.5) Eine Quelle unaufhörlicher Belästigungen und Schädigungen während
des ganzen Mittelalters bildete das Verhältniss zu den Kastvögten, wodurch Schuttern
wiederholt dem Untergang nahegebracht wurde. Zur Hebung seiner materiellen Lage
wurden der Abtei eine Anzahl Pfarreien inkorporirt, so Wippertskirch und Unter-
1) Grandidier, Oeuvres inedites I, 1 1 5 und Freib. Diöz.-Arch. XIV, 159. — Mone, Quellen-
sammlung III, 91.
2) Grandidier, 1. c. p. 117. — Ruppert, Mortenau I, 436.
3) Schannat, 1. v. p. 20. — Mone, Quellensammlung III, 97.
3) Mone, Quellensammlung III, 99, und Schannat, Vind. litt. I, 20. Ueber andere Grab-
legen von Tierspergern und Geroldseckern im Kloster Schuttern vgl. Mone, Quellensammlung III, 96 ff.
4) Ueber die Anwesenheit des Seligen am Oberrhein i. J. 1268 vgl. Michael, Gesch. des
deutschen Volkes III, 104.
5) Freib. Diöz.-Arch. XIV, 159. Das alljährlich am Freitag nach Weissen Sonntag abgehaltene
Fest vom kostbaren Blut wurde von zahlreichen Wallfahrern besucht. Nach Coccius (Dagobertus
Rex, p. 81) hat der berühmte Tübinger Theologe Konrad Summenhart, der 1502 im Kloster
Schuttern starb und in der dortigen Kirche beigesetzt wurde, eine besondere Abhandlung De sanguine
Christi geschrieben, die handschriftlich in der Klosterbibliothek aufbewahrt wurde. Vgl. auch Mone,
Quellensammlung III, 106 ff.
KREIS OFFENBURG.
I2Ö
Bahlingen (127 6),1) Friesenheim (1290), Sasbach, Kürzel und Zunzweier (1325), 2) und
Köndringen (1328). Die letztere Inkorporation ist ausdrücklich damit motivirt, dass
das Kloster durch Plünderungen einiger Adliger in’s tiefste Elend gerathen sei, so dass die
Insassen wiederholt an verschiedenen Orten getrennt leben mussten, und ausdrücklich
wird in dem Schreiben Johanns XXII. über die Inkorporation Köndringens festgestellt,
dass die Beeinträchtigungen des Klosters von Parteigängern Ludwigs des Bayern erfolgt
seien.3) Ueber die Mehrzahl dieser Kirchen stand der Abtei schon vorher das Patronats-
recht zu. Besonders verhängnisvoll für das Kloster war die Fehde mit den Städten
Kenzingen und Endingen zu Anfang 1304, wobei u. a. auch das Grabmonument Offos
zu Grunde gegangen sein soll; und der Strassburger Krieg gegen die Herrn von
Geroldseck, dem 1333/34 das Kloster zum Opfer fiel;4) ein zweites Mal wurde es, eben
erst aufgebaut, durch die Strassburger 1372 zerstört.
Das Vogteirecht über die Abtei stand ursprünglich den Herzogen von Zähringen
zu, ging von diesen auf die Grafen von Diersburg (Tiersperg) und zu Anfang des 1 4. Jhs.
an die Geroldsecker über.5) Die beiderseitigen Verpflichtungen waren durch eine Anzahl
Verträge normirt, die ein gutes Bild über die Entwickelung dieser Institution gewähren.
Der Klostervogt hatte die Gerichtsbarkeit in Kriminalfällen, während die niedere
(über dub und vrevel) dem Abte zustand; von den Gerichtsgebühren hatte der Vogt
ein Drittel, der Abt zwei Drittel. Ausserdem beanspruchte der Erstere Naturalienabgaben,
Steuern im Dorfe Schlittern und Reisekosten, was das Kloster möglichst in eine feste
Abgabe umzuwandeln suchte. Sonderbestimmungen regelten auch das Verhältniss der
Klosterleute zum Kloster und dessen Vogt.6) Mit der Erhebung Schutterns zur Stadt
(1327) wurde die Sicherheit des Klosters noch mehr gefährdet, als schon bisher. Trotz-
dem K. Sigismund 1418 ihm seinen besonderen Schutz zugesagt, zogen die Gerolds-
ecker Vögte es in ihre unselige Streitpolitik hinein. Im Kriege Diebolds I. gegen Moers-
Sarwerden waren die Klostergebäude z. T. zu Vertheidigungszwecken umgewandelt und
benutzt und deren Insassen zur Auswanderung genöthigt worden, bis 1434 der frühere
Zustand wiederhergestellt werden konnte. Im Pfälzer Krieg kam die Kastvogtei über
Schuttern 1497 an den Pfalzgrafen; 1506 konnte sie von K. Maximilian, der im
bayerischen Krieg in Schuttern einzog, der Familie Geroldseck wieder zurückgegeben
werden, wenngleich die Aebte nach einander dagegen protestirten und wiederholt beim
Hause Habsburg Schutz und Recht suchen mussten.
Zur inneren Reform des Klosters wurde Ende des 15. Jhs. von Hirsau aus eine
tüchtige Persönlichkeit als Abt nach Schuttern geschickt, Johann von Widel, der das
Kloster der Bursfelder Kongregation anschloss. Der Bauernkrieg hatte für die Abtei
und, wie besonders erwähnt wird, für deren Kirchenschatz schwere Schädigungen zur
Folge; der Konvent musste zeitweilig das Kloster verlassen. Aber auch später noch,
x) Regesten der Bischöfe von Konstanz I, 278.
2) Vgl. die betreffende Bulle Johanns XXII. und das Erläuterungsschreiben des Strass-
burger Bischofs Johanns I., Freib. Diöz.-Arch. XIX, 305.
3) Regesten der Bischöfe von Konstanz II, 132. Die vorn Bischof vorgenommene Inkor-
poration erfolgte erst 1332, ebenda p. 148.
4) Vgl. Vita Bertholdi de Buochecke bei Studer, Die Chronik des Matthias von Neuenburg,
Bern 1866, S. 230.
5) Vgl. Mone, Quellensammlung III, 57 ff-
6) Vgl. Mone a. a. O. — Ruppert, a. a. O. 426 ff.
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Band VII, Zu Seite
(Siehe Narh
Fig. 65 a. Ansicht des Klosters Schlittern vor feiner Zerstörung.
(Radierung des F. X. Schönbachl.)
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AMT LAHR. — SCHUTTERN. (KLOSTER SCHUTTERN.)
127
selbst noch im 18. Jh., hören wir von grosser Unzufriedenheit der dem Kloster
inkorporirten Ortschaften. In ihnen hatte auch von allem Anfang an die Reformation
starke und leichte Verbreitung gefunden, während die Klosterinsassen, mit seltenen
Ausnahmen, wie der Klosterchronist Paul Volz, der alten Lehre treu blieben. Zum
Elend der Zeiten, das vor Allem in Form von Türken- und Reichssteuern schwer
DiEMAUQER Emporen ühbw
3 ofO
Kirche zu Schuttern
drückte, kam 1548 noch ein Brand, der sämmtliche Gebäulichkeiten einäscherte. Die
immer mehr sich häufenden Reichsabgaben, die unaufhörlichen Kriegszüge im 17.
und 18. Jh., denen Schuttern als wehrloses Opfer preisgegeben war, die Sperrung oder
Wegnahme der Einkünfte durch Schweden und die Markgrafen von Baden, brachten
die alte Niederlassung wiederholt an den Rand des Verderbens. 1744 verhütete der
französische Dauphin, der 4 Tage im Kloster weilte, den gänzlichen Ruin durch
128
KREIS OFFENBURG.
Pfarrkirche
Thurm
(1 %
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1 fl
&
J :
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Fig. 66. Thurmfagade der Kirche in Schlittern.
materielle Unterstützung. Zur Erinne-
rung an den Durchzug der Marie
Antoinette (1770) erhielt der Abt ein
kostbares Pektorale und eine goldene
Medaille. Unter dem letzten Abt
Placidus Bacheberle wurde das Stift
säkularisirt (1803). (Sauer.)
Von den mittelalterlichen Kloster-
bauten steht heute nichts mehr. Die
grossen Brände und Zerstörungen von
1334, am Ende des 14. Jhs., sowie
1433, dann aber vor Allem die Ein-
äscherung durch die Franzosen haben
nichts davon übrig gelassen. Möglich,
dass ein unten erwähnter romanischer
Thürsturz von Kloster oder Kirche
stammt, sicher ist es nicht. Der Ver-
lust ist für die Kunstgeschichte des
rechten Oberrheins aufs Höchste zu
beklagen, da dies so bedeutende wie
alte Kloster baulich sowohl wie in
seiner Ausstattung vom höchsten
Interesse gewesen sein muss.
Die heutige kath. Pfarrkirche
(ad S. Virginem Mariam Assumtam) ist
ein wirkungsvoller Bau des 18. Jhs,,
der nach einem Brande im 19. Jh. in
seiner Thurmbedachung und in seiner
Innenausstattung renovirt worden ist
(s. Fig. 65). Eine einschiffige, kreuz-
förmige Kirche, die Ecken des Quer-
schiffs und des Chors konkav, die
Wände dieser Theile konvex ge-
schwungen bezw. ausbauchend. Der
Chor enthält zu beiden Seiten Sakri-
steien. Dem Langhaus ist der Thurm
vorgelagert, der etwa der Chorbreite
entspricht und daher zu beiden Seiten
von langgestreckten einstöckigen Vor-
hallen begleitet wird, die mit einer
Plattform abgedeckt und mit einer
Balustrade umgeben sind, so dass der
Thurm daraus hervorzuwachsen scheint
(vergl. Fig. 66). Das Erdgeschoss des
Thurmes enthält die geradsturzige Thür,
Fig. 6y. Die unteren Thurmgeschosse der Kirche zu Schlittern.
Band VII. Zu Seite 129.
*■
AMT LAHR. — SCHUTTERN. (KLOSTER SCHUTTERN.)
129
welche flankirt wird durch je zwei dorisirende Vollsäulen mit Rustikaringen auf jeweils
gemeinsamem Sockel, die den dorischen Triglyphenfries mit verkröpftem Gebälk tragen
(s. Fig. 67). Ueber dem Wappen des Hauptportals zieht sich dies Gebälk in einer
geschwungenen Linie herum. Darüber ein von Voluten flankirter Aufsatz, der in hübschem
Bänderrahmen ein Relief, Halbfigur der Madonna mit Kind enthält. Ein flachbogiger
Giebel schliesst diesen Aufsatz ab; in dem Giebelfeld Puttenköpfchen mit dem Auge
Gottes und auf dem Giebel die Freifigur der Madonna mit dem Kind.
In flotter Rocaillecartouche über dem Hauptportal das Wappen Schutterns (der
Pelikan) (s. Fig. 68), unter demselben steht:
AEDES HAS. B. V. MARIAE ASSUNTAE • SACRAS
EXTRUXIT EXCELLENTISSIMUS D. D. CAROLUS
ABBAS • MDCCLXXIII
Zu beiden Seiten die
Fenster der Vorhallen mit ge-
schwungenem Gebälk und
Konsole, darüber Rocaille-
cartouchen und Füllfelder.
Die Ecken der Vorhalle durch
Pilaster gebildet vor einer
Scheinquaderung. Der um die
ganze Vorhalle sich herum-
ziehende Triglyphenfries ist
an Stelle der Metopen mit
Früchtekränzen geschmückt.
Eine Balustrade mit bauchigen
Rocaillevasen krönt die Vor-
halle; neben dem Portalauf-
satze stehen die flotten Barock-
figuren eines Kaisers und
eines Königs mit jeweils
einer Kirche im Arm, wohl
Heinrichs II. und des sagen-
haften Offo. Ueber den Vor-
hallen erheben sich die zwei viereckigen Geschosse des Thurmes unten mit dorischen,
oben mit jonischen Pilastern und entsprechenden Vollsäulen an den eingeschnittenen
Ecken, die verkröpftes Gebälk tragen ; das obere Stockwerk von einer Balustrade
gekrönt. Darüber dann das Achteckgeschoss mit korinthischen Dreiviertelsäulen an
seinen Ecken und den Figuren zweier mönchischer Heiligen; die Bedachung ist nicht
gerade günstig im 19. Jh. ergänzt worden.
Der Thurm besteht durchaus aus bestem Sandstein ; das Langhaus dagegen zeigt
den Sandstein nur an den architektonischen Gliederungen und ist sonst aus verputztem
Bruchsteinmauerwerk errichtet. Mächtige Pilaster gliedern das Langhaus und flankiren
die abgerundeten Ecken, sie tragen ein hohes verkröpftes Gebälk mit Tröpfchen.
Zwischen ihnen unten kleinere, theilweise blinde Fenster, oben hohe flachrundbogige
Fenster mit kleinen Konsolen im Sturz, die sich an das Gebälk anschliessen.
Fig. 68. Wappen über dem Portal der Kirche in Schuttern.
Band VII.
9
Portalthüren
Altäre
Gemälde
Holzskulpturen
Glocken
Schrank
Paramente
130 KREIS OFFENBURG.
Wir haben in der Kirche einen hervorragenden, äusserst gut durchdachten und
dabei doch frisch wirkenden Barockbau vor uns, der alle andern derartigen Provinz-
bauten weit überragt und es ist nicht nur die allgemeine Aehnlichkeit gleichzeitiger
Bauten, sondern verschiedentliche nahe Verwandtschaft zu dem Palais der Rohan in
Strassburg, die uns vermuthen lässt, dass der Erbauer der Kirche in einem nahen Schul-
verhältniss zu dem Architekten des Palais gestanden haben mag.
Das einschiffige Innere hat leider bei dem Brande besonders gelitten und ist dess-
halb stark modernisirt. Zwei Reihen schwach hervortretender Pilaster übereinander mit
entsprechendem Gebälk gliedern die Wände und ziehen sich um Querschiff und Chor
herum. Diese doppelte Pilasterstellung hat ihren Grund in der ehemals im Langhaus
vorhandenen Empore, die in unserm Grundriss ge-
strichelt eingezeichnet ist. Von ihr steht noch der
an den Thurm anschliessende Theil auf zwei Pfeilern
und zwei Säulen mit einer ähnlich wie im Aeusseren
behandelten Balustrade. Das wegen des Balkenauflagers
Schwächer-Werden der Wände und eine diesbezügliche
schriftliche Notiz im Pfarrhaus beweist die angedeutete
Fortführung. Aus dieser Empore erklärt sich auch die
doppelte Fensteranlage ; da, wo die Empore noch vor-
handen, sind die unteren Fenster nicht blind. — Die
Kirche hat heute eine neue, flache Balkendecke.
Auch die Ausstattung- ist natürlich nur noch zum
kleinsten Theil die ursprüngliche. Alt die schönen,
geschnitzten, in ihrem oberen Theil mit Wappen be-
krönten, Thürflügel des Portals. Der Hochaltar und
die Seitenaltäre — wenn auch gleichzeitig, vielleicht
doch nicht für Schlittern gearbeitet — sind die üblichen,
nicht besonders hervorragenden Säulen - Altäre der
Barockzeit. Auf dem Hochaltar eine geschnitzte
Kreuzigungsgruppe und ein Gemälde der Himmelfahrt
Christi, auf dem rechten Seitenaltar Kreuzigung und
darüber h. Martyr, auf dem linken Maria in Wolken
mit Engeln, darüber ein h. Dominikaner. Alles Durch-
schnittsbilder des 18. Jhs. Aehnlich an den Wänden
des Langhauses die Himmelfahrt eines graubärtigen bischöflichen Heiligen, ein h. Sebastian
und eine Copie des Rubenschen Kindermordes; geringer und theihveise übermalt Jacob
und Rebecca und Esther.
An Holzskulpturen findet sich ausser der der Kreuzigungsgruppe des Hochaltars
und einer rohen Pietä noch ein eindrittellebensgrosser manirirter Barockcrucifixus, eine
recht gute Arbeit.
Die Glocke7i der Kirche sind neu.
In der Sakristei ein Schrank mit guter Rocailleschnitzerei, einige Casein und
Levitengewänder und einige nennenswerte Kirchengeräthe'. eine silbervergoldete,
getriebene Monstranz mit Steinauflagen, Silberfiligran, getriebenem Verkündigungsrelief,
noch vom Anfang des 18. Jhs. Das Zeichen verwischt. Geringes Versehkreuz. Cuter
AMT LAHR. — SCHOTTERN. (KLOSTER SCHOTTERN.
Fig. 70. Madonnenstatue am Pfarrhaus in Schlittern.
Rocaillekelch, silbergetrieben und vergoldet, mit Emails am Fusse (s. Fig. 6g), den Buch-
staben LH., den verwischten Wappen, darüber 1787 und darunter 7. O.
Ein silbergetriebenes Weihrauchschiffchen mit grossem Blumenmuster, wohl noch
aus dem 17. Jh.
9:
132
KREIS OFFENBURG.
Pfarrhaus
Fig. 71. Ziehbrunnen von 1623 in Schuttern.
Auf den Schränken holzgeschnitzte Putten, wohl von früherer Dekoration.
An den Chor stösst ein Rest des ehemaligen Klosters an, der jetzt als Pfarrhaus
dient, ein Bau des 16. bezw. 17. Jhs., der im 18. renovirt worden. Ein Portal mit
gebrochenem Giebel führt zum Pfarrhaus. Es zeigt die Inschrift :
refeCtorI VM
ABBATE pLaCID • TERTlO
eXtorto
renoVatVr et eXornatVr,
AMT LAHR. — SCHUTTERN. (KLOSTER SCHUTTERN.)
133
also 1788. Die reichgeschnitzte Thür, welche ehemals den Kellereingang verschloss,
soll angeblich vor einigen Jahren nach Karlsruhe verkauft worden sein. Pfeiler an der
Treppe im Innern, auf mit eierstabverzierten Konsolen stammen noch vom ehemaligen
Renaissancebau. Im Pfarrhaus die Kupferplatte mit dem Grundriss des Klosters (s. Fig. 65)
und ein gutes Gemälde : Brustbild des letzten Mönches.
An der Ecke des Pfarrhauses gegen den Garten zu jetzt aufgestellt die halblebens-
grosse Sandsteinfigur der gekrönten Madonna mit Kind (s. Fig. 70), ein Werk aus den Madonnenstatue
ersten Jahrzehnten des 16. Jhs., das sich weiter als es die schwer herzustellende Photo-
graphie zeigt, über den Durchschnitt erhebt.
Im Pfarrhausgarten steht auf einem Steinpfosten eine Sonnenuhr, auf der gravirten
Zinkplatte das Schütterer Abtswappen im Styl des späten 17. Jhs. Ebenda noch ein
Taufstein der gleichen Zeit.
Von den Umfassungsmauern des Klosterbezirkes aus erstreckt sich bis hinter die
gleich unten erwähnte Mühle. Die Schütter floss, wie auf Fig. 65 ersichtlich, durch
den Klosterbezirk durch. An der flachbogigen Brücke, da wo sie
in die Mauern eintritt, steht die Jahreszahl 1519, dessgleichen an
dem darauffolgenden Thor; daran setzte die Stadtmauer an.
Die Klostermühle, ein sonst schmuckloser Bau des 17. Jhs.,
hat im Innern noch die alten Mahlgänge und die einfachen Holz-
stützen für die Durchzugsbalken.
Auf dem vor dem Ort gelegenen Friedhof eine schmucklose
Kapelle \ die das vorkragende Dach stützenden Holzpfeiler stehen
auf Renaissancepostamenten. In der Kapelle ein holzgeschnitztes
Kruzifix des 18. Jhs.
Grabsteine: der eines Abtes von Schuttern mit dem Abtei-
wappen und verwischter Schrift 18 Jh.; ein weiterer mit hohem
Kreuz und Rocailledekoration, aber von 1807. Auf dem Friedhof
ferner ein Steinkruzifix mit Maria und Johannes auf Rocaillesockel.
Von dem Schloss oder wohl besser der Tiefburg, das die
Geroldsecker hier besassen, sind keine Spuren mehr vorhanden,
wenn nicht ihm, statt dem Kloster, der romanische Portalsturz
(s. unten) entstammt. Erwähnt wird es zum ersten Male 1327,
dann 1433, 1451 »bürg und stat«, »das schloss mit dem burgkhoff« im 16. Jh., ja noch
1648 als »schlösslin und burckstall« zu Schuttern 1648. Bald danach wird es wohl
gänzlich eingegangen sein.
Das Haus der Josefine Obert, schlichter Bau des 18. Jhs., weist in Stein das
Wappen des Klosters auf und die Inschrift:
Franciscus abbas huius
NOMINIS PRIMUS
HOC AEDIFICIUM FIERI
CURAVIT 1747.
Am Schulhaus über dem Eingang ebenfalls Abtswappen (im Wappen ein Gebäude,
darunter ein Eber auf Fluss) und die Jahreszahl 1788.
Haus Nr. 165 Hofthorpfosten mit Rankenornamenten des 18. Jhs.
Klostermühle
Friedhof
Kapelle
Grabsteine
% 0/
Fig. 72. Figurenfragment
in Schutt er n%
Schloss
*34
KREIS OFFENBURG.
Ziehbrunnen
Thürsturz
Pieta
Holzplastik
Am Haus des Franz Breger geschnitzte Thür (mit grossen Ranken) vom Anfang
des 18. Jhs.
Schmiedeiseme Wirthshausschilde am Gasthaus zum Adler und zum Prinzen
(Empire).
Im Ort einige alte Ziehbrunnen , vor Allem einer mit trefflicher Renaissance-
omamentik und der Jahreszahl 1623 (s. Fig. 71).
Endlich noch ein Figurenfragment (s. Fig. 72) von einem irgendwo einst verwendeten
Steinpfeiler aus der gleichen Zeit.
In der Grossh. Alterthümersammlung zu Karlsruhe wird unter Nr. C. 5139 und 40
in zwei Sandsteinstücken ein romanischer Thürsturz aufbewahrt, den der Direktor und
Konservator der Alterthtimer E. Wagner dort in der Kirchhofmauer unbeachtet vermauert
aufgefunden und geborgen hat. Er zeigt einen Löwen, der ein Rind verschlingt, und dann
Fig. 7J>. Thürsturz aus Schlittern (in der Grossh. Alterthümersammlung zu Karlsruhe).
das Obertheil eines Ritters, der einen Löwen tödtet (s. Fig. 73). Die dreieckige Thür-
öffnung mass im Lichten 95 cm. Es muss — wie oben erwähnt — dahingestellt
bleiben, ob dieser Thürsturz aus dem Kloster oder aus dem Schlosse stammt, das auch
trotz fehlender Erwähnungen bereits im 12. Jh. gestanden haben kann.
Des weiteren bewahrt die Sammlung aus Schuttern eine eiserne Thüre des 17. Jhs.
(C. 6806) und vor Allem eine ganz hervorragende holzgeschnitzte Gruppe der Pieta
(Tafel II) aus etwa der Mitte des 18. Jhs. Die das Haupt klagend zum Himmel
erhebende Jungfrau mit dem todten Sohn auf dem Schooss sitzt auf einer Felsgruppe,
die unten in üppigem Rocaillewerk endigt. Bei der Vornehmheit der beiden Gestalten,
dem ergreifenden Ausdruck der Mutter, dem geschlossenen Umriss und der ganz
vorzüglichen Detailbehandlung stehe ich nicht an, die Gruppe für ein Meisterwerk der
deutschen Rococoskulptur zu erklären.
Vor dem Ort Bildstock des 17. Jhs. mit leerer Aedicula.
Fildstock
Tafel II
Pieta, Holzgruppc ans Kloster Schlittern, jetzt in den Großh. Sammlungen fü,
Altertums- und Völkerkunde , Karl sinke.
AMT LAHR. — SCHUTTERTHAL.
1 35
SCHUTTERTHAL
(Bestehend aus Oberthal und Unterthal mit Rheinmühle und Schäferhof.)
Schreibweisen: Schutertal 1270; Schutterdal 1368. Archivalien: der Gemeinde
und kath. Pfarrei. Mittheil, der histor. Komm. Nr. 15 (1893) S. 102 f.
Ortsgeschichte : Sch. ist und war offenbar immer kein zusammenhängendes Dorf,
sondern besteht und bestand aus vielen einzelnen Gehöften, die im Schutterthal und
in den Seitenthälern oder an den Bergen liegen. Bei der Theilung 1277 kam es zur
Herrschaft Hohengeroldseck, der es bis 1819 angehörte, wo es mit dem gesammten
Fürstenthum badisch wurde.
Den Mittelpunkt des Ortes bildete die Kirche des hl. Antonius (s. unten). Wir
hören, dass 1463 Georg von Hohengeroldseck als Vormund der Kinder seines Bruders
dem Konrad von Girsperg, genannt von Hohenstein, drei Fronberge zu Sankt
Antonien im Schutterthal, genannt an der »vorhen«, verlieh.1)
Auch das Schloss hat in der Nähe gelegen. Wir hören von »hus und bürg
zu Schuttertal gelegen by Sant Antoniien 1470«. Dass es eine Tiefburg gewesen ist,
dafür spricht der Ausdruck das »wasserhus« von 1515. 1531 hören wir noch einmal
von dem »burgstadel, wie das zu Sant Anthonien im Schutterthale der herrschaft Geroltz-
eck gelegen«, wissen aber heute nur noch im Terrain seinen Platz nachzuweisen. Im
15. Jh. hatte es das Geschlecht der Wallstein als Geroldseckisches Lehen inne; wir
hören von »gräben und gärten, schüre, hus und hof vor dem sloss.« 1531 brachte
Gangolf von Hohengeroldseck die Lehen wieder an sich zurück.
Ein Vogt Wilhelm von Schutterthal wird schon 1277 in der Theilungsurkunde
als Zeuge genannt; 1336 ein Hermann von Sch. edelknecht; 1341 »Johans von Sch. ein
ritter und Anna Müllerin sin elich wip ; Hans von Sch. 1406; Wilhelm von Sch. ein
edelknecht 1352. Möglich, dass mit jenem Hans das Geschlecht ausstarb oder, wie
Ruppert annimmt, dass nur Mitglieder irgend eines der benachbarten Geschlechter sich
nach ihrem Sitze hier nannten«.
Kath. Pfarrkirche (ad. S. Antonium). Erwähnt ein »sacerdos« in Sch. 1314,
Johans Replin, lütpriester 1419; zu S. Antonien in Sch. 1436 und 1463; 1464 ein
»rector ecclesie in Sch.; Ende 15. Jh. die pfarr zu Schuttertal hat ein priester, heisset
her Anthonius von Elmatingen, hat im juncker Depolt von Geroltzegk geluhen«. Sie
scheint ein beliebter Wallfahrtsort gewesen, aber nach der Reformation nicht mehr so
besucht worden sein: »haec ecclesia pro patrono honorat s. Antonium, et ante Lutheranis-
mum fuit in hoc loco celeberrima peregrinatio, quae autem tempore apostaziae defecit«
heisst es 1666. Jm 17. Jh. wurde die Kirche Filiale von Selbach: »Schutterthal,
Prinzbach, Reichenbach, fuere hae tres etiam parochiae, sed jam a longs tempo admini-
strantur per parochum in Seelbach« (1692). Kollatur und Zehnt gehörten zu Hohen-
geroldseck.
Der heutige Bau stammt aus etwa drei Perioden. Der älteste der dem Langhaus
vorgelagerte Thurm , wie immer Bruchsteinmauerwerk, an den Ecken Sandsteinquader,
einfach abgeschrägter Sockel, spitzbogige Eingangsthüre mit Hohlkehlen; gegen das
Langhaus zu öffnet sich der Thurm in abgefastem Spitzbogen. Zwei Stockwerke, durch
Ortsgeschichte
Schloss
Kath. Pfarrkirche
Thurm
x) Ruppert a. a. O. S. 441.
136
KREIS OFFENBURG.
Langhaus
Sandsteinepitaph
Glocken
Wetterfahne
Epitaph
Kirchengeräthe
Piivathäuser
Ortsgeschichte
Wasserschrägen von einander getrennt, im unteren Lichtluke, im Obergeschoss ge-
kuppelte, runde Kleeblattbogenfenster mit ausgebrochenen Pfosten; darüber Satteldach.
Das Ganze ein möglicher Weise älterer Kern, der im 16. Jh. überarbeitet und seine
heutige Gestalt erhielt.
Der Eingang zum Thurm ist durch ein Vordach geschützt, das auf Konsolen ruht
und in der Gegend sehr malerisch wirkt.1)
Das einschiffige Langhaus mit abgeschrägtem Sockel, Rundbogenfenstem mit
Hauer Hohlkehlung dürfte noch dem 17. Jh. angehören; doch ist im Langhaus selbst
eine Bauunterbrechung zu bemerken, die Kirche ist also wohl vergrössert worden. In
der Südseite an den Fenstern theilweise noch die Ansätze von Masswerk. Der Chor
ist in drei Seiten des Achtecks abgeschlossen; die Sakristei zeigt die Flachbogenfenster
des 18. Jhs.
Im schlichten Innern Sandsteinepitaph des F. A. Schmelzer, aet. 53, 1765 aus
der Barockzeit, das Christuskind mit Fahne in sonnenartigem Medaillon.
Orgel mit Rocailleschnitzerei und entsprechendem anschliessenden Gitterwerk;
gute Arbeit; Rococogestühl.
Von den Glocken stammen zwei aus der Edel’schen Werkstätte in Strassburg,
eine ältere mit Inschrift, der ich leider nicht beikommen konnte.
Auf dem Thurm originelle Wetterfahne mit drachenartiger Gestalt und
Doppelkreuz.
Neben dem Thurmportal Epitaph', Protonotarshut und Wappen: drei Berge, aus
denen Rosen hervorspriessen, Helmkleinod, Haltfigur mit Soutane. Die Inschrift besagt :
Anno 1736 die 5. Feb. obiit et 7 m sepultus est P. R. Praenobilis et clarissimus D.D.
Franciscus Sigebertus Dombltiet ven. capit. Lahrens, Archipresb. protonotar. apostol.
etc. 40 Ann. Paroch9 in Seelbach et Schutterthal. aet septuagen. requiescat in pace. etc.
An Kirchengeräthen silbervergoldeter Kelch im Zopfstyl mit verwischtem Zeichen
und F h Kupfer getriebener vergoldeter Empirekelch ; ein weiterer befand sich nicht
zugänglich im Altar; Kreuzpartikel, silbergetrieben und vergoldet, Zopf, ohne Zeichen.
Hinter der Kirche, sowie auf der Anhöhe nach Wittelbach zu einige charak-
teristische Riegel- und Holzhäuser.
SCHUTTERZELL
Schreibweisen: Blenzenzell nidewendig Kircelle 1279; Blenzenzelle 1367; Blienzen-
zell 1367; zu Zelle 1346; Celle 1368; Zell by Kurtzell 1498; das dorff Zelle by
Schlittern 1513; Schutterzell 1524.
Archivalien: der Gemeinde: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 15 (1893) S. 103.
Ortsgeschichte : Schon 1139 und 1288 in päpstlichen Schirmbriefen, die Besitzungen
des Klosters Gengenbach betreffend, wird der Ort genannt, 1279 belehnen Heinrich
und Walter von Geroldseck (Lahr) den Ritter Konrad Walpot damit; nach dem Aus-
sterben dieser Familie ging das Lehen an Hug und Hans von Linstetten über. Der
1) Leider soll die Kirche abgebrochen werden, was sehr bedauerlich wäre, denn das Ganze,
insbesondere der Thurm, steht besser in der Landschaft als irgend ein sogenannter »Styl «-bau.
AMT LAHR. — SEELBACH.
137
Zehnte gehörte dem Kloster Schuttern. Der Ort gehörte zur Herrschaft Lahr-Mahlberg,
kam bei der Teilung 1627 an Baden-Baden.
Simultankirche (ad. S. Michaelem) : 1513 erwähnt »sanct Peters und sancte Simultankirche
Barbare althar«. Wie in der ganzen Gegend drang auch hier die Reformation ein und
machte, trotz der nach anfänglichem Schwanken, katholischen Herrschaft, Fortschritte,
so dass es 1666 heisst in einem Visitationsprotokoll: »parochianos catholicos habet 50;
haereticorum vero ultra 120«, wobei übrigens als »huius ecclesiae patronus coeli
S. Laurentius« genannt wird. Allmählig aber mag das katholische Bekenntniss der Herr-
schaft über das andere gesiegt haben; jedenfalls war es im Besitz der Kapelle. 1798
wollten die Evangelischen eine neue Kirche erbauen, standen aber davon ab und sprachen
das Simultaneum an der 1752 aus Gemeindemitteln erbauten Kapelle an, welches ihnen
auch 1804 zugesprochen wurde. Die heutige Kirche aber wurde aus gemeinsamen
Mitteln 1859 bis 1861 erbaut. Alt zwei Kelche aus der Mitte des 18. Jhs., der eine silber- Kelche
getrieben, vergoldet, in reicherem Rocaillestyl ; Augsburger Zeichen, darunter Y und
PDS; der andere einfacher, sowie ein Rauchmantel , mit bunter Seide und Silber reich Rauchmantel
gestickt auf Damast ; laut Schrift unter der Cappa : paramenta circa annum 1760 a rev.
Dno Abb. Joanne Baptista comparata, Plw- R. Benedictus Dehm Prior sub felici regimine
R dm- Dui Augustini Abbatis reparari et ornari duravit 1763; also aus Schuttern
stammend.
Haus Nr. 10 hübsches Fachwerkhaus , in der Nähe davon Crucifixus, Sandstein Fachwerkhaus
auf üblichem Rocaillesockel von 1783. Crucifixus
SEELBACH
Schreibweisen: Seilebach 1179; Sellibach 1257; Selbach 1270; Seilbach iö.Jh. ;
Seylbach im dorff 1500 etc.
Archivalien der (kath.) Pfarrei: Mittheil. d. histor. Komm. Nr. 15 (1893) S. 103.
Litteratur: J. R. Saltzmann, kurtze Beschreibung des heylsamen Badts und
Brunnens, der Sahlbronnen oder das Sehlbacher Bad genannt, in der Herrschaft Hohen-
Göroltzeck, Strassburg 16x2; L. Thurneysser zum Thurn, Zehen Bücher von kalten
warmen Minerischen und Metallischen Wassern, dem eine kurze Beschreibung des Sehl-
bacher Brunnens hinzugethan (von Saltzmann), Strassburg 1612. — O. Himmels-
bach, Geschichte des Marktfleckens Seelbach, Hauptort der ehemaligen Herrschaft
Hohengeroldseck. 1906.
Ortsgeschichte : Unter den Besitzungen, welche i. J. 1179 dem Kloster Ortsgeschichte
S. Georgen auf dem Schwarzwald durch Papst Alexander III. bestätigt wurden, befand
sich auch die Kirche zu Selbach, in der wir wohl dieses Seelbach zu sehen haben. Der
Ort gehörte zu der Herrschaft Geroldseck, bei der Theilung von 1277 kam er wie alles
Land ostwärts der Bischofsmühle an Hohengeroldseck, das wegen des Patronats mit
dem Kloster S. Georgen in Streit kam; trotz eines Vertrages von 1330 mit dem Kloster
besassen die Geroldsecker ihn später. — Als die Herrschaft Lahr 1427 an Mörs-Sar-
werden überging, trotz der Erbansprüche der Hohengeroldsecker, die darum jenen
ruinösen Kampf begannen, da suchten letztere Seelbach zum Hauptort ihrer Herrschaft zu
machen und, indem sie einen Markt daselbst errichteten sowie ihre Leute zwangen, den
KREIS OFFENBURG.
Pfarrkirche
Hochaltar
Seitenaltäre
Kanzel
Orgel
138
Lahrer Markt zu meiden, Lahr-Mahlberg empfindlich zu schädigen. Bei der Theilung
zwischen den Brüdern erhielt Diebolt die Vogtei S., der Markt mit allem Einkommen
daraus sollte aber allen Drei gemeinsam gehören. Diebolt sollte einen kaiserlichen
Brief für die Errichtung und den Schutz des Marktes herbeischaffen; das geschah auch
und 1455 erneuert Kaiser Friedrich III. Diebolt II. das Marktrecht. Das gab natürlich
Unzuträglichkeiten mit Lahr-Mahlberg, die zunächst aufhörten, als 1482 Diebolt II. in
seiner Geldnoth genöthigt war, die Vogtei S. auf Wiederkauf an den Markgrafen
Christoph von Baden zu verkaufen. Mittelst eines langen Prozesses kamen dann die
Söhne Gangolfs I , der vergebens die Schuldsumme an der Münze in Strassburg hinter-
legt hatte, endlich 1538 wieder in den Besitz. Wie die ganze Herrschaft Hohen-
geroldseck kam Selbach, das deren Hauptort blieb — der letzte Hohengeroldsecker
residirte mit Vorliebe auf dem nahegelegenen Dautenstein — , an die Cronberg und
dann an die Freiherren, späteren Grafen und Fürsten von der Leyen, die hier bezw.
in Dautenstein, ihre Residenz aufschlugen. 1819 wurde es mit dem kleinen Fürsten-
thum badisch.
Im 16. und 17. Jh. war S. ein Badeort, dessen Quellen, wie aus oben zitierten
Büchern hervorgeht, Heilkraft zugeschrieben wurde. Es soll zahlreich von Einheimischen
und Fremden besucht worden sein. Indess scheint es diese Bedeutung bald verloren
zu haben. Vor einiger Zeit erst soll man den tiefen Schacht, mit behauenen Steinen
ausgemauert, in dem die Quelle gefasst war, zugeworfen haben. ') Nicht nach den
Quellen übrigens erklärt sich der Name des Orts, er ist wohl zu erklären als »Bach, an
dem (Sal) Weiden stehen«.
Kathol. Pfarrkirche S. Nicolaum episcopum) erwähnt ecclesia Sellebach 1179,
Kirche 1370. 1330 verzichtet Walter von Geroldseck auf seine Forderungen etc., die
er für sich und seine Nachkommen an das Kloster S. Georgen auf dem Schwarzwalde
hatte, »von dez Kirchensatzes wegen der Kirchen zu Selbach gelegen in Strasburger
bistume«. Doch hatten die Hohengeroldsecker bald darauf Kollatur und Zehnt. —
1366 wird ein dominus Georgius de Geroltzeck, plebanus in Selbach erwähnt; 1419
Johans Reype lütpriester; von Ende des 15. Jhs. wird berichtet: pfarr zu Selbach hat
ein priester, heisset her Johans Schriber von Mossbach, die ist ime von juncker Depolt
von Geroltzegk geluhen«. Die Reformation kam auch hierher, wurde aber wieder
zurückgedrängt und die Gemeinden Schutterthal, Prinzbach und Reichenbach wurden
dann von Selbach aus pastorisirt, gutthatsweise auch Wittelbach, das nach Schweighausen
eingepfarrt war.
Die heutige Kirche ist ein einschiffiger schlichter Bau mit Chor aus drei Seiten
des Achtecks und ebenso einfachem Aeussern. Ueber der Fagadenthür im Sturz :
Anno 1749.
Im Innern der Hochaltar in dem bekannten Barockaufbau, Säulen, durch Voluten
verbunden, welche die Krone halten ; hübsches Rocailletabernakel. Aehnlich die beiden
Seitefialtäre mit guten Holzfiguren von Heiligen und Engeln, gute, bewegte Rococo-
figuren. In gleichem Styl, ruhig, aber mit geschmackvollen Schnitzereien und dem
Wappen des draussen begrabenen Hofrats Schmelzer, die Kanzel und ebenso die
Orgel. An dem nördlichen Seitenaltar Holzmedaillon mit dem Rosenkranz, den Leiden
1) Himmelsbach a. a. O. S. 105.
AMT LAHR. — SEELBACH. (SCHLOSS DAUTENSTEIN.)
z39
Christi, etwas flüchtige Schnitzerei des 17. Jhs. Alles andere Angeführte aber aus der
Zeit des Baues der heutigen Kirche. Das Gleiche gilt von dem halblebensgrossen
Crucifixus am Triumphbogen, während der Taufstein (Sandstein) mit Beschlägornament
wieder dem 17. Jh. entstammt.
Am Aeusseren der Kirche einige Grabsteine im späten Empirestyl, darunter der
des Leyen’schen Hofrathes und Oberamptmanns Sigbert von Schmelzer *J* 1798.
In der Sakristei Kirchengeräthe : Monstranz in der üblichen Sonnenform, Kupfer
getrieben, vergoldet; eine kleinere Sonnenmonstranz mit Zeichen Jesu und v. Leyen’schem
Wappen; silbervergoldeter getriebener Kelch mit Rocailleornamenten, laut Inschrift am
Fuss ein Geschenk der Mar. Antonia Vischerin Abbatissa Beixiniensis 1774 mit ver-
wischtem Zeichen, ein zweiter einfacher, silbergetrieben, an den Buckeln des Fusses
das Leyen’sche Wappen, ein dritter mit Augsburger Zeichen und B ; Versehkreuz kupfer-
vergoldet vom Anfang des 18. Jhs.; Weihrauchschiffchen ebenfalls des 18. Jhs.; und
drei Zinnteller. — Ebendaselbst wird eine schwungvolle und doch vornehme eindrittel-
lebensgrosse Holzfigicr der Madonna aus dem 18. Jh. aufbewahrt, mit einem Rosen-
kranz geschmückt, an dem eine Medaille des 17. Jhs. mit der Geschichte Davids und
Bethseba’s hängt. — Eine Casel, Handstickerei aus der Mitte des 18. Jhs. mit dem
Wappen Derer v. Leyen.
Das jetzige Schulhaus ist der ehemalige Franziskanerkonv ent, aus zwei im
rechten Flügel an einander stossenden Flügeln und einer oblongen Kirche bestehend.
Möglich, dass dies die Kirche zum h. Michael ist, von der Kolb1) spricht. Sie ist
heute zu einer Wohnung umgebaut. Das ganze Gebäude ist von äusserster Schlichtheit.
Die Ruine Lützelhard, von Kolb erwähnt, der angebliche Sitz des in die Sage
der Geroldsecker verflochtenen Geschlechtes, deren Existenz vielfach bezweifelt wurde,
hat nach dem auf dem Lützelhard gefundenen romanischen Kapitell, jetzt in der Fahrer
Alterthumssammlung (s. dort), thatsächlich hier gestanden ; durch Grabungen liesse sich
wohl noch Manches zu Tage fördern. Bei ihrer Lage auf dem Berge, welcher den Aus-
gang des Thaies beherrscht, durch das die Strasse von der Hohengeroldseck in das
Schutterthal führt, musste es für die Geroldsecker bei wachsender Macht eine Lebens-
frage sein, diese Burg entweder zu besitzen oder zu vernichten.
SCHLOSS DAUTENSTEIN
Schreibweisen: Toutenstein 1251, Tutenstein 1291, Dutenstein 1308, Dutten-
stein 16. Jh., Tuttenstein 1571 (Stein, Fels des Tuto.)
Litteratur : Ausser Ruppert a. a. O. s. Himmelsbach, der Marktflecken Seelbach.
Geschichte: Wenig von Seelbach entfernt, am linken Ufer der Schütter liegt das
Schlösschen, das zum ersten Male 1251 erwähnt wird. 1249 schon wird ein »Albert
de Dutenstein genannt, ebenso 1260, seine Gemahlin Petrissa und Heinrich, Johannes
und Abreht ir beder süne von Bossenstein, 1313 der Tochtermann Albrechts, Rein-
bolt Stubenweg von Straspurg und weitere Mitglieder der Familie bis z. J. 1428.«
Von den Söhnen des ersten Albrechts nennt sich Heinrich von Tutenstein, seine
z) Kolb a. a. O. III, S. 227.
Crucifixus
Taufstein
Grabsteine
Kirchengeräthe
Holzfigur
Franziskaner-
konvent
Ruine Lützelhard
Geschichte
1 40
KREIS OFFENBURG.
Brüder von Bosen stein, nach der Burg, die ihr Vater mit den dazugehörigen Gütern im
Acherthal erworben hatte. Die einzige Nachricht von einer Begtiterung des Geschlechtes
in der Herrschaft Geroldseck stammt aus den Zeiten Walters II., der zwei von dem
genannten Ritter Albrecht von T. erkaufte Höfe dem Bischof Heinrich als Sühne zu
Lehen aufgab. Da nun auffallender Weise in keiner der anderen so zahlreichen
Geroldsecker Urkunden ein Mitglied des Geschlechtes erwähnt wird, so schliesst
Ruppert — wohl nicht ohne Wahrscheinlichkeit — , dass die Familie zu den
zähringischen Ministerialen gehörend, durch das Aussterben des Herzogsgeschlechtes
H-h-H-i i ' i F 1 H + J ,
O /O 20 30 U>
Fig. 74. Plan des Schlosses Dautenstein bei Seelbach.
den Uebergang Mortenauischer Güter an die Hohenstaufen, die mit deren Ausgang ver-
bundenen Wirren und Fehden aus ihrer Heimath vertrieben worden sind;1) eben also zu
Zeiten Walters II., unter dem die Geroldseckische Macht auf ihrem Gipfel stand. Dauten-
stein kam dann wohl mit Selbach etc. bei der Familienfheilung an die Hohengerolds-
ecker. 1437 belehnt Diebolt I. seinen unehelichen Bruder Hans und dessen Schwager
Rudolf Lumbart ; 2) letzterer erwarb dann allmählich durch Kauf das ganze Lehen, das
1) Ruppert a. a. O. S. 459.
2) Reinhardt Urk. CXXII.
AMT LAHR. — SEELBACH. (SCHLOSS DAUTENSTEIN.) 14!
aber im Anfang des 16. Jhs. wieder in die Hände Gangolfs I. gekommen war, der,
wohl in seiner Geldnoth, es 1514 dem Landschreiber Siegfried Pleuss zu Lahr als Erb-
und Kunkellehen verlieh, dessen Nachkommen sich nun Pleuss von Dautenstein nannten.
Im Bauernkriege ward das Schloss zerstört, aber nachher und zwar auf Kosten der
Bauern wieder errichtet. Als 1580 der letzte Pleuss ohne Leibeserben starb, gelang es
Jakob von Hohengeroldseck nach Verhandlung mit der Schwester des Verstorbenen
und ihrem Mann sich auf einen Auskauf des Lehens zu einigen. Jakob Hess nun an-
geblich das Schloss abbrechen und, wie seine Tochter Anna Maria später in ihren
Klageschriften ausführte, mit mehr als 40,000 Thalem als eine schöne und herrliche
Residenz wieder auf bauen, die er seiner Tochter zu sichern hoffte, da Hohengeroldseck,
Schönberg und Prinzbach als Lehen an Oesterreich zurückgingen, Selbach und Dauten-
stein aber ihm zu eigen waren. Nach seinem Tode 1635 aber wurde trotzdem auch
dies von den Cronbergern beansprucht, 1636 das Schloss von der Kaiserlichen
Soldateska geplündert und angeblich bis auf den Grund in Asche gelegt. Die Cron-
berger begannen mit dem Wiederaufbauen — zwischenhinein war es auch einmal im
badischen Besitz (der Erben der Anna Maria) — , das aber erst die von der Leyen aus-
führten. Eine Abbildung dieses Baues, eines stattlichen Barockpalais, den Strassburger
Bauten der Zeit entsprechend, mit zwei vorspringenden Seitenflügeln, ist erhalten. ’)
Ehe sie es aber beziehen konnten, brach Feuer aus und das Schloss brannte nieder
(nach 1755), nur der grosse gewölbte Keller unter dem östlichen Flügel blieb unversehrt,
auf dem der heutige einstöckige Bau errichtet wurde.
Ein Blick auf den Grundriss (s. Fig. 74) giebt uns das typische Bild einer Tiefburg,
ähnlich der zu Lahr, das Viereck mit den vier Rundthürmen und dem Graben und so
möchte ich glauben, dass trotz aller Nachrichten über Brände und Verwüstungen die
Grundmauern die des mittelalterlichen Schlosses sind, das entweder die Tutensteiner
oder wahrscheinlicher die Geroldsecker hier erbaut haben. In der That liegt die Ver-
mutung wohl nahe, dass entweder Walter II. vor oder die Hohengeroldsecker nach der
Theilung nach dem Vorbild von Lahr die Burg anlegten; begreiflich, dass ihnen dann
im 15. Jh. der Gedanke kam, hier in Seelbach und Dautenstein ein Gegengewicht gegen
Lahr zu schaffen.
Heute stehen nur noch die niederen Stumpfe der vier Thürme, in den Oberbauern
aus Bruchsteinmauerwerk. Während der dem Haus zunächst gelegene, jetzt nicht mit
einem Dach versehen, sondern als Altane dienende B I noch ein Kreuzgratgewölbe in
dem inneren Rund zeigt und vier sehr sauber gearbeiteten Maulscharten (s. Fig. /), die
dem 1 6. Jh., also wohl dem Umbau unter Jakob entstammen, sind die anderen mit
niederm Kegeldach bedeckten Thurmstümpfe mit Erde ausgefüllt und ohne Oeffnungen ;
ihr Obergeschoss besteht jetzt aus Riegelwerk. Das Gebäude A ist der angeblich stehen
gebliebene Keller des Ostflügels, des projektierten Leyen’schen Baues ; jedenfalls stammt
der untere Theil des Gebäudes aus besseren Zeiten. Das eingezeichnete Gratgewölbe
und die viereckigen Pfeiler bestehen aus sauber behauenen Sandsteinquadern. Durch eine
eingezogene Zwischenmauer und Verstärkung der Pfeiler wurde er später verändert;
eine rundbogige Thür fuhrt zu ihm. Der Oberbau von A aber ist ein schlichter Riegel-
bau des 18. Jhs., dem auch der kleine Anbau sowie der gegenüberliegende Bau C
Bau-
beschreibung
*) Abgeb. bei Himmelsbach a. a. O. S. 80 nach einem Kupferstich.
142
KREIS OFFENBURG.
Oltsgeschichte
Römisches
Simultankirche
Barocktaufstein
Glocken
Kirchengeräthe
Riegelhäuser
entstammt. Die Vierecksmauer besteht aus Bruchsteinmauerwerk, sie ist geflickt und
verputzt. Noch ist die Mauer ausserhalb des Grabens und die Stelle der alten Brücke
über denselben sichtbar.
Besitz der Fürsten von der Leyen, dient das Schlösslein heute als Sitz des fürst-
lichen Rentamtes.
SULZ
Schreibweisen: Sulz cum vallibus suis 1270, Sultz 1275, Sulcze 1364 (ahd. sulza
Salzwasser, Salzloche).
Ortsgeschichte : 1275 erfahren wir, dass Walter II. von Geroldseck dem Kloster
zu Lahr den Frohnhof und den Schenkenhof zu Sulz schenkte. 1351 schenkten die
Geroldsecker Patronat und Zehnt an das gleiche Kloster, das dafür den Pfarrer besoldete.
Den No valzehnten beanspruchte die Gemeinsherrschaft, die im 16. Jh. auch den Kirchern-
satz an sich zog. Sulz gehörte zur Herrschaft Lahr-Malberg, bei der Theilung 1627 kam
es zu Mahlberg, wurde also baden-badisch.
Römisches. Näher (Bauliche Anlagen der Römer, Anh. II) giebt am Sulzbach
Baureste eines römischen Gehöftes an Römische Ziegel- und Thongefässscherben
der städt. Sammlung in Freiburg könnten dorther stammen. Vom Langenhard bei
Sulz ist der Fund einer Bronzefibula und von röm. Ziegelbruchstücken bezeugt.
Am Sulzberg: Fund einer römischen Heftnadel (Fibula), Form des 2. bis
3. Jhs. nach Chr., im dortigen Domänenwald (1872); jetzt in der Karlsruher Sammlung. (W.)
Simultankirche (ad S. Petrum et Paulum; vor der Reformation Petrus, um 1700
findet sich S. Agatha als Nebenpatronin). Genannt »ecclesia 1364, ein rector ecclesie
1464, als patronus: S. Petrus apostolus 1692. — 1419 ein herr Peter lütpriester zuo
Sulz genannt. Das Kloster zu Lahr bestellte (s. oben) bis in das 16. Jh. den Pfarrer.
Während der Reformationszeit machte Sulz die religiösen Schicksale der Herrschaft
Mahlberg durch.
Die heutige Kirche ist ein Neubau von Hübsch von 1865. Die angeblich interes-
santen Architekturtheile der alten Kirche wurden angeblich verhauen und bei Häusern
verwendet.
In der Kirche : Barocktaufstein von 1631 mit gewundenem Fuss und natura-
listischen Blumen an der Achteckschale. Nach Angabe des *j* Pfarrers Staudenmaier
noch ein Holzkruzifix aus dem 17. Jh.
Glocken: Zwei von Edel-Strassburg, die eine von 1749 Maria und Agatha, die
andere von 1775 Petrus und Martha; die dritte von 1805 wurde 1823 umgegossen.
Kirchengeräthe : Sonnenmonstranz, 1754 wohl von Markgräfin M. Victoria gestiftet;
zwei einfache Kelche kupfervergoldet. Zinnkelch von 1772.
Auf dem Friedhof roher Grucifixus 1772 von Martin Eisenbeiss in Heiligenzell
gefertigt.
Im Ort die Häuser Nr. 9, 10, 11, 14 und andere mehr als Riegelhäuser zu
erwähnen. Am Gasthaus zur Sonne guter, schmiedeeiserner Wirthshausschild, Rocaille.
In der Nähe eine originelle schmiedeeiserne Laterne.
Vor der Kirche mächtiger Brunnentrog aus Monolith mit verwischter Inschrift
und Wappen.
AMT LAHR. — WITTELBACH.
143
Im Thal bei der Sägemühle und auf dem Langenhard schlichte Kapellen im
Riegelbau aus dem 18. und 19. Jh. Auf letzterem beim Wirthsbaus zur Eiche Kruzifix
des 18. Jhs., eines auch auf dem Weg nach Kippenheim. Auf dem Langenhard und
am Weg nach Mietersheim Bildstöcke.
WITTELBACH
Schreibweisen: Wittilnbach 902, Fälschung; Wittilunbach 1144; Witilinbach 1185;
Wittilinbach 1186; Witteinbach 1270; Wittelbach 16. Jh. etc. (Bach des Wittilo).
Ortsgeschichte: Wie schon aus dem Namen hervorgeht, ein ziemlich alter Ort.
1144 hatte das Kloster S. Trudpert irgendwelche Besitzungen hier, die es 1363 an das
Kloster Ettenheim verkaufte. Möglicherweise gehörte der Ort ursprünglich den Dauten-
steinern, von denen nach Rupperts Vermuthung die zwei
Drittel des Klosters erkauft waren ; ein Drittel ging später
mit Dautenstein von Geroldseck zu Lehen. Wegen der
Ausübung der Gerichtsbarkeit, die die Geroldsecker bean-
spruchten, kam es zu verschiedenen Streitigkeiten mit dem
Kloster. — Bis 1803 gehörte der Ort zum weltlichen Be-
sitz des Hochstifts Strassburg (Herrschaft Ettenheim) und
wurde dann badisch.
Die Kirche (ad S. Petrum et Paulum) wird 1132
geweiht und zwar merkwürdiger Weise von dem Konstanzer
Bischof, trotzdem sie in der Strassburger Diözese gelegen
ist, anno 1132 imperante Wernero abbate dedicatae sunt
ecclesiae a venerabili Udalrico Constantiensis ecclesiae
episcopus in honores trinitatis Witilinbach quidem et
Derlinbach. 1699 heisst es: Wittelbach ecclesia filialis
matricis in Schweighausen, cujus patronus in coelis
s. Petrus apostolus; collator et decimator d. abbas in
Ettenheim mtinster. — 1419 Walther Wetzel lütpriester
erwähnt, 1464 plebanus in Wittelbach.
Die Kirche, ein Bau aus Bruchsteinmauerwerk, mit Sandsteinquadern an den Ecken,
besteht aus einem kurzen, einschiffigen Langhaus (mit einfacher Balkendecke des 18. Jhs.),
dem das Untergeschoss des viereckigen Thurmes als Chor dient. An den Thurm stösst
die viel später (18. Jh.) angebaute Sakristei an. Der Thurm, dessen besseres Mauerwerk
durch zum Theil gut hergerichtete Bruchsteine sich von dem des Langhauses unter-
scheidet, hat im Erdgeschoss ein Kreuzrippengewölbe, dessen einfach abgeschrägte
Rippen, mit merkwürdiger Verzierung am Ende der Abschrägung, auf Konsolen ruhen,
deren Verzierung fratzenartige Köpfe bilden (s. Fig. 75). Der Thurm öffnet sich in das
Langhaus im Rundbogen, dessen Kämpferprofil auf der einen Seite vielfache Abtreppung,
auf der andern Seite den runden Wulst in einer Abtreppung zeigt. Während das untere
Thurmfenster im 18. Jh. eingebrochen ist, zeigt dagegen die kleine Rundbogenthür mit
Billeten (Kugeln) in ihrer Abfasung ächt romanischen Charakter. An seiner Südseite
Fig. 75. Gewölberippe
mit Konsole i??i Erdgeschoss des
Thurmes zu Wittelbach .
Kapellen
Kruzifix
Bildstöcke
Ortsgeschichte
Kirche
144
KREIS OFFENBURG.
hat der Thurm ganz primitive Strebepfeiler (einfache Schrägen), seine zwei oberen
Geschosse treten jeweils ein wenig zurück, im ersten Obergeschoss hat er im Dreieck
geschlossene Lichtluken, im Geschoss darüber gekuppelte Spitzbogenfenster, von einem
Spitzbogen umfasst, in dessen Platte ein Vierpass eingeschnitten ist. Das Satteldach
des Thurmes ruht auf Konsolen auf. Im Langhaus gegen den Thurm zu schlichte
Fenster des 17. od. 18. Jhs., dann eine Thür, bei der man einen alten romanischen
Sturz verwendet hat, der in eingeritzten Linien ein Kreuz, eine Rosette und eine Art
Baum aufweist. Zwei kleine, kaum spitzbogige Fenster mit nach Innen und Aussen
gleichermassen abgeschrägten Laibungen, dann an der Fagade eine Rundbogenthür,
Fig. 76. Portal der Kirche in Wittelbach.
wieder mit Billetenverzierung (s. Fig. 76), neben ihr aus dem Achteck konstruirter
Weihwasserstein; darüber kleines, schlankes Rundbogenfenster und ein weiteres leis
spitzbogiges Fenster. — Die Kirche ist somit im Wesentlichen ein spätromanischer Bau,
aus Zeiten, wo auch schon der Uebergangsstyl in der Gegend vertreten war, also Mitte
des 13. Jhs.; am Ende des 16. Jhs. hat das Langhaus aus irgend welchem Grunde
Ausbesserungen und Veränderungen erfahren.
Barockkanzel Bemalte Barockkanzel, zu der eine steinerne Treppe mit plumpen Ornamenten
und der Jahreszahl 1767 führt.
Barocksäulen- Ueblicher Barocksäulenaltar.
Altar
Glocken Eine Glocke von 1681, die andere von 1761 aus der Edel’schen Werkstatt.
AMT LAHR. — WITTENWEIER. 145
WITTENWEIER
Schreibweisen: iuxta Renum villa Wittenwilr 1270; Wittenwilre 141 1 ; Wietlen-
wilr 14x4; Wyttenweiler 1426 etc.
Archivalien der Gemeinde und (evang.) Pfarrei : Mittheil, der histor. Komm. Nr. 1 5
(1893) S. 103.
Ortsgeschichte : W. gehörte zur Herrschaft Geroldseck (Lahr-Mahlberg), kam aber
schon im 14. Jh. durch Heirath an die Grafen von Werdenberg-Trochtelfingen, dann durch
verschiedene Käufe an Strassburger Familien. Anfang des 19. Jhs. war es zu 7/12 in dem
Besitz der von Berkheim, zu ]/4 der von Frankenstein und zu ]/6 der von Böcklin.
Patronat und Zehnt hatte das Spital zu Strassburg von den von Hohenstein erkauft.
Am 9. August 1638 siegte Bernhard von Weimar hier über die Kaiserlichen unter Götz
und Savelli. Ein Kupferstich (von ?) stellt dies Ereigniss dar ; darauf sehen wir auch den
kleinen Ort mit seiner offenbar gothischen Kirche. Diese (erwähnt 14x9 ein Johans
Nuweneck Kirchherre, 1464 ein rector ecclesie), dem h. Dionysius geweiht, oder ein
späterer Neubau, wurde am Ende des 18. Jhs. von den Fluthen des Rheines weg-
geschwemmt. Die heutige ist ein schlichter Bau von 1806. Von den Glocken stammt
die eine von Matthaeus Edel 1727.
Das Pfarrhaus ist ein einfacher Bau von 1765 mit der stolzen Inschrift: haec domus
parocchialis sub quaestura Stoeserich et pastoratu Wiedemanni ab architectis Freisingero
et Hasio structa est MDCCLXV.
Im Ort einige gute Typen des alemannischen Bauernhofes , leider zum Teil
durclji moderne Back- und Sandsteinbauten ersetzt.
Band VII.
IO
Ortsgeschichte
Kirche
Glocken
Bauernhofes
AMT OBERKIRCH
BUTSCHBACH
Schreibweisen: Buspach by Fursteneck 1360; Buspach 1381; in dem Kirspil zu
Buspach 1381; in dem Buspache 1417; Bußbach 1432; Butschbach 1441 etc. (Eine
Erklärung des Namens sehr zweifelhaft, vielleicht: Bach des Buso?)
Ortsgeschichte : Der Ort, eine zerstreute Talgemeinde, wird seit 1300 oft in Ortsgeschichte
Allerheiliger Urkunden genannt. 1381 hören wir von einem Giigelhirnenhof. B. ge-
hörte zum weltlichen Gebiet des Hochstifts Straßburg und zwar zur Herrschaft Ober-
kirch. 1803 wurde es badisch.
Eine Kirche oder erwähnenswerte Kapelle ist hier nicht vorhanden. In einer
Bergsattelung steht ein spätgotisches Bildstöckchen (s. Fig. 77), vielleicht das künstlerisch
ausgebildetste, das wir in Baden besitzen. Der Fuß hat abgefaste Ecken, die Ädicula
ist von Rundstäben und Hohlkehlen eingefaßt; an ihr in eingravierten Linien die Dar-
stellung der Madonna und des h. Georg (?) sowie die verwischte Inschrift: fät lll(aria)
und fallt jÖl*0, außerdem die Reste der Jahreszahl: I -7?$ (1508?).
Am Übergang zum Fuß das Wappen der Pfau von Rippur.
Das Bildstöckchen, in weichem Sandstein gehauen, bröckelt ziemlich ab.
Weiter gegen das Renchtal zu ein Kruzifix mit Maria auf Rocaillepostament.
RUINE FÜRSTENECK
Schreibweisen: Vurstenecke 1263; Furstenegge 1275; die burch zu Fürstenegge
1298; Fürstenecke 1299; der statt Straßburg sloß Fürstenecke etc.
Literatur: Näher, Ortenau, S. 13. J. Fritz, Das Territorium des Bistums Straß-
burg, Köthen 1885, S. 148 ff.
Die Burg, die zum erstenmal 1263 erwähnt wird, gehörte ursprünglich den Geschichtliches
Zähringern und kam aus deren Erbschaft mit der Herrschaft Oberkirch an die Fürsten-
berg, was König Rudolf 1286 dem Friedrich und Egeno von Fürstenberg bestätigt.
Bereits 1303 aber verkaufte die Witwe Friedrichs, Udelhildis, das Schloß Fürsteneck
mit der Stadt Oberkirch und allen Pertinenzien an den Bischof von Straßburg, Friedrich
von Lichtenberg. Zu diesen Pertinenzien gehörten außer Oberkirch und Oberndorf
Güter in Ringelbach, Geldengrunt, Frawensberge ; sodann im Noppenouwer Tal in
Gerwinsberge, Nortwasser, Meisahe, Rotschier, Breitenberg, Dettlinsbach, Bestenbach,
Eberlinsberge, In dem Springe, Löhern, In der Gassen, Ruprehtsbühele, Sigmannes-
gassen, An der Matten, Ibach, Ramesbach, Richenbach. Es war einer der bedeu-
tendsten Schritte zur Ausbreitung bischöflichen Territorialbesitzes auf rechtsrheinischem
Boden zur Abrundung desjenigen Distriktes, der nach der ältesten festen Nieder-
lassung Ullemburg genannt wurde. Die Burg wurde 1395 an den Propst von Aller-
1S°
KREIS OFFENBURG.
Beschreibung
der Ruine
heiligen und von diesem
1405 an die Stadt Straß-
burg verpfändet. 1606
kam sie an Württemberg,
1664 zugleich mit dem
Amte Oberkirch wieder zu-
rück an das Bistum Straß-
burg. Noch einmal wurde
sie diesem genommen
wegen Begünstigung der
Einnahme von Straßburg
durch die Franzosen 1683
und vom Kaiser dem
Türkenlouis (MarkgrafLud-
wig Wilhelm von Baden)
übergeben; 1697 aber kam
sie an das Bistum zurück.
Unterdes war unsere Burg
den Flammen der Fran-
zosen zum Opfer gefallen
und liegt seither als Ruine
da. Fleute ist sie im Privat-
besitz (s. Fig. 78).
Allein die Mauerzüge
lassen sich erkennen, sie
ragen noch ca. 1 m aus
dem Boden hervor, nur
nach Westen hin stehen sie
noch höher, aber ohne uns
irgendwelche Bauformen zu
verraten. Andere Mauer-
züge sind nur noch in ihrer
Richtung erkennbar. Wie
man sieht, liegt die Burg
auf der länglichen Kuppe
des in die Ebene vor-
springenden Vorberges,
dessen Form sich ihre ca.
1 1/2 m dicke Umfassungs-
mauer anschließt. An der
westlichen Spitze dürfen
wir in D wohl einen Wohn-
turm vermuten, in C ein
kleineres Gebäude. Was bei
A gestanden hat, können
Fig. 77. Bildstöckchen bei Butsrhbach.
AMT OBERKIRCH. — ERLACH.
1 5 1
wir nicht mehr erkennen, dagegen sind bei B noch die Spuren des Brunnens bezw. der
Cisterne nachweisbar.
Auch über das Alter der Burg gibt uns der Befund keine Auskunft. Wenn Kolb
behauptet, sie sei ca. 1260 von den Fürstenbergern zum Schutz von Oberkirch angelegt
worden, so fehlen dafür alle Anhaltspunkte; ebensogut können das schon die Zähringer
getan haben.
ERLACH
Schreibweisen: Erlehe 1285; Erlech 14. Jh. ; Erloche 14. Jh. ; Erleiche 1411;
Erlach 1533. (Ort, wo viele Erlen stehen.)
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 19 (1897), S. 23.
Literatur: K. Fehrenbach, Auszüge aus einer Erlacher Ortschronik des Joachim
Kupferer, Oberkircher Bote 1894, Nr. 144 — 151; 1895 Nr. 3 — 70.
Ortsgeschichte : E. ist seit dem 13. Jh. bekannt. Es mag damals wohl in den Ortsgeschichte
Besitz des Bischofs von Straßburg gekommen sein, dem es bis 1803 gehörte; es lag in
der Herrschaft Oberkirch bezw. im Distrikt Ullemburg. 1250 schon besaß das Kloster
Allerheiligen hier einen Hof, außerdem waren die Neuenstein und Schauenburg hier
begütert.1) Auch gab es ein Geschlecht: »die Erlach von Ulm«, das, in Offenburg
ansässig, im 14. und 15. Jh genannt wird und Ende des 16. Jhs. ausstirbt.2)
Die kath. Pfarrkirche (ad S. Anastasium), als Kapelle seit 15x1 laut ihrer Inschrift Pfarrkirche
bestehend, 1876 zur Pfarrkirche erhoben ; früher war Erlach Filiale der Pfarrei Ulm. 3)
*) Das Großh. Baden, S. 814.
2) Kindler v. Kn ob loch, Oberbad. Geschlechterbuch I, 107.
3) Bad. Beobachter 1882, Nr. 175.
!52
KREIS OFFENBURG.
Die Kirche ist ein einschiffiger Bau mit östlichem Turm, dessen Erdgeschoß als
Chor dient. Dieses ist mit einem spätgotischen Netzgewölbe bedeckt und öffnet sich
in großem Spitzbogen nach dem Langhaus. In dem Schlußsteine die Hand Gottes.
Fig. 79. Nördlicher Seitenaltar (Mittelschrein) in der Kirche in Erlach.
Die Rippen haben die übliche, trockene Profilierung der Spätzeit. An beiden Seiten-
wänden des Chors je ein spitzbogiges Maßwerkfenster. Drei solche (das vierte jetzt
wohl durch das Dach verdeckt) zeigt das erste Obergeschoß des Turmes, alles weitere
AMT OBERKIRCH. — ERLACH.
153
Fig. 80. Südlicher Seitenaltar in der Kirche in Erlach.
stammt von dem Neubau i. J. 1884. Durch ihn erhielt auch das Langhaus seine heutige
Gestalt; nur die zwei spitzbogigen Fenster mit Maßwerk, die dem Chor am nächsten
r54
KREIS OFFENBURG.
Altäre
Kruzifix
Bildstock
Wirtshausschild
Ortsgeschichte
Kapelle
liegen, sind alt, ebenso das an der Fassade wieder verwendete, kielbogige Portal, mit
sich durchkreuzenden Rundstäben auf kleinen, steilen Basen; über ihm die Jahreszahl
und das Steinmetzzeichen : onu
An der Nordwand des Chores noch eine kleine Sakramentsnische zu verzeichnen,
umrahmt von sich kreuzenden Rundstäben.
Drei Altäre: der Hochaltar, ganz flotter Barockaufbau aus dem 18. Jh. mit der
Statue des h. Anastasius. Der nördliche Seitenaltar ein vorzügliches Schnitzwerk der
frühesten Renaissance oder, wenn man so will, unserer spätesten Gotik mit geschwellten,
in der Mitte zusammengefaßten Säulchen und gutem Rankenwerk (s. Fig. 79). In ihm
die Gestalten der Mutter mit dem Kind, über der Engelchen die später erneuerte Krone
halten, der h. Katharina und der h. Barbara, gleichzeitigen sehr guten Skulpturen (ca. 85
bis 95 cm hoch). Später als diese, wohl bald nach dem Bau der Kirche 1511 ent-
standenen Werke in dem im 19. Jh. hergestellten Aufbau die h. Anna selbdritt, wohl
aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs. stammend. Neu auch das Innengemälde der Flügel,
während die Außenbilder, der Schmerzensmann und die Schmerzensmutter, geringe
Bilder etwa von 1600 sind.
Aus der zweiten Hälfte des 1 6. Jhs. stammt der südliche Seitenaltar (s. Fig. 80),
ein typischer Renaissancebau mit dem Relief der Kreuzigung Christi, des Veroneikon,
Gottvaters und den kleinen Freifiguren des h. Kaisers Heinrich (?) und der h. Kunigunde,
der Apostelfürsten und der Pietä. Die oberste Bekrönung ist erneut.
In der Kirche noch ein schlichter Weihwasserstein; vor ihr Kruzifix mit Maria
und Johannes auf zopfigen Postamenten, von einer Anzahl Erlacherinnen 1782 gestiftet.
In der Gemarkung u. a. ein Bildstock mit dem Relief der h. Barbara, Rokoko, von 1764
und ein solcher von 1688 mit später aufgesetztem Kruzifix.
Am Wirtshaus »Zur Krone« schmiedeeisernes Wirtshausschild.
GAISBACH
Schreibweisen: In dem Geißbach 1255; Gaisbach 1313; In dem Geisbach 1365;
Geispach 1476.
Ortsgeschichte : Die Annahme liegt nahe, daß der Weiler, der 1225 in den Zehent-
bezirk der Pfarrei Oberkirch gehörte, im Anschluß an die auf dem Berg über ihm
liegende Burg entstanden ist. Die Geroldsecker waren auch hier begütert, wir hören,
wie aus der ganzen Gegend, von Belehnungen, die sie den Herren von Schauenburg
erteilen ; J) aber auch der Straßburger Bischof hatte Besitzungen, wir hören 1351 von
homines Berth. episcopi Argentinensis in dem Giesbach. — Für den Zusammenhang
des Ortes mit dem Schloß spricht wohl auch, daß er bis 1806 ritterschaftliche Besitzung
der Familie von Schauenburg war.
Kapelle: 1531 wird sie erwähnt; es heißt: bey sännet Jorgen, sie ist also
nicht, wie man gemeint hat, erst 1623 von Hannibal von Schauenburg gestiftet. * 2) Damit
*) Ruppert a. a. O. S. 475.
2) Wie J. Hofmann meint. (Der Schulkreis Offenburg, S. 359.)
AMT OBF.RKIRCH. — GAISBACH.
1 55
stimmt auch der Befund. Eine einschiffige Kapelle, in die sich der aus drei Seiten des
Achtecks geschlossene, verhältnismäßig lange Chor im gedrückten Spitzbogen öffnet.
Die einpfostigen Fenster zeigen Fischblasenmaßwerk.
1899 wurden Wandgemälde aufgedeckt, die in dem Anfänge des 17. Jhs.,
möglicherweise bei einer Erneuerung der Kapelle durch Hannibal von Schauenburg gemalt
worden sind. Es sind im Chor zweimal fünf Figuren in Lebensgröße: der Heiland mit
der Weltkugel, die Rechte segnend erhoben, die Heiligen Petras, Paulus, Andreas und Katha-
rina etc., unter jedem
der Name, unter dem
Andreas steht außerdem
noch H • ANDRES •
CRIST- Unten weih-
räuchernde Engel. Der
Urheber der Bilder-
reihen, S. Keller von Oberkirch, nennt sich
selbst unter den linksseitigen Bildern. Die
ganze Kirche war bemalt, leider waren die
Bilder der Mutter Gottes, der Himmelfahrt
und des h. Georg zu sehr ruiniert. Die anderen
Bilder wurden in den Jahren 1901 und 1902
von J. Mader restauriert, wozu die Regierung
und der kath. Stiftungsrat in Gaisbach die
Mittel hergaben.
Am Bergrücken steht das in seinem
Hauptgebäude neue Schloß der Freiherren
von Schauenburg. Seit dem 16. Jh. etwa wird
hier ein Wohnhaus der Familie gestanden
haben — man verließ ja damals überall die
unbequemen Burgen — , 1655 hören wir, daß
Karl von Sch. sein »adelig Haus im G.« nebst
drei Rebhöfen an Johann Reinhard von Sch.
abtrat. Wohl aus dem 16. oder 17- Jh. Fig. 81. Hohsäule im Nebengebäude
etwa mögen die Gebäude auf der nörd- des Schlosses zu Gaisbach.
liehen Hofseite stammen. Das eine hat
im Erdgeschoß einen saalartigen Raum mit großem Unterzugsbalken und abgefaster
Holzstütze (s. Fig. 81), an der Wand gemalt die Wappen des H. Reinhard von Schauen-
burg und seiner Gemahlin Walpurgis geb. von Wachenheim, 1654. Der anstoßende
Riegelbau, an dem ein Stein mit der Inschrift 1661 sich befindet, zeigt Schießscharten
(Gewehr), unten im Kreis endigend. Eine weitere Anzahl von Schießscharten ist hier
eingemauert, die von der Burg stammen. Das rundbogige Eingangstor trägt die Jahres-
zahl 1619.
Im Besitz des Freiherm von Schauenburg eine Anzahl erwähnenswerter Altertümer :
1. ein Türsturz (Sandstein) mit Blendspitzbogen, darin das Wappen der Schauen-
burg und das der Windeck (s. Fig. 82); wohl noch aus dem ausgehenden 14. Jh. und
möglicherweise von der Burg, nach andern Angaben von der Altwindeck stammend;
Wandgemälde
Schloß
Altertümer
*56
KREIS OFFENBURG.
2. ein kreisrunder Stein (Fig. 83) mit spätgotischem, krausem Blätterwerk, darin vier
Wappen der Berlichingen, Schauenburg, Landschaden von Steinach und Neuneck ; die
Umschrift in Minuskeln lautet:
fcfjlntcftüi* • ba fcfjaubdiiirg '3Cimo • öomni • m • mc ■ i+ + + tbm;
Fig. 82. Türsturz im Besitz des Freiherrn von Schauenburg in Gaisbach.
4-f Pz cm/. ‘■--Jl
3. ein Epitaplt (Sandstein), der obere Aufsatz möglicherweise nicht zum unteren
gehörig, zeigt ein Allianzwappen, von dem nur noch das schauenburgische kenntlich ist ;
in dem unteren vertieften Viereck ausgehauen
wieder ein Allianzwappen und die Inschrift :
pljüijpö taetjcl bau marfili claranna bon
Jirfjaiienfturg,
oben die Zahl 1475 (s. Fig. 84);
4. ein Türsturzrest, von der Burg stammend
mit dem Wappen und einem Band, auf dem die
Jahreszahl (s. Fig. 85);
5. ein hübsches Epitaph im Zopfstil;
6. eine Rocaillekartitsche, in der das Wappen
eines Malteser Großmeisters von Schauenburg, um-
geben von Putten, die mit den Insignien spielen,
vom Bezirksamt in Kenzingen stammend;
Fig. 83. Schlußstein im Besitz des 7- ein Holzrelief von 1610 mit der Verkün-
Freiherrn von Schauenburg in Gaisbach, digung Mariä in schön mit Rankenwerk geschnitztem
Rahmen, am bekrönenden Gesims die Inschrift:
HANS REINHARD VON CLAUDIA VON SCHAUENBURG
SCHAWENBURG l M • DC • X • GEBORNE VON LÜTZELBURG;
1905 im Kunsthandel erworben;
AMT OBERKIRCH. — GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
157
8. eine Standuhr mit
in Silber getriebenem Ziffer-
blatt ;
9. ein silbergetriebe-
ner Becher, vergoldet,
mit Augsburger Beschau-
zeichen und B ; eingraviert
das Allianzwappen der Frau
des Ulrich Diebold von
Sch., der Ursula geb.
Bärenfels ;
1 o. ein holzgeschnitzter
h. Georg des 17. Jhs. ;
1 1 . Votivsporen des
Hannibal von .Schauen-
burg aus der Kirche in
Gaisbach ;
12. einige Ölgemälde,
Familienporträts, aus denen
ich hervorhebe das des
Ulrich Diebold und der
. Ursula vom Anfänge des
18. Jhs.; das eines Herrn
zu Rhein, wohl französische
Arbeit aus dem Anfänge
des 18. Jhs.; zwei hübsche
Pastellporträts u. a. m.
(Die hier aufbewahr-
ten Funde von der Schauen-
burg werden in der folgen-
den Beschreibung dieser
erst erwähnt.)
Uber diesem Wohnsitz liegt, auf einem Vorhügel des Solbergs von etwa 379 m
Höhe, die
Fig. 84. Epitaph im Besitz des Freiherrn von Schauenburg in Gaisbach.
RUINE
SCHAUENBURG
Schreibweisen : Scowen-
burc ca. 1x50; Scouvenburg
1167; Scowenburg 1x96;
Fig. Sg. Türsturz von der Burg im Besitz des Freiherrn Schowenburg 1213; Schom-
von Schauenburg zu Gaisbach. bürg 1 343 i Schonburg 1 3 5 G
Schawemburg 1441 ; in Castro
Schawenburc 1301; zu Schowenburg in der bürge; Schauwenburg das schloß
1452.
KREIS OFFFNBURG.
Geschichtliches
158
Literatur: J. Bader, Frau Uta, Herzogin zu Schauenburg, Badenia I (1839),
S. 114 — -118. Ruppert, Regesten des Mortenauer Adels: 2. Die von Schauenburg,
J. 39, S. 83 — 180. Bodo Ebhardt, Deutsche Burgen, Liefer. 4 und 5, S. 178 ff.
Geschichtliches : Ursprünglich war die Burg zähringische Besitzung. Als Liut-
gard, die Tochter Bertholds II., den Grafen Gottfried von Calw heiratete, dem Heinrich V.
i. J. 11 13 die rheinische Pfalzgrafschaft anvertraute, da befand sich die Feste Schauen-
burg unter ihrem Heiratsgut.1) Sie scheint vor ihrem Gatten ins Grab gesunken
zu sein, ebenso ihr einziger Sohn. Als Pfalzgraf Gottfried 1136 starb, blieben nur
Töchter übrig; die eine, Liutgard, war zu einer nicht standesgemäßen Ehe gezwungen
worden und schied somit von der Erbberechtigung aus. Die andere, Uta, hatte auf
Betreiben Heinrichs des Stolzen dessen Bruder Welf VI. die Hand gereicht, und dieser
trat nun die Erbschaft aller Lehen und Güter seines Schwiegervaters an. Dagegen
aber erhob der Sohn eines Bruders desselben, Albert, Einspruch, der mindestens die
Hälfte des Calwer Gutes fordern zu können glaubte. Es kam zur Fehde, bei welcher
Welf die Burg Alberts verbrannte. Nun griff auch Herzog Konrad von Zähringen ein.
Er war nicht willens, die Mitgift seiner Schwester ohne weiteres dem angeheirateten
Welfen zu überlassen, zog mit Heeresmacht heran und belagerte die Schauenburg.3)
Da aber trat der Kaiser (Lothar) dazwischen. Es muß dann zu einem Vergleich gekommen
sein, denn als Uta hochbetagt starb, kam die Schauenburg nebst Zubehör nicht (?) in das
zähringische Gut zurück.4) Uta, von ihrem Gemahl über der Liebe zu anderen Frauen
vergessen, saß von ihm getrennt auf der Burg, nach der sie sich Herzogin von Schauen-
burg nannte. Sie kommt noch ca. 1196 urkundlich vor, 1200 ist sie schon tot, da es
heißt: »Felicis memoriae Uta ducissa de Sowenburg«. Die Burg kam an den nächsten
Erben der Uta, an Eberhard von Eberstein, 5) dessen Ansprüche nach Ruppert aus
Calwischer Heirat herrührten. Wohl erheben die Erben der Zähringer, die Uracher,
Ansprüche, die aber schließlich erledigt werden.
Möglich,6) daß die Burg schon damals ein Lehen des heute noch blühenden
Geschlechtes war. Schon zwischen 1120 und 1150 hören wir von einem Rödolfus, miles
de Scowenburc. Die Familie muß schon im 1 2. Jh. in stattlichem Ansehen gestanden haben,
dafür spricht ihr bereits zahlreiches Vorkommen in Zähringer Urkunden. Am Ende des
i2.Jhs. erscheint in dem Stiftungsbrief von Allerheiligen ein Fridericus de Scowenburg als
kaiserlicher Landvogt im Elsaß und als königlicher Ministeriale. Während man früher die
Zugehörigkeit zum Herrenstande annahm und ein altes schauenburgisches Herrengeschlecht
konstruierte, an dessen Stelle nach seinem Aussterben im 14. Jh. die jetzige Familie
getreten wäre, wird wohl Ruppert recht haben, wenn er den Schluß auf Herrenmäßig-
keit nicht fiir richtig erachtet und deshalb eine Kontinuität der Familie vom 12. Jh. bis
auf unsere Zeit wohl für möglich hält.7) Die Familie hat für die Gegend eine größere
4) Heyck a. a. O. S. 221.
2) Ebenda S. 286.
8) Ebenda S. 286.
4) Ebenda S. 287.
5) Ruppert a. a. O. S. 84.
6) Ruppert a. a. O. S. 84.
7) Ebenda S. 85 ff. Nicht zu verwechseln ist die Familie mit den gleichnamigen Dynasten
an der Bergstraße sowie einem wtirttembergischen Geschlecht von gleichem Namen.
Tafel III
liuivc Schauenburg, Ansicht von Südwesten.
AMT OBERKIRCH. — GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
1 59
Bedeutung gehabt als die Neuensteiner u. a. »Mit größerem Besitz, mit vielen Lehen
ausgestattet, beschränkten die Schauenburger den Schauplatz ihrer Tätigkeit nicht auf
den heimatlichen Boden, auf das enge Renchtal, wir finden ihre Glieder an den Höfen
von Baden, von Wirtemberg, der Pfalz, an dem Hofe des Bischofs von Straßburg und
der Erzherzoge von Österreich ; wir finden sie auch als fromme Ordensritter, als Mönche
und Äbte.«1) Den Stammbaum mit Sicherheit weiter hinaufzuführen als bis zum Ende
des 13. Jhs., scheint nach Ruppert unmöglich. Schon damals scheint zeitweise eine
Trennung in zwei oder mehrere Linien zu bestehen. Am Ende des 15. Jhs. (ca. 1474)
spaltete sich das Geschlecht auf die Dauer in zwei große Linien, die Elsässer oder
Herrlisheimer Linie, die mit Reinhard, und die Luxemburger oder Harthartsche Linie,
die mit Friedrich ihren Anfang nimmt. Von der Elsässer Linie zweigten sich verschiedene
Seitenlinien ab, die aber mit der Zeit ausstarben, so die alte Gaisbacher, die gräfliche,
die Jungholz- oder Niederherckheimsche, die in den Freiherrn von Schauenburg zu Hoch-
felden weiterlebt, die mährische und endlich die Herrlisheimer Linie, welche in Gaisbach
residiert und welcher wir die Erhaltung des alten Stammsitzes zu danken haben. Die
zur Zeit lebenden Mitglieder der Luxemburger Linie wohnen in Oberkirch am Ausgang
gegen Lautenbach. 2)
Wir hören außerdem vom 13. bis 15. Jh. noch von den Winterbachen und den
Kalwen von Schauenburg in der Gegend, von denen es sicher ist, daß sie nicht
der gleichen Familie entstammten.3) Doch erscheinen sie seit dem Ende des 13. Jhs.
als Ganerben auf der Burg; außerdem scheinen sie verschiedentlich in eheliche Ver-
bindung mit der Familie getreten zu sein. Dagegen erklärt Ruppert die Zugehörigkeit
zur Familie bei den ebenfalls vorkommenden Höfinger von Sch. für möglich, bei den
Burggrafen von Sch. und bei dem Neunecker ist sie zweifellos. 1320 erscheint dann
noch ein her Albrecht der Roder von Negewils von Schowenburg genant und 1235
Conradus et Heinricus dicti Schidelin fratres milites de Schowenburg, die nur des
Wohnsitzes halber diesen Namen erhielten.
Uber das Wappen der Sch. (mit dem Schrägen) siehe Einleitung und Ruppert;
letzteren auch über die Familienlehen, deren älteste die ebersteinischen sind, die Burg,
die Dörfer Gaisbach, Fernach etc., dann die badischen, vor 1366 freiburgischen, im
Renchtal mit Altneuenstein etc. ; die geroldseckischen (später sarwerdischen) Lehen in
Nesselried, Sinzenhofen, Haslach etc., stülingen-lupfisches Lehen zu Mosbach, Ober-
stadelhofen; die bischöflich straßburgischen Lehen in der Ortenau; bedeutender jedoch
auf elsässischem Boden die bischöflich straßburgischen, die österreichischen, marbach-
lüdersschen und rappoltsteinischen Lehen.
Die Burg war, wie aus den von Ruppert publizierten Regesten hervorgeht, ein Baunachrichten
Ganerbensitz und zerfiel, wie wir sehen werden, in mehrere Teile. Doch läßt sich auf
Grund der Nachrichten der Anteil der verschiedenen Besitzer nicht bestimmen. Die
erste bauliche Angabe enthält die Notiz, daß 1275 Graf Heinrich von Fürstenberg mit
dem Verzicht auf alle Ansprüche an den unteren Hof zu Nußbach auch auf das dazu-
gehörige Patronat der »capella de Schowenburg« verzichtet.4) 1300 bezieht das Stift
4) Ebenda.
2) Becke-Klüchtzner, Stammtafeln des Adels des Großh. Baden, S. 402 — 406.
3) Ebenda S. 99.
4) F. V. I, S. 241. — Ruppert a. a. O. S. 110.
1 6o
KREIS OFFENBURG.
Straßburg Einkünfte aus einem Grundstück Hahnrain »prope fossatum castri Schawen-
burc«. Aus einer Erbverschreibung von 1331 geht hervor, daß ein Ganerbenanteil aus
»dum, hus und hof«, Garten und zwei Pfistereien bestand.1) 1 333 hören wir u. a.
davon, daß nach einer Fehde mit dem Bischof von Straßburg, der die Burg ohne
Erfolg belagert, aber die schauenburgischen Besitzungen arg beschädigt hatte, die
Schauenburger versprechen, den Teil ihrer Burg, den Johann und Kunze von
Winterbach und Heinzelin Burggraf besaßen, dem Bischof zu übergeben, diesem jederzeit
die Schauenburg zu öffnen, doch nicht wider ihren Herrn von Eberstein, von dem sie
dieselbe Burg zu Lehen haben. Bald nachher aber wird dieser Vertrag wieder auf-
gehoben. 1388 hören wir wieder von einem Vertrag zwischen den Verwandten über
den Anteil an der Burg, ohne daraus etwas über die Bauten zu erfahren, 1402 aber
hören wir, daß Egenolf Kalwe von Schauenburg und sein Bruder Kunemann vom Mark-
grafen Bernhard von Baden die Lehen empfangen haben, die ihr Vater selig getragen,
darunter: »das vorderhus, das stoßet an Sigelin, das hinderhus, stoßt
ein site an den mantel und den alten Kelre unter der capeilen und den
vorhof am weg in die kapellen und in des Winterbachs hus, item den
hof uff dem graben neben herrn Conrads sun und an des bischofs
gut, item ein garten an der gaß uff den Spring und am gemeinen wald etc.«2) 1403
gibt es wieder Streitigkeiten wegen Ludwig von Winterbachs selig Anteil an der Feste,
da der Markgraf diesen Anteil durch den kinderlosen Tod Ludwigs als heimgefallen
betrachtete, während die Schauenburg dieser Ansicht widersprachen, weil Ludwig von
Geburt von Schauenburg gewesen und sie untereinander eine stete feste Gemeinschaft zu
Schloß und Berg und allen Zugehörden hätten. Bei dem Manngericht am 24. September
1403 schwören die Gemeiner von Schauenburg u. a. : »Darzu hettent sie ein starck
gemeinschaft miteinander an der vestin zu Schowenburg, an dem berge, an dem velsen,
an dem mantel, an muren, porten, brücken, graben, an der cappelen, an
der drinckstuben, an wege und Stege, an walt, wasser, weyde, und wer anders kein
sunderheit do, wen daz ihre vorderen und sie sundere hüszer und wonunge do
hettent, und die werent vor zyten ußgezeichnet, wo ir jeglicher mit sime wibe und kinde
ire hüszer und gemache hettent und als schier ir einer für sin turn keme, so
were er uff irer gemeinschaft« etc.3) Wir hören nichts Genaueres; 1405 aber am
26. Januar belehnt Graf Bernhard von Eberstein den Volmar von Schauenburg mit den
Gütern, welche Ludwig von Winterbach selig zu Lehen gehabt, welche nachher an Heinze
Truchseß von Hofingen verliehen, von diesem aber an Volmar abgetreten waren, darunter
ein »ußteil« an Schauenburg, der Burg mit Wald, Weid und Wasser, ein Garten
zu Schauenburg neben Konrads von Schauenburg selig Sohn, neben
Ottemann von Schauenburg, Winterbachs Anteil am gemeinen Berg und dem Spring,
und mit einer Hofstatt am Graben.4) 1407 belehnt derselbe Eberstein Rudolf
von Sch. mit einem Vierteil ar. der Burg.5) 1432 rückten in gemeinsamem Zuge Graf
1) Ebhardt a. a. O. S. 183, wohl aus dem Archiv in Gaisbach.
2) Ruppert a. a. O. S. 146.
3) Ebhardt a. a. O. S. 183.
4) Ebhardt a. a. O. S. 183. Aus »Historia und Geschieht, so herr Wilhe'm von Schauwen-
burg selbsten verzeichnet*. Straßburger Archiv: Argentor. hist, politica.
5) Ruppert a. a. O. S. I So.
AMT OBERK.IRCH. — GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
IÖI
Ludwig von Württemberg und die Straßburger vor die Burg. Der Grund der Belagerung
war, daß Wilhelm von Sch. dem Friedrich Bock von Staufenberg, der mit ihm in Fehde
gegen Württemberg lag, Aufenthalt auf der Burg gewährte und daß dessen Knechte einen
Straßburger Bürger, Lingers Clauß, »ein würdt zu Schauwenburg«, erschlagen hatten. J) Sie
beschossen die Burg etwa 1 7 Tage lang, und zwar pflanzten die Straßburger ihr Geschütz
dem Teil der Burg gegenüber auf, der Wilhelm von Schauenburg gehörte, die Württem-
berger mußten sich eine andere Seite aussuchen und »schußent do Vollmars husze die
eine seidten nider«.* 2) Aber auch die Straßburger müssen etwas erreicht haben, denn
in der Aufzeichnung des Wilhelm von Sch. heißt es: »Und ich W. v. Sch. fing an daz
haus wider zu bauwen, das danider gesch ossen ward mit nammen den
türm bey dem thor uff die liechtmeß Anno 1433. Und ward vollbracht mit allem
baw in demselben ior vor St. Gallentag«3) (16. Oktober), also in Monaten. Durch
Vermittlung des Bischofs, des Pfalzgrafen Ludwig und des Markgrafen von Baden wurde
die Fehde beigelegt und der Schaden repariert. Am 14. November 1433 schlossen
dann Matheus von Schauenburg und sein Sohn Wilhelm, Volmar von Sch. und seine
Söhne Bechtold Cunemann und Ludwig, Bernhard von Sch. und sein Sohn Jörg, Rudolf
von Sch. und sein Sohn Jörg und Adam Kalwe von Sch. Edelknechte einen Burg-
frieden. 4) Unter anderem heißt es darin : die Burg solle jederzeit mit 4 Knechten,
einem Torwart und einem Förster versehen sein und in Kriegszeiten deren Anzahl nach
Ermessen vermehrt werden. Für jedes Burgviertel sollen 2 Büchsen, 2 Armbruste und
500 Pfeile vorhanden sein und dazu jeder nach Verhältnis seines Burganteils beitragen.
Der Baumeister soll alljährlich durch Stimmenmehrheit gewählt und ihm von jedem
Burgviertel 6 fl. bezahlt werden, um sie nach seinem Gutdünken für die bauliche Unter-
haltung der Burg zu verwenden usw. 1438 erfolgte eine neue Belagerung, diesmal durch
den Markgrafen von Baden, doch kam es nicht zu einer Erstürmung, da man sich
einigte.5) Um diese Zeit beginnen die Baumeisterrechnungen, die noch im Archiv zu
Gaisbach erhalten sind.6) Eine Anzahl von Ausgaben beziehen sich ersichtlich auf
diese Belagerung, andere sind 1442, 1443 und 1447 datiert. Sie geben manchen
interessanten Einblick in die Bewaffnung und die Lebensgewohnheiten, hier und da auch
Notizen über Bauten auf der Burg, die ich im folgenden wiedergebe. Nach dem Burg-
frieden war jedes Jahr einer der Bewohner Baumeister, und so finden wir nacheinander
»juncher Rudolffs uz geben, juncher Wylhelms« etc. Unter Ersterem ist verrechnet:
»dz tore und dz slosß wyder dor ane zu slahen«. Unter Wilhelm hat »meyster Ulrich
von Offenburg daz boiwerk« gemacht. Von Häusern hören wir nennen: Adern huß,
Rudolff huß, Wilhelm huß, des grosenjergen huß, dz kalben huß. Wir
erfahren von dem »werck«, das Wernher »machen sol Im zwinolff« (Zwinger).
Eine Anzahl von Posten bezieht sich auf Reparaturen im Graben, andere auf das
»hinder huß«. Bei der Besichtigung durch den Baumeister (damals Ludwig von Sch.)
werden 1442 erwähnt: Adams huß; Behtolt, C unmann und Ludewigs teyl,
*) Aus obenzitierter Handschrift des Wilhelm von Schauenburg, s. Ebhardt a. a. O. S. 183.
2) Ebenda.
8) Ebenda.
4) Ruppe rt a. a. O. S. 167.
5) Ruppert a. a. O. S. 1 7 r .
b) Publiziert in der ersten Urkundenbeilage zum Burgwart (Nr. 4, III. Jahrg.).
1 1
Band VII.
KREIS OFFENBURG.
IÖ2
Jörgen des alten teyl, Rudolffs teyl; Wilhelms huß«; also, wie es scheint,
fünf Sitze. Derselbe Ludwig verzeichnet: »Item ich han geben tl vn ß -A umb funffzig
Tylen zu der brücken«, also zu einer Holzbrücke, wie auch aus anderen Angaben
hervorgeht. »Item ich han geben xxxvij ß dem Wemher Im Geyßpach von dem
gründe In den hindern zwingolff zu ziehen, der do lag vor Rudolffs
und Wilhelms husern«. »Item ich han geben der Gerdruten ein dag v A moß
zu brechen zu dem graben«. Ähnlich muß ein Knecht Wilhelm tun und dem
»Frießen« auch helfen arbeiten in dem Graben. Wir hören von einer »Kamertur zu
hencken uff der Stuben«, von zahlreichen Arbeiten an der Brücke, von »des geppfers
hu sei in« im Zwinger, von Stolljeckelins Stube (der Wirt, der die Verpflegung der
Arbeiter besorgte), von Ausgaben für den Zimmermann, »der unß den b urnen uff
wal ruß legen solle«, »uff den brunnen, also er in unß hin In füren
solle« (es handelt sich also wohl um das Holzwerk an dem Brunnen); von den »zu ne
In dem felßen under des großen Jergen huß«, wozu ein Knecht »stecken
und gertden« beibringt; »von dem dolen, der dz wasser von dem kenner
In den burggraben treyt und von dem durlin In dem zwynel bey
Wilhelms turnes eck«, also von einer Entwässerungsanlage und von einer Tür in
den Zwinger; von Arbeiten an dem »bollwerck« ; von dem »brunnen In graben zu
legen« und von »kachelen die zu dem brunnen ouch gebrucht sint«, also wohl einer
Ziegelummauerung usw. ; vom »hynder dorlin« und einem »krumen Isen an den stocke«;
von neuen Ausgaben für den Zimmermann, »als er dz holz feit zwen dag« und die
»Steg über den graben by des Kalwen vihe huß« und zu der »brust gewer
uff den graben« und »von dryen thüren«; von Holz, das beigeführt wird zu
dem »bol wecke« (sic!), von dem »bollwerck zu machen zwuschen dz Jergen
huß und Kumans huß«; von einem Maurer für »die muren zu belegen, d o
die diellen waren für den Regen«, was nicht ohne weiteres mit Ebhardt auf
Holzbrustwehren vor den steinernen Zimmern gedeutet werden darf; von einer »leyter,
dz man uff den mantel got«; von den »swarten, die dath ich (Ludwig) auf die
falb rucken« usw. Am 11. Februar 1441 belehnt Graf Hans von Eberstein Wilhelm,
also wohl den Sohn des unterdes gestorbenen Matheus, mit einem Viertel von der Burg,
und in demselben Jahre am 15. Mai verkauft der obengenannte Adam Kabve von Sch.
mit Willen des Lehnsherrn an die Gebrüder Bechtold, Konrad und Ludwig von Sch.
Hausund Hofstätte in der Burg: »stoßet hinten an minen türm, einsit
an den mantel, andersite an den alten keller unter der kapelle«,
auf Wiederlösung um 100 fl. Am 26. November aber erklären Bechtold und Konrad
von Sch., daß die 100 fl., mit welchen Adam Kalwe von Sch. ein Haus in der Burg
erkauft habe, von ihrem Bruder Ludwig allein hergegeben worden seien. 1447 beschwört
Reinhard von Sch. für seinen Anteil an der Sch. (von seinem Vater Rudolf) den Burg-
frieden. 1450 am 22. November ward Schauenburg von den Herren von Lichtenberg
und dem eigenen Lehnsherrn von Eberstein angeblich genommen und zwar »durch
verrätherey einer kuchenmagd, die da Wortzeichen gab, das man in der portstuben
zu abent zehrt«.1) Und sie »gewonnent auch onseglich gut daruf, wan er viel ge-
meiner het, der etlich doben gesessen warent«.2) Graf Johann von Eberstein verkauft
Ruppe rt a. a. O. S. 179. — Mone, Quellens. II, S. 140.
2) Ebenda.
AMT OBERKIRCH. — GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
163
nun dem Markgrafen Jakob eine ewige Öffnung des Schlosses Schauenburg,1) i. J. 1451
machen die beiden einen Burgfrieden,2) und 1452 verpfändet der Graf dem Markgrafen
das Schloß um 1000 rhein. Gulden auf Wiederlösung ; 3) die Schauenburger aber suchten
Hilfe beim Pfalzgrafen, dessen Lehensleute sie waren und der ihnen auch half, das
Schloß wieder zu erobern, »und gab ine das wieder mit behaltung eines unverteilten
ewigen vierteils und der lehensschaft, das es vorbaß von der Pfaltz empfangen werden
sollt«.4) Dies Ereignis hat in Michel Beheims Reimchronik eine poetische Schilderung
erhalten : 5 *)
» Schouwenburg in der Mortenaw
ein schloß , gut vest für alle traw
ward den stamen von Schouwenberck
angewunnen mit ruiters werk
von dem graven Johanne
von Eb erstein dem Manne.«
usw.
(Die noch folgenden drei Strophen abgedruckt bei Ruppert.)
Die Kämpfe gingen nun hin und wider, noch einmal wurde die Schauenburg vom
Markgrafen eingenommen, durch den Pfälzer ihm wieder abgenommen, 1460 berannte
er sie zum letztenmal vergeblich; endlich 1465 sühnten sich die Schauenburger mit
dem Markgrafen, und 1471 ist wieder der Ebersteiner ihr Lehensherr. Aus einem Lehens-
revers Reinhards von Sch. gegen Graf Bernhard von Eberstein lernen wir sein Sechstel
an der Burg kennen, nämlich: »das Vorderhaus neben seines Vetters Sigelin
Sohn, das Hinterhaus, ein seit der Mantel und der alte Keller unter
derKapelle, anderseit derVorhof, stoßt auf den Weg, der in die Kapelle
und in Volmars Haus führt«.*5)
1 5 1 1 wurden eine Anzahl Reparaturen vorgenommen.7) Die Schmiede wurde
neu gedeckt; sie erhielt Fenster und Laden sowie einen Helm mit einem kupfernen Knopf,
den ein Offenburger Maler in den scbauenburgischen Farben anstrich; neu gedeckt wird
der »Wasserdurn« und das »wechterheislin davur«, des weiteren zwei »dirnlein« und
das »Porthaus«. Repariert wird auch das Dach »ob der gemeinen Stegen, der
mantel und die kirch (uf einer siten)«, ferner das »kleine beiglin oben an der
Stegen und das kleine beiglin bei dem pordthaus« (Wehrgänge oder Erker?),
endlich das gemeine Haus »da der gal der burkust innen sitzt« (der Burgwächter Gal).
Bei dieser Gelegenheit erfahren wir auch von einem »kipferin ofenhaffen« von Michel
Keßler zu Offenburg, einem neuen Ofen und »ofenhaffen« von Hafner Friedrich Frick
im Loh. Weitere unbedeutende Reparaturen ergeben sich aus den Rechnungen, auch
daß 1523 ein Stück Mauer in den Graben fällt und erneuert wird.
1) Regesten de Markgrafen, Nr. 7284.
2) Ebenda, Nr. 7295.
3) Ebenda, Nr. 7342.
4) Ruppert a. a. O. S. 180.
5) Michel Beheims Reimchronik, Quellen zur bair. und deutschen Geschichte III, S. 163 f. ;
abgedruckt bei Ruppert a. a. O. S. 180.
*’) Gaisbacher Archiv.
‘) Ebenda C VI. F. 46, Nr. 2. Ebhardt a. a. O.
11*
KREIS OFFENBURG.
164
Obzwar es scheint, daß die Mitglieder des Geschlechts nicht mehr regelmäßig auf
der Burg gewohnt haben, wurde dieselbe doch stets in wohnlichem Zustand erhalten und
die schon genannten Teile öfters ausgebessert, ja, es muß in den ersten Jahrzehnten des
16. Jhs. sogar ein Neubau entstanden sein; in einer Erbteilung von 1541 ist die Rede
von »des Junkern seligen angebewe« ') und weiterhin von dem »newen haus so Junkher
Schwickhardt selig gebawen«. Dieser Schweikardt kann wohl kein anderer gewesen
sein, als derjenige dieses Namens, welcher um 1500 lebte. Wie aus verschiedenen Teil-
büchern sich ergibt, hatte die eine Linie drei Türme zu verteilen, den »hintern Thurn
Fig. 86. Plan der Ruine Schauenburg.
sampt der Capell dabey, den größeren Thurn und des bösen Jergen
Thurn sampt dem Keller unter der Capell«, die andere Linie zwei weitere
Türme. Wir hören im ganzen 16. Jh. von weiteren, offenbar geringeren Reparaturen,
einer vermutlich größeren um 1600. Damals war auch ein Streit wegen eines erledigten
Lehens mit den Grafen von Eberstein entstanden, der aber 1600 erledigt wurde. Die
Schauenburger erhalten den Teil der Burg, sollen ihn aber, da er verwahrlost war,
reparieren. Verschiedentlich werden dann aus dem 17. Jh. Reparaturen an der Brücke
gemeldet. Der Dreißigjährige Krieg hat auch auf der Schauenburg manchen Schaden
1) Ebhardt a. a. O. S. 189.
AMT OBERKIRCH.
GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
165
Fig. Sy. Ruine Schauenburg. Ansicht von der Westseite.
KREIS OFFENBURG.
Bau-
beschrcibung
1 66
angerichtet, neue Fenster mußten für die zerschlagenen eingesetzt werden u. a. m., Leisten
auf die Sparren »uffen Kirchlin« geschlagen werden. Um die Mitte des Jahrhunderts
war Grimmelshausen Schaffner auf dem Schloß, seine Rechnungen u. a. von 1653 und
rö59 berichten aber nur Geringes, so von dem Brunnendeckel. Im letzteren Jahre
verpflichten sich die Schauenburger ihrem Lehensherrn gegenüber, den zerfallenen Teil
der Burg mit dem neuen, 1614 aufgerichteten Bau zu ersetzen. 1686 wird Holz bei-
geschafft, »umb die Oberbruck sampt einem Steeglein auf dem Schloß
Schawenburg von newem zu machen«, auch waren Ausbesserungen an der »linderen
Brucken« nötig. 1689 wird wieder der Wasserturm genannt. Im gleichen Jahre aber
wurde das Schloß von den Franzosen gesprengt, nicht wieder repariert und lag so seit
dem 18. Jh. ganz in Ruine. Erst der heute in Gaisbach residierende Freiherr Emil von
Schauenburg wendete der alten Stammburg die nötige Sorgfalt zu ; ihm ist deren Erhaltung
zu danken. Er erhielt dann auch die Beihilfe des Staates, und der Konservator der
Baudenkmale hat umfassende Konservierungsarbeiten vorgenommen. Neuerdings hat
ferner der Sohn des genannten Freiherrn, Kaiserl. Legationsrat Freiherr R. von Schauen-
burg, umfassende Ausgrabungen zusammen mit Erhaltungsmaßregeln begonnen, die schon
sehr wichtige Resultate zutage gefördert haben und noch fördern werden.
Die angegebenen Nachrichten über den Bau scheinen sehr reichlich, bieten in der Tat
aber recht wenig Aufschlüsse, da mit wenigen Ausnahmen (die wir im folgenden bemerken
werden) alle Anhaltspunkte fehlen, um die berichteten Gebäude genau zu lokalisieren
und also mit etwa heute stehenden zu identifizieren, mit Ausnahme einer Anzahl von
Bauten, wie Torhaus, Kapelle, Brücke, Zwinger, Bollwerk usw., von denen die Notizen
lediglich das Vorhandensein ebenso wie der heutige Befund ergeben. Wir sind also für
eine wirkliche Baugeschichte auf letzteren angewiesen. Rekapitulieren wir immerhin das
Wichtigste aus dem vorstehenden : Aus der bedeutendsten, tatsächlichen Bauzeit, dem
12. und 13. Jh., hören wir nichts. Nur von der Kapelle ist schon 1275 die Rede.
1300 hören wir vom Graben, 1388 von verschiedenen Häusern, von denen mir das
»Hinterhuß« identifizierbar scheint, ebenso die 1450 erwähnte Hofstätte. Sonst wechseln
aber die Namen. Es müssen eine stattliche Anzahl Häuser hier gestanden haben,
größtenteils Wohntürme. Um die Mitte des 15. Jhs. werden fünf Häuser genannt, die
vielleicht heute noch im Grundriß erhalten sind. Auch im 16. Jh. werden nur fünf
Türme genannt, allerdings auch ein angeblich Schweickardtscher Neubau. Wir hören
von dem Mantel, womit nicht allein die Schildmauer, sondern die ganze Umfassung
gemeint gewesen sein kann, für deren Besteigung man eine Leiter brauchte. Hier waren
Wehrgänge und Erker, wie auch an dem Torhaus. Mindestens zwei Brücken waren da,
eine Hauptbrücke und ein wohl kleinerer Steg, Bollwerk, Zwinger, dann war eine Wirts-
stube da, wohl für die Knechte und Handwerker, eine Schmiede, für derartige Zwecke
auch im Zwinger Gebäude. Ein Wasserturm wird genannt, daneben aber ein Brunnen,
vielleicht identisch, so, daß ein Gebäude den Brunnen umgab, verschiedene Wege, ein
Vorhof u. a. m.
Wenden wir uns nun zu der Betrachtung der Ruine selbst und ihres Planes (Fig. 86).
Das oblonge, nach Westen, der Bergseite, zu sich verschmälernde Plateau der Burg ist
von einer 1 ]j2 — 2 m starken Mauer aus Bruchsteinmauerwerk mit Bossenquadern an den
Ecken umschlossen, welche Mauer zugleich die Außenwand der daran anstoßenden
Gebäude bildet. Nach der Angriffseite zu war die Burg durch eine mächtige Schild-
AMT OBERK1RCH. — GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
167
nordwestlicher Wohntwrnv
innere Swihvfcstliche Ec-TCe-
a,b > vorKVo^endes Steiabdnd Ziim.
/yuflager das StockcjeViilKfo
c = mit Spuren. einer frü-
heren "Treppe .
Fig. 88. Ruine Schauenburg. Nordwestlicher Wohntur?n.
1 68
KREIS OFFENBU.RG.
mauer geschützt, die, 3,70 m stark, heute noch in einer Höhe von 8,20 m steht. Sie
ist ebenfalls aus Bruchsteinmauerwerk mit Bossenquadern an den Ecken gebildet (siehe
die Ansicht der Siidecke auf Tafel III). Mit der übrigen Umfassungsmauer ist sie nicht
bündig; da nach Norden, Westen und Süden der Berg ziemlich schroff abfällt, so mag
man sich hier ursprünglich mit geringerer Befestigung begnügt haben, die Schildmauer
also vielleicht den ältesten Teil noch aus der Weifenzeit (?) darstellen. Denn alles andere
stammt zweifellos erst aus dem 13. Jh. Die nächstälteste Anlage ist die Gebäudegruppe
an der Westseite (s. Fig. 87), die beiden Wohntürme, von denen der nordwestliche noch
ziemlich gut erhalten, der südwestliche dagegen bis auf sein unterstes Stockwerk zerstört
ist, und das dazwischenliegende Gebäude mit den fünf Lichtluken.
Der nordwestliche Wohnturm (s. Fig. 88), ein unregelmäßiges Viereck von ca. 8
zu 7 m innerer Weite und bis zu 2 m dicken Wänden, zeigt noch die Einteilung in fünf
Stütze aufruhte, zusammengeschlossen waren. Dieser Bogen ist im dritten Geschoß
noch erhalten, im vierten noch ein seitliches Gewände mit Sitzen, im fünften noch
ein genügend andeutender Rest des Gewändes. Neben diesen großen Fenstern je
ein Doppelspitzbogenfenster mit Sitzen (s. Fig. 89), im dritten und vierten Stock voll-
kommen (ihr Gewände zeigt interessanten Ablauf), im fünften wenigstens in der unteren
Hälfte erhalten. Also die genau gleiche Anordnung wie auf der Hohengeroldseck.
Uber dem dritten und vierten Stockwerk ist an Süd- und Nordwand ein vorkragender
Gurt als Auflager der Balken zu konstatieren, an der Nordwand des dritten Stockwerkes
die schon vorhin genannte spitzbogige Eingangstür, deren äußere Erscheinung mit tadel-
loser Bossenquaderumrahmung in Fig. 90 wiedergegeben ist. Nur mittelst einer Holz-
treppe war wohl der Zugang zu ihr möglich. Die Abarbeitung der Bossen über ihr
deutet darauf hin, daß diese Treppe eingedacht war. In der Nordwand des dritten
Stockwerkes Konsolen und daneben die Tür auf den Abort, dessen nach außen vor-
kragende Doppelkonsolen innen einen senkrechten Schlitz aufweisen, in den ein Brett
Stockwerke. Unten ein Kellergeschoß
mit schlichten Lichtluken nach Westen
und Norden; in der Nordwand die
Löcher für die Balken der ‘Decke.
Im zweiten Geschoß in den gleichen
Wänden ähnliche Lichtluken, es mag
also auch zu Wirtschaftszwecken ge-
dient haben; an der Südwand noch
eine größere erhaltene Verputzfläche,
in ihr Treppenstufen erkennbar, die
zu der Eingangstür des Gebäudes im
Stockwerk darüber führten. Dies Ge-
schoß diente mit den zwei darüber
gelegenen zu den eigentlichen Wohn-
zwecken. Sie hatten alle drei nach
Westen zu je ein großes Fenster mit
vermutlich drei und drei Spitzbogen-
öffnungen, welche von einem flachen
Bogen, der in der Mitte auf einer
Fig. Sq. Ruine Schauenburg.
Fenster im nordwestlichen Wohnturm.
AMT OBERKIRCH. — GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
169
eingelassen werden konnte, um die Blöße der Benutzer vor unberufenen Augen zu
schützen. In der Westmauer ist ein Raum ausgespart, das vollständige Aufschlagen
der Tür zu ermöglichen (s. Fig. 91). In der Westwand dieses Stockwerkes Konsolen
bezw. ihre Spuren für den Mantel des Kamins, dessen Schlotreste wir in der Wand
darüber erkennen. Das vierte Stockwerk zeigt in der Nordwand ebenfalls Konsolen und
die Reste eines Doppelfensters (s. Fig. 91), das fünfte endlich in der Westwand gegen
die Südwestecke zu eine Tür, die ins Freie zu einem Wehrgang oder einer Altane (?)
führte. Der Turm enthielt also eine Anzahl immerhin stattlicher Gelasse. Er ist aus
Bruchsteinmauerwerk, an den Ecken mit sauber gearbeiteten Bossenquadern versehen, diese
wie sämtliche, außerordent-
lich exakt gearbeitete Fen-
ster- und Türgewände hier
aus Granit. Uber dem vierten
Stockwerk tritt von außen
das Mauerwerk etwas zurück.
Seine Mauern sind wohl mit
dem südlich anstoßenden
Gebäude, nicht aber mit der
Nordmauer der Burg bündig.
Das anstoßende Ge-
bäude ist nur noch in Resten
des Erdgeschosses erhalten.
In seiner Westwand hat es
fünf Lichtluken, die außen
rundbogig, während die nach
innen sich stark verbreiternde
Schartennische spitzbogig
geschlossen ist (s. Fig. 92).
Mauerreste teilen von diesem
Gebäude einen größeren
Raum ab, der sich in großer
Tür gegen die Burg zu öffnete. Ein weiterer, nicht recht erklärlicher Mauerzug zieht
von hier in den Vorhof.
Von dem südwestlichen Wohnturm sind nur noch die untersten Mauern erkennbar.
Nach Westen scheint mir die Form der Mauerreste auf ein ehemals hier vorhandenes Fenster
hinzuweisen, an der Nordwand finden sich zwei Konsolen und etwas darüber eine weitere,
die wohl irgendwie als Balkenauflager gedient haben mag. In der Mauer, die von hier
zum Torhause führt, findet sich eine den fünf westlichen durchaus gleiche Schießscharte.
Der heutige Torbau ist jedenfalls ein Produkt verschiedentlicher Umbauten. Seine
Wände bestehen aus Bruchsteinmauerwerk, sein Tonnengewölbe dürfte erst dem Anfänge
des 19. Jhs. entstammen, der Zeit um 1835, da nach Inschrift die Türen repariert
wurden. Die stehen gebliebene Fortsetzung der West- und Ostmauern des Tores deutet
auf einen weiteren Torweg oder einen kleinen Vorhof, vielleicht denjenigen, der in den
Urkunden genannt wird. Nördlich vom Torbau die Reste des runden Brunnens, der
noch zugeschüttet ist, mit Bruchsteinummauerung.
'T'DnjfgtffeöÄifunn
Kr oer5üt>-
Fig. 90. Ruine Schauenburg. Tür in den nordwestlichen Wohnturm.
170
KREIS OFFENBURG.
Fig. gi. Ruine Schauenburg, nordivestlicher Wohnturm. Nordostecke.
AMT OBERK1RCH. — GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
171
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Der nun folgende südöstliche Wohnturm ist der besterhaltene Teil der Burg. Er
ist jedenfalls um einige Jahre jünger als der Nordwestturm, wie die Formen beweisen,
auch sind bei ihm die Gewände nicht mehr Granit, sondern Sandstein, und Granit nur
an den Bossenquadern der Ecken verwendet, die aber von viel geringerer Bearbeitung
sind als an dem ersten Turm. Der Turm hatte unten ein heute noch nicht ganz
ausgegrabenes Kellergeschoß; ein Mauerabsatz an Nord- und Ostwand trug dessen
Balkendecke. Letzteres kehrt im ganzen Gebäude wieder, so auch im nächsten (zweiten)
Geschoß, das nur nach der Außenseite der Burg zu, nach Süden, zwei einfache, schlitz-
artige Schießscharten aufweist. Im darüber folgenden dritten Wohngeschoß befand sich,
wie am Nordwestturm, der wohl durch Holztreppen vom Burghof aus zu erreichende
spitzbogige Eingang. In der Südaußenwand erhellten zwei Doppelspitzbogenfenster die
hier ehemals liegenden Wohnräume, neben ihnen noch eine kleine Tür, die zu einem
dauernden oder nur für
den Moment herzu- Jruut .-^insuHt'.
stellenden Steg auf die
äußere Zwingermauer
führte. In der Westwand
noch das Loch für einen
großen (Durchzugs- ?)
Balken. Das vierte Ge-
schoß muß eine Art Prunk-
saal enthalten haben,
der in zwei dreifachen
Spitzbogenfenstern nach
Süden schaute (s.Fig. 93).
In ihren Seitenwänden
schlichte Sitzbänke. Vier-
eckige kleine Konsolen
(s. Fig. 93), teilweise
mit skulpierten, ehemals
wohl bemalten Schild-
chen, sind zu den
Seiten jeden Fensters als
Balkenträger angeordnet. Da sie in der Höhe des die Fenster umrahmenden Flach-
bogens liegen, so scheinen sie mir auf eine gewölbte Holzdecke zu deuten, wie solche
ja sehr beliebt waren. Für ihre Konstruktion wäre dann der Mauerabsatz an der Ost-
seite mit einer Balkenlöcherreihe darüber zu beachten. In der Westwand finden sich
hier noch größere Verputzreste, der Beginn eines Kamins und eine Tür wohl zum Abort.
Das Stockwerk darüber, das fünfte, ebenfalls wieder Wohnräumen dienend, öffnet sich
nach Süden in zwei spitzbogigen Doppelfenstern, nach Westen in einer kleinen Lichtluke.
In der Nordwand sind noch die Spuren der Treppe erhalten, die auf zwei Konsolen und
backsteinuntermauert zur Plattform bezw. zum Wehrgang emporführte. Überhaupt fällt an
diesem Turm die starke Verwendung von Backstein bei den Fensterflachbögen usw. auf.
Die an den Turm anstoßende Außenmauer ist mit diesem bündig, dagegen nicht
mit der Schildmauer, auf die sie zufiihrt. Letztere zeigt gerade an der Anschlußstelle
^S^huitT.
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Fig. 92. Ruine Schauenburg. Fenster der IVest- und Südseite.
172
KREIS OFFENBURG.
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die alten Bossenquadem, es war also hier ein Ansatz bei Erbauung der Schildmauer
nicht beabsichtigt. An der äußeren Ostmauer des Turmes ist noch die Ansatzlinie eines
Pultdaches für ein an die Außenmauer angelehntes Gebäude erkenntlich. Da nun die
Kapelle gleich daneben liegt, so glaube ich hierin — falls an der Nordseite des Komplexes
nicht noch ein Turm festgestellt werden sollte — Haus- und Hofstätte zu sehen, die
Adam Kalwe von Sch. 1441 an die Brüder Bechtold, Konrad und Ludwig verkaufte
und von der es heißt: »stoßet hinten an minen turn, einsit an dep mantel, andersite an
den alten Keller unter der Kapelle«. Dann hätten wir aber in dem soeben beschriebenen
Südostturm der Kalwe Haus vor uns. An diesem
Teil der Schildmauer finden sich zwei Konsolen,
vielleicht trugen sie eine Holzplatte, auf die man
mit der Leiter hinaufgelangte.
An die Schildmauer angebaut ist die Kapelle.
In ihrem Erdgeschoß ein Keller, zu dem ein spitz-
bogiger Eingang mit abgefastem Gewände führt.
Da dieser Keller in obiger Stelle als alt bezeichnet
wird, so haben wir in ihm vielleicht die Reste der
ersten Kapellenanlage (1235 erste Erwähnung) vor
uns, die später umgebaut wurde, denn die Formen
der oberen Kapelle weisen durchaus auf das 15. Jh.,
wenn nicht auf das Ende desselben. Eine Wendel-
treppe führte zu ihr hinauf, mit in starker Hohlkehle
elegant geschwungener Spindelbasis. Die erhaltenen
Konsolen und Rippenanfänger lassen uns das Innere
der Kapelle einigermaßen rekonstruieren (s. Fig. 94).
Ein Steinfragment mit einem kielförmig endigenden
spitzen Kleeblattbogen1) dürfte wohl zu einer Sakra-
mentsnische gehört haben. Ein Stück eines Fenster-
pfostens läßt auch die einstigen Fenster, aber nicht
den Ort ihrer Anbringung erkennen. Ein aus der
Schildmauer herausgehauener, kleiner viereckiger
Raum diente als Chor. Die Abmessungen des
Kapellenraumes im Innern, etwa 4 zu 7 1/2 m, boten
immerhin genügenden Raum.
An der Nordmauer sind eine Anzahl von Kellerräumen neuerdings aufgedeckt,
ein größerer mit den Spuren einer Mauerteilung darin und einem Tonnengewölbe, in
ihn führt eine Rundbogentür mit abgefastem Gewände und Treppen. Nach Osten zu
ein kleiner Vorkeller, nach Westen wieder ein größerer Kellerraum und daneben ein
kleiner ohne eigenen Ausgang, der von dem größeren aus nur durch ein Loch zugänglich
war und wohl zu Gefängniszwecken gedient haben dürfte. Ob das sich über ihnen
ehemals erhebende Haus das 1541 erwähnte neue Haus des Schweickardt oder der
Neubau von 1614 war, kann ich nicht mehr entscheiden, das ganze Aussehen weist fast
auf das letztere.
Fig. 9J>. Ruine Schauenburg,
südlicher bezw. südöstlicher Wohnturm.
Fenster im vierten Stock.
1) Abgeb. bei Ebhardt a. a. O. Fig. 194.
AMT OBERKIRCH. — GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
173
Von Steinmetzzeichen am südöstlichen Bollwerk finden sich nur spätgotische:
/t ^ t\ © £
Die Burg ist in geringem Abstande von einem Zwinger umgeben, dessen Mauern,
nach Norden und Osten am besten erhalten, eine ungefähre Dicke von 2 m zeigen.
An der Nordostecke ist
/’<0-lPiUEKI BOR<5
'GEWÖl.BERE'jTE'-'0’- ßvRQ KAPELLE
ein bastionartiger runder
Vorsprung zu sehen, in
welchem wir wohl das
öfters ausgebesserte Boll-
werk erkennen dürfen ;
nach Norden und Südosten je ein
Bollwerk von etwa fünfeckigem
Gnindriß, in der Verdickung seiner
vorderen Spitze wohl auf die Ab-
wehr von Feuergeschossen berech-
net, also erst Ende des 1 5. Jhs.
oder Anfang des 16. Jhs. angelegt.
In der nördlichen eine liegende
Scharte mit runder Mittelöffnung
und weiter, flachbogig geschlossener
Kammer. An der südlichen eben-
falls eine Schießscharte ; hier die
interessante Ausbildung der Spitze,
die Fig. 95 wiedergibt.
Aus allen Anlagen ersieht
man, wie sorgsam die Burg gegen
die Angriffseite nach Osten zu
geschützt war.
Um die ganze Burg zog sich
ein künstlich vertiefter Graben,
von dem wir schon aus früher
Zeit wissen, daß er mit Wasser
angeflillt war. Um diesen Graben r
zog sich herum ein Wall bezw. ein _
ö <ÖEWOLBE-
zweiter Zwinger, von dessen Mauern
wir im Südwesten und Nordwesten
noch Spuren sehen, an denen ver-
schiedene Maueransätze auf wei-
tere Abteilungen schließen lassen.
Das erste Tor zur Burg mag im Norden oder Osten gelegen haben. Von dort
aus ging man dur,ch einen Teil des äußeren Zwingers bis zu dem südlichen, in seinen
Grundmauern noch erhaltenen Tore. Kaum hatte man dieses durchschritten, so befand
man sich vor der Zugbrücke, die zu dem merkwürdigen Brückenbau in den oberen Zwinger
Bildung
Fig. Q4. Ruine Schauenburg. Reste der Kapelle.
ig. q6. Ruine Schauenburg. Zugbrückentorbau.
174
KREIS OFFENBURG.
AMT OBERKIRCH. — GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
175
hinüberleitete (s. Fig. 96). Dieser Brückenbau schob sich vom oberen Zwinger aus als
langgestreckter Trakt in den Graben hinein. In seinem Untergeschoß besaß er vorn
Fig. gs . Ruine Schauenburg.
Eckausbildung an der südlichen Bastion.
zunächst eine Art Wachtstube, mit ganz schmalem Türschlitz und liegenden Scharten,
sogen. Maulscharten. Dahinter ein längerer, oben durch Fenster erhellter Raum. Die
Fig. 97. Ofenkachel
von der Ruine Schauenburg.
Fig. q8. Ofenkachel von der Ruine Schauenburg.
Zugbrücke kann wohl erst über diesem Kellergeschoß angelegt gewesen sein. Hier waren
die Mauern des Baues von auf Rundbogenfriesen runenden Wehrgängen begleitet. Unter
KREIS OFFENBURG.
Kachelfunde
176
dem Rundbogenfries der Westseite noch bemerkbar ein Entlastungsflachbogen. Da der
zweite Zwinger, in den dieser Bau führte, immer noch ca. 7 m unter dem oberen Burg-
niveau lag, so muß eine Treppenanlage zu dem nahen Torhause emporgeflihrt haben.1)
Fig. <p<?. Ofenkachel von den Ruine Schauenburg.
Von den Funden sind die Architekturteile, die möglicherweise von hier stammen,
schon im Vorstehenden unter Gaisbach beschrieben worden. Außerdem wurden schon
Fig. 100 a.
1
7/tMs. :
Spätgotische Ofenkacheln von der Ruine Schauenburg.
die von der Burg herrührenden, jetzt dort eingemauerten Schießscharten, meist aus dem
16. Jh., erwähnt.2) In neuester Zeit sind dann noch eine große Fülle von Kacheln gefunden
*) Ebhardt gibt eine versuchsweise Rekonstruktion des eben geschilderten Ganzen, die aber
von etwas kühner Phantasie zeugt. Er hat zwar die historischen Notizen fleißig zusammengetragen,
sie aber nicht auszunutzen versucht, überhaupt die Bauten nur sehr flüchtig geschildert, wie auch
sein Grundriß teils flüchtig, teils falsch ist. Schade um die Mängel in dem so schön ausge-
statteten Buche.
2) Einige davon abgebildet bei Ebhardt a. a. O. Fig. 198.
AMT OBERKIRCH. — GAISBACH. (RUINE SCHAUENBURG.)
177
worden. Aus hochgotischer Zeit
hebe ich hervor das Stück eines
Drachen (s. Fig. 97), die gut-
erhalten£ Kachel mit der Figur
eines Greifen (s. Fig. 98), die
mit einem Papageien (s. Fig. 99).
Die ersten beiden kehren auf
Schloß Hohenbaden, aber nicht
aus demselben Model gepreßt,
wieder. Dann die spätgotischen
Stücke: Rest einer Engelsfigur
(Fig. 100 a), ein Mann mit
Schriftrolle über einer Nische
(Fig. 100b), ein Ritter (Fig. 100 c),
auf vorzügliche Model zurück-
gehend. Aus der Renaissance-
zeit vor allem eine weibliche
Figur (s. Fig. 101), in zahl-
j4-‘- 2 ;|
Fig. 101. Renaissancekachel von der Ruine Schauenburg.
reichen, glasierten und unglasierten Exem-
plaren erhalten. Des Aveiteren : Teileines
runden Aufsatzes mit Rautenverzierung,
Reste eines Zinnenkranzes mit Blend-
fenstern, Teil eines Adlers sowie eines
Pfauenschweifhelmschmuckes, beide aus
dem Anfänge des 16. Jhs., letzterer von
der Bekrönung eines offenbar sehr reichen,
grünglasierten Ofens, eine Kachel mit
einem thronenden König, ca. 1500, dann
eine Anzahl von schwarzglasierten Stücken
des 17. Jhs., wie sie bei dem damaligen
schwunghaften Modelhandel überall Vor-
kommen, kurz, nach Zahl, Verschiedenheit
und Glasur die Reste von etAva 10 — 20
Öfen von 1400 bis gegen 1650. Einige
Tonziegel Avurden AAreiter gefunden, ein
Stück einer Pulvermühle, ein sehr früher
Sporn (Stachelsporn), ein kleines Bischofs-
köpfchen, ca. 2 cm hoch aus Ton mit
niederer Mitra (i3./i4. Jh. ??), ein Spiel-
zeug (?), eine Anzahl Pfeilspitzen u. a. m.
Band VII.
12
KREIS OFFENBURG.
Ortsgeschichte
,7s
GRIESBACH
Schreibweisen: Grußenbach 1330, 1396; Grußpach 1476; Greyspach 1605;
Grießbacher 7617 GLA. (In ahd. groz = Sand, Kiessand.)
Litei-atur: J. Zentner, Das Renchthal und seine Bäder, Freiburg 1827. J. Bader
und Kiefer, Führer für Freinde durch die Umgegend von Achern und die Renchthal-
und Kniebisbäder nach Allerheiligen, Karlsruhe 1849. W. J. A. Werber, Der Stahl-
säuerling zu Griesbach am Fuße des Kniebis, Karlsruhe und Freiburg 1840. Ehrhardt,
Fig. 102. Griesbach im Jahre 164g (nach Merian).
Bad Griesbach, Straßburg 1855. von Weech, Zur Gesch. der Renchbäder, Antogast,
Freiersbach, Griesbach, Peterstal, Z. 28, S. 438 — 466. R. Kraus, Zur Gesch. der
Renchtalbäder Griesbach etc. unter württ. Herrschaft, Z. NF. 21, S. 101. Uber die
sonstige reiche Literatur s. Kienitz und Wagner S. 360.
Ansichten'. Von älteren Ansichten kenne ich nur die bei Merian, Topographia
Alsatiae (S. 30), die unsere Fig. 102 wiedergibt.
Ortsgeschichte : Im Mittelalter, wie es scheint, noch nicht von Bedeutung, hat Gr.
eine solche erst durch seine Heilwasser erhalten. Die älteste Nachricht über diese ver-
danken wir dem bekannten Arzte Jacob Theodor aus Bergzabern, genannt Tabernae-
montanus, der in seinem 1393 zu Frankfurt erschienenen Buche »New. Wasserschatz«
auf S. 423 — 434 über die Renchbäder handelt. Seiner Erzählung nach hat zuerst
AMT OBERKIRCH. — HASLACH. HERZTAL (S. WENDEL).
179
ein Wilhelm von Schauenburg, als ihm geraten wurde, einen Sauerbrunnen zu gebrauchen,
diesen in der Nähe gelegenen aufgesucht, mit Erfolg, und ließ ihn dann fassen; er wurde
nach ihm der Schauenburger Brunnen genannt. Es läßt sich daraus entnehmen, daß
schon früher die Heilkraft erkannt und benutzt wurde. Ende des 16. Jhs. ließ dann
der Landesherr, Bischof Johann von Manderscheid — Griesbach gehörte zum weltlichen
Territorium des Bistums Straßburg, Herrschaft Oberkirch — eine dringend nötige
stattliche Behausung errichten. Mit der ganzen Herrschaft Oberkirch kam Gr. eine
Zeitlang an Württemberg, das sich sehr für Bad und Badeordnung interessierte, kam an
das Bistum zurück und wurde 1803 badisch. Hier in dem rings von den Ausläufern
des Kniebisstockes umschlossenen Griesbach Unterzeichnete am 22. August 1818 Groß-
herzog Karl die badische Verfassungsurkunde.
Kapellenreste : Bei der jetzigen (neuen) Badkapelle, als Schutzgeländer gegen den Kapellenreste
Abhang benutzt die fünf spätgotischen Maßwerkfüllungen der Fenster der alten, leider im
19. Jh. abgebrochenen Badkapelle, die diesen Resten nach ein hübscher spätgotischer
Bau war.
Im Betsaal des Badgebäudes geringe Reste aus der alten Kapelle : Barockaltar
und entsprechende Figuren, Holzwappen der Äbte von Schlittern in Barockrahmen.
An das Remisengebäude angelehnt abgetretene Grabplatte: Totengerippe im
Relief, darüber Astwerk. 16. Jh.?
HASLACH
Schreibweisen: Hasilach prope Obirkilke 1247; Haselahe 1348; Haseloch, Hasela
1347; Haßlach 1660.
Ortsgeschichte: Der Ort, der nach Ulm eingepfarrt war, zum Ulmer Gericht Ortsgeschichte
gehörte, wie bis in die Mitte des 19. Jhs. zum Schulverband, war irrt Distrikt Ullemberg
gelegen bezw. der Herrschaft Oberkirch und weltlicher Besitz des Bistums Straßburg. Die
Nachrichten über ihn sind dürftig. Wir hören 1247 von einer curia sita in H. 1519
wird ein Schlößchen zu Valwen-Hasloch genannt. Letzteres war eine ödung, der
Name ist noch heute als Flurname Halbhaslach zwischen Stadelhofen und Tiergarten
erhalten. An das Schlößchen mag wohl auch der 1526 vorkommende Flurname
»Burg« erinnern.
Im Ort nichts Altes mehr erhalten. Die Kirche (ad S. Aloj^sium) ist ein Neubau
von 1866.
HERZTAL
(S. WENDEL)
Schreibweisen: zu Hetzelis tal 1346; Hetzelstal 1361; Hetzlinstal 1381; Heetz-
dall 1571. (Tal des Hetzelin.)
Der Ort gehörte zur Landvogtei Ortenau, zum Landgericht Appenweier. Er kommt
seit dem 13. Jh. in den Allerheiliger Urkunden vor. Seit 1805 badisch.
Im Ort nichts Erwähnenswertes. Dazu gehört aber die
1 2*
i8o
KREIS OEFENBURG.
Fig. ioj. S. Wendelin, Wallfahrtskapelle hei Oberkirch.
WALLFAHRTSKAPELLE S. WENDELIN
von der wir bisher nicht nachweisen können, daß sie schon vor dem 18. Jh. bestand.
Aus der Mitte uesselben stammt der Bau, eine einschiffige Kapelle mit flacher Apsis.
Schlichte Seitenwände. In der Fassade eine Tür mit geteiltem Volutengiebel, in origineller
Verbindung damit die Außenkanzel mit dem Schalldeckel, der gefällige Rocailledekoration
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH. l8l
aufweist (s. Fig. 103). Darüber noch ein Rundfenster und dann der abgetreppte Giebel.
Auf dessen First, leider in falschem Klassizismus in der zweiten Hälfte des 19. Jhs.
erneuert, ein Glockentürmchen, auf dem — alt — die Figur des h. Wendel, deren Sockel
von vier naturalistischen, liegenden Tieren getragen wird.
Im Innern an der Apsis, auf die anstoßenden Kirchenwände übergreifend, ein großes
Gemälde, auf die Stiftung der Kapelle bezüglich, im rauschenden Dekorationsstil des
18. Jhs., von tüchtiger Schulung, leider von nicht sehr geschickter Hand restauriert. Es
stellt den h. Wendel dar, die Schafe hütend ; ein anbetendes Ehepaar, eine Vision mit
Engeln, darüber die h. Dreieinigkeit, im Hintergrund Nußbach, offenbar mit der alten
romanischen Kirche usw. Das Ganze umrahmt von einer Architektur mit Vorhängen,
von Engeln gehalten.
Der Altar im Rocaillestil mit Putten an dem Tabernakel.
LAUTENBACH
Schreibweisen: Lutenbach 1233; Lutembach 1452; Lütembach 1484; Luttembach
i486.
Manuskript: Eine Beschreibung der Kirche von Peter Adalbert Hardt, Rektor in
Lautenbach von 1740 bis 1755, im Pfarrarchiv aufbewahrt. (Auf sie geht die Sens-
burg’sche Beschreibung im wesentlichen zurück.)
Literatur: Sensburg, Beschreibung der merkwürdigen Kirche zu Lautenbach,
Freiburg, Herder 1830. Ph Ruppert, Die Kirche zu Lautenbach im Renchtal, FDA. 24,
S. 273 — 290.
Ortsgeschichte : L. war wohl, zur Zeit als das Kirchlein gebaut wurde (1471), das
dem Ort die kunstgeschichtliche Bedeutung gibt, noch kein Dorf. Damals lagen hier
nur einige Gehöfte, die in die Pfarrei Oberndorf bei Oberkirch gehörten und wie der
Grund und Boden, auf dem die Kirche liegt, zum Teil ebersteinisch-badische Lehen der
Edlen von Bach und Schauenburg waren, (:) ]) Diese Gehöfte werden sich naturgemäß
schon in der Nähe der Renchtal Straße gruppiert haben. Der Weiler aber gehörte seit
1 303 (s. Fürsteneck usw.) in das weltliche Territorium des Bistums Straßburg: »homines
Bertholdi episcopi Argentinensis in dem Lutenbach« heißt es 1351. Auch Allerheiligen war
hier frühe begütert. Als daher im Jahre 1 470 das Kloster zum größten Teile abbrannte und
auf Jahre hinaus nicht bewohnbar war, da nahmen die Mönche einstweilen hier Wohnsitz
und begannen mit dem Bau der Kapelle und des daranstoßenden Klosters, das später als
Klosterhospiz diente. Ja, eine Zeitlang war die Neigung vorhanden, das in schwer zugäng-
licher Höhe gelegene alte Kloster überhaupt zu verlassen und dauernd hier in dem
bequemen, fruchtreichen sowie anmutigen Tale Aufenthalt zu nehmen. Darüber gab es
manches Für und Wider, bis schließlich die Partei siegte, welche für das Verbleiben an
der alten Stätte war. Ja, es wurde 1484 ausdrücklich festgesetzt in einer Urkunde, * 2)
daß kein Propst oder Mönch in das Kloster aufgenommen werden dürfe, der nicht
geschworen habe, nie zu einer Verlegung des Klosters, sei es irgendwohin, seine Zu-
Gemälde
Altar
Oltsgeschichte
x) Ruppert, FDA. 24, S. 273.
2) Ebenda S. 281.
I 8 2
KREIS OFFENBURG.
Kirche
Stimmung zu geben. Immerhin erfreuten sich Kapelle und Hospiz, wo ein ständiger
Kaplan residierte, häufigen Besuches und der steten Gunst der Pröpste, und damit gedieh
auch der Ort. Der erste Kaplan an der neuen Kirche (B. V. Mariae), der Konventuale
Heinrich Yehl von Allerheiligen, der auch, als er 15x7 Propst geworden war — er
dankte übrigens 1531 ab — , die Kaplanei behielt, muß nach allem ein guter Verwalter
und Mehrer des Vermögens gewesen sein. Die Kapelle erhielt immer neue Geschenke,
so 1483 von dem Junker Volmar von Schauenburg, 1491 dann durch Verfügung des
Bischofs Albert von Straßburg vom 14. Mai allen Besitz der Frauenklause zu Oberndorf. ’)
Von den Schwestern dieser Klause heißt es, sie führten ein äußerst tadelnswertes Leben,
ja, sie kämen anscheinend aus allen Gegenden der Welt hier zusammen wegen der
größeren Gelegenheit zu sündigen. Wegen dieser abscheulichen Lebensführung sei die
Klause aufgehoben, die offenbar ziemlich gut ausgestattet war. Es mögen das wohl nicht
ganz aus der Luft gegriffene Beschuldigungen gewesen sein, war es doch überhaupt die
Periode größter Lockerung der Klosterzucht. Allerheiligen wußte sich die Vorwürfe gut
zunutze zu machen. Im Herbst des gleichen Jahres konfirmierte Papst Innocenz VIII.
die Aufhebung des Klosters und dessen Inkorporation zur Kapelle in Lautenbach. * 2) So
ganz waren aber offenbar die Stifterfamilien, welche die Klause seit Jahrhunderten bedacht
hatten, mit diesem Vorgehen doch nicht einverstanden, und wohl auf ihr Drängen mußte
der Bischof anordnen, daß in der Kapelle in L. wöchentlich eine Messe gehalten werde
für die Stifter der aufgehobenen Klause sowie für den ganzen Adel der Ortenau. 3)
Einer der früheren Insassen, Anna Riisch von Reutlingen, die sich durch die Aufhebung
ihrer Pfründe und Wohnung entsetzt sah, mußte auf das Drängen der Ortenauer Ritter-
schaft hin Heinrich Vehl als Schaffner des Propstes und des Klosters 1492 12 gute
rheinische Gulden auszahlen, wofür sie auf ihre Ansprüche verzichtete. 4)
Am nördlichen Ufer der Rench, auf dem Kapelle und Hospiz eben an der Tal-
straße lagen, mehrten sich nun die Ansiedlungen. Der Ort scheint in den folgenden
Jahrhunderten von aller Unbill, die die Umgegend so reichlich erfuhr, ziemlich verschont
geblieben zu sein. Zwar hören wir, daß im Bauernkriege ein stattlicher Haufen, wie in
dem Oberkircher Klosterhof, auch hier übel gehaust habe, allein so wie dort kann er
nicht auch hier die Heiligenbilder zertrümmert, die Wappen in den Fenstern zer-
schlagen, die Grabsteine geraubt haben; dafür ist die Kapelle heute noch zu gut mit
allem Inhalt erhalten, was auch beweist, daß sie sowohl im dreißigjährigen Krieg wie
auch in den Franzosenkriegen verhältnismäßig schadlos durchgekommen ist. Den ver-
schiedenen Besitzwechsel, nämlich die zeitweise württembergische Herrschaft, dann die
Rückgabe an das Bistum, machte der Ort wie die ganze Gegend mit, 1803 wurde er
badisch. Die Eisenschmelzerei, die der Bischof Franz Egon von Straßburg im 16. Jh.
hier begründet hatte, bestand bis 1780.
Die Kirche (B. V. Mariae), mit ihrer fast vollständigen Innenausstattung aus der
Zeit ihrer Gründung, ist in den Jahren 147 1 bis 1488 fast fertiggestellt worden (s. Fig. 104).
Begonnen wurde ihr Bau unter dem offenbar sehr kunstverständigen Propste Andreas
Rohart von Neuenstein (7 1474) aus dem Oberkircher Geschlechte, das mit den
*) Ruppert, FDA. 24, S. 286.
2) Ebenda S. 287.
3) Ebenda S. 287.
4) Ebenda S. 289.
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH. 183
Fig. 104. Grundriß der Kirche in Lautenbach.
Gütern auch den Namen der ausgestorbenen Adelsfamilie, deren Burg ganz in der Nähe
auf den Bergen am linken Ufer der Rench lag, übernommen hatte, etwa um 1470.
184
KREIS OFFENBURG.
Die alte Angabe, daß der Bau auf dem Erbgute des Propstes Rohart von Neuen-
stein selbst erstanden sei, scheint nicht stichhaltig zu sein. Der Vertrag über die Dotierung
der Kirche und über den Bau ist wohl nicht mehr erhalten. Eine Urkunde von 1526
berichtet aber,1) der Boden, auf dem die Kirche steht, habe zu dem Bachschen
Lehensgut gehört, das ein gewisser Peter Danner als Zinslehen bebaute. »Als man nit
platz hatte, daruff man gebuwen möcht«, kauften die Bauherren des Danners Gütchen,
»samenthaft und um das halb geschenkt«. Und »da der erst stein gesetzt was, da legt
ir jeder ein gülden uff den stein und rittent hinweg«. Bauherren waren nach Ruppert
»der Propst von Allerheiligen, der als Pfleger die Bauverträge abschloß, das Vermögen
der Kirche verwaltete und dieselbe in allen Streitigkeiten vertrat, der Junker Georg
von Bach und der Junker Friedrich von Schauenburg«.2) Am Portal (s. unten) findet sich
das Wappen der beiden letzteren, außerdem zweimal dasjenige des obengenannten
Bischofs Albrecht von Straßburg, nicht des Markgrafen von Baden, wie irrtümlich
behauptet worden. Die Wiederholung deutet wohl auf einen besonderen Anteil des
kunstsinnigen Bischofs.
Als Baumeister hatte man den Meister Hans Hertwig, Steinmetz aus Bergzabern,
berufen, der einmal 1000 fl., dann 70 und wieder 38 fl. erhalten hatte. Es »habe«,
heißt es in einer Urkunde,3) »derselbe meister Hans drey verding an unserer lieben
frawen capell zue Luttenbach getan, das ein umb tausend gülden, das ander um
sibenzig gülden, das dritt umb acht und dreisig gülden in einer benannten zit ußzu-
machen, alles nach Inhalt dreier Zettel darüber begriffen«. Der Propst Andreas Rohart
von Neuenstein war unterdes (1474) gestorben, auf ihn war Georg Federle gefolgt
(*j* 1477). Auch er sah aber die Vollendung der Kapelle nicht, dagegen wohl sein
Nachfolger Johannes Magistri (•{* 1492). Um Mittel für den Bau flüssig zu machen,
erlaubte 1480 der Bischof von Straßburg die Aufstellung eines Opferstockes zum Ausbau
und zur Erhaltung. Meister Hans aber wurde nicht zur richtigen Zeit fertig. Der
Propst klagte daher i. J. 1481 beim Gericht zu Oppenau, aus dessen Urteilsurkunde
vom 12. November obige Sätze entnommen sind, »es seye dieselbe zit verschinen und
deren keins noch nit ußgemacht und darzu über die obgemelt drey summa me uff-
genommen und hoff, er solt ihm Sicherheit geben, die gemelten drey verdinge noch heut
bey tage ußzemachen, und ihn auch umb solches, so er me über die obgemelten drey
summen uffgenommen hat ußzerichten und ein gnügen zue thun« etc. Meister Hans
mußte die Anklagen zugeben, »aber er wer frembt und wißte solche Sicherheit nicht
uffzebringen und begerte gnad«. Die Zwölfer zu Oppenau aber urteilen: »dieweyl der
antwurter frembd sey . . . ., woll dann der cläger nit entbeeren, so soll der antwurter
schwören, solche drey verding ußzemachen und solle der cläger ihme dieweyl essen
geben«. Doch war bis zum 4. Februar 1482 das Ausbedungene noch nicht völlig
fertiggestellt, und in einer Urkunde von diesem Datum bekennt das der Meister, der
160 fl. über die vereinbarte Summe aufgenommen hatte; er gelobt, den Bau zu
vollenden, und verzichtet für sich und seine Nachkommen auf alle Ansprüche, die aus
dem Bau hergeleitet werden könnten. »Ich Hans Hertwig von Bergzabern,
Steinmetz, bekenne offenlich in disem brieff, als ich der capellen halb unser lieben
1) Ruppert a. a. O. S. 294.
2) Ebenda.
3) Ruppert a. a. O. S. 279 f. — GLA., Allerh., Kopialbuch 3, 5, S. 292.
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
i85
frawen zu Luttenbach drey verding, eins umb tusent, das ander umb sibenzig, das dritt
umb dreißig und acht gülden getan han, die capell und etliche stuck darinnen
in einer gesetzten zit in kerfzedeln darüber vergriffen, bestimbt, auch ußzumachen und zu
vollnbringen, und aber in gesetzten vergangen zilen ich solche gebuwe nit volnbracht
und dannoch gemelte summa gülden uffgenommen, auch hundert und sechzig gülden
mehr, dann die verding inhaltent, uffgenommen han. Darumb ich bekenne, solche
verdinge ußzumachen, auch die mehr uffgenommene hundert und sechzig gülden
zu bezahlen schuldig bin.
Wann ich aber armut halb daß nit vermag, so han ich mit andern minen guten
gönnern den würdigen geistlichen herren Johannsen, probst des closters zu Alienheiligen
im Schwarzwald, pfleger der obgenannten capellen ernstlich gebetten und erbetten, daß
Fig . 105. Ansicht der Kirche in Lautenbach aus dem Jahre i486.
der mich egemelter verding und darüber uffgenommene summe hundert und sechzig
gülden gnediglich erlassen und quittirt hat. Haruf so verzihe ich Hans Hertwig für
mich und alle mine erben in craft diß brieffs uff alle forderung und ansprach, so ich
oder mine erben, noch jemand von unseretwegen gemelter verdings und buws halb gegen
den obgenannten minen gnedigen herren probst sinen nachkommen, sine closter und
der capellen zu Luttenbach und welchen das beriiren mag, immer erdenken, fümehmen,
suchen noch finden möchte in dhein weg, alle geverde und argelist gar ußgeschlossen.
Deß zu urkunde han ich Hans Hertwig mit vliß gebetten den frommen und vesten
junker Hans von Nüvenstein und junker Stefan Mollenkopf vom Ryse, daß der ir
yeglicher sin eigen ingesigel an diesen brief hat lassen henken. Des wir dieselben Hans
und Stefan bekennen, also umb siner ernstlichen bitte Mallen getan hant, doch uns und
unsern erben on schaden.
Der geben ward uff montag nechst nach unser lieb frowentag der liechtmeß in
dem jare als man zalte nach Christi, unsers lieben herrn gebürt 1482 jare.«1)
1) GLA., Allerh., Kopialbuch (4) 6, S. 672. — Ruppe rt a. a. O. S. 280 f.
KREIS OFFENBURG.
Baubeschreibung
Umbau
1 86
Diese wichtige Urkunde kann ich nicht mit Ruppert dahin interpretieren, daß
der Meister damit von seinem Werk geschieden sei. Ich glaube eher annehmen zu
dürfen, daß er dasselbe in den kommenden Jahren vollendet hat, und da von »etlichen
stuck darinnen« die Rede ist, als Steinmetzarbeiten aber doch eigentlich nur noch die
prachtvolle Gnadenkapelle mit der Jahreszahl 1485 und der Lettner mit dem Datum 1488
in Betracht kommen, so möchte ich glauben, daß der Künstler auch diese ausgeführt
und dann erst die Stätte seiner Wirksamkeit verlassen hat. Die Inschrift am Portal:
anno l tnir l fc i\ j \i pribie
Men 1 angnöti i inceptu i
e£t 1 Ijoc 1 ebifirium i
die den Beginn des Baues auf den August 1471 festsetzt, läßt es auch für damalige Zeit
als nicht gerade erstaunlich erscheinen, daß er 1482 noch nicht durchaus vollendet
war, und so werden die Pröpste keineswegs gesonnen gewesen sein, den hervorragenden
Künstler zu entlassen, sondern vielmehr ihn genau zu binden. 1488 konnte die Kirche
geweiht werden.
Die jetzige Pfarrkirche, ehemalige Kapelle B. V. Mariae zu Lautenbach (s. Fig. 1 05), ist
ein einschiffiger Bau, aus vier Gewölbejochen bestehend. Das unregelmäßige Netz-
gewölbe wird von Halbpfeilern getragen, die in tiefen Hohlkehlen und Rundstäben
profiliert sind, welch letztere in die Gewölberippen übergehen Diese haben das trockene
Profil der Spätzeit mit flacher Hohlkehlung. In den neun Schlußsteinen fünfmal krauses
Rankenwerk, dann vier Wappenschilde mit neu aufgemalten Wappen. An das Schift
schließt sich der Chor, der im Lichten 11,3 m lang und 7 m breit ist; er endigt in fünf
Seiten des Achtecks. Sein Netzgewölbe, dessen Rippen auf polygonalen Konsolen auf-
ruhen. Wie aus dem Plan ersichtlich, steht der Chor nicht genau in der Achse, sondern
weicht um über 1 m nach Süden ab, was indes durch den vorgelegten Lettner dem
Beschauer kaum zum Bewußtsein kommt. Ein Grund dafür ist nicht ersichtlich, es sei
denn der, daß damit die Nordwand der angebauten Sakristei in einer Linie mit den
Strebepfeilern steht. Gegen das Langhaus zu öffnet sich der Chor in großem Spitz-
bogen, dessen Laibung durch einen starken Wulst und zwei Hohlkehlen profiliert ist.
Strebepfeiler mit zweimaliger Abtreppung, deren eine als Wasserschräge und Kaffgesims
sich um den ganzen Bau herumzieht, und leicht konkaver Abdeckung stützen die Gewölbe
der Kirche, deren Langhaus an der Nordseite durch zwei einpfostige und zwei zwei-
pfostige Spitzbogenfenster mit flamboyantem Maßwerk erhellt wird, während an der Süd-
wand das westlichste Fenster wegen des Klosteranbaues hier wegfällt. Vier ähnliche
zweipfostige Fenster erhellen den Chor, den Gewölben unter dem Lettner wird durch
zwei kleine, geradsturzige Fenster Licht zugeführt. Die Fassade des alten Baues zeigte
das unten besprochene Spitzbogenportal, über dem sich die Wasserschräge in die Höhe
zog, bis zu der zweiten Schräge, auf welcher ein großes dreipfostiges Spitzbogenfenster
mit flamboyantem Maßwerk aufsaß. Den einfachen Giebel der Fassade bekrönte ein
kleines Dachreiterchen mit Glöckchen. In einem provisorischen Bau des 16. Jhs. auf
der Nordseite befanden sich die Glocken.
Eine spitzbogige Tür mit abgeschrägtem Gewände gestattet den Eingang in das
Langhaus von Norden ; eine geradsturzige mit Hohlkehlen und sich kreuzendem Stabwerk
führt vom Chor in die Sakristei, eine dritte in den Pfarrgarten.
Tafel IV
Lantenbach, Portal der Kirche.
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
I87
Der Bau, in den archi-
tektonischen Teilen aus dem
roten Sandstein der Umgegend,
besteht im übrigen aus ver-
putztem Bruchsteinmauerwerk.
— Er hat schon länger den Be-
dürfnissen der Gemeinde nicht
mehr genügt, und mir liegt
ein Plan und eine Fassaden-
ansicht von 1847 vor, wodurch
das Äußere der Kirche gründ-
lich mit einem Turm nach dem
Vorbild des Freiburger Münsters
verändert worden wäre. Dieser
Plan kam jedoch glücklicher-
weise durch das Eingreifen des
Konservators von Bayer nicht
zur Ausführung, erst im Anfänge
des jetzigen Jahrhunderts ist
durch den damaligen erzbischöf-
lichen Baudirektor Meckel der
Wunsch nach Erweiterung und
nach einem Turme erfüllt
worden. Wie sehr dabei das
Alte geschont wurde, geht aus
unserem Grundriß deutlich her-
vor. Der an die Nordseite
angebaute Turm paßt in seiner
einfachen und doch schmucken
Erscheinung durchaus hierher,
die Fassade ist in der alten
Schlichtheit aufgebaut, in ihr
das alte Portal mit dem er-
neuerten Holzdach und das
alte Spitzbogenfenster.
Die Gewände (Tafel IV)
des Portals sind in Hohl-
kehlen und Wülsten profiliert ;
an dem Mittelpfosten greift
der mittlere Wulst auf das
Tympanon über und endigt
hier in einem krausen Laub-
kapitell, das der fast lebens-
großen Gestalt der Madonna
mit dem Kind (s. Fig. 106) als Fig.106. Madonna mit Kind, vom Portal der Kirche in Laute?ibach.
i88
KREIS OFFENBURG.
Inneres
Postament dient (aus gelbem Sandstein), über ihr zwei Engel mit gefiederten Körpern,
sie hielten wohl mit ihren jetzt abgehauenen Händen die Krone. Darüber ein Baldachin
mit knorrigem Astwerk.
Zu beiden Seiten der Madonna, fast in Vollplastik durchgeführt, zweimal das Wappen
des damaligen Bischofs von Straßburg, Albrecht von Wittelsbach, dann das Wappen der
von Bach (die Schnecke) und der von Schauenburg. Auch in diesen Wappen eine
technisch hervorragende Steinmetzarbeit, gehören die Skulpturen des Portals, vor allem
die Madonna mit dem Kind und die Engel, zu den allervorzüglichsten Werken des aus-
gehenden 15. Jhs.
rrV
Wk
sssJI;
• hm mgt*
Fig. 107. Leittier in der Kirche zu Lautenbach. Ansicht vom Langhaus.
Uber dem Spitzbogen des Portals die schon oben wiedergegebene Inschrift.
Im Innern an der Südseite des Langhauses die Gnadenkapelle angebaut, welche
das wundertätige Gnadenbild umschließt (Tafel V), durch das die Kirche zu einer
vielbesuchten Wallfahrtskirche wurde. Die Kapelle ist ein üppiger Bau der Spätgotik,
dem aber trotz der überreichen Formengebung, den sich durchschneidenden Bögen, den
Fialen, den Krabben und den Fischblasen die Klarheit des Aufbaues nicht verloren
gegangen ist. Ein Fenster nach Osten, zwei nach Norden, eines mit eingefügter 1 ür
nach Süden ; zwischen ihnen Pfeiler mit Hohlkehlen und Rundstäbchen auf hohen,
steilen, gerauteten oder geriefelten Basen, Wimpergen etc. in Nachbildung üppigst ent-
wickelter Strebepfeiler. Die sie verbindenden Bögen durchschnitten von den kielbogigen
Wimpergen der Fenster. Der Sockel durch Kleeblattblendbögen geziert. Ein Netz-
Tafel V
Lantenbach, Gnadenkapelle in der Kirche.
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH. 189
gewölbe deckt das Ganze, dessen Rippen sich am Ende kreuzend in der Wand ver-
laufen. In den Schlußsteinen die Wappen der Bach, der Schauenburg und ein schwarzer
Adler in Gold (Bemalung neu). — An einem der Pfeiler der Kapelle am Äußern die
Jahreszahl 1X87 eingehauen. Nach dem Manuskript des Pater A. Hardt wäre sie 1488
geweiht, was mir zu spät scheint und wohl aus falscher Lesung obiger Jahreszahl (statt
1485: 1487) entstanden ist. Das Mauerwerk der Kapelle, aus etwas hellerem Sandstein,
ist mit dem des Langhauses nicht bündig; da, wo sie an die Pfeiler desselben etwas
unvermittelt anstößt, ist die Ritze durch Mörtel zugeschmiert, auch reicht das Langhaus-
fenster mit seiner Sohlbank noch ziemlich unter das Gewölbe herunter. Daraus darf
man aber den Schluß ziehen, daß die Kirche selbst schon spätestens 1485, vor dem
Beginn dieses Einbaues, fertiggestellt war, also etwa zwei Jahre nach dem obenerwähnten
Geständnis des Meisters.
Drei Jahre später ist der Lettner (s. Fig. 107) fertiggestellt worden, der sich in der
ganzen Breite des Langhauses vor den Chor legt; vier schlanke, achteckige Pfeiler mit
steilen Basen und Kapitellen, die aus zwei Hohlkehlen und einem Plättchen bestehen,
tragen die fünf Spitzbogen ; die Archivolten sind mit sich schneidenden Stäben profiliert,
an dem Schlußstein des einen Bogens die Jahreszahl 1X88. Das Netzgewölbe des
Lettners, dessen Rippen einesteils in den Pfeilerkapitellen, andererseits sich durch-
schneidend an der Wand verlaufen, weist 14 Schlußsteine auf, darin die vier Evangelisten-
zeichen in Flachrelief, die Halbfigur der Madonna mit Kind und der h. Norbert ab-
wechselnd mit krausem Blattwerk. Der mittleren Arkade entsprechend führt in der
Rückwand eine spitzbogige Öffnung, deren Gewände in Hohlkehlen und Rundstäben
profiliert ist, in den Chor. Verschlossen wird sie durch ein schönes altes Gitter mit
Rauten- und Quadratmuster in Gußarbeit. Die Arkadenzwickel sind durch kleine
Kleeblattblendbogen belebt, darüber erfolgt der Abschluß durch eine Balustrade mit
Eischblasenmaßwerk ; eine entsprechende schließt nach dem Chor zu ab, von dem aus
eine sehr malerische Wendeltreppe mit Stabgehäuse, die Tür im Kielbogen geschlossen,
mit ähnlicher Balustrade emporführt zu seiner Plattform, auf der noch die alte Mensa
des Kreuzaltares steht.
Wenn auch einfacher gehalten, so zeigt der im gleichen Sandstein gehaltene
Lettner doch in den Einzelheiten so viel Anklänge an die Gnadenkapelle, daß man
beide dem gleichen Künstler zuschreiben wird. Auch der Lettner ist ursprünglich nicht
geplant gewesen, wie sich aus dem Anschluß an die Mauer ergibt. Das hindert aber
meines Erachtens nicht, in ihm und der Gnadenkapelle Werke des Hans Hertwig zu
sehen: die »etliche stuck darinnen«, wie es oben heißt, die derselbe auf Grund eines
neueren Beschlusses der Bauherren einfügte.
An der Südwand des Chors befindet sich eine Kredenznische mit geradem Sturz,
Rahmenwerk aus Hohlkehlen und sich durchkreuzendem Stabwerk. An der Nordwand ist
die Sakristei angebaut, aus zwei Jochen mit Netzgewölbe bestehend und mit einpfostigen
geradsturzigen Fenstern erleuchtet. Sie ist gleichzeitig mit dem Hauptbau entstanden.
Der ganze Bau aber; auf den wir zum Schlüsse noch einmal einen Blick werfen,
ist das hervorragende Werk eines feinen Künstlers. Ungeachtet der hier und da
trockenen Behandlung des Details ist er so gut durchgeführt, in der eher sparsamen
Ausschmückung, die nur an zwei bevorzugten Stellen, der Gnadenkapelle und dem
Lettner, üppig wird, so wohl erwogen, daß wir gerne die weiteren Spuren des
Lettner
Kredenznische
Sakristei
190
KREIS OFFENBURG.
Meisters verfolgen möchten. Daß bei der Lage seines Heimatsorts lind der Lauten-
bachs wir das Elsaß und vermutlich Straßburg als seine künstlerische Heimat ansehen
müssen, darüber wird kein Zweifel bestehen. Aber wohin er sich von Lautenbach
gewendet, kann ich bis jetzt nicht nachweisen. Man könnte sich versucht sehen, ihn in
dem Meister Hans wiederzufinden, der 1497 am Theobaldmünster zu Thann tätig war,
über dessen Tätigkeit wir indes auch nichts Genaueres erfahren. ')
Von Steinmetzzeichen finden sich an den Pfeilern:
Ausstattung
Hochaltar
XJYLtvY TTF2‘
an der Fassade :
an der Gnadenkapelle: YIYttTtTIILlL
°-ntt
Äußeren des Langhauses : { Hk vV-
am
am
Ausstattung: Der Hochaltar (s. Fig. 1 08), ein großer Flügelaltar, zeigt im Mittel-
schrein unter einem äußerst kapriziösen spätgotischen Gewölbe, dessen Rippen wie
Astwerk behandelt sind, in Nischen aus dem Achteck, die durch sich durchkreuzende
Rundbögen verbunden sind, die Holzstatuen der Maria mit dem Kind, über der Engel
die Krone halten, den h. Johannes den Täufer und Johannes den Evangelisten, ca. 1,50 m
hohe Gestalten. Darüber in graziösem, leichtem Aufsatz aus Stabwerk, Fialen und
Krabben die in kleinerem Maßstab gehaltene Figur des Schmerzensmannes. Auf den
Flügeln innen, links vom Beschauer, die Geburt Christi, unten die Beschneidung, rechts
oben die Anbetung der Könige und unten die Darstellung im Tempel. Diese Bilder,
wie auch die der Außenflügel 1,60 m hoch und 1,20 m breit, sind an ihrem oberen Rand
jeweils durch ein geschnitztes gotisches Rankenwerk abgeschlossen, während die Bilder
der Außenflügel durch in vergoldete Kreide eingedrückte Frührenaissanceornamente
abgeschlossen werden. Sie stellen dar: links oben die Geburt Mariä, unten die Heim-
suchung, rechts oben die Verkündigung, links den Tod Mariens.
Nach P. Hardt sind an dem Saum des oberen Kleides der Marienstatue 7, u lesen neben
anderen anmutigen Lobsprüchen : »die zwey altar fassen undt vergolden Joseph Rier der meister und
fixel sein gesell«, wovon ich indes nichts konstatieren kann.
Zu dem Bilde der Geburt Mariä auf dem einen Außenfiügel mit der Figur des knieenden
Stifters in Gestalt eines Propstes von Allerheiligen mit dem Wappen, der Mond und ein Stern,
bemerkt dasselbe Manuskript, daß »dessen nahm an dem ranft der tafel geschrieben wardt nemmlich
petrus Burckardi«. Auf dem Bilde des Englischen Grußes findet sich die kleine, knieende Gestalt
eines Prämonstratensermönches, »dessen nahm ebenfalls an dem ranft deß fltigels zu lesen war:
nemmlich F: Fidentius Jehle : Dieser beider Herrn nahmen sind nunmehro mitt färben überfahren
undt zugedecket«. In der Zeit, als P. Adalbert Hardt in Lautenbach Rektor war, hat man die
Renovierung des Altares vorgenommen, bei der dies Überstreichen stattfand. Ob er richtig gelesen
1) Woltmann, Deutsche Kunst im Elsaß, S. 188.
Tafel VI
Lautenbach, Mittelschrein des Hochaltars.
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
I9I
Fig. 108. Hochaltar in der Kirche in La7itenbach.
192
KREIS OFFENBURG.
hat, ist unsicher; statt Fidentius Jehle wäre Heinrich Vehle verständlicher. Ebensowenig wissen wir,
ob diese Beischrift ursprünglich war; die Art, wie sie angebracht gewesen sein soll, ist nicht gerade
vertrauenerweckend; immerhin kann sie auf einer guten Tradition beruhen. Bei jener Renovation
wurden zuerst einmal die Holzteile gründlich gereinigt, und der Pater erzählt uns: »Die Vergoldung
deß ganzen altars ist also dauerhaft aufgetragen, daß wir bey Renovierung desselben 3—4 Kübel
voll wasser an die bilder, selbige von dem s. v. vogelsunrath zu säubern, geschüttet undt ist noch
nit eines hellers groß gold davon gefallen ; eben dieser altar ist laut einer gothischen schrift mittsampt
der Kirchen consecriert und ein-
geweyhet worden : Anno 1483
in hon. B: M: v: Joannis Bap-
tistae et Joannis Evangelistae
Dominica proxima ante festum
S. Michaelis. Darum ist allzeit
der nächste sonntag vor diesem
fest begängung der Einweihung
der großen Capelen bey dieser
wallfahrt.« Das Datum kann
nun natürlich nicht für den Auf-
satz, sondern nur für die Ein-
weihung der Kirche und die
Weihe derMensa gelten. Wichtig
aber ist die Notiz über die
Renovierung, der in unserem
Jahrhundert eine zweite gefolgt
ist, so daß die Fassung nur noch
zum Teil die ursprüngliche ist.
Gelegentlich der vom
Großherzog von Baden i. J. 1902
einberufenen Konferenz über die
Bai düng zugeschriebenen Ge-
mälde im Kloster Lichlental
wurden auch diese Gemälde den
in Baden versammelten Forschern
vorgezeigt, deren Urteil dahin
ging, daß die Bilder auf Schul-
verwandtschaft mit B a 1 d u n g
hin weisen.1)
Die Holzskulpturen
(Tafel VI) des Altars in ihrer
c-. , „ n , • ■ rj , . , etwas manierierten Haltung
rig. 10g. Darbringung im Tempel. »
( Gemälde vom Hochaltar in Lautenbach.) und Fußstellung (s. insbeson-
dere die beiden Johannes),
in den überaus reichen, in tiefen Falten gebauschten Gewändern sind echte Kinder der
Spätgotik. Aber die dabei weiche Behandlung des Ganzen, die freien und gut individuali-
sierten Haare, wie die Behandlung des Fleisches und der Köpfe weisen sie schon in die
Zeit der beginnenden Renaissance. Ebenso der Typus der Madonna und des aufrecht
sitzenden Kindes, in dessen auffallender Haltung der Künstler wohl die Bedeutung des
Heilandes ausdrücken wollte. Originell auch das Motiv des langen, offenen Hemdes.
Das Kind legt jetzt der Madonna eine Birne auf die äußere Handfläche, was sinnlos ist;
x) Gemälde des XV. und XVT. Jhs. im Kloster Lichtental, Repertorium für Kunstwissen-
schaft XXV, S. 477.
L'ig. iio. Detail von der Darbringung im Tempel. ( Gemälde vom Hochaltar in Lantenbach.)
Band VII. Zu Seite 192.
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
193
da die Hand der Jungfrau
aber angesetzt ist, so dürfen
wir wohl annehmen, daß sie
erneuert und daß ursprüng-
lich die Mutter die Birne dem
Kind hinreichte. Die gleiche
zierliche und manierierte Bein-
stellung wie die zwei Heiligen
zeigt der Schmerzensmann
des Aufsatzes. Das Taber-
nakel mit den kleinen Figuren
der Evangelisten zwischen den
Spitzbögen seiner Maßwerk-
fenster entstammt der gleichen
Zeit, auf die auch die
Schnitzerei der Bögen, Krab-
ben und Gewölbe hinweist:
dem ersten oder zweiten Jahr-
zehnt des 1 6. Jhs. Denn dahin
wird man doch wohl die
Figuren ansetzen, von denen
ich nicht zu viel sage, wenn
ich sie für Meisterwerke ersten
Ranges erkläre. Einen Schul-
zusammenhang vermag ich
nicht zu konstatieren , es
sind eben Werke der ober-
rheinischen Plastik, ’) die im
Anfänge des 16. Jhs. insbe-
sondere in Colmar, Breisach
und Freiburg so schöne
Früchte gezeitigt hat.
Bei den Gemälden macht
sich auf den ersten Blick
eine gewisse Verschiedenheit
geltend; die der Innenflügel
stehen beträchtlich über denen
der Außenflügel und scheinen
auch von anderer Hand. Auf
den Innenbildern fällt uns
neben der vorzüglichen Kom-
*) Ich sage ausdrücklich nicht
elsässischen , da das meines Er-
achtens eine unstatthafte Ver-
engerung des Begriffes ist.
Fig. m. Der Kerzenträger auf der Darbj'higung im Tempel.
(Gemälde vom Hochaltar in Lazitenbach.)
1
Band VII.
1 94
KREIS OFFENBURG.
Position ein ausgebildeter Geschmack in schönen Stellungen (s. Fig. iii), hübschen
Kopfhaltungen, eleganten Gewändern auf ; daneben der Männertypus mit dem stark
gewölbten Schädel, einer Einziehung über den Augen und stark hervortretenden Augen-
knochen, kräftig und gut wirkend (s. Fig. no). Leer und nur in den seltensten Fällen
gefällig der übrigens noch nicht feststehende Frauentypus, der einmal sogar mit dem
kleinen, runden hervorspringenden Kinn und dem mächtig runden Oval des Gesichtes
die Karikatur streift, d. h.
vollständig verzeichnet ist.
Auch die meist fetten
Hände leiden oft an
Zeichenfehlern (s. Fig. 1 1 1)
und erwecken nicht den
Eindruck des wirklichen Zu-
greifens. Erstaunlich dem-
gegenüber die so aus-
drucksvollen, in ihrer Be-
wegung ausgezeichnet auf-
gefaßten Gestalten Simeons,
des H ohepriesters und des
Beschneiders (s. Fig. 112),
die schönen Figuren der
Kerzenträger (s. Fig. 1 1 3),
die ja nur wenig hervor-
tretende, dann aber flott
hingemalte Felsenland-
schaft. — Die Malerei,
nicht sehr pastös, zeigt bei
den besten Figuren satte
Farben in geschmackvoller
Zusammenstellung, sonst
hier und da etwas Ver-
blasenes. Das Kosttim
(s. den Mohr, sowie überall
,, , , die Schuhe) scheint mir
t ig. 1 12. Die Beschneidung Christi. '
(Gemälde vom Hochaltar in Lantenbach.) auf das zweite Jahrzehnt
des 16. Jhs. hinzudeuten
(s. Fig. 114). — Die Ungleichheit auf den Bildern lediglich aus der mehr oder minder
guten Nachahmung eines größeren Meisters zu erklären, scheint mir bei der auch bis
ins einzelne der Köpfe vorzüglichen Durchbildung des Besten nicht statthaft ; wir haben
eher hier ein junges Talent vor uns, das noch nicht gefestigt in seiner Naturanschauung ist.
Schablonenhafter muten uns die Außenflügel (s. Fig. 1 1 5) an. Jenen charakteristischen
Männertypus finden wir hier nicht wieder, auch nicht das Frauenantlitz. Letzteres zeigt
mehr den hergebrachten und wie mir scheinen will, schwäbischen Typus, das erstere
ist schwächlicher und hat eine gewisse Verwandtschaft mit Typen der späten Schongauer-
schule (?). Architektur, Landschaft und alles Beiwerk treten, nicht zugunsten der Kom-
Big. iij. Detail aus dem Gemälde der Beschneidung Christi vom Hochaltar in Lautenbach.
Band VII. Zu Seite 194
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
195
Fig. 114. Anbetung der Könige. ( Gemälde vom Hochaltar in Lautenbach.)
Position, stärker hervor. Auf dem Bilde der Heimsuchung werden wir entschädigt durch
einen sehr geschickten Ausblick in ein felsiges Flußtal mit weich verschwimmender Ferne.
KREIS OFFENBURG.
Rechter
Seitenaltar
196
Den Gesamteindruck möchte ich dahin formulieren : wir haben die Arbeit einer
älteren Werkstatt vor uns, in der ein junges Talent nur zum Teil zum Wort kommt.
Auch für die Bilder aber ergeben sich die Anfangsjahrzehnte des 16. Jhs. als Ent-
stehungszeit, und so gewinnt die Notiz des P. Hardt über den Namen des Petrus
Burkard, der von 1492 bis 1514 Propst von Allerheiligen war und im Chor der Kirche
zu Lautenbach begraben liegt, einigermaßen an Wahrscheinlichkeit. Jedenfalls werden
die deshalb hier etwas ausführlicher besprochenen Bilder bei jeder Untersuchung der
oberrheinischen Malerei am Anfänge des 16. Jhs. von großer Wichtigkeit sein.
Auf dem Altartisch, an den Aufsatz angelehnt, zwei Gemälde mit den Brustbildern
der Heiligen Gregor und Ambrosius, die Reste der alten Predella.
Auf der Rückseite der Predella die Brustbilder der h. Katharina und Magdalena,
Ursula und Margaretha, jeweils mit dem Veronikon dazwischen, leider bei der Herrichtung
des Altares sehr zerstört.
Der rechte (vom Eintretenden) Seitenaltar (s. Fig. 116) »zu Ehren der h. Beichtiger
und Bischöfe und der h. Wittwen und Jungfrauen« zeigt im Mittelschrein unter einem
Doppelbogen, der auf gewundener, in der Mitte zusammengefaßter Säule ruht, die
Statuen der Heiligen Wolfgang und Martin (ca. 1 m hoch), über dem Bogen Rankenwerk-
füllung, auf den Seitenflügeln innen im Flachrelief die Heiligen Antonius Eremit und
Wendelin, in ihren Heiligenscheinen eingepreßt die Inschriften in mißverstandenen
Majuskeln :
O * HER * SANTA * ANDONI * BIT • •
und
* O HER * SANTA * VENDEL * BIT • •
Auf den Außenseiten der Flügel gemalt die Heiligen Wolfgang und Martin, letzterer
im Kostüm vom Anfang des 1 6. Jhs. mit Schaube und Mütze. In den Heiligenscheinen
wieder die Inschriften:
O SAH (sic!) T * WOLGAN * BIT * GOT *
und
O SANT * MARTNI a BIT 4 • •
Auf der Predella gemalt die Halbfiguren der h. Jungfrauen - Märtyrer : Agatha,
Margaretha, Dorothea, Agnes und Apollonia. Da die Predella bei geschlossenem Altar
über denselben herausragt, so ist anzunehmen, daß er noch zwei hintere feststehende
Flügel gehabt hat; auch berichtet uns der oftzitierte Pater: »an den zwey hindersten
flüglen aber sindt angemahlet die h. wittfraw Elisabetha undt anderer seith die
h. Maria Magdalena.« Also nichts anderes, als die heute oben auf den Altarschrein
gestellten Gemälde, die wir uns zu dem Bilde des Altars hinzuzudenken haben
(s. Fig. 1 1 7).
Bilder, Skulpturen (in erneuerter Fassung) und der ganze Altaraufbau weisen wieder
zweifellos in die ersten Jahrzehnte des 16. Jhs. Die Skulpturen stehen zwar hinter
denen des Hochaltars zurück, sind aber doch, trotz einiger Ungeschicklichkeiten, tüchtige
Werke. Die Bilder, jedenfalls etwas später als die des Hochaltars (nach ihnen wird man
den Altar auf etwa 1520 bis 1530 datieren dürfen) entstanden, sind ebenfalls recht
erfreuliche Leistungen. Die Außenbilder der vorderen Flügel in der Ausführung und in
den guten Typen den hinteren Flügeln überlegen.
Rand VII. Zu Seite 196.
Fig. jt6. Fechter Seitenaltar in der Kirche in Lantenbach.
Band VII. Zu Seite 197.
Fig. i/S. Linker Seitenaltar in der Kirche in Lantenbach.
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
197
Fig. 11 5. Tod Mariä. (Gemälde vom Hochaltar in Lautenbach.)
Der linke Seitenaltar (s. Fig. 1 1 8) der schmerzhaften Mutter Gottes, daher auch der
schmerzhafte oder gnadenreiche Altar genannt, zeigt im Mittelschrein unter erhöhtem
Linker
SeiteDaltar
KREIS OFFENBURG.
198
Bogen die Gruppe der Pietä, unter den zwei Seitenarkaden die Apostel Philippus und
Jakobus. Auf den zwei Seitenflügeln die Relieffiguren der h. Katharina und h. Barbara;
in den Heiligenscheinen ihre Namen;
O SANCTA ■ K A : HERIN A * OR .
S * BÄRBEFH a BIT * GOT * FIR
Die Holzfiguren
dieses Schreines, obgleich
ziemlich gleichzeitig, sind
zweifellos wieder von
einem anderen Künstler,
der im Gegensatz zu
dem des vorigen Altares
bei seinen Freifiguren
schlanke Proportionen
liebt. Insbesondere zeigen
das die überschlanken
Apostel, bei denen der
Künstler Kontraposte ver-
sucht hat; man sehe nur
die verschiedenen Dreh-
ungen und Wendungen
des Philippus; auch die
Köpfe der Apostel sollen
möglichst viel ausdrücken.
Die Falten haben hier
etwas Krauses, Knittriges,
wie es bei manchen
Künstlern derZeit beliebt
ist. Die beiden weib-
lichen Relieffiguren sind
schöne, weiche Gestalten
in einer gewissen Renais-
sancefülle der Formen.
Auf den Außen-
seiten der Flügel das Ge-
Fig. 117. Ehemalige Rückfliigelbilder von dem rechten Seitenaltar
in Lautenbach.
schaft empfängt, gewährt aus einem Seiten- und einem Rückfenster den Ausblick in
eine felsige Flußlandschaft mit Burgen, von der Decke des Gemaches hängen schwere
F'ruchtgirlanden herab. Neben dem Engel kniet der Stifter, eine gut durchgefiihrte
Porträtfigur, nach P. Hardt der Propst von Allerheiligen: »herr Henricus Fehl, welcher
diesen und den S. Martinsaltar hatt faßen laßen, wie es die seinem lebenslauf gleich
lautende Jahrzahl 1523 so in einem kleinen beygemahlten täfelin, allwo auch dieses
Distichon stehet bey Gemahlet ist; nemmlich:
mälde der Verkündigung
(Tafel VII). Das Gemach,
in dem Maria die Bot-
Tafel Via
Rechter Seitenaltar in der Kirche zu Lautenbach (in geschlossenem Zustande)
Tafel VII
Außenansicht des linken Seitenaltars in der Kirche zu Lautenbach.
.
AMT OBERKIRCH. - LAUTENBACH.
199
O miseris patrona reis fac redde benignum
filiolum misero propitiumque mihi,
zu teutsch:
O Patronin großer Sünder
und verfallener Adamskinder
schaff, daß auch dein söhnelein
mir Elenden thue gnädig sein.«
Auf der Vase der Anfang des Eng-
lischen Grußes. — Die Rolle oder die
Tafel mit der Inschrift ist bei der
Restauration i. J. 1903 verschwunden als
spätere Zutat. Die Schrift schien auf das
19. Jh. und eine damalige Restauration zu
deuten, indes war sie schon nach Hardt,
also in der Mitte des 18. Jhs., vorhanden.
Sollte man etwa im 19. Jh. eine alte vor-
handene Tafel, mit gleichlautender In-
schrift, die sehr zerstört gewesen sein
mag, durch eine neue ersetzt haben? Die
Jahreszahl stimmt jedenfalls mit dem Stil
des Bildes überein. An der Vase steht:
AVE MARIA GRA • • •
Ob ') der dargestellte Stifter tatsäch-
lich der Propst Heinrich Vehl ist, können
wir natürlich nicht mit Bestimmtheit fest-
stellen. Immerhin werden wir sehen, daß
manches dafür spricht.
Das Bild ist zweifellos das beste
Gemälde, welches die Kirche besitzt;
ebenso zweifellos steht es, insbesondere
die Figur der Jungfrau, Baidung sehr nahe,
sowohl in der Zeichnung wie auch in dem
sehr weichen Kolorit, in dem tiefen Blau-
grün ihres Gewandes etc. Trotzdem hat
die genannte Konferenz sich nicht ent-
scheiden können, es ihm zuzuschreiben.
Bei dem Dunkel, das noch über der ober-
rheinischen Malerei dieser Zeiten liegt,
wird man sich damit begnügen müssen.
Möglich, daß hier eine andere Persönlich-
keit vorliegt, die uns erst allmählich klar
wird. Jedenfalls aber gehört die Gestalt der Madonna zu dem formal Schönsten, was
unsere Malerei am Anfänge des 16. Jhs. geschaffen hat.
Fig. 119. Holzstatuette der Madonna mit Kind vom
Altar in der Gnadenkapelle der Kirche in Lautenbach.
1) Siehe auch S e n s b u r g a. a. o. S. 1 5 ,
gefrischt ist.
nach dem die Inschrift ursprünglich, aber auf-
AMT OBERKIRCH. — LAUTENßACH.
201
Im Langhaus liegt begraben Petrus Ellnhard, Statthalter in Straßburg, -f* 1 7. September
1533, daneben sechs Schauenburgsche, vier größere und zwei kleinere, abgeschliffene
Grabsteine; ähnliche Grabsteine zweier Neuenstein. In der Nähe der Gnadenkapelle der
zweite Abt des Klosters Allerheiligen (seit 1657 Abtei), -j- 2. April 1707; dann
der Prior Georgius
Hempfer, Novizen-
meister in Allerhei-
ligen. Seine Inschrift-
platte (von den an-
deren ist nichts mehr
vorhanden) ist an dem
Gehäus der Lettner-
treppe angebracht, sie
lautet :
Hic ex adverso
quiescit reverendissi-
mus ac eruditione
et pietate clarissimus
D. Georgius Hempfer
sacrae theologiae Li-
centiatus qui annis
multis officio Prioris
ad omnes sanctos per-
fungens et doctrina
ex exemplo discipli-
nam collapsam egregie
restauravit. Mortuus
XXV. Martii anno
MDCXLVIII cujus
animam Deus pro
meritis condingne re-
muneret. Amen.
Neben seiner
Grabstätte die des
Abtes Isfrid Bresle,
. . Fig. 120. Glasgemälde aus der Kirche in Lautenbach.
f 5- Jum 1 7 1 8.
Vielleicht den wertvollsten Schmuck der Kirche bildet aber der große Schatz an
Glasgemälden aus der Zeit um 1500, welche sie noch besitzt. Dieselben stellen
in ganzer Figur in etwa l/;s Lebensgröße eine stattliche Anzahl von Stiftern bezw. Gut-
tätern dar, fast alle den bekannten Familien der Umgegend entstammend, Pröpste von
Allerheiligen etc., in Andacht vor der Mutter Gottes oder einer Passionsszene oder
Heiligen knieend.
Leider wurden die Bilder in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei einer Restauration
nicht sorgfältig genug behandelt, d. h. die Glasmalereianstalt (Beiler in Heidelberg) scheint unnötig
viele ältere Stücke durch neue ersetzt zu haben, wie Mone behauptete, sogar absichtlich unter-
Glasgemälde
202
KREIS OFFENBURG.
schlagen zu haben, Stücke davon seien in den Kunsthandel gelangt. Diese Beschuldigung führte zu
einem Prozeß, der aber mangels Beweises zu Gunsten der Glasmalereianstalt entschieden wurde. Fest-
steht für uns, daß leider zu viel erneuert worden. An der Hand der (wenigstens von einem Teil)
vorher aufgenommenen Photographien, der Beschreibung des P. Hardt (dem Sensburg folgt) und
dem Befund können wir einigermaßen Altes und Neues feststellen.
Wir beginnen die Betrachtung an der nördlichen Langhausseite vom Eingang aus
und finden hier im neuen Anbau in dem Fenster
I. neun alte Scheiben eingesetzt. In der drittuntersten Reihe beginnend, zeigen
die Scheiben
I. -3. die spätgotische, gänzlich erneuerten Baldachine 5
in der Reihe darunter :
4. den h. Joseph (mit dem Schiff), scheint neu und zwar von Börner in
Offenburg ;
5. h. Ursula, vor der Restauration photographiert, durchaus alt, mit ergänztem
Hintergrund; sie muß sich früher irgendwo an einem Chorfenster befunden
haben ;
6. h. Bischof mit Monstranz (h. Norbert?), neu;
in der untersten Reihe :
7. spätgotisches Postament, neu;
8. Wappen des Bischofs Albrecht von Straßburg (regierte 1478 bis 1506), von
einer barfüßigen Nonne gehalten, vor der Restauration photographiert, alt;
9. wie 7.
Im obersten Teil des Fensters zehn neue Ornamente.
II. Das folgende, alte Fenster an der nördlichen Langhauswand ist einpfostig, es
zeigt unten unter alten Baldachinen mit Fialen etc.
i.u. 2. die Verkündigung;
3. die Jungfrau vor ihrem Gebetpult und
4. den Engel mit dem Spruchband, worauf die Worte:
abc • m plcna tromrnu*» tecum*
Im Hintergrund des Gemaches das Bett, rechts eine Bank, dazu eine Reihe Haus-
haltungsgegenstände, Tasse, Dose, Messer usw. — Beide Figuren, die nach Hardt und
Sensburg sich am Fenster der Westfassade befanden, sind alt, bei dem Engel aller-
dings das Gewand stark ergänzt.
III. Das nächste Fenster, wieder zweipfostig, enthält in der viertuntersten Reihe in
den Scheiben
1..-3. leichte spätgotische, alte Bekrönungsomamente;
in der Reihe darunter:
4. Mann und Frau zusammen knieend, unten ihr Wappen, in dem Wappen steht:
notariatu«* / SVoljannt# noret (?) (undeutlich)
über ihnen stand nach der alten Photographie (s. Fig. 120):
*». jocop ein Mgcr gut Ijaft unß in Ijfit i
Heute heißt es statt dessen, leider ein trauriger Beweis für die Sorglosigkeit
der Restaurierung: S. Maria bit für unß ! Der untere Teil des Gewandes
der Frau ist neu, er war ehemals mit anderswoher genommenen Stückchen
ausgeflickt. (Nach Hardt südlich über der Altane.)
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
203
5. die Madonna mit dem Kinde in der Mandorla. Eine Photographie aus der
Zeit vor der Restauration liegt mir nicht vor; hier sind, besonders in den
oberen und unteren Teilen, starke Ausflickungen vorgenommen worden.
Nach Hardt an dem Nordfenster über dem Lettner;
Fig. 121. Glasgemälde aus der Kirche in Laiitenbach.
6. knieender Mann und Frau, Unterschrift :
fjßtnrirf) Incgstüi bö oüctfetti) uff fearfera fjusfro
und im Spruchband darüber:
a maria ftit bin feint für miß.
Gehörte nach Hardt zu 5. und befand sich am gleichen Fenster. Das Bild
war nach der alten Photographie sehr gut erhalten, hier ist mit Ausnahme
eines kleinen Stückes im Bogen alles alt (s. Fig. 121);
in der zweituntersten Reihe
204
KREIS OFFENBURG.
7. ein knieender Bürger mit der Unterschrift:1)
canrat lucgbtcF bö obiTintdj
und im Spruchband darüber:
0 jofjauueb gottcb früut bit für tmb niaria unb it* liebes feint.
Befand sich ursprünglich mit den zwei folgenden 8. und 9. zusammen an
dem vom Lettner aus zweiten großen Fenster der Langhausnordwand. Sehr
gut erhalten;
8. Johannes der Täufer, mit 7. und 9. zusammengehörig. Ebenfalls fast tadellos
erhalten ;
9. die Frau des Konrad Wegstein (wie alle knieend) mit der Unterschrift:
tui liattjcrin bin ljubfratu
und im Spruchband :
0 jolianncb bei* Ijciligci: man tjilff unb 511 rrot uff bie pan
(Hardt las hier: uff die »rechte« pan; doch scheint mir das eine Ergänzung
von ihm zu sein) ;
in der Reihe darunter
10. 12. neue gotische Postamente; neu auch die
13. Ornamentfüllung am Scheitel oben.
IV. Das folgende, doppelpfostige Fenster enthält in vier Reihen übereinander
Glasgemälde, und zwar in der obersten
1.-3. die teilweise ergänzten Endigungen der Baldachine; darunter
4. ein knieender Bürger, ohne Unterschrift, im Spruchband, durch Nachbildung
ersetzt (!),
O baut jocop bit got für unß;
5. der h. Jakob von Compostella. Hier scheint das noch gut erhalten gewesene
Original durch eine vollständige Nachbildung ersetzt zu sein ;
6. die Frau des Obigen (Nr. 4), im Spruchband :
0 baut jatop bil'gcr gut tjalt unb tu brr ljut,
nicht in einer Photographie vor der Restauration vorliegend ; vermutlich wie
die obigen, in alter Photographie erhaltenen, unnötigerweise durch Nach-
bildung ersetzt. 4.-6. befanden sich nach Hardt an dem südlichen Fenster
über dem Lettner;
in der weiteren Reihe darunter
7. knieender Ritter mit Wappen und Unterschrift:
SClltljnU ... JlaUlftCÜl (Hardt las noch richtig Anthoni von Ramstein),
vor ihm das Wappen; moderne Nachbildung, ich gebe die Photographie
nach dem alten Original. Es kann sich hier doch wohl kaum um das
Geschlecht handeln, das sich nach seiner Burg bei Triberg nannte, 2) sondern
vermutlich um ein im Renchtal bei Ramsbach ansässiges, bisher unbekanntes
Geschlecht ;
8. der Gekreuzigte mit einigen aufgespießten Heiligen aus der Marter der Zehn-
tausend ;
*■) Die Unterschriften immer nach der alten Photographie gegeben; große Abweichungen im
neuen Zustand werden angeführt.
2) Krieger a. a. O. II, S. 16.
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
205
9. ^Sarßata bon ^tauffDnbßtg, die Gemahlin des Anton von Ramstein,
mit der Unterschrift:
25arbra bau «jtanffcnbeug
und dem Wappen. Diese Scheibe ist alt. Nr. 7.-9. befanden sich nach
Hardt an dem gleichen Fenster wie heute.
Darunter 10 bis 12 neue gotische Füllungen.
V. Wir wenden uns nun zur südlichen Langhauswand und finden an dem ersten
zweipfostigen Fenster über der Gnadenkapelle in der Mitte des Fensters drei Reihen
übereinander :
in der obersten Reihe
1. 3. gotische Baldachine, zum Teil erneuert, darunter in
4. ein knieender Bürger in weitem roten Gewände, neue Nachbildung, auf
der alten Scheibe war die Unterschrift nach Hardt zu lesen:
ßrinrirfj bp^telstarig 511 abcrinrrij,
im Spruchbande steht heute noch, wie auch nach Hardt:
0 maria ein mutter 501t Ijilf un£ 51t 43ott uff tue 2im*b.
An der Unterschrift zu zweifeln, besteht kein Grund, da Hardt dieselben
überall richtig wiedergibt; sie ist aber ganz besonders wichtig für uns, weil
wir wissen, daß Heinrich Diestelzweig 1480 Schultheiß in Oberkirch war; ])
5. die h. Jungfrau sitzend mit dem Kind auf ihrem Schoß und zwei Lilien-
stengeln. In alter Photographie erhalten und bis auf geringe Flicken alt;
6. die Ehefrau des Diestelzweig mit der Unterschrift:
unb anna £in fju**froulti ,
im Spruchband steht:
Äaria ein ßünigin biß ttn^er £clen ein Pflegerin,
alte, gut erhaltene Scheibe, 4.-6. an der . alten Stelle wie bei Hardt;
darunter in
7.-9. gotische, neue Postamente;
oben in dem Scheitel des Bogens
10. moderne Ornamente.
VI. Das folgende zweipfostige Fenster hat unten in drei Reihen übereinander
folgende Scheiben:
zu oberst
1-3. gotische Baldachine, zum Teil erneuert; in der folgenden Reihe
4. knieender Mann mit der Unterschrift:
bcniijart uß bem ^ultjbab,
im Spruchband:
oD Ijcu burclj bin i laß un£ Ijicr bin fnrtö riuerimi,
diese Inschrift heute ergänzt (nach Hardt: wegen dym kinds sterben), die
Figur alt, wenn auch ergänzt;
5 . eine Pietä, daneben die Henkerwerkzeuge, in Photographie vor der Restauration
erhalten, alt;
K r i e g e r a. a. O. II, S. 380.
200
KREIS OFFENBURG.
6. die Frau des Obengenannten, Unterschrift:
unö €I£a (Hardt liest: <£iia) £in fjußfrabu
im Schlußband steht:
® Üßr burrfj biiiß ötttrcn bat ijilff unß uß . . . not.
Fig. 122. G/asgemä/de im Choi ■ der Kirche in Lautenbach.
Das Schlußband ist stark ergänzt,
der Hintergrund ist neu, die Figur alt
(alte Photographie). Nr. 4.-6. befinden
sich an derselben Stelle wie bei
Hardt; darunter in
7.-9. neue Postamente,
im Scheitel des Bogens in
10. neue Ornamente.
VII. Ich gehe nun zu den Fenstern
des Chores über. Das westlichste
Fenster desselben sowohl in der
Nord- wie der Südwand enthält heute
keine Glasgemälde. Das auf der
Nordseite folgende, in der nordöst-
lichen Achteckseite befindliche zeigt
dagegen eine stattliche Reihe: in
den oberen zwei Reihen in
1.-3. und
4.-6. die teilweise erneuerten Bal-
dachinbekrönungen, in der fol-
genden Reihe in
7. knieender Ritter mit dem
Schwert in der Hand, vor ihm
sein Wappen; Unterschrift:
tfribrriilj bö 4£ßtaßn£tcni,
in dem Spruchband:
& 3. üarftra junftb rßin tut
baß tutr gdjßii in Ijtnnnßl ßin.
Völlig neu, ohne alle Vorlage,
war nach Hardt durch Unge-
witter zerstört, auch bei Sens-
burg nicht vorhanden;
8. die h. Barbara, alt, Hintergrund ergänzt;
9. Veronika von Neuenstein, geborene von Schauenburg, in hermelinbesetztem
Brokatkleid mit Wappen und Unterschrift (s. Fig. 122):
un bronica £tn iju
im Spruchband:
a fiarfrra ßhiß junfrolu jart tut für un*» Ijtß itn hart.
Die Unterschrift ist ergänzt, der größere Bruchteil des Gewandes, der Brustteil
desselben und der Hintergrund, das andere ist alt. 8. und 9. befanden sich
früher nach Hardt an dem gegenüberliegenden Fenster ;
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
207
in der nächsten Reihe :
10. S. Leonhard mit Geißel und Ketten. Die Photographie des alten Zustandes
liegt vor: der Hintergrund ist erneuert, die Kirche eine Zutat, ebenso das
Spruchband. Die Scheibe befand sich früher mit der h. Ursula am südlichen
Fenster unter dem Lettner;
1 1 . ein größtenteils erneuerter Baldachin ;
12. ein Propst von Allerheiligen in seinem Chorpelz, im Spruchband die Schrift:
<£*»ta ♦ *>atutata • birgo ♦ cü ♦ prolr »beata ♦
€t ♦ genitrp: ♦ pia ♦ midji ♦ ^uccurre * maria . . .
(So nach der Photographie vor der Wiederherstellung; der P. Hardt schreibt:
sis mihi dux in morte maria.) Befand sich nach Hardt am mittleren Chor-
fenster, ist alt, aber an einigen Stellen des Spruchbandes und des Hinter-
grundes ausgeflickt;
in der untersten Reihe:
13. in voller Rüstung betend ein Ritter mit seinem Wappen; Unterschrift:
jfriberiilj bon ^rijataßnburg,
im Spruchband :
<& joijanne** baptiät fjeliger mä fjüf um» 5Ü got uff bi . rerijt bau 1
(Hardt las: bitt uff daß er uns neme an.) Das Spruchband scheint neu (?),
ebenfalls einzelne Teile an der Rüstung sowie der Hintergrund, während die
Scheibe nach der Photographie sehr gut erhalten war;
14. Johannes der Täufer mit Buch, Lamm und Kreuzfahne; gut erhalten;
15. die knieende Frau mit der Unterschrift:
ufl fratljn bä «jult5&arij st jjußfrä
(so nach der Photographie vor der Restaurierung; Hardt und Sensburg
lasen allerdings nur: Kattryn syn haußfrow), dagegen ist das Wappen vor-
handen ;
im Spruchband steht:
<0 joijamicb 3Du gottrö frünt bit fite tttib inane biuL
Die Scheibe scheint sehr stark erneuert, Kopf, Gewand und Spruchband,
obwohl das nach ihrer guten Erhaltung nicht nötig war. 13.- 15. befanden
sich nach Hardt schon hier an diesem Fenster;
16.- 18. größtenteils neue gotische Postamente;
19. neue Ornamente.
Ein Friedrich von Schauenburg wird 1509 mit seinen Brüdern erwähnt.
VIII. Das mittlere Chorfenster enthält in den Feldern
1.-4. Baldachine aus Astwerk in Gold; alt, aber restauriert auf blauem neuen
Hintergrund, vier durchaus alte Rankenornamente. Darunter in den Feldern
5. u. 6. die Verkündigung ;
7.11.8. die Heimsuchung;
5. der Engel mit dem Spruchband:
5tbe ♦ maria ♦ gratta ♦ blena ♦ (sic !) bni£ ♦ tc rum ♦ a
mit den beiden letzten Worten ragt es hinüber in das Feld 6, worin die Madonna an
ihrem Lesepult kniet. Von beiden existieren alte Photographien vor der Restauration,
208
KREIS OFFENBURG.
nach denen diese Stücke alt sind, während die Heimsuchung der Maria in Feld 7 nicht
photographiert war, dagegen die h. Anna. Die Maria der Heimsuchung ist völlig neu;
über ihr die Worte nach Hardt:
Äagnificat antma mca dominum,
über der h. Elisabeth:
25eata quae crcbibiäti.
Die Gestalten scheinen nach Holzschnittvorlagen vom Ende des 15. Jhs. gearbeitet
zu sein.
Nach Hardt war an dem mittleren Chorfenster noch dargestellt ein Guttäter aus
dem Hause Kurbayern, ein Bischof von Straßburg, also wohl der Wittelsbacher Albrecht ;
diese Scheibe wird schon bei Sensburg nicht mehr erwähnt, nach Hardt trug sie die
Umschrift: Spes mea in hacce via post Christum sola Maria cresco roges quem tune
parcere coges; darauf folgte der im vorigen Fenster untergebrachte Allerheiliger Propst
und ein weiterer Flügel, der schon zu Hardts Zeiten durch Ungewitter zerstört war;
ebenso fehlte schon 1830 der hier dargestellte Jörg von Bach.
IX. Das folgende Fenster an der Südostachteckseite hat in sechs Reihen über-
einander folgende Glasgemälde :
oberste Reihe
1.-3. heraufragende Endigungen, Fialen etc. der unteren Baldachine in dem spät-
gotischen knorrigen Astwerk ; in
4.-6. und in der dritten Reihe darunter noch
7. die wenig ergänzten Baldachine; in der Mitte der dritten Reihe
8. die h. Katharina, die ganz neu ist, auf einem hohen, in derselben natura-
listischen Weise wie die Baldachine verzierten Sockel, der das Feld 11. der
folgenden Reihe ausfüllt. Zu beiden Seiten dieses Sockels in
10. Ritter, betend, mit dem neuensteinischen Wappen; die ganze Scheibe ist
hier neu, an Stelle einer sicher noch ziemlich gut erhaltenen alten, die sie
in täuschender Weise kopiert. Nach Hardt und Sensburg scheint nur
das Wappen die Persönlichkeit erklärt zu haben, vielleicht auch Stücke des
Namens Neuenstein; bei der Kopie hat man das in Hans von N. falsch
ergänzt, nach seiner Gattin ist es Melchior von N., der mit ihr 1477 !) und
1478 * 2) erwähnt wird, u. a. bei einem Verkauf an die Klause von Oberndorf.
Im Spruchband stand nach Hardt:
<0 fjcifui jumjfroUi g. ßattrnn lütt für unä mariam ttnb üjr innt,
im heutigen, offenbar getreu kopierten Spruchband heißt es :
0 fjcü0 junji(!)frota äiit fiatfjrin füt für üä mar . . tili tr fünb(t);
12. auf der anderen Seite des Sockels kniet die Gemahlin des Melchior (Fig. 123)
mit der Unterschrift:
fuejä bä iiroßlni(yr syn housfrou)
(das Eingeklammerte ist neue Ergänzung, wie die Photographie vor der
Restauration lehrt; die Inschrift stimmt mit Hardt, der nur Großwyr las);
im Spruchband:
<0 ♦ . fjatljen in mine Kctic £ cf) aff b$ mi’ al nun äünbt tnrdt b’ctcöcn.
x) Krieger a. a. O. II, S. 312.
2) Ruppert FDA. 39, S. 182.
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
209
Der Hintergrund ist hier ergänzt, wie gesagt auch die Hälfte der Unter-
schrift, das Übrige mit geringen Ausflickungen alt. Nr. 8., 10., n., 12. befanden
sich nach Hardt in gleicher Zusammenstellung an dem jetzt leeren Nordfenster
des Chors.
In der Reihe darunter
13. ein ritterliches Ehepaar, er in
voller Rüstung betend, sie
hinter ihm, beide mit dem
gleichen Radwappen der Neuen-
stein und der Unterschrift:
(g)ßfiljact (heute »ochhart«) tlO
(ne)llicnötdn (Hardt las: Newstain),
im Spruchband :
1 1 & 1 . ba^tian tuir üit . .
tricfj üit got für miß fU^eftlü
(So nach der Photographie vor
der Restauration ; Hardt las :
kräfftiglich.)
Es ist der 1479 erwähnte
»jungher Gebhart Rohart von Neuen-
stein«,1) der nach Ruppert2) bis
1546 lebte, mit seiner ersten Ge-
mahlin Anna von Neuenstein (seine
zweite war eine Pfau von Rippur,
hatte also ein anderes Wappen), was
für die Datierung der Gemälde nicht
unwichtig.
Ergänzt ist die Unterschrift,
Teile des Fußbodens; neu eingesetzt
die Figur des Ritters ; wo das Original
hingekommen, weiß ich nicht.
In Nr. 14. der h. Sebastian;
nicht das einstens vorhandene Ori- ,, , , . r , ,
Fig. 123. Glasgemälde aus dem Lhor de?' Kirche in Lautenbach.
ginal, sondern ganz neu !
Daneben in 15. wieder ein knieender Neuensteiner in voller Rüstung mit Wappen,
dahinter seine Frau mit Wappen, nach Hardt:
hans von newenstein (dies wohl nach alter Unterschrift) und
seine Gemahlin Magdalena von Zellwang 3).
Im Spruchband steht:
a tjiiig ♦ »Sebastian in nfiten ln a llst uns bubtaljii;
1) Krieger a. a. O. II, S. 312.
2) FDA. S. 130 ff., Stammtafel.
3) Der Name war 1882 unter den alten Scheiben noch erhalten.
Band Vtl.
4
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
2 1 1
AUS DEM FEYR BIN ICH GEFLOSSEN DURCH STEFFENN NICOLAUS
ARNOLD PETTER BERNAR (sic!) AUS LOTHRINGEN BIN ICH
GEGOSSEN ANNO • l7oo • • ;
aufgelötet das Bild der Schmerzensmutter und auf der anderen Seite das des Ge-
kreuzigten.
Die zweite Glocke zeigt oben einen Früchtekranz und die Umschrift:
feLix abbas aD oMnes sanCtos renoVari feCIt rUpta fUI,
unten :
MATTHEUS EDEL ZU STRASSBURG GOS MICH 1781,
aufgelötet das Bild eines h. Abtes (Norbert?) und eine Kreuzigung.
Die kleinste Glocke trägt die Inschrift: Ego sum effusa in honorem S. Barbarae
1590 e monasterio ad omn . . sanctos.
Kirchengeräte, teilweise in der Sakristei und teilweise im Pfarrhaus aufbewahrt:
Sonnenmonstranz, silbergetrieben und vergoldet, Relieffiguren, getriebene Medail-
lons am Fuß, darin : Abendmahl, büßende Magdalena und Abtswappen von Allerheiligen
mit der Umschrift in Kursiv : Josephus D. G. Abbas Collegii Con. Praemonstrad. ad
omnes Sanctos. Augsburger Beschauzeichen und I Z (?) (Johann Jeckel?), cf. Rosen-
berg Nr. 292.
Speisekelch, silbervergoldet, getrieben ; nicht so stattliche Arbeit, Augsburger Be-
ß
schauzeichen und ^ (B. Wentzel?, J- 1704, Rosenberg Nr. 228).
Kelch, silbervergoldet mit Silberfiligranwerk an der Cuppa und am Fuß Email-
medaillons aus der Passion, Augsburger Zeichen und I Z (s. oben).
Desgleichen mit getriebenen Rocailleornamenten und Steinchen, Augsburger Zeichen
und R.
Desgleichen ebenfalls mit Rocailleornamenten, Beschauzeichen : Kreuz in schräg
I A
quadriertem Schild und ^ .
Wettersegen 18. Jh. mit Silberranken in den Kreuzecken.
Meßkännchen, silbervergoldet mit kräftigen getriebenen Blumenornamenten ; am
Weinkännchen das Straßburger Feingehaltszeichen von 1750 bis 1796 (cf. Rosenberg
Nr. 1505) und nochmals die Lilie, worunter D (Jahresbuchstabe für 1755?, Rosen-
berg Nr. 1513); außerdem I M L I N; das Wasserkännchen nur mit D unter der Lilie.
Die Platte, wohl kaum dazugehörig, in kräftigen Formen getrieben, Früchte und Engels-
köpfe zieren sie; in dem vertieften Standort der Kännchen Namenszug Mariä und Jesu.
Augsburger Zeichen und IBE (Joh. Baptist Ernst, J- 1697, Rosenberg Nr. 258).
Treffliche Arbeit vom Ende des 17. Jhs.
Madonnenstatuette (s. Fig. 124), silbervergoldet, getrieben. Die Madonna auf der
Mondsichel (ca. 1 7 cm hoch) mit reichgelocktem, über die Schultern fallendem Haare,
trägt die (später aufgesetzte) Krone und hält in beiden Händen das unbekleidete Kind,
hinter ihr die Strahlenmandorla ; sie steht auf spätgotischem, achteckigem (gegossenem)
Postament, in dessen Nischen zwischen fialengeschmückten Strebepfeilern kleine Engelchen
musizieren. Das Ganze ein hübsches Werk aus dem Anfänge des 16. Jhs., mit den
deutlichen Zeichen der eindringenden Renaissance. Es steht jetzt auf einem silbernen
Kirchengeräte
r4
212
KREIS OFFENBURG.
Pfarrhaus
Schrank
Ölgemälde
Brunnen
Schluß-
betrachtung
Fuß späterer Zeit mit getriebenen Früchteornamenten und gegossenen Engelsköpfen, am
Fuß das Zeichen F ? ; ein Rosenkranz umrahmt die Figur.
Auf dem Altar vier silberne Barockleuchter aus Allerheiligen.
An alten Gewändern ist die Kirche ziemlich reich ; ich zählte 3 Pluviales, 1 8 Kasein,
ziemlich noch mit allem alten Zubehör. Es sind durchgängig Produkte des 18. Jhs.,
teils mit eingewebten Blumen, teils gestickt, von dem vornehmen Geschmack und oft
zarten Farbensinn dieser Zeit zeugend. Vor allem hervorzuheben ein weißer Rauch-
mantel nebst Kasel, Levitenkleider, Mitra etc. mit prächtiger Hochstickerei in Silber,
Gold und bunter Seide im Rocaillestil. Die Sachen dürften größtenteils aus Allerheiligen
stammen.
Das Pfarrhaiis, zwischen dem ersten und zweiten südlichen Strebepfeiler an das
Langhaus angebaut, also ursprünglich über die Kirche etwas herausragend, und in einem
Flügel nach Osten umbiegend, aus Bruchsteinmauerwerk, verputzt, mit Sandsteingewänden,
zeigt an seinen Eingangstüren kielbogigen Sturz, ein kleines Fenster mit ähnlichem Sturz,
die anderen alle mit geradem und mit hohlgekehltem Gewände; eine Wasserschräge
trennt das untere vom überkragenden, oberen Geschoß, welch letzteres nur aus Riegel-
werk besteht.
Im Innern führt eine interessant angelegte, spätgotische Tür in das einstige Refek-
torium der Mönche; hier sehen wir auch noch die Öffnung in das Armenspeisezimmer.
Aufbewahrt werden sie zum Teil in einem reich geschnitzten, spätgotischen Schrank ,
der in seiner Bekrönung köstliches Rankenornament aufweist und größtenteils noch die
alte Fassung besitzt.
In dem Schrank zwei Glasscheiben aus der Kirche auf bewahrt, Stücke von
Baldachinen.
In einem Zimmer des Erdgeschosses hängt ein dekorativ sehr tüchtiges, leider
stark beschädigtes Oelgemälde von einem guten Rubensschüler, eine Anbetung der
Könige darstellend : nach der Aufschrift auf der Rückseite von dem Maler und Kupfer-
stecher Paneels, ') der, 1600 in Antwerpen geboren, 1630 über Köln nach Mainz und
Frankfurt gezogen ist. !)
Im Garten des Pfarrhauses ein Brunnen: Achteckschale, worin achteckiger Stock
mit Maskaronausflüssen, auf ihm Statue der Madonna mit Kind: aus der ersten Hälfte
des 17. Jhs.
In der Gartenmauer eingemauert: kleines Figürchen, Putto mit Fisch von einem
Brunnen des 17. Jhs.
Von der Südostecke des Pfarrhauses aus zieht sich die alte Umfassungsmauer
herum bis zu dem jetzigen Turm, wo ein Stück von ihr niedergelegt ist. In ihrem nörd-
lichen Teil befand sich ein Fenster eingemauert mit Rundstäben und Hohlkehlen an
dem Gewände, geradem Sturz mit Blendkielbogen, daran die verwischte Schrift:
?
anno ♦ ♦ ♦ I7ZI
Das Fenster ist jetzt neben der Eingangstür des Pfarrhauses verwendet. Seine
Jahreszahl gibt meines Erachtens den Abschluß der Bauten hier, ja überhaupt der
ganzen Ausstattung, und wir kommen damit auf die, ich möchte sagen : innere Geschichte
des Baues. Nach den am Bau selbst vorhandenen Jahreszahlen, nach den Ergebnissen
*) Allgem. Künstlerlexikon 3 III (Frankfurt 1S98), S. 366.
AMT OBERKIRCH. — LAUTENBACH.
213
der Stilkritik, nach den erwähnten historischen Daten und nach den damit überein-
stimmenden, wie wir sahen, sehr gewissenhaften Angaben des Pater Hardt dürfen wir
diese Geschichte so rekonstruieren: Nach dem Brand von Allerheiligen faßte Propst
Andreas Rohart von Neuenstein den Entschluß zu dem Bau, in dem ihn wohl der Kon-
ventuale Heinrich Vehl lebhaft unterstützte. Nach den nötigen Vorbereitungen wurde
ein hervorragender Baumeister aus dem nahen Elsaß, Hans Hertwig aus Bergzabern,
herbeigeholt und 1471 der Grundstein gelegt. Wie schon ausgeführt, waren die Bau-
herren der Propst von Allerheiligen, der als feinsinnig bekannte Bischof Albrecht von
Straßburg, ein Herr von Bach und ein Herr von Neuenstein. Der Bau schritt rüstig
vorwärts, auch nachdem der Propst Andreas gestorben war; doch scheint der Meister
dem Drängen der Bauherren nicht immer genügt zu haben, was zu den eingangs
erwähnten Verhandlungen führte; um 1482 muß aber der Bau im wesentlichen voll-
endet gewesen sein; damals begann und wurde bald danach fertiggestellt die Aus-
stattung mit Glasgemälden, mit denen sich die Guttäter der Kirche, insbesondere aus
den Familien der Schauenburg und Neuenstein, aber auch reiche bürgerliche Geschlechter
der Umgegend ein Denkmal setzten. Die Pröpste von Allerheiligen förderten die Aus-
stattung, insbesondere Johannes Magistri, J* 1492, dessen Interesse wir aus den Ver-
trägen mit dem Meister kennen gelernt haben, unter dessen Regierung 1485 die Gnaden-
kapelle und 1488 der Lettner entstand; dann Peter Burkard, der im Chor der Kirche
begraben liegt. Ihm (J* 1514) danken wir den prachtvollen Hochaltar ; wir dürfen darin
den Angaben des P. Hardt nach allen Proben trauen und demnach auch sein Porträt
in der Stifterfigur erkennen; in dem Mönch auf dem Gemälde der Heimsuchung den
Kaplan Heinrich Vehl. Er scheint — man kann es ohne große Phantasie aus allem
erraten — so recht die treibende Kraft des Ganzen gewesen zu sein und wußte der
Kirche fortwährend neue Stiftungen zu verschaffen; auch als er 1514 selbst Propst
geworden, behielt er die Kaplanei bei; 1521 war Kloster bezw. Hospiz und Kirche
völlig fertig; 1523 stiftete er für sich, seine Eltern und alle Wohltäter der Kapelle zwei
Jahrzeiten mit Vigilien, ]) wozu jeweils sechs Priester von Allerheiligen kommen sollten.
Möglich, daß damit die zwei geschilderten Seitenaltäre unter dem Lettner Zusammen-
hängen; wenn auch die Inschrift neu, so stimmt sie doch mit der Formengebung, und
gegen die Identifizierung der Stifterfigur dürfte nicht viel einzuwenden sein. Schon vorher
mag er das schöne Kruzifix für den Kreuzaltar bestellt haben, wie auch noch unter ihm
die Beschaffung der silbernen Madonnenstatuette für die Prozessionen geschehen sein
mag. Als er in Allerheiligen abdankte, kehrte er nach Lautenbach zurück, um dort bis
zu seinem Tode zu bleiben. Der begeisterten Initiative dieses einen, der rührigen
Förderung durch die Allerheiliger Pröpste, dem lebhaftesten Interesse der ganzen Gegend,
der Meisterhand eines großen Künstlers und seiner Kollegen verdanken wir so dies
einzige Ganze.
Im Dorf noch zu bemerken: die Jahreszahl 1605 an dem abgefasten Rundbogentor
des Hauses Nr. 43 sowie die schmiedeeisernen Schilder an den AVirtshäusern »Zum
Schwanen« und »Zum Sternen« aus dem 18. Jh.
Aus der gleichen Zeit Bildstöcke auf den Wegen nach Oberkirch und Hubacker,
wo auch ein Kreuz von 1681.
Bildstöcke
Kreuz
*) Ruppert FDA. 24, S. 278.
KREIS OFFENBURG.
Ansichten
Geschichtliches
2 14
LIERBACH
Schreibweisen: Lerbach ca. 1381 ; Lirpach 1386; zuo Lierbach under Alienheiligen
in dem tale 1386; Lyerbach 1542. (Lier? = schlier, slier = Lehm?)
Das Tal des Nordwassers gehörte vom Bestehen des Klosters an zu Allerheiligen;
der Ort besteht aus weit auseinander liegenden Gehöften und gehörte bis 1803 zum
weltlichen Besitztum des Bistums Straßburg (Herrschaft Oberkirch), dessen Schicksale er
ohne besonders Erwähnenswertes mitmachte.
Bei Schwaiger in L. sollen sich früher Holzverzierungen (?) aus Allerheiligen
erhalten haben.
KLOSTER ALLERHEILIGEN
Schreibweisen: Coenobium in honorem omnem Sanctorum ca. 1196; Monasterium
Omnium Sanctorum 1224; Cella omnium Sanctorum (Annal. Marchtal.) 13. Jh. ; de
Omnibus Sanctis 1287; von Allen helgen 1347; zu Allenheilgen 1356.
Literatur: Schannat, Notitiae Monasterii Omnium Sanctorum in Vindemiae
liter. I, S. 142-151. Ruppert, Regesten zur Geschichte der Schauenburger, Oberrh.
Ztschr. XXXIX, S. 83-180. Freib. Diöz.- Archiv XXI, S. 31 1 ff., XIV, S. 268 ff. Gams,
Nekrologium des aufgehobenen Klosters, Freib. Diöz.- Archiv XII, S. 231-234.
Petrus, Suevia ecclesiastica, Augsburg 1699, S. 651-657. Hugo, Annales Ord.
Praemonstratensis, Nancy 1734/36, II, S. 453-460. Grandidier, Oeuvres inedites III,
S. 149 ff, 228 ff. J. Bader, Führer für Fremde durch die Umgegend von Achern,
in die Rench- und Kniebisbäder, nach Allerheiligen etc., Karlsruhe 1844 (die einzelnen
Teile auch gesondert). Schriften des bad. Altertumsvereins Heft V. F. von Böckh,
Geschichte des Kurortes Allerheiligen. Gründung und Geschichte des Klosters, Lahr 1879.
G. Mayer, Triumphierende Übersetzung zweier heiliger Leiber, der Blutzeugen Clemens
und Bonifacius, welche im Stifte Allerheiligen begangen, Rastatt 1773. Das Kloster
Allerheiligen im Schwarzwalde, Katholik 1850,11, S. 461-470. K. G. Fecht, Das
Kloster Allerheiligen, Karlsruhe 1872, 2i89o. Wilh. Weiß, Geschichte des Dekanates
und der Dekane des Real- und Landkapitels Offenburg S. 1 12-145. J- P- Scherer,
Allerheiligen im badischen Schwarzwald einst und jetzt, Leipzig o. J. (1900). F. J. Schmitt,
Die Bauthätigkeit der ehemaligen Prämonstratenserabtei Allerheiligen, Oberrh. Ztschr.
NF. IX, S. 274-283. Kolb, Lexikon vom Großh. Baden I, S. 11-13. Krieger,
Topographisches Wörterb. I, S. 36-40.
Ansichten des Klosters von 1680 in Näher, Die Ortenau; v. J. 1734 in Hugo,
Annales ordin. Praemonstratensis, Nancy 1734/36. Eine Ansicht v. J. 1783, deren
Original mir unauffindbar, Reproduktion im Kurhaus, stammt Vom Abt Felix. — Eine
farbige Lithographie der Klosterruine von F. Stroobant ca. 1850.
Geschichtliches: Für eine geschichtliche Würdigung des Klosters Allerheiligen
sind weder von seiten des Konventes im Laufe seiner 600jährigen Existenz größere
Vorarbeiten gemacht worden, noch liegt aus neuerer Zeit ein irgendwie brauchbarer
Versuch vor. Die literarische Tätigkeit des ersteren, soweit sie der eigenen Vergangenheit
galt, beschränkte sich auf Anlegung eines Totenbuches, eines unter Propst Johann Schüßler
angelegten Kopialbuches (Hypothecarum, privilegiorum, immunitatum, censuum ac jurium
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
215
monasterii Omnium Sanctorum Tomi I et II), fortgesetzt unter dem Titel »Schriftliche
Dokumente des Gotteshauses Allerheiligen« (Karlsruhe, Generallandesarchiv), sowie auf
den völlig verschollenen Anfang einer Klosterchronik von P. Georg Hempfer (J- 1648)
und auf gleichfalls verschwundene Annalen von Propst Hodapp und Abt Kistner
(17. Jh.). Im 19. Jh. sind Dekan Haid und Ruppert über die Sammlung von
Materialien nicht hinausgekommen. Das geschichtliche Bild ist infolge dieses Mangels
an reicher fließenden Quellen wie an Bearbeitungen in vielen, namentlich mittelalter-
lichen Partien sehr lückenhaft und wenig plastisch.
Als Gründerin ist die Herzogin Uta von Schauenburg ') bezeugt. Tochter des
Pfalzgrafen Gotfrid von Calw-Schauenburg, des Vertrauten Heinrichs V., und der Tochter
des Herzogs Berthold II. von Zähringen, Luitgard, war sie in erster Ehe mit Berthold
von Eberstein, in zweiter mit Welf VI., Grafen von Altdorf, Herzog der Reichslehen
Spoleto und Tuscien, verheiratet. Nach dem frühen Tode eines Söhnchens über-
ließ sich der in seiner Hoffnung auf Nachkommenschaft enttäuschte Herzog einem zügel-
losen Leben, indes Uta die einsamen Jahre in Sindelfingen und auf der Schauenburg ver-
trauerte. Alter und die Folgen seines Lebens führten Welf wieder zur Frau zurück.
Eine Frucht dieser inneren Umkehr ist die Stiftung des Klosters Allerheiligen, die Uta nach
dem Tode Welfs (1191) ausführte. Uber den genauen Zeitpunkt sind wir nicht unterrichtet,
da der Stiftungsbrief nur in der undatierten Bestätigungsurkunde Kaiser Heinrichs VI.
v. J. 1196 1 2) enthalten ist; doch ist nur ein Spielraum zwischen 1191 und 1x96 denkbar.
Ausgestellt ist die Gründungsurkunde in Sindelfingen, wo die Herzogin, abwechselnd mit
der Schauenburg, sich aufzuhalten pflegte. Dieser Ort und die Herkunft des Herzogs
Welf bieten uns genügende Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage, aus welchem
Grunde gerade Chorherren vom Prämonstratenserorden berufen wurden, die im süd-
westlichen Deutschland damals so selten zu treffen waren wie später. In der Diözese
Straßburg kam nur noch ein Hagenauer Kloster (gegründet 1198) in Betracht, mit dem
Allerheiligen auch für die ganze Folgezeit nahe Beziehungen unterhielt. Aber zur Zeit
der Gründung bestand jenes noch nicht. Aus dem Stiftungsbrief hat auch ein Filiations-
verhältnis zu einem Würzburger Kloster schließen wollen. Aber die betreffenden Worte
der Urkunde: ad Argentinensem quoque ecclesiam et episcopatum Claustrum spectare,
sicut cella Erbipoldi, unde plantatum est, constituimus, sprechen somit von einem uns
bisher nicht bekannten Kloster wohl in der Straßburger Diözese. Andererseits wissen
wir, daß auch in Sindelfingen ein Kloster des gleichen Ordens bestand, und aus den
Annalen des kurz zuvor (1171) gegründeten Prämonstratenserklosters Marchthal, daß
dieses Stift ein Paternitätsrecht (ius paternitatis) über Allerheiligen hatte. Worin dieses
bestand, wird uns nicht gesagt; schon Propst Dietrich von Wittenhausen (1242 bis 1251)
verzichtet aber wegen der Schwierigkeit der Wege auf Ausübung dieses Rechtes, quod
ecclesia ista in cella omnium Sanctorum se recognovit habere.3) Das Marchthaler Kloster
war eine Stiftung des Pfalzgrafen Hugo von Tübingen und seiner Gemahlin Elisabeth,
einer Nichte des Herzogs Welf. Dadurch wird auch die Wahl des Ordens bei den
1) Vgl. Jos. Bader, Frau Uta Herzogin zu Schauenburg, Badenia I (1839), S. 1 14 — 118.
a) Veröffentlicht bei Petrus, Suevia ecclesiastica, S. 651. Schöpflin, Alsatia diplom. I,
S. 306. Grandidier, Oeuvres in6d. III, S. 229. Vgl. dazu Ruppert, Oberrh. Ztscbr. XXXIX,
S. 105.
3) Annal. Marchthalenses, FDA. IV, S. 186.
KREIS OFFENBURG.
2IÖ
Gründern von Allerheiligen erklärlich. Wie bei Marchthal mochte auch fiir Welf und Uta
die Erwägung: quod ordo Praemonstratensis in brevi multum coram Deo et hominibus
profecit, *) den Ausschlag gegeben haben.
Die Stiftung des Schwarzwaldklosters wurde noch im gleichen Jahr wie durch
Kaiser Heinrich VI. durch Eberhard von Eberstein, den nächsten Erben der Uta, bestätigt,
ebenso durch Kaiser Philipp2) und Papst Innocenz III. 1200 und 1203; durch Papst
Honorius III. 1217 und 1222; durch Kaiser Friedrich II. 1218 3) und Bischof Heinrich
von Straßburg 1220. 1203 und 1216 werden als primi fundatores den eigentlichen Gründern,
Herzog Welf frommen Angedenkens und seiner Frau Uta, noch beigefügt Conradus seligen
Angedenkens Bischof von Straßburg, Hugo de Ulmburg, Bertoldus Herzog von Zeringen,
die den Ort durch fromme Zuwendung von Besitzungen ursprünglich gegründet haben. 4)
Im Stiftungsbrief ist die Lage des Klosters bestimmt am Nord wasserbach neben dem
Büttenstein. Nach der Legende wäre sie von einem von der Schauenburg ausgesandten
Esel, der das für den Bau bestimmte Geld trug, gefunden worden; nur daß nicht die
Höhe des Sohlberges, sondern der Talgrund darunter gewählt wurde. Den durch eine
entsprechende Inschrift gekennzeichneten Eselsbrunnen habe das Tier durch einen Huf-
schlag zur eigenen Labung erschlossen. Als Klosterbesitz wiesen die Stifter ein Gebiet
an, das im Osten bis an die Hornisgrinde, im Westen bis an den Sohl- und Brunnberg,
im Norden bis an den Griesbaumkopf reichte, außerdem Güter in Renchen, Ramsbach,
Hesselbach, Eiesweiler, den vierten Teil der Fischerei in Busterich, den Kirchensatz in
Nußbach. 1203 werden in der Bestätigungsbulle Innocenz’ III. noch weitere Grundstücke
in Appenweier, Ufholz, Grisbaum, 1216 das Spital von Simon und Juda in Gamshurst
genannt; 1224 das von S. Jakob und S. Johann in Urioffen;5) nach dem Kopeybuch
kam schon 1198 noch der Kirchensatz in Oberkirch, Oppenau und in der Burgkapelle
der Schauenburg hinzu.
Nach der Tradition begann die Errichtung des Stiftes schon 1191; die eines
offenbar bescheidenen Ciotteshauses 1192/93 und im folgenden Jahr die der Gebäu-
lichkeiten für anfangs fünf Insassen. Als Todesjahr der Stifterin wird 1196 genannt;
1200 ist sie jedenfalls nicht mehr am Leben. Das Mortuarium verzeichnet ihr Gedächt-
nis zum 26. August. Als erster Propst begegnet in den Urkunden von 1203 und
1217 Gerungus, 6) ein angeblicher Sohn der Uta, der aber nur aus ihrer ersten Ehe
stammen könnte. Der zweite Abt Walter ist urkundlich nachweisbar erstmals 1 2 2 1 ; 7)
er stand ursprünglich dem Marchthaler Kloster vor und kam bald nach seiner Resignation
dort (1214) als Propst nach Allerheiligen, 8) aber nicht vor 1216. Ein Propst H.feinricus]
wird 1248 und 1249 genannt; der vierte Vorsteher war Konrad von Schauenburg (1262
4) Annal. Marchthalenses, FDA. IV, S. 159.
i!) Würdtwein, Nova subsidia X, S. 187. Schöpflin, Alsat. dipl. I, S. 308. Böhmer,
Regesta imperii V, S. 1, 17.
3) Schöpflin, Alsat. dipl. I, S. 333. Böhmer, Regesta imperii V, S. 1, 221.
4) FDA. XXI, S. 312.
°) Hugo, Annal. Praemonst. II, S. 279. Böhmer, Regesta imperii V, S. 1, 710.
0) Das Allerheiliger Mortuarium bezeichnet ihn als sacerdos et fundator huius ecclesiae, de
quo datur conventui solatium, Badenia I, S. 1 14.
7) Schannat, Vind. lit. I, S. 142.
8) Annal. Marchthalenses, FDA. IV, S. 176.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.) 21 7
bis 1290), der 1290 resignierte und neun Jahre später erst starb. ]) Das Ansehen und
die materielle Macht des Klosters hatten sich wesentlich gefestigt und bis zu einem
Maße gemehrt, über das es später kaum noch hinausgekommen ist. Zuwendungen
von Gütern und Rechten erfolgten von allen Seiten, namentlich von den Schauen-
burg, Eberstein, Stauffenberg, Neuenstein, Winterbach, Ulmburg, Röder u. a., aber
auch von Bürgerlichen und Geistlichen. 1227 vergab Kaiser Heinrich einen Hof
in Reichenbach bei der Schauenburg und empfiehlt gleichzeitig die Almosensammler
des Klosters seinen Dienstmannen und Amtleuten; 1233 vermacht er zu ewigem Besitz
die früher als königliche Lehen dem Bertold von Winterbach zugewiesenen Güter
in Winterbach, Trutkindesberge, Lautenbach, Sulzbach, Zirbirchen (Hofgut bei Ulm),
Dachshurst.* 2) 1228 stiftet der gleiche Bertold für sich und seine Frau gegen Zu-
sicherung einer Jahresrente ein Seelgerät; er übernimmt dagegen vom Kloster gegen
eine Jahresabgabe für sich und seine Erben die Burg in Winterbach, die »turris
lapidea«. 3) Von Hirsau übernahm Allerheiligen den verpfändeten Klosterhof und den
zugehörigen Zehnten in Sasbach (1233); 4) die um diesen Besitz und um Güter in
Neusatz entstandenen Irrungen mit den Windeckern wurden 1249 geschlichtet. 1254
kamen Güter in Sand, 1262 in Walldorf (von Uta, Witwe des Grafen Gotfrid von
Calw), 1275 eine Jahresgilte in Kork, 1284 durch Propst Heinrich von Honau Höfe
und Güter in Ebersweier, Zusenhofen und Willstätt noch hinzu.5) Zu mancherlei
Unruhen führten die Rechte und Besitzungen in Nußbach. Schon Markgraf Hermann V.
von Baden focht die Schenkung der Herzogin von Schauenburg und Eberhards von
Eberstein an und erhob Anspruch auf die Vogtei und die Gotteshausleute in Nußbach,
wobei der Propst Heinrich gefangengesetzt und dem Kloster beträchtlicher Schaden im
Wert von über 100 Pfund zugefügt wurde. Im Vergleich, den Bischof Konrad von
Speyer herbeiführte (1241), wurde der Markgraf zum vollen Schadenersatz und zum
Verzicht auf seine Ansprüche angehalten. 6) Dreißig Jahre später machte Graf
Heinrich I. von Fürstenberg dem Kloster die Nußbacher Rechte und Besitzungen streitig.
Wahrscheinlich im Anschluß an den auf dem Erbweg erfolgten Übergang der Herrschaft
Oberkirch an den Grafen (1271) verlangte dieser den »unteren Hof« in Nußbach mit
dem Patronatsrecht über die dortige Kirche und ihre Filialen, den Allerheiligen von der
Mutter des Fürstenbergers käuflich erworben hatte, wieder zurück. Nach Erlegung der
Kaufsumme von 120 Pfund fiel ihm der Hof auch wieder zu, dagegen verzichtete er auf
alle anderen Rechte und Güter in Nußbach, ebenso auf das Patronatsrecht in Nußbach,
Oppenau, Oberkirch und der Kapelle der Schauenburg, desgleichen auf den noch von
der Herzogin Uta herrührenden »oberen Hof« (1275). 7)
*) Ruppert, Oberrh. Ztschr. XXXIX, S. 108 ff.
2) Grandidier, Oeuvres ined. III, S. 243; Oberrh. Ztschr. XXXIX, S. 106; NF. I, S. 70.
Schöpft in, Alsat. dipl. I, S. 360. Böhmer, Regesta imperii V, S. 2, 736.
3) Schannat, Vind. lit. I, S. 142.
4) I293 ging durch Verkauf noch ein Sasbacher Hof an das Kloster über, den bisher Johann
von Neuenstein als markgräflich badisches Lehen innehatte. Fester, Regesten der Markgrafen von
Baden I, Nr. 6x7.
5) Schannat, Vind. lit. I, S. 142 ff.
6) Schöpflin, Hist. Zaringo -Badensis V, S. 21 1 (wo eine Kopie z. J. 1246 publiziert wird).
Grandidier, Oeuvres ined. III, S. 250. Fester, Regesten der Markgrafen von Baden I, Nr. 379.
7) Schannat I, S. 146 ff.
2 I 8
KREIS OFFENBURG.
Weitgehend wie die Güterzuwendungen waren auch die Privilegien und die Gerecht-
same, mit denen Allerheiligen von allem Anfang an bedacht wurde. Es wurde unab-
hängig gestellt von jeder Vogtei und frei von landesfürstlichen und gemeinen Auflagen.
Von Seiten Straßburgs wurde es später nur zur Tragung der mit dem Bürgerrecht
zusammenhängenden Verpflichtungen, Kriegslasten etc. angehalten, wie 1360, wo es
»2 Helme« zum Kontingent der Stadt Straßburg für den Zug des Kaisers gegen den
Herzog von Württemberg zu stellen hat. *) Außer dem gewöhnlichen Zehnten vom
angebauten Land wurde dem Stift durch eine Bulle Alexanders IV. v. J. 1256 und eine
solche Bonifaz’ VIII. v. J. 1295 in allen zehntpflichtigen Orten der Neubruchzehnte und
Novalzehnte zugestanden. Auch bezüglich der Introitus- und Egreßtaxe bei Pfarrei-
besetzungen wurden den Konventualen von seiten des Kapitels Offenburg mancherlei
Vergünstigungen zu teil (1462).* 2)
Daß mit diesem äußeren Aufschwung auch das moralische Ansehen gleichen
Schritt schon in den ersten Jahrzehnten hielt, ersehen wir aus der Berufung von Kon-
ventualen des Schwarzwaldklosters nach der Abtei Lorsch, um dort im Auftrag des
Mainzer Bischofs gegen widerspenstige Mönche gründliche Reform durchzuführen und
den wahren Geist der Disziplin wiederherzustellen.3) Außer diesem Ereignis bleibt die
Geschichte von Allerheiligen flir die nächsten Jahrhunderte fast nur auf Änderungen im
Besitz- und Rechtsstand beschränkt; das innere Leben bleibt für uns stumm, und auch
im äußeren ist der Brand v. J. 1470 das erste wieder registrierte Ereignis. Nach der
traditionellen Annahme hätte das Feuer damals fast das ganze Kloster vernichtet. Wie
Ruppert aber mit Recht betont, bedarf diese Ansicht einer wesentlichen Einschränkung.
Denn schon 1469, 17. März, beschlossen Propst und Konvent, das von
Propst Berthold hinterlassene Geld zur Tilgung der Klosterschulden
aufzuwenden und die Restsumme von 3575 Gulden auf Zinsen anzulegen
und daraus die Kosten der Restaurierung des Klosters zu bestreiten,
bis Kreuzgang, Schloßhaus, Propstei, Münster, Siechenhaus, Gasthaus
und die Ordensgebäude mit Steinwerk, Ringmauer und Pforten nach
Herkommen versehen wären.4) Die ganze Klosteranlage befand sich somit nach
diesem Dokument in einem teilweise unfertigen Zustand. Nach dem Brand zog der
Konvent nach Lautenbach und richtete sich dort häuslich ein, bis der Neubau in Aller-
heiligen wieder bewohnbar war. Diesem Anlaß verdankt Lautenbach seinen schönen
Kirchenbau. Einen Augenblick schien es sogar, als ob das rauhe und einsame Waldtal
Allerheiligen ganz aufgegeben werden sollte. Aber die Klosterinsassen widersetzten sich
solchen Bestrebungen des Propstes mit aller Entschiedenheit und vor allem mit dem
Beschluß, daß kein Propst in Zukunft länger in Lautenbach sich aufhalten dürfe (1480).
1484 wurde ein Kapitelsstatut angenommen, daß jeder Konventuale bei der Aufnahme
eidlich geloben müsse, jeder Verlegung des Stifts sich zu widersetzen.
Die religiösen und politischen Unruhen des 16. Jhs. machten sich in Allerheiligen
zunächst nur in der Bauemerhebung bemerkbar. Indem wir auf die allgemeine Dar-
stellung dieser Bewegung in der Einleitung oben verweisen, berühren wir hier nur die
r) Straßburger Urkundenbuch V, S. 448.
2) FDA. XIV, S. 268 ff.
8) Vgl. Falk, Geschichte des Klosters Lorsch, Mainz 1866, S. 95.
4) Allerheiligen, Kopialb. II, S. 670. Ruppert, FDA. XXIV, S. 274.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.) 219
Allerheiligen allein betreffenden Vorgänge. Nachdem der hauptsächlich von der Grafschaft
Hanau-Lichtenberg aus genährte Aufstand schon in der unteren Ortenau am 12. April 1525
am Kloster Schwarzach ein Opfer gefunden hatte, waren auch im Amt Oberkirch zur
gleichen Zeit durch den Oberkircher Haufen von etwa 8000 Mann ähnliche Exzesse
begangen worden. Anfangs Mai 1525 war hier der Klosterhof von Allerheiligen in Ober-
kirch geplündert und in fanatischer Weise in der dortigen Kirche gewütet worden: der
Altar wurde erbrochen, das Ciborium seines Inhaltes entleert und die Hostien auf der
Erde zertreten ; drei Heiligenbüsten wurden zerschlagen, ebenso alle Fenster mit Adels-
wappen; von den Grabsteinen der Messingschmuck weggerissen. Ähnliches wird auch
vom Klosterhof in Lautenbach und vom Kloster Allerheiligen selbst gemeldet, wo man
aber die wertvollsten Sachen schon in die Feste Schauenburg geflüchtet hatte.1) Nach-
dem sich der Markgraf von Baden und die Stadt Straßburg auf der Tagung in Renchen
(22. — 25. Mai 1525) mit den Bauern geeinigt hatten in 12 Artikeln, machte auch Aller-
heiligen, als erstes der Stifte, auf der gleichen Basis seinen Frieden mit den Bauern.
Propst und Konvent wurden wieder in die alten Rechte und den Genuß von Gütern
und Zinsen eingesetzt und sollten von den Bauern alle Ornate und Kirchengeräte,
Hausrat und Urkunden, die in Allerheiligen wie in Lautenbach und Oberkirch geraubt
worden waren, zurückerhalten, nicht aber das sonst noch Entwendete und Veräußerte.
Dagegen hatte das Kloster dem Bauernausschuß 100 fl. zu zahlen.2)
War damit dem Kloster die Ruhe wieder zurückgegeben, so brachte schon 1555
ein Brand wieder neues Unheil. Ihm fiel das Dach und die Innenausstattung der Kirche,
von den Klostergebäulichkeiten selbst das Dormitorium und Refektorium, die Werk-
stätten und Kirche, das Spital, die Prälatur und die Wirtschaftsräume anheim. Der
Konvent mußte sich nach Lautenbach und auf die benachbarten Stiftshöfe zerstreuen.
Schon vor dem J. 1562 war die Kirche wieder in stand gesetzt; der Aufbau der Stifts-
gebäude zog sich aber, infolge mangelnder Mittel, bis in die 80 er Jahre hinaus. Und
kaum war diese Sorge behoben, so brachen die Folgen der Reformation über die stille
Mönchsniederlassung herein. Zwar blieben Allerheiligen wie sein Gebiet und seine
Pfarreien der neuen Lehre größtenteils verschlossen, dafür aber fiel es mit dem rechts-
rheinischen Gebiet des Bistums Straßburg im Kapitelstreit dem protestantischen Bischof,
dem Markgrafen Johann Georg von Brandenburg, zu (1592). Auch Vierordt muß
zugeben, daß das Verfahren dieses Administrators in dem geschlossenen katholischen
Gebiet unrechtmäßig und gewalttätig war : 3) der streng protestantische Kanonikus
Ernst von Mansfeld wurde Amtmann in Oberkirch. In dieser Stellung versuchte er auf
gütlichem wie gewaltsamem Wege, das Renchtal zu protestantisieren. Dem Kloster
Allerheiligen setzte er einen eigenen Schaffner und mischte sich auch in die geistlichen
Angelegenheiten ein. Durch das Verbot, neue Novizen aufzunehmen, sollte das Stift
zum Aussterben verurteilt sein, damit es desto leichter säkularisiert werden konnte.
Zuletzt fanden sich nur noch vier Religiösen vor, die Stiftschule wurde gleichfalls in
ihrer Wirksamkeit gehemmt. Aus dem Straßburger Klosterhof nahm Mansfeld das
Silbergerät an sich. Als sich der Konvent beschwerdefuhrend an den Kaiser wandte,
*) Hartfelder, Die Geschichte des Bauernkrieges in Südwestdeutschland, S. 383 ff., nach
einem gleichzeitigen Bericht.
2) Ebenda S. 392.
3) Vierordt, Gesch. der evang. Kirche in Baden I, S. 76 ff.
220
KREIS OFFENBURG.
rügte Rudolf II. in mehreren Erlassen das Vorgehen Mansfelds sowie die Versuche, die
Klosterinsassen zu protestantisieren, und ordnete die Herausgabe der widerrechtlich weg-
genommenen Klosterhabe und die Erhebung des P. Peter Jehle zum Propst an. Ernst
von Mansfeld wollte ihn nur gegen die Zusicherung zulassen, ihn jederzeit entfernen zu
können und die Schlüssel zum Kloster eingehändigt zu bekommen. Als sich Jehle
darauf nicht einließ, wurde er gefangen nach der Feste Dachstein gebracht, wo er
noch im gleichen Jahr 1595 starb, wie das erregte Volk glaubte, nicht eines natürlichen
Todes. ') Diese völlige Okkupation durch Mansfeld hatte erst ein Ende, als Rudolf II.
aus dem Prager Schwesterkloster Strahow den energischen Prior Johannes S c h ü ß 1 e r
in das Schwarzwaldkloster als Propst abordnete (1599). Durch den Willstätter Ver-
trag (1600) mit den Vertretern des protestantischen Bischofs wurden die schlimmsten
Rechtsverletzungen Mansfelds beseitigt. Schüßler erhielt wieder die Venvaltung des
Klosters, die Lautenbacher Kirche und den Straßburger Hof zum Reibeisen zurück,
dafür entrichtete er von da an die jährliche Abgabe anstatt ans Reichskammergericht an
den Bischof. Um wieder Ordnung in die Rechtsverhältnisse des Klosters zu bringen,
sorgte der neue Propst für die Wiederherstellung und Sichtung des Archivs und für
Anlage eines Kopialbuches, das mit seinen späteren Fortsetzungen 24 Bände umfaßt.
Schon 1601 dankte Schüßler, kurz vor seinem Tode, ab; auch sein Nachfolger hielt
sich nur wenige Wochen in seinem Amte, das noch immer in den wesentlichsten Funktionen
gehemmt und beeinträchtigt war. Erst das Abkommen zwischen den zwei Bischöfen
v. J 1604 brachte dem Kloster wieder die notwendige Bewegungsfreiheit und damit die
Möglichkeit einer gedeihlichen Entwickelung: der protestantische Administrator wurde
für seinen Gebietsteil durch eine größere Geldsumme abgefunden. Zu deren Deckung
kam das Amt Oberkirch mit Allerheiligen als Pfand an den Herzog von Württemberg.
1665 wurde auch das wieder eingelöst.
Inzwischen hatten die Schrecken und Nöten des Dreißigjährigen Krieges von
Oberkirch aus wiederholt an die stille Waldsiedelung geklopft; immer aber war sie ihnen,
zum Teil durch Protektion Richelieus, entgangen, nur daß 1638 am 19. Februar bei
Erstürmung der Oberkircher Kirche durch Franzosen und Schweden auch einige Kon-
ventualen fielen. 1657 wurde das Kloster zur Abtei erhoben. Mit allem Nachhalt
ging man jetzt in verhältnismäßig langer Friedenszeit an die Ausbesserung der materiellen
Schäden und an die Festigung der inneren Ordnung. Auch die Klosterschule, die
schon lange vor 1590 begegnet, später Gymnasium genannt, eine überaus segensreiche
Pflanzstätte humanistischer Bildung für Mittelbaden, nahm einen immer höheren Auf-
schwung bis zur Aufhebung des Stiftes. Bei Ausbruch der französischen Revolution
siedelte das Straßburger Priesterseminar unter der Leitung Liebermanns in die gastlichen
Räume, die auch manchem emigrierten Priester ein einsames und sicheres Obdach
boten. Dank einer weisen und umsichtigen Verwaltung hatte das Kloster während
seiner ganzen Existenz alle Besitztitel zu wahren gewußt. Unmittelbar vor seiner Auf-
hebung hatte es noch eine gemilderte Auflage des Bauernaufstandes zu bestehen, der
sich ebensosehr gegen die bischöflichen wie die klösterlichen Gerechtsame richtete.
Anlaß zur Unzufriedenheit gegen das Kloster gab ein das ganze 18. Jh. hindurch spielender
l) Vgl. Descriptio historica in tabulis domesticis coordinata bei Petrus, Suevia eccles. S. 652.
Badenia III (1844), S. 250.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
221
Prozeß wegen der Benutzung eines Genossenschaftswaldes der Gemeinden Ulm, Waldulm,
Renchen u. a., der sog. Ulmhartprozeß. Ermutigt durch die revolutionäre Erhebung
jenseits des Rheins versuchten die Talgemeinden (1789) durch Gewalt sich Recht zu ver-
schaffen. Wiederholt erschienen die empörten Scharen in der Nähe des Klosters;
Hilfe kam weder vom Bischof noch am Anfang vom Markgrafen. Erst eine länger
dauernde kurpfälzische und kurmainzische Besatzung schuf wieder Ruhe ; eine Bestrafung
der schuldigen Rädelsführer verhinderte aber der milde Abt Felix Kemmerle.
Auf dem Gebiet der Wissenschaften hat Allerheiligen glänzende Namen oder auch
nur solche zweiten Ranges in größerer Anzahl nicht aufzuweisen : auf dem der Theologie,
vornehmlich der praktischen, und der Ascese u. a. P. Sebastian Alber (•{• 1752),
Gerungus Goetz (*f* 1687) und Ludwig Goetz (J* 1710); den sehr verdienten Pfarrer
von Lautenbach P. Adalbert Hard (f 1754), ]) Georg Hempfer, über 20 Jahre Prior
des Klosters (*J* 1648), schrieb außer theologischen Arbeiten eine Historia illustrium
virorum Sueviae und den Anfang eines Chronicon Monasterii Omnium Sanctorum. -)
Ein gleichfalls für die Geschichte des Klosters wertvolles Unternehmen führten der
Propst Norbert Hodapp (1639 bis 1653) und sein Nachfolger der Abt Gottfried Kistner
(1657 bis 1692) mit der Abfassung der Annalen von Allerheiligen aus, die aber hand-
schriftlich in neuerer Zeit verschollen sind. 1 2 3) Von den Persönlichkeiten, die ihre Aus-
bildung dem Stiftsgymnasium verdanken, verdienen Erwähnung der Haslacher Adalbert
Eisenmann, später Professor der Mathematik in Paris, und Fr. Xaver Merk, später
Professor der Theologie in Heidelberg und Freiburg.
Außer der Klosterkirche stand auf dem Stiftsboden noch eine Ursulakapelle,
die erstmals 1352 und 1370 erwähnt wird, angeblich an der Stelle errichtet, wo am
Fest der h. Ursula (21. Oktober 1191) der mit dem Geld für den Klosterbau beladene
Esel Halt machte. 1370 wurde die Kapelle neu gebaut und anläßlich der Einweihung
am Fronleichnamstag ein Ablaß verliehen. Aus älterer Zeit werden Grablegen in
der Klosterkirche erwähnt : von einem armiger Rudolf de Schowenburg und seinem
Sohn, qui apud nos quiescunt (13. Jh.) ; 4) von Bertoldus de Schowenburg, der tumbam
habet oblongam in ambitu claustri australi cum hac inscriptione : Anno Domini MCCCVIII
cal. April. Bertoldus de Schowenburg feliciter obiit;5) von einer Agnes de Zeiskeim,
Frau des Heinrich Röder, später des Reinbold von Schauenburg (zweite Hälfte des
14. Jhs.). 6)
1803, 14. Februar, wurde das Stift säkularisiert. Der größte Teil des aus 28 Chor-
herren bestehenden Konventes zog mit seinem Abt nach Lautenbach. Schon am 6. Juni
schlug der Blitz in den Turm der Kirche und äscherte infolge der leicht entzündlichen
Bedachung Turm und Dach der Kirche und den größeren Teil der Klostergebäude ein.
Erhalten blieben u. a. die Prälatur, Bibliothek und das Gymnasium. Auch der Hoch-
1) Goovaerts, Ecrivains, artistes et savants de l’ordre de Premontrd I, Brüssel 1899, XVI,
S. 324, 353-
2) Bader, Badenia III, S. 252. Goovaerts a. a. O. I, S. 373.
s) Goovaerts (a. a. O. I, S. 392, 446) erwähnt, daß die Handschrift 1883 durch den Buch-
händler Auer in Wien zum Verkauf angeboten und rasch auch abgesetzt wurde.
4) Ruppert, Oberrh. Ztschr. XXXIX, S. 108.
5) Straßb. Stadtarchiv K. v. K. Argentoratensia hist, polit. Tom. I. Ruppert, ebenda S. 114.
6) Ruppert, ebenda S. 137.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
223
der umgefallenen Säulen« waren noch vorhanden, die Quader kamen wieder an ihre früheren Stellen.
Die Mittel waren ursprünglich vom Badischen Altertumsverein hergegeben, x) später von der Regierung.
Es wurden »sowohl großartige Lichtungen und Wegräumungen von Schutt und Graus als auch Bau-
Ergänzungen« vorgenommen, »so daß die ihrer reichen Bauart wegen lehrreichen Reste der ehe-
maligen Klosterkirche frei zu liegen kamen und gefahrdrohende Bautheile wieder verfestigt wurden«.
Außer den obenerwähnten Aufnahmen ist auch in der handschriftlichen Beschreibung der Baudenk-
male Badens, die G. J. von Gerlat-Wellenburg in den fünfziger Jahren des 19. Jhs. anlegte,
eine Aufnahme der Ruine in ihrem Stand von 1857 erhalten. Kunstgeschichtlich blieb die Ruine
ziemlich unbekannt, von ganz kurzen und irrigen Notizen bei Lotz* 2) und Otte3) abgesehen. 1876
bis 1878 wurden neue, ausgedehntere Erhaltungsarbeiten unter Direktor Kachel vorgenommen.
Nach den Berichten war ein Teil der Blendarkaden vor dem Paradies als Prellsteine gebraucht ; das
Gewölbe des letzteren und der vordere Gurtbogen mußten erneuert, Fensterteile neu aufgestellt werden,
die Umfassungsmauer der Kirche wurde wiederhergestellt ; das Gewölbe in der Kapelle, an deren
Wänden damals »Fresken« konstatiert wurden, wurde neu eingewölbt, die Rippen gestützt, außen
die Strebepfeiler ausgebessert ; letzteres geschah auch mit dem T^eppentürmchen und seinem Stein-
dach. Damalige Grabungen im nördlichen Querschiff und in der Kapelle haben nichts ergeben ; die
skulpierten Platten in der Vorhalle wurden wieder aufgerichtet etc.
Im Jahre 1887 wurden auf Anregung des Konservators Geheimrat Wagner die in der Ruine
vorhandenen Schlußsteine etc. in der Vorhalle aufgestellt, 1888 verschiedene kleinere Restaurierungs-
arbeiten durch die Bezirksbauinspektion in Achern vorgenommen. Unterdes hatte auch die Forschung
den Bau etwas gründlicher berücksichtigt; Lübke hat in seinen Streifzügen durch Baden darauf
hingewiesen und schon eine besonders frühe Hallenkirche zu erkennen geglaubt. Ein Aufsatz
Franz Jakob Schmitts im Repertorium für Kunstwissenschaft4) brachte eingehendere Mitteilungen
über die Kirche, die er in Beziehung zu bringen versuchte mit Notre Dame zu Laon, eine unhalt-
bare Annahme, wie wir sehen werden. — Als ich dann i. J. 1900 für dies Werk die Kirche
untersuchte, wurde mir klar, daß nur durch Nachgrabungen ihre einstige Gestaltung endgültig fest-
gestellt werden könnte, daß aber die kunstgeschichtliche Bedeutung des Baues solche Nachgrabungen
auch rechtfertige. Mit den vom Großh. Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts und
dem Karlsruher Altertumsverein zur Verfügung gestellten Mitteln konnten Professor Karl Statsmann
und ich in den Jahren 1902 und 1903 die Nachgrabungen ausführen mit befriedigenden Resultaten.
Es wurde vor allem der Raum nördlich der Vorhalle ausgegraben; von einer Untersuchung des
südlichen mußte abgesehen werden, weil dadurch die Schönheit der Ruine zu sehr beeinträchtigt
worden wäre; auch dürfte er dem nördlichen durchaus ähnlich gewesen sein. So ziemlich das ganze
Langhaus wurde in einzelnen Grabenzügen auf Baureste durchwühlt und auch einiges gefunden, im
Querschiff vor allem einige Bestattungen. An der Nordseite wurde durch Versuchsgrabungen das
Nötige festgestellt, desgleichen vor dem Eingangstor zum Paradies, an der Stelle des alten Kreuz-
ganges und des östlichen Klostertraktes. Die einzelnen Resultate werden bei der Beschreibung der
Kirche erwähnt werden.
Für die Baugeschichte der Kirche sind folgende Nachrichten festzuhalten: Die
Gründung muß zwischen 1191 und 1x96, jedenfalls vor letzterem Datum erfolgt sein,
möglicherweise mit Marchthaler Mönchen, Mitte des 13. Jhs. verzichtet indes das March-
thaler Kloster auf sein Paternitätsrecht. Kurz nach der Gründung muß die Errichtung
eines Gotteshauses und die der Gebäulichkeiten für fünf Insassen erfolgt sein. Wichtig
ist, daß der zweite Propst Walter (um 1221) vorher dem Marchthaler Kloster vorgestanden
hatte. In der zweiten Hälfte des 13. Jhs. war die materielle Macht des Klosters auf
ihrem Höhepunkt. Die Gebäude müssen indes in den kommenden Jahrhunderten nie
ganz fertiggestellt worden sein; nur so erklärt sich der oben S. 218 zitierte Beschluß
*) Generalbericht der Direktion des badischen Alterthumsvereines, Karlsruhe 1858, S. 17.
2) Statistik II, S. 7.
3) Kirchl. Kunstarchäologie 5 II, S. 282.
4) Bd. XVII, S. 439 ff.
224
KREIS OFFENBURG.
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Fig. 126. Grundriß der Klosterkirche zu Allerheiligen.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.) 225
Fig. 126 a. Plan der Ausgrabungen an der Klosterruine Allerheiligen in den Jahren iqo2 und iqoj.
Zustandes wegen ungeheuer um sich griff und die zeitweise Residenz der Mönche in
Lautenbach sowie die dortigen Bauten veranlaßte. 1555 erfolgte ein zweiter Brand,
1562 war die Kirche wieder im Stand, erst in den achtziger Jahren das Kloster. Das ist
alles, war wir über die Bauten wissen.
des Propstes und Konventes von 1469, Geld auf Zinsen zu legen, um damit die oben-
genannten Bauten zu restaurieren: »mit Steinwerk, Ringmauer und Pfosten nach Her-
kommen zu versehen«. 1470 erfolgte der große Brand, der wohl gerade des geschilderten
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Band VII.
15
226
KREIS OFFENBURG.
Kirche
Baubeschreibung
Gesamtanlage
Außer den obenerwähnten Abbildungen kommen unserer Vorstellung von den
ehemaligen Bauten noch die ausgezeichneten Grundrisse zu Hilfe, die bei der Säkulari-
sation im Oktober 1803 auf sechs Blatt von einem W. Schn.? aufgenommen wurden und
von denen wir die wichtigsten Blätter wiedergeben.
Das Kloster liegt in dem kleinen Tal, genannt die Wiesenau am östlichen Fuße
des Sohlberges; rings von Bergen eng umgeben, füllte es mit seinen Baulichkeiten und
Gärten das ganze Tal aus, das im Osten von einem Bache, dem Nordwasser, durch-
strömt wird. Die Ost-
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mauern des Konventes
stießen hart an eine
steile Schlucht, welche
dies Wasser durchströmt,
der Chor der Kirche
ist nur wenige Meter
von ihr entfernt. Süd-
lich, im tieferen Teil
des Tales, ebnet sich
das Terrain, das Wasser
fließt friedlich zwischen
Wiesen und Gärten da-
hin, um eine halbe
Stunde weiter in mäch-
tigen Fällen herunterzu-
brausen.
Von den bedeutenderen Gebäuden ist nur
noch die Ruine der Kirche (s. Fig. 126) erhalten.
Der Grundriß zeigt uns ein dreischiffiges
Langhaus von 15,44 m Breite, das Mittelschiff
6,30 m, die Seitenschiffe 3,52 m breit; die Länge
etwa 20,20 m. Die Gewölbejoche des Mittelschiffs
sind quadratisch, die der .Seitenschiffe oblong. Die
Arkaden des Langhauses, von denen die südlichen
noch in ihrem Hochbau stehen, werden von Acht-
eckpfeilern getragen mit Halbsäulenvorlagen nach
dem Langhaus und den Seitenschiffen zu. In dem
nördlichen Seitenschiff entsprachen diesen Pfeilern
an den Wänden je drei runde Dienste, die die Rippen trugen, im südlichen Seitenschiff
Konsolen. Mächtige Pfeiler mit Halbsäulenvorlagen stützten das Quadrat der Vierung,
das die Grundrißdimensionen bestimmt; ihm sind die Quadrate des Mittelschiffs gleich
sowie die des nördlichen und südlichen Querschiffs und das Chorquadrat, während die
Seitenschiffe um je 37 cm breiter sind als die Hälfte des Mittelschiffs, übrigens eine
geringe Abweichung. An die Ostseite des südlichen Querschiffs ist die Kapelle Omnium
sanctorum angebaut. Dem Mittelschiff des Langhauses ist eine tonnengewölbte Vorhalle
vorgelagert, die zu beiden Seiten entsprechend der Breite der Seitenschiffe von Neben-
räumen flankiert wird. Die Nordwand der Kirche hat an zwei Stellen den Gurtbögen
Fig. 127. Klosterkirche Allerheiligen.
Vierungspfeiler.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
227
der Seitenschiffe entsprechend ganz schwache Strebepfeiler, wenn man es so nennen
darf, stärkere an den Ecken des nördlichen Querschiffs ') und des Chores. An der
Westecke des nördlichen Querschiffs ein Wendeltreppentürmchen, das wohl den Zugang
zum Vierungsturm bildete, dessen Mauern zum Teil noch aufrecht stehen, bis zu dem
ehemaligen Anfang des Turmdaches. Zwei der Wasserspeier sind hier noch erhalten.
Nach den bildern des 18. Jhs. war das gesamte Langhaus nebst Vorhalle mit einem
Fig. 128. Klosterkirche Allerheiligen. Kämpfer der Vierung.
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Satteldach abgedeckt, der Turm mit einem Zeltdach; auch die schwachen Strebe-
pfeilerchen der Nordseite sind auf diesen Bildern ersichtlich.
Bei der Beschreibung des Einzelnen beginne ich mit den Ostteilen der Kirche, und
zwar mit der Vierung. Mächtige viereckige Pfeiler mit stärkeren runden Diensten,
d. i. Halbsäulenvorlagen für die Gurtbögen, schwächeren für die Gewölberippen, tragen
die spitzbogigen Arkaden. Der Mittelpunkt der Spitzbögen liegt nahe der Achse.
Diese Halbsäulenvorlagen haben tellerförmige Basen mit zum Teil merkwürdigen Eck-
blättern und Schnauzen (s. Fig. 127) auf viereckigen Postamenten. Sie endigen in
schmucklosen Kelchkapitellen, welche die in einfacher Abschrägung profilierten Rippen
tragen (s. Fig. 128). Aus dieser Gestaltung der Vierungspfeiler ergibt sich das ehemalige
*) An das südliche stießen die Klosterräumliclikeiten an.
15*
Vierung
KREIS OFFENBURG.
2 28
Kreuzrippengewölbe. Noch stehen die Arkaden gegen das südliche Querschiff und den
Chor zu; ihre Bögen sind den Rippen entsprechend profiliert. Uber ihnen erheben
sich die Reste des Vierungsturmes mit Sandsteinquadern an den Ecken, sonst geringerem
Bruchsteinmauerwerk. Er zeigt im unteren Geschoß eine flachbogige Tür, im oberen
ein schlichtes Spitzbogenfenster, die Geschosse von einander durch Wasserschrägen
getrennt, an den Ecken oben Wasserspeier (s. Fig. 129), sehr stilisierte und unbeholfene
liegende Löwen.
Fig. 129. Klosterkirche Allerheiligen. Wasserspeier vom Vierungsturm.
In gleichseitigem Spitzbogen öffnet sich die Vierung in den gerad geschlossenen
Chor (s. Fig. 131), dessen südliche Wand noch zur Hälfte in der Höhe von ca. 8 m erhalten
ist, von der nördlichsten wenigstens der an die Vierung anstoßende Teil, die östliche in
etwa 1 m Höhe. Die um die Ecke herumgeführten Pfeiler der Vierung gaben hier einen
ihrer schwächeren Dienste für die Rippen des Chorkreuzgewölbes, denen in den Ost-
ecken schlanke Dreiviertelsäulen entsprachen, deren Tellerbasen in Spuren noch vorhanden
sind. An der südlichen Chorwand stehen noch die Reste einer dreifachen Kleeblatt-
bogennische (s. Fig. 132), deren Bögen auf Doppelsäulen mit Tellerbasen ruhten; erhalten
drei Viertel des ersten Bogens, die Kapitelle und die Basen der ihn tragenden Doppel-
säulen, die Basen der weiteren Doppelsäulen, der Anfang des flachen Entlastungsbogens
darüber und die westliche Hälfte des Gewändes des großen Spitzbogenfensters darüber
AMT OBERK1RCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
229
(s. Fig. 133). Danach ließ sich die Nische und das Fenster rekonstruieren,1) wobei
allerdings zu bemerken ist, daß der Mittelpfosten des Fensters lediglich eine Vermutung
auf Grund der vorhandenen Reste eines frühgotischen Schiffensters ist.2) Die gegenüber-
Fig. ijo. Allerheiligen. Blick in die Ostteile der Kirche.
liegende Chorwand hat eine entsprechende Nische mit vermutlich nur zwei Doppel-
säulenpaaren, während das noch erhaltene Gewände der Nische an der Ecke abgefast
*) Die Phantasien Schmitts über den Zweck der «vierfachen« Blendarkaden fallen damit
sofort weg.
2) Die Blendarkaden der Südwand ähneln denen im Münster zu Freiburg und Straßburg ; in
letzterem Bau sind sie erst nach Vollendung des Schiffes, um die Mitte des 13. Jhs., eingebaut worden.
230
KREIS OFFENBURG.
ist und den Anfang eines Spitzbogens (ergibt sich bei Berücksichtigung der Säulenstand-
spuren) zeigt. Die Anordnung war also hier eine andere, ich möchte sagen, aus-
Fig. iji. Klosterkirche Allerheiligen. Chor, Grundriß.
gesprochener gotische ; vermutungsweise ist sie in Fig. 1 3 1 rekonstruiert. Darüber dann
ebenfalls ein großes Fenster, dessen seitliches Gewände noch vorhanden ist. Noch
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
231
geringer sind die Auskünfte, die wir aus den Resten der Ostwand erhalten. Wir sehen
hier auch eine Nische mit einer Mittelsäule; das Profil der weit ausladenden, flachen,
tellerförmigen Basis ist in Fig. 1 3 1 oben gegeben ; das Gewände der Nische ist zu beiden
Picew
Fig. 132. Klosterkirche Allerheiligen. Blendarkaden der südlichen Chonvand.
Seiten abgeschrägt. Eine Nische aber muß es wohl gewesen sein, über der sich erst das
Fenster erhob, denn wir können so tief unten nicht schon den Ansatz des Chorfensters
annehmen. Über die Fundamente der Chormauem gibt Fig. 126a oben Auskunft.
Von dem nördlichen Querschiff steht noch ein Teil der Ost- und der größte Nördi. Querschiff
'Beil der Nordwand, während die westlichen Mauern nur noch in ihren Fundamenten
232 KREIS OFFENBURG.
erhalten sind. In der Ostwand findet sich in geringer Höhe vom Boden eine Nische
(s. Fig. 134) in gedrücktem Spitzbogen, die ein einpfostiges Fenster umschließt, mit ein-
fachstem Maßwerk, das sich nach den Resten leicht ergänzen ließ. Diese Nische, vor
der seinerzeit ein Altar gestanden, hat in ihrem nördlichen Gewände eine kleine rund-
bogige Nische, darunter einen Wasserbehälter mit Ausfluß (s. Fig. 134 A). Über der
Nische noch erhalten die Fensterbank eines großen gotischen Fensters (s. Fig. 135) mit
den Ansatzspuren der Pfosten etc. Die Formen sind hier ausgesprochen gotisch. An
der Nordwand (s. Fig. 136) sind noch die Kelchkapitelle der Halbsäulen erhalten, die die
Rippen des Kreuzgewölbes trugen ; ihre Behandlung ist durchaus dieselbe wie bei den
Vierungspfeilern. Auch die Ansätze der Rippen selbst sind noch vorhanden, ebenso der
Schildbogen. Aus der Einfachheit dieser Kapitelle dürfte kein Schluß zu ziehen sein
auf ein größeres Alter, ihre Schlichtheit wird rein ökonomisch zu deuten sein.
Ein großes einpfostiges Spitzbogenfenster durchbricht die Nordwand. Der Pfosten
ist weggebrochen, aber die Spitzbögen, das Rund etc., die Laibung und die Fenster-
bank noch erhalten,1) so daß
die Gestalt des ausgesprochen
gotischen Fensters mit Genauig-
keit festzustellen ist. Das west-
lich darunter befindliche Tiirchen
(s. Fig. 137) in rundem Klee-
blattbogen, von einem Blend-
spitzbogen umrahmt mit dem
Profil von unten zusammenlaufen-
den Rundstäben und Hohlkehlen,
weist dagegen die Formen des
Ubergangsstiles auf. Daran aber,
daß die Fenster der Ost- und
Nordwand etwa später eingesetzt
seien, ist, wie die Mauerbehandlung beweist, nicht zu denken. Diese ist bis zur Scheitel-
höhe des Schildbogens wie auch im Chor überall eine tadellose aus sauber behauenen
Sandsteinquadern. Wie bei der Vierung, so beginnt auch hier über dem Gewölbe
geringes Bruchsteinmauerwerk. Hier oben führte aus dem Treppentürmchen eine Tür in
den Dachboden, der daneben durch ein einfaches spitzbogiges Fenster Licht empfing.
Treppen- Das Treppentürmchen , im gleichen soliden Quaderbau wie die unteren Teile hoch-
türmchen . . . . .
geführt, ist von achteckigem Grundriß außen, rund im Innern und enthält eine sich
um sich selbst drehende Wendeltreppe mit angearbeiteter Spindel (s. Fig. 138). Erhellt
wird es durch kleine geradsturzige Fenster mit starker Abschrägung, von denen das eine
eine später hergerichtete Verschlußvorrichtung besitzt (s. Fig. 138 unten). Abgeschlossen
wird das Türmchen durch eine Wasserschräge mit starker Hohlkehle und einen acht-
kantigen Steinplattenhelm, an dem die Jahreszahl 1556 auf eine Reparatur nach dem
zweiten Brande hindeutet.
Südi. Querschiff Das südliche Querschiff ist in viel größeren Resten auf uns gekommen. Noch
steht hier die Arkade, in der sich die Vierung nach ihm öffnet Die zwei hierher
Fig. 133. Klosterkirche Allerheiligen.
Kapitelle und Säulenfüße der südlichen Chornische .
*) Auch die Spuren der Pfostenbasis.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
233
gewandten, jüngeren Dienste des Vierungspfeilers und zwei ihnen entsprechende Halb-
säulen trugen das Kreuzgewölbe. Die Ostwand, in der unten sich der spitzbogige Eingang
zur Kapelle öffnet, hat in der Höhe zwei Rundfenster, die merkwürdigerweise von dem
Schildbogen durchschnitten wurden und an den Durchschneidungsstellen entsprechend
abgearbeitet sind, also vor dem Gewölbe da waren. Das wird wohl so zu erklären sein,
daß man anfänglich aus irgend welchen Gründen die Wölbung hier sparen wollte und
eine gerade Holzdecke eingezogen hatte. An der äußeren Ostwand des südlichen Quer-
schiffs ist zu ersehen, wie das hohe gotische Dach der Kapelle zwischen den Oculi
hinaufschneidet, daß letztere also des Daches wegen nicht in der Mitte des Gewölbe-
schildes sitzen (s. Fig. 157). Da der obere Teil der Ostmauer im 15. Jh. verändert
worden ist, worauf die andere Bearbeitungsweise der Quader und ihre Steinmetzzeichen
hinweisen (s. Tabelle Fig. 152 bei L ), so könnte man annehmen, daß die Wölbung im
südlichen Querschiff erst um diese Zeit eingesetzt worden ist, nach dem großen Brande.
Es ist aber wahrscheinlicher, daß eine Ausbesserung dieses Teils im 15. Jh. zwar statt-
gefunden hat, daß aber eine Wölbung doch schon im 13. Jh., kurz nach Einbrechen der
Kapelle, in die Ostmauer ausgeführt worden ist. Denn es ist doch nicht recht glaubhaft,
daß man im 13. Jh. die schon angefangenen Rippenansätze über den Kapitellen nicht
weitergeführt haben sollte. Die Gleichheit des Schlußsteines und der Rippen mit denen
der anderen Querschiffteile hat auch nach einer etwas größeren Unterbrechung im
13. Jh. nichts Befremdendes, wäre aber im 15. Jh. unmöglich gewesen.
Die Südwand öffnete sich in zwei Türen auf einen Gang und die daneben liegende
Sakristei, deren Außenmauern zum Teil noch stehen. Hier aber hat einer der Brände
ganz besonders stark gewütet, die Steine sind geradezu versintert, das Mauerwerk, so
234
KREIS OFFENBURG.
möchte man sagen, geschmolzen, so daß über die Gestaltung dieser Mauern nichts mehr
ausgesagt werden kann. Besser ist die Westseite des Querschiffes erhalten, sowohl die
spitzbogige Arkade ohne Wulst (der hier am Vierungspieiler ursprünglich vorhandene
Dienst bezw. Halbsäule ist weggehauen) als das Quadermauerwerk darüber, in dem sich
ein zum Teil seiner Ge-
im rxmoiz wände beraubtes Spitz_
bogenfenster nach dem
Seitenschiff zu öffnet.
Da dieses Fenster in die
später hier vorhandenen
Gewölbe des Seiten-
schitfes einschneidet, so
muß dieses also im
13. Jh. anders geplant
gewesen sein. Im
Gegensatz zu dem nörd-
lichen Seitenschiff ist die
Mauer des südlichen
Langhauses mit der des
Querschiffes nicht zusam-
menhängend, was allein
schon auf verschiedene
Bauzeit schließen läßt.
Die an die Ost-
mauer des Querschiffes
angebaute Kapelle Aller-
heiligen (Tafel IX) ist
dagegen trotz der vor-
geschrittenen Bauformen
mit diesem, aber nicht mit
dem Chore im Verbände.
Aus fünf Seiten des Acht-
ecks konstruiert , öffnet
sie sich nach dem Quer-
schiff in großem Spitz-
bogen, dessen Laibung
Fig. TJS- Klosterkirche Allerheiligen. Fensterbank im nördlichen Querschiff. *n Hohlkehlen und Ab-
schrägungen profiliert ist
(s. Fig. 139). Das sechsteilige Cewölbe mit geradem Scheitel und tief herabgezogenen
Kappen wird von Wandpfeilern getragen, die in drei Rundsäulen gegliedert sind, welche im
Querschnitt wie auch in Einzelformen (z. B. der Säulen^ockel mit den Konsölchen unter
den Basen) Verwandtschaft haben mit den Dienstresten in Fig. 141 links unten. Diese
ruhen mit ihren flachen, tellerförmigen Basen auf aus dem Achteck konstruierten Sockeln
mit kleinerem Durchmesser, wo die Basen übergreifen, werden sie durch blattartige Gebilde
gestützt. Feingebildetes, leider stark verwittertes Blattwerk schmückt auch die Kelch-
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
235
kapitelle. Zu beiden Seiten des Altars sind die Säulchen nicht auf die Erde herab-
geführt, sondern ruhen in der Höhe der Fensterbank auf kantigen, leis konkaven Konsolen.
Die Rippen haben ein schlankes Birnenprofil und endigen in einem Schlußstein, der mit
Fig. ij6. Klosterkirche Allerheiligen. Nordwand des nördlichen Querschiffs.
Vierpaß und Kreuz verziert ist (s. Fig. 143 unten). Die Fensterchen mit stark ab-
geschrägter Sohlbank zeigen spitze Kleeblattbögen und darüber Dreipässe ; an einem sind
der Spitzbogen und die Endigungen des Dreipasses stark kielförmig geschweift (s. Fig. 140).
Strebepfeiler (Fig. 143), deren Köpfe turmartig mit Giebeln und (abgebrochener) Kreuz-
2 36
1CREIS OFFENBURG.
Langhaus
blume ausgestaltet waren und in den Giebeln Dreipässe aufweisen — ein Kopf ist mit
sich durchschneidenden Giebeln gebildet — , begegnen im Äußern dem Schub der
Gewölbe. Die Bedachung der Kapelle mit Steinplatten ist ein Werk des 19. Jhs. Der
Ansatz des weit steileren alten Daches und dessen Abdeckleiste an der Wand samt
oberer Spitze ist außen noch gut sichtbar.
Südlich von dem Altar der Kapelle ist in die Wand eine kleine Nische zum Auf-
stellen der Meßkännchen eingelassen, die auf vierkantiger Konsole ruht und sich den
Fenstern ähnlich im Spitzbogen und darüber einem Dreipaß öffnet. In der nördlichen
Fig. ijj. Klosterkirche Allerheiligen. Säulenfuß der Chorpfeiler und Eingangstüre zum Treppen-
türmchen des nördlichen Querschiffs.
Wand ist zwischen Kapelle und Chor ein mannshoher Hohlraum entstanden, zu dem
eine kleine in flachem Spitzbogen geschlossene Öffnung führt, die von einem Blend-
spitzbogen mit Kleeblattbogenfullung umrahmt wird. Zu was diese Nische gedient haben
mag, bin ich nicht im Stande bestimmt anzugeben; vielleicht ein Sacrarium zur Auf-
bewahrung des Kirchenschatzes?
An der gesamten Ostpartie, also um Querschiffe und Chor, zieht sich der aus-
gesprochen romanische Sockel herum, der in Fig. 130 zu sehen ist und den wir auch
an der Vorhalle wiederfinden werden. Er besteht aus einer Abschrägung und zwei Wülsten.
Im Langhaus (s. Fig. 14 1) stehen heute noch die südlichen Arkaden aufrecht, von
den nördlichen nur noch die Sockel. Diese sind aus dem Achteck konstruiert, mit
zwei kleineren Seiten, da wo sich die runden Dienste vorlegen. Eine außergewöhnlich
AMT OBERKIRCH. — LIERBAGH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
237
tiefe Hohlkehle bildet den Übergang vom Sockel in den Pfeiler; sie endigt nach unten
wie oben in einer Abschrägung, die von der Basis, wenn ich es so nennen darf, der
Dienste in der auf der Zeichnung wiedergegebenen Weise durchschnitten wird. Der
Pfeiler geht kapitelllos in den Spitzbogen über; kapitelllos auch die Dienste, aus denen
die drei trocken profilierten Gewölberippen hervorstrahlen. Das Quaderwerk der Pfeiler
ist weit entfernt von der sauberen Arbeit
der Ostteile, die Hochmauem sind in 1/ u^liy^
unregelmäßigem Bruchsteinmauerwerk
ausgeführt. Geradezu liederlich wird
dies Mauerwerk an der südlichen Lang-
hauswand, in die ziemlich roh die Kon-
solen eingefügt waren, welche, mit den
Diensten der Pfeiler, die ebenso wie
im Langhaus behandelten Dienste der
Seitenschiffgewölbe trugen. Aus dem
Seitenschiff führt an seinem östlichen
Ende ein Portal in den Kreuzgang,
dessen Gewände nach innen zu zer-
stört ist, weshalb es erst mit dem
Kreuzgange besprochen wird. Von den
Konsolen des Seitenschiffes sind in
Fig. 141 zwei Beispiele gegeben. In der
Seitenschiffmauer, die die Spuren eines
offenbar kolossalen Brandes trägt, liegt
jetzt ein Rundfenster mit abgeschrägtem
Gewände und, der mittelsten Langhaus-
arkade entsprechend, der Rest eines
Spitzbogenfensters. Vollständig anders
waren die Stützen des nördlichen Seiten-
schiffgewölbes. Den Diensten der Mittel-
pfeiler entsprach ein reichgegliederter,
früh- bezw. hochgotischer Wandpfeiler
(s. Fig. 14 1 unten links) mit abge-
schrägten Ecken und drei vorgelagerten
runden Diensten, deren flache Basen
übergreifend , mit daruntergesetzten
kleinen Konsolen, auf einem hohen
Sockel mit abgefasten Ecken ruhen, dem
Sockel der Vierungspfeiler nicht unähnlich. Diese Wandpfeilerreste sind erst bei der
Restauration von 1850 wieder freigelegt worden. Ihnen entsprechen im Äußern
schwache Strebepfeiler, wie sie die Bilder des 18. Jhs. bestätigen. Der Mauerzug ist
hier teils 1850 ausgegraben, teils mit alten Steinen neu angelegt worden.
Das Langhaus, das im Mittelschiff und im südlichen Seitenschiff zweifellos der
späten Gotik entstammt, also einige hundert Jahre später als das Querschiff entstanden
ist, bewahrte, wie es scheint somit, in dem nördlichen Seitenschiff die Reste seiner ehe-
TertjTcr t?r* J\ m \C
J. <T1 ' » Jon^rrrr)Vr^}iUo^>r*mr^Tß .
Fig. ijS. Klosterkirche Allerheiligen. Wendeltreppe
des nördlichen Quer schiffs .
238
KREIS OFFENBURG.
Vorhalle
maligen, der Ostpartie gleichzeitigen Ausgestaltung. Auf die Fragen, die uns dieser Befund
aufgibt, wird indes erst nach Schilderung der in der Vorhalle aufbewahrten Bauteile eine
Antwort zu erteilen sein.
C j>oRcf?er? imÄODi, G^ueF^Scf^ifF
Fig. ijg. Klosterkirche Allerheiligen. Kapelle im südlichen Querschiff.
Die Vorhalle besteht heute aus drei Teilen. Der mittlere, dem Mittelschiff vor-
gelagerte ist von einem Tonnengewölbe bedeckt aus Bruch- und Backsteinen, das
zweifellos nicht ursprünglich ist, wenn auch die Konsolen des Schildbogens ursprünglich
scheinen. Die Ostwand der Vorhalle aber, die noch zum Teil in die beiden Seitenräume
Tafel IX
Kapelle am südlichen Quer schiff der Klosterkirche Allerheiligen.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
239
übergreift, ist ihrem Quaderverband nach aus der gleichen Zeit wie Chor und QuerschifT.
In ihr das ausgesprochen spätromanische Portal (s. Fig. 142), dessen Umrahmung
sich als Sockel fortsetzt und auch an Querschiff wie Chor wiederkehrt. Uber dem
Portal die Spuren einer Rankenbemalung, an ihm selbst die einer gemalten Quadrierung,
deren Fugen sich, wie gewöhnlich, nicht mit den tatsächlichen decken. Die Vorhalle
öffnet sich nach außen in einer neu hergestellten Türe, zu jeder Seite erleuchtet ein
Fensterpaar den Raum. Je zwei abgefaste viereckige Pfosten mit einem wenig aus-
ladenden plumpen Kämpferstück tragen die Spitzbogen. Nur diese Fenster stammen
aus dem 1 3. Jh-, die Mauer selbst ist ihrem Verband nach zweifellos später, wie auch
die Nord- und Südmauer der Vorhalle. Zwei geradsturzige Türen führten von ihr
in die beiden Seitenräume; über dem Tonnengewölbe ist an der Nordwand die Sohl-
bank einer Tür erhalten. Die noch in ziemlicher Höhe erhaltenen Mauern über der
Mittelvorhalle, aus geringem Bruchsteinmauerwerk (auch im Osten hört, etwa in der
Scheitelhöhe der Schiffsarkade, das gute Quaderwerk auf), lassen zunächst auf einen
Westturm schließen, wogegen aber die erhaltenen Bilder
sprechen. Ein an der Wand (bei Fig. 158 A rechts) außen
laufendes Gesimsstück läßt es als möglich erscheinen, daß
der Mittelteil der Vorhalle ursprünglich vielleicht (?) allein
bestand, etwa mit abfallend anschließenden seitlichen Pult-
dächern der Seitenschiffe.
Der nördliche Seitenraum (s. Fig. 144), der ganz
verschüttet war, wurde von Herrn Statsmann und mir aus-
gegraben. Dabei wurde das schon erwähnte Ubergreifen
der alten Ostwand der Mittelvorhalle konstatiert, aber auch
daß das übrige Mauerwerk durch seine Zusammensetzung
(Bruchstein) sich als bedeutend später erweist. In der
Nordwestecke fand sich noch in situ ein Eckdienst des
13. Jhs. Auf polygonalem, durch eine Hohlkehle gegliedertem
Sockel die übergreifende flache Basis und der Runddienst.
Des weiteren fanden sich die Fundamente eines Altares und die Bodenfliesen des
Raumes, Backsteine mit Handstrichrillen (s. Fig. 144 Nr. Ij). Im Schutt aber lagen,
ganz in der Reihenfolge, wie sie beim allmählichen Zusammenstürzen liegen mußten, zu-
nächst der spätgotische mit einer Rosette verzierte Schlußstein (Nr. 11 u. 12), aus dessen
Rippenansätzen sich unschwer ein oblonges Kreuzgewölbe ergab ; dann Rippen dieses
Kreuzgewölbes, ein Stück einer polygonalen Konsole (10 ) und endlich Teile der
Fenstermaßwerke (4 — 8). Der Wandbündelpfeiler des nördlichen Langhauses ist heute
durch die eingezogene Mauer teilweise vermauert; er war ursprünglich auch bestimmt,
das Gewölbe dieses Teils der Vorhalle mitzutragen. Hier haben wir also deutlich einen
Raum vor uns, der im 1 3. Jh. angelegt, entweder nie vollendet oder zerstört und Ende
des 15. Jhs. neu hergerichtet worden ist, zu dieser Zeit als eine Art Kapelle, die westlich
ein großes Maßwerkfenster hatte (die Spuren noch sichtbar) und gewissermaßen eine
Verlängerung des nördlichen Seitenschiffes darstellte. Den südlichen Vorhallenraum
auszugraben war wie gesagt nicht möglich ; er war vermutlich ähnlich gestaltet, aber
birgt wohl gar keine Reste des 13. Jhs mehr, da auf dieser Seite der Brand stärker
gewütet hat.
Nördl. Seiten-
raum
Fig. 140. Klosterkirche Aller-
heiligen. Südliches Fenster
der Querschiffkape/lc.
KREIS OFFENBURG.
240
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Fig. 141. Klosterkirche Allerheiligen. Langhaus.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
241
Die erwähnten Trümmer des nördlichen Seitenraumes werden heute in der mittleren
Vorhalle aufbewahrt, in der auch alle früheren Funde wie die Funde unserer Aus-
grabungen aufbewahrt sind. Da liegen u. a. eine Anzahl Schlußsteine (s. Fig. 144),
von denen ich zunächst eine Gruppe hervorhebe : ein ziemlich großer Schlußstein mit
den Ansätzen für die einfach durch Abschrägung profilierten Rippen eines Kreuzgewölbes;
an der unteren Fläche ein seg-
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DO?HflLLe
nender Christus, zwischen den
Rippen drei Engelsköpfe und
ein bärtiger Mannskopf ; ein
nicht ganz so reicher Schluß-
stein nur mit einem ver-
witterten Flachreliefkopf in dem
Rund und den gleichen Rippen-
ansätzen. Letztere kehren auch
an zwei weiteren, schlichten
Schlußsteinen wieder, die ein-
fach aus einem Steinring be-
stehen. Ein Blick auf die Ab-
bildung lehrt, daß sie mit dem
vorhergehenden zweifellos zu-
sammengehören. Und da nun
die Rippenansätze dieser vier
Steine zu den Rippen in den
Ostteilen der Kirche passen,
so dürfen wir in ihnen wohl
sicher die Schlußsteine der
Chor-, Vierungs- und Quer-
schiffgewölbe sehen, wobei es
dann unerheblich ist, ob wir den
reicheren Schlußstein dem Chor,
wie ich, oder der Vierung, wie
Herr Statsmann, zuteilen,
während die beiden schlichten
natürlich dem nördlichen und
südlichen Querschiff angehören.
Außer diesen sind noch
sechs Gruppen von Schluß-
steinen zu unterscheiden : (I) eine ziemlich große Sorte, etwa 40 cm im Durchmesser,
mit krausem Blattwerk, in flauer Ausführung verziert. Sechs Rippenansätze, von denen
vier auf ein oblonges Gewölbe oder, in Verbindung mit den zwei, im spitzen Winkel
zwischen ihnen ansetzenden auf ein Netzgewölbe deuten. Erhalten sind vier Steine und
der Rest eines fünften. Die Zahl spricht dagegen, daß wir in ihnen die Schlußsteine
des nur drei Joche großen Mittelschiffes besitzen. Diesen ganz ähnlich, nur in einem
Exemplar erhalten, (II) ein Schlußstein mit Blattwerk von ca. 30 cm Durchmesser und
den Rippenansätzen für ein Kreuzgewölbe. Eine dritte Gruppe (III) mit nur drei
Band VII. l6
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Fig. 142. Kloste7'kirche Allerheiligen.
Romanisches Portal der jv es fliehen Vorhalle.
Funde
Schlußsteine
242
KREIS OFFENBURG.
unregelmäßig zueinander stehenden Rippenansätzen zeigt in einem Dreipaß den Schild
mit den Marterwerkzeugen Christi. Diese nur in einem Exemplar erhaltene Sorte, von
ca. 35 cm Durchmesser, deutet auf ein ganz unregelmäßiges Gewölbe, das in den
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Fig. 143. Klosterkirche Allerheiligen. Feste von dem nördlichen Seitenraum der Vorhalle
bezw. voti dem nördlichen Joche des Paradieses.
Kreuzgang zu versetzen nach den dort erhaltenen Rippenansätzen nicht angängig ist.
Eine vierte (IV), der vorigen ganz ähnliche Gruppe, in zwei Exemplaren erhalten, eben-
falls mit nur drei Rippenansätzen, zeigt in einem Dreipaß von ca. 32 cm Durchmesser
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Fig. I4ja. Klosterkirche Allerheiligen. Fenster der Vorhalle.
Hand VIT. Zu Seite 242.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
243
in flachem Relief das Lamm. Die fünfte Gruppe (V), in einem Exemplar erhalten, eben-
falls in einem Dreipaß mit dem Namen Jesu, hat vier Rippenansätze (s. Fig. 145) eines
oblongen Gewölbes. Diese letzten drei Gruppen scheinen mir näher zusammen zu
gehören. Eine sechste Gruppe (VI) mit Schilden, die teilweise skulpiert, teilweise in
Malerei langgestreckte Blätter aufweisen (s. Fig. 145 u. 147), hat im Rund ca. 32 cm
Durchmesser, einmal auch 36 cm, ist in drei Exemplaren erhalten mit den Ansätzen
für die Rippen eines oblongen Gewölbes. Endlich existiert noch ein Stein, den ersten
Gruppen ähnlich, sehr zerstört, ca. 30 cm Durchmesser, krauses Blattwerk, mit ganz
unregelmäßigem Ansatz von zwei Rippen.
Eine Anzahl von Rip-
penstücken wird hier aufbe-
wahrt, alle in der schlichten,
trockenen Hohlkehlung der
Spätzeit, wichtig einige Exem-
plare sich im spitzen Winkel
durchschneidender Rippen.
Reste einer Wölbung
des frühgotischen Langhauses
fehlen danach gänzlich. Da
wir über die Gestaltung des
Chorgewölbes, der Querschiff-
gewölbe und derjenigen der
seitlichen Vorhallenräume Ge-
wißheit besitzen, so können
wir obige Schlußsteine nur auf
das Langhaus und den Kreuz-
gang verteilen. Da ist es
denn möglich, daß das Mittel-
schiff mit einem Netzgewölbe,
wie Lautenbach, überdeckt
war, wobei sich dann die
vielen Schlußsteine der ersten, dritten und vierten Gruppe erklären ließen ; trauen wir
aber dem Grundriß von 1803, so müssen wir ein Kreuzgewölbe annehmen mit Schluß-
steinen etwa wie die zweite Sorte, und die vorhin genannten Schlußsteine dem Kreuz-
gang zuweisen. Die Stücke der sechsten Gruppe dürfen wir wohl für die oblongen
Seitenschiffgewölbe in Anspruch nehmen.
Aufbewahrt werden hier auch die Funde aus dem Kapitelsaal (s. Fig. 126a).
Weitere Funde sind: ein Doppelkapitell mit Laubwerk von der Chornische, viel-
fache Reste der Wandpfeiler des nördlichen Seitenschiffes, genau zu den dort aufgestellten
passend, ein plumper Wasserspeier der Vierung, stark verwitterte Reste eines romanischen
Ornamentes (s. Fig. 146), zwei weitere Ornamentstücke (s. Fig. 147), von denen das
letztere der Renaissance angehört ; ein Steinfragment mit dreifachem Kleeblattblendbogen
(s. Fig. 147)', die Reste eines frühgotischen Fensters (s. Fig. 148), aus denen sich dieses
Fenster mit Leichtigkeit rekonstruieren läßt. Es ist dem Fenster des nördlichen Quer-
schiffes sehr ähnlich, und da es, ohne jede Brandspuren, vom südlichen nicht stammen
16*
Fig. 144. Klosterkirche Allerheiligen.
Gewölbeschlußsteine, vermutlich aus Chor, Vierung und Querschiffen.
Steinsarkopliage
244
KREIS OFFENBURG.
l^ippfcMpRop'lU
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kann, so müssen wir
seinen ursprünglichen
Platz wohl im Norden,
also in der Außenwand
des nördlichen Quer-
schiffs oder des nörd-
lichen Seitenschiffs,
suchen. Für ein weiteres,
frühgotisches Fenster,
dessen Reste ebenfalls
in Fig. 148 abgebildet
sind, vermögen wir bis
jetzt keinen Platz anzu-
geben. Es ist noch in
einem zweiten Exemplar
erhalten, das heute kurz
vor dem Abstieg zu den
Wasserfällen aufgestellt
ist. Die Reste eines
dritten Fensters gestatten
ebenfalls eine genaue Re-
konstruktion (s. Fig. 149).
Außerdem werden hier in
der Vorhalle zwei Stein-
sarkophage (s. Fig. 150)
aufbewahrt, von denen
sich der erstere bei dem
Fundament der nörd-
lichen Langhauspfeiler im
dritten Joch vorfand, der zweite im Bezirk des östlichen Kreuzganges (s. den Aus-
grabungsplan Fig. 126a). Beide waren ohne Deckel und ohne Inhalt. Der weitaus
interessantere erste zeigt in guter Arbeit die Aus- y e- 0 5p v
höhlung für Kopf und Schultern des Toten, eine Form,
die man gewöhnlich sehr frühen Perioden unserer
Geschichte zuzuschreiben pflegt, die aber hier doch
kaum älter sein kann als 1200. Offenbar aber ist eine
gewisse Ausarbeitung des Steinsarges in Allerheiligen
länger Sitte geblieben, denn auch der zweite Sarkophag
zeigt wenigstens eine Aushöhlung für den Schädel des
Toten. Grabstätten ohne Särge bezw. mit jetzt zer-
fallenen Holzsärgen haben sich in den Fundament-
mauern der Vierung vorgefunden, hier auch ein silbernes Fjg ^ Klosterkirche Allerheiligen.
Sterbekreuz (18. Jh.). Romanisches Ornamentfragment.
In der Vorhalle haben endlich noch einige Grab-
steine, wohl auch aus dem Innern der Kirche, Aufstellung gefunden. Zwei kleinere
Fig. 14g. Klosterkirche Allerheiligen.
Schlußsteine von Mittelschiff (?) und Seitenschiffen (?).
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
245
aus dem 17. Jh., der eine mit teilweise zerstörter Inschrift für einen Chrysostomus,
der andere:
HIC IACET
ANTONIVS
DIACON CO
NFRATER
AMANDVS
. . • AV • MDCLXIII.
Ein Inschriftstein
vom Abteigebäude mit
dem Wappen des Abtes
Anastasius und dem Rest
der Inschrift :
CONDIDIT HAS
ALDES ABBAS EX
ORDINE
PRE
Unter dem Wappen:
16 69
MDC LXI X
An den Wänden
der Kirche, ganz be-
sonders an den Ost-
teilen, haben sich eine
Fülle von Steinmetz-
zeichen ergeben, über
welche die beiliegende
Tabelle (s. Fig. 151) von
Herrn Prof. Statsmann
eine vorzügliche Uber Fig. 147 . Klosterkirche Allerheiligen. Schlußstein und Ornamentstücke.
sicht gibt. Wenn man
auch sicher für Vergleiche mit anderen Bauten diesen Zeichen keinen allzu großen
Wert beilegen darf, so stimmen die sich aus ihnen ergebenden Resultate hier doch
so auffallend mit denen der baulichen Untersuchung, daß sie deren Beweiskraft sehr
unterstützen.
Steinmetz-
zeichen
Prof. Statsmann bemerkt über diese Steinmetzzeichen und die daraus zu ziehenden
Folgerungen (Wth.):
Es sind gegen 50 verschiedene Zeichen vorhanden.
Dieselben befinden sich auf den Quadern der noch stehenden Reste der Klosterkirche, ins-
besondere an den Wänden in Chor, Querschiffen, östlicher Seitenkapelle, an den Gurtbögen der Vierung,
an den Vierungspfeilern, an den Schiffpfeilern der spätgotischen Zeit, an der nördlichen Türe nach
dem Kreuzgang.
246
KREIS OFFENBURG.
Die Zeichen sitzen sowohl am Äußern der Kirche als auch im Innern, an Quadern etwa
in der Mitte der Sichtfläche, regellos, in verschiedensten Stellungen. Außer an Glattquadern sitzen
sie auch an profilierten Stücken (G23, IC 20, L24, Q 23-27) und vereinzelt an Kapitellen (Hij des
Vierungspfeilers, R21, 2g am Säulenfuß). Nicht jeder Stein besitzt sichtbare Zeichen.
Die Zeichen der ältesten Periode (frühgotische Zeit) sind fein mit dem Meißel eingeschlagen
und bestehen daher meist aus linearen Formen (1, 3-6, 9, 12-17, 30 von 3~6 cm Höhe; die
Zeichen 2, 7, 8, 10, 14, 17, 18, 21, 22, 23 30 von 5-8 cm Höhe). In der hochgotischen Zeit
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Fig. 148. Klosterkirche Allerheiligen. Schif/enster 11. a.
(östliche Kapelle des südlichen Seitenschiffes) erscheinen Flächengebilde R 20, 21, M 22, E33 und
Gabelungen (13, 16), das Zeichen 2 wurde auch an einem Stück des Wandpfeilers des (nördlichen?)
Seitenschiffes gefunden, welcher vermutlich aus der hochgotischen Zeit herrührt (Reststück in der
Westvorhalle); in der spätgotischen Zeit erscheinen die feinen, gut gearbeiteten Zeichen wie
T34, S34-43 oder die sehr roh, groß (bis tocm) und tief gearbeiteten L33-37 R 33 37 ■ Zeichen
Rio. 14 und 16, 20 kommen auch in der Westfront des Münsters zu Straßburg unten vor.
Sehr häufig kommen Nr. 1 , 2, 4, 7, 8 vor. Zeichen 9, 18 (Hexenbesen !) sitzen wie auch
an anderen Kirchen dieser Zeit an einem Fenster der Nordseite; als Apotropeion? Die Zeichen
23-28 sitzen an den Vierungsgewölbebogen; Zeichen der Wölbemeister? Selten kommen 11-13,
17-31 vor.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN j
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In der westlichen Vorhalle ist nur ein Zeichen Ai nachweisbar; dasselbe verschwindet in
der hochgolischen Zeit.
Vorkommen, Zahl und Art der Zeichen lassen somit folgende Entwickelungserkläning des
Kirchenbaues zu:
Die Klosterkirche wurde mit der Westvorhalle begonnen (frühestens um 1200 . Lebhafte
liautätigkeit beginnt dann einige Jahrzehnte später am östlichen Teile der Kirche. Zunächst wird
hier der Ostchor begonnen,
dann fast gleichzeitig das
nördliche Querschiff und das
südliche Querschiff. Nicht
lange darauf wird im süd-
lichen Querschiff, aber schon
in der zweiten Hälfte des
iß.Jhs. frühestens, die öst-
liche Kapelle eingesetzt (vgl.
die sehr vorgeschrittenen
Formen der Fenster und
Strebepfeileraufsätze da-
selbst !). Gleichz.eitig wird
das Schiff der Kirche in
Angriff genommen (hoch-
gotischer nördlicher Wand-
pfeiler), aber nicht vollendet.
Zwar wird die Vierung durch
neu hinzukommende Meister
gewölbt, die Schiffwölbung
unterbleibt jedoch und wird
erst im 1 5. Jh. vollzogen. Zur
Stabilisierung des Vierungs-
gewölbes und des nördlichen
Querschiffgewölbes wird im
Verlauf des 13. Jhs. der
Vierungsturm aufgesetzt.
Die Wölbung des süd-
lichen Seitenschiffes unter-
bleibt bis zu dieser Zeit
oder bis nach dem ersten
Brande im 15. Jh.
Ich möchte noch da-
rauf aufmerksam machen,
daß die meisten Zeichen
vom Chor und den beiden
Querschiffen, nämlich 2,
3> S> 7) 9> an sämt-
lichen Ostteilen ein-
schließlich der Kapelle
wiederkehren, Zeichen 14,
iS und 22 am südlichen Querschiff und der Kapelle allein, das Zeichen 1 an Vorhalle und Chor,
dann aber nur an den unteren Teilen der Querschiffe. Es scheint danach, daß an \ orhalle und
Chor sowie an den unteren Ostteilen gleiche Steinmetzen, des weiteren an sämtlichen Ostteilen mit der
Kapelle die gleichen Arbeiter tätig waren, neu hinzukommende besonders am südlichen Querschiff und
der Kapelle, woraus sich ergeben würde, daß Vorhalle, Chor, Vierung, Querschiffe und Kapelle in
nicht zu langen Zwischenräumen, etwa in der Dauer eines stattlichen Menschenlebens, erbaut worden
sind. Damit stimmt auch die kunstgeschichtliche Betrachtung der Bauteile. (St.)
Urtel & nar^
Fig. i4q. Klosterkirche Allerheiligen ,
lach den in der Vorhalle vorhandenen Resten rekonstruiertes Fenster.
248
KREIS OFFENBURG.
Baugeschichte Die Baugeschichte dürfen wir also folgendermaßen rekonstruieren:
Das Portal der Vorhalle sowie deren Ostwand dürften ziemlich gleichzeitig in
Angriff genommen worden sein mit den Fundamenten der Ostteile. Wenn wir als
wahrscheinlich annehmen, daß die Mönche ihre Andacht in einem provisorischen Holz-
bau verrichtet haben, und andererseits die offenbar durchaus kontinuierliche Bautätigkeit
mit größtenteils denselben Arbeitern bis zur Hochgotik in Betracht ziehen, so werden
r wir diesen Beginn etwa in die
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Fig. 150. Klosterkirche Allerheiligen.
Im Langhaus gefundener Steinsarkophag.
Zeit um 1220 bis 1230, also etwa
die Regierungszeit des Marchtaler
Abtes, ansetzen. Der Bau wurde
in den Formen des Ubergangs-
stils fortgeführt, die sich unmerk-
lich in solche der Frühgotik um-
wandelten, und zwar zunächst im
Chor, in der Vierung, im nörd-
lichen und dann im südlichen
Querschiff sowie der Vorhalle.
Chor, Vierung, Querschiffe wurden
mit frühgotischen Kreuzgewölben
eingewölbt, die auf den Vierungs-
pfeilern mit schwächeren und
jüngeren Diensten und ent-
sprechenden Diensten in den
Ecken ruhten. Diese Dienste
haben noch die ausgesprochen
flachen Basen der Frühzeit und
die schmucklosen Kelchkapitelle.
Daß die konstruktive Neuerung
der Gotik verstanden wurde, das
zeigen die wenn auch nicht über-
aus entwickelten, so doch voll-
kommen genügenden Strebepfeiler
an den Ecken. In den Wand-
arkaden des Chors ist der all-
mähliche Übergang zum neuen
Stil am besten zu erkennen :
während die der Südwand mit ihren runden Kleeblattbögen, den Eckblättern an den
Hasen, den geriefelten Blättern an den Kelchkapitellen noch ziemlich in den Formen
des Ubergangsstils gebildet sind, lassen die Reste der Nordarkade auf eine schon mehr
gotische Bildung schließen. Ausgesprochen gotisch waren dann die Fenster des Chors,
ebenso wie die des nördlichen Querschiffes, in welchem nur die Tür zu dem Treppenturm
noch den Ubergangsstil verrät. Dabei geht doch aus allem hervor, daß hier keine
große Unterbrechung des Baues stattgefunden haben kann, und wir müßten also ungefähr
die Jahre 1230 bis 1250 dafür in Anspruch nehmen. Das ist allerdings ein ziemlich
frühes Datum in Anbetracht der sonstigen Zeugen des Eindringens der Gotik am Ober-
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
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Fig. 15 r . Tabelle der Steinmetzzeichen an der Klosterruine Allerheiligen.
250
KREIS OFFENBURG.
rhein, welches in Straßburg und Wimpfen erst in der zweiten Hälfte des 13. Jhs. zu
konstatieren ist. In unserer Gegend, in Lahr, haben wir es für die Jahre zwischen 1250
und 1270 wahrscheinlich machen können. Mit den genannten Bauten, insbesondere
mit Lahr und Wimpfen, hat Allerheiligen in seinen Formen vieles gemeinsam. — Möglich
bleibt immerhin, daß durch die Beziehungen des Ordens zu Frankreich das frühe Datum
zu rechtfertigen ist. — Das südliche Querschiff zeigt ein merkwürdiges Schwanken. Wir
Fig. 1J2. Klosterkirche Allerheiligen. Der südwestliche Vierungspfeiler und die in das Querschiff
führende Arkade.
haben die Rundfenster in seiner Ostwand erwähnt, die von den Schildbögen des 13. Jhs.
durchschnitten wurden. Da aber das Querschiff doch ersichtlich auf Wölbung angelegt
war, und zwar auf Wölbung der Vierung entsprechend, und da nach dem vorhandenen
Schlußstein diese Wölbung nicht etwa unausgeführt blieb, so ist nur die oben gegebene
Erklärung möglich. Allerdings hat der große Brand von 1470 ganz besonders an
der Südseite der Kirche gewütet. Er ist, wie begreiflich, von dem Kloster ausgegangen,
das offenbar nach dem obenzitierten Beschluß von 1469 an baulicher Solidität zu
wünschen übrigließ, hat von hier aus das südliche Seitenschiff völlig zerstört, dann
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
251
das Langhaus ergriffen, aber auch an der Südmauer des südlichen Querschiffes sehr
ruiniert, so daß sie, wie auch die Westmauer gründlich renoviert werden mußte.
Zu gleicher Zeit etwa mit den Unterteilen des Chors wird wohl die Vorhalle angelegt
worden sein. Wie aber haben wir uns sie ausgebaut zu denken? Das Tonnengewölbe
der mittleren Teile ist nicht ursprünglich, das beweist schon die spitzbogige Tür in dem
Oberbau, deren Schwelle unterhalb des Gewölbescheitels liegt. Der gesamte Oberbau
selbst aber scheint mir seiner Mauertechnik nach eher dem 15. als dem 13. Jh. anzu-
gehören. Damit fiele auch für dieses die Beweiskraft der an dessen Nordwand bezw. also
an der Südwand des nördlichen Seitenraumes vorhandenen Konsolen, die zunächst darauf
hinzudeuten scheinen, daß diese Seitenräume niedriger als die Seitenschiffe waren. Wir
bleiben schließlich, was das Aussehen dieser Westteile im 13. Jh. anbelangt, ganz auf unsere
Phantasie angewiesen, der einzig der Eckdienstrest des nördlichen Raumes, das Portal
der Mittelhalle und ihr nach Norden übergreifendes altes Mauerwerk als Anhaltspunkte
dienen können. Einstweilen scheint mir am naheliegendsten, uns eine einheitliche
Vorhalle vorzustellen, wie sie die Kirchen der neuen Orden damals häufig besaßen, eine
Vorhalle, deren Rippenkreuzgewölbe auf Wandpfeilern mit Halbsäulenvorlagen und Eck-
diensten ruhten, darin den Querschiffen ähnlich. Im 15. Jh. haben dann hier nach dem
Brand von 1470 große Veränderungen stattgefunden. In dieser Zeit ist die Vorhalle
zweifellos in drei Teile geteilt worden durch die Querwände, auf denen jetzt die Tonne
ruht, die mittlere eigentliche Vorhalle und die zwei Seitenräume. Erstere wohl flach-
gedeckt, letztere (die Wahrscheinlichkeit zugegeben, daß der südliche dem nördlichen
gleich war) unter Verwendung der noch brauchbaren Teile (Eckdienst) als Kapellen
ausgebildet in Verlängerung der Seitenschiffe, mit spätgotischem Kreuzrippengewölbe und
je einem großen, zweipfostigen Maßwerkfenster, welches auch in den Bildern des 18. Jhs.
ersichtlich. Diese zeigen in der Mitte der Westfassade ein barockisiertes Portal, darüber
nach den Annales zwei schmälere Langfenster, nach der Zeichnung des Abtes Felix fast
zu beiden Seiten kleine Spitzbogenfenster. Sollten damit die gekuppelten Spitzbogen-
fensterchen der heutigen Vorhalle gemeint sein, von denen ich nicht sicher behaupten
möchte, wo sie ursprünglich angebracht waren? Ob auch in der Vorhalle? Darüber
dann nach den Ansichten des 1 8. Jhs. ein Rundfenster und im Giebel noch einmal ein
Spitzbogenfenster.
Im Langhause hat der große Brand ganz besonders gewütet. Die südliche Seiten-
schiffmauer ist ihm vollkommen zum Opfer gefallen, ebenso die Arkaden des Mittelschiffes
mit ihren Hochmauern, wenn sie überhaupt je in Stein vorhanden waren. Daß das nicht
der Fall, darauf deutet das gänzliche Fehlen irgendwelcher Reste des 13. Jhs. Auch die
Fundamentreste der bestehenden Schiffspfeiler sind neu, d. h. 15. Jh. So groß, daß er
alles geradezu weggeschmolzen hätte, kann der Brand nicht gewesen sein, er hätte
sonst auch an den Vierungspfeilern stärkere Spuren hinterlassen müssen. Damit
bringe ich wieder die Notiz von 1469 zusammen, und es will Herrn Prof. Statsmann
sowohl wie mir danach scheinen, daß das Langhaus nie ausgefiihrt war, an Stelle der
Pfeiler vielmehr Holzstützen standen und das Ganze mit flachen Holzdecken eingedeckt
war. Damit erklärt sich auch leicht die Gewalt des Brandes. Die Wandpfeiler der
Seitenschiffe mit ihren Diensten waren dagegen offenbar schon ausgeführt und sind auch
da, wo der Brand am wenigsten wütete, im nördlichen Seitenschiff, stehen geblieben.
Wir haben nun Fingerzeige, wie im 13. Jh. das Langhaus geplant war, und zwar hat
252
KREIS OFFENBURG.
damals schon eine Änderung im Bauplan stattgefunden. Zuerst nämlich dachte man
sich die Seitenschiffe ziemlich niedrig, was das spitzbogige Fenster in der Westwand des
Big. ISS- Klosterkirche Allerheiligen. Blick auf den südwestlichen Vierungspfeiler vom Mittelschiff aus.
südlichen Querschififes beweist. Danach ist gar nichts Anderes möglich, als daß je zwei
Gewölbejoche der Seitenschiffe auf ein Joch des Mittelschiffes fielen; wenn wir aber
daraufhin den Grundriß ansehen, so ergab sich dabei der Grundriß einer Kirche im
AMT OBERK.IRCH, — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
253
alten, gebundenen System. Zur Ausführung ist das aber nicht gekommen,
sondern wurde verdrängt durch einen ungleich wertvolleren und
Fig. 154. Klosterkirche Allerheiligen. Blick vom südlichen Querschiff auf den südwestlichen
Vierungspfeiler.
neuen Baugedanken. Der stehen gebliebene westliche Dienst des südlichen
Vierungspfeilers (s. Fig. 152) gibt den Anhaltspunkt für die dann geplanten Seitenschiff-
gewölbe, das Ganze war danach als frühgotische Hallenkirche gedacht,
Fig. ISS ■ Klosterkirche Allerheiligen. Rekonstruktion : Nordseite.
254
KREIS OFFENBURG.
aber nie ausgeführt. Dieser Vierungspfeiler hat in späterer Zeit verschiedene Bear-
beitungen erlitten. Wir sehen an der dem Langhaus zugekehrten nördlichen Seite oben
noch die Kapitelle der Dienste. Das des nordwestlichen Eckdienstes ist abgearbeitet,
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
255
if. ij6. Klosterkirche Allerheiligen. Rekonstruktion : Querschnitt durch die Vierung.
256
KREIS OFFENBURG.
die Spuren, die Steinfugen zeigen die Erneuerung und geben deutlich an, daß es in der
Höhe der anderen Kapitelle lag. Also ist die frühgotische Arkade höher gewesen als
die jetzige. Dafür spricht auch der abgearbeitete westliche Dienst, der da, wo jetzt der
Bogen der Arkade ansetzt (s. Fig. 153), noch nicht aufhörte, dessen Kapitell also höher
lag; die Arkade war demnach höher. Das Fenster in der Westwand des südlichen
Querschiffes wurde von den Gewölbeschildbogen des 15. Jhs. durchschnitten. Der
Arkade entsprechend muß derjenige des 13. Jhs. höher gewesen sein und so liegt die
Annahme nahe, daß er das Fenster in sich schloß, womit das Gewölbe die gleiche
Höhe gehabt hätte, wie das des Mittelschiffes. Auch der südwestliche Eckdienst ist
offenkundig abgeschnitten, des niederen Ansatzes der spätgotischen Rippen wegen. Da
von einer Kapitellabarbeitung aber keine Spuren zu bemerken sind, so lag dieses höher,
somit also ebenfalls der Ansatz des frühgotischen Gewölbes. Betrachten wir nun die
südliche Seite des Pfeilers (s. Fig. 154), so finden wir, daß der südliche Dienst in seinem
unteren Teile intakt erhalten, in seinem oberen Stück aber abgearbeitet ist.
Und zwar scheint hier das Kapitell abgearbeitet zu sein, wenn dieser Stein nicht überhaupt
dem 15. Jh. angehört, denn irgendwie später eingesetzt ist er. Das Kapitell der Halb-
säule des 1 3. Jhs. muß aber höher gelegen haben, da sich bei dem unteren Durch-
messer sonst eine unerträglich plumpe Form ergeben hätte. Der gegenüberliegende
Kämpfer der Arkade ist in seinem heutigen Aussehen ebenfalls dem 15. Jh. zuzuschreiben.
Das Sockelgesims — der ehemalige Fußboden lag um etwa 20 cm niederer — an
dieser Stelle ist dagegen alt, es zog sich auch nach Süden herum; eine Langhausmauer
war also hier in frühgotischer Zeit nie fertiggestellt. Daß an dieser Stelle nach dem
Brand große Veränderungen stattgefunden haben, wird, abgesehen von der Bearbeitung
der Steine an der Querschififwestwand, auch dadurch bewiesen, daß in der Südwestecke
des südlichen Querschififes der zweifellos ursprünglich vorhandene Dienst in der Spät-
gotik durch eine Konsole ersetzt wurde — So steht also das Projekt der Hallenkirche
klar vor uns. Prof. Statsmann hat in Fig. 14 1 u. 157 gezeigt, wie nach diesem
Projekte die Schiffpfeiler wohl gestaltet sein sollten. Dieses Projekt mag der Zeit nach
1250 entstammen. Nicht allzuviel später muß die Kapelle im nördlichen Querschiff
erbaut worden sein, zumal sie mit Querschiff und Chor bündig ist, also von vornherein
geplant war. Ihre ausgesprocheneren, fast hochgotischen Formen hindern nicht, sie in
die Zeit um 1260/70 zu setzen. Nach dem Brande von 1470 hat die Spätgotik die
Kirche dann ausgestaltet, der Scheitel der Seitenschififgewölbe lag bei ihr nur ca. 2 m
niederer als der des Mittelschiffes. Im nördlichen Seitenschiff benutzte man die stehen
gebliebenen Wandpfeiler des 13. Jhs., die schon durch die schwachen Strebepfeiler etwas
verstärkt waren, im Langhaus errichtete man die Pfeiler, die man stark fundierte und
durch feste Quaderzüge verband, da sie ohne Unterstützung durch ein ausgebildetes
Strebesystem den Druck des Mittelschiffgewölbes zu tragen hatten. Im südlichen Seiten-
schiff, d. h. an dessen Südwand, trugen Konsolen das Gewölbe. Die Seitenschiffe waren
nach den Funden mit oblongem Rippengewölbe eingewölbt, für das Langhaus hatte man
früher ein komplizierteres Gewölbesystem angenommen, das auch den Zeichnungen von
1850 zugrunde gelegt ist. Dagegen spricht allerdings der Grundriß von 1803, der hier
Kreuzgewölbe zeigt;1) doch scheint mir die Einzeichnung der Gewölbe so flüchtig, daß
*) Danach in unserem Grundriß.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.) 257
Band VII.
17
Fig. 157. Klosterkirche Allerheiligen. Rekonstruktion : Querschnitte.
Fig. tj8. Klosterkirche Allerheiligen. Rekonstruktion: Längsschnitt.
258
KREIS OFFENBURG.
i
AMT OBERKIRCH. — L1ERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
259
darauf kein großer Wert zu legen ist. Die Schlußsteine für Langhaus und Seitenschiffe
haben sich in einer stattlichen Zahl erhalten, die uns leider keine deutliche Vorstellung
ermöglicht.
Li
Nach dem Dargelegten sind die Rekonstruktionsversuche des Herrn Prof. S t a t s - Rekonstruktion-
plane
mann, die den vermutlichen Zustand um 1500 wiedergeben, ohne weiteres verständlich
(s. die Figuren 155— 159).
Chor und Querschiff waren mit Satteldächern gedeckt, deren Giebel unter der
erwähnten Mauerschräge des obersten Turmgeschosses anschlossen. Das angebliche
Fenster in dem Geschoß darunter ist eine Tür in die Bühne. Der Turm — dessen Ober-
17
15g. Klosterkirche Allerheiligen. Rekonstruktion der Osttei/e.
2 6o
KREIS OFFENBURG.
mauern den Wasserspeiern nach dem 13. Jh. entstammen — hatte ein spitzes Pyramiden-
dach, das aus den Abbildungen des 1 8. Jhs. ersichtlich ist.
Langhaus und Vorhalle waren vor und nach 1470 mit einem großen Satteldach
überdeckt, dessen Traufe tiefer herabging als die des Querschiffes. (Man hätte sonst
ITlostcR-
KiRCFjC
Fig. 160. Klosterkirche Allerheiligen . Portal zum Kreuzgange und Rippenanfänger in demselben.
die Seitenschiffmauern unnötig hoch führen müssen und das Dach wäre sehr flach
geworden.)
Auch der Brand von 1555 muß die Kirche etwas in Mitleidenschaft gezogen haben;
damals wurde der Treppenturm im nördlichen Querschiff wieder hergestellt und die
Fenster des südlichen Seitenschiffs, wie wir aus der Betrachtung der Klosteranlage ersehen
werden, verändert.
AMT OBERKIRCH. — LIERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.) 261
Später wurde eine Empore eingefügt, deren Balkenlöcher in der Westwand noch
vorhanden sind (s. Fig. 157). Außerdem schloß nach dem Grundriß eine große, barocke
Chorgestühlanlage die Vierung ab.
Von den Klosterbauten des 13. Jhs. ist heute auch nicht die geringste Spur mehr
zu entdecken ; auch die Grabungen ergaben nichts. Dagegen können wir die Konvent-
anlage des ausgehenden 15. Jhs. noch in den wesentlichsten Zügen feststellen, sie ist
auch die Grundlage für die künftige Gestaltung geblieben. An die Langhaussüdseite schloß
sich der Hof mit dem Kreuzgange an. Ein spitzbogiges Portal (s. Fig. 160), dessen
äußeres noch erhaltenes Gewände aus sich kreuzendem und teilweise totlaufendem Stab-
werk und Hohlkehlen besteht, führte von hier in das südliche Seitenschiff. Daneben ist
noch eine polygonale Konsole mit hohlgekehlten Rippen erhalten aus dem nördlichen
Kreuzgangflügel, weiterhin sind an der Südwand der Kirche noch die Sandsteine erkenn-
bar, an denen die Konsolen und Rippenansätze später abgespitzt wurden. Danach muß
man wohl annehmen, daß dieser nördliche Kreuzgangflügel einstmals bestanden hat, aber
nicht dauernd, da sein Dach die Fenster des südlichen Seitenschiffes zum Teil bedecken
würde. Daß er im 1 8. Jh. nicht mehr bestand, zeigen die Ansichten sowie die Pläne
von 1803. Da er seinen Formen nach (Portal und Rippen) sich etwa auf die Zeit um 1470
datieren läßt, so wird man annehmen müssen, daß er mit dem ganzen Konvent damals
neu erbaut wurde ') und daß vielleicht das Seitenschiff damals nur durch die Rundfenster
erhellt wurde, von denen noch Beispiele erhalten (die mit den anderen Spitzbogen-
fenstern nicht mehr recht zusammenzubringen sind); nach dem zweiten Brande von 1555
erneuerte man aber den wohl ganz besonders mitgenommenen Nordflügel nicht mehr,
man konnte daher bei der Wiederherstellung der südlichen Schiffswand (deren Mauer-
werk das allerschlechteste in der ganzen Kirche ist) ihr tief herabführende Fenster geben,
die reichliches Licht spendeten. Die drei anderen Kreuzgangflügel blieben bestehen, sie
sind noch auf den Bildern des 18. Jhs. zu erkennen. Ihr Gewölbe (wie das ehemalige
des Nordflügels) war entweder ein einfaches Kreuzgewölbe (s. Fig. 160) — die vermut-
lichen Schlußsteine desselben habe ich bei den Funden in der Vorhalle erwähnt — oder
ein Netzgewölbe, wie es der Plan der Grabungen annimmt.
An das Querschiff der Kirche stieß nächst dem südlichen Kreuzgang zunächst ein
gewölbter Gang an, der direkt in den Kapitelsaal führte, neben diesem Gange die
Sakristei, über deren Gestaltung wir nur noch Vermutungen haben. Dagegen gelang es
Herrn Prof. Statsmann, die Reste des Kapitelsaales mit genügenden Anhaltspunkten
auszugraben. Es fanden sich die Standpunkte und Sockel des Mittelpfeilers, der Wand-
pfeiler im Norden und Süden (Fig. 126a) sowie ein Schlußstein, nach dem wir ein stern-
förmiges Gewölbe, etwa in der angedeuteten Art, anzunehmen haben, dessen Rippen an
Ost- und Westwand entweder auf Konsolen ruhten oder unmittelbar in die Wand über-
gingen. Auch die Stelle des Altars fand sich, wie er in dem Plan von 1803 ein-
gezeichnet ist. Dort sehen wir das gleiche Netzgewölbe und scheinbar überall Wand-
pfeiler bezw. Konsolen, von denen aber die Grabungen keine Spur gaben.
Weiteres über die Klostergebäude des 15. und 16. Jhs. vermögen wir nicht mehr
festzustellen. Im 17. und 18. Jh. ist an ihnen jedenfalls immer weiter verbessert und das
') Daß vor 1469 kein architektonisch bedeutender Kreuzgang bestand, dafür spricht der in
der Einleitung citierte Beschluß.
Konventanlage
Kreuzgang
Fig. 161. Kloster Allerheiligen im Jahre 1132.
( Nach der Ansicht in Hugo , S. et C. Ordinis Pr'ämonstratensis Annales, Tom. II. Nancy 1736.)
262
KREIS OFFENBURG.
Ganze ausgebaut worden (s. Fig. 161). 1735 bestand es nach dem Stich der Annales aus
folgendem : der unveränderten alten Kirche, dem Konvent mit dem alten Kreuzgang (ohne
Nordflügel), der vordere Teil des Konventes diente als Abtshaus, seine Ecke zierte ein
Erker mit dem Tulpendach des 1 7. Jhs. Ein hölzerner Gang führte von hier herüber in das
AMT OBERKIRCH. — UERBACH. (KLOSTER ALLERHEILIGEN.)
263
daneben liegende vierstöckige Gasthaus, daneben das kleine molendinum (Mühle). Ihnen
gegenüber, also westlich, das langgestreckte »domus famulorum et peregrinontium«
(Knechte und Fremden), das offenbar viele Insassen aufzunehmen fähig war, daneben das
horreum (Scheuer) und gallinarium (Hühnerhaus) und endlich an die Südmauer des Bezirks
angebaut die Ställe. An der Westmauer gegenüber dem Abteigebäude ein Garten und
ein Bau, der als macellum (Metzig) et lavatorium (Badehaus) diente. Der ganze Bezirk
mit der Kirche war von einer Mauer eingeschlossen und öffnete sich in drei Toren,
einem südöstlichen, das auf den Kniebisweg führte, einem südlichen, das talabwärts
schaute (nach den Fällen zu), und einem nordöstlichen neben der Kirche etwa auf den
heutigen Fahrweg nach Oberkirch und Ottenhofen ; davor lagen noch einige Gärten, eine
Mühle und ein Teich. Bis zu der Zeichnung des Abtes Felix von 1783 sind noch
einige Veränderungen vorgenommen worden: die Abtei wurde aus dem Westflügel des
Konventes in das frühere Gasthaus verlegt, dieses deshalb mit dem Konvent durch einen
Erweiterungsbau (statt Holzbrücke)
über breitem gewölbten Torweg ver-
bunden. Der Erker des Konventes
wurde über diesem Torweg ange-
bracht. Das kleine Gebäude neben
dem Abtshaus wurde zum Spielsaal.
In dem Westgebäude des Konventes,
das heute noch (etwas verändert) als
altes Gasthaus steht, wurden Kranken-
wohnung, Kellerei und Küche einge-
richtet. Das domus peregrinontium
wurde lediglich Gasthaus. Im Süd-
osten wurde ein neues größeres Ge-
bäude errichtet, an das sich jetzt die
Metzig anschloß. Der Garten im
Westen des Bezirks, in dem das Gym-
nasium stand, erhielt wohl jetzt erst
die hübsche Balustrade, von der wir in Fig. 162 ein Beispiel geben. Vor den alten
Mauern wurde ein terrassenförmiger Garten für die Gäste, um den Mauerbezirk herum
ausgedehnte Prozessionswege mit Ruhebänken angelegt. ’) — Nördlich von der Kirche
befand sich der Friedhof. — Von dem allen steht außer Kirchenruine und westlichem
Konventshaus nur noch ein Teil des Gasthauses, die rundbogigen Türen mit Sandstein-
gewänden an einem Wirtschaftsgebäude und die Reste der Umfassung der zwei Gärten.
Das Ganze ein ansprechendes Bild beschaulich-ruhigen und einer gewissen Wohl- Zusammen-
fassung
habenheit, nicht Üppigkeit, sich erfreuenden Klosterdaseins, in dem, wie in der Einleitung
dargelegt worden, neben der Frömmigkeit auch die Lehrtätigkeit gepflegt wurde. — Für
die Kunstgeschichte ist lediglich die Kirchenruine interessant. Da sie in ihrer ursprüng-
lichen Gestalt doch wohl im zweiten und dritten Viertel des 13. Jhs. entstanden sein muß,
*) Die Pläne von 1803 zeigen uns alle Einzelheiten : die Sakristei und die Kapelle, das Museum
und das Archiv, die an den alten Kreuzgang anstießen, Gesindestuben, Bäckerei, Küchen, Apotheke,
Ställe usw. Es würde zu weit führen, darauf näher einzugehen. Interessenten mögen die in der
Plansammlung des Großh. Generallandesarchivs aufbewahrten Blätter einsehen.
264
KREIS OFFENBURG.
so ist sie neben der Stiftskirche in Lahr ein neues und man kann wohl sagen bisher
noch nicht gekanntes Beispiel für das Eindringen der Gotik am Oberrhein. Bestimmte
Beziehungen mit irgendwelchen oberrheinischen Bauten, etwa nach Straßburg oder Wimpfen
hin, sind nicht nachzuweisen. Höchstens ließe die eigenartige Querschnittbildung, aus
welcher das Quadrat und das gleichseitige Dreieck sich ergeben (Fig. 152 u. 156), auf
Verwandtschaft mit der Straßburger Bauhütte schließen. Gänzlich verfehlt aber ist der
Versuch F. J. Schmitts, ]) Allerheiligen in irgendwelche Beziehungen mit Notre Dame
zu Laon zu bringen. Wie er das bei der unglaublichen Verschiedenheit in Grundriß
und Aufbau fertigbringen konnte, ist unbegreiflich. Denn die Kreuzesform, der Zentral-
turm über der Vierung, der gerade Chorschluß und die Apside am südlichen Querschiff
dürften gewiß hundert Kirchen gemeinsam sein. Dafür hat Notre Dame zu Laon einen
dreischiffigen Chor fast von der Länge des Langhauses, mit Ausnahme der Vierung
überall oblonge Gewölbejoche, auf ein oblonges Gewölbejoch im Langhaus ein quadra-
tisches im Seitenschiff, also in allem der direkte Gegensatz von Allerheiligen, von dem
Aufbau überhaupt zu schweigen ! Auch mit dem Bausystem des Langhauses der Prä-
monstratenser-Abteikirche St. Martin zu Laon hat das Langhaus von Allerheiligen nicht
das mindeste zu tun. Dagegen ist ein Blick auf die Prämonstratenserkirche in Rüti im
Kanton Zürich in mancher Hinsicht interessant,* 2 3) deren Langhaussystem aber ebenfalls
gerade das umgekehrte gewesen ist. Wichtig ist aber, daß dieser Bau (1214 bis 1219,
beendigt?) unter denen der Nordschweiz einer der ersten war, in welchen der Spitzbogen
zur praktischen Verwertung gelangte. Wir wrerden es daher leicht verstehen, wenn auch
in Allerheiligen verhältnismäßig früh die Gotik eindrang. In jener Kirche zu Rüti aber
legten sich den Seitenschiffen in westlicher Verlängerung zwei schmale, seitwärts ab-
geschlossene Räume vor und zwischen denselben eine große Vorhalle mit rundbogigem
Tonnengewölbe, während wir in Allerheiligen eine einheitliche Vorhalle anzunehmen
haben. — Die zweite kunstgeschichtliche Bedeutung unseres Baues liegt in dem Plane
einer frühgotischen Hallenkirche, der allerdings nicht zur Ausführung kam. Er reiht sich
damit den frühesten gotischen Hallenkirchen an, d.h. wenigstens in der kühnen Konzeption.
Ausgeführt, wäre bei diesem klaren Grundriß, den im Verhältnis zu dem Grundriß weiten
Bogenspannungen wohl ein sehr einheitlich wirkender Raum entstanden. So wenig aller-
dings als an den meisten frühen gotischen Hallenkirchen sind die konstruktiven Vorteile
des Systems verstanden, nämlich die dadurch mögliche Überleitung des Schubs der
Mittelschiffgewölbe auf die Seitenschiffgewölbe und ihre demgemäß entwickelten Strebe-
pfeiler; gerade das ist hier sogar direkt verkannt worden. Möglich, daß während des
Baues eben dieser Wölbungsschwierigkeiten halber von der Ausführung abgesehen wurde.
Die Prämonstratenser haben in der Geschichte der Baukunst nicht die Rolle
gespielt, wie die Cluniazenser und die Cisterzienser; immerhin aber waren auch sie
selbstverständlich Träger des französischen Einflusses und diejenigen, welche der Gotik
den Weg freigemacht haben. Man kann auch nicht sagen, daß sie ein besonderes
Kirchenschema ausgebildet haben; sie schlossen sich vielmehr eng an das der gleich-
strebenden Orden an. Und so treffen wir denn bei ihnen den gerade abgeschlossenen
Chor, der Kapellenumgang fehlt, östliche Kapellen am Querschifif kommen vor, die
B Repertor. XVII, S. 440.
2) Viollet le Duc, Tafel 362.
3) Rahn, Die bild. Künste i. d. Schweiz, S. 385.
AMT OBERKIRCH. — MAISACH. (ANTOGAST.)
265
Grundrißgestaltung ist schlicht und klar, die Details sparsam und nüchtern behandelt:
alles Eigenschaften, die wir auch in Allerheiligen wiederfinden, wie auch die in der
ganzen Breite des Langhauses diesem vorgelegte Vorhalle. Gleich den Cisterziensern
haben auch die Prämonstratenser sie bevorzugt. Wir treffen sie in der zweiten Hälfte
des i2.Jhs. u. a. in Enkenbach.1) Wäre jener allerfrüheste, vermutliche Plan in Aller-
heiligen zur Ausführung gekommen (vor der Hallenkirche) mit je zwei quadratischen
Jochen der Seitenschiffe auf eines des Mittelschiffs etc., so wäre die Ähnlichkeit des
ganzen Grundrisses mit Enkenbach auffallend gewesen, woraus wir allerdings heute keine
Schlüsse mehr ziehen können.
Neben der Anziehungskraft der malerischen Ruine in hochgelegenem, von tannen-
bewaldeten Bergen umschlossenem Gebirgstal kann Allerheiligen künftig noch den
Anspruch erheben, bei der Einführung der neuen Kunst weise am Ober-
rhein eine vielleicht nicht unbedeutende Rolle gespielt zu haben
und als eine der frühesten Hallenkirchen auf deutschem Boden
wenigstens geplant gewesen zu sein.
MAISACH
(ANTOGAST)
Schreibweisen: zu Meisahe 14. Jh.; in der Meysach 1381; Meisen 1476. (Für
älteres Meizahi, von ahd. meizo = Holzschlag.)
Der Ort, der nichts Bemerkenswertes enthält, gehörte bis 1803 zum weltlichen
Gebiet des Hochstifts Straßburg, Herrschaft Oberkirch.
Im Meisachtal liegt, von Bergen eng umgeben :
BAD ANTOGAST
Schreibweisen: zu Antegast 1336; Antengast 1383. (Wohl entstellt aus Arbo-
gast und nach dem Straßburger Bischof dieses Namens genannt.)
Literatur: Die Bäderliteratur und die Führer s. bei Kienitz und Wagner S. 237.
Tabernae montanus (Jacob Theodor aus Bergzabern). New Wasserschatz, Frankfurt 1593.
F. v. Weech, Zur Geschichte der Renchbäder Antogast etc., J. 28, S. 438 — 466.
J. Zentner, Das Renchthal etc. (s oben), Freiburg 1827 und Karlsruhe 1839. R. Kraus,
Zur Creschichte der Renchtalbäder, Z. NF. 21, S. 601.
Ortsgeschichte: Im 14. Jh., wie es scheint, zuerst genannt, hat Antogast jeden-
falls schon im 16. Jh. sich Besucher seiner Quellen erfreut. Es gehörte zum weltlichen
Besitz des Bistums Straßburg. Nach der Verpfändung des Amts Oberkirch durch den
evangelischen Bischof von Straßburg, Markgraf Johann Georg von Brandenburg, an Herzog
Friedrich von Württemberg nahm dieser sich der Renchtalbäder mit lebhaftem Interesse an.
1637 kamen sie wieder an Straßburg (in sicheren Besitz erst 1665), und nun erließ Bischof
Leopold eine ausführliche Badeordnung für Griesbach, Peterstal und Antogast. Weiter
hören wir nicht mehr viel von Antogast, das 1803 mit dem ganzen Gebiet badisch wurde.
In dem Badhaus einige Bilder des 17. und 18. Jhs. ; die Gebäude selbst sind
neueren Datums, aus dem Anfänge des 19. Jhs., ohne architektonische Bedeutung.
1) Dehio u. Bezold, Kirchl. Bauk. d. Abendlandes, Tafel 165.
Ortsgeschichte
Badhaus
206
KREIS OFFENBURG.
Ortsgeschichte
Pfarrkirche
NUSSBACH
Schreibweisen: Nuzbach 994; Nutzbach 1196; Nuzbach 1200- Nusbach 1239 etc.
(ahd. Nuz = die Nuß).
Literatur: Ad. Wehrle, Geschichte der h. Wendelinuswallfahrt Nußbach, in
Wehrles Wendelinusbüchlein, Ingenbohl 1878.
Ortsgeschichte : 994 schenkte Kaiser Otto III. seinen Hof Nußbach dem Stifte
Waldkirch. 1024 kam der Ort durch Kaiser Heinrich II. an das Bistum Bamberg, von
diesem an die Zähringer und an die Grafen von Freiburg, doch scheint die Herzogin
Uta von Schauenburg auf das Patronat der Kirche Anspruch gemacht zu haben. Diese
ist die Mutterkirche des gesamten Renchtales. Ihrer neuen Gründung Allerheiligen
übergab die Herzogin das Patronat, wie wir aus dem Bestätigungsbrief von 1196 ersehen,
und zwar »cum cunctis suis attinentibus«. 1225 hören wir von der »donatio iuris patronatus
ecclesie in Nusbach et capellarum eidem ecclesie annexarum, videlicet Obirnkirchen et
Noppenowe a ducissa de Scowenburc, Uta nomine, consentiente nobili viro Eberhardo
de Eberstein eins herede preposito et conventui Omnium Sanctorum facta«. Da das
Patronat und Zehnt aber zu dem Dinghof gehörten, so geriet das Kloster in einen langen
Streit mit den Grafen von Freiburg. Diese verkauften 1239 ihren Hof an Allerheiligen;
doch hören wir noch einmal 1327, daß Heinrich von Fürstenberg »curiam suam in
villa Nüszbach .... cum curia inferiori sita in dicta villa . . . spectante ad curiam
predictam cum iure patronatus ecclesie parrochialis ipsius ville Nüszbach et capellarum
dependencium ab eadem« dem Propst und Konvent verkauft; damit also wird wohl erst
der Streit beigelegt worden sein. Mit der Auflösung des Klosters kam das Patronat an
Baden. — Außer Allerheiligen muß auch Gengenbach hier begütert gewesen sein, denn
wir hören i486 von dem »amptlehen, so Albrecht von Nuwenstein zu Nußbach« von
dem Abt von Gengenbach hatte. Einige weitere Höfe mit verschiedenen Besitzern
werden im 14. und 1 5 . Jh. erwähnt.1) Der Ort gehörte zur Landvogtei Ortenau und
wurde mit dieser 1805 badisch.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Sebastianum). Ihre frühe Bedeutung geht schon aus
dem Obigen hervor. Ihr waren die Kapellen in Oberkirch und Oppenau eingepfarrt,
ebenso Ebersweier. »Ecclesia parrochialis ville Nuspach cum Omnibus suis capellis,
videlicet capella in Oberkirche et in Oberndorf ac eciam in Noppenowe et in Ebers-
wilre« heißt es 1365, in dem Kirchspel zu Nußbach 1400, matricis et parrochialis ecclesiae
N. 1666. — Vom 13. Jh. an besetzte Allerheiligen die Pfarre mit einem seiner Kon-
ventualen. 1246 hören wir von einem decanus Hennanus, 1311 von einem vicepiebanus,
1434 von Rulmannus dictus Tedinger perpetuus vicarius seu plebanus in N. ; 1464 war
Andreas Rohart von Neuenstein, der spätere Propst, Leutpriester hier.
Die heutige Kirche ist ein Bau des 19. Jhs., in diesem selbst mehrfach vergrößert,
so besonders vor kurzem. 1828 hat der am ganzen Oberrhein tätige, tüchtige Dekorateur
Wilhelm (aus dem Vorarlberg stammend) für 2000 fl. die ganze Innenausstattung der
Kirche hergestellt, von der heute nichts mehr erhalten. Der jetzige Chor ist das ehe-
malige Langhaus der alten Kirche, an dem keine älteren Spuren mehr erhalten. Von
ihm aus tritt man in den einstigen Chor, einen quadratischen Raum, der, wie so vielfach,
1) Krieger II, S. 362.
AMT OBERKIRCH. — NUSSBACH.
267
das Erdgeschoß des in drei Geschossen alten Turmes war. Er ist mit einem Kreuz-
rippengewölbe gedeckt, dessen Rippen als mächtige runde Wulste tief unten in den
Ecken auf Halbsäulen aufsitzen, deren Kapitelle weggeschlagen sind, auch die Basen
sind zerstört. Der alte Fußboden lag tiefer. Erleuchtet wird der Raum durch ein abge-
schrägtes kleines Rundbogenfenster in der Ostwand ; je eine Lichtluke an Nord- und
Südwand ist jetzt zugemauert. Am Äußern der alte romanische Sockel mit Wulst und
Abschrägungen. Gegen die Kirche zu öffnet sich der Chor in einem Spitzbogen auf
Wandgemälde : zwei Evangelistensymbole.
Pfeilern mit einfachen Kämpfern und einer Art attischer Basis. Nach allem wird man
diesen Rest der alten Kirche in die ersten Jahrzehnte des 13. Jhs. setzen müssen.
In den Kappen des Kreuzgewölbes Reste von Wandgemälden.
Im Jahre 1899 begann die Untersuchung dieser Bilder durch den Kunstmaler
J. Mader, die i.J. 1902 ihren einstweiligen Abschluß fand. Es wurden mehrere Bemalungen
übereinander konstatiert, eine aus dem Anfänge des 13. Jhs. stammend, die Felder mit
Sternen von roter und grünblauer Farbe, die Rippen des Gewölbes aus stumpfem Rot mit
weißen Wellenlinien ornamentiert, im gleichen Rot auch die Laibungen des Fensters. —
Für die zweite Bemalung wurde die erste hell übertüncht, darauf malte man in zwei Kappen
je zwei der Evangelistensymbole, in deren Spruchbänder noch mehr oder minder die
Namen der Evangelisten erhalten sind, und zwar zusammen: Adler und Ochse, bei
Wandgemälde
208
KREIS OEFENBURG.
Kirchengeräte
Ölgemälde
letzterem noch: [ dann Löwe und Engel (s. Fig. 163): Hiat - CUö
matheu • ; in der dritten Kappe sehen wir S. Michael mit der Seelenwage und in der
vierten die rituelle Feier des Abendmahles. Diese Bilder sind vorzügliche Werke aus dem
Ende des 15. Jhs., die der ausgeprägten Schongauerschule — trotz manches Verwandten —
nicht zuzuschreiben sind. Die Reste der dritten Bemalung bestehen nur noch in Farben-
spuren, die auf einstige figurale Renaissancemalereien zu deuten scheinen. An der jetzigen
südlichen Chorwand ein Wandgemälde des 18. Jhs., eine Kreuzigung.
In der Kirche noch ein spätgotischer Taufstein, das Becken polygonal, die Felder
mit reichem Maßwerk verziert, in einem die gute, bewegte, kleine Gestalt des h. Sebastian
an knorrigen Baum gebunden, in einem anderen in flatterndem Bande die Jahreszahl :
all 11 0 + bin + OZCCCCtXXVI; außerdem noch ein Drache im Astgeschlinge der einen
Fläche.
Ein Holzkruzifix, Durchschnittsarbeit vom Ende des 16. Jhs.
Am Äußern der Kirche ein jetzt eingemauerter Stein mit dem Wappen des Abtes
Lorenz Schlecht, der nach der Inschrift die Kirche neu erbaute:
IN TE LAURUS
EN AEDES ISTA STRUXIT LAUREN
TIUS ABBAS
TEMPORE QJJOBIS TER MENSES
PEREL • AVERATAE TER
CINGIMUS EX AURO PRO IN SUA
TEMPORA LAURO
HUNC AFFERT NOMEN QUEM
PERPETUA BITET OMEN
I75o
In der Sakristei einige Paramente des 18. Jhs. An Kirch eng erä ten sind zu nennen:
eine Monstranz, silbervergoldet, getrieben, mit Bandornamenten am Fuß, Engeln etc.
FT
oben. Anfang des 1 8. Jhs. Undeutliches Beschauzeichen und . ; ein silbergetriebener,
vergoldeter Kelch vom Anfänge des 18. Jhs. Engelsköpfe, die Leidenswerkzeuge,
Blumen und Früchte am Fuß, dasselbe in durchbrochener Arbeit aufgelegt an der
Cuppa, sehr feine Arbeit, Augsburger Pinienzeichen, darunter A und IZ (Johann Zeckel ?,
Rosenberg Nr. 292); Kelch in gleicher Arbeit, mit Leidenswerkzeugen und h. Sebastian
im Relief am Fuß, Bandornament vom Anfänge des 18. Jhs., ohne Zeichen. Ein kleiner
Empirekelch, kupfervergoldet, getrieben. Ein Wettersegen , silbervergoldet, getrieben,
in einfachen, aber guten Formen vom Ende des 18. Jhs. Beschauzeichen: Schild mit
Schräglinksbalken, darüber Krone (?) und I7. Weihrauchfaß mit getriebenen Engels-
köpfchen, Silber, aus der Mitte des 18. Jhs. ; ein einfacheres vom Ende desselben. Auf
dem Altar vier silberne Leuchter vom Anfänge des 18. Jhs.
Die Glocken nach der Angabe des Pfarrers alle aus dem 19. Jh.
Im Pfarrhaus : Ölgemälde, Portrait des Abtes Joachim Bahr von Allerheiligen.
Auf den Wegen zu den umliegenden Orten eine Anzahl von Bildstöcken und
Kruzifixen des 1 8. Jhs.
AMT OBERKIRCH. — OBERKIRCH.
269
OBERKIRCH
Schreibweisen: Oberkirch ca. 1229; Obemkirchen 1236; oppidum 1303; Obir-
kilke 1247; Oberkilch 1316; merketstat Oberkirchen in der gegene zuo Mortenowe
gelegen 1303.
Literatur: J. Bader, Die ehemalige Straßburgische Herrschaft Oberkirch, Badenia II
(1840), S. 219 — 237. K. Christ, Zu den Hausinschriften in Neuenheim und Oberkirch.
P i c k s Monatsschrift VI, S. 582. Hart felder, Ordnungen der Stadt Oberkirch, J. 58,
S. 679. F. J. Mone, Der Schauertag zu Oberkirch im 16. Jh., J. 17, 1865. Fecht,
Allerheiligen, S. 85fr. Fr. Schaz, Stadt O. und die Burgen des vorderen Renchthales,
Achern 1898. Die Bruderschaft zum h. Skapulier in Oberkirch, Freiburg 1865. (Dazu
die allgemeineren, öfters zitierten Werke von Fritz, Zentner etc. — Näher,
Ortenau, S. 25.)
Ortsgeschichte: Oberkirch wird verhältnismäßig spät erst erwähnt und dürfte also Ortsgeschichte
wohl auch erst im Laufe des xi. und 12. Jhs. aus vereinzelten Ansiedelungen entstanden
sein,1) die von Nußbach aus pastoriert wurden und dann auch eine Kapelle erhielten,
die dem Ort der oberen Kirchen den Namen gab. Diese Kapelle aber lag nicht an
der Stelle der heutigen Pfarrkirche, sondern in dem heute sogenannten Oberndorf, und
es ist möglich, daß wir ihre Überreste noch in dem auf dem Friedhof stehenden Bau
besitzen. Der Ort gehörte zu zähringischem Besitz und kam als Erbe an die Grafen
von Freiburg. 1246 aber wird Obirinkirchen als Stadt der Markgrafen Hermann und
Rudolf von Baden genannt (Kopie des 16. Jhs.). Wie es an diese kam und ob das
zusammenhängt mit der Verpfändung der damals schon bischöflich straßburgischen
Territorialbesitzungen Ullemburg und Renchen,2) vermag ich nicht recht zu sagen.
Sollten die Grafen von Freiburg es schon einmal an Straßburg abgetreten haben? Bereits
vor 1273 waren Renchen und Ullemburg von dem Bischof zurückgekauft. 1271 war
Graf Heinrich von Fürstenberg mit der Hälfte der Herrschaft Oberndorf, unterhalb der
Burg Fürsteneck, nebst dem kleinen Seitental des Walramesbaches Lehns- und Burg-
mann des Bischofs von Straßburg geworden. Die Besitzverhältnisse in der Gegend
müssen wohl strittig gewesen sein, was ich daraus entnehme, daß König Rudolf Lehen
in Fürsteneck und Oberkirch dem Markgrafen Rudolf von Baden verliehen hat (feoda
in Furstenecke et Obirkirche, que Rudolfus senior marchio de Baden a Rudolfe Romano-
rum rege et imperio possedit 1286). Es handelte sich also dabei um Reichslehen. Im
gleichen Jahre aber verzichtet der Markgraf darauf, und der König übergibt sie an
Friedrich und Egeno von Fürstenberg als »perpetuo libere possidenda«,3) also doch als
Allodialbesitz. 1303 verkauften dann Udelhildis, die Witwe Friedrichs, und ihr Sohn
Heinrich Schloß und Stadt dem Bistum Straßburg, das schon in der Gegend reiche
Besitzungen hatte. Als Pertinenzien zu Schloß und Stadt kamen damals dazu Güter in
Ringelbach, Geldengrunt, Frowensberge ; sodann im Noppenouwer Tal in Gerwinsberge,
Nortwasser, Meisahe, Rotschier, Breitenberg, Dettlinsbach, Bestenbach, Eberlinsberge,
in dem Springe, Löhern, in der Gassen, Ruprehtsbühele, Sigmannesgassen, an der Matten,
*) Die früheren Annahmen einer Entstehung des Namens aus Hypergraecia und eines lateinischen
Ursprunges brauchen hier nicht mehr widerlegt zu werden.
2) Fritz a. a. O. S. 144.
8) Krieger I, S. 664.
270
KREIS OFFENBURG.
an der niedern Matte, Ibach, Ramesbach, Richenbach. ’) Bischof Johanni, von Straßburg
umgab Oberkirch mit Mauern, wobei es sich meines Erachtens nur um den auf dem rechten
Ufer der Rench gelegenen Ort gehandelt haben kann, das sogenannte Oberndorf blieb
außerhalb. Möglich, daß damit erst die Anlage einer zweiten Kapelle zusammenhängt
an Stelle der heutigen Pfarrkirche, denn zum erstenmal hören wir 1365 von zwei zu
Nußbach eingepfarrten Kapellen, der »capella in Oberkirche et in Oberndorf«, während
das »ecclesia de Oberkirchen 1275« sich noch gut auf die Kapelle in Oberndorf beziehen
kann, da, wie mir scheint, ein genauer Unterschied im Gebrauch der Namen Oberndorf
und Oberkirch erst im 14. Jh. eintritt. In der seit 1323 erwähnten alten Stadt sehe ich
eben die ältere Ansiedelung in Oberndorf und glaube das aus der Art zu erkennen, wie
sie bezeichnet wird: hinter der Altenstatt 1323, uf der alten stat apud Oberkirche 1347,
zwo iuch veld gelegen uff der Altstatt by Oberkirch 1445, vor Oberkirch uff der alten
statt 1452 (Kopie ca. 1500). Mit seiner Ummauerung erhielt 1326 Oberkirch das Offenburger
Stadtrecht.* 2) Auf die allmähliche Abrundung der bischöflichen Herrschaft Oberkirch
brauche ich nach der Einleitung nicht näher einzugehen. Der bischöfliche Vogt, der
früher auf der Ullemburg gesessen hatte, residierte nun in Oberkirch, das später bei der
weiteren Ausgestaltung der Herrschaft dieser den Namen gab und der Sitz eines ihrer
sechs Gerichte war. Zu dem Gericht Oberkirch gehörten Oberndorf, Wolfshag, Winter-
bach, Lautenbach, Sendelbach, Butschbach, Diebersbach, Gydensbach, Odsbach, Wälden,
Hesselbach, Schlaffen. Das Gericht setzte sich, wie üblich, zusammen aus dem vom
Bischof ernannten Schultheißen und dem Stabhalter und zehn von dem Gericht vorge-
schlagenen, von dem Bischof bestätigten Männern (Zwölfergericht). Ihm lag die niedere
Gerichtsbarkeit ob. An der Spitze der Stadt stand der schon erwähnte Schultheiß. Als
ersten finden wir einen Albert 1270 erwähnt, dann mehrere aus der Familie Rohart,
Heinrich 1322, Heitzemann 1556 und andere,3) 1480 z. B. den auf einem Glasgemälde
in Lautenbach abgebildeten Heinrich Distelzweig.
In den auf den Verkauf folgenden Jahrhunderten hatte, da das Bistum bei seinem
Kampfe mit der aufstrebenden Macht der Stadt Straßburg häufig in pekuniäre Verlegen-
heiten geriet, die Gegend verschiedentliche Verpfändungen zu erleiden. 1399 mußte der
Bischof Wilhelm von Diest einen Teil der Herrschaft mit Oberkirch der Stadt Straßburg
verpfänden. 1428 wollte der Bischof das Städtlein wieder mit Gewalt an sich zurückbringen,
wozu ihm die Hilfe des Markgrafen Bernhard von Baden wurde. Fast ein halbes Jahr
dauerte die Belagerung, bis von Straßburg aus Ersatz nahte. Der Erzbischof von Mainz
vermittelte, und so kam nach Rückzahlung der Pfandsumme die Herrschaft wieder an das
Hochstift, das sie aber bereits 1443 unter Bischof Ruprecht wieder verpfändete, und zwar an
Georg von Bach, 1449 an denselben nebst Propst Rütmann von Allerheiligen, Hans Erhärt
Bock von Staufenberg, Leonh. von Neuenstein und Becht. von Windeck. Der Nachfolger,
Bischof Albrecht, löste sie wieder ein, verstand es auch, die allmählich drückend gewordenen
Abgaben in richtiger Weise zu ordnen, und nun folgten für die Gegend anderthalb nihige
Jahrhunderte; auch der Bauernkrieg scheint nicht allzuviel hier verwüstet zu haben. Wohl
hat der Oberkircher Haufen den Klosterhof und die Klosterkellerei Allerheiligen in
x) Fri tz a. a. O. S. 149.
2) Großh. Baden, S. 912.
3) Krieger II, S. 380.
AMT OBERKIRCH. — OBERKIRCH.
271
Oberkirch geplündert, auch in der Kirche wie in Lautenbach manchen Unfug verübt,
doch wurde der Aufstand bald durch Verhandlungen beigelegt.
Bei den Streitigkeiten, die sich gegen Ende des Jahrhunderts im Straßburger Kapitel
erhoben, als Johann von Manderscheid-Blankenheim zum Bischof gewählt worden, standen
Oberkirch und Oppenau treu auf des letzteren, des Katholischen, Seite und hatten deshalb
Manches durchzumachen, wofür sie Johann nach Kräften entschädigte. Eine Steininschrift,
die an einem der ehemaligen Türme angebracht war und die man bei Kolb1) nachlesen
mag, erinnerte an seine segensreiche Regierung. Nach seinem Tode wurde von den katho-
lischen Mitgliedern des Kapitels Herzog Karl von Lothringen, von den protestantischen
Markgraf Johann Georg von Brandenburg zum Bischof gewählt, worüber ein heftiger Klein-
krieg entstand. 1593 wurde eine einstweilige Abmachung getroffen, 1604 der Streit end-
gültig durch Herzog Friedrich von Württemberg beigelegt und der protestantische Bischof
für seinen Verzicht durch eine Geldsumme und eine Rente entschädigt. Der Herzog streckte
dem Bistum, das in bedrängter pekuniärer Lage war, die erforderlichen Gelder vor, wofür
ihm als Pfand die Herrschaft Oberkirch übergeben wurde. Und nun brach das Elend
des Dreißigjährigen Krieges über die Gegend herein. In dem Wechsel der Sieger war
Oberkirch vorübergehend 1634 von Österreich dem Hochstift zurückgegeben worden, das
es aber nach ein paar Jahren wieder verlor. 1638 wurde es mit seiner kaiserlichen
Besatzung von den Schweden belagert und auch nach wenigen Tagen mit den üblichen
Greueln erobert. Noch verschiedentlich wechselte das Kriegsglück und damit der Besitzer
der Stadt, die 1643 eine neue schwere Plünderung durchzumachen hatte. Die Herrschaft
blieb schließlich bei Württemberg, bis sie 1664 von Bischof Franz Egon von Fürstenberg
gegen Zahlung der Pfandsumme eingelöst wurde. Sie mußte jedoch zunächst von diesem
dem Herzog von Lothringen, der die Pfandsumme geliehen, als Pfand gegeben, bezw.
dafür dem Prinzen Vaudemont eine jährliche Rente gewährt werden, und als der Bischof
dieselbe nicht zahlen konnte, kam dieser eine Zeitlang in den Besitz der Herrschaft.
Als Straßburg französisch geworden nicht ohne Beihilfe seines Bischofs, da entzog Kaiser
Leopold diesem die Herrschaft und übergab sie 1683 zum Dank für seine Dienste dem
Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden, dem Türkenlouis. Das war der Anlaß für die
französischen Truppen, in den Raubkriegen Ludwigs XIV. die Stadt anzugreifen; sie wurde
1 688 belagert und geplündert, 1689 auf einige Zeit wieder von den Bayern eingenommen,
noch im selben Jahre aber fiel sie den Flammen der Franzosen zum Opfer. 1697 endlich,
nach dem Frieden von Ryswick, kam sie an das Bistum zurück, und nun folgten im
allgemeinen ruhige Zeiten, die nur durch die ewigen Waldprozesse der Bewohner der
Gegend mit der Herrschaft und die damit verbundenen Aufstände gestört wurden. In
den Kriegen der ersten Republik sah das Renchtal hauptsächlich wegen des Kniebis-
passes in den Jahren 1796 bis 1800 verschiedentliche Kämpfe auf seinem Boden, doch
scheint die Stadt Oberkirch wie die anderen Orte daraus ohne große Schäden hervor-
gegangen zu sein. 1803 wurde sie mit der Landschaft badisch.
Von der alten Anlage der Stadt ist nach den Verwüstungen vom Ende des 17. Ths.
nicht mehr allzuviel zu erkennen. -Sie ist zweifellos entstanden aus Ansiedelungen zu
beiden Seiten der Renchtalstraße, die noch heute die Hauptstraße des Ortes ist. Eben
dieser Straße halber und des Schutzes durch die Rench hat man dann nicht die älteste
Stadtanlage
L Kolb III, S. 8.
272
KREIS OFFENBURG.
Pfarrkirche
Ansiedelung, das Oberdorf, sondern diese Stelle befestigt und daselbst auch, wie ich
oben ausgefiihrt habe, eine Kapelle erbaut. Nur wenige Reste (s. unten), ein Spitzbogen,
Inschriften in der Kirche, ein Wappen und ein Brunnenrest sind aus dem Mittelalter
und der Renaissance erhalten. Sonst wird der Charakter der Stadt bestimmt durch die
zahlreichen und sehr malerischen Fachwerkhäuser, die gottlob noch zu großem Teil
unverputzt sind, und durch ein paar größere Steinbauten mit Mansardendächern in den
französischen Stilen des 18. Jhs. Von der ehemaligen Befestigung ist nichts mehr
erhalten, dagegen ist der Mauerzug noch deutlich erkennbar, vor allem in der westlichen
Promenade. Nach Kolb1) hatte die Stadt zu seiner Zeit größtenteils noch erkennbare
doppelte Wassergräben und zwei Tore; der obere Torturm stand damals noch, während
von dem unteren die schon oben erwähnte Inschrift auf den Bischof Johann herrührte.
Vor dem oberen Tor, gegen das Tal zu, nur durch eine Brücke über den Graben von
der Stadt getrennt, lag die eine Vorstadt, genannt »im Loo«, in ihr das heute noch
bestehende Gasthaus »zur Linde«. Diese Vorstadt Loh wird schon früh erwähnt: »bona
que dicuntur in dem Lohe« heißt es 1275, matten gelegen in dem Löhe 1419, das
Lohe 1417. Auch hören wir von des Klosters zu Allerheiligen mul gelegen by der stat
Oberkirch obnan in dem Löhe 1442. Vor dem unteren, westlichen Tor lag die Vorstadt
Allment mit Fernach. Letzteres wird 1308 als Vernach erwähnt, Vernech 1347, in dem
Fernich 1360, zu Hindervernech by Oberkirch 1397. (Der Name ahd. mhd. varn = Ort,
wo viele Farnkräuter stehen.) Hier stand das ehemalige Kapuzinerkloster.
Von Familien in Oberkirch werden erwähnt: Burke de O. 13. Jh., dann ver-
schiedentlich die Rohart von O., darunter 1387 Heuplin Rohart als Edelknecht, die
Schönzeler von O. und die Schultheiße von O. im 14. Jh.
Pfarrkirche (ad S. Cyriacum). Ecclesia 1275, sanctus Cyriacus der hußherre der
Kirchen zu Oberkirch 1416, in der pfarrkirchen sannt Cyriacus zu Oberkirche 1479.
Älter als 1275 wird sie kaum sein, etwa gleichzeitig erhielt auch Unzhurst eine Kirche
ad S. Cyriacum. Ob die folgenden Erwähnungen sich auf diese Kirche oder auf die ältere
in Oberdorf beziehen, vermag ich nicht zu entscheiden: capella Obirnkirchen ca. 1225,
capella in Oberkirch, parrochialis filia ecclesie in Nußbach 1356. Erwähnt werden auch
eine Anzahl Priester: archipresbiter2) de Oberchirche Argentinensis diocesis 1220, Bert-
holdus decanus in Oberchirche 1270, F. decanus in O 1279, bruder Wolvelin der lutpriester
fon Obernkirche 1289, frater Heinricus de Omnibus sanctis, viceplebanus in O. 1291. Die
beiden Kapellen in Oberkirch waren nach Nußbach eingepfarrt. Schon im Stiftungsbrief
des Klosters Allerheiligen hatte Uta diesem das ins patronatus in der Kirche zu Nußbach
mit allem, was dazu gehört, übergeben ; ausdrücklich werden darunter wenig später die
Kapellen in Oberkirch und Oppenau genannt. Das Kloster hatte die Pfarrer zu ernennen,
die aus der Zahl seiner Chorherren genommen wurden und vom Bischof bestätigt sein
mußten. Es scheint eine Pfarrwohnung in Oberndorf bestanden zu haben. In der
eigentlichen Stadt bezw ihren Vorstädten besaß das Kloster einen Hof, das Propstei-
gebäude: »zu Oberkirche in der stat des closters hof zu Allenheyligen 1357«, eine Mühle:
»der herren von A. mule by O. 1300«, eine Badstube: »die groß badstube mit der
zugehörde gelegen zu Oberkirch in der statt an dem Mülbach, die Eberlin Bader von
*) Kolb 111, S. 8.
2) Danach war es schon dismembriert von Nußbach, immerhin ist es seltsam, daß noch 1365
nur eine Kapelle erwähnt wird.
AMT OBERKIRCH. — OBERKIRCH.
273
Wolfach umb den convent zü Alienheiligen gelehenet hat« 1446, nach Fecht1) noch
ein Pitanzhaus (Mönchsspeisehaus), einen Weinkeller und einen wohlbesetzten Klosterkeller
(wohl in dem Klosterhof). Der Oberpfarrer von Oberkirch war Großkellerer des Klosters.
Der heutige Bau stammt aus dem J. 1863, doch scheinen mir bei dem Chor
die alten Grundmauern des gotischen Chors benutzt zu sein. Nach Kolb2) wurde die
Kirche erst nach dem Brand der Stadt in den Franzosenkriegen aus den Ruinen der
alten Kapelle erweitert und i. J. 1761 bei der damaligen bischöflichen Visitation
die Erlaubnis erteilt, »den Sonn- und Feyertäglich vormittägigen Gottesdienst darinn zu
halten«. Da Kolb aber vorher (S. 8) von der in gotischem Geschmack gebauten
Pfarrkirche spricht, so vermute ich, daß vor dem Brand schon eine größere Kirche hier
gestanden, die nachher barock ausgebaut und in unserem Jahrhundert umgebaut wurde.
Das Untergeschoß des Turmes blieb aber stehen bezw. wurde verwendet, und hier ist
das Kreuzgrabgewölbe mit abgespitzten Konsolen und ein Spitzbogenfenster erhalten.
Aus der alten Kirche sind noch einige Reste herübergenommen worden:
An der Südwand des Chores Sandsteinplatte mit der Inschrift
jiimo ♦ DDI ♦ OICCG .
XXXVII . Kh ♦ ÖIKII ♦ BCÄ
e ♦ fiGC . CÄpeiiiiK ♦ ja: ♦ fiero
f^ICO ♦ ßCVLSCSO D CO
♦ ne * oß^Ki^cite
An der Nordwand eine kleinere viereckige Platte, unten zwei Wappen, das eine
mit Pflugschar, das andere mit Rad und Bohrer, darüber in schlechter Minuskel :
Uff botterftag ben iuny St'nno • •
ftrsvti ftarb bic erfam frata • bar :
tiara • feglein joljan helfen • cljelirijc
ftau^frata bereu feelen gott genabe
amen
An der Fassadenwand im Innern zwei Epitaphien, das nördliche zeigt ein Mittel-
feld mit skulpiertem Vorhang in derbem, aber wirkungsvollem Rocaillerahmen mit
Pilastern, flachrundem Giebel etc. mit dem Allianzwappen: ein Vogel auf einem Dreiberg
und zwei Löwen. Auf dem Mittelfeld die übliche, langatmige Aufforderung an den
Vorübergehenden, unten in Rocaillekartusche :
q_Va sVMVs
hInC nostros
also 1726. plE lEsV faC IbI nIDos
Das südliche Epitaph zeigt auf ausbauchendem Sockel mit den Todeszeichen eine
giebelbekrönte Platte, darauf eine lange Inschrift in Kapitale :
JOH. CHRISTOPHOR. FISCHER, FÜRSTBISCHÖFLICHER ADMINI-
STRATOR IN OBERKIRCH f 26. DEZ. 1725 etc.
ü Fecht a. a. O. S. 85.
2) Kolb III, S. 11.
Epitaphien
Band VII.
274
KREIS OFFENBURG.
Kirchengeräte
Holzfiguren
Pfarrhaus
Kelch
An der Eingangswand hängt auch noch ein Gemälde des i7.Jhs.: die Heilung
eines Kranken durch den h. Cyriacus.
In der Sakristei eine Anzahl Kirchengeräte aus dem 18. Jh. :
eine Sonnenmonstranz, silbervergoldet, getrieben, mit einem Baumblattzeichen;
ein Kelch, silbervergoldet, getrieben, mit Rocailleornamenten, hübsche Arbeit,
Augsburger Beschauzeichen, darunter M und ITH;
ein weiterer Kelch, silbervergoldet, getrieben, vom Ende des 1 8. Jhs., mit Dekor
im späten Louis XVI.- Stil, Zeichen: CAS und ?;
ein dritter ähnlicher der gleichen Zeit, Augsburger Zeichen, darunter H und
weiter: I A • S •;
ein Speisekelch, silbervergoldet, getrieben, im Empirestil, mit Aufschrift:
13 Netzei 13;
dazugehörig ein schweres goldgesticktes Tuch aus der gleichen Zeit;
ein kleinerer, schlichter Kelch, ebenfalls mit Decke in Hochstickerei;
ein Wettersegen, kupfervergoldet, mit aufgesetzten Ornamenten des 1 8. Jhs. ;
getriebene Silberfigürchen des h. Cyriacus und der Frau, der er den Teufel
austreibt, 40 und 25 cm hoch, nicht gerade feine, aber gefällige Arbeit vom Anfänge
des 18. Jhs. ;
ein modernes Missale mit alten, silbernen Rocaillebeschlägen ;
kupfervergoldete Wein- und Wasserkännchen mit Platte, getriebene reichere
Rocaillearbeit, ohne Zeichen, in gepreßtem Lederetui;
eine Anzahl holzgeschnitzter Reliquiare aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs. ;
zwölf Meßgewänder (Casein) mit Zubehör, in den verschiedensten Arten der
Stickerei, eines in Silber gestickt, andere gewebt, wie immer geschmackvolle Arbeiten
des 18. Jhs.;
eine drittellebensgroße Holzfigur des Christus im Grab, aus dem 17. Jh.; ähnlich
ein Auferstandener;
etwa 80 cm hohe Figur der Immaculata, hübsche, schwungvolle Arbeit vom
Anfänge des 18. Jhs.;
ein Ledersessel mit geschnitztem Fuß, angeblich aus Allerheiligen, 17. Jh.
Das Pfarrhaus , in dem sich auch das Großh. Finanzamt befindet, ist das ehemalige
Propsteigebäude, das, 1798 verbrannt, sogleich wieder aufgebaut wurde und über seinem
Tor das Doppelwappen des Klosters und des letzten Abtes aufweist. Ein schlichter Bau
im einfachen Klassizismus.
In demselben wird ein aus Allerheiligen stammender Kelch aufbewahrt, silber-
vergoldet mit getriebenem Band- und frühem Rocailleornament und je drei Email-
medaillons am Fuß : darstellend Sebastian, Cyriacus und eine Heilige im Feuer, Augs-
burger Zeichen, darunter E und
Die Emails hervorragend feine Arbeiten.
Ebenda ein weiterer Kelch, silbervergoldet, getrieben, mit Emailmedaillons und
Ornament in gleichem Stile, Augsburger Zeichen, sehr gute Arbeit;
ein Kelch vom Ende des 18. Jhs. in schöner Einfachheit;
ein Speisekelch, kupfergetrieben, vergoldet, aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs.
und eine silberne, vergoldete Krone des 18. Jhs., die ihn krönte, sowie
AMT OBERKIRCH. — OBERKIRCH.
275
eine goldgestickte, weiße Abtsmitra aus Allerheiligen;
ein schlichter Abtsstab ebendaher vom Ende des 18. Jhs.
und auf dem Speicher eine Holzfigur des 18. Jhs.: der h. Markus mit dem
Löwen; ’/2 Lebensgröße.
Südlich vor der Kirche ein Kruzifix von 1772 auf Rocaillepostament.
Uber der Rench, gegen die Fürsteneck zu, liegt der Zinken Oberdorf ] wie schon
erwähnt, wohl die älteste Ansiedelung, die, nachdem sich der Ort hauptsächlich auf das
rechte Ufer der Rench hinübergezogen hatte, diesen Namen erhielt. Wir hören 1291
von villa Oberndorf, in dem obern dorf 1316 etc. 1271 verkauft Graf Heinrich von
Fürstenberg »dimidietatem ville Oberndorf cum Omnibus attinentiis infra bannum eiusdem
ville situatis domino H. episcopo Argentinensi nomine ecclesie sue«.
Die auf dem Friedhof liegende Kapelle »ad S. Marcum« birgt noch die Reste
eines Raues aus dem 12. Jh., also vielleicht der ältesten Kultstätte Oberkirchs. Erwähnt
wird eine »ecclesia de Oberndorf iuxta Fürstenecke 1299; als Patron 1452 S. Nicolaus
Fpiscopus genannt. Neben dem patronus principalis S. Marcus sind patroni secundarii
Nikolaus und Margaretha.1) Das Patronat erhielt mit dem über die Mutterkirche Nußbach
Allerheiligen, und so hören wir denn 1355 (Kopie 17. Jhs.), »daß Eberhart der probst
von Allenheyligen kürchherre über daß Oberdorff« genannt wird. 1464 wird ein
plebanus erwähnt.
Der Chor der Kapelle, wohl auch der Chor der alten Kirche, war zugleich das
Erdgeschoß ihres Turmes (5,40 zu 5,40 m) und ist ähnlich dem in Nußbach von einem
Kreuzrippengewölbe mit breiten flachen Gurten als Rippen überdeckt, die auf Säulen
ruhen, deren primitive Würfelkapitelle einfach durch Abschrägung der unteren Kanten-
hälfte entstanden sind. Der Rundbogen zum Langhaus ruht auf Pilastern mit durch
Wulst und Platte gebildetem Kämpfer. Basis, auch der Säulen, wohl unter jetzigem
Boden. Nach Norden und Süden kleine Rundbogenfenster mit abgeschrägter Laibung,
am äußeren noch der einfache abgeschrägte Sockel. Der Vorbau stammt aus dem 19. Jh.
Auch der Friedhof ist ohne ältere Monumente, nur ein Kruzifix auf Barocksockel
von 1773.
In der Nähe der Kirche lag die kleine Frauenklatise: die gaischlichen vrowen
in der closen, die closenerinnen in dem Oberndorfe bi Oberkirch in dem bistume von
Straßburg 1316, priorissa et sorores incluse inclusorii in Oberndorf prope Oberkirch 1381;
die geistlichen frowen uff der close in dem Oberndorff by der statt Oberkirch ge-
legen 1482. Sie war dem Predigerkloster zu Straßburg unterstellt und diente meistens
zur Unterbringung und Versorgung der Töchter des benachbarten Adels, die wir auch
öfters als Priorinnen treffen.2) Am Ende des 15. Jhs. scheint eine gewaltige Sitten-
losigkeit in der Klause eingerissen zu sein, und auf Antrag des Propstes Johann von
Allerheiligen hob daher Bischof Albrecht von Straßburg die Klause auf und übergab ihre
Güter, Einkünfte und alle Rechte der neugegründeten Kirche in Lautenbach, in der
dafür — so wurde im nächsten Jahre bestimmt — täglich eine Messe zum Seelenheil
der Stifter und Wohltäter und deren Nachkommen gelesen werden mußte. Desgleichen
sollte viermal im Jahre in der Pfarrkirche zu Oberkirch ein feierliches Totenamt stattfinden.
x) FDA. NF. III, S. 314.
2) Ruppert, FDA. 24, S. 294 ff.
18*
Mitra
Oberdorf
Kapelle
Eingegangene
Frauenklause
276
KREIS OFFENBURG.
Von den Gebäuden dieser Klause ist heute nichts mehr erhalten.
Eingegangenes Ebensowenig von dem Kapuzinerkloster , das nach Kolb1) in def Vorstadt
Kapuzinerkloster
Allment am unteren Tor lag und 1696 und 1697 erbaut wurde »mit einer schönen
Kirche, wo sich unter der Kapelle des h. Fidelis die Totengruft befindet«.
Unter den Profangebäuden ist zunächst zu nennen:
Amtsgebäude Das Amtsgebäude (Nr. 176), in dem Bezirksamt und Amtsgericht untergebracht
sind. Es zeigt über dem Portal das Wappen der Herrschaft Oberkirch und des Joh. Ev.
von Bodeck, Geh. Rat und Oberamtmann der Herrschaft Oberkirch, welcher dies Haus
Fig. 164. Oberkirch. Straße mit Riegelhäusern.
erbaute, nachdem das frühere, i. J. 1688 gebaute i. J. 1689 mit der ganzen Stadt ab-
gebrannt war.2) Darunter die Jahreszahl 17-04.
Hof derer von Das heutige Gasthaus »Zur Sonne« ist der (teils umgebaute) ehemalige Hof derer
von Neuenstein, den sie, wie viele Geschlechter der Umgegend, in der Stadt besaßen.
Im Hofe bemerkenswert die alte Wendeltreppe, in dem üblichen polygonalen Grundriß
mit schräg ansteigenden Fenstern. Eine Tür führt zu ihr mit geradem unverzierten
Sturz, auf Pfosten, die aus dreifach voreinander gelegten Pilastern bestehen, deren
Fläche durch Medaillons und Rankenwerk ausgefüllt wird; ebenso entsprechend ver-
dreifacht der Sockel mit einer ausgehauenen Raute als Verzierung. Uber der Tür in
x) Kolb m, S. 8.
2) Zentner a. a. O. S. 227.
Tafel X
Gasthaus t>7.nr Linde«, in Oberkirch.
AMT OBERKIRCH. — OBERKIRCH.
277
großer Rollwerkkartusche das Allianzwappen Neuenstein - Zorn von Bulach mit der
Umschrift:
JOHANN ADAM VON NE VENSTEIN ANNA MARIA ZÖRNIN VON
BULACH ANNO J6Z9.
Gute, dekorative Arbeit der Renaissance. — Im Innern des Treppenhauses noch
die fünf untersten steinernen Stufen und der Ansatz der Spindel. Am Torbogen des
Hinterhauses die Jahreszahl T609.
Am geradsturzigen Türchen an der Hauptstraße flache Hohlkehlen nebst Rundstab
und das Zeichen:
Ein stark umgebautes Haus aus den Zeiten der Renaissance findet sich noch, wenn
man durch den Hundschen Torbogen hindurchgeht. Hier ist (später eingemauerc) noch
eine Tür mit geradem Sturz, die Seitenwände durch Rundstäbe und Hohlkehlen gegliedert,
am Sturz vier Wappen und zwischen ihnen die Zahl 1579, am rechten Pfosten das
Zeichen: Gegen die Seitengasse sowie gegen den Kanal zu ist das Haus ein
stattlicher Riegelbau, ohne besonders hervorzuhebendes Schnitzwerk. Im Erdgeschoß
der Giebelfassade wieder eine Tür mit einfacher Abfasung und Hohlkehle am Gewände,
L <§>
In dem gleichen Gäßchen wie die obenerwähnte Tür noch eine schlicht profilierte
Tür mit der Jahreszahl 1727.
Das Gasthaus »Zur Linde« besteht aus zwei äußerst malerischen, stattlichen Riegel-
bauten (Tafel X), von denen der jetzt als Nebengebäude gebrauchte der ältere ist.
Besondere Schnitzereien finden sich wenig, nur an den Eckpfosten. An einem derselben
steht eingekratzt:
So ly Deo Gloria
Christian
Fischer
am
Wirdt und Gast
geber zur
Linden.
An diesem Haus auch schmiedeeiserner Wirtshausschild des 18. Jhs. An einer
Kellertür noch zu lesen : J 6 ■ hF H • l 5 9- Hier noch steinerner Ofenfuß eingemauert
mit Wappen der Fischer. Eine Holzbalustergalerie führt hinüber zu dem jetzigen Haupt-
gebäude mit ähnlichem Fachwerk. Einige Türen mit verwaschenen Hohlkehlen und
Rundstäben, teilweise in Voluten endigend (s. Fig. 165), erinnern an das 17. Jh.
Die Apotheke ist ein schlichter Bau des 1 8. Jhs. mit einfachem schmiedeeisernen
Gitter an den Fenstern und an dem Balkon, der von mächtigen Delphinen getragen
wird. An der Apotheke angebaut tragen zwei Pfosten mit Maskerons (ehemaliger Brunnen-
ausfluß) auf stark ausgebauchtem Sockel die Barockstatue des h. Nepomuk (Sandstein).
Hervorzuheben im Ort noch :
In der Hauptstraße, von einem ehemaligen Brunnen herrührend, auf sechseckigen
Pfosten ein Löwe mit dem Wappen des Bischofs Johann von Manderscheid-Blankenheim.
am Sturz steht
1
Brunnen
278
KREIS OFFENBURG.
Ö3EKKIKCH-
CLsihatts zur Linde •
'fraj\]ah)^.u\e.
aer vorderen. Zin^an^s •
cJfr Vint«rm(Cjar+erO
Ein^arujstür .
Laut Aufschrift von diesem errichtet und 1895 renoviert. An der Bekrönung des
Pfostens die alte Jahreszahl 1570.
Zwischen Haus Nr. 137 und Nr. 141 der Durchgang zur Kirche: ein Spitzbogen
mit Hohlkehle und birnenförmigem Wulst, im Scheitel ein Schild (ehemals mit Wappen),
darüber die Mauer emporgeführt und auf derselben eine kleine Ädicula mit kielbogen-
förmiger Nische, in der die Holzfigur einer Pieta, wohl aus dem 16. Jh., in dem nach-
klingenden spätgotischen Stil, aufgestellt ist. Der Bogen wohl 15. Jh. Eine neue Inschrift
besagt allerdings: Erbaut 1337,
renoviert 1896. Im Durchgang ein
ehemaliges Kapitell eingemauert
mit Rosette, drei Fischen und
17 • M F • 3+-
Gegenüber am Haus Nr. 140
Durchfahrtsrundbogen mit Wulst und
Hohlkehle profiliert und mit von Voluten
flankiertem, verwischtem Wappen am
Scheitel sowie der Jahreszahl 15-82.
Gegenüber der Kirche am Haus
Nr. 230 Sandsteinstatue des h. Nepo-
muk, Mitte des 18. Jhs., in der damals
beliebten aufgeregten Stellung.
Am Haus Nr. 13 1 in schlichter
Nische ansprechende Madonnenfigur
des 18. Jhs.
In der Nähe des Gasthauses »Zur
Linde« Kruzifix aus Sandstein, am
Sockel Rollwerkschild mit verwischter
Umschrift um 1700.
Gegenüber auf Rocaillepostament
die zweidrittellebensgroße Sandsteinstatue
des h. Wendel mit dem Datum 1711.
Wirtshausschild Am Gasthaus »Zum (goldnen?) Adler« schmiedeeiserner Wirtshausschild des 1 8. Jhs.
Rathaus Im Rathaus werden Zunftkannen, Hellebarden und andere Altertümer aufbewahrt.
Bildstöckle Am Weg von Oberkirch nach Lautenbach ein Bildstöckle des 18. Jhs. sowie in
Kruzifix einem Anwesen ein Kruzifix , fast lebensgroß, mit Maria, auf geschwungenem Rocaille-
sockel und Kartusche mit teilweise zerstörter Inschrift sowie (Schauenburgschem) Wappen.
Am Weg nach Odsbach Bildstock des Ciriak Hallier und Kreuz aus dem 18. Jh.
Fig. 165. Oberkirch. Türablauf am Gasthaus » Zur Linder..
ÖDSBACH
Schreibweisen: Otesbach 1347; Otenspach 1350; Ötspach 1386; Ödspach 1499 etc.
(Bach des Otine.)
Ortsgeschichte: Ödsbach bestand im Mittelalter aus freiburgischen und eber-
steinischen Lehen der Schauenburger und Staufenberger. Doch gehörte es später zur
AMT OBERKIRCH. — OPPEN AU. 279
Herrschaft Oberkirch, zum weltlichen Besitz des Bistums Straßburg, und wurde 1803
badisch. — Die Waldgenossenschaft des Mooses hielt ihr ehemaliges Waldgericht zu
Odsbach unter der Linde. Neuordnung der Waldgerechtigkeiten 1527.
Kapelle ad S. Jacobum. Kleiner Bau des 18. Jhs. auf älterer Grundlage: gekuppelte
Rundbogenfenster in der Altarwand. Holzfigur der Madonna, 18. Jh., gut bemalt.
An der den Ort durchziehenden Landstraße ein Kreuz von 1687 sowie ver-
schiedene Bildstöckle. An dem Weg nach Lautenbach ebenfalls solche des 18. Jhs.
und ein Rokoko-Kruzifixus von 1730.
Auf dem Weg von Giedernbach nach Lautenbach zweidrittellebensgroße, flotte
Sandsteinstatue der Immaculata in der geschwungenen Haltung des 18. Jhs. auf üblichem
Rocaillesockel von 1750.
OPPENAU
Schreibweisen: ad Noppenow in Martnowa ca. 1070 bis 1092; Openowe zweite
Hälfte des 12. Jhs.; Noppenowe 1289; Oppinaue 1294; in valle Noppenowe 1316;
Noppenower tal 1321 etc. (Au des Noppo.) 1347 hören wir von einer »villa in valle
Noppenowe«; 1395 heißt es »zu Noppenowe in dem dorf« ; 1381: »der farnd ob der
stad zu Nopenouwe«.
Literatur: Das Oppenauer Hubrecht aus dem XV. Jh., Z. III, 484; außerdem
Zentner, Das Renchtal, S. 221, und die allgemeinen Schriften.
Ortsgeschichte: Oppenau scheint ursprünglich Reichsgut gewesen zu sein. 13x6 über-
trug König Friedrich dem Straßburger Bischof Johann I. von Dirpheim alle Reichsleute,
die in der Stadt Renchen, im Noppenouwer Tal etc. wohnten. Es war das ein großer
Schritt weiter zu dem von den Bischöfen erstrebten Ziel der Landesherrschaft über das
ganze Renchtal. In Frage gestellt wurde diese Erwerbung durch König Ludwig den
Bayer, indes kam eine Vermittelung zu stände, die den Besitz tatsächlich dauernd machte,
da die Pfandsumme von 4000 Mark, die dem Bischof als Ersatz für den in Benfeld durch
Ludwigs Partei erlittenen Schaden zugesagt war, natürlich niemals gezahlt wurde. ’) Zu-
gleich waren die Bischöfe eifrig bestrebt, ihren Grundbesitz in der Gegend zu vermehren.
So hören wir 1319 von dem Ankauf von Grundstücken in dem Noppenauer Tal. Auch
gelang es ihnen, das stattliche Gut des Klosters Allerheiligen und die dazugehörige,
über dem Ort liegende Burg Friedberg, von der heute keine Reste mehr vorhanden sind,
durch Tausch von dem Kloster Allerheiligen zu erwerben. Oppenau, das bis zum
J. 1803, wo es badisch wurde, nun zum weltlichen, rechtsrheinischen Gebiet des
Bistums Straßburg gehörte, zur Herrschaft Oberkirch, machte deren schon mehrfach
geschilderte Schicksale mit. Es war später eines der sechs Gerichte der Herrschaft, und
zwar gehörten zu ihm* 2) Guckinsdorf, Bocksberg, Fohren, Ottersberg, Ebene, Ansätze und
Nordwasser, Heimburgerturm, Ramsbach, Ibach, Löcherberg, Freiersbach, Rüstenbach,
Döttelbach, Rench, Maisach und Lierbach. Bald nach der Erwerbung — nach Kolb3)
noch von Johann I. — wurde es zur Stadt erhoben und befestigt. Es hatte zwei Tore,
Kapelle
Bildstöcke und
Kruzifixe
Ortsgeschichte
*) Fritz a. a. O. S. 1 5 1 ff.
2) Fecht, Allerheiligen2, S. 104.
3) Kolb III, S. 39.
28o
KREIS OFFENBURG.
das eine ins Lierbachtal zu, das andere dem Renchtal zugewandt. 1383 hören wir von
»unter der linden upwendig der muren zu Noppenowe«. Unter seinen Bewohnern befanden
sich im i5-Jh. eine Anzahl Zinsleute der Herren von Neuenstein. 1615 brannte die
ganze Stadt und damit auch das Schloß Friedberg ab. 1689 wurde sie dann wiederum
von den Franzosen verbrannt nach vorheriger Plünderung. 1701 erneuerte Kaiser
Leopold der Stadt ihre Rechte und Gewohnheiten nach dem Vertrage von 1526; 1667
erhielt Oppenau den Johannismarkt, 1758 zwei weitere Jahrmärkte und einen Wochen-
markt. — Gegen das Renchtal zu lag vor dem Tor, sich hinauf bis in die Nähe der
alten Pfarrkirche erstreckend, die Vorstadt Allmend und eine am oberen Tor, die noch
heute sich abtrennt.
Befestigung Von der ehemaligen Befestigung steht nur noch das Tor gegen das Lierbachtal
zu, das wohl nach dem Brande im 16. Jh. erneuert wurde; es öffnet sich in einfachem
abgefasten Spitzbogen gegen das 'Pal zu, flacher Bogen gegen die Stadt, mit steinernen
Halten für die Angeln. Außen am Scheitel in Stuck angeklebt in Rocaillekartusche das
bischöflich Rohansche Wappen.
Kirchen Kirchen: Oppenau war, wie Oberkirch, mit einer Kapelle Filiale von Nußbach.
1196 kam das Patronat von Nußbach mit seinen Kapellen im Stiftungsbrief von Aller-
heiligen an dieses Kloster. 1225 wird die Schenkung neu bestätigt und dabei die Kapelle
in Oppenau, wie es scheint zum erstenmal, ausdrücklich genannt, auch 1226 als Kapelle
erwähnt. 1275 aber hören wir von der ecclesia de Nopenowe, sie scheint also vorher
schon vom Bischof von Straßburg zur Pfarrkirche erhoben worden zu sein. Die Rechte
Allerheiligens wurden dabei aber anerkannt. »C. episcopus Argentinensis«, heißt es,
»preposito et conventui fratrum celle Omnium sanctorum eiusdem dyocesis indulgemus,
ut deinceps vobis ecclesiam de Noppenowe, in qua ius patronatus ad vos pertinere
dinoscitur, per fratrem vestri monasterii vel professionis eiusdem loci regere et procurare
liceat pleno iure« 1381. 1270 hören wir von einem Conradus plebanus, 1279 von
A. archipresbiter, 1336 von dem kirspel zu Noppenowe, 1464 von einem rector ecclesie;
1289 wird ein bruder Henrich der Schiber von Noppenowe der lutpriester genannt. Die
alte Kirche lag auf der Höhe, ihr Chor ist noch in der Friedhofkapelle erhalten. Patronus
coeli war Johannes der Täufer. Zu ihr gehörten drei Kapellen : eine, ad S. Sebastianum,
in der Stadt, von der jetzt keine Spur mehr erhalten ist, die zweite im Tal des Apostel-
fürsten Petrus und die dritte, neu errichtete Mariä Himmelfahrt in Griesbach, Filiale der
letzteren. (Visitationsprotokoll von 1666.)’) 1668 kam eine Niederlassung der Kapuziner
hinzu, wie es heißt vom Bischof gerufen, da im Bistum Mangel an Priestern, auch das
Kloster Allerheiligen nur dürftig besetzt war, zur Rekatholisiening der Gegend. Sie
versahen unter Aufsicht des Oppenauer Pfarrers, der bis 1803 ein Mönch von Aller-
heiligen war, die Seelsorge in Griesbach und Peterstal. Nach Aufhebung des Klosters
wurde i. J. 1807 dessen Kirche zur Pfarrkirche gemacht und die unbequeme, alte auf
dem Berge verlassen.
Kath. Pfarrkirche Dieser kcith. Pfarrkirche , natürlich mit gleichem Titel »ad. S. Johannem Baptistam«,
scheinen aber auch die Räume der alten Kapuzinerkirche nicht genügt zu haben; es
wurde sofort zu einem Neubau in dem Stil der Weinbrennerschen Richtung geschritten.
Der Bau steht heute noch, wie immer schlicht, aber mit einer recht gefälligen Logen-
x) FDA. NF. III, S. 315.
AMT OBERKIRCH. — OPPENAU.
281
anlage zu beiden Seiten des Chors. Auf dem Dachfirst ein etwas verwittertes Sandstein-
kreuz hochgotischer Zeit aus Allerheiligen.
Altäre, Kanzel, Weihwassersteine etc. sind in dem gleichen klassizistischen Stil Innenausstattung
gehalten, ein Weihwasserbecken auf polygonalem Fuß trägt die Jahreszahl 1600.
In zwei Fenstern des Chors sind zehn gemalte Scheiben angebracht aus der Zeit Giasgemaide
von 1588 bis 1617, nach einer Angabe von drei Meistern: Caspar Rotgiesser, Daniel
Lindtmayr oder Barth. Link (?) und von einem Schüler des letzteren. Acht von ihnen,
ca. 40X30 cm groß, stellen je einen der damaligen Gerichtszwölfer dar mit seiner Ehefrau,
in Renaissanceumrahmung von Säulen und Bogen, Unterschrift und einer Genrescene
über ihnen, die neunte, sehr zerstörte zeigt nur noch ein Wappen, die zehnte das der
Stadt Oppenau. Sie dürften wohl aus dem alten Rathaus (s. unten) hierher gebracht
worden sein.1)
Am südlichen Fenster beginnend, stellen sie dar:
1. ßößicr gcrirfjt^Vnclffcr
ttnb Cua fein — fjatlßftato 1617 (jeweils dazwischen das Wappen);
im oberen Bild die Erschaffung der Eva:
$ott nam ein Jtipp auß 2tTbam*> ICcib
Jycfjuff €üa brauß jtn 3Ü ein HPctb gene • ii;
2. £}anß Xu-auu — aßericfjt&toälffet
üb SCjjoloma fein — ftaußfratu 1617,
darüber der Sündenfall:
Die cüa Ijat ber Vudt ba£ 03lücft bcrfomi
3ln frfjm erteil itjrc ßinber gebaren;
3. ^an*> gelber griefjt — gluclffer 311
o^pcualn raargret — beglerm fein
ijauffraln — 5Hnno 1588,
darüber ein Genrebild ;
4- üacob ...r im fatipaefj
unb eljditfjc ^au^frato
$Cnno — ..17,
oben ein Genrebild mit Schweineherde;
5- Cfjriftniä 35crij — lin gridjt&toölfer
1111b o3erttraut fehl — Fjatiöfralu 1617,
darüber die Arbeit der ersten Menschen dargestellt:
‘Sübam ficng an j^ftaii3en unb Hainen
%ü o3ntt fielt er all fein bertljrauen ;
6. . . . jfeger ge — rtrtjtbjluelfcr üb
5Cg . . fein cfjcltclj — Ijau^fraln 1617,
darüber die Ermordung Abels und :
ßain fdjlfig feinen trüber 3Ö (Tobt
03ott ftrafft ..n ba| er iteff in not gene • ui;
7. sehr zerstört, nur noch die rechte Hälfte teilweise erhalten, und verwischte
Inschrift :
■*) Sechs weitere von hier stammende Scheiben sind nach Schloß Staufenberg bei Durbach gelangt.
282
KREIS OFFENBURG.
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tUun lil'irivl'di dir
«jHiui'H t’ai=
lutmutt u-'iMtti’CÄit; >’i
- - jr
.■JL.
Fig. 166. Wappen de?' Stadt Oppe?iau.
. . SHacoö ^cfjmibt unb mar .
gratjerin fein efjcftrfje fjaita
frata 25cbc Bürger 311
ata . jetso 6aftmeifter uffm ßnicbta
. 610;
AMT OBERKIRCH. — OPPEN AU.
283
8. die Figur des Mannes arg zerstört:
W>t . ausi ma . . . grirfjts^üicfffet 5Ö
(Opcnata Jiancrifcrin fein
Cdirij t ..... t 3Cnno 1588;
9. nur ein Wappen, teilweise zusammengeflickt, mit verwischter Unterschrift, die
ganz unleserlich ist;
10. das Wappen der Stadt Oppenau (s. Fig. 1 66), unter von Karyatiden ge-
tragenem Gesims, von einem Bär mit der Fahne gehalten. Die in zwei Abteilungen
nebeneinander angebrachte, rechts etwas zer-
störte Inschrift lautet:
«HW£ lnarbt gcsalt tiarij gefturt Ctjrifti
im «JlSonab ben brepfigften SCugufti
€üi taufenb Jjcrfjöijunbcrt ftinfseijn jar
ba taar o^ppenau in Ijörfjfter gefafjr.
(ßurrfj ein entfianben ^rijrocfiiirif c Brunft
€ß luar alles; Tüföfcfjcn umbfonft
W>aß gantje ^tättlin . . fibronen ift
rißirijt ein ijauß uffrerijt geftitften ift
Sarfjmalen bi fcs Hattjjauß
5Hnerbing^ Uon 4ßep . . .
bttrrij nacijgefetste . .
llDtbcr gctrantucn nn
Daljcr fidj Seiner JB(?)
. . VuoHe fidj ferner iior 123 . . .
Offnen tiarij btefeni ju . . .
?lluff afifterfien baß ....
«Hinten baß Incrbc attrij ....
4p»att ödjüett lncitter lior jfen . .
Diese Scheibe scheint also jedenfalls aus ~Hhhhu|
dem Rathaus zu stammen.
In der Sakristei
Kirchen gerate :
Fig. 167. Grundriß der Friedhofskapelle
in Oppenau.
einige
große Monstranz, silbervergoldet, getrieben, am
Fuß Engelsköpfchen und Kreuztragungsrelief. An den Strahlen Relieffiguren. Mitte
des 18. Jhs., Augsburger Beschauzeichen und — Kelch, silbervergoldet, getrieben,
in den Formen des beginnenden 18. Jhs. mit Bandgeschlinge am Fuß und einem Email-
medaillon mit der Darstellung der h. Familie.
Zeichen ? und
V T
L
(?). — Ein weiterer
Kirchen-
geräte
Kelch, silbervergoldet, getrieben, in spätem Zopfstil, Augsburger Zeichen und I A B.
— Eine weiße Casel des 18. Jhs.
Die Friedhofskapelle ist der Chor der ehemaligen Pfarrkirche, der allein stehen Friedhofskapelle
geblieben ist (s. Fig. 167). Sie ist in drei Seiten des Achtecks geschlossen und öffnete
sich in jetzt zugemauertem, großem gedrückten Spitzbogen gegen das Langhaus, jetzt
in späterer Tür auf den Friedhof. Sie ist mit einem Netzgewölbe (s. Fig. 168) über-
284
KREIS OFFENBURG.
deckt, dessen trocken profilierte Rippen ohne Konsolen an der Wand verlaufen. Im
mittleren Schlußstein (s. Fig. 169) das Oppenauer Wappen und die Umschrift:
& 1 öcr 1 gcritfjt 1 3110 1 noppnobb 1
Kruzifixus
IA6A l
Daraus schloß Mone1) wohl mit
Recht, daß die Kirche durch den Ge-
richtsstab erbaut wurde. In einem
anderen Schlußstein neu gemalt (nach
vorhandenen Resten?) das Wappen:
drei Berge (?) mit Kreuz darauf, in
einem weiteren die segnende Hand
auf dem Kreuz.
Zwei einpfostige Spitzbogenfenster
mit Fischblasenmaßwerk und ein gerad-
sturziges Fenster erhellen den Raum.
In der Nordwand eine Tür mit geradem
Sturz, Hohlkehlen und sich kreuzen-
dem Stabwerk ; ebenda eine Sakra-
mentsnische mit spitzem Kleeblattkiel-
bogen. Gegenüber an der Südwand
Nische im Eselsrücken geschlossen und
an beiden Wänden noch zwei große,
flachbogige Nischen. — Der Bau ist aus Bruchsteinmauerwerk errichtet, die Gewände etc.
aus rotem Sandstein ; kleiner späterer Dachreiter. Steinmetzzeichen unter der dicken
Farbe unkenntlich.
Im Äußern an der Südwand überlebensgroßer holzgeschnitzter Kruzifixus von 1713.
Auf dem Friedhof reiches,
Fig. 168. Getvölbe der Friedhofskapelle in Oppenau.
Schmiedeeisernes schmiede eisernes Kreuz mit Ranken
Kreuz
und Stabwerk aus dem 18. Jh.
An der Straße zum Friedhof
Sandsteinkruzifix derbes Sandsteinkrusifix von 1701,
laut Inschrift von verschiedenen Oppen-
auer Bürgern gestiftet.
Pfarrhof. An der Innenseite der
Wappenstein Gartenmauer ein Wappenstein des
Abtes Anastasius von Allerheiligen ein-
gemauert, mit der Unterschrift:
PRAESULE ANASTASIO
SURGENT QUAS CERNI
TIS AEDES
ANNIS TER DENIS RITE
GERENTE LOCUM
MDCLXXX VII
Fig. 169. Schlußstein iti der Friedhofskapelle in Oppenau.
x) Z. VIII, S. 432.
AMT OBERKIRCH. — PETERSTAL.
285
Um das Wappen später eingemeißelt: Lapis hic in pristinae domus fronte erat 1836.
Von Pnvaihäusern ist das des Leop. Hodapp zu erwähnen mit einem Erker
und der Jahreszahl 1681 und dem Gerberzeichen an der Türe, deren Gewände abge-
schrägt und hohlgekehlt sind, sowie das Ökonomiegebäude des Gasthauses »Zur Sonne«
mit der Jahreszahl 1682 an der ähnlich profilierten Tür. — Beim Apotheker Junghans
befand sich früher ein Bronzemörser mit der Aufschrift Soli deo gloria 1628.
In der Hauptstraße, zwischen Kirche und oberem Tor, stehen eine stattliche An-
zahl Riegelhäuser, leider jetzt verputzt. In ihrer alten Gestalt wiederhergestellt, würden
sie der Straße ein sehr malerisches Aussehen geben.
An den von Oppenau ausgehenden Straßen einige Kruzifixe und Bildstöcke des
17. und 18. Jhs., so ein Kruzifix von 1775 auf dem Weg nach Lierbach, eines von
1796 auf dem Weg nach Antogast und ein solches von 1681 auf dem Weg nach
Ramsbach.
PETERSTAL
Schreibweisen: zu sant Peter in Noppenowertal 1360; 1399; 1416; zu Bestem-
bach in Noppenauwerthale ob sant Peter gelegen ein hofstatt; Petersthal 1660.
Literatur: Tabernae montanus = Theod. Jac. Neuw Wasserschatz. Das ist: Von
Allen heylsamen Metallischen, Minerischen Badern und Wassern, Sonderlich aber von
den neuwen erfundenen Sawerbrunnen zu Langenschwallbach und im Schwartz-
wald in dem löblichen Stifft Strassburg in dem Petersthal . . — Vincentini Angeli Salae,
tract. duo, in specie : de deux Fontaines dites de Greysbach et de S. Pierre etc., Straß-
burgi59o. Deutsch zur gleichen Zeit ebenda. — C. Gras ecci u s, Fons salubris scatebra
Petrina, Straßb. 1607. — C. Erhardt, BadPetersthal im Großherzogthum Baden und seine
Stahlsäuerlinge, Karlsruhe 1856. — Fr. vonWeech, Zur Geschichte der Renchbäder
Antogast, Freiersbach, Griesbach und Petersthal Ob. 28, 438 — 466. — P. (Pf aff), Die
Renchthalbäder um 1644, Monatsblätter des Badischen Schwarzwaldvereins III (1900),
Sp. 87 — 92. Kraus, Zur Geschichte der Renchtalbäder, Z. NF. 21, S. 60:. Uber
die neuere Bäderliteratur s. Kienitz und Wagner.
Ansichten: Merian, Topographia Alsatiae 1644, S. 50. — Zwölf Ansichten von
Petersthal mit Antogast, Freiersbach, Sulzbach und deren Umgebung, Karlsruhe, Müller, o J.
Geschichtliches : Schon Ende des 13. Jhs. lag hier (s. unten) eine Kapelle, nach
deren Titel das Tal genannt wurde. Der später noch erwähnte Bistrichhof wird schon
1196 genannt, also war damals das Tal schon besiedelt. 1476 hören wir von dem
Bestenbachhof. Die Güter des Tales waren als Lehen von Freiburg, Eberstein und
Straßburg in den Händen des Schauenburger und Staufenberger Adels. Der Ort gehörte
zum Bistum Straßburg, Herrschaft Oberkirch. Erst im 16. Jh., wohl etwas später als
der Griesbacher, scheint der Sauerbrunnen bekannt geworden zu sein. 1580 war er in
einen viereckigen, hölzernen Kasten gefaßt. Nach der Verpfändung der Herrschaft an
den Herzog Friedrich von Württemberg nahm dieser lebhaftes Interesse an den Bädern
und erließ 1605 eine Badeordnung. 1637 erfolgte eine neue Ordnung durch Bischof
Leopold. Im Anfang des 1 7 . Jhs. war es in dem Besitz von verschiedenen Elsässern,
von denen der erste, Odino, nach den Mitteilungen des Graseccius, die bei dem großen
Andrang nicht mehr genügenden Herbergen etc. in einen geeigneten Stand setzte. So
Privathäuser
Ansichten
Geschichtliches
286
KREIS OFFENBURG.
Kath. Pfarrkirche
präsentierte sich das Bad mit einer Anzahl offenbar ganz stattlicher Riegelbauten (s.Fig. 170).
Auch genoß es den Ruf, daß vortrefflich für des Leibes Nahrung mit Leckerbissen aller
Art gesorgt war1) und daß dort über die Maßen lustig gelebt wurde. In den folgenden
Jahrhunderten wechselte das Bad verschiedentlich die Eigentümer, im 18. Jh. kam es in
den Besitz des Klosters Schlittern, das ein neues großes Kurhaus erbaute, indes auch
keine guten Geschäfte gemacht zu haben scheint und das Bad offenbar wie Griesbach
weiterverkaufte. Als 1803 das Gebiet an Baden fiel, nahm sich die Regierung der
Bäder an durch Unterstützung der Eigentümer. Die heutigen Bauten stehen noch an
alter Stelle, entstammen aber alle (wenigstens im Umbau) dem 19. Jh.
Fig. 170. Bad Peterstal im Jahre 1644.
Die kath. Pfarrkirche (ad S. Petrum et Paulum). 1293 wird erwähnt die »capella
sita in parrochia ecclesie de Noppenowe, que vocatur vulgariter die wüste capeile, filia
ad ecclesiam predictam spectans K. Da das Patronat von Oppenau (mit Nußbach) Aller-
heiligen gehörte, so auch diese Kapelle. 1321 wird sie als »capella sancti Petri dicta die
wüste capelle, ecclesie in Noppenowe attinens« genannt. Die Erklärung des Beiworts
findet sich in folgender Erwähnung: »in dem thal zu Noppenauwe zu der wüsten Reynchen
zu sant Peters capeile 1381«. Der Gottesdienst ist wohl durch einen Kaplan von Oppenau
besorgt worden. 1619 hören wir von einem »pfleger sancti Petri im thal«. Nach der
Niederlassung der Kapuziner in Oppenau 1668 besorgten diese unter Aufsicht des
Oppenauer Pfarrers den Gottesdienst in Peterstal. 1801 aber »zwang der Bischof und
Landesherr das Mediatkloster Allerheiligen zur Erbauung eines Lokalkaplaneihauses im
*■) S. W e e c h a. a. O. S. 440 f., Z e n t n e r a. a. O. S. 26 ff. und Philander von Sitte-
walds Schilderung in den Visiones de Don Queredo etc., Straßburg 1642.
AMT OBERKIRCH. — RAMSBACH. (BARENBURG.)
287
Peterstal«, und 1807 wurde unter badischer Herrschaft die Kapelle in eine »schöne,
neue Kirche« umgewandelt.1) 18x7 erhielt Peterstal eine eigene Pfarrei.
Der heutige Bau stammt aus dem Anfänge des 19. Jhs. (auf Grundmauern des
18. Jhs.?) in üblicher, schlichter Erscheinung mit einem vorgelegten Turm.
Altäre : Übliches Barocktabernakel mit hübschem Rocaillewerk auf dem Hochaltar, Altäre
Putten und größere Engel in Stuck, darüber mächtiges Altargemälde Aller Heiligen,
Werk des 18. Jhs., angeblich aus dem gleichnamigen Kloster stammend. Die zwei
Seitenaltäre zeigen den üblichen Barocksäulenaufbau mit Gemälden, h. Magdalena und
S. Petrus (?). — Kanzel im gleichen Stile. — Roter Taufstein mit kleinen, viereckigen
Pfeilern am Fuß. — Vier überlebensgroße Holzfiguren von Heiligen, dekorative Arbeiten,
i8.Jh., angeblich aus Allerheiligen.
In der Sakristei: zwei silbergetriebene Kelche, einer graviert, der andere mit auf-
F I
gelegtem Silberornament am Fuß sowie Augsburger Beschauzeichen und n . Kupferne
Sonnenmonstranz, Rokoko, neu vergoldet.
Zu Peterstal gehört noch Freiersbach , das als Bad erst später erkannt, die Freiersbach
Geschicke der Gegend mitmachte und 1803 badisch wurde. Altes ist hier nicht erhalten.
RAMSBACH
Schreibweisen: Ramesbach 1196; Waltramesbach 1271; Ramspach 1336 etc.
Ortsgeschichte: 1196 schenkte Uta von Schauenburg dem Kloster Allerheiligen Ortsgeschichte
eine Hube in Ramsbach. Die Gegend gehörte wohl zu altem zähringischen Besitz und
kam daher als Erbe an die Fürstenberg, von denen wir hören, daß sie dieselbe 1271
besitzen. Bei dem Verkauf der Fürsteneck durch Udelhildis kamen auch diese Besitzungen
an das Bistum Straßburg, Herrschaft Oberkirch, und machten der letzteren Schicksale
mit, bis sie 1803 badisch wurden.
An der Landstraße Bildstock von 1752. Bildstock
Zu Ramsbach gehört der Zinken
BÄRENBACH mit der BÄRENBURG
Geschichtliches : »Berenbach« wird 1293 erwähnt, 1351 etc.; nydern boerenbach Geschichtliches
im Noppenower tal 1386. Es gehörte offenbar aus der zähringischen Erbschaft den
Fürstenbergern, die auch die Burg als Lehen zu vergeben hatten. — Verschiedene
Geschlechter schrieben sich von Bärenbach, 2) eines mit dem Staufenberger Wappen, das
1297 bis 1363 vorkommt; dann ein Zweig der Wolf von Renchen, der in Gengenbach
saß, 1360 bis etwa 1448. Ein drittes Geschlecht nannte sich wohl nach dem Zinken
Bärenbach im Bezirksamt Wolfach.
Die Burg wird im 14. Jh. erwähnt: »bürge zu Berembach«. »Wir grave Egen Burg
herre ze Friburg han verlühen ze rechtem manlehen Johannese von Bernbach, Johannes
von Sneite thoter sune, die bürg ze Bernbach sinen teil 1312«. — 1321 aber verkaufen
*) Kolb III, S. 39.
2) Kindler von Kn ob loch a. a. O. I, S. 33.
288
KREIS OFFENBURG.
»Burkart und Johannes zwene gebrüdere, hern Johanneses seligen eines ritters von
Berembach süne«, aus dem oben zuerst genannten Geschlecht, dem Bischof Johannes
von Straßburg und seinem Stift »alles ir reht an der bürge Berembach und an allen
den gutem, die sie obewendig des gedoßes in dem tale zu Noppenowe mit der bürge
von grave Cünrat herre ze Friburg hattent zu lehenne«. 1455 hören wir noch einmal
von dem »Schloß Berenbach«, das wohl nachher irgendwie zerstört wurde.
An der Stelle der Burg liegt nicht etwa, wie Kindler von Knobloch meint,
heute der Bauernhof auf dem ötschenfeld, sondern nur in der Nähe. Sie krönt eine
etwas vorspringende Kuppe des Gebirges über dem Renchtal, 159 m über dem Meere,
die nach drei Seiten einigermaßen schroff abfällt. Geringe Reste von Mauern aus
Bruchsteinmauerwerk erheben sich noch über den Boden, andere sind noch in Spuren
Fig. iyi . Plan de r Barenburg bei Ramsbach.
nachweisbar, andere endlich nur noch an der Terraingestaltung (s. Fig. 171). Die größte
Wehr mußte sich gegen die Südseite, die Bergseite, richten, von der aus man heute den
Zugang zur Burg findet. Hier scheint ein künstlicher (?) Graben hergestellt worden zu
sein, in dem heute die Straße läuft. Von dieser abbiegend, den Fußweg betretend,
haben wir rechts die Reste eines 5x6m großen, vorn halbrunden Baues E, einer
Bastion (?), von der aus die Mauer nach Norden zog. Links vielleicht die Spuren eines
Bergfriedes A mit etwa 4 m Weite im Innern und 2 m starken Mauern, und des Vor-
hofes B, wenn nicht A und B ein größeres turmartiges Wohngebäude bildeten. Weiter
nach Norden ein Plateau mit dem Mauerzug C, wohl eine an den Zwinger sich an-
schließende Vorburg; in der Mauer eine noch heute erkenntliche Türöffnung, die wohl
den unteren Haupteingang zur Burg bildete. Mehr ließ sich ohne Grabungen nicht
feststellen.
RINGELBACH
Schreibweisen: in dem Ringelbach 1225 etc.; zu dem nydern Ringelbach 1386;
zu obern Ringelbach 1386. (Bach des Ringilo oder auch von der schlängelnden, ring-
förmigen Gestalt des Baches.)
AMT OBERKIRCH.
STADELHOFEN. SULZBACH.
289
Ortsgeschichte : Die großen Besitzungen des Bistums Straßburg hier kamen wohl Ortsgeschichte
schon 1070 mit der Ullemburg an das Bistum. Auch waren die Geroldsecker hier
begütert: »der hof ze Ringelbach, den Steinmar Schonzeler von der herschaft Geroltz-
ecke zu lehen hatte« 1347. Diesen Hof gibt Heinrich von Geroldseck-Lahr 1359 dem
Propst und Konvent zu Allerheiligen. Seit dem 14. Jh. gehört die ganze Gegend zum
weltlichen Besitz des Bistums Straßburg und wird 1803 badisch.
Kirchliches : Ringelbach war teilweise nach Oberkirch eingepfarrt; 1351 hören Kirchliches
wir von den homines Berth. episcopi Argentinensis in dem Ringelbach, parrochiani
ecclesie parrochiali in Oberkirche. Später gehörte es zu drei Pfarreien (und drei
Gerichten), Oberkirch, Ulm und Waldulm (Gericht Kappel).1) Früher war nur eine
kleine Kapelle (ad S. Wendelinum) gestanden; 1863 wurde die heutige Pfarrkirche mit
dem gleichen Titel erbaut. Sie enthält noch einen Barocksäulenaltar, der wohl aus Barocksäuien-
^ . altar
der Kapelle oder aus einer anderen alten Kirche stammt. In der Sakristei eine weiße
Casel des 18. Jhs. mit prachtvoller bunter Seidenstickerei von Blumen etc. auf dem Casei
Balken und ein Kelch vom Anfänge des 18. Jhs., silbervergoldet, getrieben, mit Band- Kelch
geschlingeornamenten und dem Augsburger Beschauzeichen ; das andere verwischt.
Auf der Höhe zwischen Ringelbach und Waldulm ein Kruzifixus auf Rocaille- Kruzifixe
postament von 1782.
STADELHOFEN
Schreibweisen: Stadelhoven 14. Jh.; Stadelhofen 1316; zu nidern Stadelhofen
14. Jh.; im obern Stadelhoven 14. Jh. etc.
Ortsgeschichte: Schon 961 hören wir von einer Schenkung Bischof Uthos III. von
Straßburg an die Kirche zu Straßburg. Wie in Ringelbach hatte hier sicher schon seit 1070
der Bischof von Straßburg Besitztümer. Mit der ganzen Gegend gehörte es seit dem
14. Jh. zur bischöflichen Herrschaft Oberkirch. Die Schauenburger waren hier begütert.
1803 wurde Stadelhofen badisch.
Kirchliches: 1780 wurde hier eine Wendelinuskapelle erbaut (Filiale von Ulm), die
1 783 zur Pfarrei erhoben wurde.2) Diese wurde aber im ip. Jh. durch einen Neubau ersetzt.
In demselben ein holzgeschnitzter Kruzifixus der Barockzeit, der Corpus alt, das
Kreuz wohl von der Renovation 1907. Die Kanzel, eine Renaissanceschnitzerei aus dem
17. Jh., ist in die Großh. Sammlungen für Altertums- und Völkerkunde gelangt.
Schmiedeeiserner Wirtshausschild am Gasthaus »Zum Ochsen«.
An der Straße nach Tiergarten Kruzifix von 1775 auf Rocaillesockel.
Ortsgeschichte
Kirchliches
Kruzifixus
Schmiedeeisernre
Wirtshausschild
Kruzifix
SULZBACH
Schreibweisen: Sulzebach 1233; Sulczebach 1336; Sulczbach 1342 etc. (Salzbachr)
Literatur: J. J. Mezius, Bericht etlicher New erfundenen Saurbrunnen zu Sultz-
bach etc., Fbg. 1616; Zentner a. a. O., S. 124. (Für die neuere Badliteratur s.Kienitz-
Wagner.)
*) Kolb III, S. in.
2) Freib. Kirchenbl. 38, 115. FDA. NF. II, 262
Band VII.
19
2QO
KREIS OFFENBURG.
Ortsgeschichte Ortsgeschichte : Der Ort, der zur Gemeinde Lantenbach gehört und wohl bei seinen
frühesten Erwähnungen aus kleinen Ansiedelungen bestand, verdankt seinen Namen den
hier sprudelnden warmen Wasserquellen, die nicht, wie Zentner meint, erst Ende des
18. Jhs., sondern schon Ende des 15. Jhs., wenn auch nicht weithin, bekannt gewesen
sein müssen, denn auf den Glasgemälden der Kirche in Lautenbach finden wir einen
»bernhart uß dem stütz b ad und Eva sin hußfrow«, also Bürger, während wir in der eben-
falls dort dargestellten Kathrin von Stütz b ach, Ehefrau des Friedrich von Schowenburg,
ein Mitglied eines sich so nennenden adeligen Geschlechtes sehen müssen; auch 1526
hören wir vom »Sultzbad« und 1558 von »hoffguet und bade gelegen im Sultzbach
Oppenawer gerichts«. In den folgenden Zeiten scheint das Bad allmählich in Vergessen-
heit geraten zu sein. Die Gegend gehörte zum weltlichen Besitz des Bistums Straßburg,
Herrschaft Oberkirch, und war nach Oberkirch, im 19. Jh. nach Lautenbach eingepfarrt.
Kapelle Bei dem jetzigen Badgebäude steht eine schlichte Kapelle, laut Inschrift über der
Türe von Lorentz Spener und Catharina seiner Hausfrau .1775 errichtet. Im Innern
Kirchengestühl Kirchengestühl mit Barockschnitzereien, aus der alten Kirche in Oberkirch stammend,
mit den Namen der Filialgemeinden von Oberkirch an den Wangen.
Kruzifix An dem Weg nach Hubacker Kruzifix von 1761, im 19. Jh. renoviert.
TIERGARTEN
Schreibweisen: in dem Tiergarten 14. Jh.; in dem Thiergarten 1319; us dem
Diergarten 1347. (Ursprünglich = Gehege für Rotwild, dann aber auch Pferch fiir das
Weidevieh.)1)
Archivalien: Reinfried, Archiv des Landeskapitels Ottersweier; Z. NF. 12,
Mitt. 19; 20 — 31.
Ortsgeschichte Ortsgeschiclite : Tiergarten kam wohl 1070 mit der Ulmburg, zu der es wohl als
Rotwildgehege gehörte (?), an Straßburg und gehörte bis 1803, wo es badisch wurde, zu
dessen weltlichem Besitz zur Herrschaft Oberkirch. Schon 1227 wird der zwischen Tier-
garten und Gaisbach gelegene Richenbacher Hof erwähnt. 1319 vertauschte Bischof
Johann das seinem Stifte gehörige Gut Tanzberg »m dem tiergarten« mit Allerheiligen
gegen das Schloß Friedberg bei Oppenau.
Kath. Pfarrkirche Die heutige katli. Pfarrkirche ist ein Neubau des 19. Jhs. (ad S. Urbanum). Früher
bestand hier nur eine Kapelle mit gleichem Titel. Aus dieser stammt wohl die Barock-
Kanzei kanzel mit ausgebauchter Brüstung und lebhaft bewegtem Engel auf dem Schalldeckel.
In der Nähe auf einem der Rebhügel stand die
ULLENBURG (Ulmburg)
Schreibweisen: Ulmena 1070; Ulmeburc 1228; Ulmenburg 1271; Ullemburg
14. Jh. etc.
Die Burg wurde 1070 zusammen mit Ulm und größeren Besitzungen der Umgegend
von einem fränkischen Ritter Siegfried dem Bistum Straßburg geschenkt: vir militaris
*) Alemannia VIII, 13.
AMT OBERKIRCH. — ULM.
291
Sigifridus magna Francorum ex Stirpe predium dictum Ulmena eiusdemque nominis castellum
in pago Mortenowa in comitatu Chinzihdorf et Otenheim situm Argentincensi ecclesiae
tradit. Als nach dem Tode Bertholds IV. von Zähringen seine Brüder sich mit seinem
Sohne Berthold V. über eine Teilung des Hausbesitzes einigten, scheint Hugo außer den
Eigengütern das bischöflich straßburgische Lehen Ulmburg erhalten zu haben, das nach
seinem Tode wohl eingezogen wurde. 1219 nennt sich aber Rudolf von Eberstein auch
Herr von Ullenburg. 1228 wurde es an die Markgrafen von Baden verpfändet.1) Wann
es ausgelöst worden, scheint nicht genau festzustehen. 1271 aber wird nach der Spaltung
des Uracher Hauses Graf Berthold von Fürstenberg straßburgischer Burgmann zu Ulm-
burg. Die bischöflichen Vögte der Herrschaft Oberkirch saßen zunächst in der Burg;
so hören wir 1270 von einem Peregrinus advocatus, 1310 von Stenolt der fout fon
Ulmburc, 1316 von einem advocatus Johannis Argentinensis episcopsi in Ullenburg 1316;
später residierten sie in Oberkirch. Am Anfänge des 14. Jhs. waren die Schauenburger
mit der Burg belehnt, denen sie von Bischof Wilhelm von Diest auf Wiederlösung ver-
kauft wurde. Schon Bischof Rotbert aber löste sie wieder ein, und die Burg kam nun
im weiteren Verfolg als Lehen in verschiedene Hände, so 1478 an die Familie
von Boozheim, bei den Streitigkeiten des 16. Jhs. an den Grafen Ernst von Mansfeld,
1605 als Pfand an den Herzog Fr. von Württemberg, der die Familie Küfer damit
belehnte, die auch nach dem Rückfall an Straßburg noch dort blieb. Dann kam das
Lehen an die Schweinhuber, deren letzter 1770 als Chorherr von Allerheiligen starb.
1785 ließ Kardinalbischof Rohan die Burg zerstören. Er verlegte die Pfründe der Schloß-
kapelle — 1464 hören wir von einem capellanus in Ulenburg, die Patrone waren
S. Urbanus und S. Sebastian — nach Ulm (1790). Eine Anzahl von Familien nannten
sich im 14. und 15. Jh. nach der Burg, hatten also offenbar dort ihren Sitz, die Gir, die
Müller, die Stern, die Rohart und ein Rickaldeus.2)
Erhalten ist heute von der Burg nichts mehr. Man sucht sie auf einem Rebberg
über Tiergarten, welcher der Schloßberg genannt wird und dessen Stützmauern, wie es
scheint, aus Steinen der Burg errichtet sind. Mir will derselbe als etwas zu klein erscheinen
für den zu vermutenden Umfang der doch eine ziemliche Rolle spielenden Burg, und
ich möchte mindestens die Hauptburg auf einem geeigneteren Hügel, der etwas nach
Süden liegt, suchen.
ULM
Schreibweisen: Ulmena 1070; in banno ville Ulme 1285; Ulma 1347; Ulmen 1399:
Ulm 1558. (Deutung ungewiß.)
Ortsgeschichte: Zugleich mit der Ulmburg kam 1070 Ulm an das Bistum Straß- Oi-tsgeschichte
bürg (s. oben); es teilte die Schicksale der Ulmburg. Mit Ringelbach, Erlach, Haslach,
Mosbach, Stadelhofen und Tiergarten bildete es eines der vier Gerichte der Herrschaft
Oberkirch. Im 14. Jh. muß es hier noch Reichsbesitz gegeben haben, wir hören 1343
von »die lute zu Ulme, die vom riche rürent und zu Offenburg bürger geworden«. Wie
die ganze Herrschaft wurde Ulm 1803 badisch.
19*
*) Heyck, Gesch. der Herzoge von Zähringen, S. 418 und 520.
2) Krieger II, 1239.
292
KREIS OFFENBURG.
Pfarrkirche
Kanzel
Holzfiguren
Ölgemälde
Eine Familie von Ulm erscheint 1270 in Heinricus de Ulmen und 1398 in Nesa
de Ulma filia quondam Heinrici de Ulma de Offemburg domicella.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Mauritium) : Eine der ältesten Pfarreien der Gegend,
deren Filialen u. a. Renchen, Mosbach, Haslach, Tiergarten, Stadelhofen und Erlach
waren. Doch scheinen wir erst 1332 zum erstenmal von der Kirche zu hören. Damals
wurde die Pfarrei von Bischof Berthold dem Stifte Säckingen inkorporiert (nos Berhtoldus
Argentinensis ecclesie episcopus ecclesiam parrochialem Ulme cum capella in Re-
nicheim etc ). 1412 war hier ein Leutpriester Gilg: »Gilg lütpriester der Kirchen zu
Ulm gelegen in Straßburger bystum, und Schaffner fröwe Clor Annen von der hohen
Clingen, eptesin zu Seckingen«. 1483 heißt es: »als Ulme und Renichen die zwey
Kirspel bißher eine lutpriesterey, die der eptissin zu Seckingen zü lihen gepurt, gewesen«.
Später kam Kollatur und Zehent in den Besitz des Chorpräbendarienstifts in Straßburg.
1666: Ulm, huius ecclesie patronus coeli s. Mauritius; collatores sunt domini deputati
summi chori Argentinensis.
Die heutige Kirche stammt aus den Anfangsjahrzehnten des 1 9. Jhs. mit Ausnahme
des viereckigen Turmes aus Bruchsteinmauerwerk mit Quadern an den Ecken und oben
gekuppelten Schallfenstern des 18. Jhs., sein Alter ist mangels sicherer Anhaltspunkte
nicht zu bestimmen. Uber den Schallöchern ist in Relief ein Rocaillewappen unter
einer Krone angebracht : in viermaliger Wiederholung eine nach rechts gerichtete Taube
(oder Hahn?).
Im Innern bemerken wir die Kanzel im Rocaillestil, an der die Brüstung tragenden
Konsole in origineller Zusammenfassung die Evangelistensymbole, Putten auf dem
Schalldeckel.
Zwei Holzfiguren, eine Madonna mit Kind und ein h. Sebastian, stammen wohl
vom Ende des 16. Jhs. Ein Kruzifixus und ein h. Wendelin aus dem 18 Jh.
An den Langhauswänden eine Anzahl Ölgemälde verschiedener Schule und ver-
schiedenen Wertes:
Vermehrung der Fische und Brote, deutsch, mit der Aufschrift: Johannes Müller
pingsit 1733.
Beschneidung Christi, nicht untüchtiges Bild vom Anfänge des 17. Jhs. unter
dem Einfluß der Spätvenetianer, Tintorettos und Bassanos.
Beweinung Christi, deutsch, vom Ende des 18. Jhs. ; flaches Akademiebild.
Marter des h. Sebastian, die Pfeile werden ihm herausgenommen, gute Modellierung
und ziemlich virtuose Helldunkelbehandlung, wohl deutsch, aus der Mitte des 17. Jhs.
Ecce homo mit Kriegsknechten, deutsch, zweite Hälfte des 18. Jhs.
Marter des h. Andreas, wie das Sebastiansbild (wohl vom gleichen Künstler, recht
tüchtige Leistung aus der Mitte des 17. Jhs.).
Anbetung der Hirten, gleich der Beschneidung unter venetianischem Einfluß, aus
dem Anfänge des 17. Jhs.
Kreuzabnahme Christi, auch durch die spätere Schule Venedigs beeinflußt, vom
Anfänge des 1 7 . Jhs.
Einzug Christi in Jerusalem und Kreuzigung, etwas rohe Bilder wohl aus der ersten
Hälfte des 18. Jhs., deutsch.
AMT OBERKIRCH. — ULM.
293
Von den Glocken habe ich nur der großen Hauptglocke nahe kommen können. Glocken
Die anderen scheinen, soweit von ferne zu urteilen, aus dem 1 8. Jh. Die große aber
trägt in erhabener Schrift die Worte :
+ 0 + RHX + GLORItf • X . V6RI + (IV + PKdG + + S LVCIÄS +
siwmevs + s . srkrd (sic!) vs +
(Umgekehrtes (I bei Marcus, H bei Rex und falsches 6 bei veni.)
Auf dem Platz des ehemaligen Friedhofes um die Kirche Grabsteine des 18. Jhs., Grabsteine
einer mit Voluten und Rundgiebel von 1775, einer mit ovalem Feld unter Giebel von 1794.
Hier auch ein 1851 erneuertes Kruzifix auf Rocaillesockel.
In der Sakristei eine Anzahl Kirchengewänder des 18. JJ^., unter anderem eine Kirchengewänder
rote und eine weiße Casel, zwei Kelchtücher, zum Teil Hochstickerei in bunter Seide
und Gold ; das eine Kelchtuch zeigt die Kreuzigung Ghristi mit Ranken in Hochstickerei.
Von Kirchengeräten ist zu erwähnen : eine Monstranz, silbervergoldet, getrieben, Kirchengeräte
Empire, teilweise erneuert. Eine Anzahl Kelche : einer, silbervergoldet, mit getriebenen
Randornamenten am P\iß, ähnlichen eingravierten an der Cuppa, verwischtem Zeichen
(Vogel?), Anfang 18. Jhs.; ein zweiter, silbervergoldet, getriebene Arbeit des Rocaillestils,
F . c
Augsburger Beschauzeichen, darunter C und ^ , am Fuß eingraviert : Memento mei
ad Altäre Dei Rogat P. Jvo Metsch ; ein dritter, silbervergoldet, getrieben, in gutem
Zopfstil aus der Zweiten Hälfte des 18. Jhs., Augsburger Zeichen, darunter M und JNS;
der vierte aus Kupfer, getrieben, vergoldet, ein schönes schlichtes Werk vom Ende des
18. Jhs., innen am Fuß steht: Calix ecclesiae Erlacensis et Ultnensis rectoris. Ein
Wettersegen, silbervergoldet, getrieben, spätes Rocaille; zwei Rauchfässer, das eine vom
Anfänge des 1 8. Jhs. in späten Barockformen, das andere Rocaille ; ein Schiffchen der
gleichen Zeit in gebauchter Form.
Privathäuser: In einem Holzbalken, von altem Riegelhaus stammend, jetzt an Privathäuser
der Brauerei Walz, eingeschnitten :
I ft S
M B
16
8 5.
Schmiedeeiserner Wirtshausschild am Gasthaus »Zur Linde«. Schmiedeeiserner
Wirtshausschild
AMT OFFENBURG
Band VII.
20
ALTENHEIM
Schreibweisen: villa Altheim 1289; das dorff zu Altheim 1482. (Kaum identisch
mit dem schon 880 erwähnten Baldanheim, da die Zurückführung darauf sprachliche
Schwierigkeiten bietet.)
Archivalien der Gemeinde und Pfarrei: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 5 (1885),
S. 261 — 262.
Ortsgeschichte: ’) Der Ort gehörte zur Herrschaft Geroldseck und kam bei der Ortsgeschichte
Teilung derselben an die Linie Lahr-Mahlberg. Bei der Heirat der Susanne von Geroldseck-
Lahr mit Hug von Geroldseck am Wasichin wurde deren Mitgift als Pfandsumme u. a.
auf Altenheim gestellt, Hug aber verpfändete die Hälfte des Ortes an die Müllenheim.
Außer diesen hatte um das J. 1400 noch ein Walter Wachsiger hier ein geroldseckisches
Lehen. Um 1359 hören wir auch von einem Edelknecht Kuno von Hundsfeld, der
seinem Lehensherrn Heinrich von Lichtenberg das Lehen, das er u. a. auch in Alten-
heim halte, resigniert. Vom 12. bis 14. Jh. scheint das Kloster St. Georgen auf dem
Schwarzwald Besitzungen hier gehabt zu haben; 1288 erwarb das Kloster Gengenbach
den päpstlichen Schutz für einen Hof hier. Im gleichen Jahre verkauften Walter von Klingen
und seine Frau Sophie ihren Besitz zu Altenheim an den Ritter Sigmund Hogmesser zu
Straßburg, von dem diese Güter an den Ritter Diebold Schenke von Oberehnheim und
dann 1306 an den Domherrn Gerhard von S. Stephan zu Straßburg übergingen.
1290 hören wir auch von einem Hugo von Altenheim, Bürger zu Offenburg.
Der Ort machte die Schicksale der Herrschaft Lahr-Mahlberg mit, er kam also 1427
an Mörs-Sarwerden, und als dies die Hälfte der Herrschaft an den Markgrafen von Baden
verkaufte, zugleich unter dessen Herrschaft; bei der Teilung 1629 kam er zu Lahr,
d. h. also an Nassau-Saarbrücken. Da dieses Haus aber die Herrschaft an Baden-Durlach
verpfändete, so war auch Altenheim bis zum Rückfall der Pfandschaft baden-durlachisch,
dann unter Nassau-Usingen, bis es i. J. 1803 badisch wurde.
Evang. Pfarrkirche , ehemaliger Titel (?). 1300 hören wir von Wernherus rector Evang. Pfair-
• • • ..... . . kirche
ecclesie in Altheim, frater Heinrici armigeri de Schopfheim. Kirchensatz und Zehnt, die
dem Hochstift Straßburg gehörten, waren als bischöfliches Lehen im Besitze derer von
Schopfheim, von dem als letzte die drei Brüder F.rkenbold, Heinrich und Werner damals
lebten; eben dieser Werner war der Pfarrrektor. Nach dem Aussterben der Schopfheim
kam das Lehen an das Stift zurück, das es in einzelnen Teilen an verschiedene Edle
weitervergabte. — Wir hören dann 1336 von Heinrich Kalwe von Schauenburg Kirchher
zu Altheim, 1419 von Götze Wilhelm lütpriester zu Altheim, 1428 von der ecclesia
parrochialis in Altheim. Wie die ganze Herrschaft Lahr-Mahlberg, neigte sich bei der
Kirchenspaltung Altenheim rasch der neuen Lehre zu, die 1567 endgültig eingeführt
*) Ruppert, Gesch. der Mortenau I, S. 237 ff.
20*
298
KREIS OFFENBURG.
Turm
Rathaus
Turm
wurde. 1602 wurde von der Schaffnei Lahr eine neue Kirche hier erbaut,1) der Turm
der alten blieb aber stehen, wie auch bei dem zweiten Neubau von 1808 bis 1813.
Dieser Turm von quadratischem Grundriß weist in seinem Erdgeschoß ein spät-
gotisches Rippenkreuzgewölbe auf, er dürfte also dem 15. oder 16. Jh. entstammen. Hier
sind auch unter der Tünche in den letzten Jahren Spuren von Wandgemälden, Ranken-
werk etc. zutage getreten. Im übrigen ist der Turm gänzlich überarbeitet. Die Kirche
in dem schlichten, klassierenden Stil vom Anfänge des 1 9. Jhs.
An den Außenwänden der Kirche eine Anzahl Grabsteine, und zwar:
des Philipp Ludwig Roeder von Diersburg, gest. 17. Hornung 1744, einfache
Platte mit Wappen ;
des weiland hochehrwürdigen und hochgelehrten Herrn Christian Samuel Lotz-
beck, war geboren zu Weisenburg 1681, Pfarrherr zu Nimburg 1706 und zu Alten-
heim 1713, Special vicarus zu Lahr 1750, und dessen Ehefrau etc., gest. 1751, er
selbst gest. 1757, Platte mit reicher Roeailleumrahmung, Engelsköpfen und Wappen;
des Johannes Henricus Büttnerus, Pastor in Altenheim pie obiit anno
Christi MDCLXIX — XXI Aug. Anno Aetat. LXXXI ministerii LVIII etc., auf der
Platte Kreuz mit Kartuschenwerk;
des Philipp Reinhard Greiffenberg, Pfarrherrn zu Altenheim, gest. 26. Juni 1777,
Platte mit reichem Rocaillerahmen, geschwungenem Giebel, Voluten, Vasen und Wappen.
Im Pfarrhaus werden einige ältere Kirchengeräte aufbewahrt : eine zinnerne Abend-
mahlskanne mit der Inschrift: Die schwedischen Dragoner verehren auff den Altar in
der Kirchen zu Altenheim am Rhein diese Kandten zu immerwährenden gedächtnus,
Martin Bohn Fenderich, Hans Georg Kratz Corporal, Hans Ohrdorff und Peter Schuh-
mann, anno 1 649. Wohl eine Erinnerungsstiftung der hier stationierten Dragoner, die
offenbar deutsche Landsleute waren, beim Friedensschluß, und ein Zeichen guten Ein-
vernehmens mit den Bewohnern. Des weiteren wird hier aufbewahrt eine silberne, ver-
goldete Hostienbüchse von 1699 mit Gravierungen, gestiftet von Joh. Dan. Bruch und
Johanna Margar. gebohrne Saxin Eheleute von Rohrburg.
Im Rathaus wird aufbewahrt: 12 cm hoher, silbervergoldeter Becher; der Rand
der Cuppa mit getriebenen Blüten verziert, am Fuß in reicher Gravierung sechs Wappen:
zwei Steinbockhörner, Löwe und Sterne, Steinbock, Schlüssel, aus Blumen hervorgehend,
und Sterne, ein Bock, wieder die Steinbockhörner. Im Fuß eingelassen eine Silber-
münze des Herzogs Friedrich I. Georg von Sachsen und seiner Gemahlin Johanna.
Goldschmiedezeichen: N, ein Turm und BB, etwa aus der Zeit um 1600.
Im Ort ein viereckiger, niedriger Turm , etwa 8 m hoch, auf dem Pyramidendach
eine Laterne, Bruchsteinbau. An ihm eine Inschrift: DRS, darunter die Umrißlinien
eines Karpfen eingeritzt und darunter 17 (|) 64. (Altenheimer Wappen.) Der 1 urm
soll angeblich von einer Wasserburg, der Rohrburg, stammen. Diese
ROHRBURG
stand aber an anderem Platze, nämlich zwischen der heutigen Mühle Rohrburg und dem
Dorfe Müllen. Um das Schloß hatte sich ein Dorf bezw. ein Weiler angesiedelt.
) Stöcker a. a. O. S. 151.
AMT OFFENBURG. — APPENWEIER.
299
Erwähnungen: curia Wilre apud Altheim 1300; Wilre prope Mulnheim 1343 etc.;
Rorburg 1357; Roreburg 1432; in dem banne zu Rorburg 1373.
Von der Burg hören wir 1 344 : in villa Wiler der graben umbe den bühel, videlicet
den Burgbühel; 1373 in Castro Rorburg; burgstal 1415; burgstadel 1481. (Burg im
Röhricht.)
Literatur: Ruppert, Mortenau I, S. 408 — 415; Derselbe, Die Erlin von Rorburg,
Straßb. Studien II, S. 68 — 77; Kindler von Knobloch, Obe^d. Geschlechterbuch I,
S. 308 ff.
Ortsgeschichte .' Schon 1275 hören wir von einem Heinricus miles de Wilre et Ortsgeschichte
Erkenboldus filius eius dictes Mulner. Sie gehörten wohl zu der Familie derer von
Schopfheim, die, wie es scheint, Vasallen der Geroldsecker waren und am Ende des
13. Jhs. Rohrburg besaßen. Im 14. Jh. war es Eigentum der Klobeloch, 1427 bis 1599
im Besitze der Erlin von Rohrburg, einer Straßburger Familie, wechselte dann häufig
die Besitzer und kam im 1 8. Jh. an die Freiherren von Türckheim. Es gehörte zum
schwäbischen Ritterkreis (Bezirk Ortenau) und kam 1805 an Baden. Heute existiert
nichts mehr von der Burg.
Wir hören 1317 von einigen Höfen in villa et banno Wilre, 1415 von der mule
zu Rorburg. Noch heute steht eine Rohrburger Mühle. Der Ort hatte zu Kolbs
Zeiten noch 23 Einwohner, die nach Altenheim eingepfarrt waren, ist aber jetzt gänzlich
eingegangen.
APPENWEIER
Schreibweisen: Abbenwilare 1088; Appenwilre 1216; villa 1312; in dem dorfe
zu Appenwilre 1399; Appenwir 1481; Appenweyr 1530. (Weiler des Appo.)
Arghivalien : Mitteil, der histor. Komm. Nr. 17 (1895), S. 47.
Ortsgeschichte: Von vorgeschichtlicher Besiedelung spricht der unten berichtete Ortsgeschichte
Fund. Dann wird Abbunwilari 884 erstmals erwähnt. (?) 1088 schenkt Waltherus de
Abbenwilare dem Kloster Hirsau ebendaselbst ein Gehöfte, das 1236 in den Besitz des
Klosters Allerheiligen überging. Ein Sarnagal de Appinwilre 1148 erwähnt. 1328 ver-
kauften Andreas »dictus de Rodecke miles« und seine Frau Petronella dem königlichen
Vogt Andreas in Achern ihren Hof in A. mit Patronat und Zehnt : cum jure juris patro-
natus ecclesie parrochialis ipsius ville Appenwilre et capellarum ab eadem ecclesia
dependencium. Nach dessen Tod aber schenkte seine Witwe Gisela de Hovevilre den
ganzen Erwerb dem Kloster Allerheiligen. — Der Ort gehörte zur Landvogtei Ortenau
und bildete mit Urioffen, Zusenhofen, Nußbach, Herztal, Meisenbühl und halb Nesselried
eines der vier Landgerichte. »In dem geriht von Appenwilre« heißt es 1364. Im
Jahre 1533 hatten »am grossen zehenden zu Appenwyr« die Markgrafschaft Baden ein
Drittel und die Propstei Allerheiligen zwei Drittel. Mit den Gemeinem zu Staufenberg
und den übrigen Angehörigen des Landgerichts bildete A. die Waldgenossenschaft im
Staufenberger Hard; die Waldordnung stammte von 1447. Wie heute ein Knoten-
punkt der Bahn, so war es schon im Mittelalter, ein Knotenpunkt der Kniebis- und der
Rheintalstraße: die alte stroß gen Erlech 1347 ;’) uf der Hohenstraße zuschen AVinsle
*) Mone, Urgeschichte I, S. 145.
3°°
KREIS OFFENBURG.
und Appen wilre 1381.
Ortenau) badisch.
Fig. 172. Kath. Pfarrkirche in Appenweier .
1805 wurde es (mit der vorderösterreichischen Landvogtei
AMT OFFENBURG. — APPENWEIER.
3OT
Vorgeschichtliches : Bei Vergrößerung des Bahnhofs 1864 wurde ca. 120 m Vorgeschicht-
nürdlich vom alten Gebäude und 30 m westlich von der Bahn eine etwa 1 m hohe
Erhebung des Geländes durchgraben, die sich als alter Grabhügel erwies. Es fanden
sich dabei, mit etwas Asche und Kohle vermischt, ein Halsring, zwei Armspangen und
zwei Fußringe von Bronze, massiv und dick gearbeitet ohne Verzierung, und ein nicht
mehr deutbares flaches Stück Eisen, also die Reste einer Bestattung oder vielleicht eines
Leichenbrands; Genaueres war, da die Arbeiter ohne Aufsicht gegraben hatten, nicht
mehr festzustellen. (Fundstücke in der Karlsruher Sammlung.) ( W.)
Kath. Pfarrkirche (ad S. Michaelem). 1287 wird ein Wernherus rector ecclesie Kath.rfan-ki.-che
de Appenwilre, frlius quondam H. militis de Stciffenberg dicti Schidelin erwähnt, 1291
ein Waltherus sacerdos de A. Wie oben erwähnt, kam durch Schenkung 1359 das
Patronat an Allerheiligen, 1361 inkorporierte Bischof Johann von Straßburg demselben
»parrochialem ecclesiam in A.«; ’) demgemäß hören wir z. B. 1439 von Rülmann Tedinger
ein conventherre des closters Allerheiligen zu der zit ein lutpriester der kirchen zu A.
1692 war die Kirche so zerstört, daß sie kaum noch dem Gottesdienst dienen konnte,
und auch die Innenausstattung
hatte schwer durch den Krieg
gelitten.“)
Die heutige Kirche ist
ein Bau aus der Mitte des
1 8. Jhs. (s. Fig. 1 7 2). Uber dem
Portal steht: »Anno 1750 hat
die gemeindt Appenweyher
diese Kirch zu größerer Ehr
Gottes unter direction Hem
Simon bruder des vogtens auf-
erbauen lassen«. Eine ein-
schiffige Kirche mit Chor, der
in drei Seiten des Achtecks
endigt. Einfache Lisenengliederung der Außenwände. Die Fassade ist mit stattlichem
Barockgiebel gekrönt, neben dem Chor der Turm mit abgerundeten Ecken und originellem
Zwiebeldach, an diesem die Jahreszahlen 1748, 1835, 1881, 1900. Im Innern hübsche
Stuckornamente im Rocaillestil an den rundbogigen Fenstern wie an dem Spiegelgewölbe
der Decke, wo sie die dortigen Gemälde einschließen. Diese stellen dar im Langhaus
die Himmelfahrt Mariä, im Chor die Speisung der Zehntausend, in den Stichkappen
die Evangelisten und die Symbole Mariä aus der Lauretanischen Litanei : den hortus
conclusus, den fons signatus, pulchra ut luna, electa ut sol, quasi flos rosarum, sicut
lilium inter spinös, außerdem Moses und David. Flotte Werke der rauschenden Deko-
rationskunst des 1 8. Jhs. Im Chor an den Wänden in schöner Stuckumrahmung je ein
Wandgemälde, darstellend die Heiligen Norbert und Augustin. Auch die Sakraments-
nische hat eine entsprechende Umrahmung.
Am Triumphbogen in Rocaillekartusche großes badisches Wappen. Wappen
Fig. 173. Haus in Appenweier.
*) Bestätigt durch die päpstl. Bulle 1407, FDA. XXI, S, 314 ff.
2) FDA. NF. III, S. 318.
3°2
KREIS OFFENBURG
Innenausstattung Innenausstattung : Kanzel aus der Mitte des Jahrhunderts mit sehr origineller
Rocailletreppenwange ; Empore, später eingezogen, im Zopfstil.
Der Hauptaltar in dem barocken Aufbau von Säulen (Stuckmarmor) mit ver-
kröpftem Gebälk umschließt ein Gemälde, darstellend den h. Michael, der den Drachen
tötet; auf den ähnlich ausgestalteten beiden Seitenaltären ebenfalls Gemälde, rechts
Kruzifixus, links eine Madonna rosarum.
Auf jeder Seite des Langhauses je ein ca. i m hohes, gut gearbeitetes Rocaille-
Hoizskuipturen sandsteinpostament. Auf dem einen die holzgeschnitzte Gruppe der h. Anna selbdritt
aus dem Anfänge des 16. Jhs., gute Arbeit (neu gefaßt), auf dem anderen eine Immaculata
in der geschwungenen Haltung des 1 8. Jhs.
Neben der nördlichen Eingangstür schlichter Grabstein mit Kelch des »Thadaeus
Jaeger der hochw. Abtey Allerheiligen regulierter Chorherr und Pfarrer allhier gestorben
den VII r. Juni 1772 seines
Alters 39 Jahr, seines Pfarramts
im 4 Mohnat«. Dazu ein Vers:
Hier liegt ein Hirt der Geist
und Leben
Voll Eyfer für sein Herd ge-
geben etc.
In der Sakristei einige
Kirchengerate y UMHBlv c~l Kirchengeräte : ein Kelch,
silbervergoldet, Anfang 1 8. Jh.,
mit getriebenen Mönchsinsig-
nien ; ein Speisekelch, silber-
vergoldet, im gleichen Stil mit
aufgelegten silbernen Blumen
an der Cuppa, Zeichen : Zirbel-
nuß und S R ; eine große
Monstranz in der Sonnen-
form mit gutem Rocailleorna-
ment, silbervergoldet, getrieben,
Zeichen: Augsburg und P ?; eine kleinere ähnliche mit Augsburger Zeichen und E F,
Kirchengewander kleine Nische in der Wand mit Rocaillemadonna. Einige Kirchengewänder des 1 8. Jhs. :
M T
eine weiße Casel mit Goldbrokat und gepreßter Samtverzierung und den Buchstaben
Fig. i’j.f. Hans in Appenweier.
ein einst vorhandener Rauchmantel von gleichem Stoff ist früher einmal zerschnitten
worden.
Glocken Drei Glocken , alle wohl aus einer Zeit; nur einer konnte ich nahe kommen, sie
ist von Matthaeus Edel 1751 gegossen.
Kruzifixus Vor der Südseite der Kirche auf Rocaillepostament mit zwei Armen ein Kruzifixus
mit Maria, Magdalena und Johannes, Sandstein, laut Aufschrift 1773 von Sebastian und
Maria Anna Wiedemer gestiftet.
Ein diesem nachgebildetes Kruzifix, durchaus noch in Rocailleformen, steht auf
dem Friedhof, laut Inschrift erst 1830 gesetzt.
AMT OFFENBURG. — BERGHAUPTEN.
303
Auf dem Friedhof noch einige stark zerstörte Grabsteine des 18. Jhs., u. a. der Grabsteioe
eines Bernard Göring von 1723, und noch ein zerstörtes Rocaillekruzifix.
Das Rathaus ist ein Bau des 18. Jhs. mit Mansardendach und der Jahreszahl 1765 Rathaus
am Eingang.
fm Ort erfreulicherweise noch eine Anzahl schöner Riegelhäuser , von denen ich Riegelhäuser
zwei (s. die Fig. 173 und 174) hervorhebe. ^
In der Hauptstraße an einem Haus mit Rocailleornamenten gezierte Sandsteinbank. Sandsteinbank
Einige steinerne Kettenbrunnen, so bei Haus Nr. 228 einer von 1794. Kettenbrunnen
Auf dem Weg nach Nußbach wieder ein Kruzifix von 1769 mit den Heiligen Kruzifix
Wendelin und Anton auf geschmackvollen Rocaillesockeln ; an der Straße nach Nessel-
ried auf einem Sockel in schon sehr klassizierendem Eouis XVI. -Stil eine Statue der
Immaculata conceptio, von Eorentz Shilli 1789 errichtet.
BERGHAUPTEN
Schreibweisen: Berghaubten 1277; Bergehopten 1370; Berghoubten 1423; Berg-
hobten 1435 i ,m Berghopterthal 1504. (Erklärung s unten Schloß.)
Archivalien der Gemeinde und Pfarrei : Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 5 (1885), S. 262.
Literatur: Ruppert, Mortenau I, S. 242 Untersuchung der Beschaffenheit des
Fleckens Berghaupten und des Berges Bellenberg, in Ansehung der Familie von der
Schleiß etc., Straßburg 1755 t Gründliche Abhandlung deren Plrzh. Ostr. und Hochgräf.
Leyischen Gerechtsamen auf Berghaupten, Wetzlar, o. J.
Ortsgeschichte: Zum erstenmal 1277 erwähnt, kam Berghaupten damals bei onsgeschichte
der geroklseckischen Familienteilung an Heinrich von Geroldseck-Veldenz, also an die
sogen. Frohengeroldsecker Linie. Da der Name1) nach der Lage des Orts sicher
ursprünglich derjenige der ehemals auf der benachbarten Höhe gelegenen Burg gewesen
und von dieser erst später auf das in der Niederung liegende Tal übertragen worden,
diese Übertragung aber damals schon stattgefunden hatte, so dürfen wir wohl ein beträcht-
liches Alter der Burg und des geroldseckischen Besitzes annehmen. Bei der Teilung
zwischen den Brüdern Heinrich und Georg 1570 kam Berghaupten auf Georgs Teil. Da
bisher nirgends von Straßburg die Rede war, nimmt Ruppert wohl mit Recht an, es sei
Allod und nicht, wie man gemeint, bischöfliches Lehen gewesen. Im Anfänge des 15. Jhs.
erteilten die Geroldsecker verschiedene Lehen zu Berghaupten. 1436 aber verkaufte
Diebold es an den Fidelknecht Bernhard Böcklin zu Straßburg gegen Wiederlösung,
1530 wurde es aber — wohl infolge Geldmangels der Geroldsecker — von dem Bischof
eingelöst und den alten Besitzern zu Lehen gegeben. Nach Erlöschen der Geroldsecker,
nach langem Prozeß mit den Cronberg etc. darüber, ob es Allod oder Lehen gewesen,
kam es als bischöfliches Lehen an Franz von Merci und seine Söhne, dann an die Frei-
herren von der Schleiß.
Von der Burg sind keine Reste mehr zu sehen, auch ihr Standort ist unbestimmt.
Außer ihr muß noch eine Tiefburg vorhanden gewesen sein, ein »Wasserhaus« oder
»Schlößchen«, das von den Wartenbergs genannt von Wildenstein an den Domherrn
*) Krieger I, S. 152.
3° 4
KREIS OFFENBURG.
Kath . Pfarrkirche
Innenausstattung
Kirchengeräte
Kruzifix
Ehern. Schloß
Bildstock
Ortsgeschichte
Heinrich von Werdenberg in Straßburg, von diesem 1488 an die Schauenburg und über
andere Besitzer 1697 an die von der Schleiß gelangte. Auch von dieser Anlage ist
nichts mehr zu sehen.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Georgium Mart.). Berghaupten war im Mittelalter eine
Filiale von Zunsweier, daher gehörten Zehnt und Kollatur dem Kloster Schlittern.
1443 hören wir von einer Kapelle, 1512 heißt sie die kapel sant Jergen zu Berghoubten.
Bald nachher müssen aber zwei Kapellen dagewesen sein, denn wir hören 1455 von
unser lieben Frowen Kirche zu den vier Stegen zu Berghoupten, 1555 und 1564 »gen
Berckhaupten in beide Kirchen sanct Jergen, auch unser lieben frawen«. Welche von
ihnen 1556 vom Blitze getroffen darniederbrannte,1 2) können wir nicht entscheiden. Seit
1536 war ein eigener Kaplan am Ort, über dessen Bestallung ein besonderes Abkommen
i. J. 1539 getroffen wurde.-) In der Mitte des 18. Jhs. erhielt Berghaupten eine eigene
Pfarrei, und damals wurde auch die jetzige Kirche erbaut (1752).
Es ist ein schlichter einschiffiger Bau mit geradlinig geschlossenem Chor. Auch
die Innenausstattung ist aus der gleichen Zeit. Der Haupt- und die zwei Seitenaltäre
mit dem üblichen Säulenaufbau ; Kanzel mit wenigen Rocailleornamenten ; entsprechende
Beichtstühle ; Holzstatuen der Madonna, der Heiligen Johannes, Nepomuk u. a., 1 8. Jh. ;
Taufstein mit Rankenornament und:
A • B • V • 1 6S6 I • A • N •
späterer Holzdeckel.
Kirchengeräte: Monstranz, silbergetrieben, teilweise vergoldet, mit Rocailleorna-
menten und Wappen am Fuß; Kelch, silbervergoldet, getrieben, mit Rocailleornamenten,
Augsburger Zeichen und L K; kleinerer silberner Kelch mit Allianzwappen am Fuß;
Wettersegen der gleichen Zeit.
Vor der Kirche Kruzifix auf üblichem Barockpostament von 1753.
Ehemaliges Schloß, einfacher Barockbau des 18. Jhs. mit Mansardendach, am
Giebel das Schleißsche Wappen.
Am Eingang in den Ort von Gengenbach her Bildstock von 1798; an der Straße
von Berghaupten nach Zunsweier ein weiterer.
BIBERACH
Schreibweisen: Biberaha 1220; Biberach 1233; Biberahe 1240; Pibrach 1479 etc.
(Zusammengesetzt aus biber und aha [Wasser].)
Archivalien: Mitteil, der histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 106 (Uber Fischwasser),
und Nr. 19 (1897), S. 51—53.
Ortsgeschichte: Erste urkundliche Erwähnung 787. (?)3) 1250 verzichtet Graf
Heinrich von Fürstenberg zugunsten des Bischofs von Straßburg auf seine Ansprüche an
Offenburg und Gengenbach und deren Zugehörden, ausgenommen Steinach, Haslach und
Biberahe ; Fürstenberg nimmt es von Straßburg zu Lehen, es müssen also früher hier
Ansprüche des Zähringerhauses bestanden haben. Später gehörte Biberach zum Gebiet
1j Ruppert I, S. 247.
2) H e n n i g , Gesch. d. Landkapitels Lahr, S. 209.
3) Großh. Baden, S. 784. Wohl ein anderes Biberach.
AMT OFFENBURG.
BOHLSBACH.
3°5
der Reichsstadt Zell, bis es 1803 badisch wurde. Seine Bedeutung war klein, sie ist
erst seit der Anlage der Bahn und der Station gewachsen.
1261 hören wir von Besitzungen des Klosters Gengenbach, von einer curia. 1484
erhält »Ludwig Röder zu Tiersperg« das lehen, »das ist die vischentz und vischwasser
zu Bibrach«, das schon seine Vorfahren hatten, vom Kloster.-^
Kal h. Pfarrkirche (ad S. Blasium Mart). Ursprünglich Filiale von Zell, erhob Kath. Pfarrkirche
Bischof Leopold von Straßburg 1618 mit Zustimmung des Abtes von Gengenbach, dem
die Kollatur zustand, Biberach zur Pfarrkirche. Doch fand die Pastoration fast das
ganze 17. Jh. von Zell aus statt, da der Pfarrer aus der geringen, vom Abt und Konvent
in Gengenbach geleisteten I )otierung seinen Unterhalt nicht bestreiten konnte. ’) Die
heutige Kirche ist ein schlichter, einschiffiger Bau mit gerader Decke, in drei Seiten des
Achtecks abschließendem Chor mit Kreuzgratgewölbe aus dem Ende des 18. Jhs. Von
alter Innenausstattung eine Kanzel in Rocaille, ein einfacher Beichtstuhl des gleichen Innenausstattung
Stiles, eine Holzstatue des h. Blasius und eine der Maria mit dem Jesuskind aus dem
18. Jh.
An der Außenwand der Kirche Ro c ai 1 1 tgi'a bst ein mit der originellen Inschrift: Grabstein
HIER LIEGT EIN GUTER HIRT IN MITE SEINER SCHAFEN
DER SICH IN STAUB VERSCHLUPFT DA ER IN GOTT ENTSCHLAFEN
DER ALLE STUNT BEREIT SEIN LEIB SEIN BLUT UND LEBEN
FIR SEINER SCHAEFLEIN WOHL GROSMÜTHIG HERZUGEBEN
DER GLEICHSAM NACH DEM DOD NOCH FIR DIE LEMER KRIGET
UND JETZ IN DISER KRUFT SICH BEI DER HERD VERGNIGET
DER FIR DIE BRUDERSCHAFT DER VIERZEHN HELFERN WACHTE
UND ENDLICH SELBSTEN SICH ZU EIM NOTHHELFER MACHTE
FRANZ JOSEPH SIBERT IST SEIN ANGEBOHRNER NÄHME
DEN ER MIT SICH GEBRACHT DA ER ZU WELDE KÄME
DIS IST DER MINSCHEN LOB HIERZU WOLST IHM NOCH GEBEN
O SCHEPFER ALER DING DAS IMER WAEHREND LEBEN.
Der Turm stammt in seinem Unterbau, mit Quadern an den Ecken, aus dem Turm
Mittelalter.
Vor der Kirche Sandsteinkruzifix von 1781. Sandsteinkruzifix
BOHLSBACH
Schreibweisen: Badelsbach in Mortenowa 96 1 ; villa Badelsbah 973 ; Balsbach 1273;
Boispach 1347, im Boltspacher banne 1469; Bolßbach 1475 etc. (Nach dem Personen-
namen Bodal.)
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 17 (1895), S. 48, und Ruppert, Mor-
tenau I, S. 471.
Ortsgeschichte : Schon sehr früh (961) erwähnt, gehörte der Ort zur Landvogtei Ortsgeschichte
Ortenau. Im 14. und 15. Jh. hatten d;e Geroldsecker hier Besitzungen, wir hören ver-
schiedentlich von Lehen, die sie erteilten. 1805 ging Bohlsbach von Österreich an
Baden über.
) FDA. NF. III, S. 308.
3°6
KREIS OFFENBURG.
Kath. Pfarrkirche
Gemälde
Kath. Pfarrkirche (ad S. Laurentium). Bohlsbach war nach Offenburg eingepfarrt:
die gemeinde von Boiesbach die in daz kirchspel zu OfTenburg hörent 1351. 1788 erhielt
Big. 17s ■ Ehemaliger Altarflügel in der Kirche in Bohlsbach.
es eine eigene Pfarrei. Die heutige Kirche ist ein Bau des 19. Jhs. Älter, aber ver-
ändert, der Turm. Bemerkenswert in ihr einige Gemälde. Vor allem vier Tafeln
im Chor, Flügel von einem einstigen größeren Altar, darstellend je zwei Heilige in
Tafct XI
Ehemaliges Flügelgemälde eines Altais in den Kirche zu Bohlsbach.
AMT OFFENBURG. — BOHLSBACH.
3°7
2/3 Lebensgröße, und zwar (mit Auf-
schrift auf den Nimben) die Heiligen
Eucharius und Nikolaus (Tafel XI),
Christopherus und Johannes der
Täufer, Maria Magdalena und Mar-
gareta (s. Fig. 175), Barbara und
Katharina. Die Gestalten stehen vor
ausgespannten Teppichen, darüber
Goldgrund und eingepreßtes Ranken-
werk. Kräftige, wirkungsvolle Ge-
stalten, etwa aus dem zweiten Jahr-
zehnt des 16. Jhs., die wieder einen
Beweis ablegen für die Tüchtigkeit
der oberrheinischen Malerei. Ge-
naueres läßt sich bei dem noch
gänzlich unerforschten Gebiet über
sie nicht aussagen. (Holz: 1,5 m
zu r m.) Die Bilder wurden 1867
gekauft aus Privatbesitz in Achern. *
Auf dem rechten Seitenaltar
steht jetzt die 80 cm hohe Holzstatue
des h. Laurentius (s. Fig. 176), ein
vorzügliches Werk vom Anfang des
16. Jhs. ; Fassung neu.
An der Nordwand der Kirche
eine Kopie nach dem h. Laurentius-
Bild in der Münchener Pinakothek,
dem Original ziemlich gleichzeitig;
gegenüber ebenfalls ein Ölgemälde
der gleichen Zeit : die Madonna mit
dem Kind, dem h. Alfons, erscheinend.
Wohl auch Kopie nach einem
(spanischen ?) Original, das mir un-
bekannt.
In der Kirche noch kleines
Holzkruzifix des 18. Jhs.
Eine Glocke ist von Matthäus
Edel 1725 gegossen.
Kirchengeräte: im Pfarrhaus
aufbewahrt ein spätgotischer Kelch, Fjg j?6 Hohsfatue des h_ Laurmtius in der Kirche
silbervergoldet, mit sechsblätterigem -n Bohlshach.
Fuß, auf dem einen Blatt eingraviertes
Kreuz, der Nodus getrieben, in Fischblasen ausgestaltet mit eingraviertem Ornament.
Im Fuß die Jahreszahl 1519, am inneren Rand des Kelches steht: GEHÖRT BOLS-
PACHER KIRCH. Der Kelch ist 19 1/2 cm hoch (ohne Goldschmiedezeichen). Außer-
Holzstatue
Glocke
Kirchen gerate
3°8
KREIS OFFENBURG.
Privuthaus
Marienstatue
Bildstock
Ortsgeschichte
Kath . Pfarrkirche
Kruzifix
Grabstein
Fachwerkhäuser
Kruzifix
dem noch eine spätgotische Monstranz, silbervergoldet, mit Fialen, Fischblasenornament
am Nodus aus Bleibach (Amt Waldkirch) stammend, ein einfacher Wettersegen und
ein gesticktes Meßgewand zu erwähnen.
Haus des Josef Link : einfacher Riegelbau mit hübschem Ziehbrunnen nebst Trog
von 1788.
Vor dem Ort: die in Rokokoweise stark bewegte Gestalt der Immaculata conceptio
auf dem üblichen Barocksockel mit Yoluten und Rocaillekartusche mit der Inschrift, laut
der »Lorentz Wirthle und dessen Ehe-Frau Elisabeth Dredterin in Bohlspach 1765«
das Bild gestiftet haben. Die Figur könnte von dem gleichen Meister sein, der die Arbeiten
im ehemals Bussiöreschen Garten in Offenburg geliefert hat.
An einem Feldweg zwischen Bohlsbach und Offenburg noch ein Bildstock von 1717.
BÜHL
Schreibweisen: Buhele 1242; Bühel 15. Jh. ; das dorfflin Puhl 1504; Bühl Grieß-
heimer gerichts in der landvogtey Ortenau gelegen 1662.
Ortsgeschichte: Schon im 1 4. Jh. Pfarrdorf, gehörte es zur Landvogtei Ortenau,
1805 ging es von Österreich an Baden über. Im 14. Jh. hatten die Cieroldsecker hier
Besitzungen, Edelknecht Reinbolt Suse sowie Rudolf von Mutzer und Hans Adolf Sachs
tragen Lehen von ihnen. — 1242 hören wir noch von einer tilia sita iuxta curiam
Müselini in villa B. Kolb spricht noch von einem ehemals adeligen Geschlecht
von Bank, dessen Nachkommen im Bauernstände leben; doch ist diese Notiz für mich
unkontrollierbar.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Petrum et Paulum). Das Patronat hatten im 14. Jh. der
Komthur (praeceptor) und die Brüder des Spitals Sancti Johannis Jherosolemitani zu dem
Grünenwerde in Straßburg, 1 390 inkorporierte ihnen Bischof Bonifaz auch die Pfarrei. ')
— Die heutige Kirche ist ein Bau vom Anfänge (?) des 19. Jhs. — Auf dem ehemaligen
Friedhof ein Kruzifix (Corpus Christi abgeschlagen) mit Maria auf Rocaillepostament
von I • 7 • 6 ■ 5 • und ein schlichter Grabstein von 1765.
Im Privatbesitz des Dekans Doos befanden sich bei meinem Besuch einige Alter-
tümer: ein schön gearbeitetes Elfenbeinkruzifix des 18. Jhs. ; zwei eingelegte Schränke
der gleichen Zeit; eine Kommode mit Aufsatz, in dem eine Uhr angebracht ist, deren
silbernes Zifferblatt getrieben die Evangelisten und die Taufe Christi zeigt, aus der Mitte
des 18. Jhs.; ein eingelegter Sekretär im Stil Louis XVI.; entsprechender Tisch; Stühle;
zwei Leuchter etc.
Im Ort einige Fachwerkhäuser, u. a. eins von 1708, die ehemalige »Krone«.
Am Weg von Bühl nach Griesheim ein Kruzifix mit Maria, Johannes und Magda-
lena auf dreigeteiltem Rocaillepostament, möglicherweise von dem in Offenburg tätigen
Bildhauer Speckle, mit folgenden Inschriften in Kapitale :
*) Ende des 17. Jhs. befand sich die Kirche in sehr verwahrlostem Zustand; selbst Kelche,
Missalien und Ciborium fehlten. Der riesenhafte, offenbar alte Taufstein (ingens moles fontis
baptesimalis) sollte damals durch einen bequemeren ersetzt werden. FDA. NF. III, S. 323.
AMT OFFENBURG. — DIERSBURG (BURG).
3°Q
AUFGERICHT VON ZWEI EHELEUTEN ANNO MDCCLXXI
ZU GOTTES UND MARIA EHR
STELLEN SIE ES HIERHER
ES IST IHR GRÖST VERLANGEN
VON GOTT IM HIMMEL GNAD ZU EMPFANGE!^*
Und:
MARIA TH EI LT MIT IHREM SOHN
DAS BITRE LEIDEN SPOT UND HOHN
CHRIST LIEBST DU IHREN SOHN VON HERZEN
NIMM WIE SIE ANTHEIL AN DEN SCHMERZEN.
Endlich :
JOHANNES HAT SICH NICHT GESCHEUT
BEI SEINES MEISTERS KREUZ ZU STEHEN
WEH DENNEN DIE VOM KREUZE WEIT
DEN ROSENWEEG DER SÜNDE GEHEN.
Darauf folgen an dem Weg auf hohen Sockeln, die in Voluten und Engelsköpfen endigen,
sechs Stationen, die derben Reliefs in Rocaillekartuschen, und zwar (von Griesheim aus-
gegangen) : Christus am Olberg, Christus an der Säule, Verspottung und Geißelung,
Christus vor Pilatus, Annagelung arw das Kreuz.
DIERSBURG
(nebst BURG)
Schreibweisen: Tiersperc 1257; Diersberg 1 259 ; Tiersberc 1 266 ; Tiersberg 1 291 ;
sloß Diersberg ze Mortenaw 1 390 ; Tyersbergk 1 396 ; Diersperg 1453 ; Tierspergertal 1466;
vogt und gemeinde des thals Thiersperg 1530.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 63 — 71, 80 — 84; Nr. 17
(1895), S. 47. — F. Röder von Diersburg: Mitteil, aus dem Freiherrn von Röder-
schen Archive über die Pfarreien Diersburg etc , FDA. XIV (1881), S. 225 — 236;
Notizen zur Gesch. der Herrschaft Tiersperg (1392 bis 1463), Freib. Zeitschr. V,
S. 327 — 343; Beiträge zur Gesch.: Hildebrands Vierteljahrsschrift für Heraldik XI
(1883), S. 145—180.
Literatur: Näher, Die Ortenau, S. 18. F. Röder v. D., Der Stein zu D., Freib.
Zeitschr. IV, S. 273- 286. Ruppert, Mortenau I, S. 23 — 32 und S. 456 — 460.
H. Schreiber, Hohenrod, Rodeck, Thiersberg, Sagen und Geschichte. Schönhut,
Burgen II, S. 109 — 130.
Ortsgeschichte : Das Dorf ist wohl aus Ansiedelungen unter dem Schutze der Ortsgeschichie
Burg entstanden. Diese ist ein Bau des gleichnamigen Dynastengeschlechtes, das nach
allem ein Zweig der Geroldsecker gewesen ist.1) Zum erstenmal hören wir von einem
Waltherus de Tirsperg 1197, der als erster Zeuge einer Schenkung des Markgrafen von
Baden an das Kloster Selz auftritt und 1207 noch lebt. Möglich, daß er ein Sohn
Burkards und Bruder Wolfgangs, des vermutlichen Stifters der Geroldseck-Lahrer Linie,
') Ruppert a. a. O. — K i n d 1 e r von Knobloch, Oberbad. Geschlechterbuch I,
S. 224 — 226.
KREIS OFFENBURG.
3 1 o
gewesen ist. Dieser Walterl hatte zwei Söhne, die 1224 in einer Angelegenheit des
Klosters Schwarzach als Zeugen auftraten, Heinrich (I) und Walter, welch letzterer kinderlos
starb. Heinrich erhielt 1235 die Kastvogtei des Klosters Schlittern; er fiel zusammen
mit seinem gleichnamigen Sohne (Heinrich II) 1 262 in der Schlacht bei Hausbergen,
die wie für den Hauptstamm so wohl auch für die Tiersberger das Ende ihrer gegen
Ende des 12. und im Anfänge des 13. Jhs. großen Machtstellung bedeutete. Vater und
Sohn wurden zunächst in Dorlisheim bei Molsheim begraben, nach einiger Zeit alter
wurden ihre Leichen in der Familiengruft der Tiersberger, im Kloster Schlittern, bei-
gesetzt. Mit der Zerstörung des alten romanischen Kirchenbaues durch die Franzosen
sind auch die Spuren dieses Begräbnisses verschwunden. Da die zwei anderen Söhne
Heinrichs I, Berthold und Hermann, Geistliche waren, der Sohn Heinrichs II und der
Heilika von Lichtenberg, Ludwig, aber, der 1278 einen Hof in Friesenheim an das
Kloster Schlittern vergabte, kinderlos starb und mit ihm das Geschlecht zu Ende ging,
so kamen die Allodialgüter an die Tochter Heinrichs II, Heilika, die mit einem Wilhelm
von Schwarzenberg verheiratet war. Die Herrschaft, deren Mittelpunkt die Diersburg
gewesen, zerfiel ; einiges kam wohl wieder an den Hauptstamm der Geroldsecker zurück,
doch wissen wir darüber ebensowenig Bestimmtes wie über die Ausdehnung der
Herrschaft.
Unter den Allodialgütern, die an die Schwarzenberg kamen, waren Schloß und
Dorf Tiersberg, Burgheim mit dem Kirchensatz und Güter zu Oberweier und Friesenheim,
Regelhofen, Reichenbach, Gereut sowie der Zehnt zu Schutterwald und Hofweier.1)
Aber das ehemals stolze Dynastengeschlecht war schon arg heruntergekommen und
mußte immer mehr von seinen Gütern verkaufen. Durch Erbschaft besaß um 1390
Boemund von Ettendorf und Herr zu Hohenfels drei Viertel der Burg. In diesem Jahre
verschrieb er dem Pfalzgrafen Rupprecht »sein sloß Diersberg ze Mortenaw zu offenem
Hause. Doch kann dies Verhältnis nicht lange gedauert haben, denn schon 1393 ver-
pfändete Boemund einen feil seiner Feste an den Markgrafen Bernhard von Baden und
1396 einen weiteren Teil an denselben. Immerhin müssen die Schwarzenberg noch einen
Teil besessen haben, denn im gleichen Jahre verkaufte Ulrich von Schwarzenberg seinen
Anteil ebenfalls an den Markgrafen, während Susa von Staufenberg geb. Schwarzenberg
und ihr Gemahl Hans ihren Anteil den Brüdern Burkhard und Wilhelm Hummel von
Staufenberg, ihren Mitbesitzern an der gleichnamigen Burg, verkauften. Der Markgraf
von Baden übergab 1396 Georg von Bach amtsweise seinen Anteil und derselbe schließt
im Namen des Markgrafen und mit Boemund einen Burgfrieden ab. 1397 aber verkaufte
er seine Ansprüche an die Burg, mit Ausnahme des Burgfriedensbriefes, um dieselbe
Summe, um die er sie von Boemund gekauft hatte (?), um 500 fl., an den Markgrafen.
(1413 endlich übergab auch die Witwe Boemunds, Schanat von Ettendorf, diesem alle
Briefe, die ihr verstorbener Gemahl besaß.) Die Hummel von Staufenberg aber waren
noch im Mitbesitz, 1423 teilen die Vettern Hans und Burkhard Hummel ihren Anteil.2)
Aus diesem Vertrag ergibt sich, wie eng ihre beiden Familien auf dem gemeinsamen Anteil
zusammenwohnten. Der Markgraf belehnte 1428, aber nur auf Lebenszeit, die Edel-
knechte Heinrich Leimer, Hans von Miilnheim und Seifried Pfau von Ritpur mit je einem
*) Huppert a. a. O. S. 28.
-) Yergl. zu obiger Darstellung Regesten der Markgrafen 1606, 1675, 1676, 1677, 1691, 1759
und 2786.
AMT OFFENBURG. — DIERSBURG (BURG).
3 1 1
Viertel. Burkhard Hummel d. J. verkauft 1438, nachdem er sein Schloß zu Hofweiler
gebaut hatte, seinen Anteil um 1200 fl. an den Markgrafen Jakob, der bald nachher
auch den letzten Rest von Hans Hummel und seinen Kindern Adam und Else erwarb. *)
Damit war die genannte Burg im Besitz des Markgrafen, und na^jdem die 1428 belehnten
Edelknechte offenbar gestorben waren, verpfändet Markgraf Karl 1455 dem Andres Röder,
seinem Amtmann zu Lahr, das Schloß um 1600 fl. Dieser verpflichtet sich aber, daran
200 fl. zu verbauen. 1463 endlich belehnt Markgraf Karl Andres und Egenolff Röder
mit dem ganzen Schloß nebst allem Zubehör (das Dorf etc.) und den Kirchensätzen zu
Hofweier und Oberweier, 1476 wird das Lehen von Markgraf Christoph erneuert; die
Röder blieben von nun an im Besitz und nannten sich danach, 1488 hören wir von Hans
und Ludwig Rödere von Tiersperg. Ihr Geschlecht besteht noch heute und ihm gehört
die Grundherrschaft, während das Dorf, bis 1806 zur Ortenauer Ritterschaft gehörig,
badisch wurde.
Mit ihnen ist nicht identisch ein geroldseckisches Dienstmannengeschlecht, das
sich ebenfalls nach der Burg de Tiersberg nannte. 1227 erscheint der erste als Heinrich
von Tiersperg. Mit dem Aussterben der Dynasten verloren wohl auch sie ihren Sitz
auf der Burg, hatten verschiedene andere geroldseckische und auch badische Lehen
inne. Auch sollen sie im unteren'Teile des Diersburger Tales, im sogen. Regelhöfle,
noch ein kleines Wasserschloß besessen haben.* 2) Sie starben in verschiedenen Branchen
im 15. und 16. Jh. aus, der letzte soll angeblich, gänzlich verarmt, im Wirtshause zu
Oberschopfheim, wo er gewöhnlich wohnte, gestorben sein. In ihren besseren Zeiten
waren sie mit den Röder, den Schauenburg, den Brandeck, den Besserer von Ravens-
burg verschwägert.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Carolum Borromaeum). Ursprünglich war Diersburg Kath. Pfarrkirche
nach Oberschopfheim eingepfarrt. Den Burgbewohnern und den Dorfleuten aber wurde
in der Burgkapelle die Messe gelesen, wozu 1471 Bischof Rupprecht von Straßburg die
Erlaubnis erteilte. Seit dem 18. Jh. scheint eine eigene Pfarrei zu bestehen; die heutige
Kirche aber stammt aus dem 1 9. Jh. und bewahrt auch keine älteren Gegenstände auf.
BURG
Aus der oben dargelegten Geschichte des Geschlechtes und der Herrschaft läßt
sich für die Baugeschichte der Burg nur erkennen, daß die wahrscheinliche Erbauungs-
zeit für dieselbe das 12. Jh. oder die erste Hälfte des 13. Jhs. ist, als die geroldseck-
tierspergische Macht auf ihrem Höhepunkt stand. Von urkundlichem Material kommt
für den Bau in Betracht der Teilungsbrief zwischen Hans und Burkard Hummel von
1423, aus dem wir manches über die damalige Anlage erfahren, dann die Nachricht
von einer Schloßkapelle aus dem J. 1471, wonach dieselbe damals erst erbaut worden
zu sein scheint, und endlich eine von dem Straßburger Notar und Bürger Michael Beringer
am 22. April 16 11 ausgestellte Urkunde betreffend die Inventur der Verlassenschaft des
Nikolaus Röder von Tiersberg, welcher Stadtmeister zu Straßburg war und als Senior
*) Vergl. Regesten der Markgrafen 5714 und 6157.
2) Ruppert a. a. O. S. 460.
2 1
Band VII.
3*2
KREIS OFFENBURG.
des Geschlechtes auf dem Diersburger Schlosse zu hausen pflegte, wo er am 9. Februar 1 6 1 1
auch verstarb. *)
Werfen wir zunächst einen Blick auf den Grundriß (s. Fig. 177):
Die Wasserscheide zwischen dem Kinzig- und Schuttertal, in ihren höchsten
Erhebungen der Schönberg, auf welchem die Hohengeroldseck liegt, der Rauhkasten
und der Steinfirst genannt, umschließt in ihren Ausläufern nach Westen zu ein kleines,
von einem munteren Bach durchströmtes Tal, das sich bei Niederschopfheim in die
Rheinebene öffnet. In dem oberen 'Feile dieses Tales auf einem mäßigen Hügel, der
von dem hinteren Berge durch einen künstlich zum Halsgraben vertieften Einschnitt
geschieden ist, liegt die Ruine. Das Plateau des Hügels ist etwas über 50 m lang und
ca. 20 m breit. Diese Form bestimmte die längliche Anlage. Die Hauptburg selbst,
48 m lang und durchschnittlich 15 m breit, ist, wie die Hohengeroldseck, von einer
Fig. 777. Plan der Ruine Diersburg.
ziemlich gleichmäßig etwa 2,7 m starken Mauer umzogen, die zugleich als Außenmauer
für die Gebäude benutzt ist. Im westlichen Teil des inneren Berings erhob sich der
in den Urkunden »das alte Haus« genannte Palas A, im östlichen der sogen. Neubau
des Palas C. Auch in diesen auf die Baugeschichte deutenden Namen ist die Ähnlich-
keit mit der Hohengeroldseck evident, wie auch in dem Grundriß der Palase, einem
unregelmäßigen Viereck, und dem dazwischenliegenden Hof B. Wir werden gewisse
Analogien damit auch in der ebenfalls den Geroldseckern gehörigen Burg bei Schenken-
zell wiederfinden. Die beiden Palase hatten einen an der Westseite von A noch in
ctp 4 m Höhe erhaltenen, auch an der Nordseite von C in gleicher Höhe sichtbaren
Sockel von Sandsteinbossenquadern (s. Fig. 1 7 8), 2) die, vorzüglich behauen, mit sauberem
Randschlag, wieder an die Hohengeroldseck erinnern. Ihre Behandlung ist aber an
beiden Palasen eine verschiedene. Bei C sind die Steine bedeutend kleiner, die Bossen
*) F. Röder v. D., Freib. Zeitschr. IV, S. n.
2) Die Sandsteine wohl aus den Lahrer Brüchen.
AMT OFFENBURG. — DIERSBURG (BURG)
313
schwächer und der Saumschlag nicht von der sauberen Arbeit wie bei A. In der Mauer
des Hofes B fehlen sie ganz ; dieselben sind, wie auch die Hochmauern der Palase aus
ziemlich regelmäßigen Bruchsteinen (teilweise Granit!) aufgefüta*. Einen Bergfried und
eine eigentliche Schildmauer besaß die Burg ebensowenig wie die Hohengeroldseck. Im
Hofe B findet sich der Brunnen, dessen runder Schacht bei seiner Öffnung sechseckig
ummauert ist. Ein schmaler Zwinger F umgibt die innere Burg an der Nord-, West-
und Südseite; an der Ostseite sind die Mauern des Palases und des Zwingers zerstört,
die Steine wurden nach der Angabe F. Röders von Diersburg bei dem Kirchenbaue
in Hofweier 1761 bis 1764 verwendet. An seiner Nordostecke hat dieser Zwinger eine
viereckige Erweiterung, welche auf einen Turm zu deuten und wieder an eine ähnliche
Anlage auf der Schwesterburg zu erinnern scheint. Die größtenteils zerstörte äußere
Zwingermauer führt um die
Südseite herum bis zu den
Resten, wie es scheint, eines
halbrunden Turmes (Mauern
nur 30 cm stark und schlecht).
Nach Analogie der Hohen-
geroldseck möchte man ge-
neigt sein, sich hier — durch
den Turm — den Eingang in
die Burg zu denken , der
dann allerdings direkt in den
Palas C geführt hätte, Näher
hat auch hier eine Türe ver-
zeichnet. Heute sind die An-
haltspunkte dafür, wenn sie
je vorhanden waren, ver-
schwunden. Der doppelte Ein-
gang ließe sich, wie wir
unten sehen werden, erklären.
Da kein Raum war, diesen Zwinger zu einer unteren Burg auszugestalten und hier
die Nebengebäude unterzubringen, so wurden diese auf dem östlichen niederen Hügel
angelegt und natürlich auch durch Mauern geschützt, die sich möglicherweise bis zum
heutigen von Röderschen Hof erstreckten. Es entstand somit eine Vorburg, durch welche
der Burgweg hindurchging. Er führte dann auf einer Brücke — deren Pfeilerreste
früher noch sichtbar gewesen sein sollen — über den Halsgraben in den Torturm bezw.
Bau E. In den Mauerresten (Mauerdicke ca. 60 cm) desselben ist nach Süden zu eine
Schießscharte, nach Norden eine Türöffnung erhalten Eine Rundbogentür — ihre
Bossenquaderumrahmung teilweise glatt gehauen — öffnet sich auf den von Mauern
umschlossenen weiteren Weg, der endlich in einem Tor — Spuren im Terrain noch
sichtbar — in den Zwinger führte.
Etwa in der Mitte der nördlichen Zwingermauer führte eine Mauer in das Tal
hinunter, wo heute an der Straße noch Reste zu erkennen sind. Uber der Straße drüben
sollen die Reste eines Mauervierecks ehemals zu sehen gewesen sein, sodaß also die
Straße gesperrt war.
Fig. 178. Sockel von Bo sse?iq uadern an der Ruine Diersburg.
21
3 1 4
KREIS OFFENBURG.
Ob die westlich vor der Burg, etwas niederer gelegene, ovale Abplattung des Hügels
künstlich ist und — wie man früher glaubte — eine Vorbefestigung trug, vermag ich
nicht zu entscheiden.
Kehren wir zu den Bauten der Hauptburg zurück. Man betrat sie von Norden
her durch ein i,6o m breites und 2,30 m hohes Tor, dessen Gewände und Rundbogen
von kräftigen, im Bogen keilförmigen Bossenquadern gebildet werden (s. Fig. 179). Die
Schwelle des Tors liegt auch heute noch 1,90 m über dem Boden, der doch seit dem
Mittelalter eher eine Erhöhung erfahren hat. Zu beiden Seiten in der Scheitelhöhe je
eine Konsole. Ich glaube hier nicht an einen Gang, es scheint mir eher, als ob diese
zum Auflager für ein Schutzdach gedient haben. Möglich, daß das Tor früher viel höher
über dem Boden lag, daß vor ihm eine eben mit diesem Dach geschützte Altane oder
besser Podest angebracht war, den man
vom Zwinger aus auf einer Holztreppe oder
Brettern erreichte. (Wie am Bernhardsbau
in Baden.) Dieser ganze hölzerne Vorbau
mag dann in Kriegszeiten abgebrochen
worden sein und man hatte sich dann des
vermuteten südlichen Tores bedient. — Im
Burghof stehen wir vor der nur noch in
wenige Meter hohen Resten erhaltenen
Ostmauer des Palas A. Wir erkennen eine
Tür, von der aus Stufen in das niederer
gelegene Erdgeschoß des Palas, wohl den
Keller, hinabführen. Daneben eine gerad-
sturzige Fensteröffnung. Von den Mauern
des Palas stehen die südliche und westliche
noch in mehrerer Stockwerke-Höhe. Man
erkennt die Absätze der Stockwerke : und
zwar außer dem Kellergeschoß von dreien. Das zunächst unterste hat in der Westwand
eine Schießscharte, der nicht näher beizukommen ist, das zweite Stockwerk ein gerad-
sturziges Fenster, dessen Gewände aus glattbehauenen, nicht weiter profilierten Sandstein-
quadern bestehen. Das dritte Geschoß endlich zeigt in der Mitte der Westmauer ein
gekuppeltes Rundbogenfenster, nach der Südwestecke zu ein kleines, einfaches gerad-
sturziges Fenster, in der Südwand die Nischenanfänge, die Sohlbank eines zweiten
gekuppelten Rundbogenfensters und endlich ein noch aufrechtstehendes, durch Auf-
mauerung und Eisenstangen gehaltenes drittes (s. Fig. 180). Diese Fenster, von
sauberster Steinmetzenarbeit, haben abgeschrägtes Gewände mit den Löchern für den
Verschluß der Fensterläden. Der Rundbogen ist nur als Blendbogen in der Steinplatte
ausgehauen. Es sei auch noch auf die kreisrunde Öffnung über den gekuppelten Fenstern
aufmerksam gemacht. Hier auch zweimal das Steinmetzzeichen: So sehr häufig
nun diese Fensterform auch ist, so wird man es doch wohl kaum als einen Zufall
bezeichnen, daß sie sich genau so an einem weiteren geroldseckischen Bau, an der Tief-
burg in Lahr, wiederfindet. Dieses Geschoß hat also den großen Prunksaal enthalten. —
An der West- und Südwand des Baues ist hier oben innen die Mauer um etwa 1 m
Fig. ijq. Haupttor der Ruine Diers/mrg.
AMT OFFENBURG. — DIERSBURG (BURG).
31 5
geschwächt; somit entsteht hier ein Gang, der sich nicht, wie Näher behauptet, auf der
Mauer des Hofes fortsetzt. Uber den sogen. Neubau läßt sich, da nur noch geringe
Mauerreste erhalten sind, nur aus dem obengenannten Inventar etwas entnehmen, das
auch über die Einteilung des alten Baues Anhaltspunkte gibt. Danach führte in dem Alt-
bau eine Wendeltreppe A in die oberen Räume, welche in die dicke Mauer der west-
lichen Ecke eingebaut war. »Westlich« kann hier nur vom Hof aus genommen sein,
wir werden uns danach einen Treppenturm in der Art der Hohengeroldseck vorzustellen
haben, dessen Steine in das Mauergefüge eingriffen. Der Palas enthielt einen Balken-
keller (d. h. also nicht gewölbten) und die Gefängnisse, dann im unteren Stocke mehrere
Räumlichkeiten, im zweiten Stocke eine große Stube mit einem »Kontörlein« und
eine Stubenkammer, im
dritten Stocke eine große
Stube und eine Knechts-
kammer. Es ist dies
das Stockwerk, dessen
gekuppelte Rundbogen-
fenster noch zum Teil
erhalten sind. Es um-
schloß, wie das dritte
Stockwerk auf der
Hohengeroldseck eben-
falls, offenbar den Prunk-
saal, für den, wenn
wir 8 — io qm für die
Knechtskammer u. a. ab-
rechnen, ca.8o qm tibrig-
blieben. Im obersten
oder vierten Stocke be-
fanden sich wie auf der
Schwesterburg wieder mehrere Stuben, nämlich die Jungfernkammer und noch sechs
fernere Kammern für Gäste, Mägde und zu anderem Gebrauche. Im sogen. Neubau,
also dem Palas C, »befanden sich im unteren Stocke wieder eine große Stube mit einem
Kontörlein und einer Kammer, wie im zweiten Stocke eine kleine Stube und zwei Stuben-
kammern«; weiter ist hier nichts angegeben, doch dürfen wir wohl mehr Stockwerke
annehmen. In der Nordwand sind die Spuren einer ca. 1,40 m breiten Fensternische
erhalten. In beiden Hauptgebäuden war je eine Küche; auch ist in älteren Urkunden
die Rede von einem »Speißgaden«, einer »Pisterie« und einer »Badstubenkemenat«.
Im Torturm E befand sich unten ein Stübchen für den Turmwart, im oberen
Stocke die Schloßkapelle, die, wie es scheint, erst 1471 gestiftet wurde. Unter der
Südseite der Burg lag der Fischweiher.
Wenn nun auch im Laufe der Jahrhunderte manche innere Umbauten stattgefunden
haben mögen, so ist die Einrichtung der beiden Palase in ihrer Entstehungszeit doch
kaum eine viel andere gewesen, wie die noch aus derselben erhaltenen Mauern des
Palas A beweisen. Nach der Gestaltung der Rundbogenfenster — die Quadertechnik
beweist nichts — und ihrem Profil müßten wir den Bau in die Zeit des spätromanischen
Fig. 1S0. Fenster von der Ruine Diersburg.
3 1 6
KREIS OFFENBURG.
oder Ubergangsstiles setzen, sagen wir in die Jahre 1220 bis 1260. Der Neubau C ist
doch wohl noch unter den Tiersbergern entstanden zu denken. Da nun der terminus
ante quem die Burg wenigstens zum größten Teile entstanden sein muß, die Schlacht
bei Hausbergen ist, in der 1262 die Macht der Geroldsecker gebrochen wurde
nachher wird höchstens Begonnenes vollendet worden sein — , und da nach 1279
der letzte Tiersberger nicht mehr genannt wird, so haben wir uns die Baugeschichte
etwa so zu denken : Etwa zur gleichen Zeit wie die Tiefburg in Lahr, also zwischen
1230 und 1250, wurde der Umbau einer älteren Anlage (des 12. oder 11. Jhs.), von der
keine Spur mehr erhalten, begonnen, die Mauer des gesamten inneren Berings und der
Palas A hochgeführt. In rascher Folge schritt das mächtige, aufblühende Geschlecht
auch zum Bau des Palas C und der unerläßlichen Zwingeranlage F. Diese Bauten
wurden vielleicht durch die Schlacht unterbrochen und erst später fortgeführt. Ob der
Torturm E mit dem Gange aus der gleichen Zeit stammt, können wir heute nicht mehr
feststellen. Etwas Ähnliches aber muß dagewesen sein. Erst nach dieser Burg hat wohl
derselbe Baumeister nach demselben Plan, mit Anpassung an den größeren Platz, den
Neubau der Hohengeroldseck errichtet, der fortgeschrittenere Formen zeigt. — Mit
Ausnahme des späteren Torturmes haben die späteren Jahrhunderte dem Bilde nichts
zugefügt. Nicht zu vergleichen mit den größeren Residenzen der Hauptlinie, ist die
Burg für die Nebenlinie doch ein geräumiger und stattlicher Sitz gewesen, der erst
später, als mehrere Ganerben hier saßen, für das von ihm umschlossene Leben etwas
eng geworden sein mag.
DURBACH
(Talgemeinde, bestehend aus den Stäben Heimburg, Bottenau und Gebirg, Durbach Tal
mit Amtshof, Gral, Lindenplatz und Steingasse etc.)
Ortsgeschichte
Vorgeschicht-
liches
Schreibweisen: Turbach 1289; in dem Durbach 1399; im Thurbach 1515; zu
Turbach wiler 1328; zu VViler in dem Turbach 1360; Wyler in dem Turbach 1482 etc.;
der Grol 1381; das hiisz genant der Gräl, daz da lit im Turbach 1423; der Grale in
Turbach 1434; zu der Lynden 1475; uff der mülen zue Durrenbach wiler 1328; uf
der mül zu Turbach wiler 1378 etc.; der hof zu Stauffenberg der hinder Büchelberg
im Turbach gelegen 1580. (Zu ahd. durri == dürr, bezeichnet einen Bach mit zeitweilig
geringem Wasserstand.)
Ortsgeschichte : Im Mittelalter offenbar nur aus zerstreuten Höfen bestehend, als
Ort von keiner großen Bedeutung, gehörte Durbach zu der Landvogtei Ortenau; Be-
sitzungen hatten hier die Grafen von Freiburg und von Eberstein, wohl aus der
zähringischen Erbschaft, sowie die Herren von Geroldseck. Die Güter und Rebberge
zu Ttirrenbach sind seit dem 13. Jh. Lehen der Staufenberg von diesen drei Geschlechtern.
Sicher ist, daß um 1400 Durbach von den Ebersteinern an Baden kam; jedenfalls war
es später als Teil der Herrschaft Staufenberg baden-badisch. Die Herrschaft trug zuletzt
Freiherr von Orscelar zu Lehen, worauf sie an den Lehensherrn zurückfiel. Das Schlößchen
Gral oder Grol war seit 1400 badisches Lehen der Zorn von Bulach. — Im 18. Jh.
grub man in Durbach Eisenerz.
Vorgeschichtliches : Auf dem Stollenberg befinden sich zwei Ring wälle (in
deren Mitte das ehemalige Schloß Stollenberg gestanden haben soll); sie sind in einem
AMT OFFENBURG. — DURBACH.
317
Umkreis von ca. 450 m aufgeführt und bestehen aus mit Erde gedecktem, unbehauenem
rohen Mörtelmauerwerk. Zeit ihrer Entstehung unbekannt vielleicht frühes Mittel-
alter? (W.J
Kath. Pfarrkirche (ad S. Henricum Imper.). In früheren Zeiten ist nichts von Kath. Pfarrkirche
einer Kirche bekannt. Dagegen ist die Schloßkapelle 1655 zur Pfarrkirche erhoben
worden auf Betreiben des Barons von Orscelar; sie ist später nach Durbach verlegt
worden. Die heutige Kirche ist ein Bau des ausgehenden 18. Jhs., einschiffig, mit
gerader Decke, der Chor in drei Seiten des Achtecks geschlossen, in ganz schlichter
Ausführung. Am Äußeren sind die Ecken durch Pilaster betont, eine große Freitreppe
führt empor zu dem Eingang von außen auf die Empore, hier die Jahreszahl 1790.
Innenausstattung: Hochaltar neu; Seitenaltäre im üblichen Barockaufbau; Kanzel Innenausstattung
in einfachem Louis XVI.- Stil.
Neben der Kanzel eingemauert Grabstein des Freiherrn Wilhelm Hermann Grabstein
von Orscelar (gest. 18. Juni 1666). Oben das Wappen (s. Einleitung), der Tod und ein
Engel halten darunter ein Tuch mit der Aufschrift:
Stupes Viator mortuale Schema:
Hoc saxo in anno si Stemmatis Serie
Postremum me condit Libitina •
Esse inter uiuos coepi A° MIC ■ XXVIII:
Desij Ano MDCLXVI- II XX Junij
Nascenti Parentes Nomen dedere •
G VILIELMO EERMNNO:
Natales Liberü ■ Barone ab Orscelar
de Stauffenberg msignierunt
Dignitas Ser"n Principis ac Domini
Dm GVILIELMO Marchionis Bades
Camerarium fecit
Ut Collo nascere caelebs uixi:
Mortalitatis uino crebras experto uices
Illustri morte finitus Dornum
Durbacesi fundaui P ARO CHI A
Huic ossa anima Coelo credidi
Cui pro Inferijs si miseris bene
precare et abi fors breui secu :
turus.
An den Wänden des Chors hängen zwei Ölgemälde : eine Kreuzigung (18. Jh.) Ölgemälde
und eine h. Familie, Elisabeth mit dem Kind auf dem Schoß, der kleine Johannes kommt
hinzu, dahinter Maria; interessantes Werk unter venetianischem Einfluß vom Ende des
16. Jhs.
Kirchengeräte: Kelch, silbervergoldet, getrieben, mit Rocailleornament, Augsburger Küchengeräte
Zeichen und IGS(?); ein zweiter ähnlicher mit dem gleichen Zeichen und S; eine ein-
fache, im 19. Jh. erneuerte Sonnenmonstranz ; Weihrauchschiffchen des 18. Jhs. ; einige
gewirkte und gestickte Kirchengewänder des 18. Jhs.
Vor der Kirche nach früheren Angaben ein Kruzifix von 1780, heute nur ein
solches von 1852.
KREIS OFFENBURG.
Piivathäuser
Kruzifix
Geschichtliches
318
Bemerkenswerte Privathäuser: Haus des Münchner Kunstmalers Huber, Riegel-
bau ; die Herrenmühle, gegenüber der Linde, ehemals Allerheiligen gehörig (s. oben).
Uber dem Kellertor steht:
17 F • I • (Kelch) VA 8 9
darüber an der Fassade eingemauert das Wappen von Staufenberg 1588 (dreifaches
Wappen) ; die Jahreszahl 1771 an einem Haus gegen Staufenberg zu.
Ein Kruzifix von 1759 bei Eyersbach, ein reicheres von 1789 mit dreigeteiltem
Postament, mit Maria, Johannes und Magdalena. Überlange, verwitterte Gestalten.
BURG STAUFENBERG
Schreibweisen: Stoufifenberg ca. 1070 bis 1092; Stoufenberc 1120 bis 1150;
Stoufenberg ca. ir5o; Stöffenberg 14. Jh.; Sthüffenberg 1308; Stophenberg 1318;
Stauffenberg 142t; Stouffemberg 1441 etc.; die bürg zu Stöffemberg r33o; zu Stauffen-
berg in der vesty 1435.
Literatur: K. Asbrand, Badenia NF.I(i859), S. 340 — 425. (Eckert), Temringer
Peter oder die Sage vom Schloß Staufenberg 1863. Fickler, Schloß Staufenberg, in
Schönhut, Burgen etc. I, S. 96 — 107. Th. Müller, Beiträge zur Geschichte der
Ortenau: I. Graf Burkhard von Staufenberg und die Grafen der Ortenau, Z. NF. 8 (1893),
S. 419 — 435. K. Schorbach, Jüngere Drucke des Ritters von Staufenberg, Ztschr. für
deutsches Altertum, Band 40 (1895), S. 123 — 126. Edward Schröder, Zwei altdeutsche
Rittermären: Moriz von Craon und Peter von Staufenberg, Berlin 1894, vgl. Z. NF. 9,
S. 336. Revue critique 39, S. 452. Göttinger gelehrte Anzeigen Nr. 5 (Mai 1895),
S. 405 — 416). Litter. Centralblatt Nr. 16.
Geschichtliches: Die Fabeln, die man, wie früher üblich, über den römischen
Ursprung der Burg erfunden hat, brauche ich hier nicht zu widerlegen, noch weniger
die Kombinationen über die Beziehungen derselben zu dem Ringwall auf dem Stollen-
berge. Man mag das Alles in dem sehr anmutenden Aufsatze Asbrands nachlesen.
Jedenfalls schon früh knüpfte sich an die Burg die schöne Sage von jener Fee, die in treuer
I.iebe mit einem Ritter Peter von Stauffenberg verbunden war: »Petermann der Diemringer, ein
degen uzerkorn, von Stoufenberg was er geborn, daz liet in Mortenouwe«. Er hatte ihr geschworen,
kein ander Weib zu nehmen, und er bleibt ihr treu, bis der König ihn überredet, seine Nichte, die
Herzogin von Kärnten, zu heiraten. Beim Hochzeitsmahle erscheint, wie die Fee als Zeichen an-
gekündigt, ihr weißer Fuß durch die Decke des Saales :
Ein Frauenfuß sich sehen ließ
Im Saale bloß bis an das Knie,
Und schöner ward auf Erden nie
Noch lieblicher ein Fuß gesehen
und drei Tage später war der Ritter tot. Der Dichter des Liedes war selbst ein Staufenberger,
Egenolf, der 1273 schon vorkommt und 1324 stirbt und offenbar als Vorbild Konrad von Würzburg
hatte. Die Dichtung ist früh gedruckt worden, in, wie es scheint, mehreren Inkunabeln, 1588 hat
sogar Johannes Fischart sie auf Wunsch des Junkers Melchior Wiedergrün von Stauffenberg um-
gearbeitet, aus dem 19. Jh. existieren drei Ausgaben. Den Helden der Dichtung genauer zu
bestimmen, ist bis jetzt nicht gelungen. Auch über den Zusammenhang der Familien Diemeringen
(Elsaß) und St. konnte nichts festgestellt werden. Ein Peter von St. erscheint 1274; es scheint
mir aber gänzlich ausgeschlossen, daß die Sage an einen Zeitgenossen des Dichters anknüpfte, wohl
eher an einen weit älteren Vorfahr des gleichen Namens. — Später — schon im 15. oder 16. Jh. —
scheint dann eine Verwechslung mit der Melusinensage eingetreten zu sein, und schließlich wurde
Staufenberg und die angebliche Burg auf dem Stollenberg als die Heimat der Melusine bezeichnet.
AMT OFFENBURG. - DURBACH. (BURG STAUFENBERG.) 319
Historisch erscheint zum erstenmal ein Burckardus cdftaes de Stouffenberg 1070
bis 1092, der nach der Notitia fundationis Monasterii S. Georgii 1092 starb, dort »comes
de Castro Stoupha« genannt. Nur er hieß Graf, sein Bruder Bertholdus wird als »ingenuus
homo« bezeichnet. Neben ihm erscheinen noch seine Brüder Anselm und Adalbert
sowie der Sohn des Anselm Hermann und »quidam militaris homo, libertate nobilis,
Heinricus nomine de Stouphenberg«, der 1132 Mönch von S. Georgen wird und dem
Kloster stattliche Güter mitbringt. Des letzteren Zusammenhang mit den früher Genannten
ist eben den Gütern nach höchst wahrscheinlich, ’) ihr Sitz muß dieses Staufenberg
gewesen sein. Es bildet so recht den Mittelpunkt der Besitzungen, die in der Ortenau,
im Ufgau, im Breisgau und in der Baar lagen. Die Versuche, die Familie in eines der
bekannten Grafengeschlechter einzureihen, sind bis jetzt mißlungen. Es scheint auch,
daß die Mitglieder zwar zu den Edelfreien gehörten, daß aber nur jener eine Burckart
durch zeitweilige Bekleidung eines Grafenamtes zu höherem Range emporgestiegen ist.
Der Gau, in dem er die Grafschaft innehatte, kann kaum ein anderer gewesen sein als
«
die Ortenau. Hier könnte er der Nachfolger der Crrafen Wernhart und Lintfried gewesen
sein, mit denen seine Familie möglicherweise verschwägert war. Als Graf der Ortenau
stand er nun vielleicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Zähringern, auch Sonstiges
weist darauf, daß dies edelfreie Geschlecht ihnen nahestand. Möglich, daß sie über-
haupt die Burg nur als zähringisches Lehen besaßen und daß diese nach dem Eintritt
des letzten der Familie, Heinrichs, in das Kloster eines ihrer Ministerialengeschlechter
auf die an sie zurückgefallene Burg setzten.
Eine Verwandtschaft dieses jüngeren Geschlechtes von Staufenberg mit dem älteren
scheint nicht unmöglich, aber auch nicht sicher nachzuweisen. Sollte sie bestanden
haben, so wäre also das Geschlecht um die Mitte des 12. Jhs. aus dem Herrenstand in
die Ministerialität übergetreten. (?) Zum erstenmal erscheint 1148 »de domo ducis (de
Zaringen) Adalbertus et frater eius Gönradus de Stoufinberc« und in ebensolcher Ver-
bindung im gleichen Jahre Burckart. Das Geschlecht setzt sich dann fort bis in das
1 4. Jh. Ihm gehört auch der obengenannte Dichter an. Mit Wylhelm von Stauffenberg
zwischen 1374 und 1376 scheint es auszusterben.
Die Burg mit Zubehör kam von den Zähringern über die Grafen von Freiburg an
die Eberstein, 1366 an die Markgrafen von Baden, von denen sie die auf Staufenberg
sitzenden Geschlechter zu Lehen hatten. Seit dem 13. Jh. treten immer neue
Geschlechter in der Burg auf; so kurze Zeit die Röder: Albrecht Ruder von St. 1311.
1270 treten die Kolb von St. auf mit Ülricus miles dictus Colbo, die Anfang des
15. Jhs. mit Ludewig Kolbe von Stoffenberg edel kneht (1417 und 1419) aussterben.
Es folgen 1274 die Tarant mit her Brun dez Terandes sun, die aber schon mit seinem
Sohn Heinrich (1322) endigen; die St oll: Bruno, filius quondam domini Conradi nobilis
dicti Stollen 1291, deren letzter Wolf Stoll von St. 1545 ist; die Schottkind oder
Schott: Heinricus de Stoffenberg dictus Schotkindt nobilis 1301 und wohl sein Sohn
Johannes, zuletzt 1372; die Wiedergrün mit Heinrich zu St. von Widergrin 1303,
die am längsten auf der Burg hausten und erst mit Melchiors Sohn Philipp 1604 aus-
starben; die Hummel mit Johannes dictus Humbel de Stofenberg 1330, armiger 1346,
die 1504 mit Diether verschwinden; endlich 1370 die Bock mit Wersich Bock von
1) Müller a. a. O. S. 423. Doch sind alle diese Darlegungen fraglich.
32°
KREIS OFFENBURG.
St. ein edel knecht, als letzte genannt Elsbeth Bock von St., witwe junckers Dietbold
Pfau von Riedbur 1516. Die Familie der Pfaue von Rüppur war gegen Ende
des 14. Jhs. mit Sifrit von dem Markgrafen gegen den Widerspruch der meisten Burg-
anteilhaber in eines der erledigten Burgteile eingesetzt worden.1) Die Wirtschaft auf
dem Schloß war ziemlich verarmt, die beiden Belagerungen und teilweisen Zerstörungen
1329 und 1350 durch Straßburg — schuld an der letzten war ein Al brecht von Ow,
welche Familie kurze Zeit ebenfalls einen wenn auch nicht vollberechtigten Burganteil
hatte — mögen schuld daran sein; dann aber hatte das immer kapitalkräftige Kloster
Allerheiligen, das den Zehnten besaß, auch sonst große Teile und Rechte der Herrschaft
in seinen Besitz gebracht. Die Pfaue scheinen nun einen frischen Zug in die Familien
gebracht zu haben, 1456 wird ein Burgfrieden geschlossen, 1489 erneuert. Bis zum Aus-
sterben im 16. Jh. hatten die Pfaue 3 ’/2 Burgteile an sich gebracht. Die Markgrafen
haben in dieser Zeit bei dem Aussterben der verschiedenen Linien keine neuen Lehens-
träger eingesetzt, und so konnte 1604 nach dem Tode des letzten Wiedergrün Ernst
Friedrich von Baden das Lehen wieder einziehen. Zwar war es kurz vorher mit großen
Geldopfem in ein Kunkellehen verwandelt worden, der Ansprüche der Töchter aber
wurde nicht geachtet. Als Markgraf Wilhelm von Baden-Baden durch kaiserliche
Kommissare wieder in den Besitz der Herrschaft gekommen war gegen die Ansprüche
Baden-Durlachs (1622), verlieh er die Herrschaft als Pfandlehen dem Freiherrn Karl von
Orscelar von Oudenguth, dessen Sohn Wilhelm Karl sich sehr um das Aufblühen nach
dem Dreißigjährigen Kriege bemühte. Durch Erbschaft kamen 1667 Franz Fortunat von
Haindorf und Georg Wilhelm von Bettendorf in den Besitz, durch Kauf 1683 Christoph
von Greifen. 1700 endlich löste Markgraf Ludwig Wilhelm die Herrschaft mit 50000 fl.
und erwarb 1719 die pfauischen Lehen um 11 426 fl. von der Familie Küfifer dazu. Die
Herrschaft Staufenberg umfaßte das Schloß, Durbach mit Stöcken, Bühl, Hespengrund,
Wiedergrün, Obernesselried, Illental, Bottenau, Spring, Heimbach, Stürzelbach, Ergers-
bach, Lautenbach, Neuweg, Vollmersbach, Halsbach, Sendelbach, Gebirg, Brandeck, Gral,
Oberweiler und Unterweiler. 1 832 kaufte Großherzog Leopold das Schloß vom Domänen-
fiskus, als Erbe erhielt es sein Sohn Prinz Wilhelm, und daher gehört es jetzt dem Prinzen
Maximilian von Baden.
Die Anlage des Schlosses im Mittelalter, deren Reste heute noch zu erkennen,
ergibt sich aus seinem Zweck als Sitz von etwa acht Ganerbenfamilien ; außer diesen
vollberechtigten Anteilen gab es noch zwei weitere. Aus den urkundlichen Nachrichten
hören wir von einer »capelle zu Stöffenberg uf der Bürge« 1360, die nach Nußbach ein-
gepfarrt war. Die »phrunde, die da höret zu sant Gergen capellen zu Stoffenberg«,
gehörte schon 1578 dem Kloster Allerheiligen. Während noch 1545 sant Georgen
caplanei uf dem hauß Stauffenberg genannt wird, heißt es 1666 von der 1655 zur Pfarrei
erhobenen Kirche: »patronus coeli est s. Henricus; collator, decimator et dominus
temporalis est Hermannus Wilhelmus baro ab Orsclar«. 1374 bis 1376 wird ein kirch-
herre Lemelin Lampreht genannt. Wir hören von den offenbar an der nördlichen
Mauer gelegenen Wohnungen der Wiedergrün, der Kolb, der Bock, der Staufenberger,
auf welche die Kapelle folgte, dann vom Stollenhaus, das später zum Amtshaus wurde,
sowie von der an der südlichen Mauer dem Tor zu gelegenen Hofstatt der von Ow.
x) Regesten der Markgrafen 1843 uncl 1883.
AMT OFFENBURG. — DUKBACH. (BURG STAUFENBERG.) 32 I
Im 15. Jh. muß die Burg in zehn Teile geteilt gewesen sein. Bei einer Visitation durch
den markgräflichen Beamten zu Zeiten des Bauernkrieges ergab sich, daß die Burg
in ganz schlechtem Zustand war, die Geschlechter dort ließen ihre Häuser verfallen.
1537 lernen wir aus einem Inventar der Wiedergrün die offenbar nicht sehr glänzende
Fig. 181. Plan der Burg Staufenberg.
322
KREIS OFFENBURG.
Innenausstattung ihrer Wohnung kennen. Unter der Occupation Baden-Durlachs wurde
an der Stelle des jetzigen Kellergebäudes ein neuer Bau aufgeführt, der 1663 zusammen-
fiel und dabei Teile des Zwingers beschädigte. Im Jahre 1632 ist die Burg durch die
Schweden verwüstet, 1689 durch die Franzosen teilweise beschädigt worden. Bei den
Wiederherstellungsarbeiten nach 1832 mußten wegen Baufälligkeit die Kapelle und die
ihr zunächst liegenden zwei Häuser beseitigt und der 1730 renovierte Torturm durch
einen neuen ersetzt werden.
Baubeschreibung Die Burg liegt, 383 m hoch, auf einer Kuppe, die nach Norden, Westen und
Süden ziemlich steil, auch nach der Angriffsseite im Osten noch einigermaßen abfällt
und einen weiten Ausblick in das
Durbachtal und die Rheinebene
gestattet. Unser Plan (s. Fig. 1 8 1)
läßt uns den alten Burgweg E
erkennen, der von Ost nach West
an der zerstörten Zwingermauer
empor zum Tore D führt, das in
seiner heutigen Gestalt, wie gesagt,
dem 19. Jh. entstammt. Doch ge-
hört es in seinen Fundamenten
noch dem ehemals hier vor-
handenen alten Bau an. An seiner
dem Burghof zugekehrten Seite ist
ein aus dem Ende des 15. Jhs.
stammendes Allianzwappen , der
Pfaue von Rüppur und der Bock,
eingemauert. Eine nur ca. 65 cm
starke Mauer aus Bruchsteinmauer-
werk umgibt den oberen Bering,
der etwa als unregelmäßiges Viel-
eck zu charakterisieren wäre.
Beim Eintritt in dasselbe finden
umgebenen Raum C, der nach
Asbrand1) die Häuser der Wiedergrün enthalten haben soll. Daran stößt das heutige
Kellergebäude B an, an Stelle des 1663 zusammengestürzten »neuen Baues«. Ihm ist
das in Fachwerk errichtete Brunnengebäude vorgelagert mit dem alten, achteckig um-
mauerten Ziehbrunnen. An der Nordmauer folgten nacheinander vom Tore aus auf-
gezählt ein Stallgebäude, das Stollenhaus und die S. Georgskapelle, alle 1832 abge-
rissen. Aus der Kapelle, die nach Osten zu eine kleine Apsis hatte, sollen die zwei
Wappensteine (s. Fig. 182) stammen, die jetzt in die Nordmauer von C eingemauert
sind: das Wappen der Marsil und das von Staufenberg. Alt sind hier oben nur noch
der Flankierungsturm F und das Gebäude A, auch sie mehrfach umgebaut. In dem
unregelmäßigen Viereck des nur noch bis zu einer geringen Höhe stehenden Turmes
möchte ich einen Rest der ältesten Anlage erkennen, da hier ein kräftiger Schutz gegen
Fig. 182. Wappensteine im Burghof von Schloß Staufenberg.
wir rechts einen heute nur von niederen Mauern
*) Badenia a. a. O., s. auch den dortigen Plan.
AMT OFFENBURG. — DURBACH. (BURG STAUFENBERG.)
323
die Angriffsseite nötig war. Der heute zu Wohnzwecken umgeänderte Bau enthält nach
Norden und Westen noch einige Schießscharten. An seiner Nordostecke ist das Mauer-
werk außerordentlich verstärkt. An ihn schloß sich wohl gegen Süden ziehend die
Schildmauer an, von der wir hören, aber keine Spuren mehr vorfinden. Der Bau A,
wohl auf älterer Grundlage, ist von Melchior Wiedergrün durchgreifend erneuert worden,
worauf die Eingangstüre
(s. Fig. 183) mit dem
Wappen von Staufenberg
und Blumeneck hindeutet.
Sie ist mit einem Flach-
bogen abgeschlossen, ihr
Gewände in Hohlkehlen
und flachen Wülsten pro-
filiert, die unten einer-
seits in einem Voluten-
ablauf, andererseits in
einem Maskeron endigen.
Aus dem nördlichen
Teil führte eine schlichte
Spitzbogentür nach der
Kapelle zu. Die Ge-
wände, wie auch die ab-
gefasten der Fenster des
Hauses, bestehen aus
rotem Sandstein, der Bau
selbst ist aus Bruch-
steinen errichtet, Bossen-
quader an seinen Ecken.
Er hat, auch noch im
19. Jh., manchen Umbau
im Innern erlitten, so
daß dessen alte Gestalt-
schwer zu erkennen. Im
Erdgeschoß im Em-
pfangszimmer noch eine
Spitzbogentür mit Hohlkehle und Rundstab, in Voluten endigend, erhalten, eine Tür
mit ähnlicher Profilierung führt in die Turmräume. An einem Doppelfenster findet sich
noch, die beiden Flachbogen tragend, eine gebauchte Renaissancesäule (s. Fig. 184),
an ihrem Gebälk wieder das Staufenberger und Blumenecker Wappen. In dem gleichen
Gemach an der anderen Wand eine große Doppelflachbogennische. In dem ganzen
Gebäude zerstreut eine stattliche Anzahl von Glasgemälden, die angeblich, nur
zum Teil wahrscheinlich aus der alten Georgskapelle, zum Teil aber wohl auch aus
Sammlertätigkeit von anderen Orten stammen. Einige von ihnen sind stark restauriert,
andere aus verschiedenen Scheiben zusammengeflickt. Ich lasse sie der Zimmerreihe
Fig. 183. Tü?'c in den Wohnbau auf Schloß Staufenbag.
Glasgemälde
nach folgen :
324
KREIS OFFENBURG.
i. Bärtiger Mann in der puffigen Tracht der zweiten Hälfte des 16. Jhs., die Büchse
über der Schulter und Patronenhalfter; ihm reicht seine gegenüberstehende Frau einen
Pokal. Darüber die Mühle mit Rad, Mehlsäcken, eine arbeitende Magd und die zwei
Töchter (im Brautschmuck ?). Unten die Hausmarken und die Schrift:
Sortjem ^Ultimen 3iBuii . .
Zu 3Cbarff ttnb 2l!iib : . . .
23ctcr ^tn 43gc . . .
5tTnno Pom . . ^ifjärer 311.
In einer eingeflickten Scheibe zwischen den Beinen des
Mannes steht: Hege • o. (31 X 20 cm.)
2: In Roll werkkartusche Wappen : eine Bram (Brehme)
über Dreiberg, Helmkleinod, ein Mann mit Mütze, der
zwei Bienen in der Hand hält, unten ein Trommler und
ein Pfeifer und die Unterschrift:
^Cnbarcs 23ram bifer
Zit Porte ber tjcrfrfiaft ßiiotiau
Unb JCiibtiiiaiibt ber ftatt j-ciib
15 93
(Etwas zusammengeflickt, sonst gut erhalten.) (29 X 20 cm.)
3. Von zwei Landsknechten gehalten das Wappen
mit dem Reichsadler, darüber die Krone. Unten Wappen
von Glarus, derselbe oben noch einmal, daneben Scenen
aus seinem Leben. Unten steht:
<Daf :Cölnii1jc rCanb PlaniG
1 6 6 3
(Die Scheibe ist stark geflickt, das Reichswappen scheint
ganz neu eingefügt.) (30 X 20 cm.)
4. Ehepaar (wie 1.), Mann mit Büchse, die Frau
mit Pokal, oben sein Abschied und seine Heimkehr.
Unten das Wappen, nach links springender Fuchs (?), und
die Unterschrift:
IPiftjelm 'Cut^i offetn Uirfritümj Prbinm
Fig.,84. Fenstersäule im Wohn- ^0t naCÖ 11110
gebäude des Schlosses Staufenberg. ^Mailljill fl 111 € . . Urfje tjußfTOltllL 16+O.
(Sehr gut erhalten.) (29 X 20 cm.)
5. Von hübschen Tugendgestalten flankiert das Wappen: Schild, gespalten, rechte
Seite schräg links rot und silbergestreift, auf der linken Seite eine Axt in Blau ; Unterschrift
in Rollwerkkartusche :
3i 23aIta*Tar &ieumä beü tfatijs bei:
J^tatt TCiiccni unb ber Zeit 43c PaiiptmaiiiL 1632.
Oben Anbetung der h. drei Könige, daneben der h. Franz und auf der anderen Seite ein
Reiter in der Zeittracht. (Die Scheibe scheint ziemlich unberührt, doch würde man sie
ihrem Stil nach gewiß 50 Jahre früher ansetzen.) (31 X 20 cm.)
6. Abrahams Opfer unter Frührenaissancearchitektur, unten links (vom Beschauer)
hält eine Gerechtigkeit mit verschleierten Augen einen Schild mit dem Buchstaben R,
AMT OFFENBURG. - DURBACH. (BURG STAUFENBERG.)
325
rechts ein Engel einen Schild mit schwarzem, linksschrägem Bach und Haken in gelbem
Eeld; dazwischen in Rollwerkkartusche die Inschrift:
Fig. 1S5. Glasgcmälde auf Schloß Staufenberg bei Durbach.
Caspar
btfer Sytt SCmjpt
man 51t bcn ?UFigcn
ftnniTcn 16 1 4.
Oben von Putten mit Vasen begleitet Kartusche mit der Inschrift;
6ott fteljt ^braljamö unb tnillcn
:€aft in fpn apffer nit e . . . Hcn
üfacfj ba£ unfdjulb baubilb . ft
^as €>pffcr unfcrö t^cila . . s Cljri ft.
326
KREIS OFFENBURG.
Das sehr schöne, noch auf Holbeinsche Tradition zurückgehende Hauptbild in seiner
rechten Ecke leider stark geflickt; die Umrahmung und Bekrönung mit den Putten
sind früher als die Jahreszahl; die Scheibe ist aus zwei verschiedenen zusammengefügt.
(30 X 20 cm.)
7. Mann und Frau, er mit Büchse, sie mit Pokal, ein Töchterchen an der Hand
führend. Oben das Ehepaar, Gäste bewirtend. Unten Wappen: Stern und Mond
mit H D und die Unterschrift:
J^anb T>oblcr 5flla IPdbcI jüm IDaffers
Unb freuen jil&etärri fin ec. frautu. 1598.
Ziemlich intakt erhaltenes Stück. (31 X 20 cm.)
8. Allianzwappen in Architekturumrahmung: ein nach links wachsender schwarzer
Widder in Gold, ebensolches Helmkleinod; quergeteiltes Schild, oben zwei weiße Lilien
in Schwarz, unten schwarze Lilie in Silber. — Uber der Architektur die kleinen Dar-
stellungen einer Gerichtsscene und der h. Magdalena. Unten in Rollwerkkartusche die
Inschrift :
jl!>arn(cu) ^lijuitija . . . fürftttrfj T>se (?)
'i-rdtjcrtsoii JIcojjoI . . reiilj Uatfj
unb IDertualtter b . ufrijafft 3110
Coftant5 unb j;r. . . ^iljülbtljaißin
geborne Jllutnp . ^jjiegelbcrg
fein €ljegema . . o 1630.
Die Inschrift, die in der Mitte jeder Zeile, wo die Verbleiung durchgeht,* Worte und
Buchstaben vermissen läßt, ist nach einer Beschädigung so zusammengeflickt worden.
Auch am Oberstück der Scheibe ist verschiedenes geflickt; es erscheint nicht sicher,
daß alles hier zugehörig war. (31 X 20 cm.)
9. Hauptdarstellung: das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Zwei jüngere
Männer sprechen mit dem alten Besitzer. Im Kopfstück: ein Pflug von vier Pferden
gezogen. Unten links Wappen, schräg links geteilt: oben Schaufel in Blau, unten Pflug-
schar in Silber. Unten rechts ebenfalls ein Wappen, ein Turm in Blau. Dazwischen
Inschriften. In Rollwerkkartusche, deren oberer Teil allein erhalten ist:
^abratfj Cornau.
In einem eingeflickten Feld darunter, wohl nicht hierhergehörig:
3l!briä Siegler • bt'5 • Katljs unb
Barbara 25üniauin unb ♦
Barbara ^artenljüfenu fine
Ctjcgeniaijcl HI II IO 1607.
Die sonst nur wenig geflickte Scheibe ist hier unten offenbar stark verändert worden
(s. Fig. 185.) (30 X 20 cm.)
10. Mann und Frau, er mit großem Zweihänder auf der Schulter, sie mit Pokal
wie üblich. Im Kopfstück Stierbrennung und wie der Stier auf die Weide getrieben
wird; unten in rotem Schild die Hausmarke und die verstümmelte Inschrift:
I^rtiaf ♦ luirtlu • uff ♦ JCutcnluis • unb
dHfbet • J^etsler . ... fin ..?. 1598 ♦ ♦ • (30 x 20 cm.)
11. Allianzwappen. In blauem Schild drei goldene Rauten, Helmkleinod, Ober-
teil eines Mannes mit Mütze und Rautenband; in goldenem Schild ein schwarzes Rad,
AMT OFFENBURG. — DURBACH. (BURG STAUFENBERG.)
327
dasselbe zwischen zwei Hörnern als Kleinod; die Wappen von Renaissancearchitektur
umrahmt; oben Kampf Davids und Goliaths, unten in Rollwerkkartusche (sicher dazu-
gehörig) die Inschrift : ')
43corg Jpaiier itiib Urfula
JDapcrin a3rüornc JDanerin Situ
Dorf j>cin €1ht . . atjel.
1 6 — l(?)5 (3° x 20 cm.)
12. Hauptdarstellung: eine Sängerschule. Im Kopfstück Putten, Rollwerk, ein
h. Bischof und h. Barbara(?); unten, von Engeln gehalten, ein Wappen, Rad mit drei
Sternen in Grün, und eine Tafel mit Inschrift:
üjannß Regner alt IRärijcntjcrs
^T>ißcr %}\t ,4?tatt jfänberidj. Unb
3fana*> Regner T>ißcr 2-ut tfänb-
crirfj llnb fyannß 0förg
^üit^cr » alle bren Burger bet
^tatt IPintertfjür ♦ 1650 EKiegii.1 2)
In allen Stücken nicht zusammengehörend, ganz zusammengeflickte Scheibe. (29,5 X 20 cm.)
13. Der h. Georg, den Drachen tötend, von Säulen flankiert; darüber in Rocaille-
kartusche :
3Der Bittet fallet 3örg gant-; taoljlgemüt
XD 0111 (Tradjen bie 3PuncftfraVu eriöfcn buot.
Unten in Spätrenaissancekartusche die neue Inschrift :
SUbain XDunu niel a3emeinet
Sii ^tauffcntierg SUinia 1+70
und das Wappen : drei Kugeln in gelbem Feld. Dies eine ganz irrige Ergänzung aus
dem 19. Jh. (30 X 20 cm. Sehr schönes Stück heute in einem Schreibtisch aufbewahrt.)
14. Unter Säulenarchitektur ein Mann mit Mantelkragen und seine Frau mit Pokal.
Im Kopfstück Austreibung aus dem Paradies, worunter steht :
o3ott ließ fp jagen uß bnn harten
üDtt (Tob fol't fottljin icrct Uiatte. gene :
Unten an der Scheibe Rollwerkkartusche, in der Mitte das Wappen : in blauem Feld
Schlächterbeil auf Dreiberg und die Inschrift :
üacol) jfuegee — ^tirijtßsVnctffßr
et (sic!) 1111b Cljriftina — fein jjaußfraüi 1617
Wohl von Oppenau stammende, in der Unterschrift erneuerte Scheibe. (33,5 X 21cm.)
15. Unter von Säulen getragenem Gesims ein Wappen: ein Mann in Pluderhosen
mit je einem Rebstock in der Hand, als Helmkleinod die Halbfigur des gleichen Mannes
mit Trauben in den Händen ; zu beiden Seiten die Gestalten der Justitia und Prudentia,
oben neue Grotesken, unten Putten und die etwas geflickte Inschrift :
Ijlßreiiiias Bcfiftocß ♦ ber
Seit . . JJDüu . i'iiftcrgiftfjcr
XDogt 5ü aDppenau 1625.
Also ebenfalls zu den Oppenauer Scheiben gehörig. (33 X 20 cm.)
1) S. Kind ler von Kn ob loch I, S. 73/74.
2) Das Wappen ist nicht das bekannte des Hegner; Unterschrift also wo andersher.
Band VII.
22
328
KREIS OFFENBURG.
16. Mann mit Kragenmantel und Frau mit Pokal unter Säulenarchitektur.
Einzug in die Arche (33 X 20 cm):
a3ott Ijicß hm Haften Poe tretten
mit feini gefcfjlerfjt uub lua*» fu ijetten
GENE } VI • CA :
Unterschrift :
Oben
pauß ^ptner ge — ricfjt&taelfer ♦ ub
€ua fein Ctfetuljc — tjausfraUi. 1617.
Dazwischen ein Schild mit ES in silbernem Feld. Auch zu der Oppenauer Serie gehörend.
17. Mann und Frau in gleicher Stellung und Tracht. Oben der Sündenfall und:
Durtfj falfcljcn lift bie giffttg ^rfjlang
T>ie erften pSenfrije Ici_r jUmng. gene • in
Unterschrift in Rollwerkkartusche :
TllMctjer Horij — 43eririjt£;Uielffßr
üb Itrfuia fein — ijauöfralii. 1617.
Dazwischen Hausmarke in silbernem Schild. Ebenfalls zur Oppenauer Serie gehörig.
(33 X 20 cm.)
18. Ebenso Mann und Frau. Im Kopfstück die Arbeit der ersten Menschen und:
T»as jpclb baut 3tbam liönimerlirtj
ltnb muß im .4>tfjtueiß Ijiß . ncljmi fiel), ge • in.
Unten in Rollwerkkartusche :
THary formier — 4?crii1)t5|UuTffcr
üb jHargrcta fein ijauöfraVu iCuy,
dazwischen Schild mit Brezel auf drei Hügeln in Violett. Aus Oppenau stammend.
(33 X 21 cm.)
19. Mann und Frau in gleicher Stellung. Scham Noäh und der Regenbogen:
Per ttegenbogen luarb gotts! bünb
Ctjam fein Patter bloß iigen fünb. gene • ix.
Unten wieder in Rollwerk :
TPartin jPtillcr — 43 r i dj tsi^Vn ö tff e r
uub Htfula fein — tjauöfraVu 1617.
Dazwischen in Blau die Hausmarke. (33 X 21 cm.)
20. Rundscheibe mit Wappen der Pfau von Rippur:
25urtiljarb pfau bon Hüptnir 14.70.
Neues Werk des 19. Jhs.
21. Von Löwen gehalten das Reichswappen mit der Krone darüber. Der eine
Löwe hält Schwert, der andere Standarte mit Staufenberger Wappen (roter Kelch auf
blauem Dreiberg); dieses Wappen kehrt unten zweimal wieder, dazwischen die Zahl 1579;
Säulenarchitektur; im Kopfstück Simson mit dem Löwen und derselbe mit den Stadt-
toren. Teilweise geflickte Scheibe. (42 X 30 cm.)
22. Rundscheibe. Eine Frau in der Tracht des ausgehenden 15. Jhs. mit dem
Wappen der Marsilius (oder Uttenheim). Neue Arbeit des 19. Jhs.
23. Mann und Frau ;n der Tracht aus der Mitte des 16. Jhs., zwischen ihnen das
Staufenberger Wappen : eine Frauen-Halbfigur (von der Sage auf die Melusine bezogen), mit
Hörnern statt Armen als Helmkleinod ; über ihnen Rollwerkornamente und im Kopfstück
AMT OFFENBURG. — DURBACH. fBURG STAUFENBERG.)
329
der Fang von Wasservögeln durch das Netz; unten die moderne und nicht hierher-
gehörige Inschrift :
3lMrfjinr fl3>icbcrgrün b. J>tauf*
fcnbcrg unö 5Hnna bau SSIumcnccft
feine eijdtrije Hausfrau. 1470 (sic!) (39 x 33 cm.)
Auch das Staufenberger Wappen ist neu, die sogen. Melusinenfigur an dasselbe angeflickt.
24. Gepanzerter Krieger mit Hellebarde, zu beiden Seiten ein Trommler und
ein Pfeifer. Uber ihm in runder, von Rollwerk umrahmter Kartusche das Wappen der
Urkantone und als Kopfstück der Empfang von Reitern durch Franziskaner; eingeflickt
neben dem Mann das Wappen der Rock, ebenso neu die Unterschrift:
o3corg Gemeiner
51t JStauffenbcrg. 1+70.
Wie ersichtlich, sind diese wie die vorhergehende und noch einige weiter unten folgende
ursprüngliche Schweizerscheiben durch neue Einflickungen und Unterschriften für die
Geschichte des Schlosses hergerichtet worden, allerdings mit großen chronologischen
Schnitzern. (33 X 25 cm.)
26. Schöne Frührenaissancescheibe. Der h. Petrus und der h. Benedikt halten
den Wappenschild mit den Schlüsseln in silbernem Felde und je einem Goldgulden mit
der Umschrift: MONETA NOVA AVREA 1544 in rotem Felde; Frührenaissance-
säulen tragen den Flachbogen ; im Kopfstück Bären- und Saujagd (s. Fig. 1 86) ;
Unterschrift :
3Cbam abyt 3Ü fannt yeter uff bem
^tflnarci lualbt • *. anno 1544.
Der Stil dieser vorzüglichen Scheibe weist auf Basel. Das Jahr 1544 ist das Todesjahr des
genannten Abtes (Guldin) von S. Peter, woher die Scheibe wohl stammt. (43 X 31 cm.)
27. Mann mit Hellebarde, Frau mit Pokal. Tracht Ende 16. Jh. ; Wappen: nach
links steigender Löwe in Silber, ein Mohr als Helmkleinod. Im Kopfstück : Getreide
wird zur Mühle geschafft, untere Landschaft neu ; durch die neue Inschrift für Staufen-
berg adoptiert :
tyaus litaib bon
^taufli'uluTij
1400 (!!) (35,5 X 28 cm.)
28. Schöne Frührenaissancesäulen tragen einen Flachbogen; im Kopfstück ein
Scherzspiel zwischen Männern und Weibern ; wieder an Baseler Vorwürfe erinnernd. In
diese alten Reste ist ein Staufenberger Wappen hineingesetzt und die neue Inschrift:
UCea fniljiT 3Ü ftauffe : crbjjcr 5I1 liaftcibcnj. (41 x 31 cm.)
29. Obergeschoß: Verkündigung, in Renaissancesaal; daneben S. Ottilie und
S. Katharina; unten links eine betende Dominikanernonne, rechts: Schild mit Kreuz. In
dieses geringe Stück, wohl vom Ende des 16. Jhs. und aus einem Dominikanerkloster
stammend, ist unten noch der Rest der Unterschrift einer anderen Scheibe eingeflickt:
tyanb UM! aber . .
%itt ißagtt 511 ♦ . (27 x 21 cm.)
30. Hübsche Frauengestalt (Oberkörper erneuert) im Kostüm der zweiten Hälfte
des 16. Jhs. mit Barett hält zwei Wappen; das eine zeigt schwarzen Säulenstumpf in
silbernem Felde, als Helmkleinod einen Mann mit demselben Säulenstumpf auf der Brust
22
33°
KREIS OFFENBURG.
(Rink); das andere: sogen. Judenhut und fünf roten Wecken in Gold, als Kleinod Mann
mit demselben Hut. Im Kopfstück ein Turnier. Unterschrift in Rollwerkkartusche :
^icbagcn bau 3©ifenöerg genant
Kindt ber Burger . ciiftcr 311 frfjaff
ljiifcn 1111b JtöargiTtt 23i . in lion THisi . ingc
fin eginnljl.
Das Wappen unter von Balustersäulchen getragener Architektur. (27 X 21 cm?)
Fig. 1S6. Glasgemälde im Wohngebättde des Schlosses Staufenberg.
31. Aus verschiedensten zusammengeflickte Scheibe: Kopf eines Johannes des
Evangelisten; kleinerer Kopf eines Gottvaters; eine Hand; eine allegorische Frau mit
Bienenkorb ; Schlachtung eines Ochsen ; Schild mit silbernem Horn und goldenem Stern
in Blau sowie dem umgekehrten doppelten P.
32. Nische mit h. Papst und h. Bischof mit Kirchenmodell, dazwischen ein Wappen:
Feld 1 und 4 schräglinks geteilt, jeweils oben Schlüssel, unten Fisch ; Feld 2 und 3
AMT OFFENBURG. — DURBACH. (BURG STAUFENBERG.) 33 1
h. Georg; im Herzschild Stierkopf; im Kopfstück: Kreuzigung des h. Andreas und
h. Georg, den Drachen tötend; unten die nicht hierhergehörige alte Inschrift:
iCanö ^cfjaffljufe
ANNO DOM • 6o5.
Auch im Wappen und oben Stück von anderer Scheibe eingesetzt. (39 X 31,5 cm.)
33. Rundscheibe (20 cm): Rest der Darstellung eines Mahles; zwei Wappen: ein
Bär mit goldenem Baum in rotem Feld, derselbe wachsende Bär als Helmkleinod und
ein roter Drudenfuß in Blau, derselbe Drudenfuß auf dem Flug. Auch sonst zusammen-
geflickt.
34. Aus vielen Stücken zusammengesetzt: Halbfigur eines Gewappneten; eine
Burg; Greifen in einer Säulenarchitektur halten ein Wappen; eherne Schlange am
Kreuz in Blau und gelbe Kugeln in Rot; darunter andere kleine Wappen; endlich auch
noch die Jahreszahl 1586 von irgendwoher eingesetzt.
35. Runde Wappenscheibe : auf*goldenem Feld blauer Balken, schräg rechts, darin
drei goldene Lilien; Helmkleinod: wachsender Mann mit demselben Balken. Das Ganze
auf damasziertem Grund; alt.
36. Stück einer Wappenscheibe : ein Mann mit Binsen in Händen in gelbem Feld,
derselbe als Helmkleinod; zwei aufgerollte Bänder daneben, worauf steht:
• H • S • und MARIA. (13X10 cm.)
37. Grisaillebild vom Ende des 17. Jhs. ; in Rankenumrahmung die Heiligen
Bartholomäus und Andreas.
Ein Ölgemälde: Porträt des Markgrafen Karl Friedrich ca. 1780.
Am Ke/lergebäudc findet sich die Jahreszahl 1698, der Speicher desselben stammt
ebenfalls aus dieser Zeit.
Das Gelräude ist aus Bruchsteinen, mit Backsteinen untermischt, errichtet, wie auch
das Gebäude A. An den Ecken finden sich Bossenquader mit größtenteils abgehauenen
Bossen. Schlichte, geradsturzige Fenster. Erneuerte Treppengiebel. Der Keller von
einem stattlichen Tonnengewölbe, wohl aus dem 18. Jh., überdeckt. Auf dem Speicher
des Kellers wird die aus dem Berchfrit stammende Glocke aufbewahrt mit badischem
Wappen und der Inschrift:
CONFLATVM SVB LVDOVICO GEORGIO M ARCHIONE BADENSE ET
HOCHBERGENSE
RENOVATVM REGNANTE CAROLO FRIDERICO ELECTORE BADENSE
PER M ATHALV M EDEL ARGENTORATI I$o5
prInCIpIs ILLas gratIa restItVIt CVL pasqVe hoC vere reDonat faCtIo
DIV faLLIt pLere säst.
Auch unter dem Hauptgebäude A eine stattliche Kelleranlage mit Balkendecke,
die auf abgefasten Holzpfosten mit Unterzug ruhen.
Nach Südwesten war der Burg der Vorhof G vorgelegt, der jedenfalls für die
Wirtschaftsgebäude, Stallungen etc. diente, für die auf der Burg selbst kein Platz mehr
war. Er diente aber auch als schützendes Bollwerk und von ihm aus führte, wohl auf
einer Zugbrücke, der Eingang älterer Zeit in die Burg. An dem dem heutigen Tor und
ehemaligen Turm D vorgelagerten Turm (unregelmäßiges Viereck) sind in der Südwest-
wand, etwa 6 — 8 m über dem Niveau des Vorhofes, noch die Sandsteingewände des
rundbogigen Tores sichtbar, sowie die Löcher für die Zug- oder Holzbrücke, über deren
Kellergebäude
Glocke
Keller
des Hauptbaues
Zugbrücke
und Tor
332
KREIS OFFENBURG.
Wappen
Anlage indes keine Reste im Vorhof G mehr Auskunft geben. Der Turm zeigt in der
Höhe des Erdgeschosses von D verschiedene Schießscharten. Eine Tür, die aber wohl
jünger ist als die Zugbrückenanlage, führt heute nach D. Ob man in alter Zeit von
dem Zugbrückenturm aus auf einer Treppe (das Zugbrückentor liegt niedriger als das
Erdgeschoß von D) direkt
in den Turm D gelangte,
oder zunächst in einen
kleinen Vorhof vor den-
selben, ist bei dem ver-
änderten Zustand dieser
Teile und ohne Nach-
grabungen heute nicht
mehr zu sagen. Ebenso-
wenig läßt sich feststellen,
ob der heutige Burgweg ZT
schon im Mittelalter neben
der Zugbrücke bestand
als bequemerer Zugang
für Friedenszeiten, oder
ob er — - was wahrschein-
licher — erst im 16. bis
18. Jh., wenn nicht gar
erst im 19. Jh. angelegt
war. Die Zugbrücken-
anlage scheint mir der
älteste Rest der ganzen
Burg zu sein, wohl noch
aus dem 1 3. Jh. — Uber
die Zugänge zu dem
Vorhof G (die heutigen
sind neu) läßt sich nichts
bestimmtes mehr fest-
stellen.
Im Torweg von Dur-
Fig. ,87. S. Anton bei Durbach. bach Weines badisches
Wappen des 1 7. Jhs.
An der Westmauer der Oberburg ist noch ein Stein mit folgender Inschrift zu
erwähnen :
R E-U-D-W-R-V-K-M-S-D - 172$.
Die Gebäude J und H sind neue Wirtschaftsgebäude.
Auf der Anhöhe östlich von der Burg sollen früher noch Mauerreste zu sehen
gewesen sein, die wohl von irgend einem Bollwerk herrührten.
Eine Inscnriftplatte von Staufenberg wird unter C 105 in den Großh. Staatssamm-
lungen aufbewahrt.
Auf dem Verlauf des Bergrückens gegen die Ebene zu liegt die
AMT OFFENBURG. — DURBACH. (RUINE S. ANTON. WIEDERGRÜN.) EBERSWEIER.
KIRCHENRUINE S. ANTON
Erwähnungen: sant Anthonien bruderhuß im hard by Stouffemberg gelegen 1482;
capelle und bruderhuß sant Anthonien des heiligen bichtigers gelegen in dem wald
genant der Stauffenberger hart 1528; sant Anthengen capelle 1549.
Die kleine Wallfahrtskapelle existiert heute nur noch in einer malerischen Ruine, die
Mauern etwa noch in 2 — 3 m Höhe. In Fig. 187 ist der einfache Grundriß zu ersehen.
Die im Chor eingezeichnete Querwand ist neueren Datums und wohl eingezogen, um
wenigstens den Chorteil noch als kleine Kapelle benutzen zu können. Die rundbogigen
Fenster sind hohlgekehlt und zeigen den Falz zum Einsetzen der Glasscheiben. An der Süd-
wand kurz vor der Südwestecke des Baues der facettierte Konsolenstein (s. Fig. 187 oben),
der die Außenkanzel trug. Das Gewände der zu ihr führenden rundbogigen Tür ist
zum Teil zerstört. Das Material des Baues ist Granit, untermischt mit Sandstein und
%
Backsteinen ; die Mauern natürlich Bruchsteinwerk, nur die Gewände aus Hausteinen.
Steinmetzzeichen infolge der Verwitterung keine zu bemerken. So wie der Bau heute
dasteht, dürfte er erst dem 16. Jh. entstammen, und sind Reste aus der Zeit der ersten
Erwähnung nicht mehr erhalten. Auch das genannte Bruderhaus ist gänzlich ver-
schwunden.
WIEDERGRÜN
Schreibweisen: Widirgrin 1280; Widergrin 1347; Widergrien 1348; wiger und
Burgstadel zu Widergrün 1405; zu Widergrin an den Burgberg; Wydergrin 1437 etc.
(grin, Grien = Sand, Kies; über Wider vgl. Förster, ON. S. 1591 ff.)
Ortsgeschichte : Schon 1280 wird ein dominus de Widirgrin genannt. Es mag Ortsgeschichte
also damals schon hier eine kleine Burg oder ein befestigtes Haus gestanden haben, um
das dann allmählich Ansiedelungen entstanden. 1 348 verkauft Andreas von AVieder-
grien, »ein edeler knecht«, »den halben byhel, gelegen in dem wyger zu Widergrien, und
daß hauß, daß daruff staht, und den theil deß vorhofes, der Conrates von AA'ydergrien
waß, und den bauw, der daruff stehet, Matheus Rohart, allen seinen brüedern, deß
Schultheissen söhne von Oberkürch«.
Auch diese kleine Burg war also in mehrerer Besitz. Ein Zweig der Familie wurde
zu Ganerben auf Burg Staufenberg (s. dort); die anderen blieben, wie es scheint, auf
ihrem alten Sitz. Als die Familie am Anfang des 17. Jhs. erlosch, wurde AAdedergriin
mit der Herrschaft Staufenberg vereinigt. Markgraf Wilhelm gab es 1677 tauschweise
der Witwe seines Rates und Leibarztes Kiefer gegen ein Haus in Straßburg. 1681 aber
kam Wiedergrün an Allerheiligen, das 1725 das Schlößchen herstellen ließ. Mit der
Säkularisation wurde es badisch.
Das sogen. Schlößchen ist ein schlichter Riegelbau mit dem AVappen von Aller-
heiligen von 1725.
EBERSWEIER
Schreibweisen: bannum ville Eberswilre 1280; Ebersvilre 1365; Eberschwyr 1529;
Eberßwir 1543. (Weiler eines Ebers.)
334
KREIS OFFENBURG.
Ortsgeschichte
Kath. Pfarrkirche
Altäre
Kanzel
Taufstein
Kruzifixus
Kirchengeräte
und -gewänder
Pfarrhaus
Kruzifix
Bildstock
Ortsgeschichte: Im 13. Jh. wird Ebersweier erstmals genannt. Ursprünglich wohl
Zähringer Besitz,1) kam es durch Erbschaft an die Uracher, nach der Spaltung des Uracher
Hauses hatten sowohl die Grafen von Freiburg als von Fürstenberg hier Besitzrechte,
später auch die Markgrafen von Baden. 1336 hören wir von einem »hof zu Eberswilre«,
den Konrad von Schauenburg vom Grafen Konrad von Freiburg zu Lehen hat. 1367 von
einem Hof: »den man nennet des Rodders hofe, den marggrave Rudolf von Baden
Arbogast Roddern ritter sinem diener geeignet und gefryet hat«. Seit dem 14. Jh.
gehörte der Ort zur Landvogtei Ortenau (Gericht Griesheim), er war somit bis 1805
vorderösterreichisch und wurde dann badisch. Begütert war hier auch das Kloster
Honau, das indessen seinen Hof »in villa Eberswilre dictam de Witterine hoff« dem
Kloster Allerheiligen 1284 abtrat. Ein Geschlecht de E. kommt im 13. Jh. vor.
Kath. Pfarrkirche : S. Crucis, ehemals auch patronus coelestis ss. Tiburtius et
Valerianus mart. (noch 1666). Ursprünglich nur Kaplanei und Filiale von Nußbach,
kam es mit dieser Pfarrei an Allerheiligen; im Laufe des 16./17. Jhs. scheint es zur
Pfarrei geworden zu sein.
Die heutige Kirche ist ein Neubau von 1827, sie birgt aber eine Anzahl Reste
aus älteren Kirchen der Umgegend, so die drei Altäre aus dem ehemaligen Kapuziner-
kloster in Oberkirch, übliche, wirksame Barockaufbauten aus Stuckmarmor und Holz
mit eingelegten Ornamenten, mit Säulen und verkröpftem Gebälk, welche das Haupt-
bild, und oben Pilastern, welche das zweite Bild flankieren. Zu beiden Seiten laufen die
Altäre in Rocailleschnitzwerk aus. Auf dem Hochaltar Gemälde : h. Dominicas und
h. Franciscus in Anbetung des Christkindes, oben gekrönte Heilige mit Palme und
Schwert; auf dem linken Seitenaltar die vierzehn Nothelfer, oben ein Bild des h. Wernher
von Straßburg; auf dem rechten Altar: das Jesuskind erscheint dem h. Antonius. Alles
Werke etwa aus dem zweiten Drittel des 1 8. Jhs. Auf den Altären einige Reliquiare in
der Rokokoform. Einfache Kanzel des gleichen Stils; älterer, schlichter Taufstein
von 1631.
An der südlichen Innenwand der Kirche holzgeschnitzter Kruzifixus mit Maria
und Johannes, zweidrittellebensgroße Figuren in der geschwungenen Haltung der Mitte
des 18. Jhs.
In der Sakristei: eine weiße Casel mit reicher Hochstickerei, Blumenranken
und Blüten in Seide und Gold; dazu Stola, Manipel, Kelchtuch und Palla, 18. Jh., den
Angaben nach Geschenk von Schlittern ; rote Casel, Hochstickerei in Gold und Silber,
Rocailleornamente und Gitterwerk; dazugehöriges Kelchtuch; Kelch, silbervergoldet,
getrieben, Rocaille, Cuppa neu, angeblich von Schlittern, ohne Zeichen; ohne solches
auch das Versehkreuz im gleichen Stil, silbervergoldet, getrieben; ein gedrucktes
Prämonstratensermissale (also wohl aus Allerheiligen) hat einen Samteinband mit
schöner Silberstickerei.
Das Pf airhaus ist ein Bau aus dem Ende des 17. Jhs.; das Gewände der Tür,
zu der eine Freitreppe hinaufführt, ist abgefast und endet in Schnecken.
Vor der Kirche Kruzifix, Sandstein, übliche Rokokoarbeit von 1773.
Am Weg nach Unterweiler einfacher Bildstock.
*) Heyck a. a. O. S. 510.
AMT OFFENBURG. — ELGERSWEIER. GEN GENBACH.
335
ELGERSWEIER
Schreibweisen : Elgerswiler i 289 ; villa Ergerswilre 1 342 ; villa Ellegerßwylere 1289;
curia Ergerswiler erstes Viertel d. 15. Jhs. ; Ergerßweyer 1504; Elgerschweier 1666.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 5 (1885), S. 263. — Name: Bader,
Fahrten und Wanderungen II (1856), S. 227 f.
Ortsgeschichte: Nach Großh. Baden1) 1265 Algeswilre genannt. Ritter Konrad Ortsgeschichte
von Elsaß verkaufte 1302 und 1310 dem Kloster Gengenbach einen Hof zu Elgers-
weier. Der Ort gehörte zur Landvogtei Ortenau, war also bis 1805 vorderösterreichisch.
1677 wurde das Dorf von den Franzosen verbrannt.
Vorgeschichtliches : Einfaches Steinbeil (Länge 8 cm), in der Nähe gefunden v°r-
1901, Offenburger Sammlung.
Römisches: Westlich vom Ort, im Gewann »Läger«, an der in den Feldern als Römisches
»Hohweg« noch deutlich erhaltenen römischen Straße von Offenburg nach Riegel, finden
sich Reste ausgedehnten römischen Mau er werks, Dachziegelstücke, Tongefäß-
scherben etc., die bis jetzt nicht weiter untersucht sind. (Mitteil, von Prof. Schumacher
1898.) (W.)
Kath. Pfarrkirche (S. Marci Ev.). Schon 1423 hören wir von einer Kirche zu Ergers- Kath.Pfarrkirche
wiler. Doch war Elgersweier bis 1790 Filiale von Ofifenburg und wurde damals erst Pfarrei.
Der heutige Bau stammt von 1761, er wurde 1881 restauriert.
Vielleicht hat er im Chorgrundriß noch Spuren des mittelalterlichen Baues.
Altäre und Kanzel im üblichen Barockaufbau. In einer Ecke aufgestellt spät-
gotischer, schlichter Taufstein.
In der Sakristei: Kelch, silbervergoldet, am Fuß mit aufgelegten, silbergetriebenen Sakristei
Engeln verziert; Wettersegen, Empire, Sonnenmonstranz, silbergetrieben, Rocaille.
An der Südseite der Kirche schmiedeeisernes Grabkreuz auf gebauchtem Stein- Schmiedeeisernes
Grabkreuz
postament. Vor der Fassade der Kirche Steinkruzifix von 1760.
Das Pfarrhaus ist i. J. 1790 erbaut worden.
Nach Kolb2) fand man zu Anfang des 18. Jhs. hier »aus dem Alterthum« einen
Brunnen, den man wieder ausbesserte, und auch »etliche zinnene Brunnenteuchel«, von
deren Verbleib mir nichts bekannt.
GENGENBACH
Schreibweisen: monasterium Genginbach Anf. 9. Jhs. ; mon. Kenginbach 9. Jh. ;
Ghanginpach desgl. ; Keginbach desgl. ; Ghanginbach desgl. ; Kenginbach ; in monasterio
Gengenbacensi 1 1 1 7 ; monasterium Gengenbacense 1 1 39 etc. — Stadt : Gengenbach
1232; Genginbach 1267; oppidum de Gengenbach 1231; oppidum de Gengenbach 1248;
»in dem stab zu Gengenbach mit namen im Ftisserspach, im Schweigbach, im Birmers-
pach, im Richenbach, im Pfafifenbach und waz im stab gelegen« 1483.
Die Erklärung des Namens wurde vielfach versucht, sie ist wohl : Bach des Gango.
Archivalien der Gemeinde : Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 5 (1 885), S. 263. Archiv der
Röder von Diersburg, Mitteil. Nr. 16 (1894), S. 74, und FDA. 13 (1880), S. 273 — 281;
*) S. 812.
2) a. a. O. I, S. 263.
336
KREIS OFFENBURG.
Z. 52, S. 671. Annales Gengenb. Monumenta Germ. hist. Script., 4°, Hannover 1826 sq.,
V, S. 389. Schulte, Acta Geng. 1233 bis 1235, Z. NF. 4, S. 90 — 114.
Literatur:1) E. Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes. J. Baum-
garten, Aus dem G. Klosterleben, Z. NF. 8, S. 436 — 493, 658 — 702; 9, S. 240 — 260.
Derselbe, Bilder aus G. Vergangenheit, Schauinsland 20, S. 11 — 33; 22, S. 1 — 43.
Alb. Ebbecke, Ein Bild a. d. bad. ev. Diaspora, K. Reiff 1891. H. Eh rensberger,
Beiträge zur Gesch. der Abtei G., FDA. 22, S. 257 — 275. W. Franck, Zur Gesch. der
Benediktinerabtei und der Reichsstadt G. (1525 — 1539), FDA. 6, S. 1 — 26; Z. S. 81 — 105.
W. Liibke, Kunstwerke und Künstler III, S. 349 f. Mayer und Ruppert, Beitr. zur
Gesch. des Klosters G., FDA. 16, S. 157 — 215. Ruppert, Beiträge zur Gesch. d.
Fig. 188. Gengenbach. (Nach einem Aquarell von J. Näher.)
Klosters G., Z. 3 1, S. 31 5 — 331 ; 32, S. 309 — 320 ; 33, S. 128 — 159. Simmler, Das
»Velletürlin« als Grenzbezeichnung der Gengenbacher Klostergrafschaft, Z. NF. 13, S. 165.
P. Staudenmeier, Kriegsdrangsale des Stiftes und der Stadt G. im 17. Jh., Deutscher
Hausschatz 7, S. 311. Beschreibung, geogr., der Landvogtey Ortenau, dann von den
drey Reichsstädten G. etc., Karlsruhe 1795. Führer durch Offenburg, Gengenbach und
Umgegend, herausg. von den beiden Schwarzwaldvereinssektionen O. und G. 1893.
G. und die Kinzigtal-Diaspora, Flugblatt Nr. 13 des bad. Hauptvereins der Gustav Adolf-
Stiftung. Stadt-Recht zu G., 2. Band der neuen Bad. Gesetzes-Sammlung, Karlsruhe 1805,
vgl. Bad. Bibliothek I, S. 7.
Ansichten: Kupferstich von Werner, ca. 1700, sowie ein Augsburger Kupferstich
von 1750 von Johann Christian Leopold (gest. 1750).
*) Da alle allgemeinere Literatur auch für die Geschichte der Stadt in Betracht kommt, ist sie
schon hier angeführt, nur die Nachrichten, welche sich rein auf das Kloster beziehen, bei diesem.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH
337
»Auf den wohlerhaltenen Grundmauern und in den Wällen eines römischen Stand- Stadtgeschichte
tjuartiers hatten die Benediktiner ihren Sitz genommen ; der überragende Burghügel, den
sie mit Rebenpflanzungen bedeckten und mit einer Kapelle schmückten, bewahrte durch
seinen Namen »Kastelberg« die römische Erinnerung.« ]) Schon 1289 wird er so genannt.
Sein zweiter Name aber: sant Einbettenberg ( 1 5 2 o), Casteiberg sonsten sanct Einbethen-
berg (1682), scheint auf noch höheres Alter zu deuten. Diese Einbetha, eine heilige
Jungfrau keltischen Ursprungs, finden wir vielfach am Ober- und Mittelrhein, überhaupt
im südlichen Deutschland bis nach Tirol.* 2 3) Sie kommt gewöhnlich mit zwei anderen
Jungfrauen, Warbethe und Wilbethe, vor und wird mit ihnen meist, wie hier, auf Berges-
höhen verehrt. Sie scheinen etwas ähnliches wie Schicksalsschwestern gewesen zu sein.
In christlicher Zeit wurden sie in Nothelferinnen verwandelt, so finden wir sie im Kloster
Adelhausen zu Ereiburg und es erhält sich ihr Kult bis in späte Zeiten. In Gengenbach
bekam Einbetha die Märtyrerinnen Felicitas und Perpetua beigesellt6) und man verband
sie in der Legende mit den Jungfrauen der h. Ursula, wie aus einer Beschreibung ihres
Lebens in den Klosterprotokollen vom J. 1682 hervorgeht.4)
An offenbar uralter Siedelungsstätte haben also die Römer ihre Station gegründet.
Einer der wichtigsten Straßenzüge des Dekumatenlandes führte schon in der Zeit der
Flavier über Gengenbach, die Kinzigtalstraße, deren erste Station von Straßburg aus nach
Kehl OfTenburg war.5) Selbstverständlich haben die Römer den so geeigneten Kastel-
berg nicht ohne Befestigung gelassen und wohl in der Ebene ein Lager errichtet (?), das
eine der minder wichtigen Stationen dieser Straße war. Auf dem Kastelberg ist der unten-
verzeichnete römische Fund gemacht und außerdem eine Anzahl römischer Münzen
entdeckt worden. Bei dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft fluteten die Scharen
der Alemannen über das Gebiet und verdrängten die Reste römischer Bevölkerung in
die Gebirgstäler. Dort hielten sie sich noch lange, und es scheint, daß eine besondere
Kunstfertigkeit sie beliebt machte und ihnen ihre Freiheit sicherte, nämlich ihre Fertigkeit
in der Gewinnung edler Metalle. Mit dem Bergwerksbau mag wohl das älteste Auftreten
des Namens Gengenbach verbunden sein. Gothein hat darauf hingewiesen, daß tief
im Gebirge, am Abhange des Mooswaldes, an den Quellen der Haigerach, noch jetzt
ein Forstrevier den Namen »im alten Gengenbach« trägt und ihn schon trug, »als
i. J. 1531 die Pfandherren der Landvogtei daselbst ein Silberbergwerk ■ einrichteten. In
ihrer Verleihungsurkunde berichteten sie, daß hier viele Mundlöcher alter Gruben vor-
handen seien ; sie müssen seit Jahrhunderten aufgelassen gewesen sein, denn keine frühere
Urkunde erwähnt sie. Hingegen sind in der ältesten aller Regalverleihungen als die
nördlichsten Bergwerke des Distriktes jene am »Mosebergk« aufgezählt, und wir werden
in ihnen das alte Gengenbach erkennen«.6) Da der spätere Ort Gengenbach in fränkischer
Zeit nicht an der Stelle der Stadt, sondern beim heutigen Friedhof gelegen haben muß,
4) Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes I, S. 209.
“) Baumgarten, Schauinsland 20, S. 12. Ihm folge ich in dieser Frage, da mir das ein-
schlägige Werk: Panzer, Bayer. Sagen und Bräuche, leider nicht zur Verfügung steht.
3) Z. NF. 8, S. 662.
4) Ebenda S. 666.
5) Fabricius, Die Besitznahme Badens durch die Römer, Neujahrsblatt d. bad. hist.
Komm. 1905, S. 39.
e) G o t h e i n a. a. O. S. 210.
33»
KREIS OFFENBURG.
so werden wir, wenn wir eine Anknüpfung an die keltische Niederlassung annehmen,
wohl auch die alemannische Ansiedelung hier suchen dürfen, und somit wäre die Kon-
tinuität von keltischer bis fränkischer Zeit wahrscheinlich.
Als dann mit dem 6. Jh. die Franken unsere Gegenden in Besitz nahmen, da
brachten sie auch ihren Nationalheiligen mit, den h. Martin, und nach ihm hieß künftig
die Pfarrkirche des Orts1) an der Stelle der heutigen Leutkirche vor der späteren Stadt.
Gegen die Mitte des 8. Jhs. wurde das Kloster gegründet und bald fanden auf dem
großen Platze vor diesem die Märkte statt; Dienstleute des Klosters werden sich somit
hier unter dem Schutze seiner Mauern angesiedelt haben, und so entstand vielleicht —
wie Gothein meint — noch in den alten, zerrütteten, aber noch brauchbaren Be-
festigungen die Stadt. Auf dem Eigengut des Klosters war sie angelegt. Wann das
Marktprivileg erteilt worden ist, wissen wir nicht. Als Bamberg in den Besitz des Klosters
gelangte, ward die Stadt mit anderen Lehen in der Mortenau den Zähringern überlassen.2)
Und so erscheinen diese im n.Jh. als Herren. Nach ihrem Aussterben im 12. Jh.
erhielt Kaiser Friedrich für 4000 Mark Silber diese Lehen.
In den großen kirchlichen Kämpfen Heinrichs IV. war das Kloster auf des Kaisers
Seite gestanden. In den vielen damit verbundenen Zwistigkeiten scheint es immer mehr
verfallen zu sein, und die Ministerialen erlaubten sich daher verschiedentlich Übergriffe
auf das ihm vorbehaltene Eigen.
Im 1 3. Jh. endlich entbrannte dann ein Streit mit dem Kloster in Angelegenheiten
der Leutkirche, worüber in der untenstehenden Geschichte des Klosters das Nähere nach-
zusehen ist. Hier interessiert nur, was wir gelegentlich dieses Streites über die Ver-
fassung der Stadt hören.3) Der Kaiser und sein Sohn (Heinrich) verfügten über das
Reichsgut in der Ortenau ebenso wie über die Bamberger Lehen. In der Ortenau waren
damals zwei königliche Schultheißen, zu Mahlberg und Offenburg, welch letzterem auch
die Burg Ortenberg ofifengestanden zu haben scheint. Sie sind nicht etwa die späteren
Stadtschultheißen, wogegen das Benehmen des Schultheiß Konrad von Offenburg spricht,
sondern sie erscheinen als Verwalter des gesamten Reichsgutes in der Nachbarschaft,
also die Vorläufer der späteren Reichslandsvögte, aber noch mehr mit städtischen Ver-
hältnissen verwachsen. Zu ihnen gehört, als gemeinsam mit der Verwaltung beauftragt,
der Schultheiß Wölflin von Hagenau. Alle drei sollen den Abt in dem Streite schützen,
Schultheiß Konrad von Ofifenburg aber steht offenbar auf der Seite der Gegenpartei.
Neben ihnen erscheint noch ein Reichsvogt Reinbold auf Ortenberg, der jedoch offenbar
nur ein militärischer Beamter war. Endlich findet sich noch ein Landrichter in der
Ortenau, damals ein Herr von Bodmann, ein eigentlicher Beamter, der nur der Recht-
sprechung vorsteht. Als später — im 14. Jh. — das Schultheißenamt in Offenburg zu
einem ausschließlich städtischen Amt geworden war, hat dann der Landvogt auf Ortenberg
die Kompetenzen jenes.
1) Woher Kolb zu der Annahme kommt, am Abhang des Kastelberges hätte sich jetzt ein
fränkisches Dynastenschloß erhoben, in dem der Stifter des Klosters gewohnt, weiß ich nicht.
Baum garten hat sie übernommen.
2) Gothein a. a. O. S. 21 1, auf dem überhaupt der größte Teil der Darstellung, oft
wörtlich, fußt.
a) Schulte, Acta Gengenbacensia 1233 bis 1235, Z. NF. 4, S. 90 ff., und Gothein a. a. O.
S. 212 f.
AMT OFFENEURG. — GENGENBACH.
339
Die Streitigkeiten Friedrichs mit dem Papste machte sich das nach Erweiterung
seines Territoriums konsequent strebende Bistum Straßburg zunutze; 1247 eroberte
Bischof Heinrich von Stahleck außer Ortenberg und Offenburg auch Gengenbach. Er war
es, der des letzteren Befestigungen verbesserte, einen Wehrgang baute etc. Und während
der ganzen Dauer des Interregnums blieben die Bischöfe im Besitze; so hören wir 1267
von der »Universitas oppidi de Gengenbach, dilecti fideles episcopi Argentinensis«. Erst
Rudolf von Habsburg brachte die Ortenau wieder dem Reiche zu. Er regelte auch
die Verhältnisse des Klosters zu seinen Hintersassen und Zinsleuten. Und nun blieb die
Landvogtei einige Zeit unmittelbar dem Reiche untergeben, Gengenbach stand mit den
anderen Städten, mit Zell und Offenburg, mit denen es die gleichen Schicksale hatte und
durch engste Interessenbande verknüpft war, deshalb auch zu König Adolf, der den
Städten sehr günstig gesinnt war, ein Zeichen davon ist vielleicht der Vertrag, den Gengen-
bach 1308 mit dem Landvogt Otto von Ochsenstein abschloß: »wir Otte der Herre
von Ohsenstein tun kund, das wir über ein körnen mit den bürgern von Gengenbach,
das siu uns han erwelt und genomen zu herren und zu pfleger und das och wir siu
hant empfangen und genomen in unsern schirm und pflegenie bis an ihren rehten
herren, und swenne siu den gewinnent, so sullent siu von uns und och wir von inen
gütliche und alles dinges lidig sein«. Es wurde bestimmt, daß die Stadt nie mehr
als 40 Mark Silber zu Bet und Steuer geben sollte.
1309 sah sie dann königlichen Besuch in ihren Mauern, Heinrich VII. Nicht
lange aber dauerte das vorteilhafte Verhältnis zum Reiche, sondern bald begannen die
Könige, Reichsgut und Stadtsteuern nur als gute Versatzgegenstände zu betrachten. Und
so ward denn die I.andvogtei an die Markgrafen von Baden versetzt. Aber schon 1351 '
wurde den Bischöfen von Straßburg die Erlaubnis verliehen, sie von jenen zu lösen,
das gleiche Recht 1356 auch dem Pfalzgrafen, der indes erst 1405 davon Gebrauch
machte und die Hälfte der Berechtigungen einlöste. — In den Kriegen der Bischöfe
von Straßburg mit ihrer Stadt hatte daher auch Gengenbach zu leiden ; so wurde es am
Ende des 14. Jhs. von den Straßburgern belagert, und wir hören 1395, »daz die statt zu
Gengenbach von des Krieges wegen, alse die von Straßburg vor Gengenbach lagent und
die vorstette brantent, in semelichen großen kosten gebreslen und schulden gevallen
sint«. Das ganze 15. Jh. blieben der Bischof und der Pfalzgraf »gemeinsame Pfand-
herren, erhoben ungeteilt die Einkünfte und nahmen beide ihre Untertanen in Eides-
pflicht, wie es bei solchen Kondominaten üblich war«.1)
Uber die Verfassung der Stadt wäre etwa folgendes zu sagen: Sie besaß im all-
gemeinen freie Selbstverwaltung. An der Spitze derselben standen noch bis zum Ende
des 13. Jhs. der Schultheiß und die Geschworenen, die Zwölfer. Im 14. Jh. trat daneben
der Bürgermeister und der Junge Rat oder auch der Neue Rat. So heißt es 1351 »die
zwelfe, die dez alten rates sin«, und dagegen der »newe Rat« in einer Aufzählung seiner
Mitglieder von 1360.2) Infolge dieser Entwickelung hat sich das Zwölferkollegium
mit dem Schultheißen wesentlich auf die Rechtsprechung zurückgezogen. Diese Be-
schränkung zeigt sich z. B., als die Städte 1308 sich in Otto von Ochsenstein und 13I3
iti Ritter von Murhard einen Pfleger wählen, die Wahl geschieht offenbar von der
*) Gothein a. a. O. S. 214.
2) Krieger I, S. 690.
34°
KREIS OFFENBURG.
Gesamtheit der Reichsleute. Hingegen haben die Zwölfer darüber zu erkennen, was
ihrer Stadt Freiheit sei, »und der Träger der öffentlichen Gewalt hat sich jeweils ihrem
Weistum zu fugen«. Sie haben im öffentlichen und privaten Recht — in beiden ist ihr
Ausspruch bindend — nicht neues Recht zu schaffen, sondern das alte zu wahren.
Dieses wichtige Recht haben die Städte sich wiederholt von den Kaisern bestätigen lassen,
es war die Grundlage und das Hauptstück ihrer Verfassung. »Lag die Vermutung vor,
daß ein Recht der Stadt gekränkt sei, so wandte sich der Junge Rat im Namen der
Gemeinde, als deren eigentlicher Vertreter er erscheint, an den Alten Rat um einen
Rechtsspruch « »Die Zwölfer erscheinen hier also immer in ihrer Eigenschaft als ein
vom Kaiser gesetztes Gericht« und sie wahrten sich konsequent diesen Charakter. Nur
einige Verwaltungsbefugnisse hatten sie auszuüben, bezüglich des Besitzes, der vom Reiche
herrührte oder aus einer Zeit stammte, wo es nur das Zwölferkollegium gab. In allen
anderen Verwaltungssachen war der Junge Rat zuständig.
Laut Privileg von 1331 stand dem Abt des Klosters die Ernennung des Schult-
heißen zu, zusammen mit Wassermeier, Bannwart, Zinsmeister und Mesner, welche alle
Steuerfreiheit genießen. Später fällt der Bannwart weg und an die Stelle des Wasser-
meiers ist der Oberbote getreten. Schultheiß, Oberbote und Mesner haben den Ehren-
dienst beim Abt, wenn er ein feierliches Hochamt hält, sie tragen ihm den Stuhl und
breiten den Teppich. Da diese Männer, »die Fünfschezzer«, zugleich die freien Zinsleute
am Dinggericht vertraten, so war also die Besetzung der Ämter von Wichtigkeit; wir
verstehen daher, warum die Gemeinde von Gengenbach am Ende des 13 Jhs. eben
wegen Besetzung des Mesneramtes einen heftigen Streit mit dem Abte hatte.
Vor allem aber war natürlich die Besetzung des Schultheißenamtes, der auch Urteil-
finder im Dinggericht war, ein Gegenstand des Streites. Die Frage, wer ihn einzusetzen
habe, war lange im Ungewissen geblieben und dem Abte nur ein Einspruchsrecht
bewahrt gewesen, bis — wie oben gesagt — Kaiser Ludwig das Recht dem Abte verlieh.
Aber auch danach war es für diesen noch nicht leicht durchzusetzen. Lange Zeit
waren die Herren von Swaibach im Besitz des Amtes gewesen und hatten davon sogar
den Namen angenommen. Es sind wohl die im 13. und 14. Jh. erwähnten Reimboldus,
Bertholdus, Johannes etc. Sie wollten von ihrem Erbrecht nicht weichen, und so kam
es zur Fehde, da ein Teil der Geschlechter und des benachbarten Adels zu ihnen hielt.
1344 wurde durch Vermittelung Straßburgs und Offenburgs der Krieg beigelegt. Gegen
eine bedeutende Abstandssumme verzichteten die Swaibachs auf ihr Recht wie auch
darauf, ein Pförtchen in der Mauer zu haben, durch das sie Bewaffnete einlassen konnten.
Doch sagte ihnen der Abt zu, daß er ihnen Gnade tun wolle am Schultheißenamt,
jedoch ohne dauernde Verpflichtung, und so finden wir denn auch wieder 1361 »Johannes
Sweipach« als Schultheiß, später aber auch andere Mitglieder des Gengenbacher
Patriziates.
Was die Zwölfer betrifft, so haben sie das Recht, sich selber zu ergänzen, sei es
aus dem Jungen Rat, sei es aus der Bürgerschaft. In letzterem Fall muß das neue
Mitglied zugleich den Ratsherren- und den Zwölfereid schwören. »Gegen das Reich
und die Pfandherren hatte das Kollegium nur die Verpflichtung, ihnen die Gerichtsfälle,
soweit sie ihnen zustehen, einzusammeln. Als Pfleger von des Reichs wegen hatten sie
in der Stadt einen freien Sitz; sie waren völlig steuerfrei« und als derartig bevorrechtete
Korporation hielten sie nach außen hin streng zusammen.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
341
In ihrer Selbstverwaltung waren also die Gemeinde und ihr Gericht nirgends
beeinträchtigt; auch das Recht der Steuererhebung stand ihnen zu. Als Bürger der
Stadt standen sie nur unter dem Reiche oder dem Pfandherrn. Da sie aber vom
Kloster herrührende Allmende genossen, so mußten sie im allgemeinen Dinggericht
erscheinen. Für Abänderung eines Rechtes war nur bei den Gotteshausleuten die
Zustimmung des Abtes nötig, die freie Gemeinde stand nur unter dem Vertreter des
Reiches.
Die Befugnisse des Reiches waren seit der Mitte des 14. Jhs. (s. oben) an Pfand-
herren übergegangen, diese übernahmen dieselben Verpflichtungen wie die einzelnen
Vögte. Sie hatten die Zwölfersprüche «nzuerkennen, die völlig unabhängige Gerichts-
barkeit der Städte zu gewährleisten, ebenso ihren Besitz an Wäldern und Wassern, sie
mußten versprechen, nicht gegen den Willen der Bürgerschaft neue Gebäude aufzuführen,
neue Bewohner anzunehmen sowie die Juden bei ihrem Rechte zu erhalten. Als Gegen-
leistung wird der Bezug der Reichssteuer, in Gengenbach 40 Mark Silber, bestimmt.
1351 schwor Bischof Bernhard von Straßburg, diese Verpflichtungen zu halten;
trotzdem suchte das Bistum begreiflicherweise seine Gerechtsame auszudehnen. Und
richtig erlangte es auch 1358 ein Privileg des Kaisers, daß alle Pfandstädte außer dem
Reichshofgerichte nur dem Gerichte des Bischofs unterstehen sollten. Mit dieser Fest-
stellung der richterlichen Autorität wären die Reichsstädte allmählich zu einfachen Land-
städten herabgesunken. Damals aber war Abt des Klosters Lambert de Burn, eine
hervorragende Persönlichkeit in Wollen und Taten. Wie er in den Beziehungen des
Klosters zur Stadt in gerechter Weise für diese sorgte, so jetzt für ihre Selbständigkeit.
Er wußte eine neue Entscheidung herbeizuführen, Karl IV. erteilte das große Privileg
von 1366, das die alten Freiheiten sicherte: Die Städte sollen, so oft sie versetzt oder
verpfändet sind, das Recht genießen, daß die Zwölf des Alten Rats sagen dürfen, was
der Stadt Freiheit sei ; außer dem Reichshofgericht sollen die Bürger nur dem Zwölfer-
gericht unterstehen etc. In einer glänzenden Versammlung von Fürsten und Edlen
bestätigte der Kaiser diese Urkunde, in der die Städte die Grundlage ihrer Reichsfreiheit
sahen. Sie haben sich dieselbe in den kommenden Jahrhunderten trotz der damit ver-
bundenen hohen Kosten immer wieder bestätigen lassen, Gengenbach allein im 15. Jh.
zehnmal.
Vor allem aber vereinbarten sich die drei Städte zu einer gemeinsamen Auslegung
ihrer Verpflichtungen, zu einem treuen Zusammenhalten im Schutz ihrer Rechte. Es
existiert noch eine Aufzeichnung aus dem 14. Jh. darüber.
Unter gewissen Bedingungen stand bei Fehden des Pfandherrn seinen Truppen
der Zutritt in die Städte offen, was natürlich nicht gerade angenehm empfunden wurde.
Als nun die doppelte Pfandherrschaft eintrat, gelang es den Städten, völlige Neutralität
zu erreichen. Überhaupt gestattete ihnen dies Doppelverhältnis die Politik, immer einen
Pfandherrn gegen den anderen auszuspielen. Und auf der Hut waren sie vor Beein-
trächtigung ihrer verbrieften Rechte und wußten insbesondere alle Eingriffe in ihre
Gerichtsbarkeit abzulehnen.
In der geschilderten Richtung etwa bewegte sich die äußere Politik der Stadt
während des Mittelalters; im Innern waren es die Kämpfe gegen den sozialen und wirt-
schaftlichen Druck des Klosters, die den Inhalt seiner Geschichte ausmachten. In dem
Weistum von 1275 waren die Berechtigungen des Klosters, das ja der Grundherr war,
342
KREIS OFFENBURG.
festgestellt. Sie waren groß genug. »Der Leibfall wird von jedem Freien oder Unfreien,
der von des Gotteshauses Gut etwas innehat, unterschiedslos erhoben, auch der Fremde,
der Jahr und Tag zwischen diesen Zielen bleibt, ohne nachfolgenden Vogt, wird zum
Gotteshausmann, und wen auf der Durchreise der Tod ereilt, von dessen Habe wird der
Fall oder, wenn sich kein Erbe meldet, diese selber für Abt und Kastvogt in Beschlag
genommen.« Dazu war noch ein besonderer Güterfall eingerichtet worden, der besonders
lästig wurde : von jedem Stücke Gut, ob es unter die alten oder die neuen Güter gezählt
werde, ob es viel oder wenig sei, gebührt je ein Fall dem Kloster. Bei jedem Wechsel
des Gutes wurde wieder das Obereigentum geltend gemacht; bei jeder neuen Leihe
mußten die Erschätze entrichtet werden. Man kann sich vorstellen, wie erbitternd das
wirkte, da man doch schließlich ja das ursprüngliche Klosterlehen als Eigenes betrachtete.
Gewaltig waren auch die Anrechte des Klosters als Grundherr an Wald und Wasser.
Fischfang und Benutzung des Wassers in den Bächen in dem ganzen Gebiete (von
Haslach etwa bis Staufenberg etc.) waren von dem Willen des Abtes abhängig, in der
Kinzig waren ihm alle großen »bännigen« Fische zugesprochen. Ähnlich groß auch
die Berechtigung des Klosters in den Forsten.1) Wie mußten sich Bürger und Bauern
in ihrem wirtschaftlichen Vorwärtsdrang gehemmt fühlen !
Aber es sollte noch schlimmer werden ! In den Kämpfen Ludwigs des Bayern
wußte das Kloster von diesem, der die Anhängerschaft desselben belohnen und sich
sichern wollte, neue Privilegien zu erhalten. Die Gebundenheit des Landvolkes, die
Obrigkeit des Klosters wurde darin mit einer für die Folge verhängnisvollen Schärfe
betont. Das alte, 1275 nicht erwähnte Anrecht auf zwei Drittel des Allmendgenusses
erscheint jetzt wieder, und die Gemeinden werden in der Verwertung der Allmende von
dem Willen des Klosters abhängig gemacht. Der Leibeigene, wo er sitzen mag, soll
doch überall dem Kloster vom Leibe fallbar bleiben. »Wo Ungenossen einander freien,
Mann oder Frau, da zieht das Kloster ohne weiteres zwei Drittel ihrer Habe ein.«2)
Außerordentlich spitzfindig wurde die Fallpflichtigkeit ausgedeutet. Sollte doch der
Bauer, wenn er in gefährliche Krankheit fiel, kein Vieh mehr verkaufen dürfen! Und hat
er es doch getan, etwa gar das Besthaupt, so mußten die Erben es einlösen auf ihre
Kosten. Auch wenn er nur Anteil an Vieh hatte, ein Drittel oder ein Viertel, so mußte
auch hiervon der Fall gereicht werden. Haben die Erben aber nicht das Beste gegeben,
dann ist das Gegebene verloren und das Besthaupt noch dazu. Man stelle sich die
Erbitterung vor und denke sich den kleinen Umfang des Städtchens ; mit welchem Haß
mögen manche Bürger die nahen Klostermauern betrachtet haben.
Zunächst zwar ließen sich die Dinge noch günstiger an. Denn auf dem Abtsstuhle
saß eben jener Lambert de Burn, der Gengenbach seine Kaiserprivilegien erwirkt hatte.
Möglich, daß er selbst aus der Gegend stammte, aus dem Geschlecht der Burne, von denen
gerade damals (1363) einer, Wilhelm, das Schultheißenamt bekleidete.3) Er hat auch hier
nicht nur als rechtlicher, sondern auch als politisch weitdenkender Mann den Weg der
Mäßigung eingeschlagen und mit dem Rat einen Vertrag geschlossen, »in dem das
Kloster auf die zwei Drittel der Nutzung und des Geldes aus den Allmenden verzichtete
*) Gothein a. a. O. S. 236.
2) Gothein a. a. O. S. 237.
3) Gotheins Vermutung. Gewöhnlich nimmt man an, daß er aus dem elsäß. Geschlecht
von Niederbronn stammt.
AMT OFFENEURG. — GENGENBACH.
343
oder vielmehr den Anspruch in die jährliche Abgabe eines kleinen Florentiner Guldens
und einen geringfügigen Erschatz umwandelte, sowie die Forsthoheit der Stadt, Wälder
in Bann zu schlagen, anerkannte«. Noch im 18. Jh. hat der Prior Domblüth ihm das
nicht vergessen und eine bissige Notiz darüber in der Klosterchronik gemacht.
Wie wir es in Offenburg sehen werden, so begann nun auch Gengenbach eine
aktive Ausbürgerpolitik, die aber hier unendlich stürmischer verlief, denn man versuchte
es hier, hörige und freie Gemeinden ganz mit sich zu verschmelzen, d. h. also, man
beschränkte sich nicht auf die Aufnahme als Ausbürger. So inkorporierten sich die
Ohlspacher 1402 der Stadt; sie verbanden sich zu einer Zunft, wie das auch andere
Vogteien schon getan hatten, gelobten Meister und Rat Gehorsam; ihr Dorfeigentum
behielten sie als Zunfteigentum weiter. Die Zünfte nämlich waren — worauf diese Notiz
weist - in Gengenbach zum Regiment gekommen, wie es scheint, nicht ohne Gewaltsam-
keit. Dieser Zunftverfassung aber war keine lange Dauer beschieden. Der Schultheiß
und der bisherige Rat wollten die Veränderung nicht anerkennen und wandten sich an
den Inhaber der Reichsvogtei um Entscheidung. Und diese erfolgte in den Zünftlern
ungünstigem Sinne, die alte aristokratische Verfassung der Zwölfer kam wieder in
Geltung, der Junge Rat war daneben gänzlich unbedeutend. Sögar das Amt des Stätt-
meisters wurde abgeschafft.
Nach der Niederwerfung dieser populären Bewegung wurden die Beziehungen zum
Kloster Gengenbach immer drückender. In diesem hatte zudem, wenige Jahre nach
Lamberts Tode, die Tendenz gesiegt, nur noch Adelige aufzunehmen: es wurde so recht
das Spital des Ortenauer Adels. Und so wurden die Rechte des Klosters nur als
Bedrückungen des Adels empfunden. Das Dinggericht verschwand und an seine Stelle
trat das Mannengericht. In diesem konnte noch der Gengenbacher Schultheiß die Rechte
der Stadt und der Bürger vertreten. Als dem Abt das aber unbequem wurde, da berief
er den Schultheiß nicht mehr zu diesem Gerichte ein ; die Pfandherren entschieden,
daß er ihn wohl berufen müsse, daß derselbe aber nur seine Stadt, nicht private Händel
vertreten dürfe. Dazu kamen Waldstreitigkeiten ernster Art. Das Nutzungsrecht der
Bürger war auf ein Minimum eingeschränkt, und noch eifersüchtiger hielt das Kloster bei
den Gewässern sein Eigentum aufrecht, ') auch die neu entstandenen Wasserwege fielen
dem Abte zu. Ungerecht vor allem aber war es, wie das Kloster die Fallpflicht aus-
dehnte. Es hatte i. J. 1424 von dem Landvogt Bernhard von Eberstein eine Bestimmung
erwirkt, »wonach alle und jegliche Einwohner zu Gengenbach und in der Grafschaft als
solche vom Leibe fallpflichtig seien, während bisher doch immer diese Verpflichtung
vom Besitz der Güter abhängig war. Der Güterfall ward zugleich wiederum dahin
bestimmt, daß so viel Güterstücke jemand vom Kloster besitze, er auch so viel Fälle zu
entrichten habe«.1 2) Das führte denn zu den unleidlichsten Bedrückungen. Endlich
forderte der Abt auch noch den Zinspfennig. Dagegen erreichten die Bürger wenigstens,
daß er dem Abt nur von seinen Eigenleuten zugesprochen wurde, aber »es möchte sich
dem Kloster zu eigen geben, wer nur immer wolle«. Und ganz besonders lästig war
auch, daß der Abt seine Eigenleute den städtischen Verpflichtungen und Obrigkeiten
entzog. Dazu kam noch die überaus drückende Weise, in der der Zehnte erhoben
1) Gothein a. a. O. S. 246.
a) Ebenda S. 247.
Band VII.
23
344
KREIS OFFENBURG.
wurde, so daß der Zinsmeister des Klosters eine gefürchtete Person war. Ging man
doch mit solch raffinierter Spitzfindigkeit vor, daß der Bauer sich mit seinem Viehstand
und Mobiliar in äußerster Unsicherheit befand. Die Pachtzinse der meist dem Abt
gehörigen Reben um Gengenbach wurden auf die unvernünftigste Weise in die Höhe
getrieben.
Kurz, der Druck war unerträglich, und der offensichtliche Beweis für denselben
lag in dem Rückgang der Bevölkerung. Viele Häuser standen in Gengenbach leer und
verfielen. 1484 hören wir, daß »allein in den letzten Jahren zwölf Bauernhöfe durch
Schuld der unerbittlichen Zinsmeister abgegangen seien und wüst ständen«. Der im
Kloster vertretene Adel hatte begonnen, die Gegend auf das schamloseste auszusaugen.
Am Ende des i5-Jhs. wehte ein frischer Wind durch die deutschen Lande. Der
vielversprechende Maximilian bestieg den Thron, und an ihn wanden sich denn auch
sofort die Ortenauer Reichsstädte. Er ordnete zunächst an, daß alle, auf deren Hof-
stätten ehemals Häuser gestanden, diese wieder aufbauen müßten, welche Weisung sich
vor allem gegen das Kloster kehrte. Ganz besonders scharf aber ging er 1495 auf
dem Reichstag von Worms gegen dieses vor. Er befahl, den Bürgern sofort die Haupt-
und Leibfälle zu erlassen, sie in den Gebrauch der Fischwasser einzusetzen, die öden
Hofstätten binnen Monatsfrist aufzubauen; auch stellte er das Bürgermeisteramt wieder
her. Es wurden nun wieder zwei Stättmeister gewählt, einer aus dem Alten und einer
aus dem Neuen Rat, als Vertreter der Selbstverwaltung der Gemeinde.
Nun galt es, das Erreichte durchzusetzen; es kam zu Prozessen und zu Tag-
satzungen 1496 unter dem Vorsitz der Pfandherren, die jetzt unter dem Einfluß des
Kaisers den Städten geneigt waren. Die Leibfälle wurden aufgehoben, die Unrecht-
mäßigkeit des Zinspfennigs erklärt, die Güterfälle blieben, aber es wurde eine Norm für
billiges Eintreiben, gerechten Anschlag, Erlaß je eines Viertels festgesetzt.
Der Kaiser hatte Gelegenheit, sich noch weiterhin mit den Angelegenheiten der
Ortenau zu beschäftigen. Nach der Niederlage der Kurpfalz im Landshuter Erbfolge-
kriege und nachdem Maximilian selbst vor Ortenberg gezogen war, mußte Kurfürst
Philipp die Reichspfandschaft Ortenau abtreten. Die Städte hatten den Kaiser kräftig
unterstützt, und dankbar forderte er 1504 die Zwölferkollegien der drei Städtö auf, alle
Rechte durch Spruch festzustellen. Das geschah, und so wurde auch der Anspruch des
Straßburger Bischofs als Pfandherrn auf seinen Anteil an der Reichssteuer eingeschränkt.
Auch als nach der Verpfändung der Landvogtei an den Fürstenberg dieser gegen manche
Rechte der Städte vorstellig wurde, hatte er bei dem Kaiser keinen Erfolg.
Bei diesen seinen Aufenthalten in der Ortenau hatte Maximilian verschiedentlich
in Gengenbach gewohnt, und zwar im Kloster. Der hochgebildete Abt Philipp von Esels-
berg erfreute sich seiner Gunst. Und so glaubte auch das Kloster manches erreichen
zu können. Wieder griff Maximilian persönlich ein und ernannte 1507 zu Hagenau eine
Kommission zur Schlichtung aller Streitpunkte. Diese entschied gegen eine Ablösungs-
summe von 1100 fl. an das Kloster für alle Bürger der Stadt und für alle, die in deren
Kirchspiel, Gebiet oder Gerichtszwang wohnten, völlige Ablösung von der Leibeigen-
schaft, kein Leib- oder Todfall solle mehr gestattet werden. Die Erschätze wurden
geregelt; der Güterfall wesentlich erleichtert, das Recht des Klosters auf Fischwasser
wurde dagegen formell anerkannt. Nur die Städte, hier nur Gengenbach für seine Bürger
und Bauern, hatten das aber erreicht. Für alle anderen, welche zwischen Schwigenstein
AMT OFFENBORG. - GENGENBACH.
345
und Velletürlein wohnten, wurde bestimmt, daß sie Gotteshausleute seien ; der Grundsatz,
daß hier die Luft unfrei mache, wurde mit aller Strenge durchgeführt. Alle geschilderten
Bedrückungen blieben auf den nicht zur Stadt Gehörigen liegen. Und so war denn
der Zündstoff gegeben, der bald zu hellem Brand werden sollte. »Alles drängte,« wie
Gothein sagt, »der großen Katastrophe des deutschen Bauernkrieges zu.«
Als die Stürme des Bauernkrieges über die oberrheinischen Lande dahinbrausten,
da blieben die drei Reichsstädte von ihren schlimmen Wirkungen ziemlich verschont.
Ihre Verfassung, in der Bürger und Bauern mit genügenden Berechtigungen zusammen-
gefaßt waren, bot Gelegenheit zu friedlichen Auseinandersetzungen; bereits seit einem
Jahrhundert war der Kampf um wirtschaftliche und soziale Erleichterungen hier auf gesetz-
lichem Wege geführt worden. Die Städte schlossen sich nicht den Aufständischen an, aber
sie besaßen ihr Vertrauen wie das der Obrigkeiten, sie konnten deshalb in günstiger
Weise vermitteln und so kam mit ihrer Beihilfe die Achemer Abrede zu stände und der
Ortenauer Vertrag zu Renchen, womit der Aufstand glücklich beendigt wurde. Auch
das Kloster blieb verschont, da es (s. unten), allerdings nur mit vorübergehender Wirkung,
unterdes säkularisiert worden war und also kein Konvent mehr da war, gegen den sich
der Zorn richten konnte. Sorgenvoll immerhin waren die Zeiten, und bei dem allgemeinen
Kriegszustände sorgten Rat und Gemeinde dafür, daß jeder, vom obersten bis zum
niedersten, zum Schutz der Stadt und zum Zusammenhalt bereit war.
Die Reformation hatte unterdes in Gengenbach Fortschritte gemacht und die Ver-
teidigung der alten Richtung war ziemlich unterlegen, als die Landvogtei an Friedrich
von Fürstenberg kam und damit die Rekatholisierung der Gegend begann. Zwar setzte
man der Einführung des Interims zunächst Widerstand entgegen, aber auf die Dauer,
zumal als die fürstenbergische Herrschaft aufhörte und die ungeteilte Pfandherrschaft
an Österreich kam, war der Standpunkt nicht zu halten. In der kirchengeschichtlichen
Darstellung ist des näheren auf diese Verhältnisse eingegangen wie auch auf die Geschicke
des Klosters, worauf ich hier verweise.
In der zweiten Hälfte des 1 6. Jhs. war Gengenbach wieder katholisch geworden,
das Kloster als bürgerliches Kloster wiederhergestellt. Und nun begann, wenn auch
lange nicht mit der Erbitterung und der Schärfe früherer Zeiten, der alte Streit um die
Privilegien. Er füllte die folgenden Jahrhunderte aus, ohne aber zu wirklichem politischen
Leben zu verhelfen. Dem allgemeinen Rückgang politischen und geistigen Lebens in
Deutschland unterlagen natürlich vor allem auch die drei kleinen Städte, deren Reichs-
freiheit übrigens noch nicht über allen Zweifel erhaben war. Der österreichische Land-
vogt versuchte Übergriffe, so kam es 1566 zu Zwistigkeiten und es weigerten sich 1572
die Städte, die Reichs- und Türkensteuern auszuzahlen. Damals schlossen sie zur Ver-
teidigung ihrer Rechte einen geheimen Bund, der 1614 erneuert und öffentlich wurde.
Die Differenzen mit Österreich waren schon 1590 beigelegt worden, aber nun verdüsterte
sich der politische Horizont immer mehr, der Dreißigjährige Krieg brach aus : die Städte
schlossen sich immer enger aneinander, um nicht auf das Niveau einer vorderöster-
reichischen Landstadt herabgedrückt zu werden. Ofifenburg wehrte sich zunächst noch
mit Erfolg gegen die Einlegung einer Besatzung, Gengenbach hatte sich freilich eine
solche gefallen lassen müssen und ward 1622 sogar zum Hauptquartier. Die Kaiser-
lichen hausten wie überall so auch hier übel, und die Stadt litt vielfach unter den ver-
schiedenen herumziehenden Heereskörpern. Abt und Konvent waren über den Schwarz-
23*
346
KREIS OFFENBURG.
wald geflüchtet. Das größte Verderben aber brachte das Jahr 1643, als im Spätjahr
die Armee Bernhard von Weimars die Stadt in Brand setzte. Der Konventuale Feinlin
hat uns darüber folgenden anschaulichen Bericht hinterlassen: ’)
»Den 2. Sonntag in der Fasten, als den 1. Martii a. 1643, als man den Gottesdienst anfangen
wollte, hat sich eine von der Weim arischen Armee reitende Partie vor der Stadt allhier sehen
lassen. Weilen dann aber der Obrist-Lieutenant Byßinger mit 100 oder mehr Pferden allhier
angelangt, also ist er auf sie losgegangen, dieselben bis nacher H a ß 1 a c h in die Flucht gejagt, allwo
schon über 500 Weimarische gelegen, welche plötzlich wider Firn. Byßinger und Hrn. Jakob
Großen, Rittmeistern von Offenburg, einen Ausfall gethan, etwelche ihrer Soldaten niedergehauen
und gefangen bekommen und gleich morgens frühe, als beide Hrn. Obrist-Lieutenant und Rittmeister
sich noch allhier, ist von den Weimarischen unversehens angekommen Hr. Obrist Roß wurm mit
1000 Kommandirten Reitern, welche das Städtlein umringt, also daß beinelte 2 kaiserliche Offizier
sich kümmerlich mit der Flucht salvirt und der ihrigen etwelche in der Flucht verloren haben.
Worauf dann Gengenbach aufgefordert worden, mit Versprechen hiesige Soldaten, deren 70 Mann
sanunt einem Lieutenant Michael Schöffel aus Offenburg, Schauenburgischen Regiments, allhier
gewesen, solche frei und sicher nach Offenburg convoyren zu lassen. Weilen ihnen aber die Ueber-
gabe des Orts abgeschlagen worden und man allhier der Hoffnung war, es sollte die ganze feind-
liche Armee nit anlangen, so ist doch wider Vermuthen Dienstag den 3. Martii Hr. General Comte
de Guebriant mit der ganzen Armee angelangt und alsbald, weil der Kommandant nicht gleich
auf Diskretion ergeben wollte, die Stadt mit Stucken beschießen lassen, doch auch inzwischen einen
Serganten unter dem Namen eines Fähndrichs hereingeschickt, mit der Condition, das man den
Fähndrich von hier hinausschicke, welches, nachdem es geschehen und kein Vergleich wegen Ver-
sicherung der Soldaten, Pardon und Convoyrung naher Offenburg hat können getroffen werden, als
ließe der schwedische General seinen Serganten wiederum abfordern, welcher, nachdem er über den
Schutzgatter hinausgekommen, ist unser Fähndrich (welcher gleichfalls hereingewollt) von ihnen
wiederum zuruckgenommen worden, mit Bedrohung, wenn sich jetzt der Cominandant nit ergeben
wollte, solle alsbald dem Fähndrich das Leben genommen und nach Eroberung der Commandant
aufgehenkt werden. Weil man bei solcher Gestalt der Sachen nicht wußte, was zu thun wäre, und
die armen Pfarrkinder nit in die höchste Gefahr gerathen und mit sainmt dem Fähndrich das Leben
lassen müßten, bin ich I’. Leonhard Feinlein und I Ir. Martinus Pistorius des jüngeren Raths allhier
hinausgegangen und mit einem gethanen Fußfall bei dem Hrn. General um Barmherzigkeit und Ver-
schonung der armen Pfarrkinder, welche damalen alle in der Klosterkirch sich versammelt, gebeten.
Dann nichts Gewißers zu erwarten war, als der äußerste Untergang, massen der Klosterthurm und
die Mauren durch starkes schießen schon etliche Löcher bekommen. Worauf wir von Hrn. General
die Antwort bekommen : Sofern der Lieutenant sich nit in einer Viertelstund ergeben werde, soll ein
Exempel statuirt werden, dergleichen nit viel erhört worden, daß auch sogar dem Kind im Mutterleib
nicht verschont werden solle. Darauf nach geschehener Relation hat Hr. Lieutenant sich zu ergeben
anerboten, woferne ihm und allen bei ihm habenden Soldaten Versicherung des Lebens und daß sie
nit ausgeplündert werden sollten, zugesagt würde. Welches dann Hr. General versprochen und man
darauf die Porten ihnen eröffnet und die darin gewesenen Soldaten sich haben müssen unterhalten
lassen, ist also der Accord schlecht gehalten worden. Darauf Hr. General Feldzeugmeister, ein
geborner Herzog v. Württemberg, wie auch Hr. Obrist Lüzau, Hr. Gen. Schön bech das
Quartier im Kloster genommen und alles Gute sich anerboten. Aber als des anderen Tages Mittwoch
d. 4. Martii obige Herren abgereist, ist der Einfall von rohischen schottischen und fläschmarischen (?)
Soldaten in das Kloster geschehen, alles ausgeplündert, zerschlagen und verderbt
worden, auch in der Kirch Kelch, Alben, Altartücher u.s.w. genommen, doch
von Hrn. Rittmeister Rattschein mir in die Kirche ein Kelch wieder restituirt worden und der Räuber
von ihm hart bleßirt worden, andere Insolenzien zu geschweigen. Nach diesem Ruine sind obgemelte
Regimenter allhier 3 Monat verblieben ohne weitere Beleidigung derer, so bei ihnen gebliben.
Anno 1643 d. 29. Maii ist diese weimarische Armee hinweggezogen, an welchem Tag sie die
3 Stadtthor verbrennt, 2 Thiirm, als den hinter unserem Chor und den in dem
Eck unsres Conventgarten, unterininirt und in die Luft gesprengt und 2 andere,
x) FDA. XVI, S. 172.
AMT OFFENBURG.
GENGENBACH.
347
als nämlich den Thurm auf dem oberen Thor und an der Stadtmauer, all wo das
Wasser in das Kloster lauft, verbrannt. Was für Angst dermalen unter den Leutengewesen,
mag jeder errachten der in dergleichen Noth und Gefahr gewesen. Nach diesem Abzug seind die
armen Pfarrkinder, so hin und wieder zerstreut waren, widerum naher Haus gekommen, sind aber
nit länger als auf den Sonntag d. 26. Julii sicher gewesen, da dann abermal ein Geschrei erschollen,
ob sollt die ganze weimarische Armee widerum anhero kommen, worauf dann Jedermann aus Furcht
die Flucht genommen, das Kloster und die Stadt dergestalt verlassen, daß nit ein einziger Mensch
darin verbliben. Daher Alles von dem Feind dermassen verderbt worden, daß es kaum zu beschreiben,
sonderlich in dem Kloster, da alle Dächer verderbt, alle Fäßer in den Kelleren,
alle Tisch, Bänk, Trog, Stiihl, Bettladen, Thiiren, alle Läden, Getäfer,
Bretter, verbrennt, die B etter ausgeschüttet und Oefen, Fenster zerschlagen,
die Reliquien mit Füßen getreten, das Sacrarium spoliert, die Monstranz zer-
brochen, sonderlich Alles, was zum Gottesdienste in der Pfarrkirch gehörig,
ein groß silbernes Ciborium, ein vergoldte Paten, kurz Alles so leer aus-
geraubt, daß zu Haltung des Gottesdienstes nit das Geringste übrig geblieben. Nach welchem
gänzlichen Ruin sie den letzten Augst widerum hinweg über den Rhein in das Elsaß gezogen.
Worauf dann die armen Pfarrkinder sich Jeder wiederum heim begeben, ein Jeder seine Wohnung
so gut er konnte wieder zugericht und mit saurem Schweiß seine Nahrung zu suchen angefangen,
der tröstlichen Hoffnung, es werde nunmehr dieses gottlose Volk an diesen Ort nit mehr kommen.
Aber leider, da man wieder am sichersten zu sein vermeinte, sind gemelte Truppen, so einen starken
Succurs aus Frankreich von dem Duc d’Anguin unter dem Kommando des Ilrn. Generals Ranzau
bekommen, den 1. Tag Nov. wiederum über den Rhein gekommen. Dahero dann zum 3. mal meine
Pfarrkinder in das Elend sich begeben, außer etlich wenigen, so bei mir allhier geblieben, der
Hoffnung, es werden diese Volker wegen des äußersten Ruins an diesem Ort nit mehr verlangen,
sondern den Weg anderstwohin nehmen. Als derohalben unserer wenige zwischen Furcht und
Hoffnung allhier verblieben, sind sie den 4. Nov. ohnversehener Weis hereingefallen, Alles was
wiederum an Roß und Vieh vorhanden gewesen, mitgenommen, Geistliche und Weltliche aus-
geplündert, ausgezogen, geschlagen, verwundet, und dermaßen mit uns umgegangen, daß es einen
Türken hätte erbarmen sollen, auch der Kirchen nicht verschonet, sondern ärger als vormal gehauset,
die Altär zerschmetteret, alle Stühle verbrennt, endlich auch die Stadt angezündt, das
Rathhaus sammt 9 oder mehr anderen Häuseren verbrennt und noch in etlichen
Feuer eingelegt, daß also, wann ich unwürdiger Pfarrer, Peter Hauser und Jakob Bruder mit etlichen
Weibern, so gelöscht, nit so ernstlich gearbeitet hätten, die ganze Stadt sammt dem Kloster wäre
eingeäschert worden.«
Und kaum hatte sich die Gegend von den Folgen dieses fürchterlichen Krieges
zu erholen angefangen, als sie wieder zum Schauplatz schwerer Kämpfe wurde in den
Verwüstungskriegen Ludwigs XIV. Am 9. September 1689 ist Offenburg zerstört worden,
zwei Tage vorher schon traf das Schicksal die Schwesterstadt Gengenbach. Auch darüber
wird in den Protokollen berichtet:
A. 1689, nachdem die französische Armee unter dem Kommando des Marschall de Du ras
unterhalb bei Offenburg gestanden und vom König vorher die Ordre eingelaufen, daß alle, die
von der Pfalz am Rhein herauf bis gegen Straßburg auf 6 Stund w'eit gelegene Ort und Stadt,
so mit Mauren umgeben, sollen verbrannt werden, als ist von ermeldter Armee ein Detasche-
ment den 7. Septbr. Morgen um 10 Uhr in 6 Esquadrons an der Kinzig und etliche Bataillon bei
der Pfarrkirch zu stehen kommen. Da man nun solchen Anmarsch von dem Thurm gesehen, sind
mehrentheils Herren, Frauen und Kinder zum oberen Thor hinausgeflohen. Darauf ein Trompeter
zum Thor gekommen, begehrend man soll die Thore öffnen. Die Bürgerschaft aber mit viel herein-
geflüchteten Bauren schlugen es ab, gab bald darauf aus Doppelhacken Feuer auf den Feind. Das
Fußvolk ließe sich auch vom Kirchhof heraussehen. Darauf die Bürger mit Flinten feuerten und
etwelche todt schossen. Und weilen auf dem Bergle bei der Wallfahrt auch Bürger und Bauren aus
Norderach und Hammersbach waren, darbei sich ein Lieutenant und 15 Musquetiers befunden, als
haben die Franzosen von der Infanterie etliche 100 Mann über den Stollen beorderet, so durch den
Schweiggraben bei der Mühle herauskommen und in die Häuser in Oberdorf sich begeben, oben
348
KREIS OFFENBURG
zu den Dächern hinaus gegen sie geschoßen, wodurch gleich ein Bauer aus dem Hammersbach
bleßirt worden. Dargegen man auch hinunter gegen sie tapfer gefeuert, da hingegen die anderen an
verschiedenen Orten angefangen den Berg hinauf zu kommen, auf welche unsere Leute gut Feuer
gaben. Allein, als man die Gewalt gesehen, sind diese Leut, da sie keine Brustwehr vor sich
hatten, zuruck in die Reben gesprungen und sich mit der Flucht auf den anderen Berg salvirt. Die
in der Stadt hielten sich bis 7 Uhr Abends, in der Hoffnung der von Teutschen zu Wolfach vertröste
Sukkurs. Als aber nichts erfolgt, hat man mit dem Capitain de Vilars, so vorigen Winter hier im
Quartier lag, von den Mauren hinunter accordirt, daß den Einwohnern am Leben nichts geschehen
soll, so auch sancte gehalten worden. Anbei war von dem Feind befohlen, daß männiglich sich in
die Klosterkirch begebe. Worauf die Franzosen hereinmarschirt und genommen, was ihnen gefallen.
Morgen darauf um 6 Uhr, als die Leut aus der Kirch und Stadt mit den Soldaten herausgezogen
waren, haben sie alle Gebäu sammt dem Kloster und der Kirchen völlig ab-
gebrannt, daß nit ein einziges Häusle in der Stadt stehen geblieben. Auch
sogar die Pfarrkirch außer der Stadt ist zerstört worden. Die Häuser aber in
den Vorstädten und Oberdorf sind stehen geblieben. Die Leut aus der Kirche haben sie mit sich
nacher Offenburg geschleppt, endlich allda laufen lassen. In der Stadt haben einige Herren zuvor
das Beste geflehnet, andere aber haben zu wohl getrawt und Alles verlohren. In dem Kloster sind
die Scheuren mit Garben und die Keller, mit vielem Wein angefüllt, völlig zu Grund gegangen
neben sehr vielen Mobilien, absonderlich die extraordinari schöne und kostbare große Orgel. Das
Glück war noch, daß man die Glocken, die Kanzlei und Bibliothek salvirt hat. Der Schaden, so
das Gotteshaus durch diesen Brand erlitten, wird, laut dem schwäbischen Kreis eingereichter Spezi-
fikation, über 100000 fl. geschätzt. Acht Tag darauf ist die Stadt Offenburg und Oberkirch
auch so verbrennt worden. Ohnerachtet dieses grausamen Schadens, haben die Franzosen gleich
Anfangs des 1690. Jahrs an das Gotteshaus wiederum die Ordinari Contribution per
2000 Livres angesetzt, so auch hat müssen nebst anderen furage praestandis geliefert werden.
Da in diesen Kriegen sich die Wichtigkeit der Ortenau klar herausgestellt hatte,
so lag es im Interesse Österreichs, die Landvogtei nur in zuverlässige Hände gelangen
zu lassen. So lehnte man daher den Vorschlag des Markgrafen Leopold Wilhelm, die
Landvogtei gegen Güter in Böhmen einzutauschen, ab, ganz besonders aber mußte man
den Bischof Franz Egon von Straßburg verhindern, hier Fuß zu fassen. Endlich erhielt
Markgraf Ludwig Wilhelm die Landvogtei, der Türkenlouis, dem man die Fähigkeit zu-
traute, sie sicher zu schützen, und so blieb sie bei Baden-Baden, bis das Haus ausstarb.
Dann zog Österreich die Ortenau wieder an sich. Die Städte dehnten darauf ihren
Bund dahin aus, daß sie auch alle Zwistigkeiten zwischen Magistraten und Gemeinden
untereinander schlichten wollten. Es kam darüber zu einem neuen Prozeß vor dem
Reichskammergericht.
Dieses war ja auch für die geringfügigsten Streitigkeiten die oberste, in vielen
Fällen überhaupt die erste Instanz. Bei der vielberufenen Langsamkeit seines Verfahrens
wurde dieser ursprüngliche Vorteil ihrer Reichsunmittelbarkeit den Städten bald lästig,
und oft wandten sich die Untertanen an die Gerichte der Landvogtei. Zwar erlangten
die Obrigkeiten der Landstädte noch einmal 1778 auf die Klage ihrer Untertanen den
Bescheid, daß sie keinem anderen Gerichte als dem Kammergerichte unterworfen seien,
aber, wie G o t h e i n bemerkt, schon die Tatsache des Prozesses bewies, daß die bevor-
rechtete Stellung der kleinen Reichsstädte nicht nur wertlos, sondern lästig geworden war.
Auch in den inneren Zuständen finden wir der, gleichen Kräfteverfall. Der alte
Zwist zwischen Patriziat und Zünften, die Streitigkeiten mit dem Kloster schleppten
sich immer weiter fort, immer schwebte ein und der andere Prozeß zwischen dem
Kloster und der Stadt bei dem Reichskammergericht. 1612 machte der energische Abt
Georg nochmals Anstrengungen, die sämtlichen verlorenen Rechte, auch den Leibfall,
AMT OEFENBURG. — GENGENBACH.
349
wieder zu erhalten, das Mannengericht wiederherzustellen, und in letzterer Hinsicht
erhielt er einen günstigen Bescheid. Dann versuchten die Bürger dem Abt vorzustellen,
da aller Adel ausgestorben oder fortgezogen, solle der Schultheiß künftig aus den Bürger-
geschlechtern ernannt werden; der Abt aber ernannte statt dessen einen fremden
Adeligen, einen Herrn von Scheidt, der neue Unruhe in die Stadt brachte und die
Bürgerschaft gegen den Rat zu organisieren suchte, bis er von einer kaiserlichen
Kommission abgesetzt und zu lebenslänglicher Haft nach Ortenberg abgeführt wurde.
Und so ging es weiter. Einiges hatte die Stadt erlangt; so schon 1567 die Forsthoheit
in den Allmenden; 1 597 hatte der Rat bezüglich des Güterfalls verlangt, er müsse endlich
genau wissen, welche Güter fallbar wären, und der Abt auch die Herstellung eines
genauen Urbars versprochen. Uber ein derartiges Hin und Her aber kam man nicht
hinaus; der kleineren Zänkereien nicht zu gedenken. Aus den oftzitierten Protokollen
wissen wir, wie manches räudige Schaf unter den Klosterinsassen war, und da mag es
genug Grund zur Beschwerde gegeben haben. Aber wir dürfen die Mönche in dieser
Zeit allgemeiner Verwilderung nicht mit zu großen Vorwürfen belasten, denn auch in der
Stadt ging es, weiß Gott, derb genug her. Vergehen gegen das sechste Gebot, Prügeleien
in der Trunkenheit, Stechereien — sie waren an der Tagesordnung und beschäftigten
fortwährend den Rat. Wie überall in Deutschland, brachte auch erst das 18. Jh. eine
allmähliche Milderung der Sitten und stellte einen friedlichen Zustand in der Stadt her.
1718 ging man daran, unter kaiserlicher Bewilligung die Zünfte neu zu errichten.
Aber die Handwerker mußten zum Bauer gehen, um Aufträge zu erhalten. Joseph II.
mußte dann in einer stattlichen Urkunde der Krämerzunft bestätigen, daß die Unter-
tanen des Gebiets nur bei Gengenbacher Krämern kaufen dürfen, bei schwerer Ahndung.
Das waren die letzten Angelegenheiten von großer Wichtigkeit.
So war es Zeit, daß dieser Zustand aufhörte, und es konnte als eine Erlösung
gelten, als Gengenbach 1803 badisch wurde.
Römisches : s. Corpus inscript. Rhen. Nr. 1681. Auf dem Casteiberge stand noch
1751 eine römische Votivsäule, von wo sie der Reichsprälat 1811 in den Garten
der Abtei bringen ließ. Bei der Aufhebung des Klosters kam sie nach Baden und von
da 1858 in die Karlsruher Sammlung (C 42, Fröhner 43). Der Schaft ist mit Blättern
des Pinienapfels verziert; er steht auf einer quadratischen Basis mit jetzt beschädigter
Inschrift, die ungefähr lautete :
I(ovi) O(ptimo) M(aximo)
Boebius Baebiique filii s. v. 1. (?)
Was oben auf der Säule stand, läßt sich nicht mehr bestimmen. (W.)
Außerdem wurden eine Anzahl Münzen hier gefunden, s. K. Bissinger, Funde
röm. Münzen im Großh. Baden, Karlsruhe 1889, S. 18.
Uber die Befestigung der Stadt und des Klosters liegt ein Bericht von Placidus
Künstle (1700 bis 1785) vor, der teils nach Augenschein, teils nach alten Nachrichten
die angeblich römische Festung, in der Tat aber die mittelalterliche beschreibt : ')
»Die römische Festung zu Gengenbach bestund aus der Area oder dem innern Hof, oder
ebenen Platze, der vermuthlich der Waffenplatz für die römischen Soldaten war. Dieser ebene
Platz war in der Runde mit einer sehr hohen Mauer umgeben, die an gehörigen Orten mit
*) In : Deductione Ruthardiana de Fundatore Monasteriorum Schwarzach et Gengenbach ;
zitiert bei Kolb a. a. O. I, S. 369.
Römisches
Befestigung
35°
KREIS OFFENBURG.
Rondellen und Bastionen versehen war: außer dieser Mauer war gegen Morgen — ein breiter
Graben oder der Bach Gengenbach mit einem Schleußen ; über diesem Graben der unter-
mauerte Wall, an dessen Spitze oder Ecken runde Thürme stunden, dieser Wall erstreckte
sich mit dem äußersten Graben bis an den Berg : wo dieser Wall war, sind heut zu Tage ablehns
gelegene Gärten, der Graben aber ist Mattfeld oder Wiesen. Gegen Mittag war über der innern
hohen Mauer ein Zwinger, welcher mit einer etwas niedrigen Mauer und außerhalb mit
einem von Quadersteinen gefilterten Wassergraben umgeben gewesen; außer diesem Graben
war endlich der untermauerte Wall mit seinen Thür men, der sich mit seiner
Glaßie oder ablehnenden Verdachung bis an den Kinzig-Fluß ausdehnte; jetzt
sind Gärten daselbst angepflanzt. Gegen Abend war die Befestigung des Platzes die nämliche wie
gegen Mittag, nämlich die innere hohe Mauer, der Zwinger, die niedere Mauer mit
ihrem Graben, und der Wall mit seinen Thürmen und der Glassie. Bey Erbauung
der Stadt aber ist auf dieser Seite alles geändert worden : auf die innere hohe Mauer wurden Häuser
erbauet, welche den Zwinger und die niedrige Mauer bis an den Graben einnahmen. Der Graben,
welcher vor Zeiten mit Quadersteinen eingeschlossen war, ist erst dieses Jahr (beyläufig um das Jahr
1720 oder 1725), nach der französischen Zerstörung vom J. 1689 der Erde gleich gemacht worden,
damit diese Häuser näher mit der um den Graben herum liegenden Stadt in Verbindung kommen
möchten. Gegen Mitternacht war die Festung mit eben der innern hohen Mauer, dem Graben,
oder dem besagten Bache (Gengenbach), der aber einen stärkern Strom machte, dem untermauerten
Wall mit Thiirmen, und dem äußersten Graben, der sich wieder bis an den Berg erstreckte, umgeben.
Der Berg, welcher zum
dritten Theil der Festung an-
lag, war flach, übrigens aber
war er von einem auf 2 Seiten
aufsteigenden Thal, und der
Burg oder Schloß, auch
unten her durch die Festung
eingeschlossen oder umfangen,
:nd in die Höhe bis zu seinem
dieser Höhe war eine hohe
Mauer mit Rondellen, welche aber schon längstens
Fig. iS(). Inschrift an der Mauer beim ausgegraben worden, den Berg herunter geführt, bis
Prälatenturm in Gengenbach. zu einem Thurm, nahe am Fuß des Berges, und
dem Festungsgraben. Dieser Thurm, um der Ausfälle
wegen, und die Festung mit dem Schlosse zu verbinden, hatte in dem untersten Stockwerk rechter
Seite eine Thür, und eine andere linker Seits. Oberhalb halte er auch die dritte Thür, um d i e
wand eibare Brücke (Zugbrücke) über den Graben von dem entgegengesetzten
Thurm aufzunehmen: der letztere Thurm ist noch einseitig zu sehen; der erstere aber, welcher
schon lange bis auf besagtes Stockwerk zerstört worden, ist vor wenigen Jahren auf Befehl des
Stadtraths ausgegraben worden.
Das Castell (Schloß auf der Höhe des Berges), von welchem der Berg den Namen Castell-
berg hat, war ein römisches Standquartier, und mit einem Bergtempel des Jupiters geziert ; nachdem
aber dieses zerstört worden, so ist statt dessen eine christliche Kapelle denen heil. Jungfrauen Eim-
betha und Cordula geweihet, nachgefolgt, welche noch heut zu Tage zu sehen ist.«
Von Wichtigkeit ist dann noch eine weitere Notiz Kolbs, ’) die er wohl eben-
falls Placidus Künstle entnommen hat, daß nämlich der Bischof Heinrich von Stahleck
»1240 zu Gengenbach innerhalb gegen die Häuser von dem innern Thor bis zum obern
an der hohen Mauer Schwibbogen« baute »und obenher einen Gang, um das Sturm-
laufen des Feindes durch die Schlitzlöcher der Mauer zu verhindern«. Letztere Begründung
ist nicht recht klar; um Schießscharten kann es sich bei diesen Schlitzen kaum handeln,
der Zweck war wohl überhaupt, ein Berennen der Mauer und Aufbrechen derselben
O
:Tjjo-onmaaawK-
nii-nil-KaiBUHl’OeBÜ
.e-otaattrö-w
und erhebte sich lein
obersten Gipfel. Von
!) Kolb a. a. O. I, S. 368.
Norden
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH. 35 I
mit den derzeit neuesten Verteidigungsmitteln zu verhindern. Die Notiz ist wichtig,
weil wir uns nach ihr wohl vorstellen dürfen, daß die Stadtbefestigung am Anfänge des
1 3. Jhs. nicht sehr glänzend war, vielleicht nur aus einer Mauer bestand, und daß damals
eine durchgreifende Verbesserung stattfand. Wir werden sehen, daß dieser einige der
Osten
Westen
noch heute stehenden Türme wenigstens in ihren Grundmauern angehören. Anderthalb
Jahrhunderte später haben aber auch diese Anlagen nicht mehr genügt, man erneuerte
sie von Grund aus, so daß man glaubte von einem völligen Neubau reden zu können,
wie es die in der Nähe des Prälatenturmes eingemauerte, in Fig. 189 im Faksimile
wiedergegebene Inschrift beweist, die wir wohl richtig lesen dürfen: »Anno Domini 1384
XII calendas maij inceptus est circuitus huius civitatis.«
Süden
Fig. iqo. Flau der Stadt Gengenbach mit eingezeichneter Mauer.
352
KREIS OFFENBURG.
Dem Ende des 14. und dem 15. Jh. verdankte die Stadt wohl die in obiger
Beschreibung Kiinstles wiedergegebene Anlage, welche auch heute noch in dem
Plan der Stadt deutlich erkennbar ist (s. Fig. 190) Aus dem ersten Jahrtausend
war gegeben das Klosterareal, der vor seinen Mauern liegende Marktplatz und die
durch die Stadt durchführende Kinzigtalstraße. Die östliche Hälfte wurde von dem
Kloster und seinen Gebäuden eingenommen, das durch eine einen Knick bildende
Mauer, die genau an der Ostwand des heutigen Rathauses herführte, von der Stadt
abgeschlossen war. Nach außen wurde es von der Fortführung der Stadtbefestigung
umfaßt. Diese bestand hier nur aus einer Mauer mit einem Graben, durch den der
Gengenbach strömte, dann folgte der untermauerte Wall, »an dessen Spitze oder Ecken
runde Türme standen«, und dann nur im nördlichsten Teil noch ein äußerer Graben,
auf den man im südöstlicheren Teil der Nähe des Berges halber verzichtete. Den
Klosterbezirk durchfloß der Mühlbach von Norden nach Süden, am Ein- und Ausfluß
dürfen wir besondere Schutzvorrichtungen vermuten. ') Eine Schleuße oder Stauvorrichtung,
Startseite
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heute sichtbarea alten. 5tadtbejesK-
Fig. 79/. Stadtbefestigung Gengenbachs im Südwesten.
da wo der Gengenbach den Graben verließ, diente dazu, denselben unter Wasser zu
setzen. Gegen Süden. Westen und vermutlich auch im Norden (nur die nordöstliche
Seite wird durch den Gengenbach geschützt und nur auf sie bezieht sich die Notiz
Kiinstles über die Befestigung gegen Mitternacht) war die Stadt durch eine reichere
Anlage geschützt, durch die eigentliche Mauer, den vor ihr liegenden Zwinger mit einem
Rinnsal, dann folgte die Zwingermauer, welche mit einer vor ihr liegenden durch die
aus Zwinger und Graben aufgehäufte Erde eine Verteidigungslinie bildete (die niedere
Mauer), hierauf folgte ein Graben, der wohl aus der Kinzig gespeist wurde, und dann
der Wall mit seinen Türmen und vorgelagertem Glacis. Noch heute ist im Süd westen
diese Befestigung erkennbar (s. Fig. 191). — Nach Künstle scheint indes auch der
über Gengenbach sich erhebende Berg mit der Einbethenkapelle befestigt und an die
Stadt angegliedert gewesen zu sein, was allerdings für deren Sicherheit unerläßlich war.
Und so dürfen wir ihm wohl Glauben schenken. Eine Mauer umzog ihn mit Rondellen,
und unten vermittelte wohl in der Nordostecke der Zugbrückenturm über dem Einlauf
des Mühlbachs die Verbindung mit der Stadt. Der Turm wurde 1643 (siehe Feinleins
1) Der Turm am südlichen Ausfluß ist wohl der, welcher nach Fe in lei ns Bericht 1643
gesprengt wurde.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
353
Bericht) verbrannt. Es scheint nach Künstle, daß man im 18. Jh. diese nun unnötig
gewordene Anlage abtrug.
Von diesem geschilderten Befestigungskreis ist die ganze Anlage im Süden der
Stadt in der Gestaltung des Terrains noch erhalten, auch die Reste der Zwingermauer
noch zu sehen. Sie war aus
Bruchsteinen mit Mörtel-
verband errichtet. Im Süd-
osten und im Westen sind
die Spuren verwischt, wäh-
rend im Norden die eigent-
liche Mauer selbst, vom
Haigeracher Tor west- und
ostwärts, noch ca. 3 m hoch
gut erhalten und als Außen-
mauer für die hier stehen-
den Häuser benutzt ist. Sie
besteht ebenfalls aus Bruch-
steinmauerwerk, in ihrem
westlichen Teil wird sie
unterbrochen von einem
halbrunden Turm, der nach
innen offen ist, also einem
Rondell, dem sogenannten
Schwedenturm (s. Fig. 192).
Sein oberes Stockwerk ist
auf Holzbalken ein wenig
vorgekragt und mit einem
polygonalen Ziegeldach ge-
deckt. An den Resten der
Mauern innen, soweit sie
freistehen, sieht man noch
Konsolen, die wohl für die
Holzstützen des auch hier
zweifellos vorhandenen Wehr-
gangs angebracht waren.
Von den Schwibbogen, von
denen die obige Notiz pig_Ig2. Stadtmauer mit Rondell, sogen. Schwedenturm in Gengenbach.
spricht, ist hier nichts mehr
zu sehen. Etwa 2 m vor dieser Mauer finden sich die Reste einer zweiten, also wohl
der Zwingermauer, in der Südseite des Hauses Nr. 1 7 ; ihre Ecke war mit Bossenquadern
bekleidet. Auch die Reste einer dritten Mauer haben sich bei baulichen Arbeiten
gezeigt. Die Grabenstraße, die sich in entsprechender Entfernung in der gleichen
Richtung wie die Mauer herumzieht, wird, wie ihr Name sagt, dem ehemaligen Graben
entsprechen. Die Mauerzüge lassen sich nach Westen verfolgen bis zum Hause Nr. 17
der Hauptstraße, das in seinem Holzwerk noch den alten Wehrgang besitzen dürfte.
354
KREIS OKFENBURG.
Prälatenturm
Im Südwesten, im Keller des Herrn Btihler, sind wieder Reste der früheren inneren
Stadtmauer mit ihren Bossenquadern erkenntlich, 1 2 m westlich vor ihnen in den West-
mauern des Bühlerschen Hauses die Reste der vorderen Mauer. In den hier gelegenen
Gärten ist der alte Graben, die Stadtmauer und die Futtermauer des inneren Walles nach-
zuweisen. Am Ausfluß des Gewerbekanals wieder Spuren, hier auch — aber neu ein-
gemauert — eine Jahreszahl 1657.
Am besten erhalten ist die östliche Mauer in dem Prälatengarten, mit einem ähn-
lichen Rondell wie der Schwedenturm, dem später zu einem Gartenhaus umgebauten
Frälatenturm. In ihrem südlicheren Teil zeigt sie in 1,80 — 2 m Höhe einen Mauer-
absatz, der als Wehrgang diente und 0,70 m breit ist. In 1,10 m Höhe darüber, also
in normaler Brusthöhe, war die Mauer durch später zugemauerte, 1 m breite Öffnungen
unterbrochen, die also bequemen Schuß gestatteten (s. Fig. 193, wo die spätere Ftill-
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2-00 m
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, v ' > VÄ fc^yV'.Vehrmauer im 7m
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Fig. 193. Wehrmauer im Prälatengarten in Gengenbach.
laten -
mauer der Öffnungen weggelassen ist). Diesen Wehrgang haben wir uns durch ein Dach
auf Holzstützen gedeckt zu denken. Anders die Vorrichtung zum gleichen Zwecke im
nördlicheren Teil dieser Mauer. Hier sind ihr kräftige Pfeiler vorgelegt, ') über denen
wohl Bogen gewölbt waren, die den hölzernen Wehrgang trugen.
Der Prälatenturm, ein nach innen offenes Mauerrondell, aus dem gleichen
Bruchsteinwerk wie die Mauer, mit einem Zeltdach gedeckt, ist im 1 8. Jh. durch das
Einbrechen geradsturziger Fenster, durch Einziehen von Zwischendecken und einer
Abschlußmauer nach innen zu einem Gartenhaus umgeändert worden. Er war 1643
unterminiert und ruiniert worden. In seinem Erdgeschoß noch drei viereckige Schieß-
scharten aus den Zeiten seiner ursprünglichen Bestimmung. Hier ein grottenartiger
Bewurf mit kleinen Steinchen, am Plafond in Stuck das Auge Gottes. Im nächsten Stock-
werk eine Ausmalung mit Landschaften, das zweite Geschoß zeigt ebenfalls eine Kinzig-
landschaft, das dritte ist mit einem schmiedeeisernen Balkon versehen, dessen Mono-
gramm auf Abt Benedikt Rischer (1743 bis 1763) als denjenigen hinweist, der aus dem
7 Ich vermag nicht, wie Baumgarten in Schauinsland XX, S. 28, bestimmt anzunehmen, daß
obenzitierte Inschrift sich gerade auf diese Mauerverstärkung bezieht.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
355
alten Festungswerk dies lauschige Plätzchen geschaffen. In einer Nische neben seinem
Erdgeschoß, wo die obenzitierte Inschrift, Reste einer mittelalterlichen Wandbemalung
mit Rankenwerk.
Während wir im Kloster-
bezirk kein Tor nach außen
nachweisen können — der Zu-
gang scheint durch die Stadt
erfolgt zu sein — , öffnete sich
der Stadtbezirk in dreien,
wovon zwei noch erhalten : das
Obertor oder Haigeracher Tor
im Norden, das Kinzigtor im
Süden und im Südwesten das
heute nur noch in der Stadt-
anlage erkennbare Offenburger
Tor. Etwas südlich von ihm
der in einige Meter Entfernung
von der Stadtmauer errichtete,
stattliche Niklasturm (Fig. 1 94),
der von einer früheren aus-
gedehnteren Toranlage, mitVor-
hof etc., zeugt (Fig. 1 94 a). Der
Turm hat seine heutige Gestalt
erst im Taufe derZeiten erhalten.
Wohl noch der Stadtbefestigung
um 1400 gehört der untere
Teil von quadratischem Grund-
riß an, der zwei Drittel der
ganzen Höhe ausmacht. Es ist
ein Bau von Bruchsteinen mit
gut gearbeiteten Bossenquadern
an den Ecken. In seinen drei
Geschossen über dem Keller
weist er Schießscharten auf,
den üblichen geraden Schlitz
von etwa 45 cm Breite1) und
1,10 m Höhe, und einige später
eingebrochene geradsturzige
Fenster mit hohlgekehltem Ge-
wände. In das erste Stockwerk
führt (jetzt aus dem Haus, an
das der Turm angebaut ist)
'/'■ Jf •••
Fig. 194. Niklastunn in Gengenbach.
eine geradsturzige Tür mit Hohlkehlen und Volutenablauf, also ausgesprochen 16. Jh.
Das Innere ist später verändert, Mauern sind eingezogen worden, auch Holzwände
Niklasturm
[) Kammer bis zu 90 cm sich erweiternd.
356
KREIS OFFENBURG.
dienen zur Abscheidung verschiedener, ehemals als Gefängnis dienender Räume. Dann
geht der Turm in der auf der Zeichnung ersichtlichen Weise zum Achteck über
(s. Fig. 195). Im Innern vermitteln in den vier Ecken herübergespannte Flachbögen
diesen Übergang und dienen als Stützbögen für die aufsetzenden Achteckseiten. In dem
Fig. igj. Vom Niklasturm in Gengenbach.
(Aus Sckaumsland XXII, S. 27.)
ersten Achteckgeschoß teils geradsturzige Fenster, teils große rundbogige Öffnungen.
Auf der einen Seite unter dreifacher Bogenbekrönung, in der ein phantastischer Kopf
und über der drei Kugeln angebracht sind, in vertieftem, umrahmtem Felde das Wappen
der Stadt Gengenbach mit der Inschrift (Fig. 195):
WOL DER STAT DIE GOTT VOR AV
GEN HAT VND A VF IN BAVT DIE WIRT
NIMERMER BERAVBT ANNO . } • 5 • | 8 Z‘ IAR-
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
357
Fig. ig6. Kinzigtorturm in Gengenbach.
An der entgegengesetzten Seite auf Steinplatten vorkragend ein Abort mit Fenstern.
Darüber auf Konsolen, die an bedeutenden Stellen fratzenartig ausgebildet sind, ein
358
KREIS OFFENBURG.
Kinzigtorturm
Rundbogenfries, der die Maßwerkbrüstung trägt, welche den durch Zurücktreten des
obersten Stockwerkes entstandenen Umgang schützt. Geradsturzige Fenster erhellen
es, deren abgetreppte Gewände in kleinen Voluten endigen, die, sichtlich nicht ursprüng-
liche Tür mit ähnlichem Volutenablauf und vorgelegten Pilastern. Am Sturz die Jahreszahl :
15 t 8 Z
Das gleiche Steinmetzzeichen findet sich noch fünf- oder mehrmal (s. Fig. 217).
Der Bau ist aus Bruchsteinen, mit Bossenquadern (Sandstein) an den Ecken des
viereckigen Teiles, glatt behauenen am Achteckaufbau. Seine Mauern sind im Keller
ca. 2,40 m stark. Sie verringern sich durch jeweiliges Zurückspringen (von 20 — 9 cm)
für das Auflagern der Balken in jedem Stockwerk bis oben. Im obersten Geschoß
beträgt die lichte Weite, von Achteck- zu Achteckseite gemessen, ca. 6 m. Die Innen-
wände zeigen überall noch Reste ihres Bewurfes. Bedeckt wird der Turm von einem
hohen, einmal geknickten, ziegelgedeckten Zeltdach, das von einem Kamin durch-
brochen wird und in einer zwiebelförmigen Glockenlateme endigt. Das Glöckchen ist
leider unzugänglich, wie ich höre, stammt es aus dem 19. Jh.
Aus der ganzen Betrachtung ergibt sich, daß der Turm am Ende des 16. Jhs.
eine durchgreifende Erneuerung erfahren hat; damals mag erst das Achteckgeschoß
aufgesetzt worden sein, während das Dach und insbesondere die Glockenlaterne dem
18. Jh. entstammen. Eine Jahreszahl 1727 an dem (älteren) Abort gibt wohl das Datum
der damaligen Renovation.
Auch der im Süden der Stadt gelegene Kinzigtorturm (s. Fig. 196) hat sein Dach
erst in späteren Zeiten erhalten. Er ist, wie ja fast alle solche Bauten, aus Bruchstein-
mauerwerk errichtet mit Sandsteinbossenquadern an den Ecken und dürfte in seinem
Kerne noch dem 13. oder 14. Jh. angehören.1) Die Torhalle ist von einem Kreuzrippen-
gewölbe mit Kreisschlußstein gedeckt, die Wände des Torwegs bestehen aus Sandstein-
quadern. Nach der Kinzig zu ist die Türöffnung spitzbogig, auf einfach abgeschrägten
Kämpfern, hinter dem vorderen Bogen der Schlitz für das Fallgitter. Nach der Stadt-
seite ist ein Vorbau vorgelegt (s. Fig. 197), der die Verbindung zu den beiderseitigen
Wehrgängen bildete und zugleich den Zugang zum ersten Turmgeschoß ; dieser Gang ist
durch ein Pultdach auf Holzstützen gedeckt. Nach der Stadt zu öffnet sich das Tor in
gedrücktem Rundbogen mit Kielbogenendigung ohne profilierte Kämpfer. An den
Bögen und im Torweg die Steinmetzzeichen :
h K 1 T T + L
Nach außen im Erdgeschoß zwei Schlüsselscharten, ebensolche weiter oben nach Süden,
Osten und Westen ; im dritten Turmgeschoß deuten zwei große Konsolen auf eine ehe-
malige Abortanlage oder eine Pechnase. Das oberste Geschoß des Turmes öffnet sich
in großen Spitzbogenfenstern, nach der Stadtseite zu zwischen ihnen das Zifferblatt
einer großen Uhr, natürlich nicht mehr dieselbe, von der wir 1385 hören. Darüber
das steile Pyramidendach mit dem kleinen Glockentürmchen, dessen G'öckchen nach
a) Baumgartens Angabe (a. a. O. S. 25), daß der Turm hinter die Mauerflucht etwas zurück-
gezogen sei, ist irrig, er steht in derselben. Daß der Wehrgang nicht durch sein Inneres durch-
geführt ist, wie beim Obertor, ist selbstverständlich, das Gegenteil wäre eine seltene Ausnahme.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
359
Fig. 797. Kin zigtö} türm in Gengenbach, Erdgeschoß.
Band VII.
24
36°
KREIS OFFENBURG.
unkontrollierbarer und unwahrscheinlicher Dachdeckeraussage die Jahreszahl 1221 tragen
soll. Nach jeder Seite tritt ein mit einem Obelisken und Giebel bekrönter Erker aus
Riegelwerk auf Konsolen vor das Dach vor. Hier oben befand sich die Türmerwohnung,
gjajsB
4|
flUJIUllllllKtf 1
Fig. igS. Obertor oder Haigeracher Tor -Turm in Gengenbach.
von hier aus wurden die Stunden ausgerufen; noch wird hier das Wächterhorn aus
Messing mit der Jahreszahl 1718 aufbewahrt. Die Höhe des Turmes (etwa 14 m bis
zum Dachanfang) gestattete einen weiten Ausblick in das Tal. Nach allem ist es nicht
unwahrscheinlich, daß der Turm im 14. Jh. erbaut worden ist, um 1400 wurde ihm der
Vorbau zur Verbindung mit dem Wehrgang vorgelegt, Ende des 17. Jhs. erhielt er sein
heutiges Dach mit den Erkern.
AMT OFFENEURG. — GENGENBACH.
36 1
Bedeutend niedriger als er der Obertor- oder Haigeracher Tor-Turm am Nord-
ausgang in das Oberdorf und weiterhin in das Haigeracher Tal. Auch er aus Bruch-
steinen mit Mörtelbewurf, an den Ecken Sandsteinbossenquader (s. Fig. 198). An der
Südseite und von da jeweils bis zur Hälfte der Ost- und Westseite zieht sich ein Vorbau
herum, der eine Holzgalerie mit Pultdach trägt und auf den an der Südseite eine Rund-
bogentür hinausführt, der Eingang zum Turm ; das Ganze die Verbindung mit dem
Mauer-Wehrgang. Das Tor öffnet sich in gedrücktem Spitzbogen,1) nach außen der
Mauervorbau und der Schlitz für das Fallgitter. Der flachgedeckte Torweg ist bis zu
Manneshühe aus guten Sandsteinquadern gebildet; an Steinmetzzeichen finden sich:
T ^ ^ Ih
Nach Norden und Süden Schießscharten, der einfache Schlitz mit Kammer, also
wohl für Armbrüste, ebenso nach Osten und Westen zur Beschießung der Mauer, außer-
dem spätere Schlüsselscharten. Mit Ausnahme letzterer dürfte der Turm noch dem
13. Jh. entstammen, das Obergeschoß mit den im Flachbogen geschlossenen großen
Fenstern und das einmal geknickte, achtseitige, hohe, ziegelgedeckte Pyramidendach
verdankt er wohl erst dem Ende des 17. Jhs., wenn nicht dem i 8. Seit etwa einem
Jahre ist die ehemalige Brüstung des Vorbaues durch die schöne Holzgalerie mit
Balustersäulchen vom Pfaffschen Hause ersetzt worden. Das Innere ist durch Holz-
4
decken in vier Stockwerke geteilt. Nach der Stadtseite zu finden wir neu gemalt
in mächtiger Rocaillekartusche das Gengenbacher Wappen an Stelle eines früheren
schlichteren. Im ersten Obergeschoß an der Scharte die Ausarbeitung für die Winde,
mit der die Kette des Fallgitters bewegt wurde. Vor dem Tor eine Wachtstube des
17. oder 18. Jhs. Endlich sind bei Grabungen auf der Straße ins Oberdorf die Spuren
des vorderen Tores, also die Ausdehnung der ganzen Toranlage zu Tage getreten.
Kirchliches. ( Kloster.)
Literatur: Nomina Fratrum de Kenginbach. Liber Confraternitatum. Mon. Germ.,
S. 75, 76, 214. Ruppert, Abt Friedrich von Keppenbach und der Versuch, das
Kloster Gengenbach in die Hände der Grafen Anton von Salm zu bringen, FDA. XVI,
S. 196 — 215. Franck, Zur Gesell, der Abtswahl des Friedrich von Keppenbach,
FDA. VII, S. 83 105. Fr. Zell, Die Säkularisation der Reichsabtei Gengenbach,
FDA. VI, S. 297 — 316.
Petrus, Suevia ecclesiastica, S. 346 — 348. Crusius, Annales Suevici I, S. 347.
Grandidier, Hist, de l’eglise de Strasbourg et des eveques-princes I, S. 421 — 423.
Oeuvres historiques inedites I (Colmar 1865), S. 174 -178. Gerbert, Hist. Nigrae
Silvae I, S. 62 ff., 133 ff., 297 ff.; II, S. 47, 145, 2361!'.; III, S. 236. Rettberg,
Kirchengesch. Deutschlands II, S. 84. Friedrich, Kirchengesch. Deutschlands II, S. 5 3 6 ft'.
Gothein, Wirtschaftsgesch. des Schwarzwaldes I (Straßb. 1892), S. 21, 141, 207 — 308.
Georg Hager, Die romanische Kirchenbaukunst und Schwaben (München 1887), S. 29, 30.
C. H. Baer, Die Hirsauer Bauschule (Freiburg 1897), S. 52—56. Kolb, Lexikon von
dem Großherz. Baden I, S. 363 — 371. Krieger, Topographisches Wörterbuch des
Großh. Baden I2, S. 689 — 700 (hier auch eine zuverlässige Abtsliste).
x) Nach der Stadt im Rundbogen.
24*
Obertor- oder
Haigeracher
Tor-Turm
Kirchliches
362
KREIS OFFENBURG.
Geschichte
des Klosters
Alte Ansicht des Klosters samt der Einbethkapelle auf einem ehemaligen Altarblatt
dieser Kapelle ca. 1690 (Abb. in Schauinsl. 20, S. 17) und auf einem Ölgemälde in Privatbesitz.
Die in ihren Anfängen offenbar bedeutende und reich dotierte Abtei Gengenbach
hat weder auf dem Gebiet der Wissenschaften noch auf dem der äußeren Geschichte
Hervorragendes geleistet; um so bemerkenswerter ist ihre Rolle in wirtschafts- und ver-
fassungsgeschichtlicher Hinsicht, in die uns verhältnismäßig reichhaltiges Aktenmaterial
einen guten Einblick gestattet. Eine treffliche, zusammenfassende Darstellung nach dieser
Seite hat Gothein geliefert; eine allgemein geschichtliche Würdigung fehlt hingegen noch
vollständig. Nicht als ob die Vergangenheit dieser Abtei, die schließlich für denörtenauer
Adel ein geistiges und materielles Zentrum bildete und deren Schicksale während der
Reformation von typischem Charakter sind, nicht bedeutsam genug wäre, auch fließen
die Quellen reichhaltig genug, so daß die Entwickelung für jedes Jahrhundert vom
11. Jh. ab fast lückenlos daraus aufgebaut werden kann. Für die Zeit des Investiturstreites
sind wichtig die aus dem 1 2. Jh. stammenden kaiserlich gefärbten Annales Gengenbacenses ;
einen Querschnitt der rechtsgeschichtlichen Entwickelung aus der ersten Hälfte des
13. Jhs. geben die Acta Gengenbacensia. Noch reichhaltiger wird das Material in den
turbulenten Zeiten des 16. Jhs.; vom 17. Jh. ab bilden dann die von dem jeweiligen Prior
zu führenden Protocolla'j eine schätzbare, wenn auch nicht ganz lückenlose Chronik,
zu der vor allem Prior und späterer Abt Thal mann (1661 bis 1681), Hieronymus
Ziegler, Prior von 1681 bis 1694 (mit Kürzungen benutzt von P. Gallus Mezler,
FDA. XIV, S. 159 — 215), Prior Nazarius Pistorius (bis 1703), Prior Huber und
besonders Prior Augustinus Dornblüth (von 1703 bis 1725) beigesteuert haben. An
wertvolleren geschichtlichen Aufzeichnungen sind von diesen Klosterchronisten größten-
teils wörlich aufgenommen die anschaulichen Berichte des Priors Leonhard F e i n 1 e i n
sowie die für den Stand der Klosterdisziplin besonders beachtenswerten Protokolle des
Capitulum triennale der Straßburger Benediktinerkongregation.
Als Gründer des Klosters Gengenbach wird in dem ältesten Zeugnis, einer von
Crusius und Grandidier'* 2) publizierten, bezüglich ihrer Echtheit aber stark ange-
zweifelten Urkunde Karls des Dicken (ca. 885), Ruthardus dux genannt. Nach den
Gengenbacher Annalen starb dieser Herzog, dem auch die Gründung des Klosters von
Schwarzach zugeschrieben wird, gegen 756 und fand wie seine Gemahlin Irmensinde und
ein minderjähriges Söhnchen in dem von ihm ins Leben gerufenen Kloster seine letzte
Ruhestätte ; die Schutterner Chronik gibt ihm den Titel dux Alsatiae und comes a Zeringe.
Dieser Rudhard scheint der fränkische Gaugraf gewesen zu sein, dessen Stellung zum
fränkischen Reich nach M one3) auch die Bezeichnung Herzog rechtfertigen kann, während
der Umstand, daß die Zähringer gleichfalls eine Grafschaft in der Ortenau besaßen, es
verständlich macht, daß die Überlieferung ihn zu einem Abkömmling dieses Dynasten-
geschlechtes machte. Eine weitere Tradition schreibt die Gründung auch noch dem
h. Pirmin zu;4) die beiden Angaben widersprechen sich an und für sich keineswegs, da
die Stiftung Rudhards bezüglich der Art ihrer Ausführung von Pirmin beeinflußt sein
*) Vgl. hierüber Fr. Baumgarten in Z. NF. VIII, S. 441 ff.
2) Grandidier, Hist, de l’egl. II, Nr. 152.
3) Mone, Quellensammlungen III, S. 57 ff. Vgl. über Rudhard noch weiter Gerbert, Hist.
Nigr. Silv. I, S. 60 ff. Gran di di er, Hist, de l’dgl. I, S. 421 ff.
4) Vita Pirmini c. 5, Mon. Germ., S. 15, 26.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
363
konnte, wenngleich gesagt werden muß, daß auf diesen Reformator des alemannischen
Mönchtums schlechthin die Anfänge fast aller alten Klöster in dieser Gegend, nicht
immer mit sehr viel Recht, zurückgeführt wurden. Da Pirmin 727 die Reichenau verließ
und nach dem Elsaß sich wandte, alia instructurus coenobia, so setzt man die Gengen-
bacher Gründung nach diesem Zeitpunkt an. Damit fiele von selbst die spätere Annahme
einer Bestätigung dieser Gründung durch Chilperich II. (715 bis 720). Ist durch sehr
alte und zuverlässige Gengenbacher und Schuttemer Quellen der nahe Zusammenhang
Rudhards mit dem Kinzigkloster zur Genüge bezeugt, so kann es doch auffallen, daß das
älteste Dokument, die Verbrüderungsliste im Reichenauer Liber Confraternitatum, den
Namen Rudhardus nicht enthält, wie man erwarten sollte.
Patronin des Klosters war die Gottesmutter, wie bei der Mehrzahl der fränkischen
Stifte des 8. und 9. Jhs. Auch die Klosterkirche ist in honorem S. Dei Genitricis
geweiht; später begegnen uns aber noch als patroni secundarii die beiden gleichfalls in
fränkischer Zeit sehr beliebten Apostelfürsten Petrus und Paulus. Älter wohl noch als
die klösterliche Niederlassung ist die Leutkirche S. Martin, deren Patron gleichfalls auf
frühfränkischen Ursprung hinweist. Sie war und blieb von Anfang an die Pfarrkirche
des bürgerlichen, später städtischen Gemeinwesens, das, wie sich schon aus dieser kirch-
lichen Zuständigkeit ergibt, vor der Klostergründung sich bereits gebildet hatte und offenbar
an eine römische Niederlassung anknüpfte. Der Kastelberg mit seinem sehr wahrschein-
lich eine heidnische Kultstätte ersetzenden Einbeth- oder Jacobuskirchlein hält die
Erinnerung an das römische Castrum noch heute fest; Kleinftinde wie Münzen und ein
Jupitervotivstein, der lange Zeit als Fuß der hölzernen Stütze der Emporenbühne in der
Klosterkirche diente, sind weitere untrügliche Zeugnisse für eine längere Anwesenheit
der Römer. Schulte hat daraufhingewiesen, daß in den Nachbartälern die römische
Bevölkerung überhaupt sich erhalten hat;1) daher erklärt sich wohl das Vorkommen einer
größeren Zahl unverkennbar römischer Namen in der Verbrüderungsliste des Gengen-
bacher Klosters. Aber auch angelsächsische Namen sind darin nicht selten, wie auch
in den Listen anderer Klöster aus dieser Zeit. Es ist wohl anzunehmen, daß an der
ersten Besiedelung dieser Niederlassung und überhaupt in den ersten Jahrzehnten das
iro-schottische Element hervorragend beteiligt war. Die Volksbezeichnung »Schotten«
für die Mönche scheint wie anderwärts auch hier üblich gewesen zu sein und sich noch
im Ortsnamen Schottenhöfe im Harmersbacher Tal erhalten zu haben.
Die ersten zwei Jahrhunderte der Klostergeschichte sind für uns nahezu ganz tot. Wir
wissen nur aus den Annales Laureshamenses (S. 28), daß Chrodegang 761 aus der Muster-
abtei Gorze bei Metz Mönche nach Gengenbach (monasterium Hrodharti) sandte, augen-
scheinlich um die Chrodegangsche Observanz einzuführen. Wertvolle Anhaltspunkte,
die Bedeutung des Ortenauer Klosters und die Zahl sowie die nationale Herkunft seiner
Insassen kennen zu lernen, geben die Listen im Reichenauer Verbrüderungsbuch (die
älteste ca. 830; eine spätere vor 949). Aus ihnen läßt sich auch mit einiger Sicherheit
die Reihenfolge der Äbte während des 9. Jhs. feststellen. Es sind Germundus (ca. 815
bis 82 5),2) Alframnus (ca. 825 bis 828), Emilo, Adalhelm, Lando, Thomas (noch vor 925).
Die traditionelle Liste beginnt mit Rustenus oder Rusterno, von dem aber außer dem
*) Schulte, Reste romanischer Bevölkerung in der Ortenau, Z. NF. IV, S. 300 ff.
2) Seine Mönche im Liber Confraternit., heraasg. von Piper, S. 214, Sp. I — 197, 37.
36 4
KREIS OFFENBURG.
Namen nichs weiter bekannt ist; sie enthält dann nach den Äbten des Verbrliderungs-
buches noch 49 Namen, die teilweise in die Schutterner Liste übernommen worden sind,
so daß die Annahme sich bilden konnte, daß im 10. Jh. die zwei Ortenauer Klöster
zeitweilig die gleichen Äbte hatten. Erst vom J. 1027 ab bewegt sich die Abtsliste, auch
bezüglich der zeitlichen Ansetzung der einzelnen Prälaten, auf festerem Boden.
Eine wichtige Veränderung in der hoheitsrechtlichen Stellung des Klosters voll-
zieht sich i. J. 1007, insofern aus der bisher kaiserlichen Abtei Gengenbach ein bischöf-
lich bambergisches Kloster wurde. Heinrich II. vergabte Gengenbach mit noch anderen
alemannischen Klöstern an das neugegründete Bistum (nostri quondam iuris abbatiam
Genginbah dictam in pago Mortenova sitam in comitatu Hessini comitis), ’) so daß
von da ab jeder neugewählte Abt von dem Bamberger Bischof mit den Temporalia
belehnt werden mußte. Später wird das Lehensverhältnis in die Zahlung von 500 fl.
und Erfüllung einiger Formalitäten umgewandelt. Diese nahe Beziehung zum saiischen
Kaiserhaus und dessen Lieblingsgründung warf die Abtei Gengenbach mitten hinein in
die unseligen Wirren des Investiturstreites und hatte zur Folge, daß wiederholt Äbte im
Widerspruch gegen Rom und gegen einen Teil des Konventes von Heinrich IV.
ernannt wurden. So kam nach Azelins Tod (gest. 1074) Ruotpertus, der als Abt der
Reichenau von Gregor VII. abgesetzt und schließlich wegen hartnäckiger Renitenz
exkommuniziert worden war, durch den Kaiser als Abt nach Gengenbach. Hier wurde er
aber schon 1075, 12. Dezember, im Streit mit zwei Lehensherren in Andersbach (Enters-
bach), die gegen des Abtes Willen eine Mühle bauen und sonst noch die klösterlichen
Rechte beeinträchtigen wollten, zusammen mit seinem Kaplan erschlagen.* 2) Das Urteil
über ihn ist bei Freund und Feind ziemlich einmütig in die Anklagen wegen skrupelloser
simonistischer Bestrebungen und wegen maßloser Habgier — nummularius nannten ihn
die Annales Schutterani — zusammengefaßt. Als Nachfolger Ruotperts nennen die
Annalen einen Willo, der als kaiserlicher Parteigänger ebenfalls exkommuniziert, wohl
nach kurzer Zeit von der päpstlich gesinnten Kommunität vertrieben wurde und als Abt
von S. Jakob in Mainz endete. Statt dieses Intrusus führt Mezlers Vorlage unmittelbar
nach Ruotpert Poppo auf (gest. 4. November 1083).3) Die Wahl des nächstfolgenden Abtes
fand nach den Annalen erst 1089 statt. Der Konvent war offenbar noch gespalten,
denn der Propst und Kanonikus Berthold, dem die Wahl hauptsächlich zu verdanken
war, entsetzte den gewählten Hugo seines Amtes und vertrieb ihn. Erst nach sieben Jahren
brachte ihn Herzog Berthold (wohl von Zähringen), qui eundem locum illo tempore per
violentiam obtinebat, wieder zurück zur Freude der ganzen Kommunität (1096).4) Ein
zweites Mal vertrieben, soll er um 1100 gestorben sein.5)
Wesentlich ruhigere Zeiten waren dem Kloster im 12. und einigen Jahrzehnten des
13. Jhs. beschieden. Das Hauptverdienst hieran kommt unstreitig der Hirsauer Reform
*) Monum. Germ., Dipl. reg. et imperat. Germ. III, S. 197. Bestätigt wurde diese Verfügung
durch Kaiser Konrad 1024.
2) Vgl. Jaffe, Reg. Pontif., 11.412. Mezlers Monumenta, FDA. XIV, S. 1 6 1 . Mone,
Quellensammlungen III, S. 81, 82. Annal. Gengenb., MG. S. V u. 390. Annal. Berlholdi, MG. S. V u. 276.
Lambert von Hersfeld, Annal. Scriptor. rer. German, in usum scholar., Hannov. 1894, S. 259.
3) Mone, Quellensammlungen III, S. 46.
4) Annal. Gengenb., MG. SSV. S. 390.
5) Nach Mabillon (Annal. ord. Bened. V, S. 363, 418) scheinen raschwechselnde kaiserliche
Gunst und Ungnade ihm die Abtswürde von Lorsch gebracht und wieder genommen zu haben.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
365
zu, die Abt Friedrich, ein Schüler Theogers, aus dem Hirsauer Kloster S. Georgen
stammend (gest. 1 120), in Gengenbach durchführte. Dagegen dürfen wir den »Abt Mar-
qüard«, von dem Trithemius ’) und nach ihm Gerbert und Grandidier 1 2) berichten,
daß er, aus Hirsau selber mit zwölf Mönchen kommend, 1094 die Hirsauer Disziplin in
dem arg verwahrlosten Kloster einführte, ins Reich unbeweisbarer Legende verweisen;
sein Name fehlt sowohl im Protocollum Gengenbacense als auch in Mezlers Series abbatum.
Noch heute verrät sich der von Hirsau ausgeübte Einfluß in der Bauweise und den
Formen des Gotteshauses. Parallel mit der inneren Konsolidierung und strafferen
Leitung der Kommunität geht ein mächtiger Aufschwung der materiellen Lage dank
Fig. /<)(). Gengcnbach, Ansicht der Kirche von Osten.
einer rationellen Nutzbarmachung seiner wirtschaftlichen Kräfte. Ein Privileg Hein-
richs VI. (1231) ermöglichte großartige Rodungen, z. B. im Mooswald;3) ebenso erfolg-
reich war die Inbetriebnahme des Bergbaues im Mooswald, in Prinzbach und Haslach.
Leider gehen die Urkunden über den Besitz des Klosters über das 12. Jh. nicht hinunter.
Die älteste, die Bestätigungsbulle Innocenz’ II. vom J. 1139, nennt als geschlossenen
Besitz Gengenbach, Zell, Steinach, Harmersbach, Reichenbach, den vierten Teil der
Burg Geroldseck und Nordrach mit allem Zubehör, außerdem noch zerstreute Güter
in der Mortenau, in Breisach, im Elsaß und in Schwaben. Für alle, die Klostergut
bewohnen, wurden Immunitätsprivilegien gegeben. Hundert Jahre später (1234) werden
als Grenzen des geschlossenen Besitzes von Gregor IX. Staufenberg und Fischerboden
1) Trithemius, Chronicon Hirsaug. I, S. 276.
2) Gerbert, Hist. Nig. Silv. I, S. 297. Grandidier, Oeuvres hist. ined. I, S. 177.
3) Winkelmann, Acta Imp. II, S. 892.
366
KREIS OFFENBURG.
angeführt, in einer Urkunde König Rudolfs I. der Swigenstein bei Haslach und Velletürlin
an der Kinzig bei Staufenberg. Innerhalb dieses Territoriums besaß der Abt zwei Teile
vom weltlichen Gericht und zwei an Holz wie am Zehnten vom Allmendwald, die
Fischerei in allen Gewässern, die Fälle von Freien wie Knechten und von den auf
Klostergut sterbenden Fremden den Todfall. Dreimal jährlich werden diese Einkünfte
ihm gerichtlich zuerkannt, zweimal darf er Branntwein ausschenken. ’) Man hat dieses
Klostergebiet als eigentliche Grafschaft angesehen und letztere identifiziert mit der alten
ortenauischen Grafschaft Kinzigdorf. Aber eine solche Grafschaft stand dem Abt doch
nicht zu : er darf den Richter nicht selber setzen, sondern nur vorschlagen, und das
Recht auf Fälle erstreckt sich nur so weit als der Besitz. Und wenn in dem Weistum
von 1 2 7 5 1 2) von einem Gericht des Klosters die Rede ist, so ist es doch nur ein aus der
Grundherrschaft fließendes Hofrecht, dem die Freien als Pächter oder Nießer der Allmende
unterliegen, nicht ein aus dem Grafschaftsrecht sich ergebendes Gaugericht. Die Kast-
und Schirmvogtei war von den Bamberger Bischöfen zuerst den Zähringem übertragen
worden ; nach deren Aussterben kaufte der Kaiser die Ortenauer Lehen wieder ans Reich
zurück um 4000 Mark Silber3) (1225), so daß in Gengenbach, auf der Burg Ortenberg,
in Offenburg und Mahlberg königliche Schultheiße saßen.
Mit dem zunehmenden Ansehen und Wohlstand des Klosters stellten sich auch
alsbald wieder Wirrungen und Streitigkeiten ein. Sie kamen zum größten Teil von dem
Nachbaradel, der oft genug die Rechte und Besitzverhältnisse des Klosters antastete. So
waren die Einkünfte der vor der Stadt gelegenen Martinskirche, die für Arme und
Reisende bestimmt waren, zu Anfang des 1 3. Jhs. wiederholt in unrechtmäßiger Weise
Familienangehörigen der Äbte oder sonstigen Personen zugewendet worden, wie
Mitte der zwanziger Jahre dem Scholaster von S. Thomas in Straßburg, 1233 dem
Pfarrer von Harmersbach. Diesem Mißstand suchte Abt Gotfried mit größter Ent-
schiedenheit entgegenzuarbeiten und die Kirche wieder ans Kloster zu bringen. Schon
1220, 11. März, sah sich Papst Honorius zum Einschreiten genötigt und beauftragte die
Abte von Schwarzach und Alpirsbach und den Erzpriester von Oberkirch mit der Unter-
suchung der vom Abt angestrengten Klage. In der Antwort dieser Kommission konnte
gemeldet werden, daß die Kirche durch sie wieder ans Kloster gekommen sei. Aber
schon 1225 verlieh der bekannte Konrad von Urach, Kardinal von Porto und Rufina,
den man über die Rechtslage völlig getäuscht hatte, das Gotteshaus dem Scholaster
Heinrich von S. Thomas in Straßburg. Ein Widerruf des Kardinals und die Bitte,
der Bischof von Straßburg möge dafür sorgen, daß der Scholaster das Kloster nicht
belästige, wurden einfach ignoriert und die Installation durch den Bischof mit Gewalt
vorgenommen. 1226 sprach sich der Papst unumwunden zugunsten der Abtei aus und
gab den Befehl zur Rückgabe der Kirche. Kritischer noch gestaltete sich der Streit,
als wenige Jahre später die Martinskirche dem Pfarrer von Harmersbach wieder zuge-
wendet wurde. Diesmal standen auch die Klöster Schuttern und Ettenheimmiinster auf
seiten des feindlichen Adels; ganz besonders taten sich auf dieser Seite der Erzpriester
von Zunsweier und dessen Bruder, der Prior von Schuttern, hervor. Den letzteren wollte
die Adelspartei im Einverständnis mit päpstlichen Kommissarien dem Kloster Gengen-
1) Vgl. Gothein, Wirtschaftsgesch. I, S. 222 ff.
2) Böhmer-Redlich, Reg. Imp. VI, Nr. 379! dazu vonWeechin Z. NF. I, S. 74 ff-
3) Böhmer-Redlich V, Nr. 1576.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
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bach als Abt aufdrängen. Die Klosterinsassen zogen daraufhin in Prozession über Offen-
burg, Straßburg nach Hagenau zur Königin, um deren Hilfe zu erflehen. Der Gegenabt
hatte inzwischen in das wehrlose Kloster seinen Einzug gehalten, mit seinem Gefolge
dessen Vorräte und Habe geplündert und schlimmen Unfug besonders im Archiv an-
gerichtet, wo Urkunden und Briefe der Siegel und Bullen beraubt oder ganz zerstört
wurden. Als der Konvent wieder in Gengenbach erschien, mußte er sich durch den
von der Königin mitgegebenen Röder den Eintritt erzwingen (1235). Es gelang ihm aber,
den Pseudo-Abt zu entfernen und auch die Martinskirche wieder zurückzubekommen. ’)
Schon 1246 wurde das Recht des Klosters daran neuerdings angefochten. Damals wurde
die Stadt im Kampfe von Bischof Berthold genommen. Der Abt aber fiel 1247 auf dem
Wege nach der päpstlichen Kurie der staufischen Partei in die Hände.* 2)
Standen in diesen Streitigkeiten die königlichen Beamten in Offenburg und
Ortenberg, denen das Reichsgut unterstellt war, durchweg auf der Seite der Kloster-
gegner, so war es auch nicht anders in den Kämpfen um die klösterlichen Gülten und
Zehnten, von denen aus der zweiten Hälfte des i3-Jhs. berichtet wird. Es scheint, daß
gerade auf solche Wirrungen die Entstehung des Weistums vom J. 1275 zurückzuführen ist
und daß Rudolf von Habsburg dessen Fertigstellung anordnete, um die rechtlichen Ver-
hältnisse des Klosters klar- und gegen alle fremden Ansprüche und Eingriffe sicherzu-
stellen. Aber noch im gleichen Jahre muß sich der König gegen seine eigenen Beamten
wenden und ihnen ernstlich jede Beeinträchtung der Abtei und jede Hinterziehung von
Gülten und Einkünften untersagen.3) Ein weiterer Schutzbrief erging von Heinrich VII.
ums J. 1302. Bedeutend erweitert wurden die Rechte der Abtei, soweit sie in dem
erwähnten Weistum normiert sind, durch König Adolf, der die Steuerfreiheit der Pacht-
höfe aussprach, und durch die großen Privilegien König Ludwigs des Bayern, die sich
besonders gegen die Städtefreiheiten (Offenburg) richteten und die grundherrliche Gewalt
des Klosters in seinem Territorium sowie die Unabhängigkeit vom Kastvogt unbedingt
aussprachen. Diese weitgehenden Konzessionen wurden eine Quelle unablässiger
Fehden mit den umliegenden Städten, bis später Kaiser Maximilian sie auf das richtige
Maß wieder einschränkte. Schon 1337 mußte König Ludwig an die Stadt Offenburg
den Befehl richten, sich mit dem Kloster zu vertragen wegen der Fälle, und als das
nichts fruchtete, wurde die Reichsacht verhängt. Das Kloster mußte aber doch schließ-
lich nachgeben und auf die Fälle sowie alle damit zusammenhängenden Rechte in bezug
auf die Stadtinsassen verzichten (1343).4)
Andere Differenzen, die allerdings das Kloster weniger als die Stadt Gengenbach
berührten, ergaben sich aus der Reichspfandschaft über die Ortenau. Einen erfolgreichen
Sachwalter fanden die Reichsstädte an dem Gengenbacher Abt Lambert von Burn, der
1366 ein Privileg Karls IV. erwirkte, wonach die Reichsfreiheit ein für allemal wieder-
hergestellt war. Dieser Lambert von Burn, dessen politischem Weitblick dieser bedeut-
same Erfolg zuzuschreiben ist, war einer der hervorragendsten Männer, die auf deutschem
Boden im späteren Mittelalter den Krummstab getragen. Seiner bewundernswerten
B Vgl. die vom Kloster Gengenbach ausgegangene eingehende Darstellung der Acta Gengen-
bacensia (in Wien, Kaiserl. Reichs- und Hofarchiv) in Z. NF. IV, S. 90 — 114.
2) Vgl. das Schreiben Innocenz’ IV. in Mon. Germ. Ep. Pont. Roman, saec. XIII, II, S. 237.
3) Böhmer-Redlich, Regg. Imp. VI, Nr. 459.
4) Vgl. Gothein a. a. O. I, S. 238 ff.
368
KREIS OFFENBURG.
politischen und wissenschaftlichen Begabung entsprach auch seine glanzvolle Laufbahn.
Ursprünglich Novize im Kloster Neuweiler, kam er 1359 auf den Abtsstuhl in Gengen-
bach, wurde hernach Kanzler Karls IV., 1361 Bischof von Brixen, 1364 von Speyer,
1372 von Straßburg, 1373 von Bamberg; an letzterem Ort starb er 1398. ’) In der
Klostertradition steht sein Andenken weniger glänzend da, weil man ihm den Verzicht
auf den Zweidrittelertrag der Allmendnießung nicht recht verzeihen konnte.* 2)
Mit Ende des 14. Jhs. bildete sich die Sitte aus, nur Adelige zur Prälatur zuzu-
lassen; 100 Jahre später war man dann so weit, überhaupt nur Adelige noch aufzunehmen.
Von da an war die alte Abtei tatsächlich, worauf der Ortenauer Adel auch stets pochte,
des »Adels Spital«. Damit waren wieder Folgen gegeben, die das Kloster in Gegensatz
zu den Interessen der Reichsstadt brachten, und mehr noch zu den Interessen der Ordens-
disziplin. An Stelle des Dinggerichts war das Mannengericht getreten; die Meierämter
in den Tälern standen nicht mehr den Eigenleuten, sondern Adeligen oder Ritterl »tirtigen
zu. Das Interesse des Ortenauer Adels mußte sich infolgedessen diesen Ämtern zuwenden,
und die Rechtsprechung dieser Mannengerichte lief darauf hinaus, des Klosters Privilegien
zu bestätigen. Eine andere bedenkliche Folge der Beschränkung der Abtswürde auf adelige
Herkunft war die zwiespältige Wahl, die von jetzt ab eine ständig wiederkehrende Erschei-
nung bildet. So geschah es schon im zweiten Jahrzehnt des 15. Jhs. bei der Wahl eines
Nachfolgers Konrads von Blumberg. 1456 übertrug der Papst die Abtei als Kommende
dem Kardinal Wilhelm von Metz, indes der Konvent Volzo von Neueneck wählte, der
mitsamt seinen Wählern exkommuniziert wurde und erst nach dem baldigen Tod des
Kardinals die Bestätigung des Papstes fand (1456). Unter diesem Abt vollzog sich die
tatsächliche Umwandlung des Klosters in ein hochadeliges Stift; 1461 wurde die exklusive
Aufnahme von Adeligen zu einem eidlich von jedem Insassen zu bekräftigenden Statut.
Eine schwache Reaktion gegen die immer weiter um sich greifende Verweltlichung und
Disziplinlosigkeit bildete die Aufnahme in die Bursfelder Kongregation (1 463) ; eine nam-
hafte Besserung führte sie aber ebensowenig herbei wie die Reformordnung, die der
Straßburger Bischof 1501 unter Gutheißung des Kardinals Raimund Peraudi dem Kloster
Gengenbach gab. Völlig turbulente Zustände leitete der Abt Konrad von Müllheim
ein, der Erbauer des prächtigen Erauenchörleins in der Klosterkirche und des h. Grabes
darin. Ein prunkliebender, religiös wenig ernster Mann, ward er in bezug auf seine
Verwaltungspraktiken wie auch auf seine sittliche Führung der gravierendsten Vergehen
von seiner Kommunität beschuldigt und schließlich auch ohne Verhör gefangen und auf
recht unsanfte Weise in ein Verlies geworfen (1506). Den wahren Grund zu diesem
Vorgehen hat man wohl in dem Widerstand zu suchen, den Abt Konrad dem Plane des
Haupträdelsführers Philipp von Eselsberg, das Kloster in ein weltliches Stift umzuwandeln,
entgegensetzte. Denn es muß doch sehr auffallen, daß dieser Mann alsbald nach Konrads
Tod (1508) zu dessen Nachfolger gewählt wurde, und zwar per formam compromissi, und
daß er sofort seinen Lieblingsplan wieder aufnahm. Nach dreimaliger persönlicher
Anwesenheit in Rom erreichte er auch sein Ziel 1523 wurde die Bulle ausgestellt,
welche die Umwandlung des Klosters billigt. Karl V aber legte ein Veto ein und
*) Vgl. FDA. XVI, S. 103. Z. NF. VIII, S. 446. Studien und Mitteilungen aus dem Bene-
diktiner- und Cisterzienserorden XVI, S. 89 ff. Remling, Gesch. der Bischöfe von Speyer I,
S. 630 — 642.
2) Vgl. das abfällige Urteil Dornbltiths, Z. NF. VIII, S. 446.
AMT OFFENBURG.
GENGENBACH.
369
so unterblieb zunächst das Vorhaben.1) Dafür sollte die Abtei 1525 tatsächlich säku-
larisiert werden auf eifriges Betreiben des lutherischen Grafen Wilhelm von Fürstenberg,
des Ortenauer Landvogts und Kastvogts des Klosters. Das am 25. Februar jenes Jahres
getroffene Abkommen sicherte dem Abt und seinem Konvent eine angemessene Jahres-
rente, wogegen sie auf alle Besitzungen und Rechte des Klosters verzichten, der Graf
aber Aufrechthaltung des Gottesdienstes in guter beständiger Ordnung in Aussicht stellt.
Wir erfahren aus einer Zusatzurkunde, daß der Graf und der Rat der Stadt dem Abt
gestattet haben, verschiedenes Hausgeräte, wie zehn silberne Löffel, zehn Becher und »ein
vergult, verdeckt Becherlin« sowie zwei Bettstätten, zu lebenslänglichem Gebrauch in
seine Wohnung nach Offenburg mitzunehmen. Eine dritte Urkunde erklärt uns, wie sich
der Abt zu solcher Abmachung herbeilassen konnte. Er stand unter nachdrücklichem
Zwang, da der Graf ihn in Gewahrsam nahm, ihm die Zustimmung einfach abnötigte
und ihn noch urkundlich versprechen ließ, sich später in keiner Weise zu rächen noch
etwas gegen das Abkommen zu unternehmen. Da der Rat der Stadt nach solchen Ver-
handlungen die Abtei so gut wie ganz schon in Händen zu haben glaubte und wenigstens
einen Teil der säkularisierten Güter zu erhalten hoffte, hatte er ein sehr begreifliches
Interesse, das Kloster gegen die schon kurz hernach ausgebrochenen Bauemunruhen zu
schützen, indem er es okkupieren ließ. Freilich mußten der Graf wie die Stadt bald
darauf auf den fetten Bissen verzichten: das Reichsregiment erteilte der Abmachung
die Bestätigung nicht, ordnete vielmehr an, daß der Abt und Konvent wieder in die
Administration einzusetzen seien. Diese Verfügung mußte mehrmals wiederholt werden,
da sie offenbar zunächst gar nicht oder nur ungenügend beachtet wurde. Noch 1527
beschwerte sich Abt Philipp, der Graf belästige das Kloster durch Einlegung von Mann-
schaften, durch Gebrauchnahme von Pferden und anderem dinglichen und leiblichen
Besitz sowie durch Sperrung von Zehnten in unerträglichem Maße. Erst jetzt kam durch
Vermittelung des Straßburger Bischofs und Gutheißung Karls V. ein Vertrag zustande,
der die Leistungen des Klosters an den Kastvogt (1 Fuder Wein, 30 Viertel Hafer und
einige andere Bezüge und Rechte) regulierte. Dagegen ließ der Graf den großen Zehnten
frei, lieferte Brief und Siegel wieder aus und erklärte sich zu Vergleichsverhandlungen
über den Kleinzehnten und die Leibgefälle auf einem demnächstigen Reichstag bereit.
Inzwischen hatte auch die Stadt unter Hinweis auf die angestrebte Umwandelung des
Klosters in ein weltliches Stift ihre Forderungen geltend gemacht, worüber ein lang-
wieriger Austausch und gegenseitiges Verhör vor dem Cirafen von Fürstenberg in den
Jahren 1525/26 und 1529 stattfanden. Die Stadt wünschte abwechselnd mit dem Abt
das Besetzungsrecht an den Vikarien, Verlegung der zu weit entfernten Pfarrkirche in die
Klosterkirche. Der Pfarrer solle vom Kloster dotiert, aber vom Rat gesetzt, die Schule
künftig besser besorgt und die Spitaleinkünfte zu ihrer tatsächlichen Bestimmung ver-
wendet werden. Wasser, Weiden, Wälder und Allmenden sollen käuflich an die Stadt
abgetreten werden, das Kloster außerhalb der Klostermauern keine Häuser in der Stadt
besitzen dürfen, keine ewigen Zinsen mehr kaufen und die schon vorhandenen ablösen.
Dagegen solle es die Erbgüter im Stab Gengenbach versteuern und bei weltlichen
Angelegenheiten der städtischen Gerichtsbarkeit wie auch der Stadtpolizei unterstehen.
Mit anderen Worten: die Stadt verlangte gänzliche oder teilweise Aufhebung der Exemtion,
1) Vgl. die langen Verhandlungen über diesen Konflikt bei Ruppert, Z. 31, S. 315 ff.;
32, S. 309 ff.
37°
KREIS OFFENBURG.
der Freiheiten und Einschränkung der Besitzrechte. Soweit sie prinzipiell bisherige
Rechte anfaßten, lehnte das Kloster diese Zumutungen ab. Bezüglich des städtischen
Pfarrers (Konrad Servitoris) erklärte der Abt, er hätte bislang »das Kloster vielfältig ver-
folgt und durächtet«, auch in seinen Ämtern und Predigten den Bestimmungen des
Kaisers nicht entsprochen. Wie die langen, bis ins J. 1529 reichenden Verhandlungen
ausgingen, ergibt sich aus den zum großen Teil erhaltenen Akten nicht.1) Wohl aber
erfahren wir daraus, daß Abt Philipp auch im letztgenannten Jahre seinen unglückseligen
Plan einer Umwandelung der Abtei nochmals aufgriff, daß er den Adel wohl dafür hatte,
dagegen aber die Vertreter des Bischofs. Die ganze Aktion der Stadt lief, das geht mit
wünschenswerter Deutlichkeit aus den gewechselten Schriftstücken hervor, nicht auf
Klärung verworrener oder unhaltbarer Rechtsverhältnisse, auch nicht auf Abstellung
einzelner Mißstände hinaus, sondern auf die Protestantisierung des Stiftes. Zu diesem
Zwecke sollte die Pfarrei mit dem von der Stadt bestellten, dem Kloster so feindlich
gesinnten Prädikanten in die Abteikirche verlegt und die Herrschaft des Rates über das
Kloster ausgedehnt werden. Diesem von zwei Seiten, vom Grafen Fürstenberg und vom
Rat der Stadt, unternommenen Versuch einer Säkularisierung und Entkatholisierung
widerstand das Stift vorläufig noch. Man hat die Empfindung, daß das Verdienst hieran
nur in beschränktem Maße dem Abt Philipp von Eselsberg zuerkannt werden kann. Eine
Humanistennatur, deren Wissen und Klugheit gerühmt und auch von dem zweimal für
längere Zeit in Gengenbach anwesenden Kaiser Maximilian geschätzt wurde, ein Grand-
seigneur von wenig sparsamem Sinn und vielleicht noch weniger Verwaltungstalent, ent-
behrte dieser Abt jeglicher Eigenschaften, die für die schwierigste Krisis seines Klosters
notwendig gewesen wären. In noch weit bedauerlicherem Grade war das bei seinem
Nachfolger Melchior von Horneck der Fall.2) Bei seiner Wahl (1532) bestand der
Konvent nur noch aus drei Patres, so daß es dem Grafen Wilhelm ein leichtes war,
seine Kreatur durchzubringen, deren Neigung zur Verschwendung und zu zügellosem
Leben verbunden mit dem Mangel tieferen religiösen Sinnes ihn zu einem willenlosen
Werkzeug in der Hand des Kastvogtes machte. Er wurde offenkundig Protestant und
hielt sich Konkubinen; ob er vor seinem Tode, wie bei Kolb zu lesen ist, zur Kirche
zurückkehrte, ist sehr zweifelhaft. Nach der Klostertradition starb er in apostasia. Unter
ihm fand die Säkularisierungsidee wieder namhafte Förderung: 1532 wurde der Abt der
Klosterverwaltung vom Grafen entsetzt, 1533 wieder zugelassen, aber unter Bedingungen,
die jede Selbständigkeit aufhoben. 1539 wurde der Entwurf eines Pensionsabkommens
aufgesetzt, das das Kloster schon ganz in den Händen des Fürstenbergers zeigt und den
Abt mit einer Leibrente abfindet.3) Noch kurz vor seinem Tode genehmigte Melchior
die schon früher geäußerten, auf die Protestantisierung des Stiftes hintreibenden Wünsche
der Stadt. Der Kerbzettel 4) für die Bestallung zweier aus den Klostereinkünften dotierten
Prädikanten und für die Verlegung des Stadtgottesdienstes in die Klosterkirche trägt
wenigstens noch den Namen Melchiors von Horneck, wenngleich er erst Wochen nach
seinem Tode (12. März 1540) ausgestellt ist. Graf wie Stadt schienen um diese Zeit
ihr Ziel erreicht zu haben; aber gerade jetzt setzte die Gegenreformation in Gengenbach
-1) Mitgeteilt von Franck in FDA. VI, S. I — 26.
2) Vgl. Ruppert, Z. 33, S. 128—159.
3) Vgl. FDA. VI, S. 21, 22.
4) Ebenda S. 24.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
371
ein mit dem entschiedenen Eingreifen der Bischöfe von Straßburg und Bamberg, das
noch nachhaltiger gefördert wurde durch die Abwesenheit und spätere französische
Gefangenschaft des Grafen Wilhelm und durch den Ausgang des Schmalkaldischen Krieges
bezw. die Einführung des Interims. Zum guten Teil ist die Gegenbewegung auch unter-
stützt worden durch die Kündigung der Reichspfandschaft (1551), wodurch dem Grafen
die Schirmvogtei über das Kloster entzogen ward.
Die Stadt Gengenbach neigte, teils unter dem Einfluß des nahen Straßburg, teils
infolge der langen wirtschaftlichen und verfassungsgeschichtlichen Fehden mit dem Kloster,
mehr aber wohl noch infolge dessen sittlichen Tiefstandes, in den zwanziger Jahren schon
der Reformation zu. 1529 nahm sie einen Teil der Rottweiler auf, die wegen der Zu-
gehörigkeit zur neuen Lehre vertrieben worden waren. Auch im Stadtpfarrer, der das
Kloster so heftig »verfolgte und durächtete«, hat man wohl einen Prädikanten zu erblicken.
Der ungehinderte Abfall konnte sich aber erst unter Abt Melchior vollziehen. Unter
ihm richtete die Stadt nach Straßburger Muster eine Schule ein, die sich der besonderen
Fürsorge Caspar Hedios zu erfreuen hatte; durch diesen kam als äußerst rühriger
Lehrer Hedios Freund und Landsmann Matthias Erb (gest. 1571) an die Neugründung
(bis 1537). ]) 1537 führt Ambrosius Blarer Gengenbach unter den evangelischen Städten
auf und in deren Reihen unterschreibt es auch 1541 das Protokoll des Regensburger
Religionsgespräches. 1541 gewährte die Stadt dem wegen einer Epidemie fortgezogenen
Straßburger Gymnasium gastliche Aufnahme. 1545 erschien ein evangelischer Katechismus
mit dem Wappen der Reichsstadt, für Gengenbach und die Nachbartäler (Kurze und
einfältige Form eines christl. Catechismi für die Kirche zu Gengenbach, 1545), heraus-
gegeben und dem Stadtrat gewidmet von den drei damaligen Prädikanten Lucius Kyber,
Thomas Lindner und Lorenz Montanus; 1546 hielt Hedio eine Visitation ab.2)
Im Kloster war nach dem Tode Melchiors von Plorneck nur noch ein einziger
Pater, der Prior Friedrich von Keppenbach. Daß die Abtswahl nach dem Zusammen-
bruch der Selbständigkeit des Klosters und dem Aufhören des Katholizismus in der
Stadt nur unter sehr erschwerenden Umständen vor sich gehen konnte, ist natürlich.
Der Prior, ohnehin eine unentschiedene Natur, wurde vom Grafen noch obendrein in
Gewahrsam nach Ortenberg gebracht, um ihn für die Forderungen des Schirmvogts
gefügiger zu machen. So begreift es sich, daß der persönlich gut katholische Mann die
letzte Abmachung seines Vorgängers über die Einführung von Prädikanten ins Stift
nicht widerrief, ja sie nach seiner Wahl sogar anerkannte. Der letzteren gingen lange
Verhandlungen mit dem Grafen, aber auch mit dem Bischof von Straßburg voraus. Es
kann kein Zweifel bestehen, daß Graf Wilhelm an diesem geringschätzig nur »das Priorle«
genannten Vertreter des Klosters dasselbe gefügige Werkzeug zu haben glaubte wie an
seinem Vorgänger. Das Unwürdige seiner Behandlung ergibt sich am besten aus den
Zumutungen, die er schließlich nach langem Zögern auch annahm : den Statusquo der
Säkularisation und die Prädikanten zu dulden, nicht in die Wahl eines fremden Abtes zu
willigen und neben sich eine »Statthalterei« des erst siebenjährigen Grafen Otto von Eber-
stein, an dessen Stelle später der junge Graf Anton von Salm (1543) trat, zu dulden.3)
Dem letzteren sollte die Abtei in die Hände gespielt werden; bis zur Volljährigkeit des
•*) Vgl. Baumgartner in Schauinsland 23, S. 12 ff.
3) Vgl. Vierordt, Gesell, der evang. Kirche in Baden I, S. 314 — 319.
s) Vgl. Fr an ck, FDA. VII, S. 83 — 105. Ruppert, ebenda XVI, S. 196 — 215.
372
KREIS OFFENBURG.
jungen Salm aber mußte Abt Keppenbach nach außen jeden Verdacht beseitigen. Zu
seiner Überwachung wurde ihm ein unehelicher Sohn des alten Salm, Dominicus von
Rheims, als Prior auf den Hals geladen, und in den letzten Jahren des Abtes Friedrich
von Keppenbach wußte dieser den künftigen Klosterinhaber Grafen Salm auch tatsächlich
ins Kloster zu schmuggeln (1554) als Koadjutor. Man kann sich unter solchen Umständen
die peinliche Lage des Prälaten vorstellen ; trotzdem wirkte er mit Entschiedenheit an
der Restauration des Katholizismus, eröffnete die seit Jahrzehnten geschlossene Kloster-
schule und übertrug sie dem eigentlichen Träger der Gegenreformation in Gengenbach,
dem gelehrten Cornelius Eselsberger.1) Nach dem Interim und dem Tod des Grafen
Wilhelm mußten auch die drei Prädikanten von dannen ziehen, und mit ihnen wich
langsam die neue Lehre aus der Reichsstadt. Friedrich von Keppenbach war wenn
auch kein starker Charakter, so doch eine heiligmäßige, ascetische Natur. Er starb
unerwartet rasch (1555), so daß man den »wälschen Prior« einer Vergiftung seines Abtes
beschuldigte. Nach dem Tode Keppenbachs hauste dieser Prior eine Zeitlang allein im
Kloster, da der aus gleichfalls zwiespältiger Wahl hervorgegangene neue Abt Gisbert
Agricola (1556 bis 1586) erklärte, nicht eher das Kloster zu betreten, als bis die fremden
Insassen dasselbe verlassen hätten. Erst jetzt war die fast ein halbes Jahrhundert
lang drohende Gefahr, das Stift seiner ursprünglichen Bestimmung zu entfremden, beseitigt.
1548, 7. Juli, hatte schon ein kaiserlicher Befehl dem Rat der Stadt eingeschärft, »das
Interim ohne weiteren Verzug in das Werk zu richten«. Aber noch 1560 befanden sich
Protestanten in der Stadt, denn Cornelius Eselsberger, der Stadtpfarrer, mußte sich
damals gegen Angriffe wenden, die gegen katholische Gebräuche und besonders das
Meßopfer öffentlich angeschlagen worden waren.2) Agricola ließ sich, nachdem wieder
einige Ruhe eingetreten, vor allem die Restauration der arg verwahrlosten Klosterbauten
angelegen sein, wovon ein inschriftliches Chronostichon Kunde gab.
Einige Aufregung verursachte im Konvent die vom Straßburger Bischof Erzherzog
Leopold angeordnete Losreißung (1618) des Klosters von der Bursfelder Kongregation
und die Eingliederung in die Straßburger Kongregation; gleichzeitig wurde eine Visi-
tation angeordnet, über welche die Acta commissionis odiosae de intrudendo inspectore
sub pallio reformationis leidenschaftlich Bericht erstatten. Schlimmer waren für die Abtei
die Drangsale des Dreißigjährigen Krieges Der Abt war in den späteren Jahren meist
abwesend in Villingen oder Rottweil, und auch der Konvent bestand oft nur aus drei
Personen. Die Stadt hatte sich gegen hohes Lösegeld Schonung von den Schweden
erkauft, und auch das Kloster ging lange Zeit heil aus. Die schwedische Einquartierung
vom J. 1634 fiel entweder den Österreichern zum Opfer oder kam in Gefangenschaft; auch
ein Angriff der Straßburger ward bald hernach vereitelt. Zu allem Elend kam in diesen
Jahren noch ein Zwist mit der Stadt, die für die Stadtkirche einen Weltgeistlichen wollte
an Stelle des Ordenspriesters, der zu schlecht katechisiere und keine Taufbücher führe.
Als das Kloster diesem Verlangen nicht sofort entsprach, sperrte die Stadt ihm den
Zehnten, erhielt aber vom Bischof von Straßburg den gemessenen Befehl, unter der
Strafe der Exkommunikation die Sperre aufzuheben und noch 200 fl. Buße zu erlegen.
1) Vgl. Baumgartner in Schauinsland 23, S. 29 ff.
2) »Antwurt auf die geschrifft einer tabelenn, in welcher das Ampt der heyligen Maß unbilliger
weyß angetastet und verworfen«. Vierordt sah diese handschriftlich erhaltene Kontroversschrift seiner-
zeit beim Medizinalrat Dr. Schwörer in Freiburg (Gesch. der evang. Kirche in Baden V, S. 397)-
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
373
Dafür konnte der Rat sich jetzt einen geeigneten Pfarrer in der Person des trefflichen
Pater Leonhard Feinlein (gest. 1679) wählen (1640), von dem wir sehr anschauliche
Berichte über die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges haben, so über die dreimalige
Plünderung der Stadt und des Klosters durch die Weimarer Truppe in dem einen Jahr 1 643.
Das erste Mal hatten der Klosterturm und die Mauern durch die Beschießung »etliche
Löcher« bekommen. Die letzte gleich vandalische Plünderung und Verwüstung, teilsweise
mit Brandlegung, ging den 4. November vor sich. Noch schlimmere Drangsalierung und
Verheerung standen der Stadt wie dem Kloster 40 Jahre später bevor. Schon 1675 ur*d
1678 sah Gengenbach die Kriegsgefahr wiederholt an seine Tore klopfen, und mehr
noch in den folgenden Jahren die Greuel der Franzosen in der Rheinebene draußen
auflodern. 1689 fiel es selbst nach dem Fall von Straßburg denselben zum Opfer.
Zu der Kriegsgefahr, Plünderungen und fast unerschwinglichen Kontributionen
(1703 bis 1704) im Spanischen Erbfolgekrieg kam noch die gänzlich unfähige Regierung
des Abtes Augustinus Müller (1696 bis 1726), unter dem die Disziplin in bedenklicher
Weise gelockert und das Vermögen wie die Güter in unverantwortlichem Maße, besonders
durch Nepotenwirtschaft einiger Patres, verschleudert wurden So stellte sich 1721 eine
Schuldenlast von 25000 fl. heraus. Der Konvent war noch teilweise in Nachbar-
klöstern zerstreut; der Abt wohnte anfangs in Zell. Es sind bittere Worte, mit denen
Dornblüth sein Endurteil über den untauglichen Klosteroberen abgibt: Erat, si otium,
gulam et crapulam excipias, sat bonus religiosus. ’) Zwar gelang es, nicht den nächsten
Nachfolgern Seeger und Rischer, wohl aber den beiden letzten Äbten, die Schuldenlast
wieder vollständig zu tilgen. Rischer hatte sich sogar durch Errichtung einer Glashütte
und Kobaltfabrik in Dörrenbach in finanzielle Schwierigkeiten gebracht, um so besser
aber rentierten sich nach seiner Abdankung und Übersiedelung nach Dörrenbach die
Anlagen. 1803 kam das Stift, das bis dahin reichsunmittelbar gewesen war, an Baden
und wurde säkularisiert.* 2)
Auf dem Gebiet der Geisteskultur hat das reiche und angesehene Stift kaum
Nennenswertes aufzuweisen. Das Schulwesen zeigt sich, so oft im Laufe der vielen
Jahrhunderte davon die Rede ist, in verwahrlostem Zustande. Erst in der Zeit der
Gegenreformation nahm sich Cornelius Eselsberger des Bildungswesens hervorragend an.
Das protestantische Gymnasium hielt sich nur unter Matthias Erb auf der Höhe; unter
dessen Nachfolger Dionysius Reuchlin (1537 ff.) sank es merklich. Auch für die
theologische Ausbildung des Nachwuchses leistete das Kloster nicht viel. Im J. 1670
wurde der Kongregationsbeschluß, daß wenigstens zwei begabte Brüder auf eine Akademie
zum Studium der Theologie und des kanonischen Rechts zu schicken seien, angenommen.
Im J. 1672 bezogen tatsächlich zwei Gengenbacher die Universität Freiburg; sie
wurden aber schon nach einem Semester wieder zurückberufen, weil der Erfolg zu
gering sei. Das gleiche geschah 1 7 1 1 , als zwei Patres für kurze Zeit nach St. Blasien
gingen, um sich für das Professorat in Gengenbach vorzubereiten. Nicht weniger
geringfügig sind auch die literarischen Leistungen des Gengenbacher Konvents. Sieht
man von den Klosterchronisten ab, so hat sich nur Pater Augustin Dornblüth 3)
J) Vgl. Z. NF. 9, S. 254.
2) Vgl. die Aktenstücke darüber, FDA. VI, S. 297 ff.
3) Vgl. über ihn Z. NF. 8, S. 690 ff.
374
KREIS OFFENBURG.
Fig. 200. Grundriß der Klosterkirche von Gengenbach.
. S/iKrWri-
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
375
(gest. nach 1750) durch eine lange Liste von Übersetzungen, pädagogischen und
ascetischen Schriften’) einen Namen gemacht. Der Abt Placidus Thal mann schrieb
ein ascetisches Buch Angelus confortans, 2) der Humanist Philipp von Eselsberg ein
handschriftlich erhaltenes Werk über die Reformation.3) Subprior Augustin Schil-
linger veröffentlichte in Rastatt 1792/93 in vier Bänden das Gebet- und Unterrichtsbuch
»Der gutkatholische Christ, so wie er seyn soll in Worten und Thaten«.
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QURTqesifAS w ]ÄnQ
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Fig. 202. Klosterkirche zu Gengenbach, Rankcnornamcnt des Gurlgesi/nses.
Außer der Klosterkirche hatte Gengenbach noch eine Stadtkirche vor den Toren
(ad S. Martinum), von deren Schicksalen wiederholt schon die Rede war. Außerhalb
des städtischen Schutzes, war sie feindlichen Verwüstungen ganz besonders ausgesetzt.
Gleichfalls außerhalb der Stadtmauer gelegen war das kleine Klausnerinnenklösterchen
neben der Martinskirche, das 1302 von Abt Dietrich IV. für drei Frauen gegründet
wurde. Schon 1395 wurde es beim Überfall Gengenbachs durch die Straßburger zer-
stört, die Beginnen werden aber noch 1449 genannt.4) Sehr alten Ursprungs ist wohl
die Kapelle auf dem Kastellberg, im Mittelalter (1289) Jakobs-, später Einbethkapelle
genannt. Ein Spital, das eine Zeitlang während der Klosterherrlichkeit das Gymnasium
beherbergte, lag in der Vorstadt auf dem Weg gegen Offenburg. (Sauer.)
V Vgl. FDA. XX, S. 137 ff.
2) Vgl. Z. NF. 8, S. 463.
i!) Mone, Quellens. I, S. 59 ff.
4) Vgl. Z. NF. 8, S. 663 ff.
Band VII.
25
376
KREIS OFFENBURG.
Kloster
Klosterkirche
Von dem stattlichen Kloster stehen heute nur noch die Kirche, das Konvents-
gebäude aus zwei rechtwinkelig zueinander stehenden Flügeln, deren westlicher an die
Fassade der Kirche anstößt, die östlichen Wehrmauern mit einem später zum Gartenhaus
umgebauten Turm (s. oben) und die Türpfosten des Klostergartens. Die Ausdehnung des
ehemaligen Bezirkes ist in unserem Plane ersichtlich. Von diesen Bauten aber stammt
nur die Kirche aus dem Mittelalter, allenfalls noch Reste der Mauer, alles übrige gehört
dem 17. bezw. 18. Jh. an.
Die ehemalige Klosterkirche, jetzige katholische Pfarrkirche, als deren Himmels-
patronin schon 1140 »beata et sancta dei genitrix Maria« erwähnt wird, dürfte, wie
sich aus der Geschichte
•///,
Fig. 203. Rankenornament an den Kämpfern der Säulen und Pfeiler
in der Kirche zu Gengenbach.
und der Formenbehand-
lung ergibt, aus den
Jahren der von S. Georgen
vorgenommenen Refor-
mation stammen.
Ein Blick auf den
Grundriß (s. Fig. 200)
läßt das Hirsauer Schema
erkennen. Wir haben
eine dreischiffige, flach-
gedeckte Basilika vor uns
mit nur drei Stufen höher
liegendem Chor, der in
einer runden Apside
schloß (später verändert)
und sich in je zwei
Arkaden auf einer Säule nach den ebenfalls in runden Apsiden geschlossenen Seiten-
chören öffnet, welche als die Fortsetzung der Seitenschiffe gedacht sind. (Tafel XII.)
An den übrigbleibenden Ostwänden des Querhauses sind zwei weitere Apsiden ange-
bracht. Pfeiler von kreuzförmigem Grundriß tragen die Vierung, auf der möglicher-
weise einmal ein Turm oder ein Dachreiter saß. Dafür spricht, daß bei sonstigem
Wechsel von Pfeiler und Säule im Langhaus man es doch für nötig hielt, hier auf den
Vierungspfeiler zunächst wieder einen Pfeiler folgen zu lassen. Darauf folgen auf jeder
Seite untereinander abwechselnd drei Pfeiler und drei Säulen und am Innern der
Fassadenwand Pilaster, auf der Südseite ist jedoch die dritte Säule des nahen Turmes
halber in der Barockzeit in einen Pfeiler verwandelt worden und an die Stelle des
dritten Pfeilers ist der mächtige Unterbau des Turmes getreten.* 2) Der Stützenwechsel
ist hier nicht zu einer Gliederung des Hochbaues benutzt worden durch Zusammen-
fassung, wie vielfach in den sächsischen Kirchen. Ein horizontales Gurtgesims zieht sich
etwa 1 m über den unprofilierten, rundbogigen Arkaden her.3) Dieses Gurtgesims, das
auch an der Ostseite herumzieht, ist an dieser, an der Langhaussüdwand und an dem
*) a. a. O. S. 53.
2) Von dem Pfeiler, der nach Baer mit vier Halbsäulen geziert war, kann ich nichts entdecken.
3) Ltibkes Angabe, daß wie in Maulbronn von dem Gesimsband sich Vertikalstreifen zu den
Pfeilern herabziehen, ist irrig; er hat sich wohl durch die Wandpilaster des Barocks täuschen lassen.
i aja nii
Blick in den Cher de? Klosterkirche in Gengenlach. (Nach der Restauration.
Fig. 201 . Längsschnitt durch die Klosterkirche in Gengenbach.
Band VIT. Zu Seite 376.
iiiiiiihihI
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
377
östlichsten Teil der nördlichen Mittelschiffvvand bis über den ersten Pfeiler nach dem
Vierungspfeiler durch einen Schachbrettfries geziert, der dann auch an der Kämpfer-
platte der Säulen und der Pfeiler wiederkehrt. Uber dem genannten Pfeiler bricht
derselbe plötzlich ab und an seine Stelle tritt hier wie an Säulen und Pfeilern ein
schwungvoll gezeichnetes und voll plastisch gearbeitetes, schönes Rankenornament
(s. Fig. 203). Das deutet in seinem plötzlichen Auftreten doch auf einen Wechsel in
der Bauführung hin, wofür auch die Mauerverbände sprechen. Baer hielt den nord-
westlichen Teil mit diesem Rankenornament für den älteren, da man wohl, um die alte
Kapelle möglichst lange zu erhalten und trotzdem den Altarplatz nicht verlegen zu
müssen, im Westen zu arbeiten begann. Allerdings hält er auch die umgekehrte Hypo-
Fig. 204. Klosterkirche in Gengenbach, Säulenkapitelle.
these für gerade so wahrscheinlich, und in der Tat scheint es mir plausibler, daß man
zunächst für den Altar das neue, würdige Haus schuf, also die Ostpartie, womit auch das
primitivere Schachbrettornament älter wäre als das feinere Rankenornament. Von der
legendären und ganz unwahrscheinlichen erstmaligen Reform direkt von Hirsau aus
i. J. 1094, mit der auch Baer operiert, müssen wir nach Sauers Darlegungen absehen.
Erst Abt Friedrich (gest. 1120), von S. Georgen stammend, reformierte das Kloster nach
den Hirsauer Grundsätzen. In diese Zeit oder kurz nachher, also in die erste Hälfte
des 12. Jhs., werden wir demnach unseren Bau zu setzen haben. Überall zeigt er den
Anschluß an das schwäbische Vorbild. Die Säulen sind durchaus in hirsauischem Sinne
gebildet, wie das Würfelkapitell mit dem halbkreisförmigen Schilde, dessen doppelter
Umrahmung (s. Fig. 204) und der einfachen Schräge zeigt. Der Halsring, welcher den
Übergang zum Schaft vermittelt, findet sich ebenfalls in der Peterskirche in Hirsau, auch
die steile attische Basis, das Eckblatt aber erinnert an die ebenfalls der Hirsauer Bau-
25:
378
KREIS OFFENBURG.
Äußeres
schule angehörige Kirche in Alpirsbach. Die Säulen (s. Fig. 205) sind nicht so schlank
wie diese, aber schlanker als diejenigen in Hirsau. Es darf zum Schluß nicht übersehen
werden, wie das Rankenornament am Gesims als fortlaufend, an den Kämpfern mit einer
geschickten leisen Abänderung als in sich geschlossenes Ornament behandelt ist. Auch
möchte ich darauf hinweisen, daß in dies Ornament an der nordwestlichsten Säule und
dem darauffolgenden Wandpfeiler Tierkörper hineinkomponiert sind.
Die Kirche war ursprünglich mit flacher Decke gedeckt, welche die große Restau-
ration unter dem damaligen erzbischöflichen Baudirektor Meckel in den letzten Jahren
des 19. Jhs. wider rekonstruiert hat. Die
beiden verlängerten Seitenschiffe neben dem
Chor haben ihr spätgotisches Rippengewölbe
vom Ende des 16. Jhs. behalten; die Rippen
zeigen die trockene Profilierung der Spätzeit,
an dem einen Schlußstein das Wappen des
Erbauers, des Abtes Joh. L. Sorg, und die
Jahreszahl 1589. Dagegen wurde die ge-
samte Barockstuckdekoration der Decken etc.
herausgerissen.
Die spitzbogigen Fenster der Seitenschiffe
verdanken dem Lichtbedürfnis des späteren
Mittelalters ihre Entstehung, ebenso das
Fenster an der nördlichen Westwand und das
in der Chorapsis. In den Stürmen des 1 7. Jhs.
waren Dach und Hochmauern des Mittelschiffs
offenbar einem Brande zum Opfer gefallen,
man baute sie wieder auf (noch ist die An-
satzlinie deutlich zu erkennen), natürlich mit
zahlreicheren, rundbogigen Fenstern (Fig. 206).
— In die Ecke der nördlichen Seitenschiff-
und Querschiffmauer ist im iö.Jh. die Kapelle
des heiligen Grabes eingefügt worden, deren
Beschreibung unten folgt, gegenüber an der
Südseite eine Kapelle der Barockzeit.
Die fünf Konchen sind zum Teil auf den
alten Grundmauern errichtete Ergänzungen
des 19. Jhs. Durchaus alt die Apsis des verlängerten nördlichen Seitenschiffs und die
dem südlichen Querschifif vorgelagerte. Die Apsis des Hochchors selber scheint mir in
gotischer Zeit verändert, aus ursprünglich rundem Grundriß polygonal gestaltet worden
zu sein. Ihr Gewölbe erhielt sie bei der letzten Restauration, welcher auch die Apsis
am nördlichen Querschiff und die des verlängerten südlichen Seitenschiffs angehören.
Bei dieser Renovation ist auch der im 18. Jh. höher liegende Boden des Chors abge-
tragen worden.
Das Äußere der Kirche ist von großer Schlichtheit, schlichter noch, als es die
Gewohnheit der Schule verlangte ; darin der Alpirsbacher Kirche verwandt. Etwas reicher
Fig. 205. Klosterkirche in Gengenbach,
Säule im Langhaus.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
379
ist die Ostpartie ausgebildet (s. Fig. 207). Unter den Fenstern zieht sich ein Gurtgesims
hin, das an der Hauptapsis um sechs, an den beiden Nebenapsiden um zwei mehrkantige
kleine Wandpfeiler kapitellartig verkröpft ist, welche Kapitelle entweder dreieckförmig
gestaltet und mit Rosetten u. a. verziert oder prismatisch gebrochen sind. An der Seiten-
apsis endigen sie in einem zapfenförmigen Aufsatz. Aus dem Sockel wachsen sie auf
ziemlich hohen, polygonalen Basen auf, die merkwürdige Eckblätter an der Plinthe auf-
weisen. Baer und Baumgarten haben diese Dekoration als ursprünglich hingenommen,
. 206. Klosterkirche in Gengenbach, Querschnitt.
38°
KREIS OEKENBURG.
Fig. 207 . Ostteile der Klosterkirche in Gengenbach.
mir scheint sie um das J. 1100 unmöglich. In der Tat sind auch die Reste der alten
Dekoration (s. Fig. 208) stehen geblieben, nämlich die runden Halbsäulen auf echt
romanischen, attischen Basen, da, wo die Apsiden Zusammenstößen, die heute als
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
381
Stümpfe ohne Kapitell endigen. Ob diese Teile nicht fertiggestellt waren oder aus
welchen Gründen hier eine Änderung stattfand, vermag ich nicht zu sagen. Auf der
bis zu etwa 3 m Höhe stehen gebliebenen Mauer der Hauptapsis hat man in der gotischen
Fig. 20S. Untere Dekoration der Klosterkirche in Gengenbach.
382
KREIS OFFENBURG.
Westfassade
Scheu vor dem einfachen Rund den heutigen polygonalen Abschluß aufgeführt, wie auch
in Alpirsbach. Da ich nun keinen vernünftigen Grund sehe, warum die Barockzeit gerade
die heute auf zweifellos vorhandenen Grundmauern erneuerten zwei Apsiden hätte weg-
schlagen sollen, so glaube ich daraus entnehmen zu sollen, daß sie nie ausgeführt, daß
die Ostteile also nicht
fertiggestellt waren. Den
Formen nach im 13. Jh.
in früher Gotik hat man
die drei angefangenen
Apsiden vollendet.
Auch die West-
fassade (s. Fig. 209)
hat manche Eingriffe
dulden müssen. Im Erd-
geschoß ist sie durch
Lisenen in fünf Bogen-
felder geteilt, in deren
mittlerem das Haupt-
portal, dessen romanische
Formen durch die Vor-
halle zerstört oder ver-
deckt sind. Die Lisenen
gehen in rundem Wulst
in die Wand über, die
zwei das Hauptportal
flankierenden tragen als
Kämpferstück je einen
liegenden Löwen (siehe
Fig. 210), der anschei-
nend nicht hierher paßt,
da der Blendarkade ein
schmaleres Stück ent-
sprechen würde und der
eine Löwe ersichtlich
später abgehauen ist.
Der Sockel, aus Wulst
und einem Plättchen
bestehend, zieht sich
um den ganzen Bau
herum. An der Nordseite, sofort bis der Westecke, ist er von einem rundbogigen,
typisch romanisch profiliertem Portal unterbrochen. Dessen Gestalt allein bewiese schon
seine Ursprünglichkeit, dann aber auch die alte Abarbeitung des Sockels, der sich jenseits
der Türe fortsetzt. Die Existenz dieses Portals deutet nicht notwendig darauf, daß der
Zugang von Norden her zum westlichen Hauptportal durch eine Mauer gesperrt war, wie
Baum garten meint.
Fig. 209. Westfassade der Klosterkirche in Gengenbach.
AMT OFFENBURG.
GENGENBACH.
383
In dem nördlichsten Bogenfeld der Fassade ist ein gotisches Fenster eingebrochen mit
heute neuem Maßwerk, an dem südlichsten Felde eingeritzt die Vorzeichnung (s. Fig. 211)
eines hochgotischen Fenstermaßwerkes, das in vergrößertem Maßstabe hier angebracht
werden sollte. Das jetzige Barockportal ist durch einen Vorbau, eine Art Windfang, mit
Kupferwalmdach und Kompositpfeilern an den Ecken geschlitzt.1) In dem Bogenfeld neben
Fig. 210. Westfassade der Klosterkirche in Gengenback, Kämpferstiick am Hauptportal.
MTElKiKCHE QEN6ENBACH-
IN PEN STUN QERÜzTES FEN-
STERMA5SWERK ZWISCHEN
TURM UND HAUPTElNqANi
dieser Vorhalle ist das romanische Relief eines Adlers eingemauert (s. Fig. 212). Uber
diesem Erdgeschoß zieht sich eine gotische Wasserschräge hin, die zwischen den zwei
romanischen Rundfenstern zur Sohlbank der Nische emporsteigt. Die Mittelsäulchen der
gekuppelten Rundbogenfenster haben steile attische Basen und weit vorladende Kapitell-
stücke. Zwischen den Fenstern (s. Fig. 2 1 3) spannt sich ein Blendrundbogen über die flach-
bogige Nische, in der jetzt
eine geringe Barockfigur der
thronenden Madonna mit dem
Kinde angebracht ist. Im Giebel
der Kirche, hoch oben in
einer rundbogigen Nische, die
romanische Figur einer thronen-
den Maria mit dem bekleideten, segnenden
Kinde auf einem Thron, der von romanischen
Säulen gestützt ist (s. Fig. 214); eine etwas
ungefüge Figur, die noch die Form des ur-
sprünglichen Steinblocks verrät. Der auf der
Wasserschräge über der mittleren Lisene der
nördlichen Fassadenseite ansetzende, jetzt
zwecklose Wandpfeiler scheint mir nicht, wie
Baumgarten meint, auf die möglicherweise ja vorhandene Vorhalle zu deuten, viel-
mehr hatte er vor der späteren zweimaligen Erhöhung der Kirche, etwa in Bezug auf die
niedriger ansetzenden Pultdächer der Seitenschiffe, eine andere heute nicht mehr erkenn-
bare Funktion. Auf dem First eine spätgotische Laterne, deren Spitzgiebel jetzt leider
abgebrochen ist. Wie aus der Beschreibung hervorgeht, ist die Fassade in gotischer
Zeit erstmals verändert worden durch Einbrechen von Fenstern, Hinzufiigung eines
Gurtgesimses sowie der Laterne; die Barockzeit fand die Fassade in durch die Franzosen-
*) Eine Jahreszahl, von der Baumgarten spricht, konnte ich an ihm nicht entdecken. Die
Kapitelle der Pfeiler sind aus Holz.
Fit
Fenstervorzeichnung an der Kloster-
kirche in Gengenbach.
3^4
KREIS OFFENBURG.
Paradies
Türme
kriege sehr ruiniertem Zustand, sie hat dieselbe wieder geflickt, die wo anders her-
stammenden Reliefs hier verwendet und den Vorbau vorgelegt.
Ob sie die romanische Vorhalle oder das Paradies erst beseitigt hat, oder schon
die Gotik, können wir heute nicht mehr bestimmen. Daß ein solches vorhanden war,
hat sich durch Grabungen bei der Restauration gezeigt. Bedauerlicherweise existieren
davon keine Aufnahmen. Nach den Berichten fanden sich den Arkaden des Langhauses
entsprechende Fundamentmauern, die auf eine Dreischiffigkeit desselben hindeuten. Es
mag dieselbe Breite gehabt haben wie in Alpirsbach und flachgedeckt gewesen sein ; der
einzige Rest sind jetzt die Blendarkaden.
Das Material der Fassade besteht unten aus gut behauenen Sandsteinquadem ;
oben aus ebensolchen, untermischt mit geringeren Werkstücken, was auf eine einstmalige
Ausbesserung hinweist.
Ein Bild des Klosters und der Kirche finden wir auf dem Altarblatt der Einbethen-
kapelle. Es entstammt derZeit um 1 690 und zeigt die Kirche mit zwei westlichen Fassaden-
türmen.') Die Richtigkeit dieser Angabe ist bezweifelt worden; wie Baer behauptet,
hätten Nachgrabungen nichts entdeckt. Ich kann letztere
Angabe nicht nachkontrollieren. Weniger wichtig ist das
Fehlen einer Notiz über schon existierende Türme in dem
von Baum garten publizierten Protokoll. Denn daß
mindestens ein Turm wenigstens in Anfängen in gotischer
Zeit bestanden hat, das beweist mir der heutige, der auf
seinen Grundmauern emporgefiihrt ist; ich kann mir den
heutigen Befund nicht anders deuten. Der Turm ist in
die Südwestecke der Kirche hineingebaut, der westlichste
Pfeiler der Mittelschiffarkaden wurde nach 1690 zu
einem kräftigen Unterbau. Das Erdgeschoß öffnet sich im
Rundbogen in die Kirche. Sein Licht erhält es durch ein
spätgotisches Spitzbogenfenster. In drei Stockwerken steigt der Turm auf.
Ein kräftiger Sockel der Barockzeit mit an den Ecken verkröpftem Wulst umgibt ihn.
In den zwei unteren Stockwerken dorische, im dritten ionische Pilaster tragen das ver-
kröpfte Gebälk. Darüber ein Achteckgeschoß mit bauchigen Vasen an den freibleibenden
vier Ecken des Unterbaues ; die langgestreckten Fenster sind von einem Wulst umzogen
und durch Kompositpilaster getrennt, darüber ein Zwiebeldach mit Laterne. Im Innern
finden sich nun über dem Erdgeschoß Konsolen der Renaissancezeit mit hier aber
nicht Müllenheimischen Rose, einer Hausmarke und einem anderen undeutlichen Zeichen,
eine Nische im flachen Eselsrückenbogen und die Spuren einer Tür. Alles deutet darauf
hin, daß bereits im 16. Jh. ein Bau bestanden hat. Das Spitzbogenfenster erscheint mir
nach 1669, wenn auch möglich, so doch nicht wahrscheinlich.
Die für den Turmbau wichtige Stelle in den Annalen* 2) lautet über das Jahr 1669:
»Proposuit abbas, utrum consultum iudicarent, ut nova extrueretur turris pro campanis
nostris, eo quod turris illa lignea supra chorum posita, ob vetustatem esset necessario
deicienda? Conclusum et resolutum novam turrim aedificandam, si rev. sciat, adesse
sufficientia media pro perficic’ido tali opere. Turrim deinde abbas a dextro latere
Fig. 212. Adler, Relief an der
Klosterkirche in Gengenbach.
*) Auch ein im Privatbesitz befindliches gleichzeitiges Gemälde zeigt die zwei Türme.
2) Z. NF. 8, S. 474.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
385
maioris portae ecclesiae in ingressu coepit extruere, quam et perfecit, sed parum
firmam, quia non ex fundamento, sed solum supra muros ipsius ecclesiae, alias debiles
et non 3 pedes geometricos latos collocavit, dissuadente p. priore cum toto conventu ;
manifeste cuim videbatur res valde pericolosa et opus non diu duraturum.« Dazu
bemerkt Ziegler (s. daselbst) später: »Turris ista post incendium a. 1689 toti mona-
sterio et ecclesiae nostrae illatum, deiecta fuit totaliter, quia minabatur ruinam, quia
columna illa lapidea, cui turris ex una parte inuitebatur, notabiliter ex incendii
vehementia destructa et exusta fuit .... Hoc
anno turris nova, ut supra dictum fuit, aedificari
coepta est.«
Wir entnehmen daraus, daß ein hölzerner
Dachreiter auf der Vierung saß, der aber wegen
seines Alters nicht mehr genügend schien. Man
schritt deshalb 1669 zu einem neuen Turmbau,
wobei man wohl die Reste des schon vor-
handenen Turmes benutzte. Auf besondere
Fundamentierung verzichtete man, der Turm
ruhte mit seiner Nordostecke also auf dem
nicht verstärkten östlichsten Langhauspfeiler.
Bei dem Brand von 1689 hat natürlich auch der
Turm sehr gelitten. Die ungenügende Funda-
mentierung schien deshalb besonders gefährlich,
hauptsächlich der Pfeiler hatte gelitten, und so
ging man an seine Abtragung. Zunächst er-
richtete man über dem Chor wieder einen
Dachreiter,1) am 23. Oktober wurde der Knauf
mit dem Kreuz aufgesetzt. Auf den Stichen
des 18. Jhs. wie einer kleinen Zeichnung von
1825, im Besitze des Freifräuleins von Löwen-
berg, ist er mit seinem Zwiebeldach noch zu
sehen. Der Aufbau des großen Turmes stand
wohl wegen Geldmangels noch einige Zeit an.
1711 verkaufte das Kloster das Dornblüthsche
Erbe,2) ein großes Haus und viele Matten und
Reben ; die dafür erlösten 4000 fl. wurden für
den Turm verwendet. Seine Errichtung wird
wesentlich dem Klosterbruder Nazarius Pistorius verdankt, einem der Schriftsteller des oft-
zitierten Protokolls, der ihn bis zur Höhe des Klosterdaches aufführte. Sein schrift-
stellerischer Nachfolger Dornblüth, der dies berichtet, drückt seine Verwunderung
darüber aus, daß der Turm so auf die Seite gestellt wurde und nicht in die Mitte, gleich-
sam als ob zwei Türme projektiert gewesen wären, was nicht ganz unwahrscheinlich
erscheint. Das öfter erwähnte Altarbild gäbe dann eine Darstellung des Gewollten,
nicht des Ausgeführten. Allerdings fügt Dornblüth als eigenliche Erklärung hinzu,
x) Z. NF. 8, S. 672.
2) Ebenda S. 694.
Fig. 213. Fenster von der Fassade der Abtei-
kirche in Genzenbach.
386
KREIS OFFENBURG.
JT5TE! Kirche zu
isWENDAG-h
ROMAN-MApONA-
daß der Graf Prosper von Fürstenberg den Abt überredet hätte: »ut parvam istam
turrim lapideam gothico constructam ceu insignem antiquitatem conservaret«. Darunter
werden wir wohl die ehemals sicher sehr elegante gotische Laterne auf dem Westgiebel
zu verstehen haben und können somit das kunsthistorische Verständnis des Grafen
bewundern. Auf Betreiben des Anselm Bender wurde der Turm dann 1715 bis 1716
vollendet, wozu er allerhand Klostergut
zu Schleuderpreisen verkaufte und das
Kloster in Schulden stürzte. Der Architekt
des Turmes war Jacobus Rischer aus
Bregenz, damals kurpfälzischer Kirchen-
baudirektor (architectus administrationis
ecclesiasticae electoratus palatini). Wir
werden sehen, daß auch bei Kirche und
Kloster Bregenzer Künstler die Aus-
führung hatten, wieder ein Beitrag zu der
künstlerischen Herrschaft dieser Algäuer
Architektenschule über ganz Süddeutsch-
land. Der Knauf des Turmes war aus
vergoldetem Kupfer, das Kreuz hat der
Laienbruder Jakob Heimb verfertigt.
(Fig. 215.)
Die Betrachtung des Turmbaues
hat unserer sonstigen Darstellung etwas
vorgegriffen. Wir kehren zu dem hohen
Mittelalter zurück. Die frühe Gotik hat,
wie wir sahen, nur am Chor einige Spuren
hinterlassen. Im Laufe der kommenden
Jahrhunderte mögen dann die Fenster
der Westfassade und der Seitenschiffe
gebrochen worden sein. Einen größeren
Neubau bringt der Anfang des 16. Jhs.
Der Abt Konrad von Müllheim, nicht
gerade löblichen Angedenkens, den sein
eigener Prior und Konvent in den Kerker
warfen, errichtete 1505 die Kapelle am
nördlichen Seitenschiff, »sacellum B. V.
Mariae in latere majoris ecclesiae, vulgo
das Frauen Cöhrlein, et in eo sepulchrum
Christi«, wie Gallus Mezler berichtet. Bei den Beschwerden seines zuchtvergessenen
Konventes gegen ihn spielte auch der Bau dieser Kapelle eine Rolle: er habe des
Klosters Gut verschwendet, »indem er ime selbst ein solch cöstlich capellen und
begrebnuß gemacht und uffgericht hett«, anderes aber an der Kirche hätte verwahrlosen
lassen.1) Und in der Tat, Geschmack muß der Abt gehabt und sich die besten Meister,
wohl von Straßburg, haben kommen lassen.
*) Ruppert, Z. NF. 8, S. 312.
Fig. 214.. Romanische Madonna
im Giebel der Klosterkirche in Gengenbach.
Fig. 2 iS- Turm der Klosterkirche zu Gengenbach.
Band VII. Zu Seite 386.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
387
Die Kapelle ist in die Ecke des nördlichen Seitenschiffes und des Querschiffes Marienkapeiie
eingebaut. Sie ist von oblongem Grundriß, besteht aus zwei Gewölbejochen, denen
entsprechend sie sich nach Norden in zwei hohen Spitzbogenfenstern öffnet. Diese
Fenster sind an der Nordseite einpfostig, an der Westseite zweipfostig mit Fischblasen-
maßwerk. Ein hoher gotischer Sockel und darüber ein Kaffgesims bezw. eine Wasser-
schräge umzieht die Kapelle mit ihren zwei Strebepfeilern, von deren origineller Eck-
ausbildung die Fig. 216 ein Beispiel gibt. Hier auch die Steinmetzzeichen Fig. 217.
Die Kapelle ]) ist mit einem Netzgewölbe eingedeckt, dessen Rippen in üblich trockener
Weise mit flacher Hohlkehle profiliert sind. Für die Diagonalrippen schießt jeweils
ein runder, schlanker Dienst auf steiler Basis empor, der Übergang in die Rippen wird
durch eindrittellebensgroße Halbfiguren der Propheten verdeckt, vorzügliche plastische
Werke im Stil* 2) der späten Gotik, aber aus dem 19. Jh. aus der Simmlerschen Kunstwerk-
statt. Sie halten Spruchbänder in den Händen, auf
denen steht: Simeon Luc. 2. 35. Jesaias53-5. Jere-
mias ix. 1. Daniel 9. 26. Zacharias 1 2. 10. Ps 21.
In den Schlußsteinen einmal das Müll-
heimsche Wappen, die vierblättrige Rose, im
zweiten ein silberner Adler im weißen Feld.
(Bemalung neu.)
Zwischen den beiden Nordfenstern das
später zu besprechende h. Grab. Denken wir uns
noch den ursprünglich vorhandenen geschnitzten
Marienaltar dazu, so erhalten wir ein überaus
reizvolles Ganzes, für das wir dem Miillenheimer
dankbarer sind als seine Mönche — In einem
großen Spitzbogen mit neuem Gitter öffnet sich
die Kapelle gegen das Seitenschiff.
Gegenüber betritt man durch einen hohen
Jlbtei Kirche ■ Qenyenbaxh ■
Raster baaK^urte- Strebe--
jofeUerecKe. ■
Fig. 216. Abteikirche zu Gengenbach,
Eckausbihiung.
Rundbogen die i. J. 1694 angebaute Kapelle
des h. Joseph , die mit einem falschen Kreuzgratgewölbe eingedeckt ist. Der gleichen
Zeit entstammen auch die Räume an der Südseite des südlichen Querschiffs, von denen
einer in einem vierfachen Kreuzgratgewölbe auf Mittelsäule gedeckt ist, sowie die an
den Turm und das südliche Seitenschiff sich anlegenden Räume.
Der alte Bau ist mit den erwähnten wenigen Veränderungen ziemlich unberührt
geblieben bis 1689. Bei der Einäscherung der Stadt litt die Kirche ebenfalls großen
Schaden und mußte gründlich repariert werden. In dem Mezlerschen Bericht heißt es,
daß »alle Gebäu sammt dem Kloster und der Kirchen völlig abgebrannt«.3) Doch ist das
nicht so wörtlich zu nehmen. Wie man aus den Berichten über die Wiederherstellungs-
arbeiten sieht, haben vor allem die Obermauern, der Chor in seinen oberen Teilen und
Kapelle
des h Joseph
*) Die äußere Türe der Kapelle ist neueren Datums.
2) Wie mir Herr Simmler so liebenswürdig war, mitzuteilen, waren keine Konsolen vorhanden,
d. h. also entweder abgeschlagen oder, was wahrscheinlicher, die Rippen gingen ohne weiteres in
die Wand über. An der einen Stelle war im Geschmack des 18. Jhs. ein Engelskopf in Stuck
vorgeklebt.
3) FDA. XVI, S. 190.
388
KREIS OFFENBURG.
die innere Ausstattung gelitten. 1692 wurde, wie schon oben berichtet, das Türmlein
auf dem Chor erneuert.1) Im Sommer 1693 wurde der Chor wiederhergestellt, die
Mauer hinter dem Altar 20 Fuß höher geführt, damit sie die Höhe der Kirche hätte,
d. h. also, für die neugeplante Höhe des Langhauses genügte der alte Chor nicht mehr.
Sämtliche Fenster hier wurden vollkommen erneuert. Diese Arbeit, wie die der Reno-
vation der ganzen Kirche, war einem der bedeutendsten Künstler der Vorarlberger
Architektenschule übertragen worden, dem Meister Franz Beer.2) Wir verdanken diesem
glänzenden Meister die Klostergebäude von Salem, die Kirche zu Irrsee bei Kaufbeuren,
die Kirchen der Rheinau, Münsterlingen, S. Urban, S. Peter und Paul in Weißenau u. a. m.
Die Gengenbacher wendeten sich also so ziemlich an den berühmtesten Künstler des
Oberrheins.
Am 22. August 1693 wurde der »Hauptverdiing über dem newen Klosterbaw deß
Gottshaus Gengenbach abgeschlossen, mit dem ehrevösten Herrn Frantz Behren, Maurer
Fig. 21J. Steinmetzzeichen an spätgotischen Strebepfeilern und am Turmfenster der Klosterkirche,
sowie am Niklausturm und der Einbethenkapelle zu Gengenbach.
und bertiehmten Bawmeistern in dem Bregentz-Waldt, Feltktircher Herrschafift«. Aus
diesem Kontrakt 3) erfahren wir über die Arbeiten an der Kirche, der Architekt solle
»alle Mauern des gantzen verbrantten Gottshauß völlig niederwerfen und dem Boden
gleich abbrechen«. Das ist nun wieder nicht buchstäblich aufzufassen; wie der Befund
zeigt, ist nur der obere Teil der Mauern an Langhaus und Querschiff, dann wohl die
ganze Mauer des südlichen Seitenschiffes erneuert worden. Des weiteren sollte er bauen
eine »newe Capelle (wohl die S. Josephskapelle), welche den 4. Theyl des Kreützganges
inne hat — der also vorhanden war, aber zweifellos gelitten hatte und wohl bei den
damaligen Neubauten verschwand — , in der Länge 99^2, in der Breütte schüch.
Endtlichen den schadhaften Kürchengübell gegen den Convent abzubrechen, soweit es
von nöthen sein würdt, undt selbigen wiederumb aufführen mit einem gehawenen Gübell,
STEINMETZZEICHEN-
(fpENiqENBACH*
<atru
NiHlausturm-
*) Baumgarten, Z. NF. 8, S. 672.
2) S. B. Pfeiffer, Die Vorarlberger Bauschule, Wiirttemb. Vierteljahrshefte NF. XIII, S. 31 ff.
3) Abgedruckt in Z. NF. 8, S. 674 f.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
389
gleichwie in dem Abrüß zu ersehen«. Dies geschah, es ist der Giebel des südlichen
Querschiffes, ein Volutengiebel mit Obelisken besetzt. Man sieht übrigens aus der
Nachricht, daß — naturgemäß — der Brand, vom Kloster ausgehend, vor allem die
Südseite der Kirche getroffen hat. 1694 am 24. April wurde für S. Josephi et Joan.
Baptistae der Grundstein gelegt.1 2) Außer Franz war auch noch ein Peter ßaer hier
tätig. Er hatte 1694 mit Reparaturen an den Säulen der Kirche zu tun.
»Interea dum murarius,« heißt es,1*) »inchoabat ponere fundamenta pro novo monasterio nostro,
honestus vir Peter Beer quoque Brigantinus lapicida, aptabat et quadrabat lapides pro duabus
rotundis columnis ecclesiae ad dextram maioris portae ingressus, iam ante incendium ruinosis,
per flammas vero magis laesis, simul etiam pro quadrata columna proximiore portae,
eadem ex parte ecclesiae, quae in superiori parte notabiliter destructa per flammarum
vehementiam fuit. Pro dictis columnis 2 rotundis et una quadrata reparandis dicto lapicidae dati
fuere 25 fl.
Cum fornix, quem columna haec quadrata et ipsa ecclesiae paries sustenta-
bant, necessario fuerit reparandus, et ad duorum pedum altitudinem coeterisque fornicibus altius
drigendus, ut commodior esset ingressus ad ambonem supra portam ecclesiae maiorem positum, ubi
ante incendium maius evectum stabat organum, opus sane magnificum, at barbaricis quoque flammis
in cineres redactum, r. n. pro labore et reparatione huius fornicis praefato Petro Beer 18 fl. ex solvit.«
Wir erfahren hier also, daß die beiden westlichsten Säulen der südlichen Reihe
vom Brand stark beschädigt waren. Sie wurden repariert. Es deutet zunächst noch
nichts auf den vollkommenen Umbau der westlichsten in einen Barockpfeiler hin, wie
wir ihn heute sehen. Auch der beschädigte Pfeiler, an dessen Stelle heute der mächtige
Turmpfeiler steht, wurde, wie es scheint, nur geflickt, sein Bogen erhöht, um einen
leichteren Zugang zu der hier vorhandenen Orgelempore zu gewinnen. Dabei ist noch
nicht die Rede von der Rücksicht auf einen Turmbau. Die obencitierte Notiz, daß
der Turm 1689 begonnen, ist also mißverständlich; erst im Verlauf der Wieder-
herstellungsarbeiten nach i6q4 scheint man an diesen gegangen zu sein.
Derselbe Peter Beer hatte die Marienkapelle mit dem h. Grab zu reparieren: »ab
ignibus foede fuerit deformatum ipsumque altare quoque in cineres abierit«. Er solle,
heißt es in dem Vertrag, 3) alle zersprungenen Steine und die Zieraten am Grab Christi
mit Gips sauber ausbessern: »Zum andern solle Meister Peter in dieser Kapellen ein
sauberen, zierlich wohlstehendten altar (darin 2 Altarblättlein kommen) dem gegeben
Rüss gemäss von giipss oder Stuckhathurarbeit auf das zierlichste aussförttigen undt
stellen. Ahn dem gedachten Altar sollen die Säullen undt was sonster leiden mag, aus
rothe Marmorsarth ausgearbeitet werdten, alles nach des Meisters besten Vermögen. Für
diesse seine Arbeit würdt ihme versprochen des Tags 7 ß 6 -A, der Tüsch in dem Convent,
umb jedes mahl ein halbmass Wein.« — 1715 wurde, wie oben erwähnt, das Kreuz
und der Knauf auf den Turm aufgesetzt, der also wohl in den Jahren vorher vollendet
worden. Auch sein Architekt stammte aus der Vorarlberger Bauschule, es war Jakob
Rischer »Brigantinus«,4) und so erinnert denn auch der Turm in seinem geschilderten
Schema an die Turmbauten dieser Meister in der Schweiz und Schwaben. Ich glaube,
daß er mit dem Offenburger Kirchturm das Muster für die ganze Umgegend gab, ja,
J) Z. NF. 8, S. 677.
2) Ebenda S. 678/679.
3) Z. NF. 8, S. 679.
4) Wohl der in dem citierten Aufsatz Württemb. Vierteljahrshefte NF. XIII, 1904, unter Nr. 94
genannte Johann Jakob Ruscher.
39°
KREIS OFFENBURG.
Ausstattung
ich möchte vermuten, daß die beiden Meister, Beer und Rischer, während ihrer Tätigkeit
in Gengenbach vielfach von den umliegenden Orten bei ihren damaligen Neubauten um
Rat gefragt wurden.
Nach Vollendung der Bauten schritt man wohl an die Ausstattung. Die Säulen
waren mit Backstein verkleidet und mit Stuck überzogen worden ; dem Geschmack der
Zeit entsprechend hat man
sie uniform zu Pfeilern ge-
staltet. Ob das schon zu
Zeiten Beers geschah, muß
nach obiger Notiz über die
Restaurierung der Säulen
zweifelhaft erscheinen.
Möglich also, daß die
gesamte Innendekoration
nicht mehr den Bregenzer
Baumeistern zu verdanken
war. Sie ist bei der letzten
Restauration vollständig
wieder zerstört worden,
wogegen ich hier nichts
sagen mag; bedauerlicher-
weise hat man sie vorher
nicht aufgenommen, min-
destens habe ich keine Auf-
nahmen auffindig machen
können, außer ein paar
zufälligen, aber verdienst-
vollen des Photographen
Schöndienst in Gengen-
bach. Nach diesen ver-
suche ich, eine Andeu-
tung dieser Ausstattung zu
geben. Den auf obige Weise
hergestellten Pfeilern hatte
man schlichte Kämpfer ge-
geben, über ihnen gingen
Lisenen in die Höhe, die
Fig.ziS. Der Chor der Klosterkirche injGengetibach vor der Restauration, in einem verkröpften Ge-
sims endigten, welches das
romanische Gurtband zudeckte. Auf mit Eierstab verzierten Konsolen setzte das
Rippengewölbe an, in der Tat ein Tonnengewölbe mit einschneidenden Kappen und
angeklebten Rippen. Überall wurden in den erneuerten Mauern die Rundbogenfenster
angebracht. Außerdem scheinen an verschiedenen Orten Statuen aufgestellt worden zu
sein- näheres konnte ich darüber nicht mehr feststellen.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH. 39 X
Altäre besaß die Kirche in wechselnder Anzahl. 1656 wird die Errichtung eines
Altars verlangt »mit dem Bildnis der Maria und einerseits des h. Dominicus, anderer-
seits des h. Benedikt im großen Chor vor dem Fronaltar für die damals neu gegründete
Rosenkranzbruderschaft«.1) Bei der Renovation 1669 wurden die Altäre teils erneuert,
teils entfernt. So verschwanden bei der Abtragung des Lettners vier Altäre: »S. Catha-
rinae, quod proxime sacellum b. M. virginis positum ; altare Rosarii, quod antea venerabilis
sacramenti dicebatur, in medio ecclesiae collocatum, adhaerens fastigio ; altare apostolorum
prope imaginem dolorosae matris in pariete, et baptisterium inter columnam et parietem ;
quartum, collocatum in fastigio, s. cruci sacrum.«2) Wir hören dann von der Errichtung
zweier Altäre an der Stelle des alten Lettners »ad columnas choro proximas, tarnen
extra chorum, uti antea erectum stabat fastigium«. Nach der obenberichteten Erhöhung
des Chors wurde der Hochaltar einen Schritt näher an die Mauer gerückt, damit er von
den neu eingebrochenen Fenstern besser beleuchtet würde. Dasselbe Schicksal hatten
die Altäre des h. Benedikt und der h. Scholastika. Am 8. September 1669 hat dann der
Straßburger Generalvikar und Suffragan Gabriel Haug drei Altäre geweiht : »in mirum
maius seu summum et sacri rosarii et s. Josephi«.3) Daraus geht doch hervor, daß auch
der Hochaltar nicht zurückgerückt, sondern ganz neu hergestellt war, es heißt auch :
»destructum seu amotum«. Seine alten Reliquien wurden wieder in ihm verschlossen.
Am folgenden Tage wurden zwei weitere Altäre geweiht, der eine in sacello D. Benedicti,
der andere in sacello S. Scholasticae.4) 1671 führte der Prior Thalmann die Bruder-
schaft zum kostbaren Blut ein; 1672 wurden in großartigem Aufzug die Reliquien des
h. Nazarius und anderer Heiligen übergeführt, wobei bildliche und scenische Darstellungen
das Ereignis verherrlichten. Nach der Einäscherung durch die Franzosen, bei der mit
Ausnahme des Altars des h. Benedikt alle Altäre zerstört wurden, ging man an die Wieder-
aufrichtung. Um bei den schlechten Zeiten die Gebühren der Altarweihen dem Kloster zu
sparen, bat der Abt Thalmann unter Darlegung der traurigen Verhältnisse beim Papst um
die Erlaubnis, die Altäre selbst weihen zu dürfen, zumal da der Suffragan des nun fran-
zösischen Bischofs es nicht wagte, kaiserliche Gebiete zu betreten. Er erhielt die Erlaubnis
für diesmal, und nun wurden 1692 sechs Altäre errichtet »de novis lapidibus seu tabulis«
und am 30. September geweiht: 1. Altare in medio navis ecclesiae extra chorum in
honorem s. Fortunati. 2. A cornu evangelii extra chorum in honorem sacratissimi
rosarii Patronae. 3. A cornu epistolae extra chorum antea s. Josephi consecratum in
honorem s. crucis et dolorosae societatis. 4. In sacello s. Annae in honorem s. Joachim.
5. In sacello Beatae Virginis in latere maioris ecclesiae olim a. d. Conrado de Mülheim
ca. a. 1505 erecto, in honorem s. Mariae virginis. 6. In sacello s. Scholasticae.5) Einige
Reliquien dafür lieferte das befreundete Einsiedeln. Im J. 1693 wird der Hochaltar
bezw. die Mensa desselben errichtet (erectus stipitique superimpositus fuit). Als Abt
Thalmann stirbt, wird in der Notiz über ihn gesagt, daß er acht Altäre geweiht habe.
Der Aufbau über der Mensa des Hochaltars wurde i. J. 1723 errichtet: »Dieses
Jahr ist auch der newe Hohe Chor-Altar von Gibbs-Marmor verfertigt und das zierliche
x) Z. NF. 8, S. 459.
2) a. a. O. S. 474.
3) a. a. O. S. 475.
4) a. a. O., auch über die Reliquien der Altäre.
5) a. a. O. S. 670.
Altäre
Band VII.
26
392
KREIS OFFENBURG.
Blatt nativitatis B. virginis, so anjetzo eingangs der Kirch auf der Seithen bei der Sakristey
hangt, von d. r. Paulo Seeger, moderno (1726 bis 1743) r. d. abbate, zu Donaueschingen,
woselbst er pro tempore sacellanus anticus were, gemahlt, der Tubemackhul aber, so
nun annoch auf dem Altar stehet, von dem hiessigen Bildhauer auff abermahlige recom-
mendation P. Joachimi seines Schwagers schlecht genug um 60 fl. gemacht worden. Das
Fassen dieses Altars aber käme nebst der Kost drei Arbeitern, die sie über 10 Wochen
protrahirten, in Verding auf 90 fl. Weichergestalten aber ersagter Newer Chor-Altar in
anno 1730 um wegen der Commodität des Newen Chorgestühls und Orgel widerumb
Fig. 31C). Ehemaliges Chorgestühl und Orgel in der Klosterkirche zu Gengenbach.
cassirt, und wie derselbige zuvor dahier verdingt und verfertigt worden seye, ist in meo
protocollo cancellariae de anno 1622 zu ersehen.«
Wie dieser Hochaltar in seiner letzten Form war, können wir nach einer Schön-
dienstschen Photographie ungefähr sagen. Es war ein leichter Aufbau von Säulen mit
verkröpftem Gebälk, auf dem Putten saßen, zwischen ihnen eine tabernakelartige Nische,
von geschwungenem Rundgiebel bekrönt. Er stand unter der Vierung, Türen führten
neben ihm in den Chor. Der Aufbau war luftig und nicht zu hoch, um den Einblick in
den Chor nicht zu hindern. Denn dieser Chor enthielt das prachtvolle Gestühl, das in
Verbindung mit der schönen Orgel seine herrliche Zierde war (s. Fig. 218 u. 219). Wie
sich aus obiger Notiz ergibt, wurde es ca. 1730 errichtet; es ist also eines der frühesten
Werke, das den Rocaillestil über den Rhein brachte.
Das Gestühl wurde bei der Restauration unter Meckels Leitung heraasgerissen und
steht jetzt zum Teil in den beiden Seitenchören, zum Teil im Querschiff. Die Orgel
aber wurde leider nicht wieder verwendet, sie lag lange Zeit in Trümmern in einem
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
393
Hause der Stadt und ist jetzt, wie ich höre, von der Städtischen Altertumssammlung in
Freiburg i. Br. erworben und damit wohl vor dem Ruin gerettet worden.
Unsere Abbildungen1) geben einen Begriff von dem vorzüglichen Aufbau des
Ganzen. Die Ostwand des Chores wurde durch die gewaltige Orgel verdeckt. In einem
lebendigen Vor- und Zurück-
treten der größeren und
kleineren Pfeifen war der
Bau gegliedert, geschwungene
Gesimse und reichbewegte
Rankenornamente schlossen
diesen Teil ab; darauf die
Kolossalfiguren der Heiligen
Petrus und Paulus und in
der Mitte das Abteiwappen.
Uber verkröpftem Gesimse
der Abschluß : Engelsfiguren,
auf kräftig profilierten Posta-
menten bauchige Urnen, die
durch Girlanden mit dem
abschließenden Giebel ver-
bunden waren ; dieser Giebel-
aufbau enthielt ein Ölgemälde
der h. Jungfrau mit dem Kinde.
Im unteren Teil der Orgel
über dem Stuhl des Organisten
war im Mittelteil eine ge-
schnitzte Füllung zu sehen mit
dem Reichsadler (s. Fig. 220).
Zu beiden Seiten schloß sich
das Gestühl an, und zwar zu-
nächst je ein besonders aus-
gestatteter Thronsitz für Abt
und Prior. Beide, zu einem
Stück vereint, stehen jetzt im
nördlichen Querschiff. Auf
den beiden Seiten des Chors
die Sitze für die Mönche in
zwei Reihen übereinander,
reich und doch nicht über-
reich mit Schnitzereien geschmückt, in den feinen Formen des »Style Regence«, Ranken,
Netzwerk etc. ; die Rückwand wird durch doppelt vorgelegte Pilaster gegliedert. Uber
dem verkröpften Gebälk im Gegensatz zu den unteren, ruhiger gehaltenen Teilen reicher,
durchbrochener, geschnitzter Aufsatz in ausgesprochenen Rocailleformen, mit einer Urne
*) Nach giitigst zur Verfügung gestellten Photographien des Herrn J. N. Schöndienst in
Gengenbach.
Fig. 220. Mittelfeld am unteren Teil der ehemaligen Orgel
in Gengenbaeh.
394
KREIS OFFENBURG.
Fig. 222. Heiliges Grab in der Klosterkirche zu Gengenbach.
dazwischen. Zu äußerst standen hier noch die Figuren zweier Heiligen (s. Fig. 221).
Die Schnitzereien, in Eichenholz, sind hervorragende Arbeit. Es bleibt unbegreiflich,
daß man noch vor wenigen Jahren dies einzige Ganze zerstören konnte.
Band VII. Zu Seite 394.
Ein Stück des ehemaligen Chorgestühls der Klosterkirche in Gengenhach.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
395
Auch die Barockkanzel mußte weichen. 1715 war sie durch den Schwager des
P. Joachim Schneider, den dieser mannigfach begünstigte, errichtet worden. Der Chronist
Dornblüth fügt der Notiz boshaft hinzu: »quippe parochi sub d. Augustinus abbate
ad nullas redditiones rationum obligabantur et sic ut absoluti domini reddituum suorum
eos pro lubitu vel consumabant vel fundatores rerum quarundam se faciebant«. ]) Sie
scheint ein wirkungsvolles Schnitzwerk gewesen zu sein, mit Figuren an der Brüstung
und reichen Voluten auf dem Schalldeckel. Im entsprechenden Stil die zwei ebenfalls
abgebrochenen Seitenaltäre mit Putten, Ölgemälden etc.
Von der Ausstattung der früheren Zeit ist dagegen noch der hübsche Taufstein in
typischer krauser Rocailleform erhalten (Sandstein) ; der holzgeschnitzte Deckel zeigt die
Taufe Christi.
Seit dem 14. Jh. wurde der Chor der Kirche von dem Langhaus durch einen Lettner
geschieden. Er war durch den Abt Konrad von Blumberg (um 1400) errichtet worden.
Uber ihm hing ein gewaltiger Holzkruzifixus herab, den nach Inschrift Lambert de Burne
ca. 1385 zum erstenmal restaurieren ließ. Die zweite Reparatur erfuhr er 1600, eine
dritte 1686. Drei Jahre nachher fiel das offenbar sehr alte Stück den Flammen der
Franzosen zum Opfer. Der Lettner aber wurde als hinderlich 1669 abgebrochen.
Die Stelle in der zitierten Chronik lautet darüber :* 2)
»Nam fastigium, quod navem ecclesiae et chorum intersecabat et impediebat populum, ne
caeremonias videre posset in cboro peragi, destructa et amota est Fastigium hoc con-
structum erat ab abbate huius monasterii, Conrado de Bluomberg. Supra fastigium et altare s. crucis
crux lignea in alto pendebat, non modicae magnitudinis, supra cuius summitatem in transversa trabe
affixa erat tabula cum sequenti scriptura : Reverendissimus in Christo pater ac. d. d. Lambertus
de Burnen, ex Neovillensi monasterio postulatus abbas huius loci, qui ob raram doctrinam, prudentiam
et rerum usum dei et apostolicae sedis gratia per Urbanum V et Carolum IV imperatorem ad epi-
scopum Argentinensem, Spirensem et Batnbergensem promotus hanc crucem cum impositis de ipsa
s. cruce aliorumque sanctorum reliquiis primum renovari fecit.«
Dazu die Notiz des Chronisten Ziegler über die zwei weiteren Renovationen.
Das interessanteste Stück, das die Kirche von ihrer früheren Ausstattung bewahrt,
ist wohl das heilige Grab in der Marienkapelle, das Konrad von Mülheim zusammen
mit dieser 1505 errichten ließ. Es befindet sich zwischen den beiden Nordfenstern der-
selben, ist etwa 5,45 m hoch, 2,6 m breit und 90 cm tief mit seinem Untersatz (s. Fig. 222).
Pfeiler mit Flachnischen, denen Säulchen auf hohen steilen Basen vorgelegt sind, tragen
den Baldachin, der in zwei Eselsrückenbogen sich nach vorne öffnet, zwischen denen ein
neuer Pfeiler in die Höhe führt. Er ruht auf einer Konsole, an der ein flatterndes Engel-
figürchen das Wappen der Mülheim hält. Überall schneiden sich die mit krausen Krabben
besetzten Bögen und es entstehen so die kapriziösesten Formen, zumal das Maßwerk
oben die naturalistischen Formen des Astwerks annimmt, bis endlich die Pfeiler über einer
Maßwerkgalerie in Fialen mit teilweise herabgeschlagenem Abschluß endigen. Im Innern
ein zweiteiliges Kreuzgewölbe. Am Sockel in Hochrelief die schlafenden Wächter. Der
Leichnam Christi von guter Durcharbeitung mit stark hervortretenden Adern und edler
Kopfbildung. An der Rückwand auf kleinen Konsolen zwei Engel mit Weihrauchfässern,
zwischen ihnen die drei h. Frauen, vornehme Gestalten mit edlem vollem Gesichtsoval
(s. Fig. 223). Auf der Konsole mit dem Stifterwappen in kleinerem Maßstab der Auf-
x) Z. NF. 8, S. 700.
2) Ebenda S. 474.
Kanzel
Lettner
Heiliges Grab
Epitaphien
396 KREIS OFFENBURG.
erstandene. An dem rechten Pfeiler unter Astwerk in nicht sehr hohem Relief der Stifter
selbst, knieend einem im Astwerk fast versteckten Kruzifix und dem Altar der Kapelle
zugewandt. Das Material ist gelber Sandstein. Überall, ganz besonders an den Marien
am Grabe, sind noch die Farbenspuren deutlich erhalten.
Das Werk gehört in dem eleganten, reichen Aufbau zu den vorzüglichsten der
Gattung, es ist mir vom ganzen Oberrhein nichts Besseres bekannt. Auch die künst-
lerische Qualität der Statuen ist eine erfreuliche. Ein ihnen im Stil so nahe verwandtes
Werk zu bezeichnen, daß man auf den gleichen Urheber schließen könnte, ist mir nicht
Fig. 223. Die Marie n am Grabe, vom heiligen Grab in der Klosterkirche zu Gengenbach.
möglich. Die Vermutung liegt ja nahe, daß der Abt sich den Künstler aus dem nahen
Straßburg kommen ließ.
Nahe dem Eingang zu der Marienkapelle findet sich an der nördlichen Seiten-
schiffwand das wie mir scheint erneuerte Epitaph ihres Stifters, eine Sandsteinplatte, mit
dem Wappen in Relief und der Inschrift:
er nofiili i'rirpc
öc lmillcnljcini nntmöuG
roiiraü
atiö as gen gctili a tfj chüg
i5oo — 1507
ftmbator 1)uiug facellt
AMT OFFENBURG. — GEN GENBACH.
397
Im nördlichen Seitenschiff Epitaph, oblonger Sandstein (138 X 70 cm). Oben
unter einer Nische mit Blattverzierungen das Wappen in Rollwerkschild : auf einem Drei-
berg nach rechts gerichtetes Schwert. In unterer Rollwerkkartusche die Inschrift:
Ano Dni • I660
Die • /. Febr. Obiit In
Dno Rmus Dns D • Co =
Lumbanus aBbas Hu
ius Monrii Meritissi
mus: CulUs Aia Re
QUIESCAT IN
PACE.
Von der weiteren Ausstattung sind noch zu erwähnen: zwei steinerne Weih-
wasserhecken mit achteckiger Cuppa, wohl aus dem 16. Jh. ; Beichtstühle von der
geschwungenen Grundrißform des 18. Jhs., mit Schnitzereien in graziösem Rocailleranken-
werk verziert. Auch die Kirchenbänke gehören dem gleichen Stil an.
Die Türen des Hauptportales, mit dem Rankenornament ihres Mittelpfeilers, den
schweren Füllungen in einem Rahmen mit Akanthusblättern, den Vorhangornamenten in
den oberen Füllungen, gehören noch der Renovation durch die Vorarlberger am Aus-
gange des 17. Jhs. an.
Die Glocken hatten den Brand von 1689 gut überstanden.1) Aber es waren
nicht mehr die des Mittelalters, sondern Werke lothringischer Meister aus den J. 1686
und 1 6 8 7 . 2) Man hatte sie zum Schutz in die Erde vergraben und holte sie nun wieder
herauf;3) 1716 läuteten sie wieder zum erstenmal.
Von den heutigen stammen zwei von 1687, es sind also die geretteten, von den
Lothringern gegossenen, auf der einen die Figuren S. Petri und S. Pauli, eine unter Jacopo
Abbate gegossene von 1783, zwei weitere von 1841 und 1859. Näher beizukommen
war mir nicht möglich.
Sakristei: Kirchengeräte. In den Stürmen des 17. Jhs. müssen alle älteren
Stücke geraubt oder eingeschmolzen worden sein, man mußte die Kirche am Ende des-
selben neu ausstatten. Aus den Protokollen erfahren wir, daß 1683 der alte Speisekelch
nicht mehr genügte, daß man ihn daher mit anderen Silberstücken (Vasen etc.) »vulgo
Bruchsilber, ad 68 Loth«4) einem Goldschmied gab und daß dieser, »Joannes Stadler
aurifaber in Offenburg«, daraus ein neues Ciborium machte, mit dem Wappen des Abtes
Placidus am Fuß. »Pro omni labore suo in conficiendo hoc vasculo aurifaber capiebat
1 6 fl., 8 ß., 8 -A pro eo deaurando dedit rer. noster 3 cum dimidio duggatos seu aureos
nummos, fecit 10 fl., 6 ß., 8 1« 1716 bietet ein reisender Schaffhausener Goldschmied
einige Monstranzen zum Kauf an, es wird auch von ihm eine große gekauft für 1200 fl.,
die sich aber nur als die Hälfte wert herausstellte ; man war auf einen Schwindler hinein-
gefallen.5) Später wurde der Monstranz noch eine große Perle eingefügt. 1719 wurden
4) FDA. XVI, S. 190.
2) Z. NF. 8, S. 687.
3) a. a. O. S. 700.
4) a. a. O. S. 669.
5) a. a. O. S. 700.
Weihwasser-
becken
Beichtstühle
Kirchenbänke
Türen
Glocken
Kirchengeräte
398
KREIS OFFENBURG.
sechs silberne Leuchter von Augsburg erworben.1) 1721 schenkte der »Goldstückher
Auble« zu Straßburg, dessen Sohn nach einem Duell im Kloster Asyl gefunden hatte,
eine »eigenhändig von ihm verfertigte gestickhte silberne Infult so auf 200 fl. geschätzt
worden«.2) Von all diesen Stücken ist indes nur noch die Monstranz (s. unten) vorhanden.
Dagegen erwähne ich :
Sonnenmonstranz, silbervergoldet, mit getriebenen Rocailleomamenten und Früchten,
Augsburger Zeichen, darunter W und I C B ;
eine weitere, im gleichen Material, mit getriebenen und aufgelegten Rankenorna-
menten, Putten mit Passionswerkzeugen, reich mit Steinen besetzt, dazwischen kleine
Emails. Am Fuße Widderkopf und PL, also H. J. Läublin aus Schaffhausen (Rosen-
berg Nr 2569); es ist dies demnach die obenerwähnte, überbezahlte Monstranz;
eine kleine Monstranz, kupfervergoldet, mit eingravierten Rocailleomamenten.
Kelche des 1 8. Jhs. sind in der großen Zahl von zehn erhalten, und zwar :
1. Silbervergoldet, getrieben, mit Bandornamenten sowie den Marterwerkzeugen
Christi; ohne Zeichen. Anfang des 18. Jhs.
2. Silbervergoldet, getrieben. An den Buckeln des Fußes und der Cuppa in Relief
getrieben Engel mit Marterwerkzeugen und Scenen aus der Passion, an einem
Buckel die Inschrift: Sanguis Eius Super nos et Super filios nostros; Augsburger
Beschauzeichen und M.
3. Silbergetrieben, vergoldet, mit drei doppelten Engelsköpfen und drei Reliefs der
Passion an den sechs Buckeln des Fußes, ebenso an den sechs Buckeln der
Cuppa, Engelsköpfe am Nodus, außerdem Bandornament; gute Arbeit vom
Anfänge des 18. Jhs. ; Zeichen ? und 1.
4 Silbergetrieben, vergoldet. Rocailleornament, drei Emails am Fuße, die Heiligen
Joseph, Agathe und Therese darstellend, drei an der Cuppa, Benedikt, Madonna
mit Kind und Abendmahl in reicher Fassung von Amethysten, Beryllen, Rubinen;
die Emails vorzügliche Arbeit; Augsburger Zeichen, darunter H (Rosenberg 89:
ca. 1747 bis 1749) und p*ß (Joh. Friedr. Bräuer ? f 1753, Rosenberg 355).
5. Silbergetrieben, vergoldet, am P’uß drei Putten mit Leidenswerkzeugen und in
Amethystfassung drei Emailmedaillons, die Heiligen Joachim, Anna und Cölestin
darstellend, an Cuppa ebenfalls drei Putten und drei Reliefs: Opfer Noahs,
Gebet am ölberg und Abendmahl. Hübsches Stück, leider stark lädiert; ohne
Zeichen.
6. Silbergetrieben, vergoldet, mit reichen Rocaille- und Blumenornamenten, bewegte
Form, sehr gute Arbeit; Augsburger Zeichen, darunter R (Rosenberg 104:
1765 bis 1767) und ITH (Jos. Tobias Hezebik ? f 1788, Rosenberg 377).
7. Silbergetrieben, vergoldet, mit Putten am Fuß und Medaillons mit Heiligen im
Relief, an der Cuppa aufgelegt Putten mit Passionswerkzeugen in Ranken, ohne
Zeichen, Anfang des 18. Jhs.
8. Silbervergoldet, schlichte Arbeit ; Ende des 1 8. Jhs.
A S
9. Kupfergetrieben, vergoldet mit Bandornamenten, zwei Schilde, in einem ^
und ein Mann mit Hammer als Helmkleinod.
!) Z. NF. 9, S. 240.
2) a. a. O. S. 243.
Tafel XIII
Ul ^(T
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i!
Gobelin in der Klosterkirche zu Gengenbach.
AMT OFFENBURG — GENGENBACH.
399
io. Kupfergetrieben, vergoldet, mit Girlandenverzierung, vom Ende des 18. Jhs.
Speisekelch, kupfergetrieben, vergoldet, mit Rocailleornamenten, ohne Zeichen.
Wettersegen, kupfergetrieben, vergoldet, mit Rocailleornamenten, besetzt mit Steinen.
Patene, kupfervergoldet; mit Namenszug Jesu und 1628.
Zwei Weihrauchfässer, silbergegossen und getrieben, mit Rankenwerk und Frauen-
köpfen, an denen die Ketten befestigt sind; Straßburger Feingehaltszeichen, wie Rosen-
berg 1504 etwa, und »Koenig«.
Weihrauchschiffchen, silbergetrieben, mit Akanthusblattverzierung ; Straßburger
Feingehaltszeichen, wie Rosenberg 1503 (?), und »Koenig«.
Wasser- und Weinkännchen mit Tablette, silbergetrieben, vergoldet, mit getriebenen
Rocailleornamenten, den Emailmedaillons der Evangelisten und Steinbesatz; Augsburger
Zeichen, darunter H und p^ also von demselben Meister wie Kelch Nr. 4.
Ovale Platte mit Wasser und Weinkännchen, silbergetrieben, vergoldet, mit
F T
Muschelornamenten; Augsburger Zeichen, darunter F und ^ , Franz Thaddaeus Lanz
(Rosenberg Nr. 358). Er wie Bräuer (s. oben) haben auch noch sonst viel für diese
Gegenden gearbeitet. Auf der Platte steht außerdem: GWS.
Halskette aus Granatgehängen, abwechselnd mit feinen Ringen, sowie Amethysten;
Anfang 18. Jhs. (Ehemaliger Miederschmuck.)
Sechs große vernickelte Messingleuchter mit Rocaille-, sechs andere mit eingravierten
Akanthusornamenten.
Kruzifix, aus Bronze (hier oder in der Kirche aufgestellt), Corpus Christi etwa
30 cm hoch; vorzüglich durchgearbeitetes Stück vom Finde des 17. Jhs.
Kruzifix, aus Elfenbein geschnitzt, Corpus etwa 20 cm hoch; gute, leider etwas
beschädigte Arbeit des 1 8. Jhs.
An Textilarbeiten ist zunächst zu erwähnen ein großer aus den Fährlichkeiten des
17. Jhs. geretteter Gobelin von 1608, dessen einen Teil Tafel XIII wiedergibt. Er ist
4,5 m lang, 1 m breit und zeigt fünf Scenen aus der Leidensgeschichte des Herrn mit
Überschriften und verschiedenen Monogrammen.
1. Die Grablegung:
3Iofci.il) fegt bcn KCcib Cfjrifti in fein nctu grab
in ein fclfen gehabten. .Ilüattljci rrvn. Mi
Unten : P F I606.
2. Kreuzaufrichtung:
Cßriftuji tunet am crent^ auffjjerirfjt.
3ot)annu* fit- 1608.
3. Kreuztragung:
Cfjriftu*» tregt fein ceciiü auß Scrufalem an lierg
Caluaric Zu creutstgen außgefürt. jfläatdj. rrvn.
4. Gefangennahme Christi:
fev Cljriftuß llDüet gefangenn am Tbbcrg Jpcteus
\G J^atut bc£ ^aljengeicftcrß ßnecljt ein oijr ab. jBattij. rtvi.
5. Christi Abschied von seiner Mutter:
Cfjriftuß frijeibet 311 ^ctffania bon feiner KCibenn
mütee unnb annbernn jfccünbenn. .TBattl). tri.
400
KREIS OFFENBURG.
Epitaphien
Die einzelnen Scenen sind durch Säulen mit Kompositkapitellen voneinander
getrennt.
Außerdem eine Anzahl von Gewändern: Pluviale, Goldbrokat mit reicher Seiden-
stickerei von violetten und blauen Blumen, Klatschrosen an der Kapuze, messing-
vergoldete Schließe. Dabei die dazugehörige Casel, Levitenkleider, Palla, Schoßtuch etc.,
letztere Silberbrokat; Mitte des 18. Jhs, hervorragende Arbeit.
Rotes Pluviale mit eingewirkten Rosen, Seide; später einmal gefärbt.
Hellblaues Pluviale mit eingewirkten Blumen, Federn etc, im echten Rokoko-
geschmack, Hellblau und Hellgelb dominierend; dazu passende Casel, Levitengewänder,
Stola, Palla etc.
Pluviale von weißer Ripsseide mit bunter Blumenstickerei; Mitte 18. Jh.
Des weiteren eine rote Casel mit Rankenstickerei in Silberfäden, eine violette mit
eingewirkten Blumen in Gold und bunter Seide, nebst allem Zubehör; weißseidene Casel
mit buntseidener Blumenstickerei; Predigtstolen auf Goldstoff gestickt; alles aus dem
1 8. Jh.
Ein in der Farbe außerordentlich schönes salmrotseidenes Velum mit Silberfransen,
mit Silber- und Goldplättchen bestickt, typisches Empirestück, sowie ein weißes Velum
mit Applikationsarbeit. Ferner zahllose Reste ehemaliger Kirchengewänder, gestickter
und gewebter.
Ein großes hölzernes Vortragskreuz des 18. Jhs., vergoldet; ein zweites bemaltes
mit gut gearbeiteter Figur Christi. Dazu noch zwei weitere eindrittel- und einhalblebens-
große Holzkruzifixe im Barockstil.
Ein guter Bücherbeschlag mit eingraviertem Renaissanceornament an einem neuen
Missale, ca. 1600.
Drei Rosenkränze mit verschiedenen Medaillen des 16. und 17. Jhs., die einzelnen
Glieder silbergetrieben oder aus Steinen.
Aus den Protokollen erfahren wir noch von der großen Uhr im Turm, die der
Schlossermeister Johannes Thalmann, Neffe des Abts gleichen Namens, zum Dank für
seine Erziehung 1721 stiftete. Sie hatte einen Wert von 50 fl., der Stifter garantierte
zugleich, solange er lebte, alle Reparaturen.1)
Epitaphien am Äußern der Kirche. An der Nordseite in der erwähnten zu-
gemauerten rundbogigen Tür Renaissanceepitaph ohne Inschrift, gelber Sandstein : unten
Auferstehung Christi in kleinen Figuren, oben die Krönung Mariä, hier knieender Mann
und Frau in der Tracht des späteren 16. Jhs., zwischen ihnen ihr Wappen, von denen
nur noch das zweite : ein Mann mit Keule auf der Schulter, kenntlich ist. Das Ganze
umrahmt von Pilastern mit Beschlagornament, nach außen in Voluten, Putten und Köpfen
endigend. Der obere Teil ist leider behufs Einfügung in die Nische weggeschlagen;
jetzt etwa 2 m hoch.
An der Südseite der Kirche, an der Kapelle des h. Joseph, Epitaph in rotem
Sandstein. Übereinander aufgebaute Voluten tragen den Rocaillegiebel, darauf zwei
Putten mit den Abtsinsignien, über ihnen in Rocaillekartusche das Wappen. Das Ganze
ein überaus bewegtes und wirkungsvolles Werk des Rocaillestils. Die langatmige
Inschrift lautet:
!) Z. NF. 9, S. 243.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
401
STA VIATOR
LEGE ET LUGE
HIC MORTALES IMMORTALES
SPIRITÜS EXUVIAS DEPOSUIT REVERENDISSIM
AC AETERNA MEMORIA DIGNISSIMUS DOMINUS • D •
BENEDICTUS
ABBAS GENGENBACENSIS
VIR MAGNAE NOMINIS EXACTAE PROBITATIS AC PRAETER DIVERSA
SCI ENTI ARUM LINGUARUMQUE PERITIAM TANTAE INPRIMIS
AGENDIS D EXTER I TAT I S \ UT INCERTUM
NUM ANTECESSORUM QUISQUAM
VEL MAIOR VEL MELIOR VEL PRUDENTIOR
PATERNA IN FILIOS CHARITATE
PROFUSA IN PAUPERES LIBERALITATE
SINCERITATE IN AMICOS, IN HOSPITES HUMANITATE,
CERTUM NULLI SECUNDUS
DIGNUS QUEM OB PRAECELLENTES ANIMI,
1NGENIIQUE DOTES SUMM1 ETI AM GERMANI AE, GALLIAE
ITALIAE AC PURPURATI ADEO PRINCIPES
CUM VIVERET AMORE ET OBSEQUIO
DUM VIXIT: DOLORE ET DESI DER I O
PROSEQUERENTUR
TANTUS, TALISQUE CUM FUERIT
NON POTUIT NON MALEVOLORUM TELIS APPETI
QUAE SOLO TAMEN M ANSUETUD I N IS SCUTO
ET EXCEPIT ET RETUDIT
OMNE HAUD FALSO PROSPICIENS
MURES OLIM PROBATUROS AC LAPIDES
QUOD HOMINES REPROBARENT
OBI IT LABORE POTIUS QUAM AETATE CONIECTUS
die xxviii decembr: ANNO MDCC • LXIII
AETAT • LVII • REGIMIN: XX •
POSTQUAM ANNO ANTE OBITUM NONDUM EXPLETO
ABBATIALEM ULTRO INFULAM DIMISIT
UT ITA EXPEDITUS FACILIUS CONSEQUERETUR
QUAE IUSTIS IN COELO REMANET
MERITORUM CORONAM
• ■ • • VIATOR, SI ES GR AND I CHARITATE
PI IS MANIBUS PIA PRECARE
MEMORIAE IPSIUS POSUIT
Jacobus Maria
ABBAS SUCCESSOR •
An der Nordseite noch ein schönes Epitaph in Rolhverkkartusche : Wappen, unten
ein halbes Rad, oben O M, dann die Inschriftfläche, mit Früchten und Bändern verziert,
und die Inschrift:
402
KREIS OFFENBURG.
Baunachrichten
Ao I6II • DEN • 28 • AFILIS
IST IN GOTT SELIG VER
SCHIDEN DER EFRH AFFT
OTTO MÖLLER GEWE
SNER ORGANIST DES GO =
TTSHA/S JLUIE DEM GO •
GNEDIG SEY AMEN.
An den Chormauern weiter zwei Schriftplatten, eine :
HIC IACET PATER GEORG
VS • HEREN • ANO
und :
M • MORIA INS GEORGII
RI QV OBIT ANO
M • D • LXX.
K LOSTE RG E BÄUD E
Baunachrichten : Das heute stehende Gebäude ist ein Werk des auch die Reno-
vation der Kirche am Ende des 17. Jhs. leitenden Meisters Franz Beer aus der Vorarl-
berger Bauschule. Uber das mittelalterliche Aussehen des Klosters fehlen uns alle
Anhaltspunkte. Es hatte im Dreißigjährigen Krieg eine arge Verwüstung erfahren durch
die weimarische Armee, bei der vor allem die Dächer und die innere Einrichtung sehr
litten.1) Von einem kleinen Klosterbrand, dessen weitere Ausdehnung noch verhütet
wurde, erfahren wir 1661.2) Den Zustand vor den Franzosenkriegen gibt uns — aller-
dings in sehr unzuverlässiger Weise — das schon genannte Bild. 1689 wurden dann
von den Franzosen »alle Gebäu samt dem Kloster« etc. völlig abgebrannt.3) Im J. 1693
konnte man an den Wiederaufbau denken; am 22. August wurde mit Beer der Kontrakt
abgeschlossen.
1) Soll Behr bei seinem gegebenen Abrtiss verbleiben, welcher wegen seiner sauberen Stellung
genehm gehalten wordten.
2) Soll er dem gegebenen Rüss gemäss erbauen auss dem Fundament die Abtey, welche zum
theyll 3-, zum theyll 31/2-stöckhig, in der Lenge i6o1/2 Schüch undt in der Breütte 43 Nierenberger
schüch (der Nierenberger schuch solle durchauss beobachtet werden). Dass Convent, welcher Baw
in der lenge 244 undt in der Breütte 48 schuch haltet, durchauss 3 undt ein halben Werkhstockh
hoch. Mehr: einen Baw von dem Convent ahn biss ahn den Creützgübell der grossen Kiirchen,
welcher in der Lenge 90 undt in der Breütte 36 schüch haltet.
In gleichem ein Baw von jetzgemeldtem Kürchgübell ahn biss ahn die Stattmauren undt hat
diesser Bau in seiner Lenge gegen die 1 10, undt dan in der Breütte 36 schüch. Diesse zwey Gebäw
sollen nuhr zw'eystöckhig sein. Über diesses eine newe Capelle4), welche den 4. Theyl des Kreütz-
ganges inhat, in der Lenge 994/2, in der Breütte 18 1/2 schüch. Endtlichen den schadhaften Kürchen-
gübell gegen den Convent abzubrechen, soweit es von nöthen sein würdt, undt selbigen wiederumb
aufTtihren mit einem gehawenen Gübell5), gleich wie in dem Abrüss zu ersehen.
3) Soll er alle Mauern dess gantzen verbrantten Gottshauss völlig niederwerffen und dem
Boden gleich abbrechen.
4) FDA. XVI, S. 173.
2) Z. NF. 8, S. 661.
3) FDA. XVI, S. 190.
4) Josephskapelle.
5) Dem jetzigen Staffelgiebel über dem südlichen Querhaus.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
4°3
QenqeNBACH- c*i£B£L
«l«s ftfleigebÄudes uncL
sler Südseite des ©Her-
-5»
4) Soll der Baumeister alle Fundamenter dess gantzen Baws tüeff genug biss auf einen harten
Booden aussgraben ; ingleichen auch alle Keller, alss von der grossen portten der Abbtey herab
biss in jetzigen Cantzelley-Keller. Dan von der Küchin ahn biss undter die Kellerey graben undt
aussfüehren, insonderheit unter der Studierslube einen sauberen Keller sambt einem auf 6 Seüllen
stehendten Gewölb zu verförttigen.
5) Solle er alle Fundamente teüff, dick und breütl genug gantz fleissig aufmauem, und dan
alle Mauren mit Füess undt Haubtgesümbs aufführen.
6) Alle Gewölber in den Kellern, Küchin, Kreützgäng, in der Cappellen, Under- und Ober-
custorj, die Stüegen in dem unteren Stockh, dass Capitelhauss sambt dem nebensstüblein, Studier-
stube, Bibliothek, Cancellarj, Archiva (gleich wie in dem Rüss angezeigt) setzen undt mauren.
7) Alle Zügellwändt alss Stuben, Kammern, Gängen, wie auch alle Camin undt Däcken zu
mauren, zu deckhen schuldig sein.
8) Alle Mauern und Zügellwändt soll er auss- undt inwendig bestecken undt aussbutzen,
auch die Östrich in allen Zümmern etc. legen.
Fig. 224.. Gengenbach, Giebel des Ab/cigebändes und des südlichen Querschiffs.
9) Neben dem sauberen Bestück soll er noch tünchen : die newe Kapellen, dass Kapitel-
hauss, beede Custorien, dass Archive und seiner Hochwürden Gnaden Wohnzümmer.
10) Aus Stein soll er hauen lassen : dass Tortal in der Abbtey, welches solle sauber undt
zierlich gehawen sein, die Keller undt andere Bögen, alle Fenster undt Thürgestöll, alle Säyllen,
Staffeln in die Keller, Stüegen in dem ersten Stockh, zu den Thüren. In gleichem die Stein zu
den 4 aussgeschweüfften Gybell, alle Quaderstein, Offengeställ, Kellerlöcher etc.
Dafür soll er »neben dem Ttisch vor ihnen und seinen Meistergesellen oder Ballierer alleinig
11 000 fl. in landläufigen Geltsorten« erhalten. Alle Materialien wird das Kloster liefern, es wird
auch nach ihrer Gewohnheit den Maurergesellen bei Ankunft und Abreise, bei Legung des ersten
Steines eines jeglichen Baues, so oft als ein Stockwerk vollendet ist etc., ein besonderes Essen und
Trinken geben etc.
Wir ersehen daraus, daß Beer mit Benutzung einiger unteren Gebäudereste tat-
sächlich das Ganze neu aufzuführen hatte, und zwar die Abtei, den westlichen Trakt,
daran anstoßend einen südlichen, den Konvent, von diesem aus bis zum Querschiff einen
nördlichen Trakt und von da aus nach Osten zu einen weiteren Bau ; die beiden letzteren
404
KREIS OFFENBURG.
nur zweistöckig. Am 24. April 1694 konnte der Abt die Grundsteine zu der Josephs-
kapelle und zu dem Kloster legen, letzteren beim Eingang zur Kirche und zum Drei-
königschor. Die mit diesem Stein eingemauerte Urkunde nennt ihn »angularem lapidem
monasterii beatae Mariae virginis e fundamento totaliter reaedificandi«.1) Am Ende des
Jahres aber scheint der Abt an der Lage des Klosters verzweifelt zu sein, denn er fragt in
der Konventsitzung am 16. Oktober 1694, ob mit dem Bau fortzufahren sei oder ob man
bis zu Eriedenszeiten warten solle. Man beschloß die Fortführung. Beer scheint jeweils
über Winter verreist zu sein. So er-
fahren wir, daß er im Frühjahr 1695
zurtickkehrte mit seinen Arbeitern, um
Teile zu vollenden und neu zu bauen.
Am 1 6. Mai legt der Abt von Schlittern
für den kranken Thalmann2) »lapidem
angularem principalis aedificii claustralis
in angulo qui arte se tendit versus
huobam vulgo die Schneckhenmatt,
a dextro vero versus Kintzingam«, also
den Schlußstein zum Südflügel, dem
Konvent, das westliche Abteigebäude
war vermutlich schon fertig. 1697 ist
der größte Teil des Klosters fertig,
enthaltend: »refectorium, culinam,
musaeum et hypocaustum aulicum«. Als
- man bei dem Ausgraben der Funda-
- mente dazu »ad partem anteriorem
huius aedeficii, hortum versus, ubi nunc
stat refectorium medium inter musaeum
et culinam« kam, stieß man auf viel
Grundwasser, einen förmlichen Sumpf,
und mußte nun 200 Eichenpfähle ein-
rammen, auf denen das Gebäude er-
richtet wurde, welch letzteres aber in
der schnellen Zeit von vier Monaten
geschah. Vernali huius anni tempore
konnte das Kloster endlich in richtiger Weise bewohnt werden »et domus capitularis
per biennium refectorium fuit«. Der Kapitelsaal hatte also zwei Jahre lang als Refek-
torium genügt. 1699 wurde der vordere Teil des Klosters »ab abbatia usque ad
turrim ecclesiae« errichtet, also wohl der nördliche Teil des Westtraktes. Immerhin
brauchte man 1703 für die Vollendung der Gebäude noch Geld.
Von den Klostergebäuden wurde der östliche Flügel aus irgendwelchen
Gründen abgerissen. Dagegen steht noch das westliche Abtei- und das südliche
Konventgebäude, wirkungsvolle, einfache Bauten, aus verputztem Bruchstein auf-
geführt, mit roten Sandsteingewänden. Die Fenster haben einfach abgetrepptes
y CI
ZjV
-n
's
Fig. 225.
Gengenbach, Abteigebäude, Hofseite
Fenstenimmalung.
*) Z. NF. 8, S. 678.
2) a. a. O. S. 684.
loMeter.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
405
Fig. 326. Gengenbach, Kloster gebäude, Treppenhaus.
406
KREIS OFFENBURG.
Gewände, teilweise mit Ohrenbildung in den oberen Ecken. Da, wo diese ausgebildeteren
Gewände fehlen, an der Innenseite, dem Hofe zu, waren die Fenster von aufgemalten
Gewänden mit gebrochenen Giebeln umgeben, wie es Fig. 225 zeigt. Auch sonst haben
Fig. 227. Gengenbach, Klostergebäude, Tordurchgang, Tür nach dem Hof.
wir uns das Gebäude mit Architekturmalerei ausgeschmückt zu denken. Den wesent-
lichsten Schmuck des Gebäudes bilden die mächtigen, in drei Abteilungen aufsteigenden
Volutengiebel (s. Fig. 225) mit Obelisken auf den äußeren Enden der teilenden Quergurte.
Zwei Giebel flankieren das Westgebäude, einer schaut am Südgebäude nach Osten und
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH. 407
einer wurde, wie wir schon sahen, über der südlichen Querschiffendigung errichtet
(s. Fig. 224). An diesem ist auch der Ansatz des alten Ostgebäudes erhalten, bergend
Sakristei und Kustodie, dem Vertrag gemäß nur zweistöckig; dementsprechend ist das
Westgebäude ein Stück um die Ecke nach Norden zu geführt. Am Ostbau ein Abts-
wappen (s. unten).
So weit entstammt das Äußere dem Plane des Vorarlberger Meisters. Aber wie
das Innere, so genügte auch das Portal einer späteren, wieder reicher gewordenen Zeit
nicht, und so ließ der Abt Benedikt Rischer (1743 bis 1763), derselbe, dessen Grabstein
Band VII.
27
Fig. 228. Gengenbach, Klostergebäude, Blick in das Treppenhaus im ersten Stock.
408
KREIS OFFENBURG.
wir kennen gelernt haben und der überhaupt eine größere Bautätigkeit entfaltete, das
Innere und das Portal vollständig erneuern. Der Rundbogen des Portals wird von
korinthischen Pilastern mit vorgelegten Säulen flankiert, die ein weit vorgekragtes,
verkröpftes Gesims tragen, an der Mittelkonsole das Wappen des Abtes Benedikt.
C\/7 ■'* Auf ^em Gesims das außer-
( z/enaen bctchJ\btci~
cjcLx) tbc r im ß (Obe t -
ordentlich reizende schmiede-
eiserne Gitter des Balkons,
in ihm das Monogramm
^ ^ angebracht. Uber
der Balkontür von Putten
gehaltenes großes Wappen
(Ende 17. Jh.) in Rollwerk-
kartusche des Abtes Augustin
Müller (1696 bis 1726), unter
dem der Beersche Bau fertig-
gestellt wurde. Durch das
Portal betreten wir den sehr
interessanten Tordurchgang
nebst Treppenhaus (Fig. 226).
Wie der raffinierte Grund-
riß zeigt, entsprechen den
Pilastern der Wand links vom
Eintretenden in einem flachen
Bogen aufgestellte Säulen
(ionischer Ordnung), die den
oberen Treppenpodest stützen.
Die flache Decke ist an ihrem
Ansatz mit leichten Rocaille-
stuckornamenten verziert,
während die ganze Pracht
dieser Dekorationsweise an
dem Ausgangstor nach dem
Hof entwickelt ist (s. Fig. 2 2 7 ).
Zwischen dem ersten Säulen-
paar rechts vom Eintritt führt
die mit feinem, schmiedeeisernem Rocaillegitter versehene breite Treppe in die Höhe.
Von dem oberen Teile des Treppenhauses gibt Fig. 228 ein Bild. Die Wände sind
durch Stuckgesimse in verschiedene Felder geteilt, die zum Teil mit reicher Stuck-
ornamentfüllung, zum Teil mit Ölbildern geschmückt sind. Ein vielfach verkröpftes und
geschwungenes Gesims zieht sich unter der Decke über den Durchgängen und den
Türen hin. Uber letzteren in reicher Stuckumrahmung Kaiserköpfe. Außerordentlich
reizvolle Stuckdekorationen (Rocaillewerk, Vogel etc.) schmücken die große Hohlkehle
und verbreiten sich an der flachen Decke. Sie ist mit einem großen Ölgemälde in reicher
Stuckumrahmung geschmückt. Dasselbe, wie die Bilder der Seitenwände, ist neuesten
Fig. 229. Gengenbach, Ableigebäude, Geländer
der Treppe vom ersten zum zweiten Geschoß.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
409
Datums vom Ende des 1 9. Jhs., während die alten Bilder, von denen das Deckengemälde
sehr ruiniert war, 1878 abgenommen und in die Karlsruher Altertumssammlung verbracht
wurden. Das Deckenbild stellte dar den Engelsturz (dortC. 284), die zwei Seitenbilder (C. 285
und 286) Dädalus und Ikarus bei der Flügelanmessung und der Flügelanlegung. In den
an das Treppenhaus beiderseits anstoßenden Räumen teilweise Stuckdecken des 18. Jhs.
Eine Treppe mit schmiedeeisernem Geländer führt von einem der Durchgänge aus
zum zweiten Geschoß. Ihre Anlage entstammt noch dem Bau des Hauses am Ende des
1 7. Jhs., der gleichen Zeit auch das schöne Gitter (s. Fig. 229). Auch hier einige alte Stuck-
decken, u. a. eine ziemlich reiche, mit einem Relief der Maria und Kind auf Wolken.
Eine Anzahl Decken sind bei der Restauration vor elf Jahren heruntergeschlagen worden.
Im Südbau in den Gängen einfache Kreuzgratgewölbe. Hier auch das ehemalige
Refektorium, dessen reiche Stuckdecke noch erhalten ist, aber jetzt sich auf mehrere
Räume verteilt. Uber der alten Eingangstür zu demselben reiche Rocaillestuckverzierung.
In den Gängen des Südbaues, der heute als Pfarrhaus dient, werden eine Anzahl
Ölgemälde aufbewahrt, vor allem zu nennen das alte Altarbild der Einbethenkapelle,
darstellend die Heiligen Perpetua und Felicitas, darunter die obenerwähnte Ansicht des
Klosters, ein nicht sehr bedeutendes Werk des 17. Jhs., vor der Zerstörung gemalt. Die
Klosteransicht erweckt, mit Ausnahme der zweifelhaften Doppeltürme, durchaus den Ein-
druck der Zuverlässigkeit. Der daraus zu entnehmende Grundriß des Klosters mit den
Bauten um den viereckigen Hof, dem sich nach Osten erstreckenden Anbau mit dem
Dachreiter, dem nördlichen Verbindungsgang über dem ehemaligen Kreuzgang, stimmt
mit dem, was sich bei neueren Umbauten ergeben hat. Auch der Aufbau mit den Rund-
türmen an der Südseite, dem Giebelbau dazwischen, der Umfassungsmauer mit den Gängen,
dürfte — natürlich nur im großen ganzen — richtig sein. — Des weiteren fünf Bilder von
den alten Altären der Klosterkirche, eine Anbetung der Könige nach dem gleichen
Vorbild aus der Rubensschen Werkstatt wie das Bild in Lautenbach, der Gekreuzigte mit
Maria und Magdalena, ein Rosenkranzbild und h. Benediktiner, Werke vom Anfänge
des 18. Jhs., eine h. Scholastika aus der Mitte desselben, eine andere Heilige, bezeichnet
F • I ^Toter pinxit 1771; ovale Medaillons von Altaraufsätzen, darunter ein guter Kopf
eines alten Heiligen, weiter ein etwas rohes Gemälde der Brotvermehrung (18. Jh.) und
zwei Abtporträts, das eine den Gisbert Agricola darstellend, aus dem Ende des 16. Jhs.,
das andere aus dem 18. Jh.
An dem Rest des an die Kirche ehemals angebauten Flügels an der Südseite ein
älterer Wappenstein eingemauert mit der Zahl 1562 und den Abtsabzeichen, also wohl
das Wappen des Abts Gisbert.
Der Hof ist leider durch einen Abortbau verunstaltet.
Der Klostergarlen ist noch zum Teil von seiner alten Mauer umgeben. Er öffnet
sich nach dem Klosterhof zu in einem Tor mit rustizierten Pilastern, auf denen Vasen
stehen; hübsches schmiedeeisernes Gitter daneben wie an dem Tor. Zwei ähnlich rustizierte
Pilaster mit bauchigen Rocaillevasen führen an der Nordseite der Kirche in den Kirchen-
garten. Auch diese Gartenanlagen verdanken ihre Entstehung wohl dem Abt Benedikt
Rischer.
Das Rinnsal, das vor Kirche und Kloster durchführt, wird auf einem alten, noch
mittelalterlichen (?) Steinpfeiler mit abgefasten Ecken zu der ehemaligen Klostermühle
weitergeleitet, die noch zum Teil aus dem 18. Jh. stammt.
Ölgemälde
Wappenstein
Klostergalten
Klostermühle
27
4io
KREIS OFFENBURG.
Wappen
Friedhofkirche
Baunachrichten
An dem Torvorbau des unter dem Schulhaus gelegenen Kellers ein Stein mit dem
Wappen des Abts Placidus eingemauert, laut Aufschrift :
P • A • Z • G
16 9o.
Das gleiche Wappen von 1691 findet sich an einem wieder nach seinem alten
Zwecke verwendeten Schlußstein in der Durchfahrt des Schulhauses. Wir befinden uns
eben im alten Klosterbezirk , dessen Westmauer, durch die Häuser durchgehend an der
Rückseite des Rathauses vorbei, noch deutlich nachzuweisen ist.
Die ehemalige Pfarrkirche S. Martin, jetzige Friedhof kirche, ist, wie oben aus-
einandergesetzt worden, wohl die älteste kirchliche Gründung auf diesem Boden. Doch
sind vom frühen Mittelalter keine Reste mehr erhalten, die heutige Kirche ist in der
Hauptsache ein Bau von 1452, der im 17. Jh. viel gelitten und deshalb manche Reno-
vationen und Veränderungen erfahren hat.
Die Baunachrichten darüber besagen:
1443 hören wir von einem Vergleich zwischen dem damaligen Abt und der Stadt
Gengenbach:1) »die in rechten angehengt waren als von des Thurnes und Bawes wegen,
deßselben, der ober dem
- .-s _ " - -TRiEPbor
STmakJIn Inschrift
4
* toHrilff- ntfis 4 iwrMlfrFi
< tanwpaiim.* rä • j • trfe
♦ Mt ♦ ÄMintü 'fym* üj
Fig. 230. Inschrift an der Martinskirche in Gengenbach.
Chore der Lutkirchen uss-
wendig der Stadt G. ge-
legen, gebuwen ist und
stet«. Die Stadt wollte dem
Kloster als Kirchherrn und
Einnehmer des Zehnten die
Baupflicht zuschieben, der
Abt aber der Stadt: »die-
weil vormals derselbe Thurn
und Inebuw durch Schult-
heiss, rot und Statt zu G.
und nit durch einen apt gebuwen und in gebuw erhalten war, dieweil auch der Statt
Glockhen, die sy mit Iren Coste gemacht hätte, in demselben Thurn hingen«. Der Ent-
scheid des bischöflichen Richters Joh. von Steynborn zu Straßburg lautete: i. jede Partei
solle einen Baumeister bestellen, »die auf Globen und zu den Heyligen schwören sollen,
den Thurn zu besehen ; was die dan erkennen, das der egenant Thurn von dem Fulment
und Fundament biss ahn das gewelbe des Ingeschlossen Buwes nottürftig syg, den soll
der Abbt und Convent uff Iren Kosten und schaden thuen, was über Buwes und
Inbuwes derselbe Thurn von dem gewelbe ahn bis ahn das dach gewelbe und dach
ussgeschlossen, nottürftig syg nach erkenntnus der 2 Buwmeister, den soll Schultheiss
und rot mit Irem Costen und schaden thun. 2. wan derselbe Thurn eines Helmes
oder Dachs nottürftig ist, so ist bedingt, weil dasselbe Dach beyden Partheyen (dem
Convent zu dem Gewelbe und Chor, dem Rot zu den Glocken) dienend ist, das es
durch beyde Partheyen glicher Kosten gemacht werde. Ist auch beret, das ein schlecht
redlich ziemlich Dach gemacht soll werden«.
Daraus geht hervor, daß der Turm über dem Chor errichtet und daß diese ganzen
Ostteile äußerst schadhaft geworden waren. Hält man damit zusammen, was die jetzt
x) Z. NF. 8, S. 454.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
411
(nicht ursprünglich) am Nordanbau der Kirche eingemauerte Inschrift angibt (s. Fig. 230),
daß nämlich der Bau anno 1452 begonnen und damals der erste Stein gelegt wurde, so
möchte ich aus allem schließen, der bauliche Befund habe sich nach jenem Vergleich
von 1443 als so schlecht herausgestellt, daß man sich zu einem gänzlichen Neubau der
Kirche entschloß. Dafür spricht ihre heutige Beschaffenheit.
Zweihundert Jahre später, 1641, hören wir dann, daß der Turm gänzlich einstürzte
und den Chor in seinem Fall zerstörte.
»A. 1641 die 30 Jan. turris parochialis ecclesiae Gengenbac. ex fundamento
totaliter corruit et chorum cum tribus altaribus in ecclesia subvertit. Causa fuit nimia
altitudo, adhuc enim fuerat una contignatio, « ’) was weiterhin so erklärt wird: »causam
eius ruinae esse affirmabant, quod turris haec altius fuerit erecta, dum adhuc una
contignatio ei fuit superposita et turris scabris lapidibus tecta; tantam enim imponebant
molem, cui ferendo fundamentum ipsum sufficiens non erat etc.«.* 2)
Wir werden die Nachricht vom »totalen« Zusammensturz wohl nicht allzu wörtlich
nehmen dürfen, doch scheinen mindestens die drei oberen Stockwerke zusammengestürzt
zu sein, sie werden das Gewölbe des Chors kaput geschlagen und dessen Hochmauern
dabei gelitten haben. — Zwei Jahre nachher hausten besonders hier in der Pfarrkirche
die weimarischen Soldaten und raubten sie gänzlich aus. 1671 ging man an die
Restauration, 1672 konnte das Kreuz dem fertigen Turm aufgesetzt werden, 1679 konnte
der Chor geweiht werden, sieben Jahre nach seiner baulichen Fertigstellung, der Hoch-
altar dem h. Martin, die beiden Seitenaltäre der Kirche, der eine als Kreuz-, der andere
als Marienaltar. Am 18. September des gleichen Jahres wurden vom Abt Placidus die
drei großen Glocken geweiht, die von Mathaeus Grüninger in Villingen gegossen waren.
Der Bericht lautet: »Ab initio septembris huius anni (1671) reaedificari coepta
est turris cum choro ecclesiae parochialis Gengenbacensis, quae anno 1640 in mense
Januario corruit; turris ista cum choro ad suam pervenit perfectionem 1. die Octobris
a. 1672, quo die crux cum deaurato globo turris huius vertici imposita fuit. 1679: Hoc
anno, nimirum 19 Sept. dedicatus est chorus parochialis ecclesiae s. Martini episcopi in
Gengenbach, noviter a. 1672 erectus una cum summo altari et duobus altaribus extra
praedictum chorum in navi ecclesiae abs rev. d. Gabriele Haug p. p. summum altare
dedicatum est in honorem s. Martini ; secundum altare ad dextrum introitus chori, in
honorem s. crucis; tertium altare a sinistris ingressus chori, in honorem Mariae.
Anniversaria dedicationis dies ecclesiae huius parochialis singulis annis celebratur
dominica in albis seu octava paschalis domini ... 18. Sept. Tres maiores campanae im
ecclesia parochiali Gengenbacensi fuere benedictae et consecratae a praelato Placido.
Dictae campanae pridie Villinga adductae fuerant, ubi et fusae fuerunt a Mathaeo
Grueninger, cive Villingano. Post benedictionem hac campanae in novam turrim
suspensae sunt.«3)
In den folgenden Franzosenkriegen scheint die Martinskirche nicht besonders
gelitten zu haben, wohl weil sie außerhalb der Mauern war; auch bei der großen Zer-
störung 1689 wird von ihr nichts berichtet. Sie stand wohl so bis in die Mitte des
19. Jhs. mit ihrem abgewalmten Kupferdach nebst Laterne, sichtbar auf der schon
') FDA. XVI, S. 172.
2) Z. NF. 8, S. 454-
8) a. a. O. S. 455.
412
KREIS OFFENBURG.
Baubeschreibung
citierten Zeichnung im Besitze des Freifräulein von Loewenberg und dem genannten
Kupferstich. Wenn diese darin Zutrauen verdienen, so doch kaum in der anscheinenden
Achteckgestalt des Turmes, denn die heutigen viereckigen Obergeschosse stammen
sicher noch aus dem 17. Jh. Sein Dach aber verlor der Turm ca. 1840 ohne triftigen
Grund und erhielt das heutige stumpfe Pyramidendach.
Die Kirche ist ein schlichter Bau aus Bruchsteinmauerwerk mit Mörtelbewurf. Auf
das einschiffige, flachgedeckte Langhaus folgt zunächst, bedeutend erhöht, über sechs
Stufen zugänglich, das erste Chorquadrat, über dem sich der Turm erhebt, dann, wieder
einige Stufen erhöht, das zweite, beide mit eingezogenem Kreuzgratgewölbe, und dann
der ebenfalls mit Gratgewölben eingedeckte und nochmals um drei Stufen erhöhte Achteck-
abschluß. Wandpfeiler mit abgefasten Kanten und Kämpfer mit Profil aus Plättchen und
Wulst tragen die Gurtbögen zwischen den beiden Chorquadraten und dem Langhaus.1)
Alle die erwähnten Stufen sind nicht zusammenhängend gemauert mit den Chorwänden,
sie stammen also erst von der Renovation des 17. Jhs., wie auch die Rundbogenfenster
des Chors. Dagegen sind die spitzbogigen Fenster mit Fischblasenmaßwerk des Lang-
hauses, fünf an der Südseite, zwei davon, eines zugemauert, an der Nordseite, und endlich
eines an der Fassade noch aus der Zeit des spätmittelalterlichen Baues. Unter ihnen
bezw. ihre Sohlbank bildend zieht sich um den ganzen Bau das übliche gotische Kaff-
gesims herum. Einige Rundfenster auf beiden Seiten darunter sind im 17. Jh. gebrochen
worden. Das Hauptportal, flachbogig, zeigt sich durchschneidende Rundstäbe auf,
gewundenen und gestreiften hohen steilen Basen, hier auch die weiter oben wieder-
gegebenen Steinmetzzeichen. Alle Gewände an dem Bau wie gewöhnlich aus rotem
Sandstein, im übrigen zeigen sich an ihnen vielfach Reste alter Quaderbemalung. Zwei
kleinere Türen an der Fassade haben gerade Sturze auf hohlgekehltem Gewände;
daneben ein Weihwasserbecken des 15. Jhs., an ihm skulpiert ein Schild, in dem eine
Kanne. — Das Sockelgesims der Kirche ist das einfache gotische mit einer Hohlkehle,
entsprechend die Dachschräge. — An der Südseite führt eine Barocktür, mit der Jahres-
zahl 1778 versehen, in die Kirche.
Der Turm, auf quadratischem Grundriß, ragt in drei Stockwerken aus dem Dach
empor. In diesen Stockwerken geradsturzige, im oberen Rundbogen-Fenster des 17. Jhs.
Überall aber noch die gotische Wasserschräge. An der Südseite ist die Sakristei angebaut,
noch aus dem 15. Jh., mit kleinen Spitzbogenfenstern, von denen eines noch flamboyantes
Maßwerk besitzt. Der flachgedeckte Raum öffnet sich nach dem Chor in einer Tür,
deren Gewände Abfasung mit Volutenablauf zeigt, also i7-Jh.
An der Nordseite der Kirche, da, wo bei einer Querschiffanlage das nördliche
Querschiff wäre, ist genau in der Ausdehnung eines solchen und mit einem Satteldach
eingedeckt, das das Langhausdach schneidet, ein Anbau vorhanden, der unten in flachen
Rundbogenfenstern und einer Rundbogentür nach dem Friedhof sich öffnend, ein Bein-
haus enthält. Das Geschoß darüber ist als Empore ausgestattet und öffnet sich nach
der Kirche zu in zwei Flachbogen, die auf einem kleinen Säulchen ruhen mit weit aus-
kragendem plumpen Kämpfer. In den Öffnungen unten Balusterabschluß. Nach Norden
zu öffnet sich der Raum in zwei Rundbogenfenstern. An seiner Nordwestecke ein-
J) Nirgends ein Anhaltspunkt dafür, daß, wie Liibke meint, der Unterteil des Turmes noch
romanischen Ursprungs ist, so wahrscheinlich das nach dem Alter der Kirche auch wäre.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH. 4 I 3
gemauert die obencitierte Bauinschrift. Ich möchte vermuten, daß der beim Turm-
einsturz stehen gebliebene Rest eines Querschiffes im 17. Jh. derartig benutzt wurde. In
der Südwestecke des Baues legt sich ein rundes Wendeltreppentürmchen an, vor dessen
erster Stufe eine Platte eingelassen ist mit einem Schild, worauf Pflugschar und Reb-
messer und eine zerstörte Inschrift.
Von der Ausstattung der Kirche ist zu bemerken zunächst in der Nordostecke
des Langhauses eine spätgotische Nische mit Vorhangbogen, dann der Hochaltar und die
zwei Seitenaltäre in dem wirksamen barocken Säulenaufbau, etwa Mitte 18. Jhs. In dem-
selben am Hochaltar Gemälde des h. Martin, an dem einen Seitenaltar die Anbetung
der Hirten, am anderen ein h. Sebastian, aus der gleichen Zeit. An der Nordwand
die vorzügliche Rocaillekanzel mit Stadtwappen, Holz, marmorartig bemalt, in origineller
Verbindung mit der unter ihr befindlichen, ebenfalls holzumkleideten Türe. Das vordere
westliche Drittel des Langhauses wird durch eine Empore in dem beliebten bauchigen
Grundriß eingenommen, auf Holzstützen, in blauer Marmorierung bemalt.1) Auf der
Empore die Orgel mit reicher Rocailleschnitzerei, mit musizierenden Engeln, jetzt in
Holzfarbe übertüncht. Die Stuckdecke des Langhauses ist in einfacher Weise in Felder
geteilt.
Uber dem Triumphbogen ist in großem Rollwerkschild, von zwei Engeln gehalten,
das Stadtzvappen in Stuck angebracht. Vom Bogen hängt ein Holzkruzifix des 18. Jhs.
herunter. Ein vorzügliches Werk des 17. Jhs. (1693) ist das Kruzifix in Lebensgröße an der
Nordwand, wie ich höre, aus der abgebrochenen Kapelle an der Kinzigbrücke stammend.
Die im Rocaillegenre geschnitzten Türen des Hauptportals weisen die Inschrift
auf (1748) :
gLorIfICetVr et eXaLtetVr
DoMVs tVa VnVs et trInVS.
In der Sakristei auf den Schränken Holzkruzifix des 18. Jhs.
Von den Glocken stammt eine mit dem Gengenbacher Wappen von 1718, von
Algeyer, eine zweite ebenfalls mit dem Wappen aus Villingen, eine dritte von 1802.
Näher war nicht beizukommen, und dem vierten, höher aufgehängten kleinen Glöckchen
überhaupt nicht.
Am Äußern der Kirche eine Anzahl Epitaphien eingemauert, und zwar an der
Westfassade:
1. Weißer Sandstein, ca. 1,40 m hoch (s. Fig. 231). Pilaster, an denen die Hoch-
relieffiguren der Heiligen Petrus und Paulus, flankieren eine Nische mit dem Relief
der Auferstehung Christi. Die Pilaster tragen gebrochenen Giebel, an dem originell sich
der Linie des Giebels anschmiegende Köpfe, dazwischen das Wappen. Am Sockel der
Apostelfiguren Schilde mit der Hausmarke des Toten und dem Meisterzeichen (?) des
Steinmetzen. Unter dem Geschilderten, von Beschlägornament umrahmt, die ovale Tafel
mit der Inschrift:
*) Sollte jemals aus praktischen Gründen eine Renovation der Kirche nicht zu umgehen sein,
so wäre dringend zu wünschen, daß im Innern der Rocaillecharakter im Anschluß an die vor-
handenen Farbenspuren beibehalten wird.
Ausstattung
Wappen
Kruzifix
Geschnitzte
Türen
Glocken
4M
KREIS OFFFNBURG.
Ftg. 2ji. Grabmal des Peter Jüngel an der Friedhofskirche in Gengenbach.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
415
SAIVBSTAG
DEN • 17 • OCTOBRIS • ANNO
.I609 IST IN GOTt SELIGLICH
VERSIDEN • DER EFRNWST VND
WEISE • PERR • PETER • IVNGEL • ZW--
ÖLFER • VND STiT iVEISTR • DES AL=
TN RATS • ZV GENGENBACH
DEM GOTT • GISEDIG • SEIN
WELLE • AMEN.
Tüchtige und charakteristische Handwerksarbeit der Renaissance.
2. Heller Sandstein. Ovale Inschriftplatte, ca. 1,20 m hoch, in Rocaillekartusche,
umrahmt von weinenden Putten, mit den Todesemblemen, dem Rienecker und Jüngelschen
Wappen, der Barbara Rienecker, letzter der Familie Jüngel, und der Inschrift:
S7a Viator et L ege
7 er ra haec recödit ossa dilectae Conjugis et NVatris optimae
Desiderata terris, Coelo matura obiit 25ten F ebne. 176+ • • aetat • ab +6 •
R eligiosa in Deum, in Kauperes munifica , grata Kopulo,
a suis amata, bonis omnibus fuit Charrissima
Ex his nosce Kraenob:em geilere et nomine Dominain tAargaritam
Earbaram Kienecker, Vltimam J ünglingianae Stirpis Krogeniem et
Virtutis avitae haeredem felicissimam ■ S i Klura tarnen Seine cupio
Lege Salomonen 1 : Aulier em forteminea mirabens • Kequiescat in P ace .
V oLente Deo Con I V ge M seCVtVs est
Vir multum ainabilis Kraenob • D • F • Carol ■ Kienecker Kraetor et XII vir
\111p . Civit • Gengenb: aet: 59 • qui vita ex virtutis lege Keracta ad beatain
imortalitatem aspirans laetus ipse silii sequens composuit
Epitaphium • Credidi speravi dilexi Deum
Si aut ein totam non adimplevi legem quam sanctam agnovi
Wiisericordiam D ei ter optimi implorans infinitis meritis
I esu Christi spero Kesurrectionem et vitam aeteniam ■
Die viator: amen.
Auf einem Spruchband darunter steht:
lltnfer lOCcficn ift 0lririj öetn Bor&eiiifldjcnticn örfjattüti.
An der Nordseite der Kirche:
3. Epitaph des Joh. Georg Heitzmann, gest. 1707, und seines Sohnes Josef Heitz-
mann, gest. 1752. Sandstein. Inschriftplatte mit Dreieckgiebel, von Voluten umrahmt.
An dem Beinhaus die oben besprochene und abgebildete Bauinschrift.
4. Uber dem Tor des Beinhauses eingemauert Sandsteinrelief des Gekreuzigten,
etwa 95 cm hoch, gute Arbeit.
An der Südseite der Kirche:
5. Oblonge, 1,60 m breite Nische, der untere Abschluß als 'Wasserschräge gebildet,
darauf setzt der Rundstab an auf hoher gewundener Basis ; aus diesem Rundstab und
einer Hohlkehle ist der weitere Rahmen der Nische gebildet; in derselben geringes
Gemälde, Ende 16. Jhs. : ein Kruzifixus, vor dem eine Frau kniet.
416
KREIS OFFENBURG.
6. Unter dieser Nische ein roter Sandstein eingemauert mit der Inschrift:
Siehe Leferl das Schickfal
Des Edlvösten Hern Johann Michael Hosel welcher als Zwölfer des alten Raths
dahier den 2[ Dezembris 1734. Seines alters 63. gestorben und deine die viel
Ehr- und
Tugendsame Frau Anna Maria Jäggin Seine eheliche Hausfrau den
aprilis 1737 ■ ihres alters 62 nachgefolget. Was feynd nun fie beede? Was du
wirst werden
Requiescant in Pace
amen.
7. In reichem Rocaillerahmen (s. Fig. 232) mit Voluten, Todesemblemen etc., oben,
hübsch in den geschwungenen Giebel hineinkomponiert, der Gekreuzigte mit Maria am
Fuße des Kreuzes. In dem unteren Felde die Inschrift:
3tilljicr Btiljcn
die gebein
be£ CblUeften und taoljfliieifen
Jfjcrrti math ei SCrnoIbt ^tatt*
meifter unb stnälffmi beß alten*
Ratfjö baljier tucldjcr ben 19 nicrt^
1767 feeltg in bem l^crrn entfrfjlafen
feinet alter** 61 jaljr
Unb ber 'i-ijr nnb ttigenbfamen
jUaria TUagbalrna Sieglet in
beßen cTjcgattin Inelifjc gebauten
ben 16 avgst 1693 nnb geftoröen
ben 17 SEPTEMBER 1776 ift
alfo 83 jaljr 1 Jttoiiatl] nnb
1 tag alt taorben.
In kleiner Kartusche :
REQVIESC ANT IN PACE.
Die Frau hat also ihren 1 3 Jahre jüngeren Mann noch um 9 Jahre überlebt. (Roter
Sandstein 1,60 m hoch.)
8. Oblonges Epitaph, roter Sandstein 65X81 cm. In dem vertieften Felde das
Allianzwappen des Toten, die Umschrift lautet:
ANO • 9o • DE 26 IVLY / STARB IOHÄ / ERIDERICH (sic!) IETINGer /
DE OtT GeNA)/
9. Aufrechtes Rechteck, 1,95X0,89 m, gelber Sandstein, in zwei quadratische
Felder geteilt, im oberen, in Relief, der Gekreuzigte, rechts (heraldisch) eine anbetende
knieende Matrone, links das Wappen: zwei aufrechte Fische. Derbe Arbeit. Unterschrift:
IHESV FILI DEI MISERERE ME.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
417
Tn der unteren Abteilung
steht :
VERENA. MATRIS SUA
DILECTISS •
MONUMET • HOC RE-
VERENTI AE
ET AMORIS • ERGO
POSUIT MÜS-
ST? FILI? MICHAEL
BUECHNER: HUIS
ECCLAE • PASTOR •
VIXIT POST MONO-
GAMIAM ANNIS XXX
ET OBIYT ANO
DNI • MDLXXX IN
FESTO S •
MARTINI EPI • AETA-
TIS • SUAE : LXIII.
10. Reiches Renaissance-
epitaph (s. Fig. 233) in rotem
Sandstein, 2,20 m hoch. Eine
flachbogige Nische, von Hermen
flankiert, an deren einem die
Halbfigur eines Jacobspilgers,
an dem anderen die Halbfigur
einer Frau mit zwei Kindern
(h. Anna selbdritt? Caritas?).
Diese Hermen tragen das ver-
kröpfte Gebälk, auf dem sich
der Aufsatz erhebt. Pilaster
mit Löwenköpfen, von Voluten
flankiert, tragen den ge-
brochenen Giebel mit Zahn-
schnitt. In dem Aufsatz Relief
der Himmelfahrt Mariä, in
der Mittelnische der Gekreu-
zigte, links (vom Beschauer aus) knieender Mann mit Frau, rechts desgleichen mit Rosen-
kränzen in den Händen, die Frauenfigur ist später weggemeißelt. Darunter leere Platte
in Rollwerkumrahmung, dann das Wappen mit I K • (Johann Kun) und endlich die
Platte mit der Inschrift:
Fig. 232.
Epitaph des Stattmeisters Math. Arnoldt und seiner
Frau an der Leutkirche in Gengenbach.
IACOB GNTR • GNTX . HC • ANA QESCT
PACIFICO CLzRI TEPORA M/LA Tot
AMBO PII FVERAT yßO VkTVE DEG°RI
AMBO PIE MATE PERC’L VEBE DEI
FILI ABOB PASTOR MOMET IOANES
KREIS OFFENBURG.
418
HALC L'CAT HOSPCB LKCT.R AE VN A
PIE & HIC 24 NOVEB : ANO I6o4
ATiS 64 • ILLA • 8 APR A° I606 ATiS 65 =
REQVIESC ANT IN PACE.
Fig. 233- Epitaph an der Leutkirche in Gengenbach •
Die äußerst schlechten Abkürzungen und dazu noch Fehler des Steinmetzen lassen
nicht einmal den Namen deutlich erkennen.
Zu den Treppenstufen der jetzt folgenden Tür sind zwei Grabsteine mit jetzt
unleserlichen Inschriften verwandt.
AMT OFFENBURG. — GEN GENBACH. 41g
1 1 . Grabstein mit ovaler Inschriftplatte, von Kranz umgeben, darüber fünfzackige
Krone, von zwei Engelputten gehalten. (100X72 cm.) Die Inschrift lautet:
HIER IST DIE
RUEHSTATT DES WOLEHRW:
IN GOTT GEISTLICHEN HERREN JOSEPH
SCHNEIDERS • WELCHER ANFAENGLICH IN MÜLLE
NACHGEHENDS • BEY DIE ZO JAHR • IN PRINTZBACH
EUFERIGSTER SEELSORGER UND DES • HOCHWÜR •
LAHRISCH«/ RURAL: CAPITULS CAMERER GEWESEN
LETZTENS • ABER • ALS CAPELLANUS • DER CAPPLONEY
DES HEIL : ERH ARTI ■ IN GENGENBACH • IN • GOTT SELIG
ENTSCHLAFEN IST DEN ZO* AUG: ANNO
MDCCX XXII SEINES ALTERS IM L-V-JAHR
zu dessen Ewigen gedächtnus CAROLES SCHNEIDER
vnd CA THARINA ■ WINTERHALTERIN ■ def obgedacht
Verstorbenen • hinter • lassene ■ geschwisterige ■ disen
grabstein hierher haben setzen lassen
der barmherzige Gott ■ gebe • Ihm
und allen Christgläubigen
Je eien • die Ewige Ru eh
Amen.
An der nun folgenden Tür sind wieder zwei Grabsteine verwendet.
Auf dem Friedhof zu bemerken: großer Rocaillegrabstein (s. Fig. 234). (Roter
Sandstein.) Reiche, krause Voluten umrahmen das Inschriftoval. An ihnen Todesembleme,
Leuchter etc., oben Kronos mit der Uhr, zu beiden .Seiten zwei Tugenden, unter dem
Oval das Allianzwappen der Verstorbenen. Originell im Aufbau und gut in der Aus-
führung. Am Sockel Rocaillekartusche. Oben steht :
In
hoC tVMVLo
ConDIta fVIt (1768)
PR ALNOBI LIS IOANNA FRANCISCA RIENECKER
VXOR PRENOB ■ DOM • CONRADI • RAIM
CALSAR REG • LEGIONIS DE FVRSTEMBERG
SVPREMI VIGILIARVM PRALFECTI
/E.TATIS XXI
IesV saLVator
ConCeDe eI reqJVIeM (1768).
Am Sockel die Verse:
HUNC LAPIDEM POSUIT CONSTANTIS CURA MARITI
QUI COLUIT VI V AM QUI COLIT ET CINERES
NI LAPIS ES REDIENS REQUIEM PACEMQUE VIATOR
DIC ANIMAE CUIUS CONDIT HIC OSSA LAPIS.
Friedhof
420
KREIS OFFENBURG
Fig. 234. Grabstein auf dem Friedhof in Gengenbach.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH. 42 I
Von hier aus gegen die Mauer zu kleine Kapelle, Rundbogennische, in deren
Hintergrund in äußerst roher Malerei (aufgefrischt) die Verspottung des Herrn gemalt
ist, die Figur des Herrn selber in Steinplastik davorstehend auf einer Konsole, dreiviertel-
lebensgroß, mit stark hervorgehobenen Muskeln. An der Konsole steht:
3Don Lottes; Knaben 43eorg SCfrlit 51t 43cngenöarff.
1609.
Also Abt Georg Breuning hat die Kapelle gestiftet.
Östlich von der Kirche eine weitere Kapelle, mit ähnlicher Nische, flankiert von
dorischen Pilastern, die das Gesims tragen. An der Wand etwa zweidrittellebensgroßer
Kruzifixus, Steinskulptur, hinter der sich gemalt die Gegend von Jerusalem erstreckt. An
der linken Seitenwand großes ausgehauenes Wappen, heraldisch rechts goldener Hammer,
Krone und Stern in blauem Feld, links drei Kleeblätter in Gelb, darunter die Inschrift :
Viator lege ac hige
hic jacet
Patriae culmen & columen
Virtutib 9 Decor 9 suorum dec 9
Tarn Oinnib9 Char 9, Quam reipub9 proficu9 quis?
D • Joannes Bender Imper • Civit :
Gengenb: Praetor Digniss9 de Consultui 9
mm Dilecta sua coniuge D. ANNA MARIA HILLER1N
Quam Diu? Ille aetatis ■ pp • A • 30 Juliy 1704.
Haec aetatis 66 ■ & • jo: Aprilis 171p Parentes.
Liberorum quorum prior dignitate fulget Abbatia
Blasius Abbas Sau 9 Blasianus posterior
Parentans D. Joachimus Praetoratus
Quibus hi et singuli
Voce dicunt luna nimi
Lux perennis luceat iis
Domine.
An der anderen Seitenwand dasselbe Wappen und die Inschrift :
Pietati ac postcritati
Hac in gentilitia sibi suisq9 haereditaria quiesunt (sic!) sepultwa
Duo germani
Virtute, sanguine, pietate pari , vcre fratres
nempe
Joahes Caspar & Joachimus de Bender
Sac ■ Rom ■ Imp • equites ille pie in DT10
obiit ip Octob ■ 1721 Ahos natus 44
Iste p Maii 1761 Annorum 77
Benedicente DTio
Primus decem libros obtinuit ex dulcissima
Conjuge dna Maria Ludgarde nata
Jüngling, denata
Martii 17P7 aetatis 7p
Kapellen
auf dem Friedhof
42 2
KREIS OFFENBURG.
Grabstein
Disponente Deo
tertissima coniux dna Maria
Ana Jüngling- cum 7 liberis praecessit
24. Julii 1752 aetatis 6g
Perfi 'incti itaq 9 dignitate consulari
& praetoriali fide, prudentia & inte -
gritate summa • de patria
Imperio optime mariti
Ita sunt defuncti, ut eorum obitus ad
Vitam imortalcm pie credatur introi-
tus, hac ne et tu transicus, eis apprecare
quibus hoc monumenttim ponere
Macsil /I L 1 1 gratl parlier
haere Y)es sWCC essores.
Neben der Nische eine Platte, Grabmal des Feldmarschalls Joh. Joachim Freiherrn
von Bender, mit der Inschrift :
* 12 Februar 1741
f 26 July 1818
Ein Blitz dem Freund
Ein Fels dem Feind
Nie Todes scheu
Der Tugend treu
Ihn, den zu kühnen Mutes Lohne
des Lorbeers ewig Grün umkränzt,
dem auch die zarte Bürgerkrone
mild in dem Silberhaare glänzt,
In dessen kühn nnd gütgem Herze
der Held und Mensch verbrüdert war,
Ihm weiht der Sohn mit heißem Schmerze
den kalten Stein zum Dank-Altar.
Er war ! Sein Nähme aber schwebet
in manchem Nacht-Gebet empor,
doch wenn sich einst der Vorhang hebet,
dann strahhlt er rein durchs Dunkel vor.
Wie der Vers sagt, hat der Sohn, Franz von Frosch-Bender, den Stein setzen lassen.
In der Nähe der Grabstein des Erbauers des Rathauses, Victor Kretz, gest. 1786.
Auf dem Friedhof noch zwei Dornbltithsche Grabsteine mit Palmenumrahmung,
Wappen und langatmiger Inschrift, des Georg Friedrich, der Maria Cleopha Schmelzer
geb. Dornblüth und eines zweiten Georg Friedrich.
An der Mauer liegt ein Rocaillepostament, das ehemals ein jetzt abgehauenes
Kruzifix trug; die rührende Inschrift lautet:
HIER UNDEN IN DEM GRAB
DA LIGT WAS ICH GELIEBET HAB
MEIN HOFNUNG TROST UND LEBEN
WO GOTT MIR HAT ZUR HILF GEGEBEN
LIGT JEZUND IN DER ERDEN
KANN ME'NER AUCH NICHT MEHR WERDEN
ZUM ZEICHEN MEINER TREY
SETZ ICH DAS CREIZ HERBEI
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
423
GOTT WOLLE DIE RUHE IM GEBEN UND AUCH DAS EWIG LEBEN
AMMEN
DEN 27 BRACHMONATH IST GOTTSELIG ENTSCHLAFEN DER
EHRSAME JOHANNES RITTER
GWESTER SCHARFRICHTER IN GENGENBACH
1767.
Die Eingänge des Friedhofes sind von Barockpfeilern flankiert, die bauchige Vasen
tragen.
An der Westmauer, außen auf hohem viereckigen Sockel mit Engelsköpfen und
Fruchtgehängen ein halblebensgroßer Kruzifixus von 1704.
Fig. 2JS- Grundriß des Rathauses in Gengenbach.
Östlich von dem Friedhof, am Wege zum Haigeracher Tor, eine Kapelle,1) Rund-
bogennische mit jetzt ganz neuem Gemälde und ebenfalls neuem Porträt des Cornelius
Eselsperger, an der Stelle von dessen angeblichem wundertätigen Sterben errichtet, sicht-
lich eine Erneuerung des 1 8. Jhs., bei der man am Sockel Reste des früheren Renaissance-
baues verwendet hat, nämlich einen Stein mit reichem Beschlägornament und einen mit
dem Wappen (Hand mit brennender Lampe und drei Sternen) sowie der Inschrift:
IN PASSIONIS DO
MINI PL MEMORIA
ERIGEBAT D • IOA K VN
PASTOR IN GENGEB •
SIC LVCEAT LVX VESTRA
neben dem Wappen :
16 — O 9.
In der Nähe Sandsteinkruzifix von 1734.
*) Abb. s. Schauinsland 22, S. 29.
Kruzifix
Band VII.
28
424
KREIS OFFENBURG.
Brückenkapelle
Einbethenkapelle
Baugeschichte
Noch eine abgebrochene Brückenkapelle ist zu verzeichnen, die einst die alte,
jetzt durch eine eiserne ersetzte Kinzigtalbrücke zierte. Sie ist in ihren Steinen noch voll-
ständig erhalten und wird hoffentlich wieder irgendwo aufgerichtet. Es war ein schlichter,
aber malerischer Bau; am Rundbogen der Nische das Stadtwappen; dieser Bogen
flankiert von ionischen Pilastern, die das verkröpfte Gebälk trugen, an dem die Jahres-
zahl 1703 sich befand.
Auf dem Bergle die schon erwähnte, in ihrer Gründung uralte Einbethenkapelle.
So, wie sie heute ist, verdankt sie im wesentlichen der Erneuerung unter Abt Placidus
Thalmann 1681 bis 1682 ihre Erscheinung.
Fig. 2JÖ. Rathaus in Gengenbach.
Aus den Protokollen wissen wir darüber,1) daß 1681 »statim post festa paschalia, incoeptum
est renovari sacellum s. s. Einbethae virginis et Perpetuae, Felicitatis, Martyrum in monte extra
oppidum Gengenbacense, dicto S. Einbethae vel Jacobi- oder Castellberg«. Das alte muß sehr zer-
stört gewesen sein, und der Abt erbittet sich und erhält vom Generalvikar die Erlaubnis : »partem
dimidiam cum duobus altaribus amovere et cum angustia loci frequentiam occurentium non capiat et
ab ingressu prohibeat, spatiosius reaedificare«. Denn es wird beschrieben als sehr dunkel im Lang-
haus, wegen der ganz kleinen Fenster, die unregelmäßig darin angebracht seien ; man möchte danach
an einen überarbeiteten romanischen Bau denken. Der Chor sei heller gewesen, weil er drei
moderne Fenster gehabt hätte. Ein Altar im Chor und einer vorn unter dem Triumphbogen werden
erwähnt. Einen Eingang habe die Kapelle gehabt, außerdem «loco fastigii seu, ut vocant, der Bohr-
küchen« ein «hypocaustum seu culinam quod sustentabatur a lignea columna, cuius pes erat lapideus,
3 autem plurium p;dum altus, in quo lapide olim a gentilitate collocatum statione simulachrum
Jovis etc.« Man wird wohl an einen heizbaren Raum denken müssen, etwa zur Erwärmung der
!) Z. NF. 8, S. 662 f.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
425
Wallfahrer ; loco fastigii läßt sich wohl nur als Empore denken, unter der diese Vorrichtung
angebracht war. Hier war also der alte Jupiterstein verwendet. Der Prior Ziegler war die Seele
des Neubaues, seine Brüder und Eltern mit unter den hauptsächlichsten Stiftern. Der Grundstein
wurde am 10. April 1681 gelegt. Schon nach dem Fest der h. Dreifaltigkeit konnte der Bau
unter Dach gebracht, seinen Dachreiter erhalten und mit drei Glocken ausgestattet werden. Den
Big. 237. Amtsschild der Bürgermeisterkette von Gengenbach.
6. September 1682 wurde er eingeweiht. Es war ein fast gänzlicher Neubau »praeter murum illum
ab altari b. Mariae virg. a cornu evangelii seu ad sinistram ingressus usque ad usque ad maiorem
portain huius sacelli«, aber auch diese Nordwand erhielt neue Fenster.
»Das Kapellein außerhalb des Kürchleinss hat in allem 15 fl. gekostet. Notandum quoque,
dass weyllen alle Fuohren undt Handtarbeit gratis undt in Frondienst geschehen, also hat man den
Fuohrleuten und Handarbeitern jedesmahl neben Biodt einen Trunckh gegeben; in allem beiläuffig
28*
426
KREIS OFFENBURG.
Big. 2jS. Bucheinband in Gengenbach, Rathaus.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
427
30 Ohm, der Ohm per 1 fl. 5 kr. gerechnet.« Auch die einzelnen Ausgaben für die große Kapelle
sind sorgfältig angegeben. »Summa summarum 1356 fl.« mit der ganzen Ausstattung.
Auch in der kleinen Kapelle durfte celebriert werden auf einem Tragaltar.
Nötig war nun noch ein Haus »pro aedituo« für den Mesner, und man kaufte dafür den
Jüngelschen Erben ein Häuschen vor Einach ab, das man auf das Bergle transportierte. Es ist
wohl das heute östlich der Kapelle stehende kleine, schlichte Haus.
Die Verwaltung der Kapelle blieb beim Prior des Klosters.1) 1717 ging der damalige Inhaber
dieses Amtes, Cölestin Weippert, den Dornblüth als recht guten Kerl, aber sehr einfachen Geistes
und wenig gebildet charakterisiert, daran, sieben kleine Stationskapellen auf dem Weg zur Einbethen-
kapelle zu erbauen, in der Hoffnung, daraus eine bedeutende Wallfahrt, wie in Harmersbach, zu
machen. Er baute auch eine Sakristei, stellte die Orgel auf »auf einem porticus«, schaffte ein Tabernakel
Z. NF. 8, S. 701.
. 240. Marktplatz in Gengenbach mit dem Brunnen.
428
KREIS OFFENBURG.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
429
an und ein silbernes Ciborium. Die Hoffnung
scheint aber nicht in Erfüllung gegangen zu sein,
und so waren die Kapellen dem Kloster eine
ewige Last. Immerhin scheint Dornblüth in
seinem Bericht den Plan zu geringschätzig zu
behandeln, denn daß man 1747 offenbar noch
die Außenkanzel errichtete, beweist doch, daß
die Wallfahrer nicht ganz fehlten. Von den zu-
letzt erwähnten Kapellen stehen noch zwei.
Der heutige Bau ist ein einschiffiges
Langhaus, an das in der gleichen Breite
der achteckig geschlossene Chor stößt,
um einige Stufen erhöht und durch einen
Rundbogen von jenem getrennt. Überall
die Rundbogenfenster des 18. Jhs. Von
dem Chor aus an der Nordwand der
Zugang zu der Außenkanzel. Diese,
in der beliebten bauchigen Form des
18. Jhs., zeigt an ihrer in das Kirchen-
innere führenden Tür neben dem Mono-
gramm Christi die Jahreszahl 1747. — An
der Nord wand ist ein Stein eingemauert
(nicht aber die Reste einer ganzen Tür)
mit der Jahreszahl
] 1 5 l } 9 l ,
die also auf eine Renovation des alten
Baues im 1 6. Jh. hinweist. Das Portal der
Westfassade, rundbogig, ist profiliert in
eckigen Stäben und Hohlkehlen, es läuft
unten in kleinen Voluten aus. Es weist
dasselbe Steinmetzzeichen auf wie der
Niklasturm und stammt jedenfalls aus
einer Bauzeit vor 1681, wurde also damals
hier wieder verwendet.
An älterer Ausstattung finden sich
zu beiden Seiten des neuen Hochaltar-
bildes die Holzstatuen des h. Rochus und
eines h. Bischofs in neuer Fassung, stark
bewegte Figuren vom Ende des 17. Jhs.
Am Triumphbogen holzgeschnitztes Abts-
wappen in Rollwerkschild von 1681 mit der
Umschrift: Placidus abbas hoc erexit sacel-
lum. Darunter hängt ein holzgeschnitztes
Kruzifix des 18. Jhs. — In der Sakristei
einige Meßgewänder mit eingewirkten Blumen der gleichen Zeit. Die Glocken nicht zugäng-
lich.— Die Kirche ist am Ende des 19. Jhs. renoviert worden, besonders die Westfassade.
Fig. 241. Brunnenfigur vom Marktbrunnen
in Gejigenbach.
Bau-
beschreibung
Außenkanzel
Ausstattung
43°
KREIS OFFENBURG.
Kapelle Nördlich der Kirche die erwähnte kleine, im Rundbogen sich öffnende Kapelle , an
der ältere Steine, vielleicht von der alten Einbethenkapelle, verwendet wurden. So am
linken Eingangspfosten zu unterst ein Stein mit einer jetzt auf dem Kopfe stehenden und
nur teilweise erhaltenen deutschen Inschrift des 16. Jhs., zu entziffern etwa:
JOö FfflfföGHEN-
HflU6E6 (qENqENBACM
1-50-
Fig. 242. Ehemaliges Pfaffsches Haus in Gengenbach.
511 vjjljr bei* bttt ^Mlbuiß
1111 crcutj CFjrijti
• • öotGtjaiifcG fcljalucu • • • •
3Carolt ^orbliauer mit • • •
• • 11a
^öftfjin (?) fehl ljauGfrolu •
• • • • 8 ilPR 9
(wohl 1609).
■OfrcTjEorg Ol^lc6er 'GO1*
•tyOoz B»o»r>i|?«>\uor7-
AMT OFFENBURG. — GEN GEN B ACH .
431
Darüber ein zweiter Stein verwendet mit reichem Beschlägomament etwa aus der
Zeit um 1600.
An der Hinterwand der Kapelle ein geringes Gemälde der Kreuzigung Christi.
Angebaut eine h. Grabkapelle, wie immer mit dem liegenden Leichnam Christi, holz-
geschnitzt. ’)
Etwas weiter unten am Berge eine der kleinen Kapellen, die Prior Weippert
errichtete; einfaches Bauwerk des 18. Jhs.
*) Baum garten meint in Schauinsland 22, S. 39, daß auf diese Figur die übliche Redensart
zurückgeht : der liegt do wie der Gengenbacher Heiland.
Big. 244. Galerie, Blumenbrett und Haustür gewiinde vom Pfaffschen Hause in Gengenbach.
432
KREIS OFFENBURG.
Das bedeutendste Profangebäude der Stadt ist sinngemäß das Rathaus. Es ist
nicht mehr das alte, in dem sich alle die geschilderten Kämpfe abspielten, sondern es
stammt aus den letzten Zeiten der Reichsunmittelbarkeit, von 1784, laut der Inschrift
auf dem Giebel, und ist von dem auf dem Friedhof bei der Leutkirche ruhenden Mitgliede
des Jungen Rats und Baumeister Victor Kraetz errichtet. Eine besondere Schwierigkeit
lag darin, daß nur etwa 17 m hinter dem Marktplatz, der wohl nicht verengert werden
durfte, sich die Klostermauer herzog, und daß es also galt, auf diesem engen Platz ein
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
433
in Grundriß wie Aufbau genügendes Gebäude zu errichten. Aus dem Grundriß in
Fig. 235 sehen wir, wie der Baumeister sich geholfen hat. Da die Nachbarhäuser direkt
anschlossen und das Terrain von der Seite aus verengerten, insbesondere nach der
Klostermauer zu, so bequemte er sich in glücklicher Weise der zu seiner Rückmauer
und Fassade schrägen Grenzlinie dieser Besitztümer an und gewann dadurch eine
imposantere Ausdehnung der Fassade, als bei gerader Führung möglich gewesen wäre.
Das Erdgeschoß behandelte er als
Sockel in Quadermanier lind öffnete
es in einer Halle mit Rundbogen auf
Pfeilern, die den Wartenden Schutz
bot, dem Markte zu. Durch das in
drei Bogen sich öffnende Mittelrisalit
betritt man das Vestibül, dessen gerade
Decke zwei Säulen tragen, und hat von
da einen hübschen Blick auf das im
Hintergrund in die Höhe führende
Treppenhaus. Zu beiden Seiten grup-
pieren sich dann die Geschäftsräume.
Die elffenstrige zweistöckige Fassade
wird von verdoppelten ionischen
Pilastern flankiert, die das verkröpfte
Gebälk und die Attika mit ovalen
Fensterchen tragen; die drei mittleren
Fenster sind durch zwei ionische
Pilaster zusammengefaßt und treten
als Risalit vor, über demselben ein
Dreieckgiebel, auf demselben die Ge-
stalten der Justitia und Prudentia, auf
dem First ein kräftig bewegter Adler
mit dem Fischwappen. Die Fenster
sind mit einfachem flachbogigen Giebel
überspannt, im Mittelrisalit in denen
des ersten Geschosses als Schlußsteine
Köpfe in Rocaillekartuschen, im zweiten
Geschoß ähnliche Kartuschen als Gir-
landen. Zu erwähnen sind noch die
schmiedeeisernen Gitterbrustwehren in
den unteren Hallenöffnungen, das Gitter der Treppe, sowie der Balkon, der dem ersten
Stock des Mittelrisalits vorgelegt ist, mit gutem schmideeisernen Rocaillegitter auf der
Bodenplatte, die von vier größeren mit Menschengesichtern und drei kleineren mit
Blattwerk verzierten Konsolen getragen wird.
Der Bau, aus verputztem Bruchsteinmauerwerk, Arkaden, Gewände etc. aus rotem
Sandstein, ist außerordentlich geschickt gestellt und wirkt als Ruhepunkt schon von ferne
im Straßenbild. Die geschickte Ausnutzung des schwierigen Platzes, die maßvolle Ver-
4 — h
+- 1— I-
~
=b=t
100 Centum? ter.
Fig. 24s • Detail von dem Pfaffschen Hause
in Gengenbach.
434
KREIS OKFENBURG.
Amtsschild
Blcitafel
teilung und Steigerung der architektonischen Motive, die guten Verhältnisse zeugen von
der bedeutenden künstlerischen Veranlagung seines Urhebers.
Im Rathaus wird aufbewahrt:
Der Brustschmuck der ehemaligen Bürgermeisterkette, Amtsschild (s. Fig. 237).
Das große schildförmige Stück, silbervergoldet, mit eingravierten Blumen geschmückt,
trägt in der Mitte, umgeben von zwei Engeln, Puttenkopf und Löwenkopf (getrieben), das
Wappen der Stadt, in silbernem Grunde eingraviert und emailliert den einköpfigen Adler,
Brustschild mit silbernem springenden Salmen in rotem Feld. Maskarons und Rollwerk,
Fig. 246. Holztür mit Oberlicht in Gengenbach.
sphinxartige Figuren endigend, in freier, gegossener Arbeit zieren das Hauptstück, über in
dem eine getriebene Kaiserkrone angebracht ist und das an schöner geriefelter und
punktierter Kette hängt, die in einem Anhängsel mit Puttenkopf endigt. Das Stück
ist Gengenbacher Arbeit, das Goldschmiedezeichen ein springender Salm (R Osen-
berg 712), zeigt im Wappen sowie auf der Rückseite die Jahreszahl 1618 und hat
damals offenbar einem der Stettmeister bei feierlichen Anlässen gedient.1)
Hier auch eine Bleitafel, die beim Bau der neuen Kinzigbrücke bezw. beim
bedauerlichen Abbruch der alten gefunden wurde und Bauzeit wie Baumeister angibt:
i) Ausstellung Karlsruhe 1881, Katalog Nr. 1118. Abgebildet in Ältere kunstgewerbliche
Arbeiten auf der Ausstellung Karlsruhe 1881.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
435
ANNO M • DCC • LXXVI • bcn IZl Augusti
IST DER ERSTE STEIN ZV DISEN PFEILER
VNTER A VFSICHT HEREN LORENTZ ZIMERMAN
ZWELFFERS VN D LÖHNERS UND HEREN
UICTOR KRATZ DES IVNGEN RATHS UND
BAVMEISTERS DAHER, GELEGT WORDEN
VORSITZENDE IM ALTEN RATH WAREN
HER IOSEPH ANTON SEGER REICHS
SCHULTHEIS
HERR IOHANN GEORG KREMPP
ST ET TM EI ST ER,
IN IUNGEN RATH
HERR IOHANN GEORG LEHMANN
STATTMEISTER.
Richtschwert, mit einfachem Homgriff, messingener Parierstange, breiter Klinge
mit undeutlicher Marke. In den oberen Teil der Klinge hübsches Rankemverk ein-
geätzt, dann folgt die Blutrinne, um die die Umschrift : Die hersen steüren Dem vnheil -
Ich exequire Ihr endts vrtheil Ao 1698. Auf der Rückseite : Wan Ich Daß Schwert
time Aufheben Wünsche Ich Dem Sünder Das ewige leben. Dann noch in Spuren
eine Hinrichtung eingraviert. Dazu erhalten die einfache lederne Scheide.
In der Registratur eiserne Truhen : eine mit spärlichem Rankenornament des 17. Jhs.,
die andere reich am Deckel und an den Seiten mit schmiedeeisernem Rankemverk, an
den Henkeln mit Maskarons geschmückt.
Ölgemälde auf Leinwand : Porträt des Cornelius Eselsperger, Ende 1 6. Jhs., sowie
drei Kaiserbilder des 18. Jhs.
Eine Anzahl guter Bucheinbände des 16. Jhs. in gepreßtem Schweinsleder; hervor-
zuheben :
1. ein Protokollbuch mit den Ratsprotokollen, ciselierten Messingbeschlägen, in
der Zierleiste Grotesken und in Medaillons die Köpfe des Erasmus, Hus,
Luther und Melanchthon; ein früher Einband also sorglos in der wieder katholisch
gewordenen Stadt verwendet; ’)
2. eines mit dem eingepreßten Bild der Caritas und reichem Bandgeschlinge sowie
wieder Medaillons in der Zierleiste (s. Fig. 238);
3. mit Wappen, Putten und Halbfiguren von Heiligen;
4. mit David auf der einen, Anbetung des Kindes auf der anderen Seite und den
Helden des Alten Testamentes;
5. von 1565 mit den Figuren der Tugenden, im einen Mittelstück das Jüngste
Gericht, im anderen Scene aus der Apokalypse;
6. mit Verkündigung, Anbetung der Könige, Schmerzensmann, barmherzigem
Samariter und Medaillons mit Köpfen in den Zierleisten;
7. mit dem segnenden Jesuskind, Halbfiguren von Propheten in den Zierleisten,
elegantem Rankenornament mit Wappen auf der Rückseite, von 1575;
*) Mittelstück abgebildet in Schauinsland 22, S. 36.
Richtschwert
Ölgemälde
Bucheinbände
436
KREIS OFFENBURG.
8. mit großen Halbfiguren der David, Paulus u. a. und Medaillons mit Gelehrten-
köpfen ;
9. mit den Bildern der Fortuna und Justitia sowie Rankenwerk, von 1579.
Fig. 2 47.
Tür am ehemals Iiineckschen Hause.
0
Ta r im (-joj dies l^'tneek's<k<
n g Tw
f U -ff .
*MI
■ ■ v.l \
Nur noch die Nummern 1, 2 und 8 sind vorhanden, die übrigen schon vor vielen
Jahren verloren gegangenen sind mir nur aus Photographien bekannt.
Im Rathaussaal zwei hübsche Louis XVI.- Konsolen mit Spiegeln.
Auf dem Speicher zwei zerrissene Gengenbacher Fahnen des 18. Jhs. Im Hof am
Hinterbau der Rest eines Steines eingemauert, an dem noch die Zahl 522 l und unten
ein Abtswappen zu erkennen ist.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
437
Am Marktplatz noch die sogen. Gewerbehalle, Mansardenhaus mit einfachen Gewerbehalle
Fenstern des 18. Jhs. ; in dieser Zeit ist das Haus offenbar, so wie es jetzt ist, her-
gestellt worden, auf älterer Grundlage, von der noch das Renaissanceportal (s. Fig. 239) Renaissance-
herrührt. Dorische Säulen auf hohen Basen vor quaderartig behandelten Pilastern
tragen das verkröpfte Gesims. Darüber der Aufsatz mit Beschlägornament, Löwen-
köpfen, dem Stadtwappen und endlich der flache Giebel mit der Jahreszahl 1696, die
mir etwas spät für die Formen des Tores vorkommt. Das Innere des Hauses ohne
Bedeutung.
Hier auf dem Marktplatz dann auch der Brunnen (s. Fig. 240). Ein achteckiges
Bassin mit eckigen Voluten an den Ecken und der Jahreszahl 1718 in der einen Füllung,
Fig. 24S. S/raße in Gengenbach (nach einer Federzeichnung K. Weyßers).
daraus wächst der Brunnenstock hervor, zunächst auf einem achteckigen Postament der
gleichen Zeit, dann folgt die mehrfach geteilte und geschwellte Renaissancebalustersäule,
unten mit Akanthusblättern verziert, am Mittelstück mit Früchten, zwischen denen die
vier Maskarons, aus deren Rund die Röhren hervorgehen, darauf dann das Komposit-
kapitell und endlich der Ritter mit dem Panzer über der spanischen Tracht und dem
Schild mit dem Gengenbacher Wappen, einen ergänzten Speer in der Hand (nach
älteren Angaben eine Rolle), und an der Fußplatte die Jahreszahl 1582 (s. Fig. 241). —
Der Brunnen ist offenbar in der Franzosenzeit zerstört worden, 1718 hat man ihn wieder
aufgerichtet, fand aber nur die Balustersäule und den Ritter verwendbar, während man
das Bassin ganz erneuerte. Auch die Röhren mit ihren schön geformten Stützen stammen
wohl aus dieser Zeit.
438
KREIS OFFENBURG.
Uber die Bedeutung derartiger, oft auf Marktbrunnen wiederkehrender Figuren
ist vielfach gestritten worden.1) Irgendwie sollen sie offenbar die Marktgerechtigkeit
der betreffenden Stadt andeuten; die Gengenbacher Figur — selbstverständlich nicht
' - 'f (
Pig . 24g. Fachwerkhaus auf dem Gänsebühl Nr. / in Gengenbach.
Karl V vorstellend — scheint ziemlich deutlich auf die Reichsunmittelbarkeit der Stadt
und, wenn die Ergänzung mit der Rolle richtig ist, auf ihre Privilegien anzuspielen.
~ l) siehe E. Wagner, Die Statue des Markgrafen Karl II. in Durlach. Z. NF. 17, S. 123.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
439
Aus diesem Sinne versteht es sich auch, daß man die alte Figur sorgfältig wieder auf-
richtete. (Das Ganze aus rotem Sandstein gefertigt.)
Von Privathäusem sind zu erwähnen:
Das Pfaffsche Haus (Nr. 97), das leider in den letzten Jahren einem Umbau unter-
zogen werden mußte. Es bestand aus zwei Teilen (s. Fig. 242). Der vortretende, aus
Bruchsteinmauerwerk — Gewände und Quaderbekleidung der Ecken Sandstein — , war mit
Fig. 249 a. Fachwerkhaus auf dem Gänsebühl Nr. 1 in Gengenbach.
einem wirkungsvollen Volutengiebel des 17. Jhs. abgeschlossen, an dessen Ecken Obelisken
aufgesetzt waren. Die Fenstergewände der beiden oberen Geschosse waren und sind mit
flachen Dreieckgiebeln gedeckt. Im Erdgeschoß ein Türvorbau (s. Fig. 243), dorische
Säulen auf hohen diamantierten Postamenten tragen ein weit vorkragendes Gesims mit
der Jahreszahl 1699, auf ihm das kupferne Walmdach. Entsprechende Säulen flankieren
das Portal, über ihrem Gesims schmiedeeisernes Oberlicht. Treppen führen von beiden
Seiten zu dem Vorbau in die Höhe. Die Türe ist unten mit rautenförmigen Gebilden,
oben in zwei Feldern geschnitzt. Der Giebel und die Fensterbehandlung legen den
Privathäuser
Band VII.
29
44°
KREIS OFFENBURG.
Gedanken nahe, daß ein Plan des Vorarlberger Meisters Beer, der damals gerade an
dem Klosterbau arbeitete, vorlag. Dieser Teil ist ziemlich intakt erhalten.
Dieser Giebel legte sich dem Satteldach des ganzen Hauses vor, das mit der Trauf-
rinne nach der Straße stand und vielleicht etwas älter als der vorspringende Teil ist.
Der zurücktretende Teil war ein außerordentlich reizender Fachwerkbau, das erste
vorkragende Stockwerk hatte ein wirkungsvoll in runden Zacken geschnitztes Blumenbrett
(s. Fig. 244). Darüber sprang im zweiten Stock eine Galerie vor mit Balustersäulchen und
originell ausgebildeter Stütze mit Unterzugshölzem, welche das Dach trugen (s. Fig. 245).
In das Erdgeschoß führte eine spitzbogige Tür, Sandstein, das Gewände abgetreppt, mit
Hohlkehlen und Wülsten und interessantem Ablauf. Von diesem Haus konnten ziemliche
Reste am Neubau, die Balustergalerie am Haigeracher Tor-Turm verwendet werden.
Ähnliche Behandlung des Holzwerkes wie an diesem Haus zeigt die Tür von Höll-
gasse Nr. 6 mit Balustersäulchen im Oberlicht (s. Fig. 246).
Das Löwenbergsche Haus Nr. 16 der Hauptstraße, noch heute der Familie gehörig,
ein Bau des 18. Jhs. mit Mansardendach, weist ein Löwenbergsches Wappen auf mit
fünfzackiger Krone, geviertetem Schild.
Das Wappen ist von steigenden Löwen mit Schwertern und von Trophäen
umgeben.
Am Haus Nr. 6 (ehemals Rinecksches Haus) in der Hauptstraße die Jahreszahl 1770
in Rocaillekartusche, darüber Wappen, zwei Lilien in Rot, Adler in Gold. Am Plinter-
gebäude teilweise zerstörtes Türgewände mit abgefaster Kante, Hohlkehle, Rosetten, am
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
441
flachbogigen Sturz ein Schild und 1690; dazu die in originellem Gitterwerk geschnitzte
Holztür (s. Fig. 247).
Hauptstraße Nr. 35, gut wirkendes Haus des späten 18. Jhs., Sandstein, vierfenstrig,
zweistöckig, mit Mansardendach, rustizierten Eckpilastern, Fenstergewände mit Girlanden,
Triglyphen etc.
Gasthaus und Brauerei »Zum Salmen« : 18. Jh., zweigestuftes Mansardendach, Tür
mit Pilastern, verkröpftem Gebälk und eckigem Volutengiebel.
Fig. 252. Giebel eitles Fachwerkhauses im Oberdorf (Nr. 12) zu Geugenbach.
( Nach einer Federzeichnung K. Weyß er s.)
Am Hause Nr. 100 (Herrn. Wölffle) ein Sandstein eingemauert mit der Zahl
* tccc * LXXVj.
In einer Seitenstraße das Stammhaus Scheffels mit barockem steinernen Treppen-
aufgang.
Vor allem aber besitzt Gengenbach noch eine große Fülle höchst malerischer und
in einzelnen Motiven sehr interessanter älterer Fachwerkhäuser mit Holzgalerien, vor-
gekragten Stockwerken, Fenstererkern mit Schutzdächern über den Fenstern, glücklicher-
weise nur zum Teil bis jetzt verputzt. Hervorgehoben sei u. a. das Haus auf dem
Gänsebühl (s. Fig. 249 u. 249a) mit der Jahreszahl 1747 und A M an seiner Holztüre;
29*
442
KREIS OFFENBURG.
ferner das leider sehr verwahrloste, ganz hervorragende Haus Nr. 6 der Höllgasse mit
dem obenerwähnten Oberlicht. Des weiteren zu nennen die Häuser Engelgasse Nr. i,
6, 7, 8, 9 von 1691, Nr. 23, 24, 28, sowie die leider verputzten Nr. 4, 12 und 13.
TöR-
Fig. 233. Fachwerkgiebel von den Häusern Nr. 13 und Nr. 14 im Oberdorf zu Gengenbach.
Ganz besonders reich an solchen Häusern ist die Engelgasse, von der Fig. 250 nach
einem Aquarell eine Vorstellung gibt. Ein zum Teil leider überputztes Fachwerkhaus
mit vorkragender Galerie und guten Stützhölzem des Daches steht an der Hauptstraße
Nr. 34 (s. Fig. 251), leider hat es wieder in neuester Zeit eine eingreifende bauliche Ver-
änderung erfahren.
Fig. 2g o. Ansicht der Engelgasse in Gengenbach.
Band VII. Zu Seite 442.
AMT OFFENBURG. — GENGENBACH.
443
Auch das vor dem Haigeracher Tor sich erstreckende Oberdorf — schon 1397
wird eine »muly gelegen in dem dorfife« erwähnt, 1571 Oberndorff — birgt noch eine
Fülle des Interessanten. Ich führe die Häuser Nr. 3, 10 (leider verputzt), 14, 15, 21,
24, 25 (verputzt), 26, 28, 35, 36, 38 (verputzt) und 39, 41, 43, 46, 47, 68 (verputzt),
Nr. 71 von 1794, Nr. 77, 78, 79, 173 an sowie Nr. 12 mit vorkragender Baluster-
galerie. Letzteres benötigte dringend einer Wiederherstellung in seiner alten Form.
Ganz besonders sind hier die Giebel bemerkenswert (s. Fig. 252 u. 253).
Zu erwähnen sind noch eine Anzahl schmiedeeiserne Wirtshausschilde des 18. Ths., Schmiedeeiserne
J Wirtshausschilde
so am »Schwarzen Adler« (erneuert), ehemals am Gasthaus »Zur Sonne«, am ehemaligen
Gasthaus »Zur Blume«, ein reicheres am Gasthaus »Zum Engel«, an der Hauptstraße
Nr. 155 ein Schild mit Schlüssel als Zeichen eines Schlossers?
Am Ausgange der Stadt und der Vorstadt Leutkirch das Spital, ein guter, ein- Spital
facher Bau des 18. Jhs., zweistöckig, die Türe, zu der eine siebenstufige Treppe führt, von
Pilastern flankiert, die mit Bandomament geziert sind und gebrochenen, runden Giebel
tragen, in dem das Wappen der Reichsstadt und die Umschrift:
Be?ilgnltas gengeba Censls
PaVperlbVs
XenoDoChlVM eXstrVXIt
(also 1756).
In der Nähe ein Bildstock: die übliche Ädicula auf achteckigem Sockel mit
Volutenendigung, auf dem steht (in Kapitale):
Gott mit unß
Was die Ur- Ur Eiteren
errichtet der Ur groß
Vatter Georg den 12 Manij 18
erneuert ist von dem Ur
enkel Blasio Columbano
freuherrn von Bender
kayße: königl: General
Feldmareschall Lieut.
Obersten eines Infanterie
Regmts und Coihendanten
der haubt festung
Ollmütz den iß Sept: 1784.
als erin. seiner geliebten
Vatterstadt wäre
wiederum renovieret
worden.
Unten an der Seite des Sockels steht: 1618 den 12 may Gott zu ehm ward
ernewret durch Georg Bender. — Der hier sich nennende Blasius Columban ist nicht
nur dem Lokalruhm nach, sondern auch in Wirklichkeit ein in seiner Zeit berühmter
Offizier gewesen. 1713 geboren, machte er 1733 unter dem Prinzen Eugen den Türken-
krieg mit, überall durch Bravour hervorragend, wurde in weiteren Feldzügen bei Moll-
444
KREIS OFFENBURG.
Löwenbergscher
Park
und Pavillon
Statuen und
Bildstöcke
witz, Prag etc. schwer verwundet. 1785 zum Kommandant von Luxemburg ernannt,
wußte er dasselbe bei dem Aufstande der Niederlande infolge der Josefinischen Politik
in Ruhe zu halten, mit der Heeresführung betraut, unterwarf er die Niederlande und
hielt 1790 seinen Einzug in Brüssel. 1798 starb er.
Ein weiteres Bildstöckchen in ähnlicher Form trägt die Jahreszahl 1618. ])
Weiterhin an der Offenburger Straße der Park der Freiherren von Löwenberg, ein
Rest jener entzückenden Parkanlagen des 18. (und 19.) Jhs., die in ihrer Verlassenheit und
träumerischen Einsamkeit alle Poesie desselben aufleben lassen. Der heutige Garten ist
Fig. 254. Löwenbergscher Pavillon in Gengenbach.
ziemlich frei angelegt, in demselben vier Statuen der Götter Mars, Venus, Neptun und
Minerva, ein großes Bassin mit Schilfrosen und dahinter ein Pavillon (s. Fig. 254), dessen
Grundriß sich in konkaven und konvexen Linien bewegt (Bruchsteinmauerwerk mit
Hausteingewänden). Mit diesem anmutenden Bilde schließt die ältere Baugeschichte
Gengenbachs.
An der Straße nach Fußbach-Biberach ein Kruzifix auf Volutensockel von 1753;
weiterhin auf ähnlichem Sockel mit Rocailleornamenten eine Statue der Immakulata,
noch teilweise in alter Bemalung, am Sockel steht:
*) Abgebildet in Schauinsland 22, S. 38.
AMT OFFENBURG. — GRIESHEIM.
445
aVe
VIrgo Mater DeI
sIne Labe ConCepta (1763).
Weiterhin Bildstöcke von 1742, 1778 und 1798.
Grenzsteine aus Gengenbach in der Karlsruher Sammlung unter Nr. 6402 und 6403.
GRIESHEIM
Schreibweisen: villa Creuhesheim 828; Grieshein 1242; Griesheim 1284; Grieß-
heim 14. Jh. etc. (Heim im Gries Niederwald.)
Ortsgeschichte: Der Ort, schon früh genannt, ja, wie es scheinen möchte, schon in
vorgeschichtlicher Zeit eine Ansiedelung, gehörte zur Landvogtei Ortenau und bildete
mit Windschläg, Ebersweier, Rammersweier, Bohlsbach, Bühl, Waltersweier, Weier und
dem ausgegangenen Schweighausen eines der vier Landgerichte der Ortenau. Aller-
heiligen erwarb 1284 den Zehnt von Schidelin von Staufenberg. ]) Ursprünglich gehörte
die Griesheimer Mark zur Markgenossenschaft Offenburg und war somit auch berechtigt
im großen Gotteshauswalde des Klosters Gengenbach; später wurde die Griesheimer
Mark abgesondert. 1621 erhielt Griesheim zu dem Jahrmarkt noch einen Wochenmarkt.
Nachdem es die wechselnden Schicksale der Landvogtei Ortenau mitgemacht hatte,
wurde es 1805 badisch. (Wth.)
Vorgeschichtliches : Die städtische Sammlung in Offenburg besitzt einen im dortigen
Gemeindewald (westlich vom Ort) in einer Lehmgrube entdeckten Bronzedepot-
fund, bestehend aus acht Bronzebeilen der frühen Bronzezeit mit aufgeworfenen
seitlichen Rändern (Länge der Stücke 14 — 15 cm). ( W.)
Kirche (ad S. Nicolaum Ep.). Vor 1481 scheinen wir nichts von ihr zu hören.
Damals aber schenken Anna von Ramstein, »relicta quondam Wilhelmi Landegk schulteti,
dum vixit, opidi Gengenbach«, und ihr Bruder Bernhard dem Abt und Kloster Gengen-
bach das Patronatsrecht der Pfarrkirche »ecclesie parrochialis ville Grießheym«. Noch
1666 hören wir daher, daß collator et decimator der abbas Gengenbacensis sei, auch
hier der ecclesiae parrochialis. Nach anderen Nachrichten soll Griesheim keine Pfarrei,
sondern Filiale von Offenburg gewesen und erst 1670 zur Pfarrei erhoben worden sein.
Auch Kolb redet davon, daß erst neuerdings ein Pfarrer gesetzt worden sei. — 1347
lernen wir einen »Nicolaus Dunre rector« kennen, 1527 einen Johannes Hoffmeister
»sancti Thome Argentinensis canonicus atque perpetuus vicarius ecclesie parrochialis in
Grießheim dicte diocesis«.
Die heutige Kirche birgt in Chor und Sakristei ältere Reste, auch die Fenster des
Langhauses verraten ursprünglich gotische Form, die Kirche wird also in den Franzosen-
kriegen zerstört worden sein, wobei das Langhaus besonders litt, von ihm blieben wohl
nur die Mauern in etwa 3 — 4 m Höhe mit den Fensteranfangen stehen. Das heutige,
einschiffige, flachgedeckte Langhaus mit Westempore und rundbogigen Fenstern stammt
aus der Mitte des 18. Jhs. An der Decke, den Türen und den Fenstern zeigt es reiche
Stückarbeiten im Rokokostil. An der Decke großes Gemälde der Himmelfahrt Mariä.
Grenzsteine
Ortsgeschichte
Vorgeschicht-
liches
Kirche
Stuckdekoration
Gemälde
*) Großh. Baden S. 834.
446
KREIS OFFENBURG.
Außeres
Turm
Innenausstattung
Kirchengeräte
Glocken
Der quadratische Chor, der zugleich Erdgeschoß des Turmes ist, dürfte unter der
Rocaillestuckdekoration noch sein gotisches Kreuzrippengewölbe besitzen (?). Sein Ost-
fenster ist spitzbogig mit Fischblasenmaßwerk. In der Nordwand des Chors fuhrt eine
Tür in flachem Rundbogen, das Gewände mit Hohlkehlen und sich schneidendem Stab-
werk, in die Sakristei. Weiter an der Nordwand eine kleine, im Kielbogen geschlossene
Nische zum Abstellen der Geräte. Die an der Nordseite angebaute Sakristei besitzt im
Erdgeschoß ein doppeltes Kreuzgewölbe mit Rippen in der trockenen Profilierung der
Spätzeit. Ihr Obergeschoß ist erst später gebaut, wie die durchgehende Wasserschräge
des Turmes beweist.
Das Außere — errichtet ist die Kirche aus Bruchsteinmauerwerk, Gewände etc.
aus rotem Sandstein — ist ganz schlicht. Am Westportal die Jahreszahl 1749, also die
Zeit der Erneuerung. Der Turm, zugleich Chor, steigt in drei Geschossen auf, die
durch eine Wasserschräge voneinander getrennt sind. In seinem Erdgeschoß das
erwähnte Fenster, im obersten Stock nach allen vier Seiten je ein Spitzbogenfenster mit
Maßwerk.
Innenausstattung: Stattlicher Hochaltar in dem üblichen barocken Aufbau von
Säulen, gebrochenen Giebeln mit den Stuckfiguren der Heiligen Rochus und Sebastian.
Er umschließt ein Gemälde der Himmelfahrt des h. Nikolaus. Im gleichen Stil, ein-
facher, an den Seiten der Marien- und der Wendelinsaltar. Kanzel wohl aus den ersten
Jahren des 19. Jhs., ebenso der Taufstein. Ein Beichtstuhl in der geschweiften Grund-
form des 18. Jhs. An dem Triumphbogen das baden-badische Wappen (infolge der
Verpfändung der Landvogtei) in großer Rocaillestuckkartusche.
In der Sakristei : Kelch, silbergetrieben, vergoldet, mit Bandornamenten, Engels-
köpfen am Fuß und je drei Emailmedaillons am Fuß und an der Cuppa, in einem ein
mir unbekanntes Allianzwappen: Pfeil mit Schlange in Blau (Merkurstab?); Zeichen, etwa
drei schwarze zusammenstoßende Kreuze in Gelb ; Augsburger Zeichen und q ^ g-
Sonnenmonstranz, silbervergoldet, getrieben, 18. Jh.; sechs einfache Messingleuchter
in den schweren Formen der Renaissance.
Gestickter Rauchmantel des 18. Jhs. ; weißes und blaues Velum mit Hochstickerei
der gleichen Zeit.
Vier Glocken ; an der einen steht:
1. ANNO 1766 HAT DIE GEMEINDT GRIESHEIM DIE GLOCK
GIESSEN LASSEN
MATTHAEUS EDEL ZU STRASSBURG GOS MICH,
aufgelötet ein Kruzifix mit Maria und Johannes sowie ein h. Nikolaus ;
2. dieselbe Inschrift;
3. DOMINE IESU CHRISTE A FULGURE LIBERA NOS,
Bild des h. Nikolaus mit Umschrift: DIVO NICOLAS HUIUS TEMPLI
PATRONO
und
MATTHAEUS EDEL ZU STRASSBURG GOS MICH 1719;
4. MATTHAEUS EDEL ZU STRASSBURG GOS MICH 17^2
und Kruzifix mit Maria und Johannes.
AMT OFFENBURG. — HOFWEIER.
447
Um die Kirche alte Friedhofsmauer , am Westeingang der Kirche Sandsteinstatue : Friedhof
halblebensgroßer Ecce-Homo auf Rocaillepostament, renoviert 1830; an der Ostseite
Kruzifix mit Maria, etwa von 1760; an der Friedhofsmauer einige Grabmäler des
18. Jhs.
Im Ort bemerkenswert außer einigen Riegelhäusem ein Ziehbrunnen mit der Ziehbrunnen
Jahreszahl 1776 in Rocaillekartusche ; der Querbalken reich mit Ranken und Sternen
verziert.
HOFWEIER
Schreibweisen: Hovewilr 1123; bann 1395; Hovewilre 1207; dorf 1312; Hof-
wilr 1300; Hofweyr 1504 etc.
Archivalien: der Röder von Diersburg, Mitteil. d. hist. Komm. Nr. 16 (1894), S. 84.
Literatur: Ruppert, Mortenau I, S. 289 — 297.
Ortsgeschichte : Hofweier war offenbar eine ziemlich alte Ansiedelung, wie es Ortsgeschichte
scheinen möchte, bereits in römischen Zeiten (s. unten). Im hohen Mittelalter gehörte
es in die Herrschaft Tiersperg. Mit dem Aussterben der Tiersberger ging es in fremde
Hände über ; die Güter kamen durch Heirat der letzten Erbtochter an Wilhelm
von Schwarzenberg und auf dem weiteren Erbweg (s. Diersburg) an Boemund von Etten-
dorf und Hans Hummel von Staufenberg. Dessen Frau, eben eine geborene Schwarzen-
berg, verkaufte an die Verwandten ihres Mannes Burkard und Wilhelm Hummel u. a.
auch ihre hiesigen Güter. Als Burkard mit seines Bruders Sohn Hans den Anteil
an der Diersburg und den Besitzungen teilte, wurde es ihm, scheint’s, auf der Burg zu
eng und er erbaute sich einen Wohnsitz in Hofweier, wohl eine Tiefburg; 1438 bewidmete
er seine Frau Else: »uff sine bürg, burgstall, Wassergraben etc. zu Hofewiler«. Schon
1441 aber verkauften die beiden ihren Anteil am Schloß an die Pfalz, nach den damaligen
Angaben lag es wahrscheinlich an der Stelle, wo jetzt die Kirche steht. Kolb spricht
noch von einer zweiten Burg, der »Bintzburg«, die aber Ruppert mit dieser für
identisch hält. 1461 verkaufte Pfalzgraf Friedrich den pfälzischen Anteil an Albrecht
Wolf von Offenburg, der sich von da an nach Hofweiler nannte. Die andere Hälfte
wurde an Bernhard von Bach verkauft, und infolgedessen kam es dann zu einem Prozeß
zwischen den Bachs und den Erben des Albrecht Wolf, den Schauenburgs; endlich besaß
es Jörg von Bach und nach ihm seine Erben, die Dalberg und Cronenburg. Nach dem
Schlößchen hieß die Besitzung im 17. Jh. die »Freiherrlich von Dalbergische Herrschaft
Bintzburg«. In weiterem Verfolg kam es an die Frankenstein, deren ritterschaftliche
Besitzung es bis 1806 blieb, wo es badisch wurde.
Eine Familie von Hofweier kommt schon im Anfang des 12. Jhs. vor; ca. 1101
hören wir von Sigeboto de Hoviwilar; die Mitglieder des Geschlechts waren Lehens-
mannen und erloschen um 1400.
V erschiedene Klöster und Geschlechter waren hier begütert. Wir hören 1323 von
der curia prepositi et conventus ac monasterii in kniebuhs sita zu Hofewiler, »daneben
erscheint im 15. und 16. Jh. ein Hof der von Neuenstein, der von Brombach, der von
Schauenburg und des Nonnenklosters S. Marx zu Straßburg«.1)
^Ruppert a. a. O. S. 297.
448
KREIS OFFENBURG.
Römische Funde: Münze des Severus Alexander. Mauerwerk in den Wiesen in
der Nähe des Bahnhäuschens gegen Höfen; es soll dort ein Schloß gestanden haben;
in der Nähe führt die römische Straße Höfen-Hofweier vorbei.1)
Kath. Pfarrkirche Kath. Pfarrkirche (ad S. Gallum). Die »Kilche« erwähnt 1312, parrochialis
ecclesia 1385. Das Patronat gehörte zu dem Schlosse Tiersberg, ging daher nach dem
Aussterben der Dynasten an ihre Erben, die Schwarzenberg, über, dann an die Hummel
von Staufenberg, von diesen durch Kauf an Baden und endlich durch Pfandlehnschaft
an die Röder von Diersburg. Der heutige Bau, sehr malerisch in der Höhe gelegen,
stammt aus dem J. 1763, er ist aus Bruchsteinen mit Verputz und Sandsteingewänden
errichtet. Der Grundriß zeigt (s. Fig. 255) einen originellen Anschluß des quadratischen,
in seinen Grundmauern wohl älteren Turmes an den Chorachteckschluß, ebenfalls originell
die Angliederung der Sakristei.
Langhaus und Chor haben Rundbogenfenster, sie sind am Äußern durch Lisenen
gegliedert, ebenso die Fassade mit verkröpftem Gebälk. Das Portal wird von einem
Fig. 255. Grundriß der kath. Kirche in Hofweier.
gebrochenen Volutengiebel bekrönt, über ihm in Nische die Figur des h. Gallus; hier
auch die Jahreszahl 1763.
Im Chor der Kirche noch ein Überrest des älteren Baues, ein Sakramentshäuschen,
in spitzem Kleeblattbogen geschlossen, mit gotischem Durchsteckgitter; eingehauen die
Jahreszahl: mCCCCfallll, und weiter oben: »Renov. 1763«.
Innenausstattung Im Chor der stattliche barocke Säulenaltar, zwei entsprechende Seitenaltäre, alle
aus Stucco lustrato ; durch die in geschwungenem Grundriß angelegte Treppe, an welche
die Kanzeltreppe anschließt, mit der Kanzel zu einem Ganzen verbunden. An dieser
geschnitzte Rocailleornamente und das Wappen der Patronatsherren, der Röder von
Diersburg.
Ein Taufstein mit Beschlägornament, teilweise noch erhaltener Bemalung von 1671.
Orgel in dem gleichen Stil wie die Kanzel geschnitzt.
An der Nordwand schmerzhafte Mutter Gottes, Holzfigur vom Ende des 16. Jhs.
Deckengemälde An dem Spiegelgewölbe des Langhauses großes Deckengemälde der Verleihung
der Schlüsselgewalt, gestiftet von Josef Schmautz Rector, ? fecit 1764. Am Ende
des 19. Jhs. restauriert. In Jen Kappen die Heiligen Amatus und Justina sowie acht
x) Krieger I, S. 1008.
AMT OFFENBURG. — MARLEN (GOLDSCHEUER, KITTERSBURG).
449
auf das Vaterunser bezügliche Bilder. Im Chor Pauli Bekehrung, gestiftet von Franz
und Georg Neff, in den Kappen sechs auf die großen Feste bezügliche Bilder. Alles
tüchtige Durchschnittsleistungen um 1764.
Bei der Kirche Kruzifix, am Stamm halten zwei Engel den siebenquastigen Hut, Statuen
das Zeichen der Würde des Stifters, des »Philippus Jacobus Schmautz Sacro sanctae
Theologiae Doctor Protonotarius Apost. Rector hic«, der dies Kreuz sich und seinen
Eltern zum Andenken stiftete. Er war geboren 1683 und ist 1752 Archipresbiter
geworden, seine Mutter Anna Maria Gustenhofferin, geb. 1647, starb 1723, sein Vater
Johannes »Tribunus plebis ex Offenburg«, geb. 1653, starb 1742. Am Aufgang zur
Kirche überlebensgroße Statue der Immaculata Conceptio, gestiftet von Michael Rottenecker
und Magdalena geb. Holzenthaler, Durchschnittsarbeit aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs.
— Im Ort h. Nepomuk von 1777.
MARLEN
(mit GOLDSCHEUER und KITTERSBURG)
Schreibweisen: Marheim 1282; Marnheim 1424; Marie 1446. (Heim des Maro.)
Ortsgeschichte : Nach der Sage, die den Namen als »maris legio« erklärt, wäre Ortsgeschichte
der Ort in römischer Zeit gegründet worden. Römische Münzen von Vespasian bis
Constans sind hier gefunden worden, was vielleicht Anlaß zu der Sage gab. Im Zusammen-
hang damit bei Kolb die durchaus unkontrollierbare Angabe von einem herrschaftlichen
Schloß aus ältesten Zeiten, das entweder römischen oder fränkischen Ursprunges war.
Offenbar stand aber schon zu seiner Zeit nichts mehr davon. Die erste geschichtliche
Erwähnung (s. oben) 1282. Der Ort gehörte zur Landvogtei Ortenau, in den Franzosen-
kriegen wurde er 1677 abgebrannt. 1805 wurde er badisch. Auch die drei Straßburger
Höfe, von denen der Spitalhof dem Deutschen Haus, der Roggenhof der Münsterfabrik
und der Margaretenhof dem Margaretenkloster gehörte, kamen an Baden. — Aus dem
13. Jh. hören wir noch, daß Walter von Klingen und seine Frau Sophie hier begütert
waren und 1283 ihren Besitz zu Hundsfeld, »Marheim und Küttersburg«, an den Ritter
Sigmund Hogmesser (Haumesser) verkauften. 1387 verkauften Claus Nope und seine
Ehefrau Metze von Kungesheim die Dörfer Marnheim und Küttersburg, also wohl ihre
Güter dort, an Klaus Bock und Peter Museier um 1500 Pfund.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Arbogastum). 1666 hören wir von der parrochia in Kath. Pfarrkirche
Marlen, cujus patronus s. Udalricus. Hier liegt aber eine Verwechslung mit Müllen vor.1)
Der heutige Bau stammt aus dem 18. Jh. Der Turm ist später erneuert worden.
Einschiffiges Langhaus mit Empore und aus dem Achteck geschlossener Chor. Hoch-
altar und zwei Seitenaltäre in dem üblichen Barockaufbau, ebensolche Kanzel. Im
Chor noch zwei Gemälde, der h. Ignaz einen Mohren taufend und der h. Aloisius
Gonzaga, Durchschnittsarbeiten des 18. Jhs. in Goldrahmen. Am Triumphbogen Kruzifix
mit Maria und Johannes auf den Seiten, bemalter Stuck, 18. Jh.
An der Südwand außen Sonnenuhr von 1769. Auf dem Kirchenspeicher geschnitztes
Kruzifix.
x) FDA. NF. IV, S. 312.
45°
KREIS OFFENBURG.
Statue
Friedhof
Kruzifixe
Ortsgeschichte
Kruzifix
Kapelle
Kelch
Kruzifixe
Ortsgeschichte
Vor der Kirche Statue des h. Joh. Nepomuk auf geschwungenem Sockel, worauf
steht: Dive Joannes Nepomucene turbae ex assetuae ferventia respice vota.
Auf dem alten Friedhof ein Kruzifix von 1722; Grabsteine, auf einem hält der
Tod die Tafel mit der verwischten Schrift.
An der Straße nach Kehl Kruzifix (Sandstein), auf üblichem Rocaillesockel,
von 1773.
GOLDSCHEUER
Schreibweisen: Goldscheuren 16. Jh., etc.
Ortsgeschichte : Der Ort gehörte wie Marlen zur Landvogtei Ortenau, hatte mit
demselben die gleichen Schicksale und wurde 1805 badisch. 1457 verkauft »Nicolaus
de Berse civis Argentinensis« dem Pfalzgrafen Friedrich »ein ahtenteyl an Marnheim,
Küterspurg und Goldschüre mit twingen, bennen und aller zügehorde«.
Auf der Straße nach Marlen Sandsteinkruzifix von 1773.
KITTERSBURG
Schreibweisen: Kiitersburg 1282; Küterschburg 1283; Kütersburg parrochie Marn-
heim 1452.
Der Ort hatte dieselben Schicksale wie Marlen, er gehörte zur Landvogtei Ortenau
und wurde 1805 badisch.
Kapelle (ad S. Mariam Magdalenam), Filiale von Marlen. !) Riegelbau mit schlichter
Holzdecke, aus dem Achteck geschlossen. Ölgemälde der Heiligen Petrus und Magdalena.
— Kelch , silbergetrieben, vergoldet, im Stil Louis XVI., Ende 18. Jhs.
Vor der Kapelle Kruzifix auf Rocaillesockel, ca. 1760.
Am Ausgang nach Offenburg Kruzifix mit Maria am Kreuzesstamm, von 1774.
MÜLLEN
Schreibweisen: Mulnheim 1139; Mülnheim 1356; Millenheim 1368; dorf Mül-
heim 1550.
Ortsgeschichte: Einstmals zur Herrschaft Geroldseck gehörig, kam es im 14. Jh.
an einige Bürger in Straßburg, im 15. Jh. durch Kauf an die Pfalz. Als Wolfgang I.
von Fürstenberg die Landvogtei Ortenau in Pfandschaft bekam, kaufte er das Dorf als
besonderes Gut 1505 von Ulrich Putsch, dem Kammerdiener Maximilians I., dem es
dieser geschenkt hatte; bei der Auslösung der Landvogtei zog es Ferdinand I. als öster-
reichisches Gut an sich. 1586 kam es als Pfandschaft an den ortenbergischen Amtmann
Beer, dann an die Schauenburg, endlich an Freiherrn Thomas von der Schleiß, 1713
löste es die Markgräfin Franziska Sibylla wieder ein und vereinigte es mit der Land-
vogtei; mit dieser wurde' es 1805 badisch. — Begütert waren hier im 14. Jh. die von
Windeck, die aber 1346 »advocacias, hospitalitates, herbergas, mortuaria, stüras, bettas
atque jura« dem Kioster S. Georgen auf dem Schwarzwald verkauften. — 13 73 hören
wir von einem Roderigus Molitor de Mülnheim.
!) FDA. XXXI, S. 313.
AMT OFFENBURG. — NESSELRIED. NIEDERSCHOPFHEIM.
45 1
Kath.Pfarrkirche (ad S. Udalricum). Schon 1179 hören wir von Mulnheim cum Kath.Pfarrkirche
ecclesia; 1373 von der capella sancti Udalrici; 1419 von Heinrich Hiltbolt, lütpriester
zu Mulnheim. Das Patronat gehörte zur Landvogtei.
Der heutige Bau stammt von 1741. In demselben noch ein Sakramentshäuschen
aus spätgotischer Zeit (s. Nachtrag).
Außerdem berichtet Kolb noch von einer Kapelle des h. Ulrich mit heilbringen-
dem Brunnen in der Nähe des Dorfes, bei den Rohrburger Höfen.1)
NESSELRIED
(Gemeinde, bestehend aus den Dörfern Ober- und Unternesselried)
Schreibweisen: Nescilriet ca. 1120; Nesselriet 1316; zu Nesselriete 1431; Niessel-
riet 1464; Nessenriet 15 11. (Ried mit Nesseln.)
Ortsgeschichte : Obernesselried gehörte zur Herrschaft Staufenberg, war also baden- Ortsgeschichte
badisch, Unternesselried zur Landvogtei Ortenau, Landgericht Appenweier, und wurde
1805 badisch. Ca. 1120 bis 1150 hören wir von einem Adelbertus miles de Nescilrit,
der dem Kloster Reichenbach zu Urioffen einen Acker schenkt.
Kath. Pfarrkirche (ad Assumptionem Virginis). Der heutige Bau von 1875. Die Kath.Pfarrkirche
alte Kapelle, die auf dem gleichen Platze stand, gehörte zu Obernesselried; wir hören
von »unser lieben Frauwen capell zu Nesselrieth 1662«. In der Kirche aus früheren
Zeiten noch eine Holzstatue der Madonna mit dem Christuskind aus dem 17. Jh. (Wall- Hoizstatne
fahrtsbild). Auf dem linken Seitenaltar neu gefaßte und zum h. Wendelin gemachte Barock-
statue des h. Rochus.
Ölgemälde der h. Sippe auf Holz, 63 X 124 cm, wohl ehemals ein Antependium. Ölgemälde
Die h. Anna selbdritt mit den übrigen Frauen und den spielenden Kindern vor einer
Balustrade, auf der stehend eine Säule zwei Flachbogen trägt, hinter der Balustrade die
h. Männer. Werk eines Baldung-Schülers um 1520 (nach Mone von Friedr. Krämer?).
Von den Glocken sind drei neu, eine dagegen aus dem 17. Jh.: Matthäus Edel Glocken
von Straßburg goß mich 1683. Ein ehemaliges Georgsglöcklein mit der Aufschrift:
Zacharias Rohr goß mich 1713 in Straßburg, soll nach Illental von hier gelangt sein.
Im Pfarrhaus einige Gemälde : h. Ursula, auf der Rückseite der Erzengel Gabriel Pfarrhaus
aus dem dritten oder vierten Jahrzehnt des 16. Jhs., eine h. Barbara, auf der Rückseite
Mutter Gottes, 97 X55 cm, Holz, vom Flügelaltar der alten Kapelle. Wohl von einem
Baldung-Schüler, sehr ungeschickt restauriert. — Drittellebensgroße Barockstatue des
h. Norbert sowie ein Engel mit teilweise alter Bemalung, 18. Jh.; auf dem Speicher die
Figuren Christi und des h. Sebastian aus der gleichen Zeit.
NIEDERSCHOPFHEIM
Schreibweisen: in Mordunowa in Scopfheim 763 (Fälschung); in Morthenauia
Scofhaim 777; Schopfheim 1050; Scopheim vor 1066; Scopfheim 1139; Scoppheim
1179; Schophen 1275; Schopffheym 1464 (s. Oberschopfheim, Amt Lahr).
x) Mone, Die bild. Künste im Großh. Baden 14, S. 67.
452
KREIS OFFENBURG.
rtsgeschichte
Römisches
Niederschopfheim: villa que Niderenschopfhein nuncupatur 1289; in inferiori
Schopffen 1291; Schopfheim inferior 1464; Niderschopfheim 1359 etc.
Ortsgeschichte (s. Oberschopfheim): Ein uralter Ort, schon in römischen Zeiten
besiedelt. Ursprünglich nur ein Dorf, scheint dasselbe sich im 13. Jh. in Ober- und
Niederschopfheim getrennt zu haben. Das Kloster Ettenheimmünster besaß hier stattliche
Güter. Niederschopfheim war wohl pfandschaftsweise aus geroldseckischem Besitz an das
Hochstift Straßburg gekommen und mit der Burg (castrum dictum Schopfheim, villa ibidem
14. Jh.) ein bischöflich straßburgisches Lehen derer von Windeck. Hans Reinhard von
Windeck, der keine männlichen Nachkommen besaß, erreichte es, daß das Lehen 1436
seinem Schwiegersohn Georg von Bach übertragen wurde. Nach dem Tode des letzten
von Bach verlangten gegenüber seiner Schwester die Windecker wieder die Belehnung,
doch entschied das Schiedsgericht, daß die Schwiegersöhne des letzten Bach, Hartmann
von Kronburg und Friedrich von Fleckenstein, die Lehen erhielten. Von ihnen gelangte
es an die Dalberg, Bettendorf, Brandenstein und schließlich die Freiherren von Franken-
stein.J) Schon im 15. Jh. aber — fußend auf dem alten geroldseckischen Besitz —
beanspruchten die pfälzischen Amtleute auf Ortenberg auch
Gerechtigkeiten in Niederschopfheim, da der Ort in die
Landvogtei gehöre, und so erfolgte 1470 ein Überfall auf
das Dorf. Infolge des so entstandenen Streites ließ Diebolt
von Hohengeroldseck 1476 seine Rechte in bezug auf
Geleit, Zug, Wasser, Wunn und Weid aufstellen. Er besaß
danach keine eigentümlichen Güter außer einigen Joch
Feld. Später gehörte Niederschopfheim zum ritterschaft-
lichen Bezirk Ortenau; 1806 wurde es badisch. Die Klöster
Gengenbach und Schuttern hatten hier Fronhöfe.
Das Schloß ging wohl im Bauernkriege zugrunde,
Kolb sucht es auf dem sogen. Spielberg, im Norden des
Dorfes. Dort haben sich romanische Reste gefunden (siehe
unten). Das Dorf erlitt, wie Oberschopfheim und die ganze Gegend, in den fran-
zösischen Kriegen des 17. Jhs. eine vollständige Zerstörung, der auch die Kirche zum
Opfer fiel. (Ministerialengeschlecht s. Oberschopfheim.) fJVth.J
Römisches : Chr. Ludw. Fecht schreibt in seiner »Geschichte der Badischen
Landschaften 1813«: »Auf dem Felde zwischen Nieder- und Oberschopfheim ackerte
1805 ein Bauer einen Totenaltar hervor. Eine große steinerne Urne ruhte auf ihm.
Unter ihrem schweren Steindeckel im Schoße der Urne lagen Glasscherben mit Asche
und wenigem Gebein, außerhalb auf dem Altar eine zerbrochene Totenlampe.« Die
Urne (s. Fig. 256), 40 cm hoch, mit 10 cm hohem Deckel, unzweifelhaft römisch, kam
in die Antiquitätenhalle nach Baden und von da in die Karlsruher Sammlung. Sie ist
aus rotem Sandstein gehauen, nicht geglättet, auf einer Seite etwas zerbrochen; ihr
Postament wird am Fundort liegen geblieben sein. Die Scherben von schönem, blau-
grünem Glas, darunter ein 1 o, 5 cm hoher aufrechter Henkel, gehörten zu einer gläsernen
Aschenume und sind noch erhalten, ebenso ein Bruchstück eines kleinen verzierten
Napfs von roter Terra sigillata, den der Bauer vielleicht für eine Totenlampe gehalten
Fig. 236. Römische Funde am
Niederschopfheim .
) Ruppert a. a. O. S. 418 und für das folgende S. 420 ff.
AMT OFFENBURG. — NIEDERSCHOPFHEIM.
453
hat. (Fröhner, Die Großh. Sammlung vaterländischer Altertümer 1860, führt die Urne
irrtümlich [Nr. 86] als für das warme Wasser in Baden bestimmt auf.)
Fig. 257. Kirche in Niederschopfheim.
Am unteren Eingang des Orts finden sich Spuren von römischem Mauerwerk,
und da in der Nähe eine Anzahl römischer Münzen gefunden wurde (u. a. eine
Goldmünze des Vespasian), so darf hier eine römische Niederlassung angenommen
454
KREIS OFFENBURG.
Kath. Pfarrkirche
Innenausstattung
Taufstein
Holzgruppe
Kruzifixus
Brunnenschale
Ziehbrunnen
werden. Man glaubte sie auf einer benachbarten Anhöhe entdeckt zu haben. Es stand
dort aber wohl eine mittelalterliche Burg; wenigstens heißt eine Rebsorte von
der Lage heute noch »der Kurggraben«, und, was schwerer ins Gewicht fällt, man stieß
dort 1886 auf ein romanisches, zwischen zwei Fensterbögen gehöriges, verziertes
Sandsteinkapitell (jetzt in der Karlsruher Sammlung) und auf ein ebenfalls romanisches
Schmuckstück aus Bein mit der reliefierten Figur eines Drachen. (W.)
Kath. Pfarrkirche (ad S. Brigidam virginem). 1419 hören wir von Heinrich
Cudis, kirherre zu Nidernschopfheim, 1464 von einem rector ecclesie in Schopfheim
inferior; 1666: Niederschopffen, huius parrochialis patrona coeli S. Brigida virgo, collatores
et decimator sunt comes a Gerolzeck et baro a Dahlberg; animas regendes habet
ca. 1200. Der heutige Bau ist 1754 bis 1756 errichtet worden. Er steht wirkungsvoll
auf einer Anhöhe, zu der eine Treppe hinauffuhrt, die von Vasen auf Pilastern flankiert
wird. In der Mitte der Fassade der Turm, in seinem Kern wohl älter. Seine Stockwerke
sind an den Ecken mit Pilastern versehen, die ein verkröpftes Gesims tragen. Oben geht
er ins Achteck über mit Walmdach (s. Fig. 257). In seinem unteren Stockwerk das mit
Volutengiebeln etc. geschmückte Portal, an dem die Jahreszahl 1756. Uber ihm in einer
Nische die Figur der h. Brigitta. Mächtige Voluten flankieren den Turm und vermitteln
den Übergang zu den niederen Teilen der Fassade.
Die Seitenwände der Kirche sind nur durch Lisenen gegliedert. — Der Bau aus
Bruchsteinmauerwerk, die Gewände aus rotem Sandstein. Das einschiffige Langhaus ist
in seinen östlichen Ecken abgerundet, ebenso der Chor, beide sind durch ein Spiegel-
gewölbe mit einschneidenden Kappen gedeckt, Avelches auf Wandpilastern mit ver-
kröpftem Gebälk beginnt. Dieses so einfache Innere ist von bester Raumwirkung. In
seinem Westteil eine Empore von geschwungenem Grundriß und elegantem Aufbau.
Innenausstattung: Hochaltar, großer wirkungsvoller Barocksäulenbaldachinaufbau,
aus Stuckmarmor, der in geschickter Weise das Rundfenster der Chorostwand sich ein-
gliedert. Datiert 1764. In ihm Gemälde: Vision der h. Brigitta, und auf ihm zwei
Statuen der Heiligen Petrus und Paulus. Entsprechende flotte Barocksäulenaltäre, Marien-
und Sebastiansaltar. Einfachere Barockkanzel. Orgel im Stil Louis XVI., ebenso auf
beiden Seiten des Chors die Dreisitze. Drei Beichtstühle, wovon zwei mit sparsamen
vergoldeten Rocailleschnitzereien versehen, aus der gleichen Zeit noch das Kirchengestühl.
Älterer Taufstein mit Beschlägornament und der Aufschrift:
sancta trinitas unus deus miserere nobis I l 6 l 6 • • •
Tn einer Nische des Langhauses Holzgruppe der Pietä, neu gefaßt, aus der zweiten
Hälfte des 16. Jhs.
In der Kirche aufgemalte Inschrift, laut welcher sie durch die Gemeinde in den
J. 1784 bis 1756 erbaut, eingeweiht durch den hochwürdigsten Herrn Generalvikar
Dorensius von Straßburg unter dem hochwürdigen Herrn Pfarrer Heinrich Dorschei
und Vogt Sebastian Ehrhardt. — Renoviert 1861.
Vor der Kirche Kruzifixus mit Maria und Johannes, von 1735.
Unten vor der Treppe Brunnenschale von 1681 mit bauchiger, dicker Renaissance-
balustersäule, darauf eine Madonna mit Kind des 18. Jhs.
Beim Haus Nr. 238 der Ziehbrunnen von 1782 zu bemerken, im Ort eine Anzahl
hübscher Riegelhäuser, leider zum T eil verputzt.
AMT OFFENBURG. — NORDRACH.
455
NORDRACH
Schreibweisen: Norderaha 1139; vallis Norderahe 1289; Nordrach 1373; Norde-
rach 1426; die gemeinde des tales zu Nordrach 1372. (Nordwasser.)
Ortsgeschichte: Nordrach ist eine Talgemeinde, bestehend aus Dorf Nordrach mit Ortsgeschichte
Schanzbach und den Zinken Flacken, Hintertal, Schottenhöfen und Untertal. Das Tal
gehörte bis 1803 zum Gebiet der Reichsstadt Zell und machte also deren Geschicke mit,
weshalb Eingehenderes in dem Artikel über Zell nachzulesen wäre. Indes bestand neben
dem reichsstädtischen Gebiet noch das freie Mönchsgut Schottenhöfen und Lindach und
die heute Fabrik Nordrach genannte Gegend (s. unten) als Eigentum des Klosters Gengen-
bach. Im Nordracher Tal amtierte ein Zwölfergericht mit zwölf Räten, welche u. a.
auch die Befugnis hatten, Todesurteile fällen und vollstrecken zu dürfen; außerdem
besaß Nordrach einen eigenen Vogt. Da aber die Leute des Tales nicht als Bürger,
sondern nur als Untertanen der Stadt Zell galten, konnten sie nicht in den Rat gewählt
weiden. Der Selbständigkeitstrieb, der die Bauern des Harmersbachtales beseelte, war
aber auch hier lebendig. Die Talbewohner erklärten sich i. J. 1655 auf eigene Hand als
unabhängiges Reichstal, und es wäre fast zu offenen Kämpfen gekommen. 13 Jahre
dauerte der Prozeß beim Kammergericht, bis dieses den Anspruch auf Reichsunmittel-
barkeit abwies; das Tal sollte dem Rat von Zell als seiner Obrigkeit in Civil- und
Kriminalsachen gehorsam sein. Der Nordracher Rat aber blieb bestehen.1) — Schon im
Mittelalter wurde hier Erzbau getrieben, und noch 1838 bestanden einige Stollen. Eine
»relicta quondam Wernheri de Nordera 1299, ein Johannes Sneiter von Nordrach 1356«
erwähnt.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Udalricum). Schon 1289 hören wir von ecclesia vallis Kath. Pfarrkirche
Norderahe, in der ersten Hälfte des 15. Jhs. von Nordreich ob der Kirchen, im Anfänge
des 16. Jhs. von »sant Ulrich in der Norderach« ; doch scheint die Seelsorge von Zell
aus besorgt worden zu sein; erst 1608 wurde eine eigene Pfarrei errichtet und Jakob
Khuon zum Pfarrer gemacht; in der Folge wechselten Weltpriester und Mönche von
Gengenbach ab.2) 1666 wird von der parrochialis ecclesia berichtet. Patronat und
Zehnt besaß das Kloster Gengenbach (schon 1289).
Der heutige Bau stammt aus dem 18. Jh., das Langhaus laut Inschrift an der Ecke
von 1725. Es ist durchaus schlicht und zeigt ein rundbogiges Portal (älter?) mit Hohl-
kehle und Ansatz zu einem kleinen Volutenablauf. Der Turm ist 1747 errichtet.
Innenausstattung: Hochaltar im üblichen Säulen- und Volutenaufbau mit den Innenausstattung
Statuen der Heiligen Ulrich und Sebastian sowie einem Cremälde, die h. Jungfrau dar-
stellend, etwa aus der Mitte des 18. Jhs. Entsprechend und aus der gleichen Zeit die
zwei Seitenaltäre und die Kanzel. Am Triumphbogen Kruzifix des 18. Jhs. ; an einer
der Langhauswände lebensgroße Holzstatue der Madonna mit Kind auf einer Stuck-
konsole, gute Durchschnittsarbeit aus der Mitte des 18. Jhs.
Kirchengeräte : Sonnenmonstranz, zur Zeit meines Besuches nicht zu sehen; Kelch, Kirchengeräte
P
silbervergoldet, mit eingraviertem Wappen am Fuß und j ^ .
*) Gothein a. a. O. S. 304/305.
2) Kolb II, S. 334-
Band VII.
30
456
KREIS OFFENBURG.
Glocken
Grabsteine
Kruzifix
Bildstöcke
Kapelle
Kirchengeräte
Glocken : Große Glocke mit den Namen der Evangelisten, auf dem Leib Mutter-
gottesbild, laut Aufschrift 1595 von Hans Jakob Müller in Straßburg gegossen; 90 cm
weit. Mittlere: gegossen 1728 von Math. Edel in Straßburg; kleine: gegossen 1794 von
Meinrad Grieninger. Der Glockenstuhl von 1786.3)
An der Außenseite der Kirche Grabsteine :
1. HIER LIGT
BEGRABEN DER
EHRSAME HER
JOHANS SIGWs
ART • GEWESTE
GLASMEISTER
GESTORBEN
DEN ZZ AUGUST
ANO 172+ GOT
GEBE IHM DIE
EWIGE RUOH
PACE
einfacher Sandstein ;
2. hübscher Rocaillegrabstein mit Voluten, Leuchter, Sanduhr, Kruzifix, wohl von
demselben Meister, der das Epitaph des Abtes Benedikt in Gengenbach gearbeitet hat;
nach der Inschrift Epitaph des Joh. Georg Spitzmüller »des Nordrachischen Gerichts«,
gest. 29. April 1772, seines Alters 66 Jahr;
3. Grabstein ohne Inschrift vom Ende des 18. Jhs. ;
4. Grabstein, schlicht, mit schmiedeeisernem Kreuz.
An der Südwand der Kirche großes Kruzifix, sowohl in Auffassung wie Durch-
führung gute Arbeit, gestiftet von Johannes Käshammer, Bürger in Straßburg, gebürtig
im Schwarzen Grund, Auf dem Buchenwald genannt, Sohn des Clemens Käshammer,
ehemaliger Vorgesetzter im Holzhack - Reichsgotteshaus gengenbachischer Jurisdiktion,
25. September 1784.
Verschiedene hölzerne und steinerne Bildstöcke des 18. Jhs. im Ort und Tal.
FABRIK NORDRACH
Ehemals Holzhack genannt, im oberen Tal, zur Abtei Gengenbach gehörig. Abt
Benedikt Rischer hatte hier mit viel Geschick und Energie eine Kobalt- und Fayence-
fabrik gegründet, im sogen. Dörrenbach, die zunächst seine finanziellen Bedrängnisse
vermehrt hatte. Als er aber abgedankt hatte und sich hierher zurückzog, fing das Unter-
nehmen an zu blühen und die Anlagen des 19. Jhs. knüpften daran an.
Hier eine Kapelle des h. Joh. Nepomuk, ein schlichter, einschiffiger Bau mit der
Jahreszahl 1776 am Portal.
Kirchengeräte: Sonnenmonstranz, silbergetrieben, vergoldet, mit Rocailleorna-
menten, verwischte Zeichen; Kelch, silbergetrieben, mit Engelsköpfchen am Fuß und
3) Ich verdanke diese Notizen der freundlichen Auskunft des Pfarramtes, da mir der Zugang
zu den Glocken nicht möglich war.
AMT OFFENBURG. — OBERENTERSBACH. OBERHARMERSBACH. OFFENBURG.
457
aufgelegten silbernem Blattornament an der Cuppa, Augsburger Zeichen, zweite Hälfte
des 18. Jh. ; aus der gleichen Zeit vier silberne Leuchter auf dem Altar sowie vier seiden-
gewirkte Casein. Holzstatue der Immaculata, Zweidrittellebensgröße, hübsche Arbeit
des 18. Jhs.
OBERENTERSBACH
(siehe UNTERE NTF. RS B AC H).
OBERHARMERSBACH
(siehe UNTERHARMERSBACHj.
Fig. 2jS. Ansicht von Offenburg, Holzschnitt vom Ende des 15. Jhs.
OFFENBURG
Schreibweisen: Offinburc ca. 1101; castrum Offinburc 1148; Offenburc 1182;
Uffunburg 1237 bis 1254; Offenburg 1248; opidum 1246; oppidum Argentinensis
diöcesis 1367; Offenburg 1330; Offimburg 1365; Offinborg 1388.
Literatur. Römisches: C. L. Wielandt, Beiträge zur ältesten Gesch. des Land-
strichs am rechten Rheinufer von Basel bis Carlsruhe, Carlsr. 181 1, S. 145 ff. Zange-
meister, Westd. Zeitschr. III, S. 246 u. 257. Römische Straße von Offenburg nach
Achern, Korrespondenzblatt der Westd. Zeitschr. VI, S. 58. Schädel, Lanze, Bronze-
armband aus einer Grabstätte der Römerzeit, gef. bei Offenburg, Anzeiger des German.
National-Museums 1894, S. 71. G. Kai bei, Über den bei O. gefundenen Stein mit
einer angeblich griech. Inschrift, Inscript. Graecae Sicil. et Ital., add. graecis Galliae Hisp.
Brit. Germ, inscriptionibus, Berlin, Reimer 1890, S. 676. Fr. Weißgerber, Erklär, der
Inschrift einer in der Gegend von O. aufgefundenen röm. Meilensäule, Gymn.-Progr.,
O. 1841. E. Fabricius, Die Besitznahme Badens durch die Römer, Neujahrsblatt der
bad. histor. Kommission 1905.
30*
Holzstatue
458
KREIS OFFENBURG.
Zur Geschichte der Stadt: Histor. -topogr. Beschreibung von O., mit 111., Offenb.
Adreßkalender 1834. J. Bader, Chronik der ehemal. Reichsstadt O., Badenia II (1840),
S. 1 — 18. Geograph. Beschreibung der Landvogtey Ortenau, dann von den drey
Reichsstädten O., Gengenbach und Zell am Harmerspach, Karlsruhe 1795. J. De werth,
Einleitung zur Gesch. der Stadt O. und das älteste Siegel, im Adreßkalender für 1863.
Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schvvarzwaldes, S. 207 ft'. F. Mone, Die bild.
Künste im Großh. Baden, Bd. XIV, Heft 1 u. 2. J. Näher, Ortenau, S. 55. K. Walter,
Beiträge zu einer Gesch. der Stadt O., 1. Heft, O. 1880. Ders., Gesch. der Stadt O.,
Ächter Hebels Rheinland. Hausfreund 1882, S. 97. Ders., Kurzer Abriß der Gesch. der
Reichsstadt O., 1896. D’r alt Offeburger, Zeitung, herausg. von Geck seit 1899.
Kirchliches (siehe unten).
Einzelnes: A. Birlinger, Mitteilungen aus H. Sanders Reisetagebuch. Wetter-
läuten in O., Alemannia XIII, S. 1 76. L. Dachen x, Eine Steuerrolle der Diöcese Straß-
burg für das Jahr 1464, Str. 1897 ; dazu FDA. XXVI, S. 329. Einnahme von O. am
27. Juni 1796 und der Rückzug ins Kinzigtal, Bad. Militär-Almanach VII, S. 74 — 81.
Kleinbrodt, Ein Bericht über die Vorgänge in O. vom 1 1. bis 15. März 1804, mitget.
von K. Obser, Adreßbuch 1899 und Mitteil, der hist. Komm. XXI (1899), S. 57 — 65.
J. May, Paul Volz von O. und die Annalen von Schlittern, 1898. F. J. Mone, Karl IV.
bestätigt die Rechte und Gewohnheiten der Stadt O., Z. 12, S. 333/34. Ders., Zur
Gesch. des Bettels, Z. 19, S. 159 — 163. Ders., Die Fastnacht zu O. 1483, Z. 16,
S. 264 — 267. A. Schulte, Ein Skizzenbuch aus dem Unglücksjahr 1689, Z. NF. 4,
S. 384 — 400. Stadtrecht zu O., 2. Bd. d. neuen bad. Gesetzessamml. 1805, S. 1 — 30;
vgl. Bad. Bibliothek I, S. 7. P. Staudenmaier, Die ehemal. Reichsstadt O. bei ihrem
Übergänge an Kurbaden anno 1802, Ortenauer Bote 1880, S. 216 — 220. K. Walter,
Rathaus, Pfalz, Pfalzrecht und die Laube der Stadt O., 1894. Ders., Zum 200. Gedenk-
tag der Zerstörung der Reichsstadt O. am 9. Sept. 1689, 1889. Ders., Die Wahl des
letzten Reichsschultheißen und die letzte Ämterbesetzung zu O., 1891. Ders., Vor vier-
hundert Jahren, histor. Beitrag zum Adreßbuch der Stadt O., 1881.
Hexenprozesse: Christi. Einfältiger Bericht von den Exorcismis und Teufels-
beschwörungen, so dieses verschiedene 1603 Jahr zu O. fürgenommen worden, 1603.
A. Birlinger, Eine Beschwerung zu Offenburg, 1603, Alemannia IX, S. 252/53.
H. Schreiber, Die Hexenprozeß zu Freiburg, O. und Bräunlingen, Frbg. Adreß-
kalender 1836. Fr. Volk, Die Hexen in der Ortenau und O., 1882.
Kunstdenkmäler: F. J. Mone, Die bild. Künste etc., Bd. XIV. W. Ltibke,
Kunstwerke und Künstler, S. 237 — -349. Badische Wandeningen I, Offenburg. Fr. Baum-
garten, Die Denkmäler des Offenburger Kirchplatzes, 1891. Das Kruzifix bei der
ehemal. Zuckerfabrik in O., Frbg. Kath. Kirchenblatt 1883, Nr. 50. K. Walter, Die
Erbauung des Bezirksamtes zu O., früher Königshof genannt, Separatabdr. eines Feuilletons
des Volksfreundes. Ders., Das Judenbad zu O., o. J. Ders., Bildhauer Joh. Nepomuk
Speckert in O., Separatabdruck a. d. Volksfreund. Ders., Die Bierbrauerei zum Kopf,
Separatabdruck a. d. Volksfreund. Ders., Das Gasthaus zur Sonne in O.. Separatabdruck
a. d. Volksfreund.
Pläne Plane und Ansichten: Ansicht der Stadt, Holzschnitt, dessen Herkunft ich
und Ansichten Y1#vv .1Trr
nicht feststellen konnte. Münster, Cosmographia S. CCnjjU- Ansicht, Kupfer-
stich von Merian, Topographia Sueviae, Frankfurt 1643 (s. Fig. 259). Ders.,
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
459
Plan der »Stadt, Kupferstich, Frankf. 1650 (nach Kienitz-Wagner wohl identisch mit
citierter Ansicht, von denselben Maßen). Plan der Befestigungen und Schanzen der
Reichsstadt O. zur Zeit des 3ojähr. Krieges, 1645. Federzeichnung, publiziert von
K. Walter. Ansicht der »Stadt, Kupferstich von Werner, ca. 1700. Ansicht
von O., gezeichn. von F ollen weider, geätzt von Nilson in Sepia (1835). Ansicht,
Stahlstich von E. Wagner nach Zeichnung von K. Corradi.
Als die römische Politik unter Vespasian von der bis dahin geübten ängstlichen Stadtgeschichte
Zurückhaltung an der Grenze des Reichs gegen die Germanen zu einem energischen
Vorwärtsstreben übergegangen war, dokumentierte sich dies sofort in einem Feldzug, den
Rom in dem rechtsrheinischen Gebiet unternahm. Noch während des Krieges ließ der
damalige Befehlshaber des römischen Heeres, Cn. Pinarius Cornelius Clemens, »eine
Militärstraße von »Straßburg aus über den Rhein, durch das Kinzigtal und über den
Schwarzwald hinweg bis nach der Donau erbauen. Ein Meilenstein dieser Straße, auf
dem neben den Namen Vespasians und seiner Söhne Cornelius Clemens selber sich
nennt, ist bei Offenburg gefunden worden am Ausgang der Stadt gegen Gengenbach«.1)
Des weiteren fand sich hier der Grabstein eines während seiner Dienstzeit gestorbenen
Centurionen der I. Thrakischen Kohorte in der Kinzig (s. unten), außerdem ein großes
korinthisches Kapitell in der Mitte der heutigen Stadt bei Blechnermeister Pfitzmaier,
der Sandsteintorso eines Soldaten in der Stadtmauer, 25 römische Tonscherben in der
Mitte der Kornstraße vom Rathaus zum Vincentiushaus etc. Unter Trajan wurde dann
mit dem Ausbau des inneren Straßennetzes begonnen und etwa um 100 n. Chr. die
Bergstraße Mainz-Bühl bis Augusta Raurica angelegt, die sich bei Offenburg mit der
Kinzigtalstraße kreuzte. Es ist nun wichtig, daß alle die genannten Funde in der Mitte
der Stadt oder mehr in ihren südlichen Teilen gemacht wurden, denn es scheint danach,
daß die römische Niederlassung — man nimmt mit Sicherheit hier ein Kastell an —
an der Stelle des heutigen Offenburg lag und nicht etwa da, wo wir das früher in der
Geschichte erscheinende Kinzigdorf zu suchen haben. Auch in alemannischer Zeit war
die Stelle besiedelt, worauf die untenverzeichneten Funde deuten.
Dann aber hören wir bis in das 12. Jh. nichts mehr von der Stadt, dagegen von
dem mit ihr in der späteren Geschichte nicht identischen Kinzigdorf. 926 wird dasselbe
genannt: in oppido quod dicitur Chincihdorf; 1070 comitatus Chinzihdorff et Otenheim;
in Mortunagia Kinsdorf 1139; villa Kinzedorf 1289; extra oppidum zu Kintzichdorf 1436;
in der stat Offemburg pau zu Kyntzigdorff nahent bey der stat porthen 1504; Kintzdorff
und Uffhoven 1551. Dieser Ort lag da, wo jetzt außerhalb der Stadt das städtische
Krankenhaus sich befindet, und dehnte sich bis gegen die sogen. Judenbrücke, rückwärts
auf dem Besitztume des Herrn Pfähler sen. und gegen die jetzige Stadt aus,2) also etwa
beim heutigen Bahnhof und dem großen Pfählerschen Garten. Nach ihm und Ottenheim
wird, wie wir gesehen haben, im 11. Jh. eine Grafschaft genannt, deren alte Dingstätte,
er war. Mit dem daneben liegenden Uffhoven bildete er den Mittelpunkt der ältesten
Markgenossenschaft, in der die Stadt entstanden ist. — Das Kloster Gengenbach war
hier begütert, 1242 hören wir von einem Hof desselben, im 16. Jh. (1563 und 1564)
von dem Freyhof »des gotzhauses Gengenpach«. Auch das Hochstift Straßburg besaß
einen Teil des Orts, wohl infolge seiner Pfandschaft Ortenau. Denn das ganze Mittelalter
1) Fabricius a. a. O. S. 37.
2) Adreßkalender 1883, S. 4.
460
KREIS OFFENBURG.
hindurch gehörte Kinzigdorf zu dieser, trotz engster Wirtschaftsgemeinschaft mit Offen-
burg. Erst im 16. Jh. erkaufte dieses die Obrigkeit darüber stückweise, und erst seitdem
ist das Dorf mit der Stadt allmählich verschmolzen.1)
Von dem daneben gelegenen Flecken Uffhoven hören wir erst 1289; es lag vor
dem Einziger Tor und bestand 1588 nur noch aus einem Schlößchen und fünf Häusern;
auch es wurde um diese Zeit von der Stadt käuflich erworben.
»Das erste Mal, daß die genannte Grafschaft erwähnt wird, erscheint sie im Besitz
der Zähringer Herzoge; und es ist kaum zweifelhaft, daß sie bis zum Aussterben der
Linie bei ihnen geblieben sei. Als ihre Burg wird zuerst im Rotulus S. Petrinus das
Castrum Offenburg genannt, das in unmittelbarer Nähe der alten Dingstätte Kinzigdorf
gelegen war. Aus dieser Burg ist alsdann — wir können nicht zweifeln, in gleicher
Weise wie die anderen zähringischen Gründungen am Oberrhein und der Schweiz —
die gleichbenannte Stadt erwachsen, welche in Freiburg ihren Oberhof sah.«2) Die
Beweggründe für die Anlage der Burg gerade hier sind klar. Sahen wir doch, daß
die Stelle zu Römerzeiten der Kreuzungspunkt der wichtigen Kinzigtalstraße Straßburg-
Rottweil und der Bergstraße Mainz-Bühl-Badenweiler etc. war und das auch jedenfalls
im Mittelalter, wo die Straßen weiter benutzt wurden, geblieben ist. Da war denn die
Anlage einer Befestigung ganz selbstverständlich — möglicherweise mit Benutzung stehen-
gebliebener Mauern des römischen Castrums. Wie sich dann allmählich der Ort an der
so geschützten Hauptstraße entlang anbaute, ist noch heute aus dem Plan der Stadt
ersichtlich. Man wird annehmen dürfen, daß dieses Schloß und dieser Ort als ältere
Gründung auf freiem Reichsterritorium lagen, und daher auch die spätere Zugehörigkeit
der Stadt zum Reich erklären können.
Sehr bald werden die Zähringer dem sich wohl rasch entwickelnden Orte Markt-
recht verliehen haben, und bei der günstigen Lage mag darauf ein neuer Aufschwung
gefolgt sein. Wann er das Münzrecht erhielt, das der König verlieh, vermögen wir
nicht bestimmt zu sagen, vielleicht erst unter Kaiser Friedrich II.
Nach dem Aussterben der Herzogslinie nämlich zog der Kaiser das erledigte Lehen
an sich und es erhob sich darüber ein Streit zwischen ihm und dem Bistum Straßburg, der
damit endete, daß der Bischof 1223 und 1236 auf die Stadt verzichtete und nur Patronat
und Zehnt behielt. Die folgenden Streitigkeiten aber zwischen dem Kaiser und dem Papst
benutzte der Bischof, damals Heinrich von Stahleck, die Ortenau wieder an sich zu
bringen : er eroberte 1247 außer Ortenberg und Gengenbach auch Offenburg, das nun
während des ganzen Interregnums bei Straßburg blieb. Zwar erhoben auch die Erben der
Zähringer, die Grafen von Freiburg, Anspruch auf Offenburg mit der ganzen Ortenau,
dieselben wurden ihnen auch von Heinrich VII. zugestanden und von Innocenz IV. 1248
bestätigt, doch verzichtet 1250 Graf Heinrich von Fürstenberg auf diese sehr zweifel-
haften Erbansprüche zugunsten des Bistums.
Offenburg, das nach dem Ende der Zähringer unbestritten Reichsstadt geworden
war, blieb bis auf König Rudolf I. bei dem Bistum ; dieser brachte es endlich wieder an
das Reich. Schon er verpfändete aber 1289 4 Mark aus der Reichssteuer an Götze
und Hugo Sturm von Straßburg, welche Verpfandung durch die nachfolgenden Kaiser
x) Gothein a. a. O. S. 216.
2) Gothein a. a. O. S. 208 u. 209.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
461
Adolf, Albrecht, Heinrich VII. 1326, Ludwig den Bayern 1331 und Karl IV. bestätigt
wurde. Doch ging es dabei nicht ohne Streit her, und so ergingen in der Angelegen-
heit 1313 und 1314 verschiedene Schiedssprüche, erst 1326 vermittelten definitiv Bischof
Johann von Straßburg, Markgraf Rudolf von Baden als Landgraf in der Ortenau und
Otto von Ochsenstein als Landgraf im Elsaß auf die Berufung König Friedrichs des
Schönen die Sühne der Städte Straßburg und Offenburg über diese und verschiedene
andere Streitigkeiten.
Abgesehen von diesem verpfändeten Teil der Reichssteuer aber blieb die Land-
vogtei zunächst beim Reiche, eine für die Entwickelung der Privilegien und
Gerechtsame der Städte Offenburg, Gengenbach und Zell höchst günstige Zeit; sie
standen deshalb auch zu König Adolf, der verschiedentlich in der Gegend weilte, so
1293 in Ortenberg und vom 8. bis 15. Dezember in Offenburg, und der die schweren
Kämpfe mit der Gegenpartei zum Teil auf diesem Boden auszufechten hatte; so stand
er 1298 bei Kenzingen Albrecht von Habsburg gegenüber, mußte sich aber bis Offen-
burg und weiter bis Steinbach zurückziehen. — In den folgenden wirren Zeiten bewährte
sich die Freiheit der Städte. Zweimal, als der Thron leer stand, wählten sie sich auf
eigene Hand einen Pfleger, 1308 in Otto von Ochsenstein und 1313 in dem Ritter von
Murhard; alle Fürsten und Herren im Umkreis verbürgten sich für die Sicherheit des
Vertrages, den diese mit den Städten eingingen. 1331 erkannte Ludwig der Bayer aus-
drücklich das Recht der Städte an, sich selber einen Vogt zu wählen, wenn der Thron
leer stände. Die schöne Zeit des unmittelbaren Verhältnisses zum Reiche war aber bald
vorüber, mit dem 14. Jh. begannen die großen und andauernden Verpfändungen.
Friedrich der Schöne versetzte die Landvogtei mit ihren Einkünften 1321 dem Mark-
grafen Rudolf von Baden, 1351 erhielt das Bistum Straßburg von Karl IV. die Erlaubnis,
sie von jenem zu lösen, 1356 das gleiche Anrecht auch der Pfalzgraf; aber erst 1405
löste Kaiser Ruprecht die Hälfte der Berechtigungen für die Kurpfalz ein ; er weilte da-
mals auch in der Stadt, die nun, wie die ganze Landvogtei und ihre Schwesterstädte,
zwei Pfandherren besaß.
Sie muß im 13. und 14. Jh. ein immerhin stattliches Wachstum zu verzeichnen
gehabt haben. 1282 hören wir von dem ersten Priester, 1223 von der Kirche, die wohl
damals schon in Stein erbaut war. Es war aber kaum der Bau, der bis zur fran-
zösischen Zerstörung stand, denn wir hören von einem gerühmten gotischen Turm, es
hat also im späteren Mittelalter ein Neubau stattgefunden. 1280 luden der Schultheiß
und die Gemeinde die Franziskaner der Mainzer Provinz zur Niederlassung ein, denen
man hauptsächlich den höheren Unterricht anvertraute, ihr Klosterbau wird sich damals
erhoben haben. Früher schon, 1246, hatten Dominikanerinnen hier ein Kloster gegründet.
Der Anfang des 14. Jhs. brachte dann die wohltätige Errichtung des Spitals, das 1306
aus den Mitteln der Bürgerschaft erbaut wurde. Auch Beghinen hatten ihre Nieder-
lassung hier schon seit 1307, und sie müssen ein stattliches Gebäude errichtet haben,
denn 1401 hören wir von dem »großen gotzhus zu Offenburg«. Die Schule wurde
teils von den Franziskanern, teils von Laienlehrern besorgt. Ein Rathaus stand sicher
längst, wenn auch erst 1426 von einem Bau, also einem Neubau, berichtet wird, und die
Befestigungen werden wir uns ungefähr in der Ausdehnung des inneren Ringes in der
1) Walter, Kurzer Abriß, S. 6.
462
KREIS OFFENBURG.
Zeit des Dreißjährigen Krieges zu denken haben. Noch standen die Häuser nicht
gedrängt aneinander, wie in allen Städten erstreckten sich hinter ihnen Gärten und Felder.
Von der Burg hören wir um diese Zeit nichts mehr, und keine Spur weist darauf hin,
wo sie einst gestanden.
Das 13. und 14. Jh. sah aber auch die Ausbildung der Verfassung der Stadt.
Seit dem Übergänge der Stadt Offenburg an das Reich stand an der Spitze des Stadt-
gerichtes der Reichsschultheiß. 1233 erscheint schon ein scultetus de Offenburg. Er ward
von den Vertretern der Reichsgewalt ernannt; seitdem der Zwölferrat bestand, auf dessen
Vorschlag hin aus den Zwölfern des Alten Rates.1) Die Ausbildung des letzteren muß in
das Ende des 13. Jhs. fallen; »1280 werden die Franziskaner nur von Rat und Gemeinde
berufen, 1293 dagegen geben Schultheiß, Rat und Bürgergemeine gemeinsam die Wald-
ordnung. Die Mitglieder des Rates werden in dieser Urkunde weiterhin als die Zwölfer
bezeichnet, für die Gemeinde unterzeichnen 13 benannte Bürger, offenbar dieselben,
welche schon wenige Jahre später als Junger Rat erscheinen. Die dauernde Einsetzung
eines solchen erweiterten Rates hat in Offenburg im ersten Jahrzehnt des 14. Jhs. statt-
gefunden, zugleich trat neben den Schultheißen als Vorsitzender des Rates in Ver-
waltungsangelegenheiten der Bürgermeister.« Die Folge dieser Ratsentwickelung war, daß
der Alte Rat sich immer mehr auf die Rechtsprechung zurückzog ; vor allem hatte er in
Streitigkeiten zu erkennen, was der Stadt Freiheit sei, und der Träger der öffentlichen
Gewalt hat sich jeweils seinem Weistum zu fügen. »Sein Ausspruch über öffentliches Recht
ist also bindend, wie es im privaten Recht der Fall ist, und hier wie dort ist es seine
Aufgabe, nicht sowohl neues Recht zu schaffen, als vielmehr altes, aber streitiges und
verletztes zu weisen.« 1347 bestätigte Karl IV. dem Rat und den Bürgern zu Ofifen-
burg ausdrücklich dieses Recht, und »alle seine Nachfolger haben sämtlichen drei Städten
dies Vorrecht bestätigt, das ihnen andere geschriebene Privilegien nahezu unnötig machte«.
Solcher Zwölfersprüche sind zahlreiche, insbesondere aus Ofifenburg, überliefert.
Glaubte man das Recht der Stadt gekränkt, so wandte sich der Junge Rat an den
Alten um einen Rechtsspruch, der dann zur Beachtung dem, der den Eingriff begangen,
mitgeteilt wurde. Das Verhältnis der beiden Räte zueinander dürfte in Offenburg ähn-
lich gewesen sein wie in Gengenbach, wonach die Zwölfer das Recht hatten, sich selber
zu ergänzen, sei es aus dem Jungen Rat, sei es aus der Bürgerschaft. Gegen das Reich
und die Pfandherren hatten sie nur die Verpflichtung, ihnen die Gerichtsfälle ein-
zusammeln. Sie hatten in der Stadt freien Sitz, waren völlig steuerfrei und bildeten so
eine geschlossene bevorrechtete Korporation, die fest zusammenhielt.
So waren bis zum Anfänge des 14. Jhs. die Grundlagen der Verfassung der drei
Reichsstädte gelegt, und als die Verpfändungen eintraten, da übernahmen die Pfand-
herren die gleichen Verpflichtungen wie die Vögte, die Anerkennung der Zwölfersprüche,
die Wahrung der völlig unabhängigen Gerichtsbarkeit der Städte, die Beschirmung des
Leibes und des Gutes der Bürger u. a. m. Als einzige Gegenleistung beziehen sie die
Reichssteuern, auch setzen sie den Schultheiß ein. Einen entsprechenden Eid leistete
z. B. 1351 der Bischof Bernhard von Straßburg. Trotzdem versuchte das Bistum
begreiflicherweise seine Macht auszudehnen, es erlangte 1358 ein Privileg des Kaisers,
daß alle Pfandstädte außer dem Reichshofgericht nur dem Gericht des Bischofs unter-
*) Gothein a. a. O. S. 217, wie auch, teilweise wörtlich, für das Folgende.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
463
stehen sollten ; ich habe in der Geschichte der Stadt Gengenbach gezeigt, wie nur mit
Hilfe des Abtes Lambert de Burn diese gefährliche Bestimmung beseitigt und das Ver-
hältnis zwischen Pfandherren und Städten endgültig festgestellt, das alte Recht der
Zwölfer, zu sagen, was der Stadt Freiheit, anerkannt, die freie Gerichtsbarkeit festgelegt
wurde, nur dem Reichshofgericht sollen sie außerdem Rede stehen. Niemand durfte
sie auch für Forderungen an die Pfandherren haftbar machen.
In dieser hochwichtigen Urkunde sahen die Bürger mit Recht die Grundlage ihrer
Reichsfreiheit, und sie vereinigten sich zusammen über die Auslegung ihrer Ver-
pflichtungen, vor allem zu Kriegszeiten. In Fehden ihrer Pfandherrn waren sie zu
keiner Hilfeleistung verpflichtet, wohl aber dazu, gegen Barzahlung seinen Truppen den
Zutritt zu gestatten, und so nahm Offenburg noch 1428 eine Besatzung des Bischofs
auf. Bald jedoch gelang es, auf Grund des doppelten Pfandschaftsverhältnisses, völlige
Neutralität zu erreichen.
Außerordentlich rege wehrten sich die Zwölferkollegien gegen Eingriffe der Pfand-
herren, und zwar mit gutem Erfolg, in Offenburg insbesondere gegen Eingriffe in die
Allmende oder eine Beschränkung der städtischen Rechte in Kinzigdorf.
Und so wurden während der kommenden Jahrhunderte die envorbenen Rechte im
allgemeinen gewahrt. Dagegen bedurfte es noch gründlicher Auseinandersetzung
mit dem Abte von Gengenbach, um das Verhältnis erträglich zu machen. Zwar
waren diese Kämpfe naturgemäß in Offenburg nicht so heftig wie in Gengenbach, da die
Rechte des Abtes geringer waren, aber da überall in der nächsten Umgegend der Stadt
die Leute des Abtes saßen und Offenburg um diese Zeit in kleinem Maße, wie Straßburg
im großen, eine lebhafte Ausbürgerpolitik verfolgte, Leibeigene in seinen Mauern aufnahm
und die Nutzungsrechte des Klosters am Gotteshauswalde ebenso wie den Anspruch,
auch hier Weinbänne zu legen und zollfrei zu handeln, bestritt, so mußte es zum Konflikte
kommen. In den Privilegien, die Ludwig der Bayer 1331 dem Kloster erteilte, ward
demgegenüber die Gebundenheit des Landvolkes, die Obrigkeit des Klosters mit aller
Schärfe betont, die unbedingte grundherrliche Gewalt des Klosters in seinem Bezirk
anerkannt. Verschärft wurden insbesondere die Bestimmungen über die Leibeigen-
schaft: »Wo der Leibeigene auch sitzen mag, namentlich aber in der Stadt Ofifenburg,
soll er doch dem Kloster vom Leibe fallbar bleiben. Dazu wird diesem auch das Recht
der schlechteren Hand jetzt erst ausdrücklich eingeräumt. Wo Ungenossen einander
freien, Mann oder Frau, da zieht der Abt ohne weiteres zwei Drittel ihrer gesamten
Habe ein.«1) Die Fallpflichtigkeit derer, die auf Klostergut sitzen, aber ward mit der
Spitzfindigkeit ausgelegt, wie wir es in der Geschichte von Gengenbach geschildert
haben. Diese ohne irgendwelche Prüfung auf Vorlage des Abtes hin ausgefertigte Ur-
kunde war also ausdrücklich gegen die Städte gerichtet, über ihre Gewohnheiten sollten
die Rechte des Abtes gehen, Königsprivileg und Volksweistum gingen auseinander. Es
war klar, daß eine gerade damals so kräftig vorwärtsstrebende Stadt wie Offenburg sich
derartiges nicht gefallen lassen konnte. Schon vor jener Privilegienverschärfung hatte
der Kaiser 1330 die Markgrafen von Baden als derzeitige Landvögte angewiesen, das
Kloster gegen seine Bedränger, namentlich gegen Offenburg, zu schützen; i. J. 1337
richtete er noch einmal den Befehl an Offenburg, sich wegen der Fälle etc. mit dem Kloster
*) Gothein a. a. O. S. 237.
464
KREIS OFFENBURG.
auseinanderzusetzen. Die Stadt gehorchte nicht und gab ebensowenig nach, als der dann
eröffnete Prozeß auf dem Gerichtstag zu Hagenau zu ihren Ungunsten entschieden war.
Und sie erreichte ihr Ziel. 1343 mußte sich das Kloster unter Vermittelung des Bischofs
von Straßburg zu einem Vergleich bequemen, »wonach es auf alle Leibfälle und alle
Rechte, die zu den Fällen gehören, der Bürger und aller, die in der Stadt und Ring-
mauer seßhaft seien und Heimweise dort haben oder noch gewinnen, für ewige Zeiten
verzichtet. Auch wenn ein Einwohner, der Gotteshausmann ist, um der Stadt Besserung
wegen ausgeboten würde und draußen stürbe, solle es gelten, als ob er in der Stadt
gestorben sei. Dagegen verzichtete auch die Stadt auf die Fallfreiheit ihrer Ausbürger.
Diese selber behielt sie aber ungekränkt«.1 2) Zugleich vertrug man sich auch mit dem
Bischof über die Ausbürger der Stadt, die unter seiner Vogtei standen.
Mit diesen Erfolgen nach außen ging zusammen eine starke demokratische Strömung
im Innern. Diese wuchs immer mehr und erreichte schließlich eine entprechende Stadt-
verfassung, welche die Markgrafen Rudolf und Friedrich als derzeitige Landvögte der
Stadt erteilten.-) »Diese hießen und geboten, dem Schultheißen und den Bürgern einen
Bürgermeister zu setzen und 24 Gekieste, auch haben sie der Stadt und der Bürgerschaft
die Gnade getan, daß sie die Meisterschaft, den Neuen Rat und auch die Zunft, die sie
gesetzt haben wollen, bleibend anerkennen von S. Martins-Tag über fünf Jahre.
Die Zünfte wählen die 24 des Rats, der sich teilt in die Zwölfer des Alten Rats
und die Zwölfer des Neuen Rats; die Zwölfer des Neuen Rats werden aus den zehn
Zünften auf deren Vorschlag vom ganzen Rate gewählt; der Schultheiß wird von den
Zwölfem des Alten Rats gewählt, vom Jungen Rat bestätigt und vom Kaiser konfirmiert.
Diese Konfirmation mußte innerhalb einer Monatsfrist nach der Insinuation geschehen.
Kommt diese Konfirmation in dieser Zeit nicht ein, so gilt der Gewählte als bestätigt.
Schultheiß und Rat sind auf Lebensdauer gewählt.
Das Meisterschaftsrecht besteht in Setzung der Stettmeister, deren es vier waren,
zwei des Alten und zwei des Jungen Rats; sie werden alljährlich auf ein Jahr gewählt.«
Ob der Zünfte, die damit die Herrschaft erlangten, schon damals zehn waren, vermag
ich nicht zu sagen. Ihre Einteilung wird wohl einigermaßen der späteren ähnlich
gewesen sein, in der die erste Zunft, die »Konstaffler oder adelige Gesellschaft«, den
Stadtrat, die Gelehrten, Künstler und die Bürger \on Rang, welche keine Profession
treiben, in sich begriff, dann folgten die Schmiede-, Schuster-, Bäcker-, Kärrcher-, Fischer-,
Reb-, Schneider-, Weber- und Metzgerzunft. Nach einer Chronik des 18. Jhs. hatte jede
derselben einen Ratsherrn zum Obmann (eben das von ihnen gewählte Mitglied des
Jungen Rats) und einen Zunftmeister, »welcher von den zunftgenossenen Bürgern erwählt
wird. Jeder Zunftmeister bleibt ein Jahr im Amte und richtet mit seinem Zunftrat, die
Acht genannt, alle Schwierigkeiten der Zunft«.3) Auch das dürfen wir uns wohl einiger-
maßen in den früheren Zeiten ähnlich denken.
Der Stadtschultheiß handhabte mit den Zwölfern das Gericht und verwaltete mit
ihnen die Forsten, was wohl damit zusammenhing, daß sie von alters her als Verwalter
des Reichsgutes galten; die übrige Verwaltung lag in den Händen des Jungen Rats,
während die vier Stettmeister die laufenden Geschäfte besorgten.
*) Gothein a. a. O. S. 239.
2) Walter, Kurzer Abriß, S. 8.
8) Badenia II (1840), S. 17.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
465
Nicht so ohne weiteres glatt und ohne schwere Erschütterungen aber hat sich diese
Verfassung durchgesetzt, und es scheint erst in den letzten Jahrzehnten des 14. Jhs.
einigermaßen Ruhe eingetreten zu sein, etwa mit dem großen Schwörbrief vom Freitag
nach der großen Fastnacht 1384. »In diesem tut die Gemeinde kund, daß sie zu der
Stadt Ehre, Nutz und Frieden geschworen habe, gehorsam zu sein Schultheiß, Meister
und Rat und allen ihren gegenwärtigen und zukünftigen einhelligen oder Mehrheits-
beschlüssen — so wollte sie auch auf Ratsschluß zu jedem Auszug zu der Stadt Besserung,
für wen er auch geschehe, bereit sein. Dagegen darf kein Einwohner oder Dienstknecht
zu Offenburg, der unter der Obrigkeit des Rates steht, ohne Erlaubnis des Schultheißen
oder Stettmeisters in fremde Kriegsdienste treten. Eine Sturmordnung für die Bürger
wird dahin lautend erlassen, daß jeder auf das Glockenzeichen sofort in Harnisch und
Wehr vor das Rathaus kommen, die, welche auf die Mauern und Türme geordnet,
dorthin eilen sollen. Werden sie aber von Schultheiß und Stettmeister entlassen, so
geht jeder zunächst nach seiner Zunftstube, um sich dort den Zunftmeistern zu erzeigen.
Wer das 16. Jahr überschritten hat, muß auch diesen Eid schwören, von dem nur das
Aufgeben des Bürgerrechts entbindet, und alljährlich wird der Schwur wiederholt.« :)
Dieser Schwur, der nur notwendig sein konnte, wenn die alten Verfassungsbestim-
mungen durch neue, erst nach Kämpfen anerkannte ersetzt waren, zeigt uns zugleich,
wie alles mehr oder minder auf die Einteilung der Zünfte gegründet war. Nachdem die
Stadt in den zwei Jahrhunderten ihre Reichsfreiheit, ihre selbständige Gerichtsbarkeit, ihre
Rechte gegenüber dem Kloster Gengenbach, eine populäre Verfassung sich errungen hatte,
suchte sie durch diesen Schwörbrief noch die innere Einigkeit und die Schlagfertigkeit
nach außen hin festzustellen. Als Wahrzeichen dieser Entwickelung mochte i. J. 1426
der Neubau des Rathauses erfolgen.
Ein gewaltiger, mit menschlichen Mitteln nicht zu bekämpfender Feind hatte sie
während dem Jahrhundert fürchterlich heimgesucht, die überall in Europa wütende Pest
von 1348. Und wie überall, so schloß sich auch hier die Verfolgung der Juden daran,
die man beschuldigte, die Brunnen vergiftet zu haben. Zwei von ihnen hatten dies auf der
Folter bekannt, und nun wurden alle aus der Stadt verwiesen. Die unglücklichen Leute
sahen sich damit allen Schrecknissen ausgesetzt, beschlossen, sich lieber gemeinsam zu
verbrennen, und baten den Rat um die Erlaubnis dazu. Dieser ließ ihnen sagen, »wer
von ihnen wegziehen wolle, denn wolle er geleiten eine halbe Meile und wolle ihn sein
Gut mit sich tragen oder führen lassen; wollten sie das aber nicht, so würde man sie
gern heißen ein Feuer machen, aber man wollte sie nicht heißen hineinzugehen. Wollten
sie darein, so sollen sie es tun«. Sie taten es, gingen in die Flammen, ohne vorher mit
Ausnahme obiger zwei noch irgend etwas ausgesagt zu haben, und als man den Brunnen,
von dem die Vergiftung behauptet wurde, ausschöpfte, da »vande man niut inne«.* 2)
Als Denkmal ihrer einstigen Anwesenheit ist noch das Judenbad erhalten.
Der Stadt war es in den kommenden Jahrhunderten nicht gegeben, auf den
gewonnenen Freiheiten auszuruhen. Die Landvögte, die auf Ortenberg saßen als Ver-
treter der Pfandherren, ließen ihr keine Ruhe, sie suchten ihre Rechte stets weiter aus-
zudehnen und benutzten dazu die Streitigkeiten der in der Nähe gelegenen Orte der
*) Gothein a. a. O. S. 239 u. 240.
2) Strobel, Vaterland. Geschichte des Elsasses II, S. 262.
466
KREIS OFFENBURG.
Landvogtei mit der Stadt. Eine dieser komplizierten Streitigkeiten kam 1481 auf einem
Rechtstag zur Verhandlung, die damit zusammenhängende Streitigkeit mit Elgersweier,
Hofweier, Schutterwald aber gestaltete sich zu einem Monstreprozeß, der vom 1 4. Jh. bis
1835 dauerte. — Im allgemeinen waren die Beziehungen zu den Pfandherren erträgliche,
und manch einer von ihnen besuchte die Stadt, so 1483 mit einem glänzenden Gefolge
an der Herrenfastnacht der prachtliebende Kurfürst Philipp I. von der Pfalz. Drei Tage
dauerte das Fest, viele Fürsten und Grafen waren dazu geladen sowie der ganze Adel
der Umgegend. Die Stadt mag damals ihren größten Wohlstand erreicht und im 16. Jh.
bewahrt haben, wie das ganze Deutschland. Er wird hauptsächlich auf ihre Lage als
Verkehrsknotenpunkt zurückzuführen sein, denn sie besaß keinen besonders hervor-
ragenden Handel. Ihre Bedeutung war also keine große, und somit dürfen wir in ihr
auch keine besondere Kunstentwickelung suchen : sie hat wohl meistens die Künstler für
bedeutendere Aufgaben von auswärts bezogen. Indes wird doch 1518 ein Goldschmied
Augustin Stos erwähnt, der auch nach auswärts lieferte,1) und von der Höhe des Gold-
schmiedehandwerks zeugt das Vortragskreuz der Pfarrkirche.
Der Anfang des 16. Jhs. brachte sie auf kurze Zeit aus der Pfandherrschaft wieder
zurück an das Reich. Kurfürst Philipp mußte, nach seiner Niederlage im Landshuter
Erbfolgekriege in die Acht erklärt, die Reichspfandschaft Ortenau abtreten. Kaiser Max
zog selbst vor Ortenberg und belagerte es, wobei ihn die drei Städte lebhaft unterstützten.
Um sie ihrem bisherigen Pfandherrn abtrünnig zu machen, wurde ihnen feierlich ver-
sprochen und zugesagt, daß der halbe Teil der Pfandschaft, den er dem Pfalzgrafen ent-
zogen hatte, wie auch die andere Hälfte, wenn sie vom Stifte Straßburg eingelöst würde,
fürderhin beim Reiche bleiben und die Städte nicht mehr ohne ihr Wissen und ihre Ein-
willigung verpfändet werden sollten. Aber schon der schwache Kaiser selbst vermochte
das nicht zu halten und versetzte schon 1507 die eben frei gewordene Hälfte dem Grafen
Wolfgang von Fürstenberg, worüber die Städte nicht wenig ungehalten waren, denn
»ohne solche Zusage wären sie nit bald von der Pfalz abgefallen«, wie es häufig in den
Akten heißt.2) Indes sorgte der Kaiser doch für die Feststellung aller alten Rechte und
ließ diese auch durch die Fürstenberger nicht schmälern; ja, 1510 wurde sogar fest-
gestellt, daß der Landvogt vom Zwölfergericht nicht einmal an das Reichskammergericht
appellieren könne, sondern unbedingt an dessen Spruch gebunden sei. Die Städte aber
erneuerten ihr Bündnis und widerstanden unberechtigten Ansprüchen der Landvögte, so
schon dem Grafen Wolfgang und bei der Übergabe der Pfandschaft an Wilhelm und
Friedrich von Fürstenberg, wo die Städte die Huldigung verweigerten, bevor diese die
Privilegien beschworen hatten. Der Streit wurde in für die Städte günstigem Sinne am
17. Oktober 1510 durch den kaiserlichen Kommissär, Herrn zu Limburg, beigelegt.
Die Stürme des Bauernkrieges gingen, wie in diesem Teil der Ortenau überhaupt,
so auch in Offenburg leicht vorüber. Die drei Reichsstädte, in deren Verfassung Bürger
und Bauern, beide mit genügenden Berechtigungen, vertreten waren, konnten vermitteln.
Sie brauchten sich nicht den Aufständischen anzuschließen und genossen doch ihr Ver-
trauen, und Offenburg war so der neutrale Ort, wo die beiden Parteien in voller Sicherheit
zusammen verhandeln konnten. Unter wesentlicher Mitwirkung der Städte — den Stadt-
1) Kunstdenkmäler VI j, S. 533.
2) Badenia II (1840), S. 11.
AMT OFFENBURG — OFFENBURG.
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Schreiber von Offenburg hatten die Bauern beauftragt, »ihnen ihr Wort und ihren Vor-
trag zu tun«, — kam so die Acherner Abrede und endlich der Renchener Vertrag zu stände,
der den Aufstand glücklich beendete.
Die große geistige Bewegung aber, die über ganz Deutschland ging, ergriff damals
auch Offenburg, nach den Bauernkriegen wandte sich die Stadt entschieden der Refor-
mation zu. 1525 stellte der Rat einen »Prädikanten eines ehrbaren, priesterlichen und
unstrafbaren Lebens zur Verkündigung des Gotteswortes an«, ohne ihn dem Pfarrer unter-
zuordnen; als 1531 die letzte Nonne im Frauenkloster starb, wollte der Rat dasselbe sofort
säkularisieren. 1531 jedoch vollzog sich ein gänzlicher Umschwung; noch auf dem Augs-
burger Reichstag war Offenburg an der Seite Straßburgs erschienen, ’) jetzt aber stellte
es sich, je mehr Straßburg sich zur Reformation bekannte, zur altgläubigen Partei zurück.
Ein Teil des Straßburger Domkapitels wandte sich hierher, und so mochte die Stadt
hoffen, als Mittelpunkt der katholischen Partei eine erhöhte Bedeutung zu gewinnen.
Damit war es nun allerdings nichts, aber die Stadt blieb der alten Lehre treu, und der
Rat schloß Sonntags die Tore, damit die Bürger nicht dem von Wilhelm von Fürstenberg
in Weingarten eingesetzten Prediger der neuen Lehre zuliefen.
Endlich 1551 und 1556 wurden die beiden Pfandschaften wieder abgelöst und
Österreich erwarb die Landvogtei vom Reiche für sich. Sein Landvogt erhielt von den
Städten die Reichssteuer, von Offenburg 276 fl., mußte aber ihre Privilegien achten.
Darüber kam es nun schon 1566 zum Streite. Der Landvogt behauptete, den Schult-
heiß setzen zu dürfen, wogegen die Offenburger auf ihrem Recht bestanden, ihn selber
aus den Zwölfern des Alten Rates zu wählen. Schließlich verglich man sich dahin, daß
dem Vogte aus dem Alten Rate zwei Bewerber präsentiert wurden. Die Streitigkeiten
hatten damit kein Ende. Die Städte bestanden darauf, daß vor ihrer Huldigung der
Landvogt den Eid auf die Wahrung und Achtung ihrer Privilegien leistete, während dieser
zuerst die Huldigung verlangte. Das wohl nur zu berechtigte Mißtrauen gegen Öster-
reich, es wolle das Reichsland sich selber zu eigen machen, wachte auf, 1572 verweigerten
die drei Städte die Reichs- und Türkensteuer, ihre Zwölfer erklärten die Forderungen
des Landvogtes für ungesetzlich, und 1575 schlossen die drei Städte einen engen Bund
zusammen, den sie zunächst vorsichtig geheimhielten. 1590 wurden zwar die Zwistig-
keiten vermittelt, aber sie lebten immer von neuem auf, 1598 bis 1604 wurden wieder
keine Steuern gezahlt, 1606 vermittelte Nürnberg, 1614 glaubten die Städte aber doch
ihren Bund noch erneuern zu müssen, und in der Tat bestand die Gefahr, daß sie zu
österreichischen Landstädten herabgedrückt würden, immer weiter. Ganz besonders,
als jetzt die Zeiten immer kriegerischer wurden und die Reichsvögte das alte Recht
forderten, eine Besatzung in die Städte zu legen. Offenburg hat sich noch in den ersten
Jahren des Dreißigjährigen Krieges dagegen gesträubt. Bald aber wurden die Zeiten so
schlimm, daß auch Offenburg sich dazu bequemen mußte, den Obersten von Ossa
aufzunehmen (1628). Aber die Kaiserlichen hausten so übel, daß sie die Bürgerschaft
beinahe ruinierten. Der Landvogt, ein Herr von Neuenstein, betrachtete die Stadt wie
eine eroberte, und nur schwer verschaffte sich diese am kaiserlichen Hofe ihr Recht.
Ihre Finanzen aber waren so zerrüttet, daß sie jetzt nicht mehr im stände war, die
Zinsen ihrer Schulden zu zahlen.
1) Gothein a. a. O. S. 270.
Fig. 2JQ. Ansicht der Stadt Offenburg im Jahre 1644 (nach Mcrian).
468
KREIS OFFENBURG.
Und nun folgten Stürme über Stürme.
1632 wurde die Stadt von den Schweden
undWürttembergern unter General Horn ein-
geschlossen und ergab sich am 1 2 . September,
bis 1635 blieb sie in ihrem Besitz, dann war
sie vom französischen Heere besetzt, 1638
erging sie nur knapp einer Besetzung durch
die Armee Bernhard von Weimars; wie die
Sage meldet, erschienen damals auf ihren
Stadtmauern ihre Schutzheiligen Ursula,
Aper und Gangolf. Ein größerer Neubau
war in dieser Zeit zu verzeichnen, der aller-
dings kümmerliche des Klosters der Kapu-
ziner, die, nachdem sie lange vergeblich
gebeten, endlich 1641 in die Stadt auf-
genommen wurden. Damals wurden unter
dem Kommandanten Reinhard von Schauen-
burg die Befestigungen ausgebessert; eine
erhaltene Federzeichnung ihres damaligen
Zustandes läßt erkennen, daß ein stattlicher,
dreifacher Mauergürtel etc. die Stadt von
alters her umgab, der damals noch durch
eine Anzahl neue Verschanzungen verstärkt
wurde (s. unten Befestigung). In der Stadt
war die Not aufs höchste gestiegen, eine
Hungersnot stand vor der Tür, bis der
Friede 1648 eine Erleichterung brachte.
Auch die inneren Zustände waren
düster genug geworden. Gerade während des
Dreißigjährigen Krieges wütete der Hexen-
glaube in der Stadt und forderte seit 1597
seine Opfer. Die Verfolgungen steigerten
sich bis 1628. Von einem unglücklichen
Opfer hören wir aus Offenburg, daß sie
standhaft bis zuletzt ihre Unschuld beteuerte,
bis sie auf dem Hexenstuhl ihren Qualen
erlag. Vielleicht mag das tatsächlich, wie
man gemeint hat, dazu beigetragen haben,
Zweifel zu erwecken, jedenfalls fand nach
1631 nur noch 1642 in Offenburg eine Hin-
richtung statt. l) Zugleich aber war die
Bürgerschaft von innerem Zwist zerrissen,
Walter, Kurzer Abriß, S. 15.
AMT OFFENBURG.
OFFENBURG.
469
der charakteristischerweise, wie wir sehen werden, gerade an diesem Wahne sich
entzündete.
Auf 1648 folgten einige Jahrzehnte des Friedens. Trotz aller Leiden waren die
Städte noch im stände, mit Hilfe von Anlehen ihren Anteil an den schwedischen Satis-
faktion sgeldern etc. regelmäßig zu bezahlen ; aber die Stadt Offenburg konnte die Zinsen
für ihre vor dem Kriege aufgenommenen Kapitalien nur noch zum Teil zahlen, an eine
Schuldentilgung jedoch von ferne nicht denken. Wie die Stadt damals aussah, davon gibt
uns der Meriansche Stich einen Begriff (s. Fig. 259). Wir sehen die Stadtmauer mit
ihren Türmen und im Innern eine Anzahl stattlicher Gebäude emporragen.
Bald aber nahte neues Unheil in den Kriegen Ludwigs XIV. 1778 wurde
die Stadt zum erstenmal durch Crequi belagert, von den Österreichern indes entsetzt.
Zehn Jahre darauf bezogen französische Truppen unter Marquis de Chamilly Winter-
quartiere in Offenburg. Mit der Aufforderung, die Tore zu öffnen, wurden die beruhi-
gendsten Zusicherungen gegeben und in einer gütlichen Vereinbarung am 4. Oktober
festgelegt. *) Einmal im Besitze der Stadt, kümmerte sich Chamilly nicht mehr um diese
Versprechungen. Noch im Oktober wurde eine Kontribution von 4500 fl. erhoben,
den Soldaten mußte täglich Quartiergeld gezahlt werden. Als im Anfang des Jahres 1689
sich die Franzosen genötigt sahen, vor den herannahenden Reichstruppen zurückzugehen,
da suchten sie vor ihrem Abrücken — begreiflicherweise — die Stadt als Festung
unschädlich zu machen, die Bürgerschaft mußte »zu ihrem größten Entsetzen die zur
Befestigung dienenden, viele hundert Jahre konservierten Türme
und Mauern demolieren helfen«; eine weitere Kontribution wurde der Stadt
auferlegt. Zur Bestreitung all dieser Lasten in der Höhe von etwa 50 000 fl. mußte sie
Anlehen aufnehmen, in steter Hoffnung, dadurch wenigstens die leeren Häuser zu retten.
Aber vergebens! Zwar rückte die kaiserliche Armee an und Offenburg wurde mit einer
Garnison besetzt, die Mauern repariert, Palissaden errichtet. Aber schon am 13. August
mußten die Reichstruppen wieder abziehen. Ein ungeheurer Schrecken ergriff die
Einwohner, die das Kommende ahnten. Ein Teil der besseren Habe wurde in das
Franziskaner- und Kapuzinerkloster, in die Täler nach Zell, Wolfach, Kloster Wittichen
geflüchtet. Schon am 18. August nahmen zehn Kompagnien französischer Truppen von
der Stadt Besitz, und nach Verzehrung aller Vorräte fing die Plünderung an. Glocken,
Uhren, Altarbilder, Wein, was am Hausrat wertvoll erschien, Kupfer, Zinn, Lein-
getüch, Bettgewand, Musketen etc., alles wurde auf Wagen geladen und nach
Straßburg gesandt. Dann schritt man zur Zerstörung. »Die schöne Rundei,
Mauern und zierlichsten Kirchentürme, die stärksten Gewölbe von
Stein, bei den Toren befindliche Schwibbögen und andere kostbarste
Gebäude wurden unterminiert, die Häuser mit Stroh und Brenn-
stoffen angefüllt; die Armee zog hinaus, die Stadt umringend; auf inständiges
Flehen der Kapuziner durften die Einwohner die Stadt verlassen. Still und öd lagen
die Straßen da. Nachdem alles so vorbereitet war, drangen Samstag den 9. September,
abends 4 Uhr, die Mordbrenner, eine hierzu besonders abgerichtete Bande, in die Stadt
und zündeten an allen Ecken. Welch schauerliche Nacht! In das nahe Gebirge
geflüchtet, mußten die armen geängsteten Einwohner den Ruin ihrer Habe, ihrer alten,
*) Walter, Zum zweihundertsten Gedenktag etc., S. 15 ff.
470
KREIS OFFENBURG.
geliebten, oft behüteten Vaterstadt mit ansehen. Weithin in die Nacht leuchtete der
Feuerschein der brennenden Stadt, die schauerliche Stille unterbrochen von dem
donnernden Geprassel der niederstürzenden Türme und Mauern.« J)
Wir können so ungefähr feststellen, was von dem Brande verschont blieb. Das
Kapuzinerkloster wurde, infolge der Vorliebe Ludwigs XIV. für diesen Orden, sorgfältig
geschont. Infolgedessen blieben auch ein oder zwei Häuser in der Nähe, in der Kessel-
straße, stehen, so das sogen. Burgerhaus, das Schweizer Knappenhaus genannt, das 1888
abgerissen worden ist. Alles andere widerstand nur zufällig dem Feuer : so blieben die
Untermauern des Langhauses der Pfarrkirche in 3 — 4 m Höhe, der Chor nebst der
Sakristei in Mauer-Höhe erhalten, die Denkmäler des Friedhofs sowie die heute noch
erhaltenen Reste der Stadtmauern hier, am Vincentiusgarten an der Südseite etc., auch
einige Turmreste, die wieder aufgebaut im 19. Jh. niedergerissen wurden. Ein Westwind
mag das Feuer in den östlichen Teil der Stadt getrieben haben. Vom Rathaus blieben
ebenfalls die Mauern in einer gewissen Höhe erhalten, die Wendeltreppe der Pfalz, zwei Ge-
wölbe des Erdgeschosses im Seitenbau, vom Andreasspital kaum etwas, vom Franziskaner-
kloster eine Kapelle (s. unten) und der Rest einer Tür, außerdem die Umfassungsmauern der
Kirche in einige Meter Höhe und der Chor (?), von dem Gebäude der Ortenauer Ritter-
schaft eine Treppe und ein daranstoßender Gebäuderest. Kurz, man kann mit Gothein
sagen, daß in Offen bürg kein Haus das Jahr 1689 überdauert hat. In einer
Relation über den Schaden sind die zerstörten Gebäude einzeln aufgeführt; ich nenne
daraus »das schön und überaus kostbare Rathaus und Kanzley, das Kaufhaus, die Pfalz,
der Bürgerhof, das Zeughaus, beide Prädicaturhäuser, die schöne, kunstreiche Kirche
des Andreasspitals etc.«.1 2) Als am 12. Oktober einige Mitglieder des Magistrats sich
zusammenfanden, konstatierten sie, daß »die Herren und Bürger allenthalben dispergiert
und in den Tälern sich aufhalten« und daß, da die Franzosen noch in der Gegend,
nicht die geringste Aussicht sei, in der Stadt zu bauen. Endlich nach 1690 fing man
allmählich wieder an, gestört in dem letzten Jahrzehnt des 17. Jhs. durch einige weitere
französische Überfälle. 1696 dachte man an den Spitalbau, 1701 wurde die Kirche des
Spitals wieder aufgebaut, 1700 der Grundstein zur neuen Pfarrkirche gelegt. Neue
Opfer verlangte der spanische Erbfolgekrieg, es wurden von Neuem Geldsummen aus der
ganz erschöpften Stadt ausgepreßt, die ganze Ernte i. J. 1703 fouragiert, die französischen
Truppen sogen bei ihren verschiedenen Aufenthalten unter Villars, Villeroy etc. die Stadt
aus. Endlich brachte das Jahr 1714 den Rastatter Frieden. Aber lange noch, bis in
die Mitte des Jahrhunderts, wohnten manche Einwohner in Kellern und Baracken.
Die ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts brachten den Bau der öffentlichen
Gebäude, der Kirche, des Rathauses, des Amtshofes, in den fünfziger und sechziger
Jahren erstehen eine große Anzahl stattlicher Privathäuser; aber es dauerte immerhin
das ganze Jahrhundert, bis die Stadt einigermaßen sich erholt hatte.
1701 hatte der Markgraf Ludwig Wilhelm, der Türkenlouis, die Landvogtei
als Mannlehen erhalten, 1702 präsentierte ihm die Stadt 6 Ohm roten und 6 Ohm
weißen Wein sowie zehn Säcke Haber. Aber auch mit der badischen Herr-
schaft ging es nicht ohne Mißhelligkeiten ab. So gab es 1760 einen Streit mit dem
1) Walter, Zum zweihundertsten Gedenktag etc., S. 17.
2) Walter a. a. O. S. 21.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
47 1
ortenauischen Sekretär, der gegen Recht und Gewohnheit seinen Sitz in der Stadt
nehmen wollte, die ihm die Tore versperrte. Darauf bot er 1400 bis 1500 (?) Bauern
aus Griesheim und Ortenberg auf, diese erbrachen die Tore, und der Sekretär zog im
Wagen ein. Die Einwohner aber verhielten sich ruhig in ihren Häusern, die Bauern
mußten sich allmählich verlaufen, und die Streitsache wurde im Rechtswege beigelegt.
1771 kam die Landvogtei wieder an das Erzhaus Österreich, und von Neuem suchte
dies die Rechte der Städte zu schmälern, sie zu österreichischen Landstädten herab-
zudrücken. Sofort erneuerten die Städte ihren Bund; aber die Reichsunmittelbarkeit
war trotzdem eine lästige, überlebte Sache geworden. Gerade die Gerichtsbarkeitsrechte
wurden langweilig bei der bekannten Langsamkeit des Reichskammergerichtes, und die
Einwohner der Städte wandten sich von selbst an die nahen Gerichte der Landvogtei,
wogegen allerdings die Magistrate noch einmal mit Erfolg protestierten.
Auch in den inneren politischen Zuständen zeigte sich in diesen Jahr-
hunderten ein fruchtloses Streiten und Prozessieren um die alten Fragen mit den um-
wohnenden Gemeinden, mit dem Kloster Gengenbach etc. Von irgendwelchem Fort-
schritt ist nichts zu verzeichnen. Innerhalb der Stadtmauern kämpften Geschlechter und
Zünfte den alten Kampf; trotz des eigentlichen Zunftregimentes hatten die Vornehmen,
vereinigt in der »Konstafifler« -Zunft, wieder erneute Bedeutung erlangt, und sie suchten
das zu benutzen, um sich möglichste Befreiung von bürgerlichen Lasten zu verschaffen,
wogegen aber der Rat einschritt. Der Rat selber aber bestand allmählich nur noch aus
wenigen und denselben Geschlechtern, es hatte sich eine richtige Oligarchie ausgebildet.
1608 kam es darüber zu heftigen Auseinandersetzungen, zu Streitigkeiten zwischen den
sechs linierten Zünften und dem Alten und dem Neuen Rat über die Wahl des Alten
Rates; eine kaiserliche Kommission regelte die Angelegenheit wesentlich im Sinne der
Gemeinde. Der Alte Rat sollte nur die Gerichtsbarkeit und die Forstverwaltung, aller-
dings das wichtigste Stück der Verwaltung, beibehalten, »in allem übrigen solle er mit
dem Jungen Rat eine Körperschaft bilden; die vier regierenden Stettmeister sollten aus-
schließlich aus dem Jungen Rat, der Schultheiß dagegen, wie in den Privilegien vorge-
sehen, aus dem Alten erwählt werden, doch mußte er vorher dem Jungen genannt werden«.1)
Der merkwürdige Anlaß zu dem Streit aber war, daß nach Zeiten üppigsten Hexen-
wahnes der Alte Rat offenbar etwas vernünftig geworden war und zwei »Hexen« hatte
entlaufen lassen, was ihm von der Bürgerschaft sehr verübelt worden.
Trotz jener günstigen Verfassungsbestimmungen stellte sich doch die Oligarchie
wieder her, es bildete sich die richtige Vetterleswirtschaft heraus, die über eine Schar
dumpf hinbrütender Kleinhandwerker herrschte. Eine derartige Entwickelung können
wir ja in allen unseren Städten konstatieren, sie hängt mit dem Wesen einer Bürgerstadt
eng zusammen und muß überall zutage treten, sowie der erfrischende Kampf um die
politische Existenz nicht mehr tägliche Anforderungen stellt. Wer aber die Borniertheit
in den großen Reichsstädten kennt, die in manchen jetzt noch nachwirkt, kann sich die
herrlichen Zustände in dem kleinen Offenburg einigermaßen vorstellen. Und so mußte es
denn wieder einmal zum Prozeß kommen, was 1744 geschah. Zwölf Jahre lang dauerten
die Fehden. Der Reichshofrat suchte in seinem Entscheid die Oligarchie etwas zu
mildern, die Befehle wurden verschärft, daß Verwandte nicht gleichzeitig im Rat sitzen
*) Gothein a. a. O. S. 286.
Band VII.
31
472
KREIS OFFENBURG.
Kirchliches
dürften, nur zwei Stettmeister sollten aus dem Alten, zwei aus dem Jungen Rat gewählt
werden ; letzterer selber aber war zu einer Oligarchie geworden, die Zünfte längst nicht
mehr durch ihre tatsächlichen Zunftvorsteher in ihm vertreten. Die lächerlichen Cere-
monien und kleinlichen Streitigkeiten, das ganze Unsinnige ehemals sinnvoller Bestimmungen
tritt in den Berichten über die Wahl des letzten Reichsschultheißen klar zutage.
Um hier Luft zu schaffen, bedurfte es größerer Stürme, die auch endlich am Ende
des 18. Jhs. wohltätig dieses entsetzliche alte morsche Gerümpel über den Haufen warfen.
Es bedeutete eine wahre Befreiung, als infolge der bekannten Vorgänge unter Napoleon I.
mit der Ortenau auch die Reichsstadt Offenburg an Baden kam. Am 23. September 1802
erfolgte die militärische Besetzung, am 29. November 1802 wurde die Civilbesitznahme
vollzogen und am Mittwoch, r. Dezember, begann die badische Renteiverwaltung der
Stadt und für diese ein neues Leben.
Kirchliches.
Literatur: Z. 9, S. 300 (Olberg); 14, S. 300 (Kirchenbau). Regesten der kath.
Pfarrei Ofifenburg, Mitteil, der bad. histor. Komm. Nr. 5, S. 264 ff. P. Staudenmaier,
Die Pfarrei Offenburg nebst ihren Filialen in früheren Zeiten, Freib. Kath. Kirchenbl. 1880,
Nr. 4 — 7 (nach Rapps Bericht). K. Walter, Bericht des Kirchherrn Lazarus Rapp
über die Pfarrei zu Ofifenburg vom 26. Oktober 1616, Karlsruhe und Offenburg 1892.
Visitationsberichte über die Pfarrei Offenburg, FDA. NF. III, S. 299 ff. Christlicher Ein-
fältiger Bericht von den Exorcismis u. Teufelsbeschwörungen, so dieses verschienene 1603.
Jahr zu Offenb. fürgenommen worden, o. O. 1603. A. Birlinger, Eine Beschwörung zu
Offenb. 1603, Alemannia IX (1881), S. 252 ff. H. Schreiber, Die Hexenprozesse
zu Freib., Offenb. u. Bräunlingen, Freib. Adreßkal. 1836. Fr. Volk, Hexen in der
Ortenau u. Offenburg, Lahr 1882. Bader, Bestätigungsbrief über die Ordnung der
Bruderschaft od. Schützengilde von S. Sebastian zu Offenb. 1451, Z. 5, S. 484 ff.
Auszug aus dem Ratsprotokoll der Stadt Offenb. vom 3. September 1632 über das Fest
der h. Ursula, Offenb. Volkszeitung 1891, Nr. 72. Statuta venerabilis capituli ruralis
Offenburg., Argentor. 1747 u. 1767. Einrede u. Widerlegung der vom Domkapitel
zu Straßb. gegen das Pfarr-Rektorat zu Offenb. wegen prätend. Heimfall der Rektorats-
einkünfte in den Österreich. Ortschaften Weingarten, Ortenberg etc. eingereichten Klag-
schrift, 1795.
Haid, S. Andreas -Hospital zu O., FDA. II, S. 288 — 341. K. Walter, Die
Urkunden des S. Andreas-Spitals, Mitteil. d. bad. histor. Komm. Nr. 7, S. 53 — 66, und
»Der Alt Offeburger« 1905 ff. Fr. Mone, Urkunden über das Dominikanerinnenkl. zu
Offenb., u. Mone, Quellensammlungen IV, S. 48 ff. Bader, Zwei Urkunden über die
Berufung und Begebung des Ordens der mindern Brüder zu Offenb., Z. 5, S. 243 ff.
F. J. Müller, Beschreibung der Feierlichkeiten bei Legung des Grundsteins zur
evang.-prot. Kirche in Offenb. am 9. Juli 1857, Offenb. 1857. Vier Reden bei Ein-
weihung der evang. Kirche zu Offenb. 1864, ebd. 1865. Die evang.-prot. Gemeinde
zu Offenb., Flugbl. 2 des bad. Hauptvereins der Gustav- Adolf-Stiftung, Karlsr. 1869.
Woher die neue Ofifenburger Opposition? u. wohin? Ein Wort von freigesinnter, kath.
Seite, Freiburg 1869.
Wilh. Weiß, Gesch. des Dekanates u. der Dekane des Rural- u. Landkapitels
Offenb., Offenb. 1893, H. 2, S. 77 ff.; H. 4, S. 4 ff. Krieger, Topograph. Wörter-
buch II, S. 410 ff.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
473
Das älteste Dokument, das uns über die kirchlichen Verhältnisse von Offenburg
aufklärt, stammt aus dem J. 1223. Danach gehört das Patronatsrecht über diese Kirche
»von alterher« den Kanonikern des Straßburger Münsters.1) Vorher schon im 12. Jh.
(1182) wird eines Priesters Friedrich von Offenburg gedacht. Die Ausdehnung des Pfarr-
sprengels war entsprechend der Bedeutung des Gemeinwesens am Ausgang des Kinzig-
tales, auf einer uralten Kulturstätte, außerordentlich groß. Eine Zirkumskription vom J. 1242
nennt die Grenzpunkte, die heute allerdings zum Teil gegenstandslos sind.2) Danach
umfaßte die Pfarrei Offenburg noch Weingarten (hier 1396 eine Kapelle konsekriert; im
16. Jh. Pfarrei und dem Hohen Stift in Straßburg wie der Offenburger Pfarrei zehnt-
pflichtig), Bohlsbach, dessen Kapelle nach den an verschiedenen Orten angebrachten
Daten aus der zweiten Hälfte des 15. Jhs. stammt, Elgersweier, woselbst nach Rapps
obengenanntem Bericht »eine gar alte, ungezierte Kapelle mit ganz beschädigtem violiertem
Altar sich befand«, die 1677 abbrannte, Ortenberg und Waltersweier, Rammersweier
und der ausgegangene Ort Tutwyhler. Bis 1266 wurde dieser weitausgedehnte Sprengel
nur von einem Pfarrektor und zwei Helfern pastoriert; damals kam noch als dritter
Helfer ein Frühmesser hinzu. 1280 wurden die Franziskaner, in erster Linie allerdings
für den Unterricht, berufen. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte kamen eine große
Anzahl Altarpfründen3) hinzu, deren Besetzungsrecht 1484 der Rat der Stadt in den
päpstlichen Monaten erhielt. Da diese Altaristen aber meist nicht Residenz hielten und
halten konnten, so zog der Rat von Offenburg um 1520 alle diese Altarpfründen an
sich, erbaute aus den Gefällen eine Kaplanei und dotierte die ca. 1601 in der Achtzahl
vertretenen Lehrer, und vor allem errichtete er an Stelle der Altarpfründen eine Kaplanei-
pfründe, deren Inhaber außer mit der Seelsorge mit der Verkündigung des Wortes
Gottes betraut war (Predigerpfründe). 1563 wurde noch eine zweite Kaplaneistelle
errichtet.
Kollator und Zehntnießer war von Anfang an das Hohe Stift von Straßburg, und
der Pfarrektor entstammte meist dessen Gremium ; häufig war es im späteren Mittelalter
der Archidiakon der rechtsrheinischen Kapitel,4) so schon 1242 C. canonicus Argen-
tinensis archidiaconus dictus de Wolau, rector ecclesiae. Titulus der Kirche ist Kreuz-
erhöhung; Nebenpatrone sind S. Ursula mit ihren Gefährtinnen; außerdem noch
S. Gangolf und S. Aper. Von einem Kirchenbau hören wir aus dem J. 1387; es ist
der gleiche, der bis auf den Chor 1689 der Brandschatzung der Franzosen zum Opfer
fiel. Ein Frater Markus vom Minoritenorden, Suffraganbischof von Straßburg, konsekrierte
1415 den neuerbauten Chor samt Hoch- und Seitenaltären.
Mehr noch als die benachbarten Reichsstädte sah Offenburg an der Wende vom
Mittelalter zur Neuzeit ein blühendes geistiges Leben. Schon 1496 wurde hier eine
Druckerei errichtet. Mehrere bedeutende Humanisten, wie Paul Volz, der Historiograph
von Schuttern, Freund des Erasmus, der später als Abt von Hugshofen apostasierte,
oder wie der Straßburger Rechtsgelehrte Dr. Wendelin Büttelbronn, der sich gleichfalls
der neuen Lehre zuwandte, der Straßburger Stättemeister Sturm von Sturmeck, stammten
Straßb. Urk.-Buch I, S. 152.
2) Vgl. Krieger a. a. O. II, S. 412.
s) Vgl. Gran di di er, litat eccldsiast., eine Steuerrolle aus dem J. 1464, S. 80.
4) Vgl. Baumgartner, Gesch. und Recht des Archidiakonats der oberrhein. Bistümer von
Mainz und Würzburg, Stuttgart 1907, S. 74.
31
474
KREIS OFFENBURG.
von Offenburg. Der Lehrer an der Lateinschule, Gervas Sopher, förderte offenbar in
hohem Grade diese literarisch-wissenschaftliche Bedeutung Offenburgs, arbeitete aber
auch stark der neuen Lehre vor, für die teilweise der Boden schon durch Waldenser,
hier Winkler genannt, gelockert war. Im J. 1400 hatte man aus einem hochnotpein-
lichen Verhör von 32 Straßburger Waldensern Kenntnis bekommen »von den Hüsem
und Herbergen, die die Winkeier hand zu Offenburg, zu Lore und anderswo«.1) Die
Nähe von Straßburg, das energische Vorgehen des Grafen Wilhelm von Fürstenberg in
der Landvogtei Ortenau, der Übertritt benachbarter Adeliger, wie der Herren von
Geroldseck, von Röder und Böcklin zum Protestantismus, trugen das Ihrige dazu bei,
auch in der Stadtbevölkerung der evangelischen Lehre manche Anhänger zu gewinnen.
Doch stellte sich die Stadt nach dem entscheidenden Reichstag zu Augsburg (1530) in
Gegensatz zu dem befreundeten Straßburg und erklärte sich für den Kaiser und den
alten Glauben. Und um den Zulauf der städtischen Bevölkerung zu den Prädikanten
in Weingarten und Gengenbach zu unterbinden, ließ der Stadtrat während der Zeit des
sonntäglichen Gottesdienstes die drei Stadttore schließen. Auch ein Versuch, den die
Franziskaner 1531 machten, auf einem vom Provinzial nach Offenburg berufenen Kapitel
eine Reformierung im Sinne des Zeitgeistes herbeizufuhren, wurde vereitelt, indem der
Einladung keine Folge gegeben ward.2) Eine starke , moralische Stütze erhielt der
Katholizismus in der Stadt durch die Übersiedelung eines großen Teils des Straßburger
Domkapitels, dem Offenburg nach der Protestantisierung Straßburgs gastliches Obdach
gewährte.
Wenn sich im allgemeinen das 16. Jh. für die kirchlichen Verhältnisse in Offenburg
ruhig gestaltete, so brachte das 17. durch den Dreißigjährigen Krieg und die nachfolgenden
französischen Kriege um so mehr Unheil über die Reichsstadt. Abgesehen von häufigen
Plünderungen wurde die ganze Stadt am 9. September 1689 völlig niedergebrannt. Von
der Kirche blieb nur der Chor stehen, der, notdürftig repariert, auch noch 1699 allein
für den Gottesdienst verwendbar war.3) 1692 war die Sakristei für den Notgottesdienst
hergerichtet worden. Sonst fanden die gottesdienstlichen Verrichtungen in der allein
der Katastrophe entgangenen Kapuzinerkirche oder in der Weingartener Kirche statt.4)
Eine Begleiterscheinung dieser traurigen Zeiten bildet das Hexenunwesen, das besonders
in Offenburg und in der Ortenau zahlreiche Opfer gefordert hat.5)
In den Kriegszeiten hatte sich die weite Ausdehnung des Pfarrsprengels sehr
unangenehm fühlbar gemacht. Die Unsicherheit der Wege machte oft genug eine regel-
rechte Ausübung der Seelsorge unmöglich. Aber schon früher, seit dem 15. Jh., hatte
sich in den verschiedenen Filialen, infolge der größeren Seelenzahl, das Bestreben
gezeigt, eigenen Gottesdienst und womöglich eigene Cura zu erhalten; selbst die recht-
lichen Verpflichtungen zu Zehntabgaben, die sich aus dem Filiationsverhältnis ergaben,
wurden allmählich bestritten. Im J. 1616 war die Erhebung von Bohlsbach, Bühlweg
und Weingarten ernstlich im Gange. Lazarus Rapp hat aber damals durch seinen
Bericht über die rechtlichen Verhältnisse der Pfarrei Offenburg die Schmälerung ihres
X) Vgl. Röhr ich in Illgens Zeitschr. f. hist. Theologie 1840, I, S. 141. Vierordt I, S. 43.
2) Vgl. FDA. X, S. 108 ff. Gothein, Wirtschaftsgesch. des Schwarzwalds I, S. 270 ff.
3) FDA. NF. III, S. 302.
4) Visitationsprotokoll von 1692, ebenda S. 301.
5) Vgl. Volk, Hexen in der Ortenau und in Offenburg, Lahr 1882.
AMT OFFENBURG.
OFFENBURG.
475
Sprengels noch etwas hintangehalten. Denn das Visitationsprotokoll von 1666 führt
unter den sieben Kapellen der Pfarrei noch die von Weingarten (divae Virgini sacra,
miraculis clara), von Bühlweg bei Ortenberg (zur Schmerzhaften Mutter Gottes, 1497 mit
Einwilligung der Kurpfalz gebaut), von Bohlsbach (zum h. Laurentius) und von Elgers-
weier an. Erst 1787 bekamen Weingarten und Ortenberg (mit Bühlweg), 1790 Bohls-
bach und Elgersweier Pfarrecht.
Von wohltätigster Wirkung für Offenburg war das um 1300 gegründete Hospital
zum h. Andreas, das 1301 erstmals erwähnt, 1306 als von der Bürgerschaft gestiftet
bezeichnet wird.1) 1310 erhält es eine feste Rechtsordnung, die sich im allgemeinen nach
derjenigen des älteren Freiburger Spitals richtet. Es werden ihm die gleichen Freiheiten
und Rechte wie den anderen Gotteshäusern, seinen Insassen Anteil an allen Gerichten
und Allmenden, Freiheit von Steuern, Kriegslasten und anderen öffentlichen Leistungen
zugewiesen. 1316 wurde die Errichtung eines Oratoriums, unbeschadet der Rechte der
Offenburger Pfarrkirche, vom Straßburger Bischof genehmigt. Es scheint aber, daß
sich die Fertigstellung längere Zeit hinausgeschoben hat, denn es wird erst aus dem
J. 1341 die Konsekration zu Ehren des h. Andreas, des h. Erhardt und der h. Maria
Magdalena berichtet. 1359 stiftete der Pfarrer Nicolaus Sigelin eine Spitalseelsorge-
pfriinde mit Altar zu Ehren der Heiligen Antonius, Leonhard, Nicolaus und Katharina,
1374 zwei weitere zu Ehren der h. Katharina und der zehntausend Jungfrauen. Die
Zuwendungen und der käufliche Erwerb von Gütern und Gilten mehrten sich rasch
und in großem Umfang; so war es noch vor dem J. 1500 in Fautenbach, Mosbach,
önsbach, in Achern und Oberachem, Sasbach, Obersasbach, Waldulm, Kappelrodeck,
Erlach, Ottersweier, Bühl, Nesselried, Fessenbach und Willstett begütert. 1441 wurde
ihm auf Anordnung des Kardinals Louis d’Allemand die Fautenbacher Kirche inkorporiert,
über die das Spital kurz zuvor das Patronatsrecht erworben hatte. In der Folge wurde
es in das arme Spital (für Kranke) und in das reiche oder Andreasspital (flir Pfründner)
zerlegt. Außerdem bestand noch ein Leprosen- oder Gutleuthaus mit einer Kapelle zu
Ehren der Heiligen Jakobus, Nicolaus, Magdalena, Barbara, Elisabeth in Offenburg, das
die Steuerrolle von 1446 offenbar mit dem Hospitale junior (sic!) meint im Gegensatz
zum Hospitale senior.
Unter den Klöstern war das älteste das der Franziskaner, die der Rat der
Stadt 1280 vom Provinzialkapitel in Mainz erbat (fratres industrios, quorum regamur
et gubemamur consilio).2) Man wird bei dieser Berufung ebensosehr die Pflege der Seel-
sorge wie des Unterrichts im Auge gehabt haben. Zwar werden früher schon Lehrer
und auch nachher noch solche aus dem Laienstand erwähnt (1275: Hermannus, rector
puerorum; 1279: relicta quondam Kanczellarii alius rectoris puerorum). Den Barfüßern
scheint man aber hauptsächlich die höhere Schule anvertraut zu haben, die sie auch
innehatten bis ins 19. Jh. herauf. Unter den Zöglingen dieser Schule ragen im 18. Jh.
besonders der aus Offenburg gebürtige, 1789 als Professor der Pastoral Wissenschaft
in Luzern verstorbene literarisch fruchtbare Pater Joachim Braunstein und der aus
Bohlsbach gebürtige Naturforscher Oken hervor. In ihrer Kirche fand die selige
Gertrudis ihre letzte Ruhestätte (Gertrudis uxor Rippoldi omnium opinione beata, cuius
*) FDA. II, S 291 ff.
2) Vgl. Mone, Z. 5, S. 243. Ortenauer Bote von Offenb. 1858, Nr. 88.
476
KREIS OFFENBURG.
Römisches
tumulus contegitur lapide maiori humo altius prominente).1) 1816 wurde das Kloster auf
gehoben und 1823 dem von Ottersweier hierher verlegten weiblichen Lehrinstitut angewiesen.
Wenig nur ist über ein Kloster der Dominikanerinnen bekannt, dem 1246,
11. Juli, Papst Innocenz IV. auf Bitten eines Walther von Jouvignac einen Freibrief aus-
stellt.2) Aber schon in der Ordensstatistik von 1303 (Quetif, Script. Ord. Praed. I, 10)
fehlt es, wie auch jede weitere Kunde für eine spätere Zeit.
Neben den Franziskanern wurden 1640 auch die Kapuziner, allerdings erst
nach längeren Verhandlungen, zugelassen. Ihnen ist vor allem die Missionierung des
Volkes im Dienste der Gegenreformation zu danken. Rückhaltlose Anerkennung haben
sie hier wie anderswo gefunden für ihr mutiges Ausharren auf ihrem Posten während
des Dreißigjährigen und der folgenden Kriege, wodurch sie manches Unheil abgewehrt
und viel Gutes gestiftet haben. 1808 wurde ihr Kloster nominell aufgehoben, doch
bestand es noch kurze Zeit weiter, so daß noch 1819 ein Guardian und ein Definitor
genannt werden.3) In die Gebäulichkeiten wurde das Gymnasium eingewiesen.
Kaum mehr als die Namen ist von den häufiger erwähnten Beghinen in Offen-
burg bekannt, deren frühest vorkommende Lutgardis dicta Möchin, begina de Offenburg,
dicta de Saßbach (1307), ist. Später begegnen die Schwestern »in der von Schuttertal
gotzhus«, oder im großen gotzhus oder im Richkalden gotzhus.4) Die Friedhofkapelle
führt als Patron den h. Michael. (Sauer.)
Römisches : Im Bereich der Stadt wurden einige römische Steindenkmale
gefunden :
1. Bei Blechnermeister Pfitzmaier wurde 1860 ein großes römisch-korinthisches
Säulenkapitell aus Sandstein, 90 cm hoch, oben 60 cm breit, ausgegraben, »an
dessen Stelle ein anderer Abweiser gesetzt und wieder zugepflästert«. Seitdem in der
Karlsruher Sammlung.
2. C. L. Wielandt in seinen »Beyträgen zur ältesten Geschichte des Landstrichs
am rechten Rheinufer von Basel bis Bruchsal, Karlsruhe 1811« berichtet, es sei in
Offenburg vor etwa 20 Jahren (also ca. 1790) in der Kinzig ein Grabstein gefunden
worden mit dem Reliefbild eines römischen Kriegers, der eine über die Knie
gehende Tunika trägt, in der linken Hand einen Dolch, rechts ein Schwert mit dickem
Knauf haltend, im unteren Teil mit einer Inschrift, die »ein Dritteil der Steinplatte
einnimmt; die sehr großen, auf der linken Seite durchaus deutlichen schönen römischen
Buchstaben sind auf der rechten Seite nicht ganz so schön erhalten«. Die Steinplatte,
1,72 m hoch, 0,68 m breit, kam 1812 in den sogen. Bürgerhof, befand sich 1854 im
Garten des Kaufmanns Guerra und ging 1869 durch Kauf in die Karlsruher Sammlung
über. (Tafel XIV.)
Die Inschrift lautet:
L: VALERIO • ALB
INO • DOM //// IIISI ///
’ll CHO • I • THRACVM
ANN LXV STI XXIII
H (ic) S (itus)
x) Mone, Quellens. III, S. 765.
2) Ebenda IV, S. 48 ff.
3) FDA. XVIII, S. 205.
4) Krieger II, S. 415.
Dem Lucius Valerius Albinus Dom . . . .
Centurio der I. Kohorte der Thracier,
im 65. Lebens- und 23. Dienstjahr.
Er ist hier beigesetzt.
Tafel XIV
Römischer Grabstein aus Offenburg,
jetzt in den Grofih. Sammlungen für Altertums- und Völkerkunde zu Karlsruhe.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
477
Das Denkmal ist, als dem Centurio (Hauptmann) einer Kohorte zugehörig, selten und
von Wert für die Geschichte der Besetzungen des Rheinlands. Es ist, nach seinem alter-
tümlichen Eindruck zu schließen, nicht später zu setzen als zur Zeit Yespasians.
Wielandt bemerkt: »Noch sollen ähnliche Steine im Bett der Kinzig liegen, die bei
kleinem Wasser sichtbar werden.« Seiner Aufforderung, danach zu trachten, sie zu
erheben, ist bis jetzt noch keine Folge gegeben worden.
3. Zugleich mit dem Valeriusstein kam 1869 ebenfalls aus dem Garten des Kauf-
manns Guerra ein leider stark beschädigter römischer Meilenstein in die Karls-
ruher Sammlung, der im Sommer 1840 gefunden wurde, als der Bezirksingenieur
Föhrenbach bei Offenburg nächst dem sogen. Schwabentore die Straße, die nach Gengen-
bach führt, eine Strecke lang erweitern ließ, wozu einige tiefe Ausgrabungen nötig waren
(s. Fr. Weißgerber im Progr. d. Gymnasiums für 1840/41). Das Genauere über ihn
• gibt Zangemeister in der Westdeutschen Zeitschrift
für Geschichte und Kunst, Trier 1884, Jahrg. III,
S. 246 ff. Die cylindrische Sandsteinsäule ist noch
1,24 m hoch bei 0,44 m Durchmesser; vorn herunter
ist sie geradegeschlagen worden, so daß außer oberen
Linien auch ganz durch der mittlere Teil der Inschrift
fehlt. Nach Zangemeisters Ergänzung derselben
lehrt sie, daß unter Vespasian um das Jahr 74 von
Straßburg (Argentorate) aus nach Osten von dem kaiser-
lichen Legaten Cnejus Cornelius Clemens eine mit
Meilensteinen besetzte Straße angelegt worden ist, die
badische Ebene also damals bereits als römisches Ge-
biet betrachtet wurde; es ist die älteste datierbare
Steininschrift zwischen Rhein, Main und Donau.
4. Anläßlich der Korrektion der Hauptstraße bei
der S. Johannis -Brücke wurde 1880 ein Teil der alten
Stadtmauer abgebrochen, in welche eingemauert der
Torso eines römischen Soldaten aus Sand-
stein sich fand. Derselbe, noch 39 m hoch, ist stark
beschädigt, läßt aber noch zwei Gürtel für Schwert und Dolch erkennen; die Waffen
selbst sind abgeschlagen. Seit Dezember 1880 in der Karlsruher Sammlung (s. Fig. 260).
In der Stadt brachte weiter die Kanalisation von 1890 in der Mitte der Korn-
straße vom Rathaus zum Vincentiushaus in 1 m Tiefe 25 römische Tonscherben,
einige von roter Terra sigillata und verziert. Dabei ein Silberdenar des Trajan. Auch
sonst römische Münzen (s. Bissinger, Röm. Münzfunde in Baden 1889, N. 112 a).
Dazu fand man 1885 im nahen Stadtwald, Distrikt »Unterbündle«, zwei dicke,
nach beiden Seiten spitzig zulaufende Eisenluppen in der Form, wie das Eisen in
römischer Zeit in den Handel kam (jetzt Karlsruher Sammlung).
Alle diese Funde beweisen die Bedeutung des städtischen Bodens in der Zeit
römischer Kultur. Der Gedanke ist nicht abzuweisen, daß sich dort auch noch die
Spuren eines römischen Kastells auffinden lassen könnten.
Alemannisches : In dem spitzigen Winkel zwischen der Rheintalbahn und der Alemannisches
Schwarzwaldbahn entdeckte man 1894 einen alemannischen Reihengräber-
Fig. 260. Sandsteintorso eines
römischen Soldaten.
( Gefunden in Offenburg, jetzt in der
Staa tssa m nilung.J
478
KREIS OFFENBURG.
Stadtanlage und
Befestigung
vtrgolAtX
friedhof, dessen Spuren übrigens schon beim Bau der letzteren Eisenbahn zutage
getreten waren. Seitherige Ausgrabungen ergaben nicht unbedeutende Fundstücke:
Eisenschwerter, Schildbuckel, Schnallen, Kämme, Ohrringe, farbige Perlen, Bernstein-
stücke u. dergl. Besonders bemerkenswert ist ein zweischneidiges Schwert (Spatha)
mit . silbertauschiertem Griffknopf und vergoldetem Zwischenblech; Länge 91 cm
(s. Fig. 261). Die Funde befinden sich in der städtischen Altertümersammlung in Offen-
burg. ( W.)
Die Anlage der Stadt läßt sich noch heute, trotz der vielfachen Veränderungen,
erkennen, zumal wenn man den Plan der Befestigungen von 1645 (s. Fig. 262), den
K. Walter publiziert hat, zu Rate zieht. ’) Außerdem liegt mir ein älterer Gemarkungs-
plan vor, in dem noch Reste der alten Befestigungen
angegeben sind, und zudem konnten bei zufälligen
Grabungen für Neubauten, insbesondere aber bei den Vor-
arbeiten zu dem neuen Bahnhof, eine Anzahl der Mauer-
züge klargestellt werden. Die letzteren Beobachtungen,
zusammen mit den Angaben des Gemarkungsplanes, sind
auf der in Fig. 263 wiedergegebenen Katasterkarte ein-
getragen.
Ein Blick auf den Plan (s. Fig. 263) lehrt uns die
zwei wichtigsten Straßen kennen, die Hauptstraße und die
Lange Straße. Ich möchte glauben, daß sie den beiden
römischen Straßen, von denen wir wissen, entsprechen.
Und zwar die Hauptstraße der Rheintalstraße, die von
Mainz nach Badenweiler führte. Noch heute verläßt an
ihrem südwestlichen Ausgang bei Plan 1 die Straße nach
Freiburg die Stadt, nördlich die Straße nach Achern,
Baden, Rastatt, die aber zwischen Offenburg und Appen-
weier durch die Bahnanlagen verändert ist. An der süd-
östlichen Ecke betrat die aus dem Kinzigtal kommende
die Stadt, bei Plan 2, am Beginn der Langen Straße ; am
nördlichen Ausgang traf sie sich mit der anderen, um
wenige Minuten vor der Stadt in der Richtung nach
Straßburg abzubiegen. Wer vom Kinzigtal direkt in der Richtung nach Freiburg weiter
wollte, kam durch die Gerberstraße an den südwestlichen Ausgang. Unter den Zähringern
hat sich dann an der Rheintalstraße zunächst die Bewohnerschaft angesiedelt, aber wohl
auch an der aus dem Kinzigtal herkommenden Straße, und charakteristischerweise ent-
standen an beiden Plätze, an der Hauptstraße der eigentliche Marktplatz, und an der
Langen Straße der Lindenplatz. Mit der Zeit wurde zwischen beiden eine Parallelstraße
gebaut, die Kloster- und Spitalstraße, und eine Anzahl kreuzender Straßen; auf dem
westlichen, auch heute noch weniger stark besiedelten Terrain, das natürlich geschützt
war durch einen ziemlich steilen Abfall und die Kinzig mit ihren Abzweigungen, legte
man die Kirche an.
Uber die Befestigung wird in der Relation über den von 1688 bis 1696 erlittenen
Schaden geschrieben: »die gesammte Fortifikation so in drei mit Mauern gefutterten Graben,
*) Wo die Federzeichnung sich befindet, ist leider nicht angegeben und mir unbekannt.
Fig. 261. Zweischneidiges Schwert
(Griff).
(Gefunden in Offenburg , jetzt in der
std dti sehen Altertum er Sammlung.)
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Fiel« Platz
UöV*ind üjA i
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Schäme.
Plan der Stadt Offtnburg, mit eingeceichntun Btfatigmgshmen.
Band VII. Zu Seite 478
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
479
Zwingern und 3 Mauern, 9 hohen wohlerbauten Türmen von 6 Contignationen, jeder
wenigstens 10000 fl. werth, und 18 Rondelen und vielen Aus- und Innen-Werken, Wällen
und Contreskarpen« besteht. Genau dem entspricht auch die Federzeichnung von 1645;
wir sehen die drei Türme, wovon drei Tortürme, die innere Mauer (p) mit dem davor-
liegenden, durch Palissaden abgeteilten inneren Zwinger (10), eine zweite Mauer und
den inneren Graben (11), der an der Westseite des Mühlbaches wegen nicht herum-
geführt war, dann den äußeren Zwinger, und nach einer dritten, mit kleinen Türmen
versehenen Mauer den äußeren Graben, der wieder des Mühlbaches wegen an der
Westseite fehlt, der die Gräben mit Wasser versieht. Im Westen haben wir vor dem
inneren Zwinger ohne Graben den zweiten, und die Bemerkung dazu lautet ausdrücklich :
Fig. 264. Reste der ehemaligen Stadtbefestigung Offenburgs.
»der Zwinger gegen dem Wasser, wo kein Graben, der Zwinger und die Mauern aber
ziemlich hoch liegen«. Wo heute der Vincentiusgarten liegt, da war in dem Zwinger
noch ein besonderes Werk vorgebaut — der schwarze Hund mit dem Milterturm, darauf
drei Geschütze. Überall an der inneren Mauer treffen wir die nicht als Türme gezählten
Rondelle (wie in Gengenbach) und Maueraufsätze. Von den Toren hieß das nordöst-
liche, dem Kinzigtal zu, das Schwabhauser Tor, das südwestliche, nach der Freiburger
Straße zu, die über die Kinzig führte, das Kinziger Tor, das nördliche, nach Straßburg-
Appenweier das Neutor. Wir erkennen deutlich, wie vor diesen Türmen die übliche
Vortoranlage den Zwinger durchbrach. Die dreifachen Mauerzüge sind im Nordosten und
Osten durch Grabungen festgestellt (s. den Plan), im Westen und Süden wenigstens der
eine Zug. Das so Geschilderte dürfte die schon aus dem Mittelalter stammende, her-
kömmliche Befestigung der Stadt darstellen.
V
2ÖS- Grundriß der kath. Pfarrkirche in Offenburg.
480
KREIS OFFENBURG.
$
Im 17. Jh. erhielten diese Werke eine weitere Verstärkung, die nach den Er-
fahrungen des Dreißigjährigen Krieges der damalige Kommandant, Johann Reinhard
von Schauenburg, aufführen ließ.
Und zwar umgab er vor allem
die Nord- und die Ostseite mit
Schanzen ( 14 — Iß), von denen
ein Teil auch auf unserem Plan
sichtbar ist. Dagegen passen
die im Norden angegebenen,
tatsächlich also vorhandenen
Mauerzüge nicht zu den in
der Federzeichnung sichtbaren,
die nicht so weit von der
Stadt entfernt waren. Vielleicht
haben wir es hier mit einer
weiteren, späteren Verstärkung
zu tun. Im Süden legte Johann
Reinhard von Schauenburg
nur die kleine Schwabhauser
Schanze an, zum Schutz des
dortigen Tores, und ebenso im
Südwesten vor dem Mühlbach
die obere Mühlschanz (18) zum
Schutz des Kinziger l'ores.
Die Westseite schien durch das
Wasser geschützt, doch wurde
auch hier, wo dieses einen
freien Platz zwischen sich und
den Mauern ließ, eine Brust-
wehr in halber Mannshöhe her-
gestellt, die bei der Aufnahme
der Federzeichnung noch nicht
fertig war (bei 24 :), ebenso an
der Nordwestecke eine Brust-
wehr (23) und eine neue
Schanze, die Seeschanz, vor
denen sich noch eine vierte
Mauer mit Türmen hinzog.
Vielleicht schon im 15. und
16. Jh., mit dem Aufkommen
der Feuerwaffen, oder auch erst
jetzt, wurden die Ecken der
inneren Mauer zu Bollwerken
ausgestaltet, so nordwestlich
das Bollwerk beim Bad (4)
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
481
mit dem Badstubenturm, nordöstlich bei dem
Franziskanerkloster das Klosterbollwerk (ßj, an
der Ostseite die innere Schanz (16) beim
Lindenplatz mit dem Krähnerturm, südöstlich
das Schwabhauser Bollwerk, südwestlich (j)
das Kinziger Bollwerk. Die Gräben konnten
aus dem Mühlbach, also aus der Kinzig, sofort
mit Wasser gefüllt werden.
Heute sind noch im Süden an den
städtischen Anlagen Reste der Stadtmauer zu
sehen, teilweise im Norden, in größerem Maße
aber nur im Westen, etwa vom Kirchplatz an
bis in die Nähe des ehemaligen Kinziger Tores.
Beim Vincentiusgarten sehen wir noch zwei
Rondells, achteckige Bastionen (s. Fig. 264);
nicht weit von dem Kinziger Tor sind die
innere Stadtmauer, der 20 m breite Zwinger,
die Mauer zwischen diesem und dem Graben
sowie eine erkerartige Auskragung auf zwei
Konsolen sichtbar, die wohl einen der turm-
artigen Erker trugen, mit denen die Mauer
besetzt war.
Die Befestigung der Stadt macht einen
recht stattlichen Eindruck, wenn sie auch 1689
nicht mehr auf der Höhe der damaligen Be-
festigungsweise stand. Ein paar Monate hätte
sie wohl, bei einiger Voraussicht — und die
war ja vorhanden — und Reparatur, allerdings
auch Energie der Bürgerschaft, stand halten
können, aber hier wie in den meisten Fällen
am Oberrhein zeigte es sich, daß vermutlich
durch den demoralisierenden Dreißigjährigen
Krieg mit seinen Folgen und durch die inneren
Zustände keinerlei Spannkraft und Mut vor-
handen war, daß außer der Impotenz des
Habsburger Hauses und der Schwerfälligkeit
der Heere die Stumpfheit der Bevölkerung ihr
schreckliches Schicksal verdient hat.
Kath. Pfarrkirche (ad Exaltationem
S. Crucis) (s. oben). Der ursprüngliche Bau war
am Ende des 14. Jhs. errichtet worden, er
brannte 1689 bis auf wenige Mauerreste ab.
Vom Chor scheinen die rohen Mauern bis zum
Dachansatz stehen geblieben zu sein, er konnte
deshalb verhältnismäßig rasch wiederhergestellt
— ; jga
i:r
m
■1 m
jor
Kath.
Pfarrkirche
Fig.' 266. Turvi der Pfarrkirche in Offenburg,
482
KREIS OFFENBURG.
sein ; für ihn war das Straßburger Domkapitel baupflichtig, das diese Arbeit offenbar
schon vor 1700 hatte erledigen lassen. Der Chor, aus Bruchsteinen (?) erbaut, jetzt
abscheulich backsteinimitierend gestrichen, in drei Seiten des Achtecks geschlossen,
zeigt noch die hohen schlanken Spitzbogenfenster mit dem Maßwerk (spitze Kleeblatt-
bögen des 14. Jhs.). Einmal abgetreppte Strebepfeiler und gotische Wasserschräge am
Äußern. Nördlich an ihn angebaut eine Kapelle, aus dem Achteck geschlossen, mit
ähnlichen Strebepfeilern, einpfostigen Spitzbogenfenstern mit Maßwerk, doppeltem Kreuz-
rippengewölbe. Sie muß etwas später erbaut sein, wie der nicht geschickte Ansatz an
den offenbar schon vorhandenen, einzig stehen gebliebenen nördlichsten Strebepfeiler
des Langhauses zeigt.
Ebenfalls später an den Chor angebaut, wie die originelle Benutzung der Strebe-
pfeiler zeigt (s. Fig. 265), die Sakristei mit zwei quadratischen Jochen mit Kreuzrippen-
gewölbe, den Spitzbogennischen zwischen den Strebepfeilern des Chors und einem kleinen
Chörlein mit Achteckschluß und entsprechendem Gewölbe, das sich im Kielbogen öffnet.
Auch hier einpfostige Spitzbogenfenster mit ähnlichem Maßwerk und einmal abgetreppte
Strebepfeiler.
Die Langhausmauem waren offenbar bis auf wenige Meter über dem Erdboden
zerstört. Nachdem der Chor im Rohbau fertig, ließ die Stadt im April 1700 sich den
Plan zum Langhaus und Turm durch den Straßburger Baumeister Joh. Wilh. Zäpfle
vorlegen, von dem man danach wohl vermuten darf, daß er den Chor im Aufträge
des Domkapitels hergestellt hatte. Im Juni wurde dann mit den Maurermeistern Franz
Beer und Konrad Albrecht aus Bregenz akkordiert. Den ersteren haben wir schon in
Gengenbach beschäftigt gefunden, wo er die Restauration der Kirche und den Neubau
des Klosters leitete. Von diesen vorzüglichen Leistungen mag man in Offenburg gehört
haben. Beer ist einer der bedeutendsten Meister der damals am ganzen Oberrhein so
tätigen Vorarlberger Bauschule, einer der tüchtigsten Architekten seiner Zeit überhaupt.1)
In dem citierten Aufsatz Pfeiffers, der zum ersten Male die Vorarlberger in genügender
Darstellung in die Kunstgeschichte einführte, wird ausdrücklich hervorgehoben, daß er
vom einfachen Maurer zum Architekten von hohem Ruf geworden. So verstehen wir
die obige ausdrückliche Bezeichnung als Maurermeister. Er stand damals auf der Höhe
seines Schaffens und war ein vielbegehrter Meister, wie seine Beschäftigung gerade zu
dieser Zeit in Gengenbach, Zwiefalten, Salem, Ehingen u. a. m. beweist. Uber seines
Mitarbeiters Konrad Albrecht Tätigkeit ist in der Pfeifferschen Darstellung nichts zu
finden. Wohl aber ersehen wir, daß er und seine Familie in mit ihm fünf Mitgliedern
unter den Vorarlbergern vertreten war. Es berührt danach merkwürdig, daß beide nur als
Maurermeister nach dem Plan eines Straßburgers gearbeitet haben sollen. Da auch der
Bau durchaus mit dem Stil der Vorarlberger übereinstimmt, dürfen wir ihn vollständig für
sie in Anspruch nehmen, wie auch die Innengestaltung des Chores; die Stadtgemeinde
hat sich nur vorher mit dem architektonischen Vertrauten des Domkapitels über den
ungefähren Plan geäußert. — Beer hatte die stehen gebliebenen Reste des Langhauses zu
benutzen, noch erkennen wir den gotischen Sockel und die abgeschrägten Fenster-
bänke, doch legte er demselben einen zu einem Drittel noch in die alte Fassadenlinie
hineinragenden Turm vor, neben diesem zwei einstöckige Räume mit Pultdach, welche
x) B. Pfeiffer, Die Vorarlberger Bauschule in Württemberg, Vierteljahrshefte NF. XIII, S. 1 1 ff.
Band VII. Zu Seite 48
Fig. 267. Katli. Pfarrkirche in Ofenburg. Bück von dem Chor in das Langhaus.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
483
die Treppen zu den Emporen enthielten. Das Äußere des Langhauses ist von größter Außeres
. . # des Langhauses
Schlichtheit, nur die flachbogigen Fenster mit einfach profiliertem Gewände gliedern
es. In den Treppenvorhallen schlichte Rundbogentüren, über denselben ovale Barock-
fenster, Ovalfenster auch am Fassadengiebel. Elegant steigt aus der Fassade der schlanke
Turm auf. Im Erdgeschoß das Portal mit den Halbsäulen, dem verkröpften Gebälk Turm
und dem gebrochenen Rundgiebel, im nächsten Geschoß einfache Lisenen und Rund-
bogenfenster, das letzte Viereckgeschoß mit ionischen Pilastern geziert, über ihnen
verkröpftes Gebälk und dann der reiche Achteckabschluß wie in Gengenbach, mit
korinthischen Säulen, langgestreckten ovalen Fenstern, darüber das dreifache Zwiebel-
dach. Vermutlich projektierte den Übergang vermittelnde Urnen auf den Ecken des
Turmes sind über der Ausführung weggeblieben.
Die Grundrißgestaltung des Innern darf man wohl in gutem Sinne originell nennen.
Es ist eine jener echten Barockleistungen, bei denen alle alten Bezeichnungen des Schemas
versagen. So könnte man die Kirche sowohl als einschiffige mit Emporen wie als drei-
schiffige mit nicht ausladendem Querschiff bezeichnen. Zwei Drittel des Langhauses sind
durch kreuzförmige Pilaster in drei Schiffe geteilt. Diese Pilaster tragen ein architrav-
artig behandeltes, dreifach geteiltes Gebälkstück und darüber ein großes, mächtig aus-
ladendes Gebälk, auf dem die halbrunden Archivolten ansetzen. Zwischen den Kapitellen
und dem ersten Gebälk ist die Emporenbrüstung eingezogen, auf der das große Gebälk-
stück gewissermaßen sich als zweite Pfeilerreihe darstellt. In zweidrittel Höhe der Pfeiler
setzen auf Gesimsen die flachen Bögen auf, die sich in die Seitenschiffe öffnen, ent-
sprechende Pilaster an den Langhauswänden tragen mit jenen Gesimsen die flachen
Gurtbögen. Die Empore zieht sich auch an der Westwand herum und ruht hier auf
entsprechenden Pfeilern mit hohem Sockel, kragt aber in mehrfach gebrochener Linie
weit über diese vor. Das freibleibende östliche Drittel des Langhauses wird durch halb-
runde, von den östlichen Pfeilern zu den Wandpilastern an der Chorstirnwand sich herüber-
spannende Gurtbögen in drei Teile geteilt, die von Kreuzgratgewölben mit mittlerem
ovalen Spiegel gedeckt sind. Das Mittelschiff ist mit einem scheinbaren Kreuzgrat-
gewölbe eingewölbt ohne Quergurten, in der Tat ein Tonnengewölbe mit einschneidenden
Kappen und eingezeichneten Spiegeln mit vielfach bewegtem Umriß; die Seitenschiffe
zeigen flache Kreuzgratgewölbe mit kleinem runden Spiegel, ebensolche die Emporen.
In die großen durchgehenden Langhausfenster schneiden die Emporen unvermittelt ein.
Der Chor ist mit einem entsprechenden Kreuzgrat- bezw. Tonnengewölbe überdeckt, er
öffnet sich in hohem Rundbogen nach dem Langhaus.
Die Innendekoration dürfte in ihrer Hauptsache ebenfalls noch auf die Vorarl- Innendekoration
berger zurückgehen. Wände und Decke sind in weißem Stuck gehalten, die Stuckver-
zierungen noch sparsam und in dem ruhigen Geschmack vom Anfänge des 18. Jhs. Die
Pfeiler mit den eleganten weißen, leicht vergoldeten Kapitellen waren wohl farbig gedacht
entsprechend bemalt die Laibungsflächen der Bögen und die Brüstung der Empore. Nicht
alles aber stammt aus dieser ersten Zeit, denn an der Kirche ist während des ganzen
Jahrhunderts weitergearbeitet worden, und es zeugen die Stuckumrahmungen der Seiten-
türen mit ihrem Spalierwerk etc. schon von der Hand eines im Geschmack der Regence
bezw. des beginnenden Rokoko gebildeten Künstlers.
Aus den verschiedensten Zeiten auch die Innenajisstattung. Zu ihren frühesten Innenausstattung
Teilen gehören die zwei an der Westwand unter der Empore aufgestellten Kirchenbänke, Kirchenbänke
484
KREIS OFFENBURG.
Altäre
Chorgestühl
Kirchen-
gestühl
Orgel #
deren Rückwände reiche, schwere
Schnitzerei in noch der Renaissance
nahestehendem Barock aufweisen.
1740 wurden die Altäre errichtet
durch Franz Lichtenauer. Der Hoch-
altar ist ein mächtiger Aufbau aus
marmorartig bemaltem Holz mit
Säulen, gebrochenen Giebeln, Voluten-
baldachin mit Krone. Größere Engel
und eine Menge von Putten schweben
oben und umgeben unten das Taber-
nakel. Der Altar umschließt ein Ge-
mälde der Kreuzerhöhung, dekorativ
wirksam, aber stark nachgedunkelt.
Daneben zwischen den Säulen die
überlebensgroßen, überschlanken Holz-
figuren der Heiligen Helena, Ursula,
Gangolf und Aper. Die beiden Seiten-
altäre sind ähnlich gehalten, wenn
auch natürlich einfacher, der nörd-
liche mit der Statue der Madonna
(18. Jh.), der südliche mit einem
Gemälde der Madonna des Rosen-
kranzes. Ungefähr um die gleiche
Zeit muß das schöne Chorgestühl
entstanden sein mit zwei Sitzreihen,
in guter, geschmackvoller Rocaille-
schnitzerei ; nicht viel später auch
das derbere Kirchengestühl mit
in stark bewegtem Rocaillestil ge-
schnitzten Wangen. 1760 wurde die
Orgel geliefert von dem Offenburger
Bürger und Orgelmacher Ignatius
Seuffert, Sohn des Hoforgelmachers
Philipp Seuffert in Würzburg, 1784
mußte sie in Rastatt renoviert werden.
Sie ist jetzt durch eine neue ersetzt,
doch hat man das alte Gehäus bei-
behalten, das mit reicher Rocaille-
schnitzerei verziert ist und oben die
Gestalten zweier musizierenden Engel
Fig. 268. Kanzel der Pfarrkirche in Offenburg. trägt. In äußerst reichen, bewegten
Rocailleformen ist auch das Gitter
der Orgelbrüstung geschnitzt. 1784 lieferte der Bildhauer Joh. Nep. Speckert, von dessen
bewegtem, prozeß- und strafenreichen Leben uns Walter ein Bild gegeben, für 95 fl.
Tafel XV
Vortragskreuz in der kath. Pfarrkirche zu Offenburg (Vorderseite) .
Tafel XVI
Vortragskreuz in der kath. Pfarrkirche zu Ojfenburg (Rückseite).
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
485
die beiden Presbyterien links und rechts vom Hochaltar in steifem Louis XVI., dekoriert
mit geschnitzten Kirchengeräten in der Nische; 1792/93 arbeitete er die Kanzel
(s. Fig. 268) in gleichem Stil, aber schon stark dem Empire sich nähernd, aus verschieden-
farbigem Marmor sowie Stuckmarmor, der Schalldeckel aus marmorartig bemaltem Holz.
Ein schön skulpierter Früchtekranz umgibt ihren kannellierten Fuß. Fünf größere
Reliefs : Geburt Christi, Jesus im Tempel, Bergpredigt, Speisung der Fünftausend, Himmel-
fahrt Christi, und zwei kleinere : der Gute Hirt und der Sämann, in Alabaster schmücken
sie. Zwölf Engel, die er noch anbringen wollte, blieben der Sparsamkeit halber unaus-
geführt. Der Bildhauer Starb über seinem Werk, es fehlten aber nur noch Kleinig-
keiten, die der Bildhauer Michael Pfaff von Hagenau ausführte. In gleichem Stil wie
die Kanzel, aber in Sandstein, ist der Taufstein gearbeitet, jedenfalls von demselben
Meister. Von ihm dürfte auch der holzgeschnitzte Kruzifixus herrühren, der im Lang-
haus hängt und der auf einen tüchtigen Bildhauer deutet.
Über den beiden (neuen) Seitentüren Wandgemälde des Todes Mariä und einer
Scene der Legende des h. Augustinus, dekorative Durchschnittsarbeiten der zweiten
Hälfte des 18.JI1S.
Von den einstigen, zu vermutenden Glasgemälden haben sich nur Reste in der
Sakristei gefunden, und zwar im Chörlein ein stark ausgeflicktes Stück : der Kruzifixus
zwischen Maria und Johannes, eine Arbeit vom Ende des 14. Jhs. ; zwei andere, ebenfalls
stark restaurierte und zum Teil aus nicht zugehörigen Stücken zusammengestellte, in
dem einen der h. Maternus mit zwei Stiftern, in dem anderen zwei heilige gekrönte
Frauen, wohl vom Anfänge des 15. Jhs.
Die alten Glocken, »weit und breit der schönsten Resonanz halben hoch berühmt
gewesen«, 22 an der Zahl, sind 1689 von den Franzosen weggefiihrt worden. Als sie
bei Breisach über den Rhein geführt werden sollten, gelang es den dortigen Einwohnern,
die zwei größten zu kaufen, was Aufzeichnungen nach schon vor 1697 geschehen ist.
Sie hängen im dortigen Münster, die eine, größere stammt laut Inschrift von 1491, die
andere aus der Zeit um 1662.1)
Von den heutigen Glocken stammen drei vom Jahre 1728, eine davon wurde
jedoch 1849 umgegossen. Alle tragen (bezw. trugen) am oberen Rande die Inschrift:
JESUS NAZ. REX IUDAEORUM DEFENDIT NOS AB OMNIBUS MALIS,
die mittlere Kreuzglocke des weiteren in der Mitte :
IN HONOREM SANCTAE CRUCIS EXALTATAE ME FUNDI CURAVIT VEN • COMMUNITAS
CIVITATIS OFFENBURGENSIS EX ELEMOSINIS CHRISTI FIDELIUM ANNO 1728,
und am unteren Rand:
JOHANN BAPTIST ALLGAIER HAT GOSSEN MICH.
Die nördliche zeigt die wohl getreu erneuerte Inschrift:
IN HONOREM JOSEPHI ET ALIORUM SANCTORUM FUNDI ME FECIT VENERAB. COMMUNITAS
OFFENBURGENSIS EX ELEMOSINIS CHRISTI FIDELIUM 1728,
und am unteren Rand:
DENUO FUSA 18+9 PER CAROL. ROSENLAECHER CONSTANZ.
*) Kunstdenkmäler VI, S. 68, und Walter a. a. O. Des letzteren Angaben, der eine ältere
Glocke des Münsters für die aus Offenburg stammende hält, sind danach zu korrigieren. Abbild,
bei Walter.
Presbyterien
Kanzel
Taufstein
Kruzifixus
Glasgemälde
Glocken
486
KREIS OFFENBURG.
Kirchengeräte
Die Inschrift der südlichen Glocke lautet:
IN HONOREM SANCTAE MARIAE VIRGINIS ASSUMPTAE ME FUNDI CURAVIT VEN.
COMMUNITAS CIVITATIS OFFENBURGENSIS EX ELEMOSINIS CHRISTI FIDELIUM ANNO 1728,
und am unteren Rand :
JOHANN BAPTIST ALLGAIER HAT GOSSEN MICH.
Uber ihnen hängt noch ein kleines sogen. Silberglöckchen mit der Inschrift:
MATTEUS EDEL ZU STRASSBURG GOS MICH I76>.
Die größte Glocke stammt aus dem 19. Jh.
An der Chorwand der Kirche ein Epitaph, rechteckige rote Sandsteintafel, mit der
Inschrift : Memoria generosi domini Heinrici, comitis in Werdenberg canonici ecclesie •
argen, collatoris huius ecclesiae obiit anno quingentesimo quinto.
Darunter das werdenbergische Wappen.
In der Sakristei (bezw. in der Kirche) an Kirchengeräten :
Speisekelch, silbergetrieben, vergoldet, mit Rocailleornamenten und Bandgeschlinge.
Kelch, silbervergoldet, getrieben, mit Engeln, Bandornamenten und Girlanden,
gestiftet von Archipresbyter Laurentius Schlecht 1727.
Zwei silbergetriebene und vergoldete Rocaillekelche mit Augsburger Beschau-
zeichen, der eine (mit den Leidenswerkzeugen) mit p^g, der andere mit
Silbergetriebene Monstranz, in dem gotischen Aufbau mit Fialen, Strebepfeilern,
Krabben etc., auf sechspaßförmigem Fuß mit Fischblasenornament, merkwürdigerweise
— man denkt an die Straßburger Münsterarkaden — ein Werk des 1 8. Jhs. und ein Geschenk
des Domstiftes, überreicht in dessen Namen am 10. August 1791 von Fürst von Hohenlohe.
Große Sonnenmonstranz, silbergetrieben, vergoldet, mit Emailmedaillons der vier
Evangelisten am Fuß, oben einem solchen mit der Darstellung Gott -Vaters und des
heiligen Geistes, in falschen Brillanten gefaßt.
Eine messingene Kanne mit Drache am Henkel und Adler als Ausguß, in spät-
romanischen Formen (im Pfarrhaus aufbewahrt), die Tiere aus dem 13. Jh., die Kanne
wohl im 15. Jh. erneuert.
Weihrauchschiffchen, silbergetrieben, mit Rocailleornament.
Weihrauchfaß in den gleichen Formen.
Im gleichen Stil silbergetriebene, vergoldete Meßkännchen vom Ende des 1 8. Jhs
mit Girlanden.
Zwei ewige Lampen, Silber, teils getrieben, teils gegossen (in der Kirche auf-
gehängt), die eine trägt die Inschrift: »H • Z • Jacob Dalimann. — H • Z • Jacob
Friesinger«. Zeichen: in Lorbeer ein Drache, daneben »S • Z •« (Schmiedezunft), dann:
»H • Z • Balthasar Kokell. — H • Z • Michael Gering. 1732«. Wohl die Namen der
Zunftvorsteher.
Auf dem Hochaltar zwölf Leuchter, silbergetrieben, aus der ersten Hälfte des 18. Jhs.
In der Sakristei auch das berühmte Vortragskreuz von 1515, weißsilbergetrieben
und gegossen, leicht vergoldet. Auf der Vorderseite (Tafel XV) an einem naturalistischen
Holzstamm die Figur Christi mit flatterndem Lendentuch. Edle Gestalt mit der üblichen
starken Betonung des Brustkastens und eingezogenen Weichteilen. In den Vierpässen
die Evangelistensymbole in Relief, von krausem Blattwerk umrahmt. Der achteckige
Knauf, an den Kanten mit sich kreuzendem Astwerk verziert, trägt die Jahreszahl 1515
Band VII. Zu Seite 487.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
487
und das Offenburger Zeichen. Bedeutender noch die Rückseite des Kreuzes (Tafel XVI) :
in den Vierpässen und im Mittelrund in krausem Rankenwerk Amethysten und geschliffene
Rheinkiesel, am Stamm aber eingraviertes Rankenwerk, in dem Putten musizieren bezw.
Kronen darbringen, und die überaus liebliche Gestalt der Maria mit dem Kinde,
etwa um ein Drittel verkleinerte Kopie von Dürers Kupferstich Maria mit dem langen
Haar und Stirnband (B. 30) ’) (s. Fig. 269). Das Ganze ein hervorragendes Meisterwerk
der Goldschmiedekunst.
Madonnenstatuette , 1 8 cm hoch, silbergetrieben, auf Mond und Wolken in ver- Madonnen-
’ J ° Statuette
goldeter Strahlenmandorla, von einem Prozessionsstab; 18. Jh.
Madonnenstatue, kupfergetrieben und versilbert, etwa 1 m hoch (Immaculata Madonnenstatue
Conceptio), auf kupfernem Weltenball mit versilbertem Mond und Schlange. Äußerst
charakteristische Empirearbeit, die h. Jungfrau streng antikisierend, junoartig aufgefaßt.
An Kirchengewändern zu nennen ein silber- und golddurchwirktes Pluviale mit Kirchengewänder
in Seide eingewobenen Blumen, sowie eine silberdurchwirkte Casel mit eingestickten
Blumen, beide aus dem 18. Jh.
Am Äußern der Pfarrkirche sind eine Anzahl Grabdenkmäler und Epitaphien Grabdenkmäler
am Äußern der
erhalten : Pfarrkirche
1. Grabmal des Jörg von Bach (s. Fig. 270), der Zeit nach das älteste und wohl
auch das künstlerisch bedeutendste. (Weißer Sandstein, etwa 3,2 m hoch und 2 m breit.)
Balustersäulchen mit frei behandelten korinthischen Kapitellen, welche durch eine Frucht-
girlande verbunden sind, flankieren eine flache Nische und tragen den abschließenden
Rundbogen, in dessen Feld in flachem Relief Rankenornament angebracht ist. Die Archi-
volte ebenfalls von Blattkranz umgeben. Vor der Nische die lebensgroße Gestalt des
barhäuptigen Ritters im sogen. Maximiliansharnisch mit leicht geneigtem Kopf und
ausgebogener Hüfte, die Rechte auf das Schwert, die Linke auf das Helmkleinod (die
Meerschnecke) seines Wappens gestützt. Zu seinen Füßen der mit Federn geschmückte
Turnierhelm. Zu beiden Seiten der Nische eine schmalere Abteilung von Balustersäulchen
begrenzt, die, aus vielfachen Teilen bestehend, mit dem ganzen Reichtum einer üppigen
Phantasie überhäuft sind : fabelhaften Gestalten, Blattwerk, Schuppenwerk etc., und in einer
Halbkugel enden. In diesen Abteilungen je zwei Wappen (einmal das Bachsche), wohl
der Eltern, Großeltern und Urgroßeltern des Verstorbenen. Der Sockel, auf dem der
Ritter steht, wird von einem in leichten Falten fallenden Tuch bedeckt, das von einem
zeitgenössisch gekleideten Meerweibchen und Meermännchen gehalten wird. Auf diesem
Tuch steht:
Sünna bomini 1538 ben 19 bemnbri*) ** tiailj
mittag nadj cbbcrn ift berfrfjatbJ her €bcl
unb Crnbcft SJatig bau 'ü&ailj bet letzte bc£
jflöannc^ ^tamc£ ban bem o5ott ber
^llmrrijtig a$ncbig unb ^artnljcrsig fp 1
Unter den Seitenteilen auf Täfelchen steht:
PER ME CRISTOFF • VR.
(Renoviert von A. Kayser 1895.)
*) Siehe auch »Alte kunstgewerbliche Arbeiten auf der Badischen Kunst- und Kunstgewerbe-
ausstellung zu Karlsruhe 1881 «.
Band VII.
32
488
KREIS OFFENBURG.
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—
Fig. 270. Grabmal des Jörg von Bach an der kath. Pfarrkirche in Offenburg.
Das schöne Grabmal, ein Werk des Christoph von Urach, den wir aus mehreren
Arbeiten — Taufstein in der Küche zu Urach, Grabmal des Markgrafen Philipp II. in der
Kirche zu Baden-Baden, dann des Grafen Michael in der Kirche zu Wertheim — kennen,
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
4S9
ist, wie Lübke mit Recht sagt,1) »eine der vorzüglichsten Leistungen unserer Früh-
renaissance«. Es zeigt die ganze üppige Phantasie dieses Stils, die Verachtung der
1) Lübke, Kunstwerke u. Künstler, S. 344.
32
49©
KREIS OFFENBURG.
strengeren, architektonischen Form. Keine allzu feine, aber sehr tüchtige Arbeit; der
Kopf, obschon etwas trocken behandelt, in seinem leis melancholischen Ausdruck von
packender Lebenswahrheit.
2. An der Nordseite des Langhauses schlichtes Epitaph des Rudolf Blumenstein
und seiner Mutter ; er war offenbar wegen dem Sieg der neuen Lehre in Straßburg nach
Offenburg übergesiedelt. Laut Umschrift:
GEDCTNUS DES WIRDIGEN HERREN RUDOLF BLUMENSTEIN
ZUM JUNCEN S. PETER ZU STROSBURG UND CATHARINE SEINER
GELIEBTE MUOTER DENEN GOT GENEDIG SEY. STARB IM JAR 157?
DEN 28 DAG HORNUNG.
3. An der Chomordseite : Grabmal des Schultheißen Philipp Berger (s. Fig. 271).
Auf einem Postament mit schmaler Rollwerkkartusche erheben sich zwei reich mit
Beschlägornament verzierte ionische Pilaster und flankieren das Hauptfeld, auf dem
in Hochrelief der auferstandene Christus dargestellt ist, mit der Kreuzesfahne, die Rechte
segnend erhoben. Das Grab ist von Gras mit Molchen und Totenköpfen umgeben. Das
Ganze abschließend ein Architrav, an dessen Fries ebenfalls Beschlägornament und darüber,
von Rollwerk, Voluten, Fruchtgewinden flankiert und von einem Maskaron bekrönt, die
Tafel mit der Inschrift :
(ßebedjtmtfT 'Pcb €fjrnbeften IDnb
IDrijcn Herren . 3£>trgcrf
ailtjii' oTuAucfcn . SUurfj I)itt
3icrg ^ergerf iuiü Sabina Jlkact>
tfjolfftn Leiber feiner €Kttercn •
^tarb £>cn • t . tag tfebtuarü
5Unno . MDL.müiii.
An dem sonst schmucklosen Postament des Ganzen ein Wasserkessel mit einem
Schild, worin ein sitzender Hund und des weiteren die Inschrift: Dieses Epitaph hat
renovieren lassen Maria Theresia Witmaierin geborene Bergerin in Ofifenburg den ? ? ?.
4. Grabmal des Caspar Wydt (s. Fig. 272), aus dem gleichen gelben Sandstein
gefertigt wie das vorherige. Auf einem Sockel mit großer Rollwerkkartusche, worin
die Inschrift, eine flache rundbogige Nische, in der in Flachrelief eine Strahlenmandorla,
vor ihr ein kleiner Rundsockel, auf dem wohl eine Statue der Madonna gestanden hat.
Zu beiden Seiten der Nische Hermen, die das kräftig vorladende Gesims tragen, an
dessen Fries ein Engelsköpfchen und Beschlägornament skulpiert ist. Die Bekrönung
des Ganzen bildet, von Voluten und Früchten umgeben, eine Rollwerkkartusche mit
dem Wappen. Die Inschrift unten lautet :
HOC QUIS SUB TUMULO LATITET SCIVISSE
VIATOR
EXPETIS: EN CASPAR NOTE WYD A SUO
ISTE PROCURABAT MAGNO NEGOTIA
SUMMI
ARGENTINENSIS CUNCTA LABORE CHORI
G • W • F • F
SED CUM I AM PROCERUM LATE DISCORDIA
FRÜM
IRREPSIT NIMIUM (heu) PERNITIOSA LUES
ECCE SOLUM PATRIUM MOX SEDE OPIBUS-
QUE RELICTIS
REPPEDIT HAC PLACIDE NUNC REQUIESCIT
HUMO
15-9-6-
Friedhof
Kruzifixus
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
49 1
Also ein Mitglied des Straßburger Domkapitels, ein gebürtiger Offenburger, der
ebenfalls vor der neuen Lehre nach Offenburg sich zurückgezogen. Das Grabmal ein
etwas derbes, aber flottes Spätrenaissancewerk.
Dieses sowie das
vorhergehende Grabmal
hatten offenbar bei dem
Brande 1689 stark gelitten,
mußten geflickt und viel-
leicht in die erneuerte
Mauer eingefügt werden.
5. An dem Chor die
überlebensgroße Statue des
Erzengels Michael auf
barockem Sockel. Roter
Sandstein. Charakteristi-
sches, derbes Barockstück.
Laut der langatmigen In-
schrift am Sockel 1732
von dem Zinsmeister des
Andreasspitals F. A. Witsch
gestiftet.
Auf dem alten Fried-
hof, der jetzt in eine An-
lage umgewandelt ist und
an die Stadtmauer anstößt,
der große Kruzifixus
(s. Fig. 273) aus rotem
Sandstein auf erneuertem
Sockel. Der edle Kopf
ist leicht geneigt, der
Körper, »in der scharfen
und mageren Behandlung
seiner Formen und der
bestimmten Darlegung des
Knochengerüstes , verrät
ein tüchtiges Verständnis
des menschlichen Organis-
mus«.1) Mit dem flattern-
Fig. 272. Grabmal des Caspar IVydt an der kath. Pfarrkirche
in Offenburg.
den, knittrigen Schurz, der
übertriebenen Einziehung
der Weichteile unter den Rippen, der scharfen Behandlung der Muskeln ist dies Werk
ein echtes Beispiel der naturalistischen Spätgotik und doch vornehmer als die meisten
gleichzeitigen Produktionen. Leider geht der weiche Sandstein trotz des schützenden
x) Lübke a. a. O. S. 342.
492
KREIS OFFENBURG.
Fig. 273. Kruzifix auf dem alten Friedhof in Offenburg.
Daches unrettbar der Zerstörung entgegen. — Oben ein angeschlagenes Blechschild
imitierend das Täfelchen mit der Inschrift: Jesus Nazarenus Rex Judeorum in lateinischer,
Offenburg, Ölberg.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
493
griechischer und hebräischer Sprache, ein merkwürdiges Beispiel des Humanismus in
Deutschland. Am Fuß die Jahreszahl 1521 und das Zeichen: XX, welch letzteres man
als Andreas Uracensis gelesen hat, in Gedanken an den Christoph von Urach, und
das Werk also einem Ver-
wandten desselben zuge-
schrieben hat. Solange aber
dieser Andreas nicht nach-
gewiesen ist, besteht nicht
der geringste Grund einer
solchen Auflösung des
Zeichens, das ich unge-
deutet lassen muß. Es
kehrt übrigens am ölberg
wieder.
Der Ölberg (Tafel
XVII) : Großer Nischenbau,
der sich in einem mit Hohl-
kehlen und Rundstäben pro-
filierten Rundbogen öffnet,
mit einem Netzrippen-
gewölbe. Im Vordergrund,
der durch faschinenartiges
Flechtwerk gehalten wird,
die drei Jünger, von denen
Petrus erwacht ist und in
beginnendem Zorn mit der
Rechten am Boden nach
dem Schwert tastet. Hinter
ihnen, durch eine Futter-
mauer von Steinen ge-
stützt, an der Farrenkräuter,
Disteln , Wegerich , der
betende Heiland, den edeln
Kopf nach oben erhoben,
wo über den mit Efeu be-
kleideten, etwas zu regel-
mäßig geschichteten Felsen
der Engel mit dem Kelch
erscheint ; lebhaft flattert
vom Fliegen sein Gewand.
Der Garten ist abgeschlossen durch einen Bretterzaun, der sich zu äußerst links vom
Beschauer in einer Tür öffnet. Zaun und Türe sind mit solcher Virtuosität in der Holz-
maserung skulpiert, daß man sie auf den ersten Blick für echtes Holz halten mag. Durch
die geöffnete Tür dringen die Häscher ein, ein Teil naht hinter dem Zaun, voran Judas
mit dem Geldbeutel. Die Häscher, wie es üblich war, in der damaligen Zeittracht
Fig. 274.. Rest eines Portals, an der Rückseite des Ölbergs
in Offenburg eingemauert.
Olberg
494
KREIS OFFENBURG.
Portal
Grabplatten
gekleidet und, wie es die deutsche Kunst bei dieser Scene liebte, in ihrer abschreckenden
Häßlichkeit und Gewöhnlichkeit scharf charakterisierte Gestalten. Der eine trägt einen
Pechkranz, einer naht mit einer Muskete, der dreht die Kurbel seiner Armbrust, jener
nimmt rasch einen Schluck aus der Feldflasche, ein anderer hält seine Laterne über den
Zaun zur Beleuchtung. Hinter ihnen in Flachrelief Berge, besetzt mit steifen Bäumen
und Steinbänken, im Hintergrund nahen noch zwei verspätete Häscher aus den Toren
Jerusalems, das naturgemäß einer deutschen Stadt ähnelt. Hier geht das Relief in Malerei
über, weiterhin in ein Landschaftsgemälde mit Berg und Fluß. Dementsprechend war
der ganze ölberg bemalt, die Spuren noch an den Pflanzen deutlich erkennbar, an den
Eisenteilen der Tür, an den Augen der Persönlichkeiten etc. Allerdings ist das wohl
aufgefrischt durch einen Restaurator des 18. Jhs. Aber eine vollständige einstige
Bemalung müssen wir zweifellos annehmen. In den Schlußsteinen des Netzgewölbes ein
Auferstandener und ein Schildchen mit dem Zeichen
't'
an dem Täfelchen unten rechts
die Jahreszahl M • D • XXIIII und darunter das Zeichen XX, an dem linken Täfelchen
steht das Renovationsdatum 1820. (Roter Sandstein.)1)
Dem Zeichen nach wäre das Werk von derselben Hand wie das Kruzifix, doch
hält eigentlich nur der Christus mit seinem ausdrucksvollen Kopfe und den feingeglie-
derten Händen den Vergleich aus. Die Jünger sind zwar im Ausdruck recht gut getroffen,
ihre Stellung ist aber noch etwas ungeschickt, die Durcharbeitung der Hände, der
Gewänder etwas roh. Das gleiche gilt von den Häschern. Ich vermute, daß der Meister
selbst nur den Erlöser gearbeitet hat und vielleicht den graziösen Engel, alles andere in
seiner Werkstatt seine Gehilfen, um so mehr, als das Offenburger Werk nichts anderes ist
als eine umgekehrte und verkleinerte Kopie des Olberges im Straßburger Münster, denn
von Ähnlichkeit und Übereinstimmung, Arbeit nach denselben Typen ist hier nicht mehr
zu reden, sondern es ist das eine Werk eben schlechterdings eine Kopie bezw. eine
direkte Wiederholung des anderen von dem gleichen Meister bezw. der gleichen Werk-
statt. War der Meister des Kruzifixes vielleicht ein Straßburger Künstler? Wir können
darüber heute nichts Bestimmtes aussagen.
Auf der Rückseite des Ölbergs ist der Rest eines spitzbogigen Portals (s. Fig. 274)
eingemauert, das in sehr origineller Weise jene Mischung von Renaissance und Gotik
zeigt, wie sie unserer sogen. Frührenaissance eigen ist. Auf Konsolen, die auf der
einen Seite durch den Oberkörper eines Löwen, auf der anderen den eines Mannes
gebildet sind, welche Wappen halten, setzt das sich kreuzende Rundstabwerk der großen
Hohlkehle an, alles in der saftigen Behandlung der Renaissance und das Ganze von
schlanken Renaissancesäulen mit phantastischen korinthischen Kapitellen flankiert.
Der Bogen ist mit derben Blättern besetzt und endigt in einem Kielbogen. Unten
zu beiden Seiten vorspringende Postamente mit Säulchen und Kielbögen. Das Stück,
aus rotem Sandstein gearbeitet, könnte von der Pfarrkirche oder vielleicht noch eher
von einem stattlichen Profanbau stammen. Daneben eingemauert zwei Grabplatten,
auf denen in Rocailleumrahmung unter fünfzackiger Krone das Wappen, darunter die
Inschrift :
*) Die Behauptung, daß in dem Felsen, über dem der Engel schwebt, ein unterirdischer Gang
bis unter die Stadtmauer beginne, halte ich nicht für glaubhaft. Das erwähnte Zeichen bei der
Jahreszahl ist jetzt verwittert.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
495
Rechts :
IOANN : FRANC : PETZELT
SER : D : MARCH : BADENS
CONSATRAPA & SECRET :
ORTENAVIAE
OBIIT XVIII • FEBRVARII •
MDCCL VIII
ANN • /ETAT LXV
R ■ I • P.
Links :
MAR : THERES : NATA UNTZ
D ■ IOANN : FRANC • PETZELT
CONSATR : & SECRET • ORTEN :
CONIVX • OBIIT XXIV APRILIS
MDCCXL VII
ANN • ALT AT • XLVI
R • I • P.
Des weiteren auf dem alten Friedhof noch einige Grabsteine, so an der Pfarrhof-
mauer in Rollwerkkartusche der des David Hoffmann mit der Inschrift :
Clariss. et ornatiss dno Davidi Hoffmanno illustriss. principis Philippi secundi
marchionis Badensis sumo quaestori et consiliario fundatori salutationis deiparae virginis
(quam salve regina vocant) et anniversarii sui ac principis supra citati devotissimo ac
zelosiss. pie atque memoriae ergo grati haeredes parentarunt anno MDCVI.
Weiterhin :
Epitaph des Chr. Schintzius. Schmucklose Sandsteinplatte mit der Inschrift:
Venerabili ac perudito domino Christophoro Schintzio A. A. L. B. ac philosophiae
magistro S. S. Theologiae candidato ad S. M. Andream Wormatiae canonico ecclesiae
huius Offenburgensis S. M. in annum coadjutori XXI Maii MDCXXXIV feliciter expiranti
et indigno eiusdem rectori tum quidem adhuc spiranti simile autem judicium in dies
expectanti hocce curanti aeviternam caritivus opta viator quietem.
Epitaph, Sandsteinplatte mit großem Kreuz, Wappen, Putten und Vorhang, worauf
die langatmige Inschrift, nach der hier liegt : vir nobilis ac strenuus Dominus Simon
Bruder Serenissimi Marchionis B. B. consiliarius camerae aulicae et praefectus iudicii
Appenw. in Ortenavia qui die n Febb. 1768 vivere desiit. ; daneben und darum lange
Sprüche.
Eine Anzahl anderer Grabsteine mit Rocailleverzierung lassen die Inschrift nicht
mehr lesen, ebenda auch noch einige schmiedeeiserne Kreuze des 18. Jhs.
Zwei Reste von Stationsreliefs, der eine fast ganz unter der Erde versunken, der
andere mit der Kreuztragung ; drei weitere : Christus nimmt das Kreuz, begegnet seiner
Mutter, bricht unter der Kreuzeslast zusammen, am Haus Kirchstraße Nr. 1 9 eingemauert.
Sehr derbe Werke des Joh. Nep. Speckert, welche derselbe 1779 angefertigt hat; sie
waren ehemals am Weg nach Weingarten angebracht.
Zwischen dem Schulhaus und Pfarrhaus war ein schönes, schmiedeeisernes Gitter
des 16. Jhs. aufgestellt (s. Fig. 275), angeblich ein Rest des ehemaligen Chorgitters. Das
Oberlicht desselben (mit dem Doppeladler) ist jetzt in die städtischen Sammlungen
Stationsrelief
496
KREIS OFFENBURG.
Franziskaner*
kloster
Kirche
Türflügel
Sandsteinstatuen
Inneres
verbracht. In der Mauer daneben große Toreinfahrt, im Spitzbogen mit der Jahres-
zahl : . .'I i o l X.
Das ehemalige Franziskaner-
kloster, jetzt Kloster und Erziehungs-
institut der Schwestern des sacre cceur,
ist wohl nach dem Stadtbrande auf den
alten Fundamenten wieder aufgebaut
worden. 1702 wurde der Neubau be-
gonnen, 1705 das Mesnerhaus erbaut,
1717 war das Rektorat im Bau be-
griffen. Die stattliche Anlage besteht
aus der Kirche, mit dem an die Nord-
seite des Chors sich anschließenden
Kreuzgang, vielleicht ein ehemaliger
zweiter, während der erste an der
Nordseite des Langhauses lag. Um
die Klausur gruppieren sich die teil-
weise veränderten schlichten Baulich-
keiten des 18. Jhs.
Die Kirche betritt man durch ein
erhaltenes spätgotisches, rundbogiges
Portal, dessen Gewände mit Hohlkehlen
und Rundstäben profiliert sind. Die Tür-
flügel sind gute Holzschnitzerarbeit
mit Rankenwerk etc. des beginnenden
18. Ihs. Zu beiden Seiten des Portals
überschlanke barocke Sandsteinstatuen
des 18. Jhs. der Madonna und des
h. Nepomuk, am Sockel des letzteren
das Offenburger Wappen und die In-
schrift: Johannes Baptista Burck Pfarrer
. . Grisheim, wonach die Statuen also
wohl aus letzterem Ort stammen.
Das Innere ist einschiffig, mit
rundbogigen Nischen zwischen den
mächtigen korinthischen Seitenpfeilern,
Durchgänge in diesen verbinden die
Nischen, über ihnen Emporen, die sich
wie in der Pfarrkirche zwischen dem
starken verkröpften Gebälk der Pfeiler
öffnen. Ohne Querschiff schließt sich
daran der lange Chor mit Achteckschluß,
der noch die hohen, spitzbogigen Fenster mit frühem Maßwerk zeigt. An der Ecke von
Chor und Langhaus runder Treppenturm, auf dem Dach kleiner Dachreiter. Aus der Be-
schreibung geht klar hervor, daß im ganzen die Erscheinung der alten F ranziskanerkirche
±=j
0 so wo Centtm
Fig. 275. Schmiedeeisernes Gitter, ehemals zwischen
Schul- und Pfarrhaus in Offenburg aufgestellt.
Band VII. Zu Seite 497.
276. Hochaltar der Franziskatierkirche in Off'cnburg.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
497
gewahrt geblieben ist, der Predigtkirche : das weite Langhaus, das wohl flach gedeckt
war, mit dem anschließenden großen und hohen Chor. Wie weit auch im Langhaus noch
der alte Kern steckt, läßt sich natürlich ohne besondere Untersuchung nicht sagen, einige
Meter hoch vom Boden sind sicher alt, wie ein später zu erwähnendes Wandgemälde
beweist. Chor und Langhaus sind jetzt mit (Schein-)Tonnenge wölbe mit einschneidenden
Kappen, die Nischen mit Tonnen-, die Emporen mit Kreuzgratgewölben überdeckt. An
den Decken geschmackvolle Rocaillestuckornamente. An der Westwand zieht sich die
Orgelempore herum. — Ich möchte nach allem vermuten, daß wir auch hier den Bau
eines Vorarlberger Meisters vor uns haben.
Von der Innenausstattung ist der Hochaltar (s. Fig. 276) hervorzuheben, ein bis
zur Höhe der Gewölbe emporragender, mächtiger Aufbau von gewundenen Säulen,
verkröpftem Gebälk, gebrochenen Giebeln, aus Holz, mit Rocailleschnitzereien und einem
guten Gemälde der Himmelfahrt Mariä, sowie Heiligenstatuen, ein dekorativ sehr
wirkungsvolles Werk aus dem Anfänge des 18. Jhs. In dem ähnlichen Säulenaufbau mit
Statuen etc. zwei größere und zwei kleinere Seitenaltäre , Doppelaltäre mit den Statuen
von je drei Heiligen. Aus der gleichen Zeit die ebenfalls sehr kräftig wirkende Kanzel
und entsprechende Beichtstühle mit Schnitzereien an den Giebeln. Auch die Orgel in
dem bekannten geschwungenen Aufbau und Grundriß ist mit guten Rocailleschnitzereien
verziert, in gleichem Stil das trefflich geschnitzte Holzgitter an der Orgelbühne.
An einem Pfeiler angebracht in einer holzgeschnitzten Nische mit Rocaille-
verzierung die zweidrittellebensgroße Holzstatue des Ecce Homo. An einem anderen
Pfeiler Holzkruzifix, weniger bedeutend (18. Jh.).
In der zweiten .Seitennische befand sich ein als Kredenztisch benutzter ehemaliger
Innenausstattung
Hochaltar
Seitenaltäre
Kanzel
Orgel
Holzgitter
Altar mit gewundenen Säulen, gebrochenem Giebel, Ölgemälde des Gekreuzigten, 1783
für den ursprünglichen Sitz der Schwestern in Ottersweier gearbeitet, 1823 hierher gebracht.
Im Langhaus eine Sandsteinplatte eingemauert, in der in Rocaillekartusche zwei
Breves Benedikts XIV. eingehauen sind.
In einer Nische der Südwand wurde i. J. 1901 ein Wandgemälde vom Ende des Wandgemälde
15. Jhs. aufgedeckt, den Tod Mariä darstellend, leider ganz besonders in den unteren
Teilen stark zerstört.
Die Sakristei der Kirche mit sechs Kreuzgratgewölben (Stuck) auf zwei Pfeilern Sakristei
enthält trefflich mit verschiedenfarbigen Hölzern eingelegte Sckränke des 18. Jhs., ein
Beichtstuhl ist geschickt in die Schränke eingefügt.
Grabplatte aus Sandstein mit Allianzwappen : Grabplatte
ANNO I6j>$ DEN 2} MJRZ
IST • DIE WOHL • EDEL
GEBORNE • F • • FRAUW • AG
ATHA ÄSCHERIN • VON BÜN
NGEN - WEYLANDT DES WOHL
ETLE GEBORENE UND GEST
RENGEN HERN • GEORGEN
VOM STEIN • VON REICHSTE •
EGEMAHL • N GOTT SELI
ENTSCHLAFFN • DERN
GOTT • GNADT • AMEN.
498
KREIS OFFENBURG.
(5ruft'J^jpeffc
int Jooster zu Offeitfiurg.
Grabplatte
Fig. 277. Grundriß der Kapelle des ehemaligen Franziskanerklosters in Offenburg.
In der Sakristei und in dem anstoßenden Konvent schlichte spitzbogige Tür.
Ebenda eine Grabplatte mit der Umschrift:
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
499
90no bni mccclmn ♦ o * ^oicctta ♦ bE*> «EtgEtioIf
U^uniel ♦ bc ^toffebr ge * ea ♦ b ♦ an ♦ ecc! • mni * ^ctrta ♦
An Kirchengeräten eine Sonnenmonstranz , silbergetrieben, vergoldet, mit Rocaille-
d;is L;mgli;ius ' nur ' dm'Ui
die Rundbogenfenster des
1 8. Jhs. gegliedert, am Chor
neben den Spitzbogen-
fenstern nicht sehr starke
Strebepfeiler.
Von den Räumen
der Klausur ist das Refek-
torium seiner Stuckdeko-
ration wegen interessant.
An dem Plafond fünf
Medaillons mit Reliefdar-
stellungen aus der Legende
des h. Franz, an der Süd-
wand ein großes Relief
des heiligen Abendmahles,
darüber zwei Wappen,
von Blumengirlanden und
Ranken umgeben.
An den Kreuzgang
stößt der einzige intakt er-
haltene Raum der Bauten
.vor dem Brand an, eine
Kapelle (Fig. 277), laut An-
gabe einer jetzt zerfallenen
Urkunde von 17 17. Ein drei-
schiffiger, kleiner Hallen-
bau aus rotem Sand-
stein, aus dreimal drei
Kreuzrippengewölben be-
stehend. Die vier stützen-
den schlanken Säulen auf
hohen , polygonalen und
in dem oberen Teil durch konkave Einziehungen gegliederten Sockeln gehen ohne
Kapitelle in die trocken, nur mit einer Hohlkehle profilierten Rippen über. An den
Wänden endigen diese Rippen spitz auslaufend. Die runden Schlußsteine sind teils mit
Monstranz
Refektorium
Kapelle
Fig. 278.
Blick auf das Chörlein der Kapelle im ehe?jialigcn
Franziskanerkloster in Offe7tburg.
500
KREIS OFFENBURG.
Holzstatue
Rosetten, teils mit Pratzen, im
Chörlein mit dem Lamm Gottes
geziert. Das aus dem Achteck
geschlossene Chörlein, das sich
in hohem Spitzbogen — Profil
des Gewändes s. Fig. 278 — gegen
das Mittelschift' öffnet, hat drei
schlanke, spitzbogige Fenster mit
Kleeblattbogenmaßwerk. Dem ent-
sprechend sind die einpfostigen
Spitzbogenfenster der beiden
Seitenschiffe gestaltet , deren
Pfostenprofil ebenfalls aus Fig. 278
ersichtlich ist. Unter der Fenster-
bank eine kleine Blendarkatur
aus Kleeblattbögen. Das Ganze
ein sehr anmutiger Bau in der
etwas nüchternen, zarten Art der
Spätgotik.
In den Gewölbekappen
waren die Spuren der alten Be-
malung : Engel mit dem Gloria-
text, erhalten, die restauriert,
d. h. durchaus neu gemalt wurden
(vor 1900), so daß leider von
dem Alten nichts mehr sicht-
bar ist.
In dem Chor die neu gefaßte
Holzstatue der Madonna mit
dem Kind (s. Fig. 279), 1,5 m
hoch, in der freien Haltung und
den individuell vornehmen Zügen
— ich stehe nicht an, es zu
sagen — eine der bedeutendsten
Skulpturen aus dem Anfänge des
16. Jhs., selbst in der knittrigen
Überfülle des Gewandes noch
geschmackvoll wirkend.
Fig. 270. Holzstatue der Madonna mit dem Kind in der , , „
y . Bei dem Brand von 1689
Kapelle des ehemaligen Franziskanerklosters in Offenburg.
soll als angeblich einziger Rest
des Klosters (nämlich der Innenausstattung) nur eine Tür übriggeblieben sein, an der
später zur Erinnerung das Chronostichon angebracht wurde:
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG
5°I
Marte Dente CLaVstro perVsto Vna VetVsta serVata fVi fortIs perstItI.1)
Die Türe wird im Korridor aufbewahrt.
In dem Empfangssaal des Klosters sind eine Reihe von Porträts aufgehängt,
Ölgemälde, u. a. der Maria Theresia, zweier Töchter derselben, Franz I., Josef II., der
Kaiserin Luise mit ihren Kindern, eines Herzogs und einer Herzogin von Sachsen-
Teschen, sowie ein Gekreuzigter in gutem Rocaillerahmen.
Im Vorraum ein Kruzifix, Holz, gute Durchschnittsarbeit des 18. Jhs, von einem
Haus der Langen Straße stammend.
Fig. 2S0. Portal des ehemaligen Andreasspitals in Offenburg.
Im Klostergarten wurde seinerzeit ein Vortragskreuz gefunden, aus Messing (r), auf
großem Knauf mit Fischblasenornament der naturalistische Kreuzesstamm, daran Christus
mit flatterndem Lendentuch, trotz durchaus spätgotischer Behandlung, wie auch aus der
Schrifttafel hervorgeht, erst aus der Mitte des 16. Jhs. Uber den heutigen Aufbewahrungsort
ist mir nichts bekannt.
Das ehemalige Kapuzinerkloster dient jetzt als Gymnasium. Uber die Berufung Kapuzinevkioster
der Kapuziner, die sich dann in den Heimsuchungen der Franzosenkriege so überaus
hilfreich bewährt haben, ist oben berichtet worden. 1641 bis 1647 erbauten sie ihr
) Walter, Zum zweihundertsten Gedenktag etc., S. 29.
502
KREIS OFFENBURG.
Offen bvf\Qi
ElNöAN55TÖF\ bER,ANb^EAb-H0SPITAL-l\l(\CME
Fig. 281. Portal zur Kirche des ehemaligen Andreasspitals in Offenburg.
Kloster, das bei dem Brand wegen der Vorliebe Ludwigs XIV. für den Orden verschont
wurde. Ein höchst einfacher, schlichter Bau, mit offenbar sehr beschränkten Mitteln
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
5°3
errichtet. Die Kirche ist einschiffig, flachgedeckt, mit gerade abschließendem Chor, der
Kreuzgratgewölbe aufweist. Die Altäre, der Hoch- und die zwei Seitenaltäre, dekorativ
gute Stücke im üblichen Barocksäulenaufbau, mit eingelegter Arbeit verziert, leider
durch braunen Anstrich entstellt. Sie sind heute mit ursprünglich für einen anderen
Ort bestimmten Ölgemälden geziert, sehr nachgedunkelter, flotter Mittelware des 1 7. Jhs.
in italienisierendem Stil.
Kanzel im Empirestil, aus verschiedenfarbigen Hölzern zusammengesetzt, teilweise
vergoldet; gefällige Arbeit.
In der ehemaligen Sakristei bemaltes Holzkruzifix des 1 8. Jhs.
An die Kirche stößt der kleine Kreuzgang an mit schlichten, hölzernen Rund-
säulen, die gerades Gebälk tragen; das darüber liegende Geschoß ein Riegelbau, in
seiner jetzt wieder hergestellten alten Gestalt ein überaus malerischer Anblick.
Das Andreasspital wurde um 1300 gegründet (s. oben) und sofort 1306 die
nötigen Bauten errichtet. Bei dem Brande 1689 ist es offenbar vollständig zerstört
worden. Das reiche Spital, das weithin in der Umgegend Besitztümer und Reben besaß,
muß nach der Schadensberechnung der Stadt Offenburg ein stattlicher Gebäudekomplex
mit zahlreichen Scheuern etc. gewesen sein. Es wird erwähnt die schöne, kunstreiche
Kirche samt drei Altären, Orgel, Turm, Glocken, große Gebäude, Stallung, Scheuern,
Backhaus, große Fruchtspeicher von fünf Kontignationen etc. 1700 konnte wieder an
den Aufbau der Kirche und der anderen Gebäude gedacht werden, nachdem schon
seit 1696 Nebenräume hergestellt waren. Der Maurermeister Leonhard begann am
17. April 1700, am 7. Juni wurde das erste, am 20. Juni das andere, am 27. Juni das
obere Gebälk gelegt und am 31. Juli konnten die Maurer, deren es 20 waren, entlassen
werden. Doch kann es sich dabei nur um die Rückseite oder einen provisorischen Bau
gehandelt haben. Der heutige Bau stammt wohl aus den ersten Jahrzehnten des 18. Jhs.,
nach seinem Baumeister müßte erst in den Urkunden geforscht werden. Es ist ein
stattlicher Bau aus Bruchsteinmauerwerk, die Gewände etc. in rotem Sandstein, von
polygonalem Grundriß; die Fassade gegen den Markt zu von ionischen Pilastern flankiert.
An der Rückseite führt ein Barockportal, von Voluten flankiert, mit gebrochenem Voluten-
giebel, worin die Figur des h. Andreas, in den Bau (s. Fig. 280), von der Hauptstraße
aus ein ganz schlichtes Portal. Die Kirche, einschiffig, mit Rundbogenfenstern, Stuck-
spiegelgewölbe im Langhaus, trocken profiliertem Rippengewölbe im Chor, einer Empore
an der Westwand, enthält außer hübsch geschnitzten Türflügeln des 18. Jhs. nichts
Erwähnenswertes. Sie ist in den Bau eingezogen und tritt nur gegen die Spitalstraße
zu in dem achteckig abgeschlossenen Chor aus demselben hervor. Ihr Portal, aus
rustizierten Pilastern mit flachem Rundbogen bestehend, noch in Spätrenaissance-
formen durchgeführt, trägt die Jahreszahl 1701 (s. Fig. 281). An den einfach, aber gut
geschnitzten Türflügeln gutes schmiedeeisernes Beschläg, Schloß und Griff. Im Hof des
Spitals aufbewahrt ein Rest eines gotischen, abgefasten Brunnenstockes mit dem Rest
der Inschrift: (JienS
G • IVU
II • Aßß
ODßlffi
aaaa
xi . .
Kirche
Altäre
Ölgemälde
Kanzel
Andreasspital
Portal
Band VII.
33
5°4
KREIS OFFENBURG.
Archäologische Die Gebäude sind zum Teil vermietet. Im ersten und zweiten Stock enthalten sie
und
ethnographische die archäologische und ethnographische Sammlung der Stadt Offenburg,1) welche
Sammlung
i. J. 1900 eröffnet wurde. Sie enthält vor allem die prähistorischen, römischen und
alemannischen Funde, die oben bereits erwähnt sind. Außerdem befinden sich hier eine
Anzahl Skulpturen, kunstgewerbliche Arbeiten und auf die Geschichte der Stadt bezüg-
liche Altertümer, aus denen ich hervorhebe :
Holzstatuen der zwölf Apostel, drittellebensgroß, auf Rokokokonsolen, bemalt.
Ein Kapitell- oder sonstiger Steinrest (angeblicher Hoheitsstein, also vielleicht von
einem Brunnen, wie in Gengenbach), auf der Vorderseite das Offenburger Wappen,
darunter 1540, auf der anderen Seite der Reichsadler.
Schlußstein mit einem Kopf in Rollwerk, Sandsteinarbeit aus der Mitte des 16. Jhs.
Halblebensgroße Statue der Pietä im gleichen Material aus der zweiten Hälfte
des 17. Jhs.
Ein Sandstein, auf beiden Seiten mit Wappen. Die eine, etwa um 1600 bearbeitet,
zeigt längsgeteilten Schild, links drei Balken schräglinks; auf der anderen Seite, um die
Mitte des 18. Jhs. bearbeitet, erblickt man in flotter Rocaillekartusche ein Allianzwappen.
Ein weiterer Stein mit dem Offenburger Wappen und ein Fragment mit nacktem Putto,
Rest eines reichen Renaissancetürgewändes.
Eine Anzahl gußeiserner Ofenplatten des 16. und 17. Jhs. mit religiösen und
kriegerischen Scenen sowie Wappen.
Ein weißglasierter Ofen mit Landschaftsmalereien in Blau, 1 8. Jh., sowie ein grün-
glasierter älterer.
Ofenkacheln, darunter zwei mit Brustbildern in der Zeittracht, von Hans Kraut,
andere in der Art der Schweizer Maler bemalt; 16. bis 17. Jh.
Trümmer von einzelnen Ofenkacheln.
Sechs steinerne Ofenfliße aus dem 1 6. bis 1 8. Jh., einige mit Delphinen geschmückt,
eine mit Karyatiden und Rocailleblumen, wirkungsvolles Stück.
Ein Stein vom Brückenpfeiler von Gengenbach mit Inschrift.
Schmiedeeiserne Kreuze des 18. Jhs. vom alten Friedhof.
Porträt, Ölgemälde, eines Abtes von Schuttem, 18. Jh.
Eine Hakenbüchse aus der ersten Zeit des 16. Jhs.
Einige Zinnsachen, darunter Abendmahlskannen mit dem Wappen derer von Rüdt,
gestiftet 1767 in die Kirche von Sindolzheim.
Hier auch der schmiedeeiserne Balkon des unten erwähnten, jetzt abgebrochenen
Gottwaldschen Hauses (S. 514), sowie das Oberteil des Gitters am Schulhause (s. Fig. 275)
und ein in Sandstein gut gearbeiteter Frauenkopf des 18. Jhs., ebenfalls von einem
abgebrochenen Hause.
PROFANGEBÄUDE
Rathaus Rathaus. Ein solches muß natürlich schon im 13. Jh. vorhanden gewesen sein,
Baugeschichte j j aber hören wir erst von einem Bau, auf einem verkehrt eingemauerten Stein
im Hofe des heutigen Rathauses findet sich diese Zahl. Offenbar fand damals ein
Neubau statt. Von diesem aber ist heute nichts mehr erhalten, dagegen noch einige
J) Sie verdankt ihr Bestehen wesentlich dem rastlosen Bemühen und Sammeleifer ihres Vor-
standes, des Herrn Kreissekretärs C. F. Mayer.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
5°5
Reste von jenem Bau, auf den die Jahreszahl 1521 in einem Raum an der Komstraße
hin weist. Zu Anfang des 17. Jhs. wurde die an der Hauptstraße gelegene Kanzlei
abgebrochen und ein Neubau beschlossen, 1604 bis 1605 auch, also ziemlich rasch, auf-
geführt, und zwar von »Meister Wendling Götzen dem Bildhauer« wie es scheint, da
außer ihm kein Baumeister genannt wird. Zeitgemäß war der Bau im Stile der deutschen
Spätrenaissance aufgeführt, es hat sich davon ein einziger Stein erhalten, mit Beschläg-
ornament.1) 1607 werden die Maler Friedrich Brändel und Hans Martin gemahnt, sich
in der Ausmalung zu beeilen. Nach dem Brand von 1689 konnten zunächst nur einige
Reparaturen an dem stehen gebliebenen Hintergebäude vorgenommen, unter anderem
zur Verhütung größeren Unglücks der Giebel abgebrochen werden, wir finden diesbeziig-
Öför/l/fsaffe
Fig. 282. Grundriß des Rathauses in Offenburg.
liehe Notizen von 1691 bis 1700; die Stuben werden hergestellt, 1699 wird eine Uhr
bestellt, 1700 ein »Tiirmle zu einer Glocken auf das Rathaus« errichtet. Als die Stadt
dann anfing, sich wieder zu erholen, wurde erst der Ausbau des Vorderhauses in Angriff
genommen und am 7. April 1741 der Kontrakt darüber mit »Maister Mathias Fux
Burger und Maurer allhier« abgeschlossen, der es übernimmt, »den völligen Cantzley
Bau, soviel die Maurer Arbeit betrifft, nach dem vorhandenen Riß auf seine eigene Kosten
zu verfertigen und herzustellen, mithin das alte Dachwerk und Gemäuer bis auf die
Fundamenta, wo es nöthig abzubrechen, die Kellerlöcher zu verändern, sodann sowohl
die Hauptmauern, als die innem Scheidewände der untern und mittlern Contignation
aufzuführen, die Riegelwände im dritten und oberen Stockwerk zu mauren, das Archiv
1) Abgebildet bei Walter, Das Rathaus etc., S. 6.
33*
506
KREIS OFFENBURG.
Fig. 283. Rathaus zu Offenburg.
kehlen zu machen« etc.1) Woher der Riß kam, ist nicht angegeben; die Vermutung
Walters, daß er in Augsburg gefertigt sei, weil sich über den Fenstern des Erdgeschosses
ein etwa einem Pinienzapfen verwandtes Gebilde findet, ist nicht stichhaltig, da das hier
lediglich ein auch anderswo vorkommendes Ornament ist. Der Maurermeister muß der
*) Walter a. a. O. S. 10.
und Küche zu gewölben, auch beede samt denen Gängen in allen dreien Contignationen
mit Platten oder Ziegelsteinen zu belegen, die Feuerwände, Feuerherd und Kammer zu
verfertigen, das ganze Gebäu außen und innen zu bestechen und auszustreichen, auch in
allen Zimmern und Gemächern, wo man es verlangt, Wickelböden und Decken mit Hohl-
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
5°7
ganzen Ausführung nach übrigens ein so tüchtiger Künstler gewesen sein, daß wir ihm
selbst die Konzeption Zutrauen könnten ; vielleicht hat es sich bei dem Riß nur um den
Grundriß gehandelt. Der Bau scheint ziemlich lange sich hinausgezogen zu haben, wenn
wir daraus etwas schließen dürfen, daß erst 1784 die Schreinerarbeit für den Rathaussaal
vergeben wurde. Er stand dann bis 1894, in welchem Jahre ein Umbau stattfand, der
leider die Wendeltreppe zerstörte.
Unser Grundriß (s. Fig. 282) zeigt den Zustand vor diesem Umbau. Das Gebäude
des 18. Jhs. ist ein regelmäßiges Rechteck, das seine Hauptfront mit je sieben Fenster-
achsen der Hauptstraße bezw. dem Markt zukehrt, während die eine Schmalseite an das
Gasthaus »Zur Sonne« angebaut ist, die andere mit je drei Fensterachsen in die Korn-
straße schaut. An die Rückseite stößt rechtwinklig, der Kornstraße entlang, das erhaltene
Hintergebäude aus dem 16. Jh. an, sowie an den davon frei bleibenden Teil die Wendel-
treppe, die den Zugang zu den verschiedenen Stockwerken des Hauptbaues vermittelte.
Die innere Einteilung des Hauptbaues geht aus dem Grundriß klar hervor.
Die Fassade gegen die Hauptstraße zu ist von sehr wirkungsvollem Aufbau
(s. Fig. 283). Die drei mittleren Fenster sind von gequaderten Pilastern mit ionischen
Kapitellen zusammengefaßt, über denen sich ein runder Giebel erhebt. Er ist dem
Satteldach des ganzen Baues vorgesetzt. Die im ganzen Bau flachbogig geschlossenen
Fenster sind in den zwei unteren Stockwerken mit einer an zwei Ecken konkav ein-
gezogenen Gesimslinie überdeckt. Die jeweils drei Fenster zu beiden Seiten des Portals
und das Balkons sind dadurch wieder zu einer Einheit zusammengefaßt, daß jeweils das
mittelste von ihnen mit einem flachrunden Giebel gekrönt ist, auf dem unten das
erwähnte pinienzapfenähnliche Gebilde, oben eine Blumenvase sitzt, während die Fenster
auf den beiden Seiten flache Volutengiebel aufweisen mit Palmetten dazwischen. Auch
die Keilsteine der Fenster sind verschieden behandelt, an den mittleren konsolenartig,
unten mit Ranken- und Vorhangornament, oben mit Fratzen, während die Keilsteine
der anderen Fenster ganz schlicht gelassen sind. Das rundbogige Portal ist von Pilastern
flankiert, deren Füllungen mit Bandgeschlingomament verziert sind. Auf den frei
behandelten Kapitellen sowie auf dem mit Löwenkopf versehenen Keilstein des Portals
sitzen die in Karyatiden endigenden Konsolen auf, die den Balkon tragen mit seinem
geschmackvollen, schmiedeeisernen Gitter. Uber der Balkontür in Relief von zwei
Löwen gehalten das Wappen der Reichsstadt unter flachrundem Giebel (s. Fig. 284).
Die Fenster des obersten Stockwerkes sind nur von einer Gesimslinie umzogen; ent-
sprechend der unteren Rhythmisierung sind ihre Keilsteine entweder mit Palmetten ver-
ziert oder glatt gelassen. Im Giebel zwei blinde Rundfenster und das Mittelrund mit der
Uhr. Auf ihm die Figur der Justitia.
Die Behandlung der drei Fensterachsen der Seitenfassade gegen die Kornstraße
ist die gleiche wie bei den vorderen Fenstergruppen, über ihnen erhebt sich in mehr-
facher Einbiegung und Ausbiegung, mit großen Voluten auflagernd, der große Giebel
des Daches. Auf seiner einmaligen, scharfen Knickung je eine Blumenvase, auf der
Spitze die Büste des sagenhaften Offo.
Nach dem Hof zu erhebt sich aus dem Satteldach ein kleines, mit einem Zwiebel-
dach gedecktes Glockentürmchen.
Die Türflügel des Hauptportals Schnitzerei des 18. Jhs. mit schmiedeeiserner
Füllung.
Fassade
5°8
KREIS OFFENBURG.
HaUptg]eschoß der Rathaussaal mit Durchzugsbalken und sparsamen Stuck
Ornamenten an den Decken, hier eine Standuhr geschnitztem Holzkasten das üh '
gehause selbst m Messing geschnitten und bezeichne,: Michael Guß t7;6 während dt
l ig. 2 84. Mittelstück der Fassade des Rathauses zu Offenburg.
Uhrenkasten laut Akten i 779 von Bildhauer Speckert gefertigt worden; das Uhrwerk
stammt von Anton Höhrmann. Auf dem Korridor und in den Zimmern einige Ölgemälde
1 ortrats der Maria Theresia, Franz I. u. a.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
5°9
Das Material sind Bruchsteine, an den Gewänden und skulpierten Teilen roter
Sandstein, im Innern teilweise Riegelwände.
Das anstoßende Hintergebäude zeigt im Erdgeschoß und ersten Geschoß noch
die geradsturzigen, teilweise noch mit einem Mittelpfosten versehenen Fenster mit
abgefasten Sandsteingewänden aus dem 16. Jh., im Erdgeschoß auch noch die alte Ein-
teilung (dient als Polizeiwachtstube). Uber dem mittleren Doppelfenster desselben im
Sturz ein Stein eingemauert, der nach Walter ehemals am Sturz des hier vorhandenen,
abgebrochenen Portals sich befand, zwischen dem zweimal wiederholten Stadtwappen
die Jahreszahl 1521 und das Zeichen Fig. 282. Heute tritt man zunächst in einen von
einem Kreuzrippengewölbe überspannten Raum, hinter dem ein zweiter, ähnlicher liegt.
Aus dem ersteren gelangt man durch eine Tür mit abgefastem Gewände in die einstige
Torhalle, die — etwa 1,75 m breit und 5,75 m lang — mit einem Netzrippengewölbe
überdeckt ist, dessen schlicht mit einer Hohl-
kehle profilierte Rippen ohne Konsolen in der
Wand verlaufen. Sie haben vier (der fünfte
ist weggelassen) Schlußsteine, an denen das
Stadtwappen, ein Christuskopf, ein Stern und
eine sechsblättrige Rose skulpiert sind. Aus
einer Rippenkreuzung schaut der Kopf des
Künstlers hervor — anders wird er wohl
nicht zu deuten sein — , der den Bau er-
richtet, und daneben an der Rippe das Meister-
zeichen1) (s. Fig. 285).
Im Hof, an der Rückseite des Neu-
baues, befand sich in achteckigem Türmchen
die Wendeltreppe , der Schneck, die nach
Walters Behauptung auf Grund älterer Aus-
i .... Fig. 285. Kopf des Baumeisters, im älteren Teil
sagen aus dem zerstörten Pfalzgebaude hier- , „ , ~
des Rathauses in Offenburg.
her transferiert wurde.2) Nach den über den
»steinenen Schnecken an der Pfalz« erhaltenen Urkunden ist derselbe in den Jahren 1614
und 1615 von »Meister Wendling Götzen dem Bildhauer und Steinmetzen« errichtet
worden, also dem Meister des Renaissancerathausbaues. Nach Walter fanden sich an
ihm folgende Steinmetzzeichen:
Material
Wendeltreppe
+ t i 1 1 J f t f f h»
Aus dem Rathaus stammte ein gutes schmiedeeisernes Renaissancetiirbeschläg mit Renaissance-
Knauf, das sich ehemals im Besitze des Kaufmanns Albrecht Fischer befand.
Pfalz und Laube standen noch seit dem Brand in Mauerresten, die mit dem Ein- Pfalz und Laube
stürz drohten. Endlich 1784 beschloß man daher ihren Abbruch. Interessant ist dabei
der Umstand, daß sich dafür u. a. ein Maurer aus dem Bregenzer Wald Anton Hirschspiel
anbietet, daß also damals noch diese Eauschule bis hierher tätig war. Doch erhielten
die ortsansässigen Meister den Auftrag. Damals erschienen Pfalz und Laube als zwei
1) Von Walter nicht richtig wiedergegeben.
2) Walter, Das Rathaus etc., S. 12.
KREIS OFFENBURG.
5*°
Salzhaus
Bezirksamts-
gebäude
Gebäude, doch dürfte Walter mit der Ansicht recht haben, daß sie ursprünglich nur
eines bildeten, in dem zu ebener Erde die Brotbänke und Gaden, im oberen Stock die
Pfalzwirtschaft war. Es war ein gewaltiges Gebäude, das nach allem da stand, wo jetzt
das Kriegerdenkmal steht, offenbar in der ersten Hälfte des 16. Jhs. erbaut, denn seit 1565
hören wir in den Protokollen von der »neuen Pfalz«.1) Nach dem Brande erbaute man,
da ein städtisches Wirtshaus Bedürfnis schien, vor diesem zerstörten Bau an der Stelle
des heutigen Drakedenkmals ein neues Gebäude (1727), das jetzt auch verschwunden ist.
Das sogen. Salzhaus, das nach 1786 neu aufgeführt wurde, ist das schlichte Haus
Nr. 65 an der Hauptstraße.
Das heutige Bezirksamlsgebäude, früher der Königshof genannt, wurde als
Amtshof für die Landvogtei unter der Markgräfin Sibylle in dem zweiten Jahrzehnt des
1 7 . Jhs. begonnen.
1712 wurde von dem Amtmann (damals Wilh. Wenger) die Bauung eines herrschaftlichen
Kellers auf dem Amtshof beantragt, »wobei aber die Fundamente dergestalt gelegt werden müssen,
daß mit der Zeit nach Ir. hochfürstl. dchlt. gnädigsten Fürstin und Frau Intention ein Gebäu darauf
gesetzt werden kann«, und er habe »vor nöthig und gut angesehen, daß etwa der hochfürstl. Bau-
meister zu Rastatt heraufgeschickt und durch ihn ein Grundriß und Überschlag gemacht werden
könne«.2) 1714 war alles soweit bereit, daß man hoffen konnte, den Bau fortzuführen und noch im
Sommer unter Dach zu bringen. Am 29. April 1714 berichtet der Amtmann Bree, daß der Bau
zwar zu Anfang gebracht und nach Ankunft des Baumeisters Herrn Rohrer mit dem hiesigen
Maurermeister Dominik Ellmerich der Akkord der Maurer- und Steinhauerarbeit getroffen worden,
doch ergab sich noch eine Schwierigkeit wegen anzukaufender Plätze, die Rohrer notwendig hielt
zum »Embellissement und Commodität des herrschaftl. Baues«. Das Haus auf dem Nebenplatz nämlich
hatte zwei Fenster gegen das Amtshaus, dies sollte aber vorgerückt werden. Endlich konnte man
sich mit dem Besitzer darüber einigen. Auch eine Steingrube glaubte man eine halbe Stunde
entfernt entdeckt zu haben, »wo große Steine, auch Quader und Platten genugsam überkommen sein.
Die Untertanen seien auch zur Frohn ganz willig und bereit, begehren aber nach alter Gerechtigkeit
täglich 2 Pfund Brod und I kr. Geld — Fuhrfrohn aber 4 Pfund Brod und 2 kr. Geld«. Zugleich
schickte man einen Maurermeister nach Schloß Staufenberg, um zu sehen, ob die allda gehauenen
Tür- und Fenstergestelle zum Bau gebraucht werden können. Man fand auch 100 Stück an der
Zahl brauchbar, die man hertransportieren ließ. Am 25. Juli 1715 berichtet der Amtmann dann schon
wegen der Zimmerarbeit, daß der Zimmermann, um deswillen, daß es ein französisches
Dach sei, also eine ihm etwas unbekannte Arbeit etc., sich nicht auf einen Akkord einlassen
wollte. Der Amtmann schlägt darauf vor, daß der Holzbau irr Taglohn befördert werde, und hofft
dann, eventuell noch mit Ersparnis, denselben bei einem Meister und elf Gesellen in 40 Tagen zu
perfektionieren ; doch müßte man von seiten der Hofkammer den herrschaftlichen Zimmermeister Josef
Bildstein dazu geben, was geschieht. Am 26. November 1715 überreichte »Michael Ludwig Rohrer
Architectus« einen Bericht über das Fertiggestellte:
1. sind die Circumferenzmauem durch alle zwei Stockwerke bis an das Hauptgesims, wie
auch im unteren und oberen Stock alle steinernen Fenstergestelle verfertigt und versetzt, bis
auf die zwei mittleren Fenster, welche erst mit dem Portal verfertigt werden können, und
die Frontaspitze wird künftig mit dem Hauptgesims fertig;
2. sind die inwendigen Scheide- und Zwerchmauern durch beide Stockwerke gegen die Hälfte
aufgeführt, wie auch die Hauptstiege im unteren Stock ;
3. sind die zwei Stiegen in den großen plauptkeller und in den Amtskeller fertig bis auf das
Bestechen ; das große Kellergewölbe müsse noch gewölbt und hierzu aparte Gewölbesteine
gebrochen werden ;
*) Walter a. a. O. S. 21.
2) Walter, Die Erbauung des Bezirksamtsgebäudes etc., wo alle diesbezüglichen Akten im
Auszug wiedergegeben sind.
AMT OFFENBURG. - OFFENBURG.
SU
4. ist der Hof gegen die anstoßenden Häuser und Höfe auf einer Seite mit einer 176 Werkschuh
langen Mauer abgeschlossen und die Mauer auf zwei Drittel der Höhe aufgeführt ;
5. sind zu den Nebengebäuden die Fundamente fast über die Hälfte gelegt;
6. ist der Dachstuhl in der Zimmerarbeit fertig und aufgeschlagen, so daß er innerhalb 14 Tagen
eingelattet und bedeckt sein kann ; die Dachfenster können aber erst, wenn das Gemäuer,
Kamine und Hauptgesimse fertig sind, verfertigt werden ;
7. das große Portal mitten im Bau ist noch nicht angefangen ; da das Gebäude einen so schönen
Prospekt bekommt, wird um Verordnung gebeten, ob nicht dieses Portal etwas schöner als
das projektierte hergestellt werden solle, damit die Steine dazu gebrochen und gehauen
werden können.
Am 2. März 1717 berichtet endlich Amtmann Bree an die Hofkammer, daß die rauhe
Mauerarbeit am Amtshofbau alle fertig sei und der Maurermeister Dominik Ellmerich auf
Bezahlung dringe nach Abmessung und Liquidierung durch Rohrer und einen bei-
gezogenen unparteiischen Meister. Dem wird stattgegeben. Von da an hören wir
nur mehr von kleinen Reparaturen im Dachwerk etc. Erst 1756 wird vorgeschlagen,
2500 fl. von vorhandenen Geldern zum vollständigen Ausbau und Herstellung des fürst-
lichen Amtshauses zu verwilligen, und es wird denn auch bestimmt, »daß solche zum
Portal des Amthauses und aus ihrem Rest das sonst Höchstnötige verwendet werden
möge, und beantragt, den fürstl. Architekten Krohmer zu beordern, um den Augenschein
zu nehmen und Überschlag zu machen. Riß und Bauprojekt sowie Überschlag wurden
vorgelegt und genehmigt, nur wurden zwei projektierte Figuren, welche nicht gar wohl
herauskommen, ausgelassen«. Im April 1758 wurde dann berichtet, daß man mit den
2500 fl. nicht auskäme und noch weiter ca. 750 fl. erforderlich wären. In diesem Jahr
dürfte dann der Bau fertiggestellt worden sein. 1763 sollte er zu zwei Wohnungen her-
gerichtet werden, was aber dann der großen Kosten halber unterblieb.
Aus diesen Nachrichten scheint mir hervorzugehen, daß 1717 der Bau mit Aus-
% *
nähme des Portals, der Tür darüber und des Fensters im Giebelbau fertig war, daß
1756 bis 1758 nur dieses schmale Mittelstück noch hergestellt werden mußte, da die
Fenster seitlich der Türe sich deutlich als Produkte der ersten Bauzeit erweisen. Aber
wie das Portal zu dem Ganzen paßt, möchte man doch glauben, daß ein alter, damals
noch erhaltener Entwurf Rohrers der Krohmerschen Hinzufügung zugrunde gelegt wurde.
Unser Grundriß zeigt die Einteilung des Gebäudes (s. Fig. 286) im Erdgeschoß,
der die obere entspricht. Durch das Portal betritt man den stattlichen Vorplatz, der
die ganze Breite des Mittelrisalits einnimmt und von den zwei Fenstern zu den Seiten
des Portals gutes Licht erhält. Zu seinen beiden Seiten je zwei zweifenstrige Zimmer,
nach rückwärts eine Anzahl gewölbter Räume. Vom rückwärtigen Tordurchgang aus
führt die Treppe in das Hauptgeschoß. An die Rückseite schließt sich nördlich in etwas
stumpfem Winkel ein Flügel an. Das Innere des Baues bietet nichts Bemerkenswertes,
abgesehen von’ einigen Türen mit Gewänden in einfacherem Barock.
Desto interessanter die Fassade (Tafel XVIII), ein treffliches Werk des ausklingenden
Louis XlV.-Stils, dessen gründliche Kenntnis wir bei dem Architekten vermuten dürfen.
Die elf Fensterachsen breite Fassade wird durch zwei schwach hervortretende Eckrisalite
mit je einem Fenster und das große Mittelrisalit mit drei Fenstern gegüedert. Durch-
gehende glatte Pilaster auf vorhangförmig in die Höhe gezogenen Sockeln mit flachen,
steifen Blattkapitellen nebst ebenfalls vorhangförmig in die Höhe gezogener Deckplatte
tragen das Gesims. Dieses, mit Triglyphen, Mutuli und doppeltem Zahnschnitt versehen,
512
KREIS OFFENBURG.
zieht sich über das Ganze hin, über den Risaliten verkröpft. Dreieckgiebel krönen die
Seitenrisalite, während sich über dem mittleren ein weiteres Stockwerk erhebt, darüber
erst der große Dreieckgiebel, ebenfalls mit Zahnschnitt. Die Fenster mit geradem Sturz
sind von ohrenartig ausladendem Rahmenwerk umgeben, das im Erdgeschoß nach unten
in Platte und Tröpfchen, im Hauptgeschoß in stilisierten Blattkonsolen endigt, oben
einmal abgetreppt ist. Unten ein dreigeschnitzter Keilstein und darüber ein gerades
Gesims, oben an dem höheren Fenster ein solcher mit Maskaron und Blättern, darüber
an den Risaliten ein flachrunder, an den Zwischenteilen vorhangmäßig in die Höhe
Fig. 286. Grundriß des Amtshauses in Offenburg.
gezogener Giebel. Das im Korbbogen geschlossene Portal wird von verkröpften Pilastern
flankiert, darüber der Balkon, von drei Konsolen getragen, deren beide äußere aus
Netzen herausschauende Hirschköpfe, die mittlere (der Keilstein des Portals) ein Maskaron
aufweisen. Uber dem mit schmiedeeisernem Geländer in Rocailleformen versehenen
Balkon die Türe, von Voluten flankiert, über dem verkröpften Gebälk in kräftigem
gebrochenen Halbkreisgiebel und bewegter Rocaillekartusche das Wappen von Baden-
Baden. Das Geschoß darüber, von flachen Pilastern gegliedert, hat drei Fenster von
einfachem Profil mit Ohrenausladung umzogen. In den Mansarden des Daches, die,
von Voluten flankiert, ebenfalls kleine Giebel im Vorhangbogen aufweisen, klingt der
Stil des Ganzen aus. Überall die typische, steife Barockisierung der Renaissanceformen,
wie sie uns auch in Rastatt und der Favorite begegnet. Bei letzterer finden wir genau
Band VII. Zu Seite 512.
Offenbnrg, jetziges Bezirksamt.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
5*3
die gleiche Behandlung der Einzelformen, der Pilaster, Gesimse, Fenster etc., auch die
Behandlung des Giebelstockwerkes verrät den gleichen Baumeister, den bisher in der
Kunstgeschichte kaum bekannten Michael Ludwig Rohrer.
Das geschnitzte Tor ist ein Werk aus der letzten Bauzeit um 1758.
Das Material des Baues ist verputztes Bruchsteinmauerwerk, roter Sandstein an den
Gewänden. Wo die von Staufenberg hertransportierten Fenstersteine verwendet worden
sind, ist an dem ganzen
Bau nicht zu entdecken.
Überall aber ersichtlich
die Spuren der alten
Bemalung, auf die hier
ebensowenig wie in
Rastatt verzichtet ist.
Alles Verputzte war rot
angestrichen, der Hau-
stein, wie es scheint,
in natürlicher Farbe
gelassen, aber an Kapi-
tellen etc. zweifellos ver-
goldet.
Das Landgerichts-
gebäude, früher Ritter-
haus genannt, weil es
1 804 die ortenauische
Reichsritterschaft erwarb,
ist nach Walters
ansprechender Ver-
mutung von Matthias
Fuchs erbaut in der
zweiten Hälfte des
18. Jhs., als noch Franz
Georg Freiherr von
Rienecker Eigentümer
war, jedenfalls an der
Stelle eines älteren, ab-
gebrannten Hauses. Ein
großer, zweistöckiger Bau
mit 17 Fenster achsen, in der Mitte in drei Fenstern mit einem weiteren Stockwerk ver-
sehen, darüber ein Dreieckgiebel. Die Fenster mit ohrenartig ausbiegendem Gesims
umzogen. Im Torflur, zu den Räumen des linken Erdgeschosses führend, ein etwas
reicheres Barockportal. In die eine Hofecke des Komplexes eingebaut ein runder
Treppenturm mit schöner Wendeltreppe aus rotem Sandstein, die ohne Spindel in
schöner Schwingung hinaufführt. Der Anfangspfosten wie die Eingangstür mit Akanthus-
ornament verziert. Die Treppe stammt aus den Zeiten der Spätrenaissance, etwa dem
Anfänge des 1 7 . Jhs.
Fig. 287 . Einhornapotheke in Offenburg.
Landgerichts-
gebäude
Wendeltreppe
Privathäuser
5 I 4 KREIS OFFENBURG.
An Privathäusern sind hervorzuheben:
Die Einhornapotheke an der Hauptstraße Nr. 82, mit ihrem mächtigen, mehrfach
abgeteilten Volutengiebel (s. Fig. 287), der in verschiedenen, konkaven Einziehungen
aufwärtsstrebt, auf seinen Absätzen Vasen und oben ein Einhorn trägt. Er wirkt besonders
durch die gute Schlichtheit der unteren Geschosse, an denen noch ein trefflicher, schmiede-
eiserner Balkon aus der Mitte des 18. Jhs. auffallt.
Hauptstraße Nr. 72, J. Bechler. Schmiedeeiserner Balkon mit dem Doppeladler,
Mitte 18. Jhs.
Ebenda Nr. 64, E. Geiger. Altes Patrizierhaus aus dem Ende des 18. Jhs. An
den Ecken rustizierte Pilaster, in steifem Volutenkapitell endigend, darauf Vasen mit
Sternen, jetzt stark erneuert. Zur Zeit meines Besuches befand sich hier das von Walter
als im Besitz des Herrn Alb. Fischer erwähnte große Lihlsche Familienbild, über das
1882 in der Zeitschrift für bildende Kunst folgendermaßen berichtet wurde:
„Es befand sich auch ein großes Porträtgruppenbild, 3,46 m hoch und 1,65 m breit, in dem
Atelier des Gemälderestaurators A. Sesar in Augsburg, das vermöge seiner vollendeten Technik, der
feinen Individualisirung der Dargestellten, sowie der liebevollen Durchführung bis aufs nebensächlichste
eine beachtenswerthe künstlerische Kraft verräth ; und doch ist über den Meister, dessen Name Lihl,
1751, am Bilde unten rechts steht, in unseren Nachschlagebüchern nichts zu finden. Der Besitzer,
Herr Albrecht Fischer in Offenburg, der das Bild durch Sesars gewissenhafte und bewährte Hand
in einen gesicherten Zustand mit voller Schonung des Originals bringen läßt, hat glücklicherweise
von einer noch lebenden Großnichte des Malers folgende erläuternde Notizen erlangt: »Das Bild
stellt lauter Glieder der Familie Lihl vor, welche aus Schlackenwald in Böhmen gebürtig waren. Der
Herr rechts in der oberen Ecke ist mein Großvater Joh. Nep. Lihl, und die Matrone meine Groß-
mutter, des ersteren zweite Frau. Derselbe war Sekretär Ihrer kais. Hoheit der Prinzessin Maria
Viktoria von Oesterreich. Der Verfertiger des Gemäldes, Joh. Lihl, Hofmaler in Wien, mein Groß-
onkel, befindet sich ebenfalls darauf und steht hinter dem Bilde seiner Frau. Um 1760 siedelte der-
selbe nach Rastatt über. Die im dortigen Schlosse, Rathhause etc. befindlichen Oelgemälde sollen
Werke seiner Hand sein. Der Knabe mit der Lilie und das Mädchen mit dem Obstteller in der
Hand sind seine Kinder. Der dritte Herr in unmittelbarer Nähe des Hofmalers ist dessen Bruder
Jos. Lihl. Derselbe lebte als Pastellmaler in Florenz und Prag. Die Klosterfrau, welche auch als
Bild im Bilde dargestellt ist, war meine Großtante im Lichtcnthaler Kloster bei Baden-Baden.« etc. etc.
Kork, den 17. Februar 1879. Sophie Huttenberger, geborene Lihl.“
Der Name des Malers dürfte indes falsch angegeben sein, er hieß Heinrich Lihl, wir finden
ihn als Hofmaler von Rastatt erwähnt in den Offenburger Stadtakten von 1757- Schon 1723, 1737,
dann wieder 1747 und 1750 war er für das Franziskanerkloster in Rästalt tätig.* 2)
Ebenda Nr. 59, stattliches Gebäude von 1760. In einer Nische halblebensgroße,
gute Steinfigur der Immaculata Conceptio in dem dekorativ bewegten Barockstil.
Ebenda Nr. 100, Gasthaus »Zum Kopf«.3) Eigentümer des Hauses war um 1720
Martin Dominik Wernikau, Stettmeister und Obervogt, 1755 kam es an den Stettmeister
Franz Anton Lihl, der es ausbaute. Aus dieser Zeit stammt an der Ecke des Hauses in
einer Nische eindrittellebensgroße Madonna mit Kind, darunter das Wappen der Familie
Lihl : im Schild eine Lilie. Im Eckzimmer des Hauptgeschosses geschmackvolle Rocaille-
stuckdecke, in der Mitte, von einer Blumengirlande umrahmt, eingelassen ein Ölgemälde,
darstellend Maria Theresia, umgeben von allegorischen Frauen und Putten mit Blumen.
Der Urheber des Bildes ist vermutlich ein Verwandter des Stettmeisters, Joh. Lihl, später
*) 1882, 18. Jahrg., S. 26.
2) Staudemaier im Belletrist Unterhaltungsbl. zum Badischen Beobachter 1880, Nr. 40 — 45.
a) Walter, Die Bierbrauerei »Zum Kopf« (»Volksfreund«).
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
515
Hofmaler in Rastatt und wie es scheint in Wien, von dem ich oben gelegentlich eines
anderen Bildes (s. unten) ausführlicher berichtet habe. — Das Haus wurde im letzten
Jahrzehnt des 19. Jhs. umgebaut, das Eckzimmer und die Statuen dabei aber erhalten.
Ebenda Nr. 94, Gasthaus »Zur Sonne«. Als solches schon seit 1556 bestehend,
zweieckiger Bau mit zwei Aufsätzen und Giebeln, zwischen Rathaus und Bezirksamt,
der hoffentlich nicht zum Schaden der Wirkung dieser Bauten wesentlich verändert wird.
Fig. 288. Schmiedeeisernes Torgitter am Vincentius garten in Offenburg.
Ebenda Nr. 69, J. V. Battiany Sohn. Fassade von sechs Achsen, durch Lisenen
gegliedert, aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs. Im ersten Stock großes, dreifenstriges
Zimmer mit Parkett, charakteristischer alter Tapete in steifem Muster, Umrahmung der
Spiegel mit sehr feinen, in Holz geschnitzten Ranken, darüber auf den Handel bezügliche
Reliefs, Stuckdecke mit teilweise alter Bemalung, treffliche Umrahmung der Ofennische
mit ionischen Holzsäulen, Vasen und Girlanden. Im ganzen Haus insbesondere die
Umrahmung der Spiegel mit Reliefs bemerkenswert.
KREIS OFFENBURG.
5l6
Ebenda Nr. 109. Stattliches Haus mit elf Fensterachsen, an den beiden Ecken
große Pilaster mit ionischen Kapitellen, aus dem Ende des Louis XVI.-Stils und des
18. Jhs.
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Fig. 28g. Galerie am Hause Ritterstraße Nr. 12 in Offenburg.
Kesselstraße Nr. 7, 9, 11, 13, 15 jetzt leider verputzte Fachwerkhäuser.
Kirchstraße Nr. 1. Tor mit mächtigen Voluten, Wappen und gebrochenem Drei-
eckgiebel.
AMT OFFENBURG. — OFFENBURG.
517
An der Klosterstraße Haus Nr. ? Uber der Türe skulpierter Ochsenkopf, 1 8. Jh.,
als Metzigzeichen. (Jetzt verschwunden?)
Ebenda Nr. 17, Besitzer Dominik Staudinger (am Fischmarkt). Zwischen zwei
Fenstern des ersten Stockes, in einer Nische, eine Madonna mit Kind, unter ihr Seelen
im Fegfeuer; an der Konsole steht: Trösterin der bedryebten. Mit zum Teil noch alter
Bemalung. Datiert 1721.
Langestraße Nr. 18, Ferdinand Hauger. 1743 für den markgräflich baden-
badischen Amtmann Anton Egg erbaut , vermutlich von dem obengenannten
Maurermeister Matthias Fuchs. Gewundene Treppe mit noch gotisch profilierten
Zügen.
Ebenda Nr. 25. Relief der heiligen Familie, vom Ende des 18. Jhs.
Kornstraße Nr. 12, jetzt Vincentiushaus. 1764 von Generalfeldmarschall-Leutnant
Josef Freiherrn von Ried erbaut, später in Bussiöreschem Besitz. Stattliches Haus, das
Portal von dorischen Säulen flankiert mit gebrochenem Rundgiebel, dazwischen in einer
Nische die neue Statue des h. Vincentius. Die Fenster des Hauses mit gebrochenem Rund-
giebel gekrönt, dazwischen unten Obelisken, im Obergeschoß Kugeln. Im Innern hervor-
zuheben die hintere Holzstiege mit in gutem Rocaille ornamentierten Anfangspfosten.
Im Obergeschoß ein Schrank, in den Füllungen mit Vasen und Blumen bemalt.
Dazugehörig der Garten, den man durch ein Portal mit schmiedeeisernem Gitter
im Rocaillestil (s. Fig. 288) und dem Riedschen Wappen betritt. Der Garten erstreckt
sich bis zur Stadtmauer, die hier die zwei kleinen aus dem Achteck gebildeten Bastionen
hat. An dem Zugang zu diesen ist je eine liegende Sphinx (roter Sandstein) angebracht,
auf der Mauer zwischen denselben stehen alternierend acht Vasen in besten Rocaille-
formen und sieben je 1 m hohe Statuen, die verschiedenen Arten des Land- und
Gartenbaues repräsentierend, Winzer, Bauernmädel mit Korb, Gärtner, auch ein Flöten-
bläser, alles recht erfreuliche Genrefiguren in Zeittracht. Fünf Stufen, von zwei Vasen
flankiert, führen in den tieferen Teil des Gartens. Das ganze anspruchslose Arrangement
von wohlberechnetem Reize.
Metzgergasse Nr. 19, Louis Burg. Schmiedeeisernes Gitter des 18. Jhs. mit
großen Kreuzblumen, neuem Schild.
Ringelgasse. Auf Konsole ein Löwenvorderteil, wohl aus der ersten Hälfte des
18. Jhs. Ebenda einige Fachwerkhäuser.
Ritterstraße Nr. 12. An dem nach der Straße zu leider verputzten Hause findet
sich desto wirksamer nach der Hofseite zu eine reizvolle Holzgalerie, vorkragend
(s. Fig. 289) mit hübsch geschnitzten Balustersäulchen.
Ebenda Nr. 14. Stattliches Riegelhaus (s. Fig. 290 u. 291) mit gut geschnitzten
Fenstererkem; über dem ersten Geschoß das in dieser Gegend übliche, aus dem Giebel
vorspringende Fensterschutzdach. (Leider sind davon heute nur noch die Spuren zu
sehen, da bei einer Renovation vor einigen Jahren die Gesimse abgeschlagen und die
Holzteile verputzt wurden.)
Rosenstraße Nr. 2. Tür mit rotem Sandsteingewände, in Hohlkehlen und Rund-
stäben profiliert, welch letztere auf steilen Basen aufsitzen, mit Verzierung in Kannelierung
und Sternen. Am Türsturz zwei leere Schilde, um das Ganze abgetreppte Umrahmung,
in der das Oberlicht; aus dem Anfänge des 16. Jhs.; eines der wenigen erhaltenen Stücke
aus der Zeit vor dem Brande.
KREIS OFFENBURG.
518
Wasserstraße Nr. 6. An der Ecke in Nische Statue des h. Wendelin; zweite Hälfte
des 18. Jhs.
Außer diesen genannten ließen sich noch eine Anzahl anderer Häuser anführen,
die, an sich nicht übermäßig bedeutend, oft gerade in ihrer Schlichtheit wohltuend
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• M . A 50 •
Fig. 290. Haus Ritterstraße Nr. 14 in Offenburg (im alten Zustande).
wirken. Noch stehen ihrer genug und noch ist es Zeit, durch ihre Erhaltung, sowie
Freilegung des verputzten Fachwerkes an anderen und Anschluß an diese vorbilder bei
Neubauten das Offenburger Stadtbild erfreulich zu gestalten, umsomehr, da die alte
Straßenanlage dafür sehr günstig ist.
AMT OFFENBURG.
OFFENBURG.
5T9
■ Q I E BEL- PES -WOHNHAUS ES-
• FUTTERSTRA S^E N? i* •
• OrrENBURq-
EINZELHEITEN-
Fig. 2Qi. Details vom Hatise Ritterstraße Arr. 14 in Offenburg.
Öffentliche Brunnen.
Noch aus den Zeiten vor der Zerstörung stammend der Brunnen am Fischmarkt, Öffentliche
Brunnen
der 1845 renoviert wurde. Auf viereckigem, damals erneuertem Postament zunächst
der runde Sockel mit Männer- bezw. Löwenköpfen (ebenfalls völlig erneuert), aus
Band VII,
34
520
KREIS OFFENBURG.
Judenbad
deren Mäulern die zwei Ausgußrohren hervorkommen. Darüber die bauchige Säule
mit Akanthusblättem am Schaft und Kompositkapitell mit Köpfen. An der hochaus-
ladenden Deckplatte steht:
ANNO DOMINI 1599 P ^ Z • ;
darüber der Löwe mit dem doppelten Wappenschild, dem Reichs- und Stadtwappen. Ein
frisches, erfreuliches Werk der Spätrenaissance.
In der Hauptstraße der Neptunsbrunnen, eine Achteckschale mit gotischem Ast-
werk verziert; in der Mitte der Stock, unten eine Arbeit des 19. Jhs., dann der alte
Teil mit Fialen, Maßwerk, Kielbogen, nicht etwa, wie man denken sollte, eine Arbeit
des 16. Jhs., sondern des schon oft erwähnten Johann Nep. Speckert, der im Juni 1783
dem Rat den Riß des herzustellenden Röhrenbrunnenstockes übergab, mit der Anfrage,
was daraufgesetzt werden solle. Der Rat verlangte den Wassergott Neptun in einer
Größe von 5 Y2 Schuh, und Speckert führte sofort die auf obigem, gotischem Postament
stehende Statue aus in der etwas verdrehten, manierierten Haltung, wie sie damals beliebt,
aber im ganzen sehr wirksam. Im August war er fertig; bei der Aufstellung beschlichen
den Rat aber Bedenken ob der Höhe des Stocks, die gefährlich schien, und der Künstler
mußte ihn kürzen, was sich heute noch in der etwas unvermittelten Endigung bemerk-
lich macht.
Eines der interessantesten Denkmäler Ofifenburgs ist zweifellos das Judenbad, das
sich unter dem Hause des Karl Schimpf, Glaserstraße Nr. 6, befindet, welches 1793
durch Matth. Fuchs erbaut worden ist. Wir geben eine Abbildung desselben nach einer
älteren Aufnahme von G. Armbruster 1882 (s. Fig. 292).
Vom Keller des genannten Wohngebäudes tritt man durch ein 1,17 m hohes rund-
bogiges Eingangstor mit sauber behauenem Quadergewände in den nach unten führenden
tonnengewölbten Treppengang mit 36 Treppen, der bis zur 19. Treppe ca. 2 m hoch
und 1,23 m breit ist; dann verengert er sich auf 1,70 m Höhe und 1 m Breite und
endlich führt, nach Aufhören der Treppe, ein 3,37 m langer Gang, zu dessen Seiten
je eine rundbogige und eine Nische mit geradem Sturz angebracht sind, zu einer
rundbogigen Tür von ähnlicher Behandlung wie oben. Die erwähnten Nischen sind
meiner Ansicht nach nicht erst später zugemauert. Durch dieses Tor betritt man einen
quadratischen Raum, der noch etwa 2,20 m tiefer ausgemauert ist als der aus gewachsener
Erde bestehende Fußboden. In der Mitte des Raumes ein kreisrundes, 1,30 m im Durch-
messer weites und ca. 2,20 m tiefes Bassin zur Aufnahme des Grundwassers, das meist
bis zu 2 m hoch in demselben steht. Nicht ganz 1I2 m über dem Erdboden sind
an der einen Seite zwei Konsolen angebracht, wohl zum Auflager einer Sitzbank.
Der quadratische Schacht, mit tadelloser Quaderausmauerung, ist vom Fußboden aus
ca. 4,5 m hoch, oben mit einer Platte abgeschlossen, die von vier frei herausgearbeiteten,
kantigen Rippen getragen, welche sich in einem runden Steinring vereinigen. Darüber
folgt der etwa 7 m hohe, kreisrunde engere, ebenfalls in roten Sandsteinquadern aus-
gemauerte Schacht, welcher an der Erdoberfläche in einem runden Steinring endet.
Die Deutung des Ganzen als Judenbad ist zweifellos. Es scheint Vorschrift gewesen
zu sein, daß die Judenfrauen sich nach gewissen Zeiten badeten, und zwar nicht in
gepumptem und beigetragenem, sondern in in das Becken geflossenem Wasser. Wo das
nun, bei nicht vorhandenen Bächen oder wenn die Judenschaft eng in ihre Gassen ein-
Oevölbe'im
-I^ncfcn&hnitt
Diagonalschritt,
wrnrnmm
WMWM-
Fig. 11)2. Jndenbad in Offtnbing. (Nath linei Aufnahmt t'on 1SS2.)
Ofj'eriiurcri'm RprihMV.
U.ind VII. Zu Seile 520.
.
AMT OFFENBURG. — OHLSBACH. 5 2 I
geschlossen war, nicht möglich war, da scheint man das Grundwasser benutzt zu haben.
Im Prinzip die gleiche Anlage wie hier findet sich in Speier, nur architektonisch reicher
ausgestaltet, während die sonst erhaltenen Judenbäder meistens nicht diese komplizierte,
unterirdische Anlage benötigten.1) Während das Speierer Bad wohl dem Ende des 12.
oder Anfang des 13. Jhs. angehören dürfte, scheint mir den frühgotischen Konsolen,
den Rippen nach, mit der doch noch durchgehenden Verwendung des Rundbogens,
unser Monument in das Ende des 13. Jhs. zu gehören, also etwa 50 bis 60 Jahre vor
der definitiven Judenaustreibung.
Sammlung des Gewerbevereins , jetzt in der »Zauberflöte« befindlich: Zunftschilde
in Silber oder Messing graviert, schmiedeeiserner, großer Schlüssel als Zeichen der
Schlosserzunft, Zunftkästen etc. — Im Gasthaus »Zum Ochsen« Schild der Metzger-
zunft, im »Zähringer Hof« der Bäckerzunft.
In der Anlage Pfosten mit Offenburger Wappen und der Jahreszahl 15-63.
Am ehemaligen Fischertor (jetzt?) noch ein Stein mit der Inschrift 1586 erhalten.
Vor der Stadt an der Straße nach Ortenberg Kruzifix (Sandstein) des 17. Jhs.,
1807 von einem französischen Soldaten beschädigt, durch seinen General wieder auf-
gerichtet (Freib. Kath. Kirchenblatt 1883, S. 395).
OHLSBACH
Schreibweisen: Olsbach ca. 1235; Oiesbach 1275; villa 1376; Oiespach 1398;
ym Olspach 1421; Alspach 1426; in den hindern Olspach 1581. (Bach des Olo.)
1424 bestand Ohlsbach aus zwei Teilen, welche Forst und Hub hießen.
Archivalien: Mitteil, der histor. Kommission Nr. 5 (1885), S. 265 — 266, und
Nr. 17 (1895), S. 47.
Ortsgeschichte: Ohlsbach gehörte zur Landvogtei Ortenau. Als die Stadt Gengen-
bach eine intensive Ausbürgerpolitik begann und anfing, hörige und freie Gemeinden
ganz mit sich zu verschmelzen, da gehörte zu den letzteren Ohlsbach. »Einst«, so hieß
es, »hatte das Kloster die Grafschaft vom Reiche gegen die sieben Huben in Ohlsbach
eingewechselt. Seitdem stand die Hub zu Ohlsbach, d. h. das gesamte untere Dorf —
ob es gleich sehr viel mehr wie sieben Huben umfaßte — , wieder unter dem Reiche.« 2)
Die Hube war in drei Lehen an verschiedene Adelsgeschlechter der Ortenau vergeben —
darunter die Stoll von Staufenberg — , die ihr Herrschaftsrecht in Ganerbenweise aus-
übten. Sie hatten ihr eigenes Dinggericht, aber die Bauern ernannten die zwölf Hub-
richter ohne ihr Zutun. Im J. 1402 nun beschlossen die Bauern, sich ganz der Stadt
Gengenbach zu inkorporieren. Sie verbanden sich zu einer Zunft und gelobten Meister
und Rat Gehorsam, ihr altes Dorfeigentum behielten sie als Zunfteigentum. Sollten die
Zünfte wieder abgehen, dann sollte der Vertrag ungültig sein. Da trotz der bald
darauf folgenden Niederlage und Einschränkung des Zunftregimentes die Zunfteinteilung
bestehen blieb, blieb auch Ohlsbach bei Gengenbach. Das Hubgericht blieb bestehen;
1422 hören wir »Walther von Waltstein, Andreas Suselmann von Ortenberg, Cunrat
Stoll von Stouffemberg und Wilhelm von Bern, Schultheiß zu Celle« nennen als
»hübherren dez hubgerichtz zu Olspach«. Aber die eigentliche Obrigkeit sah der Bauer
]) Die Literatur etc. siehe bei Walter, Das Judenbad a. a. O.
2) Gothein a. a. O. S. 240.
34*
Sammlung des
Gewerbevereins
Pfosten
Kruzifix
Ortsgeschichte
522
KREIS OFFENBURG.
Fachwerkhaus
Bildstöcke
Brunnen
Ortsgeschichte
Kirche
Ölgemälde
Ziehbrunnen
doch in dem Gericht zu Gengenbach. Immerhin behielt Ohlsbach seine eigene Ver-
waltung, es bewahrte sich auch seine Umgeldfreiheit; erst nach dem Dreißigjährigen Kriege
schloß es sich der Besteuerung der Stadt an; dieselbe übernahm dafür die Verzinsung
seiner Schulden. Die Einwohner blieben wirkliche Bürger, nicht Untertanen der Stadt.
So blieb es, bis 1803 das ganze Gebiet der Reichsstadt badisch wurde.
Von einer Kirche hören wir nichts; die Pfarrei ist erst im 19. Jh. gegründet worden.
Die heutige kath. Pfarrkirche (ad S. S. Trinitatem) ist 1879 bis 1880 erbaut worden.
Im Ort zu erwähnen das Haus Nr. 124, gegenüber dem »Rebstock«, sehr hübsches
Fachwerkhaus in der Art der abgebildeten Gengenbacher Häuser, mit Schutzdach über
den Fenstern des Hauptgeschosses etc.
An dem Weg nach Gengenbach drei Bildstöcke , einer mit einer Sichel am Sockel,
ein anderer datiert 1745.
Ebenda Brunnen im Rocaillestil, größeres Volutenpostament mit Maskaron als
Ausguß, laut Aufschrift »Posuit civitas Gengenbacensis 1765«, mit dem Wappen der
Reichsstadt; darauf ein kleineres Volutenpostament, auf dem die bemalte, lebensgroße
Statue des h. Nepomuk in geschwungener Haltung und am Postament: Laudate Dominum
in sanctis eis — etc.
ORTENBERG
Schreibweisen: Ortinberch 1167; castrum Ortinberg ca. 1235; Ortenberc zwischen
1237 bis 1254; Ortenberg 1245; castrum 1248; Orthenberg 1250; Orttemberg 1257 etc.;
uff der bürge ze Ortenberg in Kinzichendal 1293; sloss und herrschaft Ortenburg 1506;
die pflägde Ortemberg 1439; unser Johans bischof zu Strasburg pflecknüsse zu Ortem-
berg 1370; amt Ortenberg 1506; die vogtyen am stein Ortemberg 1496.
Archivalien: Mitteil, der histor. Komm. Nr. 17 (1895), S. 48 — 49.
Ortsgeschichte : Der Ort dürfte erst im 1 4. Jh. entstanden sein aus Ansiedelungen
von Wirtschaftstreibenden oder Knechten der Burg unter deren Schutze. Er dürfte nicht
identisch sein mit dem ausgegangenen Orte Tatenwilare, wie man gemeint hat, der mehr
gegen Elgersweier zu gelegen zu haben scheint. Ortenberg gehörte selbstverständlich
wie die Burg zur Landvogtei Ortenau; mit Elgersweier, Schutterwald, halb Zunsweier,
mit dem Zeller und dem Goldscheurer Stab bildete es eines der vier Landgerichte der-
selben. Die Hälfte des Zehnten gehörte dem Kloster Gengenbach, in die andere
Hälfte teilte sich das Straßburger Domkapitel und der Pfarrektor zu Ortenau. Aus
der Ortsgeschichte ist verständlich, daß es keine eigene Pfarrei hatte, die Einwohner
gingen zur Kapelle auf dem Btihlweg (s. unten), im Anfänge des 19. Jhs. wurde die Pfarrei
nach Ortenberg verlegt und 1824 die Kirche erbaut.
Die Kirche (ad S. Bartholomaeum) ist ein schlichter, einschiffiger Bau in dem Stil
der Weinbrennerschule. An den beiden Seitenaltären zwei ältere Ölgemälde , das Gebet
am ölberg und der Gute Hirte, sehr nachgedunkelte mittlere Arbeiten des 1 8. Jhs.
Bei der Brauerei S. Harter befindet sich ein reicher ausgestatteter Ziehbrunnen, in
der üblichen Form, der runden Brunnenöfifnung, den zwei Seitenpfosten und dem darüber-
gelegten Steinbalken. Dieser ist mit Rocailleornamenten ausgestattet, an ihm steht
»S. Johann Nepomuk ora pro . .« und 1787, auf ihm die Statue des h. Nepomuk mit
noch zum Teil alter Bemalung.
AMT OFFENBURG. — ORTENBERG. (KAPELLE AM BUHLWEG.)
523
KAPELLE AM BÜHLWEG
(auch Käfersberg genannt)
Literatur: W. Störk, Die Wallfahrtskirche Maria Ruh im Bühlweg bei Ortenberg.
Die Kapelle (ad S. Bartholomaeum) gehörte zur Pfarrei Offenburg. In dem Bericht
des dortigen Pfarrherrn Lazarus Rapp über seinen Sprengel an den Bischof von Straß-
burg heißt es: »In der Kapelle unserer Frauen zu der Ruh an dem Buhlweg bei Orten-
berg, welche mit Consens des Herrn Ordinarii Kurfürstl. Pfalz als damaligen Inhabers der
Pfleg Ortenau und Herrn Heinrici de Sachs des Kirchherrn jedoch in Allem mit Vor-
behalt der pfarrlichen und der Mutterkirche Gerechtigkeiten erbaut wurde anno 1497,
geschehen im Jahr 2 Predigten auf Bartholomä des heil. Apostel tags mit einem gesungenen
Amt und 2 gesungenen Vespern und es wird allda, so oft jemand stirbt und dies
angezeigt wird aus Ortenberg, Käfersberg, Fessenbach eine Seelenmesse sammt einer
Leichenpredigt, wie auch an diesem Ort alle 14 Tage die Kinderlehre gehalten«. Als
der Pfarrherr i. J. 1616 diesen Bericht schrieb,1) da waren Bestrebungen im Gange, die
Kapelle zur Pfarrei zu erheben; damals gelang es ihm noch, dieselben hintanzuhalten.
1787 aber erfolgte die Lostrennung von Offenburg und die Erhebung zur Pfarrei, die im
Anfang des 19. Jhs. nach Ortenberg verlegt wurde. Seitdem ist die Kapelle Filiale von
Ortenberg.
Die Kapelle ist ein Bau des ausgehenden 15. Jhs. Ein einschiffiges, kleines Lang-
haus von 11,72 zu 7 m, das sich in einem Spitzbogen zum quadratischen Chor öffnet;
an diesen anstoßend die Sakristei. Letztere ist noch mit der alten, flachen, einfachen
Stabdecke versehen. Auch der kleine Dachreiter stammt noch aus der Zeit der
Erbauung, wenigstens in seinem Unterbau. Seine Spitze hat er im 18. Jh. erhalten, in
dem überhaupt eine Erneuerung des Kirchleins stattfand Chor und Langhaus erhielten
Barockstuckdecken, von denen die im Chor erhalten, während sie im Langhaus bei
der Renovation in unserem Jahrhundert durch eine Stabdecke ersetzt worden ist.
Geradsturzige Fenster mit einem abgefasten Pfosten erhellen das Langhaus, ebensolche
im Chor. Die wohl im 19. Jh. erst vorgelegte hölzerne Vorhalle wirkt nicht unglücklich
und trägt bei zu dem malerischen Anblick des auf der Höhe der Rebhügel liegenden
Kirchleins.
Von der ursprünglichen Innenausstattung ist noch eine Holzstatuette der Pieta Innenausstattung
erhalten, die jetzt auf dem Hochaltar steht, ein neu gefaßtes, tüchtiges Werk der Spätgotik.
Der Hochaltar, in der üblichen Barockausgestaltung mit Säulen u. a., umschließt ein
Ölgemälde (s. Fig. 293), ein ja wohl etwas süßliches, aber sympathisches und gut gemaltes Ölgemälde
Werk des 18. Jhs. Die schlichten Seitenaltäre in entsprechendem Stil. Auf dem einen
von ihnen die Barockstatue des h. Bartholomäus (Holz). Die Glocke der Kapelle ist von Glocke
Mathäus Edel in Straßburg gegossen.
Bei Restaurationsarbeiten i. J. 1903 wurden eine Anzahl Wandgemälde im Chor Wandgemälde
und im Langhaus aufgedeckt sowie die Spuren der vollständigen, dekorativen Bemalung
des Innern. Diese Werke wurden unter der Leitung des Konservators der Baudenkmale,
Oberbaurat Kircher, und der Erzbischöflichen Bauinspektion durch den Kunst-
maler Th. Mader restauriert.
1) Walter, Bericht des Kirchherrn Lazarus Rapp a. a. O.
524
KREIS OEFENBURG.
fiig. 293. Altarbild in der Kapelle am Biihlweg bei Ortenberg.
In den Laibungen der Fenster fand sich Ranken werk, dasselbe kehrt über
ihnen wieder sowie am Triumphbogen, dazwischen einmal das Veronikon, ein ander-
AMT OFFENBURG
ORTENBF.RG. (KAPELLE AM BOHLWEG.)
525
mal Engel. Die Nordwand des Langhauses war mit einem großen Bilde geschmückt,
das die drei wichtigsten Scenen aus dem Leben des h. Laurentius darstellt
Big. 294. Laurentiusbild in der Kirche am Bühlweg bei Ortenberg.
526
KREIS OFFENBURG.
(s. Fig. 294). ’) Rechts die Verteilung des Kirchenschatzes an die Armen, in der Mitte
der Heilige vor dem Kaiser Decius, in den Spruchbändern steht ihre Unterhaltung:
Wen frfjats bcr frirrfjen muftu mir geben
ober irfj taill bar für bir nemen bin leben.
^Den frfjats ber irirrfjen fiab irfj bifen armen geben
bar mit Unir erlangen cVuigcö leben.
Links der Vollzug der Strafe: der Heilige auf dem Rost. Das Ganze umrahmt von
einer Architektur: Stadtmauer mit Türmen, Glocken, Kirchenfassade, Kapelle, in den
Formen des spätgotischen Stils. Rechts in der Ecke ein Schild, darin ein Rebmesser,
wohl das Wappen des Stifters, vielleicht der Offenburger Zunft der Rebleute. Das Bild,
von wirkungsvoller Komposition, ist auch in der Gebärdensprache, in der Behandlung
des menschlichen Körpers und seiner Bewegungen eine vorzügliche Leistung aus
dem ersten Jahrzehnt des 16. Jhs. Wie die übrigen Bilder ist auch dieses in Tempera
gemalt.
An der Südwand des Langhauses, in zwei Reihen übereinander, jeweils von
rotem Bande umrahmt, zwölf Scenen, davon elf aus der Passion Christi, während
die zwölfte das Losbeten einer Seele aus den Flammen des Fegfeuers darstellt durch
eine fürbittende Heilige und ihren Schützling, einen knieenden (kleiner gezeichneten)
Mann, wohl den Stifter des Bildes. Diese mögen von dem gleichen Meister stammen
wie das Laurentiusbild, nur vielleicht mit stärkerer Beteiligung seiner Gehilfen; wir
erkennen eine zum Teil sehr routinierte Hand, gut gezeichnete Bewegungen, dann aber
auch wieder ein Ringen mit den Unvollkommenheiten des 15. Jhs. Die Tracht weist
auf das erste Jahrzehnt des 16. Jhs. hin.* 2)
An beiden Langhaus wänden, da, wo sie an die Chorbogenwand anstoßen,
in je zwei Feldern je zwei Heilige, und zwar links die h. Katharina, darüber der
h. Urbanus als Schutzpatron der Winzer, rechts die h. Barbara (?) und der h. Sebastian.
An der Chorbogen wand links eine Darstellung der h. Anna selbdritt und
rechts eine Kreuzigung, am Chorbogen selbst Spuren einer Jahreszahl: 8?, also 1508
(oder 1504?) oder 1518.
An der Südwand des Chores Madonna in der Strahlenmandorla auf der
Mondsichel, neben ihr zwei fliegende Engel ; von ihrem Mantel Spruchbänder ausgehend
mit Worten wohl aus der Lauretanischen Litanei, unter ihr eine Tafel gemalt mit nur
noch zum Teil lesbarem Gebet. Zu den beiden Seiten, in Wolken, die Halbfiguren zweier
Kirchenväter, Augustinus im Spruchband bezeichnet, die zwei anderen, darüber gemalten
sind durch die Barockdecke verdeckt.
An der Eingangswand links der Tod mit Stundenglas und Spruchband, rechts
eine Heilige mit zwei Figuren auf dem Arm (h. Anna selbdritt?).
*) Es war leider nicht gut möglich, das Bild in einer Aufnahme vor der Wiederherstellung
zu bringen.
2) Die oberen Scenen waren durch die tiefer eingezogene Barockdecke in ihren oberen Teilen
mit den Köpfen der Figuren etwas beschädigt.
AMT OFFENBURG. — ORTENBERG. (BURG ORTENBERG.)
527
BURG ORTENBERG
(Burg des Orto)
Literatur: J. Bader, Ortenberg. Baurat Eisenlohr, Der ortenbergische Hexen-
stuhl, Fahrten und Wanderungen II (1856), S. 224 — 227. Bader, Das ortenauische
Schloß Ortenberg, mit Illustration, Badenia I (1839), S. 262 — 276.
Ansichten: Kupferstich von Merian von 1645; ein Stich, einen großen befestigten
Ort mit Stadtmauern, Graben etc. darstellend, etwas höher ein stärker befestigter Teil,
dahinter ein Berg, über dem Ganzen steht Ortenberg, im Vordergrund ein Hirsch, eine
Friedenstaube, ein Helm, darauf ein Buch mit dem Malteserkreuz, lateinischer und deutscher
Sinnspruch, darüber wieder: Ortenberg; dem aus dem 17. Jh. stammenden Stich kann ich
nur schwer auch die geringste Glaubwürdigkeit beimessen, da auch das, was man die
Burg nennen könnte, mit den tatsächlichen Resten nicht die geringste Ähnlichkeit hat
und an einen so großen Ort überhaupt nicht zu denken ist. Weitere Ansichten: sehr
flüchtige in Schmalkalders Skizzenbuch von 1689 im Großh. Generallandesarchiv
(s. Fig. 295); von 1829 in Vues pittoresques des vieux chäteaux de l’Allemagne, Le Grand
Duche de Bade d’apr£s les dessins originaux de M. de Ring, Straßburg 1829, II. Teil;
eine wohl danach gezeichnete aus dem Manuskript des J. Gul ath von Wellenburg, im Besitz
der Familie des Verfassers (s. Fig. 296) und mir gütigst von derselben zur Verfügung
gestellt, bezeichnet Pf. (Staatsrat Pfeuffer); ebenda eine weitere (s. Fig. 297), Orten-
berg 1807, wohl von demselben; ein Stahlstich von Poppel nach einer Zeichnung von
A. Müller, der bereits den Neuaufbau zeigt, von dem auch noch eine Reihe späterer,
hier gleichgültiger Aufnahmen existieren, u. a. die bei Bader.
Auf einem freien Hügel vor der eigentlichen Hauptkette lagen die Ruinen des
Schlosses, über dessen Alter sich die abenteuerlichsten Sagen gebildet haben. Möglich,
daß, wie Bader meint, schon die Kelten diese geeignete Stelle befestigt hatten, möglich,
daß die Römer ebenfalls den Ort benutzten, zu beweisen ist bis jetzt nichts, sicher nicht
aus dem Mauerwerk, wie man früher meinte. Vermutlich haben die Gaugrafen sich dies
Schloß gebaut, und wenn nicht seinen Ursprung, doch mindestens seinen Ausbau mag es
durch die Zähringer erfahren haben, die die Grafschaft der Ortenau innehatten, also wohl
Ende des n. Jhs. oder im 12.; damit stimmt auch merkwürdigerweise überein, was wir
aus den sonst sehr unglaubwürdigen Abbildungen der Ruinen entnehmen können, sie
verraten neben späteren gotischen Zufügungen ausgebildeten romanischen Stil, den man
nach Analogie mit anderen Burgen frühestens dem 12. Jh. zuschreiben möchte, wenn
nicht gar der ersten Hälfte des 13. Jhs.; alsdann hätten die Hohenstaufen vielleicht
zur Befestigung ihrer kurzen Herrschaft die Zähringer Burg weiter ausgebaut. Von
damals an war dieselbe der Verwaltungsmittelpunkt der Ortenau; von ihr aus übten,
wie früher die Vögte der Zähringer, so jetzt die Landvögte ihre Herrschaft aus. Zugleich
war sie die Haupt- und Malstatt der vier ortenauischen Gerichte.
Ein Geschlecht des Namens hat es nach Gothein nicht gegeben. Doch hören
wir n 67 von einem Wernherus de Ortinberch nobilis vir et ingenuus et frater eius
Cönradus; später hören wir nichts dergleichen mehr, wohl aber von Ministerialen, dem
miles B. de Ortemberch 1238, einem Erkenbolt 1318, Cunrat 1327, einer Tochter des
Erkenbolt namens Gertrud 1333 und einem Sohn Heinrich, einem Sohn des Berthold
namens Reinbold 1390 bis 1410, einem Johann 1358 und zu derselben Zeit von einem
Ansichten
528
KREIS OFFENBURG.
Berhtold von Ortenberg, schultheiße zu Offenburg 1356. Ob das eine Ministerialenfamilie
war, scheint ebenfalls nicht festzustehen; möglich, daß Johann (und Berthold?) Landvogt
des Reiches war.
Nicht lange aber saßen die Landvögte des Reiches auf der Burg. War der Reichs-
besitz doch immer etwas zweifelhaft geblieben. In der letzten Regierungszeit Friedrichs II.
gelang es dem Bistum Straßburg dank der Erfolge der päpstlichen Partei, seine Aus-
dehnungsgelüste in der Ortenau zu befriedigen. 1247 eroberte der Bischof Heinrich
AMT OFFENBURG. — ORTENBERG. (BURG ORTENBERG.)
529
von Stahleck außer Gengenbach und Offenburg auch Ortenberg. Die Burg blieb beim
Bistum, bis Rudolf von Habsburg die Landvogtei wieder dem Reiche zubrachte. Als
dessen Landvögte saßen 1302 Otto von Ochsenstein, 1309 Graf Johann von Sarwerden,
1310 Walter von Geroldseck auf der Burg. Nach der kurzen Verpfändung an die öttingen
kam die Landvogtei als Pfandschaft an den Markgrafen Rudolf Wecker von Baden,
1351 an die Bischöfe von Straßburg, 1356 ward das gleiche Anrecht, sie einzulösen, auch
den Pfalzgrafen eingeräumt, aber erst 1405 von ihnen benutzt. So sitzen denn in der
zweiten Hälfte des 14. Jhs. hier die Landvögte des Bischofs. Von 1405 an dauerte die
doppelte Pfandschaft ; die Pfalzgrafen aber kauften auch den Anteil des Bischofs an dem
Schlosse diesem ab und gingen nun daran, dasselbe als den eigentlichen festen Stützpunkt
ihrer Macht in diesen Gegenden auszubessern und zu erweitern. Das geschah unter der
Leitung des Burgvogts Wilhelm von Falkenstein. »Der große Turm wurde erhöht und
mit Erkern versehen, der Zwingolf um denselben geblattet, die Mauer im Vorhof, vom
Saale, an der Kapelle vorbei bis zur Küche ausgebessert, ein neues Haus daselbst errichtet
und die beiden Häuser auf der Burg durch einen Gang verbunden; alsdann zwei neue
Brücken mit Falltoren gelegt, wahrscheinlich die eine vom Schloßweg zur Vorburg und
die andere von da zur eigentlichen Burg, und endlich der tiefe Sodbrunnen gereinigt.«1)
Wie Bader richtig bemerkt, war die Burg nach dem üblichen Schema angelegt: auf dem
Felsfundament des höchsten Bergteiles die Hauptburg mit Quaderturm etc., weiter unten
der Zwinger mit der Kapelle (ad S. Bartholomaeum) und anderen Burgteilen und endlich
der Vorhof mit den Ökonomiegebäuden.
Mit dem größeren Gebrauch und der Vervollkommnung der Feuerwaffen mußte
Ortenberg seine offenbar bisher große Bedeutung verlieren, da es von dem hinter ihm
liegenden höheren Bergrücken mit Leichtigkeit zu beschießen war. Zwar war — wohl
noch unter dem Pfalzgrafen — die Ringmauer »mit Rundtürmen und Streichwehren
nach damaliger Befestigungsart verwahrt worden«,2) das konnte aber bei der angedeuteten
Lage auf die Dauer nichts nutzen, was sich wohl schon bei der Belagerung durch
Maximilian I. zeigte. Denn als Kurfürst Philipp infolge des bayerischen Erbstreites in
die Reichsacht erklärt worden war, zog der Kaiser 1504 selbst vor die Burg, eroberte
dieselbe und übergab sie dem Grafen Wolfgang von Fürstenberg, der damals die pfälzische
Hälfte der Landvogtei zur Pfandschaft erhielt; von ihm kam sie an Wilhelm, den »wilden
Grafen«, der einen großen Teil seines abenteuerlichen Lebens hier auf dieser Burg ver-
brachte. 1549 mußte er zugunsten seines Bruders Friedrich abdanken und starb bald
darauf auf der Burg. 1551 und 1554 wurden endlich die beiden verpfändeten Hälften
der Ortenau von Österreich eingelöst, bei dem sie nun, mit der Unterbrechung durch
die badische Landvogtei im 18. Jh., blieben. Ein österreichischer Landvogt saß von
nun an auf der Burg und verwaltete von hier aus die Gegend. An eine irgendwie
gründliche Ausbesserung der Befestigungen dachte niemand mehr Noch 1521 war
wenigstens eine gewisse Munition da, 1560 aber mußte sich der erste österreichische
Vogt Georg von Bulach wiederholt an die vorderösterreichische Regierung wenden, um
1) Bader, Badenia a. a. O. S. 269, nach verschiedenen Baurechnungen von 1413 bis 1419.
Es wäre vielleicht eine lohnende Aufgabe, unter Aufsuchung aller diesbezüglichen Urkunden die Bau-
geschichte des Schlosses eingehender zu untersuchen.
2) Bader a. a. O. S. 270.
Fig. 2i)6. Ortenberg iSjo.
53°
KREIS OFFENBURG.
AMT OFFENBURG. — ORTENBERG. (BURG ORTENBERG.
53T
r. 297. Ortenberg 1807.
532
KREIS OFFENBURG.
wenigstens einige Halb- und Doppelhaken zu erhalten. Als Besatzung lagen nur ein
paar Mann da. Unter Maximilian II. muß sich, wie aus den Akten hervorgeht, die
Unmöglichkeit einer wirksamen Verteidigung bei irgendeiner Belagerung herausgestellt
haben. Vorher schon, nach 1569, hatte ein von der Regierung zur Besichtigung
gesandter Herr ähnliches festgestellt. Aber es blieb alles beim alten. Eine Kommission
i J- 1 5 9 5 schließt ihren Bericht damit, daß das »ganze Schloß ein altes Gebäu ist und
ein dunkel Ansehen hat«. Als dann Rudolf von Landenberg Landvogt wurde, fand er
kaum ein Haus, in das er ziehen konnte. Endlich kam es zu einer gewissen, aber
dürftigen Reparatur. Natürlich konnte aber die Burg auch so im Dreißigjährigen
Kriege keine Rolle spielen. 1630 erhielt sie eine schwedische Besatzung, dann eine
badische etc., bei wechselndem Kriegsgeschick. Sie überdauerte ohne Zerstörung
diese Jahre. Als aber in den sechziger Jahren des 17. Jhs. die Kriege Ludwigs XIV.
über die Gegend hereinbrachen, da eroberte Marschall Crequi Ortenberg und ließ
dasselbe, als er wieder abziehen mußte, anzünden . und sprengen. Nach einem
Bericht von 1680 war das Schloß »völlig und gänzlich abgebrannt und drei Türme
samt einem Eck an der oberen Schloßmauer durch die Minen der Franzosen meistens
gesprengt«. Auf einen Wiederaufbau verzichtete man, nur ein paar Blockhäuser wurden
errichtet; die Burg, die immer mehr verfiel, diente von nun an nur als Gefängnis. Mit
der Landvogtei kam die Ruine 1803 an Baden. In jenen Zeiten der Romantik wünschte
man sehnlich den Wiederaufbau der alten Burg; man verlieh daher dem vom Schneider-
gesellen zum Millionär emporgestiegenen Georg Stolz, der großartige wohltätige Stiftungen
gemacht hatte, 1832 den Titel von Ortenberg. Allein noch in demselben Jahre starb
er. Endlich, 1837, ward die Ruine von einem Herrn von Berckholz aus Livland
angekauft und 1838 bis 1843 von Eisenlohr ausgebaut; 1872 kaufte sie Baron Renouard
de Bussiöre und 1889 der Baron Theodor von Hirsch-Gereut.
Uber die vor dem Neubau vorhandenen Reste gibt uns nur Bader, der allerdings
das Schloß auch erst nach dem Ausbau gesehen zu haben scheint, einige Auskunft. Er
schreibt: »Der Hauptturm besteht zur Hälfte aus dem ehemaligen, ins Gevierte gebauten
»Schimmel«, welcher auf römischen Fundamenten ruht und selbst der ältesten Vorzeit
angehört, zur anderen Hälfte aus einem achteckigen Neubau mit einem Neben- oder
Treppentürmchen Das vierstöckige Wohnhaus ruht ebenfalls auf den Grund-
mauern des alten.« Diesen »Schimmel« nennt Kolb »ein unterirdisches Gefängniß,
30 und mehrere Schuh tief, worinn der Gefangene kein anderes Licht bekam, als die
ihm durch eine runde Oeffnung von oben zugelassen wurde«.1) Er berichtet auch von
dem Brunnen, daß derselbe sehr tief und »der Kinzig gleich den Felsen durchgearbeitet«
sein soll.
Nach dem heutigen Bestand ließ sich der in Fig. 298 wiedergegebene Plan auf-
nehmen.
Baugeschichte Die ältesten Reste sind der Bergfried, die Mauer östlich von ihm gegen den oberen
Zwinger zu und ein Mauerrest im Norden, einige Meter bevor man an den Jakobsturm
kommt. Diese alten Mauern haben ihre Fortsetzung in dem auf dem Plane gestrichelt
angedeuteten Zuge gehabt, sie setzten sich in einer Schildmauer fort und wir haben damit
1) Nach der Tradition sollen eine Menge menschlicher Gerippe beim Einbruch der heutigen
(an der Nordseite) Tür gefunden worden sein, was auf ein Gefängnis hindeuten würde.
Fig. 298. Plan de r Burg Ortenberg.
Band VII. Zu Seite 532.
AMT OFFENBURG. — ORTENBERG. (BURG ORTENBERG.)
533
den Umkreis der oberen Burg , wie sie etwa zu Zeiten der Zähringer bestanden haben
mag. In ihrem Westteil deutet eine heute vertiefte Fläche auf einen oberen Palasbau.
EHEMAl^EH T3ERCfRlTs-
bei fl. S'nd die Laoje rfugen voll kommen. JJrejs .
stelnjormat&^oisea ^rojier (ca. •jtft.Je) als Wi b,Wo jeinere J)ofier,^ ulAu mW T^jdü^ vrrwenV «mj
Ansicht der alten <2naierrcste der Ost-
und Jtordse'ite de» ehemaligen "fpra^rfe.
Big. 299. Der Bergfried der Burg Ortenberg.
Vermutlich schloß sich daran schon früh eine Vorburg mit Zwingern etc., deren
Mauern wir in der heutigen Schildmauer erkennen, sowie den von den beiden Rund-
türmen nach Südwesten und Südosten ausgehenden Mauerzügen, während der ehemalige
Südwestabschluß durch die modernen Anlagen verwischt ist. Als nun der Raum in der
Obere Burg
Vorburg
534
KREIS OFFENBURG.
oberen Burg nicht mehr genügte, vermutlich noch unter dem letzten Zähringer oder den
Hohenstaufen, da erbaute man einen großen rechteckigen Palas mit Rundtürmen an
den Ecken in dieser Vorburg, die nunmehr zur eigentlichen Wohnburg wurde. Ihre
Mauern verstärkte man vielleicht damals schon durch Strebepfeiler und legte nach Süd-
westen einen unteren Zwinger. Von Osten her führte der Burgweg in denselben durch
ein heute zugemauertes Rundbogentor. Ein künstlicher Halsgraben trennte die Burg
wohl schon in den ältesten Zeiten von der Berg- und Angriffsseite. Vor dem unteren
Palas lag der Brunnen. In der Nordostecke des oberen Zwingers bezw. der unteren
Burg lag die Kapelle (ad S. Bartholomaeum).
So etwa war das Bild der Burg in ihrer Glanzzeit. Unter der pfälzischen Herr-
schaft erfuhr sie, wie berichtet wird, eine gründliche Ausbesserung. Wir hören von
einer Erneuerung des Zwingers, Anbau von Erkern an den Turm, Ausbesserung der
Ostmauer, zwei neuen Brücken mit Falltoren, Reinigung des Brunnens. Wo wir diese
Brücken zu suchen haben, ist nicht ganz sicher; eine vermutlich bei dem Torbau im
Nordwesten des unteren Zwingers. Dann hören wir von der Errichtung eines »neuen
Hauses«, und da wäre man wohl geneigt, an den Schloßbau in der unteren Burg zu
denken, wogegen aber die Steinmetzzeichen sprechen (s. Fig. 300). Ich habe ihn des-
halb einer zweiten Bauperiode im 13. Jh. zugeschrieben. Nicht unmöglich, daß damit
das Verwaltungsgebäude im unteren Zwinger gemeint ist, das auf älteren Mauern steht.
Endlich wurden die beiden Häuser auf der Burg durch einen Gang verbunden, auch da
wäre es aber müßige Vermutung, wollten wir diese Nachricht erklären. Vielleicht sind
damals einige kleinere Rundtürme angelegt worden, das Profil der Türe im Jakobsturm
würde nicht schlecht zu dieser Zeit passen. Lediglich hypothetisch können wir auch
die Anlage der großen Rundtürme gegen Nordosten, die die Schildmauer flankieren,
dieser Periode zuschreiben, und zwar, weil nach den erhaltenen Nachrichten eine derartig
stattliche Neuanlage in der gleich zu besprechenden vierten Bauperiode kaum wahr-
scheinlich ist. Dem Pfälzer Landvogt wird auch der äußere Grabeneinschnitt im Nord-
osten zu danken sein, Mauerreste auf dem Kamm zwischen ihm und dem Halsgraben
deuten auch hier auf Befestigung. Man war offenbar bestrebt, die Wehrhaftigkeit der
Burg gegen die Bergseite zu erhöhen.
Allein den vervollkommneten Feuerwaffen gegenüber half das nicht mehr, und
so ließ man denn nach der Eroberung durch Maximilian die Bauten ziemlich gleich-
gültig verkommen. Erst am Ende des 16. Jhs. entschloß man sich zu einer offenbar nur
aufs nötigste beschränkten Ausbesserung, der wir nicht viel Zutrauen dürfen. Vielleicht
hat sie im äußersten Nordosten eine Bastion gegen die Angriffsseite vorgeschoben.
Nach der Zerstörung durch die Franzosen begnügte man sich mit der Wiedererrichtung
einiger Blockhäuser und ließ die Burg zur Ruine verfallen.
Baubeschreibung Der ehemalige Bergfried , dessen Unterbau noch zu einigen Metern Höhe erhalten
Bergfried 2 m starke Mauern, die im Innern einen 4,10 zu 4,10 m weiten, quadratischen
Raum umschließen (s. Fig. 299). Der äußere Umfang beträgt an jeder Seite 8,40 m,
nach Westen und Norden zeigt der Turm einen nach Westen nur 0,15, nach Norden
0,30 m vorspringenden Quadersockel, an der Nordostecke ist ein viereckiger Anbau
vorgelegt, der nicht im Verband gemauert ist, also etwas, wenn auch nicht um vieles,
jünger sein dürfte. Die Mauern des Turmes sind aus tadellos behauenen Bossenquadern
536
KREIS OFFENBURG.
Schloßbau
Brunnen
Malerturm
Kapellenturm
Takobsturm
Ortsgeschichte
Kapelle
gebildet, am eigentlichen Turm sind die Lagerfugen wie aufeinander geschliffen, fast
Preßfugen, die Steine sind hier größer, die Bossen weiter ausladend als an dem Anbau,
wo feinere Bossenquader mit Randschlag verwendet sind. Diese hervorragende Qualität
des Mauerwerkes hat früher überall zu der Annahme römischen Ursprungs geführt, wo-
für alle Anhaltspunkte fehlen. Der heutige Eingang ist natürlich neu.
Ein ähnlich sauberes Hausteinwerk zeigen noch die ältesten Mauerreste im Südost
und Nordwest sowie der untere Schloßbau, letzterer ebenfalls mit Bossenquadern. An
ihm auch charakteristische Steinmetzzeichen, die zweifellos noch dem 13. Jh. angehören.
Ob die Polygonalgestalt seiner Ecktürme die alte ist, läßt sich bei der Veränderung
dieser Teile nicht mehr feststellen. An der Nordostecke ist in einem flachgewölbten
Kellerraum bei der Kirche der alte Brunnen erhalten (s. Fig. 298), ein runder, in seinem
oberen Teil ummauerter, unten in den Felsen gesprengter Schacht, von 2,25 m Durch-
messer, 22,50 m Tiefe. In 13,50 m Tiefe liegt der Wasserspiegel.
Alle Mauern und übrigen Türme des Schlosses sind aus Bruchsteinen errichtet.
Das Erdgeschoß des Malerturmes erhellen zwei in ihrer Laibung rundbogige, nach
außen geradsturzig abgeschlossene Fenster, der Kapellenturm bietet in seinem Inneren
nichts Altes mehr. Am Jakobsturm die obenerwähnte geradsturzige Tür mit hohl-
gekehltem Gewände. Vor dem heutigen Torbau liegen noch Steine des alten Tores mit
dem Schlitz für die Kette der Zugbrücke. Endlich seien noch die Konsolen an der süd-
lichen Umfassungsmauer erwähnt (s. Fig. 300), die vielleicht einem Gußerker oder etwas
ähnlichem dienten.
Das Material des Baues ist roter Sandstein, teilweise untermischt mit rötlichem
Granit.
REICHENBACH
(HAIGERACH)
Schreibweisen: Richenbach 1139, Kop. 1276; Richembach im Kinzichental 1289;
curia vor Lutkirch, quae vocatur Richenbach 1420; zwölf hoffe gelegen am Richenpach
Strospurger bistumbs mit namen zwen hoff uff dem Schneidpach, dry hoff im Sundersten-
pach, dry hoff im Mittelbuch, ein hoff genant der Stumpfenhof im Mittelbuch, dry hoffe
in der Grube 1515; wie teilweise aus vorstehendem hervorgeht, gehören zur politischen
Gemeinde auch die Täler Schwarzenbach, Mittelbach, Sondersbach, Haigerach und Pfaffen-
bach sowie der Zinken Binzmatte.
Ortsgeschichte: Reichenbach gehörte bis 1803 zum Gebiet der Reichsstadt
Gengenbach und wurde 1803 badisch. Patronat und Zehnt sowie viele Güter gehörten
dem Kloster Gengenbach.
Kapelle : ca. 1235 wird die capella S. Petri in Richenbach erwähnt, ebenso 1333;
ym Richenbach ob der Kirchen 1423. — Der heutige Bau besteht aus dem einschiffigen,
flachgedeckten Langhaus mit kleinem quadratischen Chor, welcher mit einem Netz-
gewölbe mit sich durchschneidenden Rippen ohne Schlußsteine eingedeckt ist. Der runde
Gurtbogen zum Chor ist einfach abgefast. An der Ostseite desselben ein einpfostiges
Spitzbogenfenster mit Maßwerk, kleinere zu beiden Seiten, an der Südseite des Lang-
Tafel XIX
Haigerach, Casel.
AMT OFFENBURG. — REICHENBACH. (HAIGERACH.)
537
hauses zwei Fenster mit Fischblasenmaßwerk und eine Türe. Sockel der Kirche einfache
Abschrägung und Platte. Vor der Westseite eine Vorhalle, von zwei Pfeilern mit abge-
fasten Ecken getragen. Das Portal mit geradem Sturz zeigt an dem 0,55 m hohen und
1,40 m breiten Sturzblock ein Relief (s. Fig. 301), Christus auf einer Bank thronend,
einem knieenden Engel ein Schriftband, dem h. Petrus den Schlüssel übergebend. Dieses
Relief, ein Werk des romanischen Stils, könnte in seiner technischen und künstlerischen
Unbeholfenheit dem Anfang des 12. Jhs. angehören, ebensogut mag es aber ein Werk
eines zurückgebliebenen Künstlers aus dem Ende desselben sein. Wenn wir uns auf
Grund dieses Stückes das Kirchlein näher ansehen, so will es uns dünken, als ob
dasselbe ein Bau der gleichen Zeit sei, der im 15. Jh. eine gotische Überarbeitung
erfahren hat.
Im Innern ein Barockaltar mit Statuen der Apostel Petrus und Paulus. Auf der Innenausstattung
Empore ein rohes Bild der Bekehrung Pauli aus dem 16. Jh. Wahrscheinlich ist also
Fig. 301. Romanischer Türsturz vom Portal der Kirche in Reichenbach.
im 15. Jh. Paulus als Patron hinzugekommen, wie so oft. Ebenda zwei spätgotische,
leuchtertragende Engel, holzgeschnitzt. An der einen Fensterwand übertünchte Inschrift
und eingehauen: Pflugschar nebst Rebmesser. Die einfache Barockkanzel wird von
mächtigen, bedeutend älteren Konsolen getragen.
Weiter im Tal einige Fachwerkhäuser, eines von 1749. Fachwerkhäuser
Am Weg nach Mittelbach Bildstock von 1790, am Gasthaus »Zum Kreuz« ein Bildstöcke
solcher von 1752. (Wth.)
Römisches : An der Landstraße nach Gengenbach, an der Gemarkungsgrenze, Römisches
römische Reste. (Mitteilung von Prof. Schumacher 1900.) (W.)
HAIGERACH
Schreibweisen: Heideger 1289; curia Heigern 1414; hof zu Heidiger 1423;
Heydinger. (Mit Heidekraut bewachsener Ger oder Ger des Mannes Heito.)
Die Geschichte des Ortes ist die gleiche wie die Reichenbachs. Er gehörte Ortsgeschichte
mit diesem dem Kloster Gengenbach und wurde 1803 badisch. Uber die Nachricht:
»nachdem in der pflegd Orttenberg im Heydiger oder alten Gengenbach genant vor
351
538
KREIS OFFENBURG.
Kapelle
Mühlstein
Bildstock
Ortsgeschichte
ziten bergkwerk erbawen 1528« und ihre Beziehung zu dem Ursprung der Stadt Gengen-
bach ist bereits bei der Geschichte der Stadt das Nötige gesagt worden.
Eine Kapelle des h. Michael steht ganz oben im Tal auf der Anhöhe über der
Straße. Ein einschiffiges Langhaus mit halbrunder Apsis. Gegen diese zu ist das
Langhaus um eine Stufe erhöht, an der die Zahl 1780 eingehauen ist. Schlichte Rund-
bogenfenster erhellen die Kapelle, über deren rundbogigem Tor steht:
DEO UNI TRINO
OPTI • MAXIMO
IN HONOREM B • MICHAELIS
ET OTm • SS • ANGELORUM
INSTAURATUM 1597.
In der Kapelle ein Barockaltar mit Statue des h. Michael. Das wertvollste Stück
aber ist eine Casel von gelber, graudurchwirkter Seide mit aufgenähtem älterem Kreuz und
Balken (Tafel IXX). An dem Kreuz der in Seide hochgestickte Kruzifixus, etwa 30 cm
hoch, unten Maria, den Stamm umklammernd; auch Goldplättchen sind in reichlicher
Zahl aufgenäht. Auf der Vorderseite, dem Balken der Casel, in Seide Flachstickerei
von Rankenwerk und anderen Ornamenten, auch noch die Reste einer Immaculata Con-
ceptio erhalten. Das schöne Stück, wohl aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs., ist jetzt in
die Sakristei der Klosterkirche von Gengenbach verbracht, wo es in besserem Gewahrsam
sich befindet.
Vor der Kirche ein Mühlstein von 1788, am Gasthaus »Zum Waldhorn« ein
Bildstock des 18. Jhs.
SCHUTTERWALD
Schreibweisen: in der teil der wälder, den man da nemmet der Scuterwalt 1293;
silva dicta Schutterwald 1341 ; villa Schutterwalt Argentinensis dyocesis 1351 ; in banno
ville Schutterwalt 1359; Schutterwald 1478 etc.
Archivalien der Pfarrei: Mitteil, der histor. Komm. Nr. 5 (1885), S. 266; Nr. 16
(1894), S. 78 u. 86.
Ortsgeschichte: Nach der späten Erwähnung als Ort dürfen wir annehmen, daß
Schutterwald erst im 13. bis 14. Jh. aus Gehöften sich entwickelt hat, die in dem großen,
gleichnamigen Walde gelegen haben. Das Dorf, ein tiersbergisches Allod, kam nach
dem Aussterben des Mannesstammes durch die letzte Erbtochter an die Schwarzenbergs,
der Wald fiel an die Geroldsecker. 1293 verkaufte Heinrich II. seinen Anteil für
170 Mk. lötigen Silbers mit Rat und Willen seines Vetters Heinrich von Geroldseck,
»der genannt wird von Veldenze«, an die Bürger von Offenburg. Die für damalige
Zeit große Summe sowie die Grenzangaben zeigen die große Ausdehnung des Stückes.
Doch hatten auch noch Heinrichs II. Bruder Hermann und die Schwarzenberg einen
Anteil, ersterer verkaufte ihn 1332 an Offenburg und letztere 1337, ein Teil war durch
Verkauf an Straßburger Bürger gekommen.
Das Dorf kam von den Schwarzenberg am Ende des 14. Jhs. an die Hummel von
Staufenberg ; die eine Hälfte kaufte Pfalzgraf Ludwig, als Pfandlehen erhielt sie Albrecht
Wolf von Offenburg. Die andere Hälfte wurde erst 1474 verkauft, und zwar an Bernhard
AMT OFFENBURG. — SCHUTTERWALD.
539
von Bach, dessen Sohn Georg auch die pfälzische Hälfte (1330) dazu erwarb. Es ist
derselbe, der letzte derer von Bach, der in Offenburg begraben liegt. Nach seinem
Tode kam Schutterwald wie Hofweiler an die von Kronberg, dann an die Dalberg und
Franckenstein, deren ritterschaftliche Besitzung es war, bis es 1806 badisch wurde.
Patronat und Zehnt gehörten zum Schloß Tiersberg, kamen also an die Röder. Seit
1410 führte die Gemeinde mit der Stadt Offenburg Prozesse wegen der Waldrechte, die
erst 1836 ihren Abschluß fanden. (Wth.)
Vorgeschichtliches : Im Gewann »Dachsrain« zwischen dem Ort und Langhurst Vorgeschicht-
1886 gefunden ein geschliffenes, durchbohrtes Steinbeil aus hellgrünlichem Serpentin-
gestein von nicht gewöhnlicher Form, etwas gekrümmt,
einerseits mit senkrecht geschliffener Schneide, anderer-
seits mit konvexem Kopf (s. Fig. 302). Jetzt in der Karls-
ruher Sammlung.
Römisches : Östlich vom Hügel im Feld »Waide«,
gegen Langhurst hin, eine römische Münze des Trajan.
Bei Höfen, das zur Gemeinde gehört, römische Nieder-
lassung (Mauerwerk) am Schnittpunkt römischer Straßen,
am Westrand des Waldes »Faulmatt«, wo die Landstraße
Höfen Dundenheim diesen verläßt. (Mitteilung von Prof. Schumacher 1898.) (W.J
Kath. Pfarrkirche (ad S. Jacobum maj.). 1351 wird eine ecclesia parrochialis Rath. Pfarrkirche
erwähnt, 1458 S. Jacob der patron zu Sch.; huius parrochialis ecclesiae patronus coeli
est s. Jacobus; collator et decimator nobilis Roederer a Dirsperg haereticus . . . animas
regendas ca 230 habet 1666; kirspel Sch. 1390; in Sch. plebanus 7464.
Die heutige Kirche ist ein Bau von 1780 bis 1786 und in ihrem Grundriß durch-
aus analog derjenigen von Hofweier, was bei dem politischen Zusammenhang der
Gemeinden leicht erklärlich ist: einschiffiges Langhaus, Chor aus dem Achteck, an die
östlichste Achteckseite ist der viereckige Turm angebaut, in seinen unteren Teilen wohl
eine ältere Anlage. Doppelte Pilaster gliedern die Wände des Langhauses, einzelne die-
jenigen des Chores; auf ihnen sitzen die Zwickel auf, die durch die in das Spiegelgewölbe
des Chors wie des Langhauses einschneidenden Kappen entstehen. An dem Spiegel
Felder mit Stuckumrahmung, in denen neue Gemälde (Kunstmaler Huber in München).
Der vordere Teil des Langhauses wird von einer Empore von geschwungenem Grundriß
eingenommen. An den Decken und über den Fenstern noch gute Rocaillestuckorna-
mente. Die Fassade ist durch Lisenen gegliedert, darüber Rundgiebel von eckigen
Voluten flankiert. Der Bau besteht aus verputztem Bruchsteinmauerwerk, die Gewände etc.
aus Sandstein.
Die Altäre stammen aus dem Ende des 19. Jhs. Die Kanzel ist ein Schnitzwerk Innenausstattung
aus der Zeit des Baues, mit Girlanden verziert. Die Beichtstühle, die Kirchenbänke
und die Orgel zeigen in ihren Schnitzereien noch das ausklingende Rokoko. Der Tauf-
stein mit Beschlägornament stammt noch aus dem 17. Jh.
An Kirchengeräten : Eine Sonnenmonstranz, silbergetrieben, vergoldet, mit Rocaille- Kirchengeräte
Ornamenten, teilweise erneuert. Ein Kelch des gleichen Materials und Stils, renoviert.
Der Wettersegen, ebenfalls silbergetrieben und vergoldet, zeigt gleichfalls Rocailleorna-
mente; aus derselben Zeit noch eine rote Casel mit eingewirktem Kreuz.
54°
KREIS OFFENBURG
Kruzifix
Statue
Römisches
Ortsgeschichtc
Kruzifix
Ortsgeschichtc
Kapelle
Auf dem Friedhof Kruzifix von 1781, mit Maria am Kreuzesstamm, auf dem
üblichen ausgebauchten Rocaillepostament.
Am Haus Nr. 112 Statue der Immaculata Conceptio von 1780.
LANGHURST
(zur Gemeinde Schutterwald gehörig)
Schreibweise: Langenhurst 1293.
Römisches : Münze des Trajan.
Ortsgeschichte: Der Ort hatte die gleichen Schicksale wie Schutterwald, war
ursprünglich geroldseckisch, zuletzt zur Hälfte ritterschaftliche Besitzung der Familie
Franckenstein und zur anderen Hälfte zur Landvogtei gehörig und wurde 1805 bezw.
1806 badisch. Mit geroldseckischen Gütern waren im 14. und 15. Jh. die Walpott,
dann die von Ortenberg, endlich Hans Meyer von Offenburg und seine Erben belehnt.
An der Hauptstraße etwas derbes Kruzifix in Rocailleformen, 1765 von Fr. Anthoni
Schnebelt gestiftet.
UNTERENTERSBACH
(und OBERENTERSBACH)
Schreibweisen: Anteresbach 1075; Entersbach 1220; curia monasterii Gengen-
bacensis Entrispach ca. 1235; Enterspach 1289; der frönhof zu Nidern Entirspach 1423;
Nidernenterspach, Obernenterspach erste Hälfte des 15. Jhs. ; Ober und Nider Enters-
pach 1596. (Bach des Anter.)
Ortsgeschichte: Schon früh war das Kloster Gengenbach hier begütert, das auch
Patronat und Zehnt hatte. Der Ort aber gehörte zum Gebiet der Reichsstadt Zell, machte
also deren Schicksale mit durch und wurde 1803 badisch. Im 12. Jh. erscheint eine
Familie von Entersbach — ein Erlewinus de Antresbach ca. 1111 bis 1122 und ein
Hainricus de Antirspach 1123 — , die aber bald ausgestorben sein muß.
Eine Kapelle ad S. Nicolaum liegt in Unterharmersbach. Schon 1470 hören wir
von der capell zu nydern Enterspach, 1669 capella S. Nicolai zu Under-Entersbach. Der
heutige, ganz schlichte, einschiffige Bau stammt von 1768. Schlichter, spätgotischer
Taufstein.
Die Kapelle in Oberentersbach besteht erst seit 1873.
Zu Unterentersbach gehören noch die
GROB ERN HÖFE
Schreibweisen: Grebern 1381 etc.
Ein Geschlecht wird seit 1332 erwähnt. Wir hören von Berhtold von Grebern,
1358 von Berhtold von Sneit genannt von Grebern ritter. Wie daraus hervorgeht,
ist die Familie ein Zweig derer von Sneit. Der angeführte Berthold war 1346
Schultheiß zu Gengenbach, 1359 Vogt zu Offenburg, 1360 Zwölfer des Gerichts zu Offen-
burg. Mit ihm erscheint zugleich noch ein Tamme oder Damme von Grebern. Wir
finden Mitglieder der Familie als Schultheißen in Zell, Wolfach, als Ambachtmänner von
Gengenbach, als Lehensleute der Fürstenberger und Geroldsecker, kurz, sie haben in
AMT OFFENEURG. — UNTERHARMERSEACH. (OBERHARMERSBACH.)
541
der Geschichte der Gegend eine Rolle gespielt. Verschwägert waren sie u. a. mit den
von Bern, von Schauenburg, Knobloch, Bock etc. — Um die Wende des 16. Jhs. stirbt
die Familie aus und wir finden im 1 7 . Jh. die Mayrshoffen in dem Besitz. — Die Höfe
gehörten zum Gebiet der Reichsstadt Zell und wurden 1803 badisch.
Von dem Schloß sind noch auf dem jetzt sogenannten Gröbener Hof Reste
erhalten. Zunächst ein quadratischer Turin aus Bruchsteinmauerwerk, untermischt mit
Backsteinen, an den Ecken Bossenquader mit ziemlich starkem Randschlag. Der Turm
steigt in fünf Geschossen auf und zeigt Doppelfenster mit einfach abgefastem Gewände;
eingedeckt wird er durch ein Satteldach. Uber seinem unteren westlichen Eingang mit
geradem Sturz Allianzwappen des Johann von Meyrshoffen und seiner Frau geb. Eberhard.
Zwischen dem Wappen steht 1695, oben darüber:
JOHANN VON MEYRSHOFFEN UND ZU GREBERE
DES H. REICHS RITTER
MARIA CLEO PHE VON
MEYRSHOFFEN ZU GREBERE
GEBOHRNE VON EBERHARD.
Im Innern des Turmes: im zweiten Geschoß eine Holzdecke, sogen. Stabdecke;
an der Westseite eine Tür mit in Voluten endigendem Rundgiebel, die durch die Mauer
zu einer ins Freie gehenden Tür, also wohl auf einen Abort führte; das dritte Geschoß
hat ebensolche getäfelte Decke, an den Fensterpfosten noch die Ritzen für die Läden;
im vierten Geschoß nur Balkendecke; im fünften der Holzdachsluhl. Uber dem obersten
Stockwerk zieht sich eine gotische Wasserschräge hin, eine ebensolche über dem vierten.
Aus allem geht zweifellos hervor, daß ein älterer Turm aus dem Mittelalter am
Ende des 17. Jhs., also vielleicht nach einer Zerstörung durch die Franzosen, hier neu
hergerichtet worden ist.
Der Turm steht auf einer ummauerten quadratischen Terrasse. Der ganze Hof ist
im Rechteck von einer Mauer aus Bruchsteinmauerwerk umgeben, vor der noch die
Spuren des Grabens sichtbar. Das Ganze also eine übliche Tiefburganlage.
Das alte, schlichte Herrschaftshaus aus Bruchsteingemäuer und der anstoßende
Riegelbau sind offenbar nach der Zerstörung mit wenig Geld aufgerichtete Gebäude.
Schloß
Turm
UNTERHARMERSBACH
(und OBERHARMERSBACH)
Schreibweisen: in Mortunagia Hademarsbach 1139; Hademersbach ca. 1235;
Halmersbach 1353; Harmerspach 1354; Hadmerspach 1420; Harnenspach 1500 etc.
(Bach des Hademar.)
Literatur: E. Gothein, Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes, S. 232 ff.
Ortsgeschichte : Das Harmersbacher Tal, ursprünglich, wie die ganze Gegend, dem Oltsgeschichte
Kloster Gengenbach gehörig, war lange mit Zell vereinigt. Als dieses mit den zwei
anderen Städten Offenburg und Zell sich im 13. Jh. seine Reichsfreiheit erkämpfte, da tat
es das auch für das mit ihm in einer Markgemeinschaft stehende Tal. Nach dem Aus-
sterben der Zähringer war die Land vogtei an das Reich gekommen und somit auch das Tal.
542
KREIS OFFENBURG.
Aber während die Landvogtei an Straßburg und die Pfalz verpfändet wurde, hatte das
Tal ein besonderes Schicksal. Ludwig der Bayer begann damit, wie er es selbst nannte,
Stücke aus der Landvogtei herauszubrechen, und so verpfändete er 1330 das Tal
Harmersbach mit allen seinen Seitentälern an die Grafen von Fürstenberg, »sie bis zur
Erledigung an des Reiches Statt zu genießen«.1) Nach Erwerb der Ortenauer Pfand-
schaft suchte nun der Straßburger Bischof auch dies schönste und größte Gebirgstal ein-
zulösen. Als der Graf widerstrebte, kam es zu heftigen Auseinandersetzungen und Fehden,
unter denen die Bauern sehr litten, bis 1367 durch die Vermittelung der Städte Straß-
burg, Freiburg und Offenburg endlich das Tal dem Bischof geräumt wurde, aber nur um
von diesem bald darauf an das Straßburger Bürgergeschlecht Bock um die Summe von
3100 fl. verpfändet zu werden. Bedingung dabei war, daß, wenn das Reich die Pfand-
schaft von Straßburg wieder einlöse, auch Harmersbach mit eingelöst sei. Die Bock und
ihre Erben behielten es mehr als 300 Jahre; aber infolge von Erbschaft und Verkäufen
kam der Besitz in die Hände verschiedener Geschlechter, und die Zersplitterung erhöhte
das Ansehen der Gemeinherren nicht. »Durch das Versatzinstmment, das die Bauern wie
eine Verfassungsurkunde ansahen, waren ihre Berechtigungen so wie so eng begrenzt.«
Sie erhielten 40 Mark Silber, 100 Viertel Haber und drei Hühner von jedem Haus. Die
Freizügigkeit der Bauern durfte nicht angetastet werden, auch ihr Jagdrecht nicht. Nur
ein Teil des Wildbrets wurde an den gemeinsamen Vogt der Herrschaft abgeführt, ein
anderer ward von dem Zwölfergericht, das die Taleinwohner wählten, in gemeinsamer
Mahlzeit verzehrt.
Die Verpfandung von zweiter Hand an die »Junker« aber wurde flir das Tal die
Vorstufe zur völligen Reichsfreiheit. Zwar mußte es für das Mitmärkerrecht an den
Allmendwäldern Fälle und Wasserzinse an das Kloster Gengenbach zahlen und das
Gericht der Wassermeier, die der Abt setzte, suchen. Das Wichtigste aber war, daß das
Tal sein eigenes Hochgericht erhalten hatte und seine Geschworenen zu Richtern geworden
waren, die in allen Fällen der hohen Gerichtsbarkeit urteilten. Dies galt den Bauern
als ihr ursprüngliches Recht, und ihren Pfandjunkem erkannten sie nur den Anspruch
auf die Geldeinkünfte zu. Mit Erfolg. So kam es, daß, als die Pfandschaft im 17. Jh.
ihr Ende erreichte, »die Reichsfreiheit als ihr Ergebnis zurückblieb«. Die Regierung
des Tales bestand aus einem Reichsvogt, den (Jer Abt von Gengenbach aus zwei ihm
Vorgeschlagenen zu wählen hatte — das war ihm noch von seinen Rechten geblieben — ,
und den Zwölfern, einem Syndikus oder Konsulenten, der ein Rechtsgelehrter sein mußte,
und einem Gerichtsschreiber. In besonders wichtigen Fällen wurde noch ein Ausschuß
der Bürgerschaft beigezogen.
Allmählich entstand im Verlauf dieser Geschichte »ein Geschlecht von fürstlichen,
stolzen Bauern, hart und wetterfest von innen und außen, ruhig, trotzig und kalt verständig,
aber oft auch eines höheren Gedankenschwunges, immer eines festen Willensentschlusses
fähig«. Es gelang den Bauern, sich auch politisch zu Meistern zu machen und sich zu der
obenangedeuteten bürgerlich-demokratischen Verfassung emporzuarbeiten, in des »heiligen
Reiches freien Tälern, gleich den Schweizer Urkantonen«. Das war aber erst möglich nach
einer Umwandlung der ökonomischen und Rechtsverhältnisse, nachdem die Geschlossen-
heit der Hofgüter gesichert war. Im 13. Jh. hatte der Bischof Heinrich von Stahleck das
Ich folge hier wie im weiteren G o t h e i n , teilweise wörtlich.
AMT OFFENBURG.
UNTERHARMERSBACH. (OBERHARMERSBACH.)
543
gleiche Erbrecht für sämtliche männliche und weibliche Nachkommenschaft festgesetzt
in Übereinkunft mit dem Schultheißen und den Bürgern von Gengenbach. Damit war
aber die Güterzersplitterung mit all ihren Übeln Folgen gegeben, über die man sich
wohl klar war. Im 14. Jh. scheint die Sitte das so geregelt zu haben, daß nur einer
das Gut übernahm und die anderen sich in der Allmend neue rodeten, oder alle Miterben
blieben, ohne zu teilen, zusammen auf dem Erbgute sitzen. Das 15. Jh. brachte dann
zunächst doch die gleiche Teilung der Mtferben und damit die Auflösung der alten
Hausgenossenschaften. Aber schon setzte die entgegengesetzte Bewegung ein. Wir
hören 1450 von dem in dem äußersten Zinken, den Schottenhöfen, geltenden Recht,
daß die Geschwister abgefunden werden, damit der Hof nicht geteilt zu werden brauche,
und im 16. Jh. setzte sich das auch im Haupttale durch. 1563 ist die Anschauung
soweit allgemein geworden, daß der Talvogt festsetzt im Einverständnis mit dem Rat,
der Hof und die Güter sollten künftig unzerteilt bleiben ; der Jüngste solle Alles erben
und die Geschwister mit Geld auskaufen. Nur wenn das Besitztum so groß sei, daß
sich mehrere darauf erhalten könnten, solle geteilt werden. Man ist damit nur dem
früheren Vorgehen vieler anderer Schwarzwaldgemeinden gefolgt, aber hier wurden alle
nötigen weiteren Bestimmungen nun juristisch ausgebildet, zugleich der Gefahr der Aus-
wanderung der Ausgekauften und den begreiflichen sittlichen Gefahren durch Verbote
vorgebeugt. Natürlich mußte auch die Entschädigung der Geschwister genau geregelt
werden. Im 17. Jh. finden wir das Minorat schon als strenges Recht. So bildete sich
eine feste bäuerliche Aristokratie, in der sich eben jener geschilderte stolze Charakter
entwickeln konnte. Dieses Jahrhundert brachte denn auch die völlige Reichsfreiheit.
Noch einmal hatten sich die Bauern gegen das Bistum Straßburg zu wehren, als Kardinal
Franz Egon von Fürstenberg 1663 das Tal unter seine Gewalt bringen wollte. Mit
Erfolg. Die Reichsbehörden vernichteten alle Ansprüche des Bistums. Dann aber erhob
sich die Frage des Verhältnisses zur Stadt Zell, die den Anspruch machte, den Vogt zu
setzen. Demgegenüber schien es den Bauern besser, dies Recht dem Abt von Gengen-
bach zuzugestehen, was sie auch durchsetzten. Aber noch wollten die Zeller sie als
Teil des zellischen Gemeinwesens nehmen, bis durch Vertrag i. J. 1718 die völlige
Selbständigkeit der kleinen Bauernrepublik festgesetzt wurde. Als endlich das Jahr 1803
derselben ein Ende machte und das Tal badisch wurde, da fand in unerfüllbaren
Selbständigkeitsforderungen der Stolz der Bauern seinen letzten starken politischen Aus-
druck. Allerdings mit dem Erfolg summarischer Ablehnung.
Auch ein Geschlecht von Harmersbach findet sich, und zwar vom 14. Jh. bis 1506,
das in Gengenbach und Offenburg ansässig war.
OB E RH ARM E RS B AC H
Kath. Pfarrkirche (ad S. Gallum). 1289 hören wir von derselben: ius patronatus, Kath.Pfarrkirche
quod habet monasterium in Gengenbach in ecclesia vallis Hademarsbach; 1666 von der
ecclesia parrochialis, collator et decimator abbas Gengenbacensis. Hier wie in Unter-
harmersbach behielt das Kloster bis zu seinem Erlöschen Patronat und Zehnt. —
1240 wird ein plebanus de Hademarsbach genannt.
Der heutige Bau stammt aus den Jahren 1839 bis 1845. Von alter Ausstattung Ausstattung
in der Sakristei noch ein Kelch erhalten, silbergetrieben, vergoldet, mit aufgelegten
544
KREIS OFFENBURG.
Ölgemälde
Kruzifix
Römisches
Kapelle
Chor
Innenausstattung
W allfahrtskirche
Maria zur Ketten
silbernen Ranken und Marterwerkzeugen Christi an der Cuppa verziert; Zeichen nicht
mehr erkenntlich. Eine weiße Casel, Silberbrokat, mit goldenen Sternen bestickt, vom
Ende des 18. Jhs. Ölgemälde der Stationen Christi, derbe Werke des 17. Jhs.
Auf dem Friedhof Kruzifix, 1703 von Jacob Frech, Bürger in Harmersbach,
errichtet, 1800 und 1898 renoviert; Durchschnittsarbeit.
(Eine Kapelle im Tal 1882 erbaut.) (Wth.)
UNTE RH ARM ERSBACH
Römisches : »Auf der Höhe der Waldsteinischen Waldungen, linker Hand nach
Harmersbach zu, war vor Jahren noch ein mehrere Fuß über den Erdboden hervor-
ragendes, offenes großes Gewölbe zu sehen, welches im Volksmund die Heidenkirche
genannt wurde. Vor diesem Gewölbe standen ehemals zwei hohe unbehauene Sandsteine
in Form von Säulen. Auf einem derselben war folgende Inschrift zu lesen :
I • O • M •
P • B • B
CL- F •
Vielleicht Jovi Optimo Maximo Posuerunt Baebius Baebii que filii, nach Analogie der
Säule von Gengenbach (s dort).« (Rappenegger in den Schriften des Bad. Altertums-
vereins II. Bd., 2. Heft, 1849, S. 255 f.) fW.J
Kapelle (ad S. Michaelem), (in Kirnbach). Patronat und Zehnt gehörten dem Kloster
Gengenbach, das auch für Chor und Turm baupflichtig war; die Kapelle war die ehe-
malige Pfarrkirche des Untertales. Laut einer im Pfarrhaus zu Zell aufbewahrten Urkunde
vom 29. September 1760 wäre dieselbe 1567 erbaut und am 29. September, dem
S. Michaelstag, eingeweiht, 1643 aber durch weimarisches Kriegsvolk »verderbt« worden,
was am 29. Februar 1648 im Kirchenbuch verzeichnet wurde durch den Secretarij
Dornbluet von Gengenbach »und ist bis heute 29. September 1760 die Renovierung und
Erneuerung der Kapelle mehrmalen beschehen mit Erlaubniß des Herrn Vogt Frantz
Harter und ehrsamen Rath allhier«.
Bei der genannten Zerstörung blieb der geradegeschlossene Chor offenbar erhalten.
Er öffnet sich im Spitzbogen gegen das Langhaus, ist mit neuer flacher Decke versehen
und hat nach Norden und Süden zwei einpfostige, spitzbogige Fenster mit Kleeblattbogen-
maßwerk, an der Ostwand eine spitzbogige Nische, wohl ein zugemauertes Fenster. Das
Langhaus mit seiner flachen Holzdecke und rundbogigen Fenstern dürfte wohl aus der
Zeit der Erneuerung herrühren. Wie gewöhnlich, ist der Bau aus Bruchsteinen errichtet
mit Sandsteingewänden.
Von der Innenausstattung sind zu nennen die zwei alten Glasgemälde in den Chor-
fenstern mit erneuertem Fond und wohl ganz erneuerter Umrahmung. In dem südlichen
der Tod Mariä und oben zwei Engel, noch durchaus in den Formen des 15. Jhs., in dem
nördlichen zwei jetzt verkehrt gestellte Wappen, das eine Schild mit blau damasziertem
Balken längsgeteilt auf silbernem damaszierten Grund, roter Fluß, das andere mit
rotem Kreuz in gelb damasziertem Felde. — Außerdem ein kleines Ölgemälde, den
Gekreuzigten darstellend, Durchschnittsarbeit des 17. Jhs.
Die Wallfahrtskirche Mai'ia zur Ketten besteht ihren Bauformen nach jeden-
falls schon seit dem Ende des 15. Jhs. Dazu stimmt eine Notiz im Zeller Kirchenbuch
ic ÄfalirteKirrtjf ^ÖRoFta inÄtfli ia
ftorrsofa.
Spälgntiscfte Bau/cefe A Cf J6 t/er
Fersfer/äfie trr/f. Zit/fxtt/ attse/etti
/£■ Jafiz/tttsie/erf .
fieiiüm//tm/e7 (ferset//. Ifv/ffü/sepfifre.
trf/lS(cJif.
W 1 1 1 1 1 1 II H
(frttstt/ri.v . Z-B.
- 1
— F
y u ! u
Yri////yrt6oges/p/v/tY.
■Mwtf — | — I — I — I — f — I — I — I — I — I —
Keubau r/er Tö'rc/tc ft/t ■J/f.Ja/te/tu/u/erl.
g Meutere tfes Mrsstner/tztttses tt/t /dfZt/tr/tttttt/rs/
Wiml I I I I I 1 II M 1 1-
Fig. joj. Grundriß und Details der Wallfahrtskirche Maria tur Ketten in Unterharmersbach.
VII. Zu Seite 545.
AMT OFFENBURG. — UNTERHARMERSBACH. (OBERHARMERSEACH.)
545
(begonnen 1654): »Jacobus de bern (wurde 1475 Abt) condidit hic Dns. Abbas nouam
et insignem Basilieam in honorem Bme. Virg. Marie in Valle Hadamari, non procul
a Cella Oppido imperiali«. Sie muß im 17.JI1., im Dreißigjährigen Krieg, ziemlich
gelitten haben. 1683 schließt der Prior Ziegler von Gengenbach einen Vertrag ab
mit Maurer und Zimmermann zur Renovierung der Marienkapelle in Harmersbach
prope civitatem Zell. Sie sollte einen Turm mit spanischer Haube bekommen.1)
1715 ließ der Pater Joachim Schneider aus Gengenbach durch seinen Schwager den
Hochaltar arbeiten »sacelli beatae virginis Thaumaturgae prope Zell«, und am 2 1. September
wurde das wundertätige Bild in Anwesenheit des Gengenbacher Abtes und Konventes
auf denselben übertragen.
Derselbe Schneider hatte 1697 ein Wallfahrts- und Gebetbuch verfaßt,2) in dem er aber über
den Ursprung der Wallfahrt nichts Genaueres zu berichten weiß. Der Legende nach soll ein Hand-
werksgeselle von Schuttern, der in Zell in der Lehre gewesen und sich später zum Krieg gegen die
Türken hatte anwerben lassen, von diesen gefangen genommen und in Ketten gelegt worden sein.
Er habe in stetem Gebet Maria um Hilfe angefleht und eine Wallfahrt zu ihrem Gnadenbild nach
Zell gelobt. Im Traume habe sie ihm befohlen, die Ketten abzuschütteln, aber mitzunehmen, und ein
bereitstehendes weißes Pferd zu besteigen. Das tat er und befand sich am folgenden Morgen am
Lahrer Berge bei Schuttern. Von vielen geleitet, führte er die gelobte Wallfahrt aus und hängte die
Ketten zum Preise Mariens in ihrer Kapelle auf, die danach also vorher schon bestanden hat.
Ein kleiner Plan der Kirche befindet sich in den Akten des Abtes Paulus vom
6. Juni 1741 im Generallandesarchiv.
Der heutige Bau stammt aus verschiedenen Zeiten (s. Fig. 303). Die ältesten Teile
sind Turm und Chor. Letzterer ist aus drei Seiten des Achtecks geschlossen. Ihm sind
zwei Joche vorgelegt, deren erstes mit einem Kreuzrippengewölbe geschlossen ist, während
das östliche mit dem Achteckabschluß in sechsteiligem Rippengewölbe eingewölbt ist, beide
mit geradem Scheitel. Die Rippen zeigen das übliche, trockene Profil der Spätzeit mit
Hohlkehlung, sie ruhen auf achteckigen, mehrfach abgetreppten Konsolen mit Laubwerk-
endigung auf. In den Schlußsteinen zweimal eine Rose. Der Chor öffnet sich in hohem
Spitzbogen mit Hohlkehlen nach dem Langhaus. Spitzbogige Fenster ohne Maßwerk
erhellen ihn. Im Äußeren Strebepfeiler, einmal durch die um den ganzen Bau herum-
ziehende und den Fenstern als Kaffgesims dienende Wasserschräge abgetreppt. In der
Südwand des Chores große im Kielbogen geschlossene Kredenznische mit einer großen,
von zwei Pfosten gestützten Tischplatte, an den Pfosten noch die Ansätze der alten
hölzernen Verschlußtüren bemerklich. In der Nordseite führt eine Tür mit geradem Sturz
auf Konsolen in das Erdgeschoß des Turmes, dessen erstes Obergeschoß sich nach dem
Chor in einem späteren Rundbogen logenartig öffnet. Der Turm , in die Nordostecke
von Langhaus und Chor eingebaut, die drei unteren, quadratischen Geschosse durch
Wasser schrägen mit Hohlkehlen voneinander geschieden, geht darüber in das Achteck
über mit Spitzbogenfenstern und endigt in einem neueren, wohl im 17. Jh. aufgesetzten
Türmchen. In dieser Zeit wurden auch die geradsturzigen Fenster seiner unteren Geschosse
eingebrochen. Merkwürdigerweise sitzt der Turm über dem Obergeschosse über, da,
wo in dem Erdgeschoß die sonderbare Eckbildung auf dem Grundriß ersichtlich ist. An
seiner Nordostecke ein zwecklos scheinender Strebepfeiler.
*) Baumgarten, Aus dem Gengenbacher Klosterleben, Z. NF. 8, S. 667.
2) Hofmann, Schulkreis Offenburg, S. 249.
Turm
546
KREIS OFFENBURG.
Langhaus Das einschiffige Langhaus zeigt Rundbogenfenster, aber in Süd- und Nordseite je
eine Spitzbogentüre mit Hohlkehle und Birnenrundstäben. Danach scheint es in seinen
unteren Teilen älter und zwar bis zu J/3 der Fensterhöhe, nach einer Zerstörung im
17. Jh. wieder aufgebaut worden zu sein. Auch die erwähnte Wasserschräge setzt sich
an ihm fort und steigt jeweils zu der Sohlbank der Fenster herunter, um ihnen als Kaff-
gesims zu dienen. Diesem Langhaus ist querschiffartig ein weiterer Bau vorgelegt. Man
brauchte offenbar mehr Raum, und da bei einfacher Fortsetzung des Langhauses der für
die Wallfahrer nötige Raum vor der Kirche dadurch zu sehr eingeengt worden wäre —
er ist durch den Bach begrenzt — , so griff man zu diesem Ausweg, den man auch damit
hat erklären wollen, daß der Bau sonst, wie der drei Schritte davon erhaltene Grenzstein
zeigt, auf das Gebiet der Stadt Zell zu stehen gekommen wäre. So ergibt sich eine breite
Fassade. Zu beiden Seiten des Portals je zwei Rundbogenfenster. Das rundbogige Portal
wird von übereckgestellten Pilastern der Spätrenaissance flankiert, deren Kompositkapitelle
ein reich verkröpftes Gesims tragen, darüber gebrochener Volutengiebel mit einer von
flachrundem Giebel abgeschlossenen Nische in der Mitte. In dieser das wundertätige
Bild, eine Holzstatue der Madonna mit Kind, wohl ebenfalls aus dem Anfänge des
18. Jhs. mit beabsichtigtem Anklang an ein früheres Vorbild. Auch um diesen zweifellos
jüngeren Bau zieht sich die erwähnte Wasserschräge herum. Sie steigt zu der Sohlbank
der Fenster herab, zwischen ihnen wieder empor und schließt an das Gebälk des Portals
an, was originell wirkt. Offenbar hat man am Ende des 17. Jhs. bezw. Anfänge des
18. Jhs. den neuen Anbau auf diese merkwürdige Weise dem alten Bau einheitlich
anschließen wollen. Die Steinbehandlung an den Fenstern und der Wasserschräge unter-
scheidet sich hier aber deutlich von dem älteren Bau.
In der Südostecke von Chor und Langhaus ein rundes Treppentürmchen angebaut,
an dessen Wendeltreppe verschiedene Zeichen (s. Fig. 304). Ein ebensolches Treppen-
tiirmchen in der südwestlichen, durch Langhaus und Anbau gebildeten Ecke.
Das Material des Ganzen ist Bruchsteinmauerwerk, oben teilweise ausgeflickt mit
Backsteinen; an den Gewänden, Sockel etc. Haustein, roter Sandstein, Quader auch an
den Ecken des ganzen Baues und an den Strebepfeilern.
An die Ostseite des Chors ist 1739 das ganz schlichte Pfarrhaus angebaut worden,
jetzt Sakristei, mit gequaderten Eckpilastern und mit heute noch erhaltener Blumen-
malerei an den Fenstern (Fig. 304).
Innenausstattung Innenausstattung : An der flachen Langhausdecke in einem großen, mittleren Felde
HAM.
Deckengemälde das Deckengemälde mit der Darstellung der Legende und bezeichnet g , in vier
kleineren Feldern Geburt Mariä, Verkündigung, Unbefleckte Empfängnis, Himmelfahrt,
an dem Boden der Empore ein Bild, auf die Wallfahrt und die Zuflucht der Sünder
bezüglich. Der Hochaltar ist ein großer barocker Aufbau mit gewundenen Säulen, Statuen
der Madonna mit Heiligen und die Ketten tragenden Engeln, im gleichen Stil die Säulen-
altäre, auf dem einen neue Kreuzigungsgruppe und die Barockfiguren der Heiligen Helena,
Petrus und Andreas, auf dem anderen die h. Anna selbdritt, Skulptur der gleichen Zeit,
sowie einige weitere Heilige. Die bauchige Kanzel ist mit Schnitzereien im Rocaillestil
verziert. Beicht- und Kirchenstühle schlicht in den gleichen Formen, in denen auch die
Orgel ausgestaltet ist. Auf den Altären entsprechend geschnitzte Reliquiarien.
AMT OFFENBURG.
— UNTERHARMERSBACH. (OBERHARMERSBACH.)
547
fforclseite cl .ja.Yi^hAu.ees . ^rpensttr
• w vor Aem-Turm- .
I 7* 3 mal
l in (\u.rt l » ]e'i t>ung .
am rüir dl. Chor jens+erge Wand .
atn nordosth cHm Qvor^nster.
i I j I
in. nördlichen. und am ersten. "finster
Sud]. 5eiten.einga.ng. 4ar5u.dfron-t .
v 5
Sli4jtont h&nq\\a_u.sc£> H ffenster vätnÖiaraL
L/ dgl 3."J-enster.
Westfront J r«We 6 "penster neben Hau.ptein.gang . lchfit.
^ O V
Westfront , Jenster neben dem- rechten lVeloen.einga.ng .
30 ^ Vl £ V
Strebepfeiler Am Chor.
fe*
Fi g. 304. Konsolen , Steinmetzzeichen und Sakristeianbau der Wallfahrtskirche Maria zur Ketten
in Unterharmersbach.
548
KREIS OFFENBURG.
Holzfiguren
In der Kirche und auf der Bühne einige Holzfiguren: am Triumphbogen ein
Kruzifix des 18. Jhs., Durchschnittsarbeit; in der Kirche Statuette des h. Michael als
Seelenwäger, desgleichen ; auf der Bühne lebensgroße Statuen des Ecce Homo, Zacharias
und Johannes, ganz tüchtige Arbeiten des 18. Jhs.
Sakristei
In der Sakristei auf Sammetunterlage angebracht einige Ex voto, silbergetrieben,
Ohren, Herzen und Augen, eine Relieffigur der Madonna auf Wolken und der vor ihr
knieenden Stifterin (17. Jh.), die Nachbildung der Madonna der Wallfahrtskirche auf
Wolken von Engeln getragen, ca. 0,18 m hoch, eine Rocaillekartusche mit der Inschrift
EX VOTO (0,13 m hoch); die Relieffigur einer knieenden Fürstin vor dem Altar, eine
charakteristische, üppige Gestalt der Rokokozeit, an der Tischdecke das badische und
Kruzifix
Aremberger Allianzwappen sowie das Augsburger Beschauzeichen, damals K, und das
Meisterzeichen T R Z (0,25 cm hoch). — Kruzifix , silbervergoldet, auf Fuß mit Voluten
Leuchter
Kelche
und Gitterwerk verziert. Sechs Leuchter, silbergetrieben, mit gleichen Postamenten.
Eine Anzahl Kelche :
1 . Silbergetrieben, vergoldet, mit Rocailleornamenten, Augsburger Zeichen, darunter I
und ^ (?)i
2. im gleichen Material, mit teilweise aufgesetztem Silberrankenornament, Augs-
burger Zeichen und C D, spätes 18. Jh.;
3. ebenso, mit Medaillons, Früchten, aufgelegten Silberranken, Augsburger Zeichen
und AD, 18. Jh. ;
4. ebenso, mit bewegtem und feinem Rocaillekontur, am Fuß getriebene Trauben,
Ähren etc., Mitte des 18. Jhs. ;
5. ebenso, etwas flauer Ludwig XVI.- Stil, mit Blumengirlanden, Palmblättern etc.,
Ende des 18. Jhs., Augsburger Zeichen, darunter B.
Meßkännchen, silbergetrieben, mit Tablette, gute Rocaillearbeit von etwa 1750,
Augsburger Zeichen, darunter W und C X S ; weitere Meßkännchen, silbergetrieben, mit
Blumen und Blattwerk verziert, desgleichen, auch Bandgeschlinge an der Tablette, erste
Hälfte des 18. Jhs., Augsburger Zeichen und L B. Ein Gürtel aus Silber und Silber-
filigran für die Madonnenstatue. Ein Rosenkranz mit silbergetriebenen Kügelchen, daran
ein Kreuz mit schönem, aus Silber geschnittenem Rankenwerk und darin verschlungen
S
^ y, an dem Kreuz zwei Medaillen hängend, eine auf Karl III. von Spanien, dem eine
Gestalt huldigt, Barcelona 14. Oktober 1705, und eine religiöse Medaille von 1552, der
Avers zeigt die Figur des h. Paulus, der Revers die Bekehrung desselben. Große Ewige
Licht-Lampe, Silber, mit getriebenem Rocailleornament (in der Kirche). Einige Kirchen-
Kircheogewänder^rzuöM^&r.' eine weiße Casel, mit applizierten, gestickten Blumen vom Ende des 18. Jhs.
eine weiße, silberdurchwirkt, mit eingewirkten, buntseidenen Blumen, Mitte des 18. Jhs.
Grenzstein
eine grüne, mit eingewirkten Blumen ; eine himmelblaue, mit buntseidenen Blumen durch-
wirkt, in dem reizenden Farbengeschmack des Rokoko ; ein Velum der gleichen Zeit mit
eingewirkten Blumen; eine in gleicher Art gearbeitete weitere weiße Casel.
Vor der Kirche alter Grenzstein (s. oben), auf der einen Seite das Harmersbacher
Wappen und die Unterschrift »Thal Harmerspach« und 1680, auf der anderen Seite das
der Reichsstadt Zell und 1680.
AMT OFFENBURG. — URLOFFEN.
549
Dann der Gnadenbrunnen (s. Fig. 305) in rotem Sandstein. Fünf Stufen in
flachem Rund führen zum Ausguß an der Rückwand, an der Putten die Ketten halten,
darüber auf kräftig ausladendem Sockel mit Voluten und Rocailleomament die Immaculata
mit dem Kinde. Am Sockel steht : »Maria zur Ketten ein Brunnenquell der Gnaden 1790«;
das Ganze dekorativ sehr gut wirkend und auch im einzelnen gut gearbeitet.
Fig. joj. Gnadenbrunnen vor der Wallfahrtskirche in Unterhannersbach.
Hinter der Ostseite der Kirche Kruzifix auf Rocaillesockel, Durchschnittsarbeit,
laut Aufschrift von 1741.
An der Straße von Zell nach Unter- und Oberharmersbach eine Anzahl Bildstöcke
in den Formen des 18. Jhs., einer von 1713, ein anderer mit dem Harmersbacher Wappen
ca. 1760, ein dritter aus der gleichen Zeit, gestiftet von Johannes und Maria Muser, ein
vierter von 1787, einer bei der Michaelskapelle, wo auch ein in den Boden gesunkener,
plumper Grabstein mit Kruzifix, einer von 1727, ein solcher von 1813 und noch einige
andere mehr.
URLOFFEN
Schreibweisen: Urlufheimca. 1 150; Urluffheim 1 218; Urlfihein 1 2 23 ; Urlefein 1 237 ;
Urioffen 1341; Urlafeyn 1360 etcq Urlofhein ca. 1400; zu Urlefech im Zymer bau 1533;
Urlauffe 1543; Urloffheim in dem Kirspell des dorfs Zimbern.
Gnadenbrunnen
Kruzifix
Bildstöcke
55°
KREIS OFFENBURG.
Geschichte Geschichte: Uri offen gehörte zur Landvogtei Mortenau, Gericht Appenweier.
Um 1090 schenkte Ritter Adelbert von Nescilrit dem Kloster Reichenbach ein Gut bei
dem Dorfe Urlufeim, in dessen Nähe von alters her ein Schloß stand, wie die Urkunde
sagt. Kloster Allerheiligen besaß schon 1218 das Spital der Heiligen Jakob und Johann
hier. Die von Schauenburg bezogen ehemals hier den Zehnten und hatten das Besetzungs-
recht der Pfarrei. — 1805 wurde Urioffen badisch.
Kath. Pfarrkirche Kath. Pfarrkirche (ad S. Martinum): Sacellum S. Brigide seu S. Joannis Baptistae
1666. Kolb weiß noch von einer Kapelle des h. Johannes, die, wie er meint, wohl die
Spitalkirche gewesen sein wird. Bis in den Anfang des 19.JI1S. war die in Zimmern
stehende Kirche die Pfarrkirche. Die heutige Kirche ist ein ganz einfacher Bau von 1835
Ölgemälde ohne alte Reste. — Im Chor Ölgemälde, den h. Martin überlebensgroß darstellend,
nicht sehr späte und kräftige Kopie nach van Dyck.
Kirchengeraie Kirchengeräte : Monstranz in der Sonnenform, kupiergetrieben, vergoldet und
versilbert, mit den Flachreliefs der Kirchenväter am Fuß und Engeln an den Wolken;
Kelch, silbervergoldet, getrieben, mit aufgelegtem Silberornament an der Cuppa ; wie diese,
Taufstein so auch ein seidengewirktes Meßgewand aus dem 18. Jh. — Alter Tauf. 'stein, achteckig,
Kapelle mit verwaschenem Astwerk und Spitzbögen, wohl 1 6. Jh. — Eine ehemalige kleine Kapelle,
die jetzt als Waschküche dient, zeigt im Giebel der Tür in plumpem Relief das Lamm
Gottes, 17/18. Jh.
ZIMMERN
Schreibweisen : zu Zimbern in dem banne 1312; in banno ville Cimbern 1315;
villa Zymmern 1378; Ziemern 1381; Symmem 1482.
Ortsgeschichte Ortsgeschichte : Zimmern, der ältere Ort, in dem die Pfarrkirche stand, hat die
gleiche Geschichte wie Urioffen, es gehörte zur Landvogtei Ortenau und wurde 1805
badisch. — Im 13. Jh. wird ein Bertolt de Cimbere erwähnt. 1331 hören wir von Cunrats
von Schauenburgs hof — heisset Ortlieps hof; die Schauenburgs blieben hier begütert.
Kirche Die Kirche (ad S. Martinum) wird im Anfang des 15. Jhs. erwähnt: zu Zymmern
in dem Kirchspiel 1417, ein rector ecclesiae 1464. 1666 heißt es: Zimmern seu
Urioffen: Zimerana matrix et parrochialis, in medio campo sola sita, habet pro patrono
coeli X s. Martinum episcopum : collatores sunt nobiles a Schauenburg alternantes, quorum
pars catholica, altera pars acatholica capellam habet unam in s. Joannis Baptistae
dicatam . . . animas regendas habet 300 circiter.
Baubeschreibung Die kleine Kirche (s. Fig. 306) liegt am östlichen Ende des langgestreckten Ortes.
Sie ist ein spätgotischer Bau von 1517 aus Bruchsteinmauerwerk, Gewände etc. aus
rotem Sandstein. Das einschiffige Langhaus betritt man durch ein rundbogiges Portal
mit hohlgekehltem Gewände, dessen Wulst in einem Kielbogen ausläuft, an dem Portal
I7IA
Jahreszahl und Steinmetzzeichen:
Neben dem Tor verwitterter Weihwasserkessel mit Astwerk ; über dem Portal kleines
Schutzdach und dann Rundbogenfenster. Das Langhaus wird erhellt durch je drei ein-
pfostige Spitzbogenfenster mit gut behandeltem Fischblasenmaßwerk, das auch in den
Fenstern des Chors wiederkehrt; Fig. 307 gibt ein Beispiel davon. An das Langhaus
AMT OFFENBURG. — URLOFFEN. (ZIMMERN.) 55 I
stößt der in drei Seiten des Achtecks endigende Chor an, der sich in spitzem Triumph-
bogen öffnet und mit einem Rippennetzgewölbe eingedeckt ist. Die, wie in der Spätzeit
üblich, nur mit einer Hohlkehlung profilierten Rippen setzen auf polygonalen, mehrmals
abgetreppten Konsolen auf. Von den Schlußsteinen ist der eine rund, die zwei anderen
in Vierpaßform, alle ohne weiteren Schmuck. Von den Fenstern des Chors ist das öst-
lichste zweipfostig, die beiden anderen haben, wie die Langhausfenster, nur einen Pfosten.
Vier einmal abgetreppte Strebepfeiler begegnen an den Ostteilen dem Schub der Gewölbe.
Band VII. 36
Fig.306. Zwirnern. Grundriß und Ansicht der Kirche.
I
552
KREIS OFFENBURG.
Sandsteinkruzifix
Ortsgeschichte
Kath .Pfarrkirche
Im Norden ist an den Chor die Sakristei angebaut mit einem Sterngewölbe in gleicher
Behandlung und geradsturzigen Fenstern, im Süden der quadratische Turm mit kurzer
1 reppe und Lichtluken, in seinem oberen 1 eil mit den Rundbogenfenstern und dem
Pyramidendach eine Erneuerung des 17. bezw. 18. Jhs. Unter dem Satteldach des Chors
und des Langhauses befindet sich die hohlgekehlte Wasserschräge, die auch um die
Fassade herumzieht.
Fig. 307. Fenstermaßwerke von der Kirche in Zimmern.
Im Innern in der südlichen Langhauswand eine kleine flachbogige Nische im Bogen-
stein, ein doppeltes scheinbares Kreuzrippengewölbe ausgehauen. Ein Taufstein mit
Fischblasenmaßwerk.
Auf dem ehemaligen Friedhof der obere Teil einer Nepomukstatue des 18. Jhs.
sowie eine Rocaillegrabplatte mit Kelchen und verwischter Inschrift.
Im Ort einfaches Sandsteinkruzifix des 18. Jhs.
WALTERSWEIER
Schreibweisen: in Mordinnavia Waltharisvillare 777; villa Walterwilre 1289;
villa Walterßwilere 1308; Waltersweyr 1504; Walterschwier 1534; Walterßweyr 1597.
(Weiler des Walthari.)
Archivalien, den Freihof in W. betr. : Mitteil, der histor. Komm. Nr. IV, S. 14.
Ortsgeschichte : Waltersweier wird sehr früh erwähnt, schon 777. Angeblich
schenkte damals ein gewisser Wido dem Abt Fulrad von S. Denis hier ein Gut, das dieser
dem Kloster Leberau hinterließ. Von diesem kam das Gut an verschiedene Herren, es
war im Anfänge des 15. Jhs. Eigentum des Heinzmann Selloß, dann der Straßburger
Patrizier von Wintertur und von Grudertheim, 1471 der Botzheim, der Röder, im 16. Jh.
der Schauenburg, der Windeck, der Kechler von Schwandorf, der Fleckenstein, im 17. Jh.
der Lützelburg, der Hoerdt und Würz zu Rudenz, der Theobald, bis es endlich 1767 an
Karl von Dürfeld kam, der bald einen Teil an das Andreasspital in Offenburg und einen
anderen an die Bürger von Waltersweier verkaufte. — Der Ort selbst gehörte zur Land-
vogtei Ortenau, zum Gericht Griesheim und wurde 1805 badisch.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Johann. Nepomucenum). Bis 1790 war Waltersweier
kirchlich eine Filiale von Offenburg und hatte nur eine Kapelle ad S. Quirinum. Schon
bevor es zur Pfarrei erhoben wurde, war der Patron geändert worden und die Kirche in
AMT OFFENBURG. — WEIER.
553
schlichtester Weise vergrößert, nämlich 1748. Uber einer Seitentür, wo ehemals die
Kirche aufhörte, steht: »Zu Ehren Dir o Grosser Got ist diese Kirche erbauet. Sanct
Johan von Nepomuc wird se Högst vertrauet 1748.« An das einschiffige Langhaus
stößt der Chor mit Achteckabschluß, wohl auf älteren Fundamenten. Das Innere, mit
einigen Stuckornamenten geziert, weist drei Barockaltäre auf, Durchschnittsarbeiten.
Uber dem Portal, von Engeln gehalten, das Wappen von Waltersweier.
Auf dem einen Altar Holzstatue des h. Quirinus, 18. Jh., Durchschnitt.
Vor der Kirche derbes Kruzifix des 18. Jhs. auf bauchigem Sockel, ein weiteres
mit Rocailleornament, Madonna am Kreuzesstamm, im Feld etwa 50 Schritt westlich vom
Ort; der Corpus Christi heruntergefallen.
Am ehemaligen Dürfeldschen Hause, jetzt Schulhaus, fuhrt eine Freitreppe hinauf
zu einem Portal mit flachem, geschwungenem Volutengiebel, darüber in Rocailleumrahmung
das Dürfeldsche Wappen.
Schmiedeeiserner Wirtshausschild am Gasthaus »Zum Hirsch«; am ehemaligen
Gasthaus »Zum Großherzog« holzgeschnitzte Tür mit Türklopfer, Abschluß ein gebrochener
Giebel.
WEIER
Schreibweisen: villa Wilre 1308; Wiler 1423; Wire 1462; Weiler 1520.
Ortsgeschichte : Weiler gehörte zur Landvogtei Ortenau, zum Gericht Griesheim,
wurde also 1805 badisch. Ein Schlößchen und Gut, das ehemals hier stand, gehörte
den Reichlin-Meldegg.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Johannem Bapt.). 1429 hören wir von »her Cunrat
von Mülnheim, in den ziten kircher der lutkirchen zu Wilre zu Mortenöwe in Straß-
burger bystum gelegen«, 1464 von der »ecclesia Wiler prope Offenburg«, 1531 von der
»pfarrkirche sant Johanns zu Weyhr bey Offenburg«. Damals also bestand hier eine
Pfarrei, die wohl in der Verödung des Dreißigjährigen Krieges oder der Franzosenkriege
nicht bestehen bleiben konnte, denn 1699 heißt es »ecclesia parrochials in Wyhr incorporata
est ecclesiae Bylensi«. Patronat und Zehnt gehörten den Johannitern in Straßburg.
1755 wurde Weier wieder zur Pfarrei erhoben.
Der heutige Bau stammt von 1862, er ist von Süd nach Nord gerichtet. Als Tauf-
kapelle ist an seiner Ostseite der ehemalige Chor der alten Kirche erhalten, der in drei
Seiten des Achtecks geschlossen ist. Er öffnet sich in gedrücktem Spitzbogen in die
jetzige Kirche, ist von einem Netzgewölbe überdeckt mit sich durchschneidenden Rippen,
die nur durch eine Hohlkehle profiliert sind. In den Schlußsteinen einmal ein Schild
mit dem Zeichen-^,, ein andermal ein Monogramm (M mit Kreuz?). An der Nord-
wand ein Sakramentshäuschen, abgeschlossen durch einen mit Krabben besetzten und in
einer Kreuzblume endigenden Kielbogen, umrahmt von sich kreuzendem Astwerk. An
der Ostseite einpfostiges Spitzbogenfenster mit Fischblasenmaßwerk. Der Raum ist etwa
4,15 zu 6 m groß und 5 — 6 m hoch. Die architektonischen Teile aus rotem Sandstein.
Am Äußeren des Chores, der aus dem Anfang des 16. Jhs. stammen dürfte, noch die
gotische Wasserschräge, welche die zwei erhaltenen Strebepfeiler einmal abtreppt.
36*
Wirtshausschild
Ortsgeschichte
Kath . Pfarrkirche
Chor
554
KREIS OFFENBURG.
Kirchengeräte
Kruzifix
Ortsgeschichte
Chor
In der Sakristei Kirchengeräte : ein Kelch, silbergetrieben, vergoldet, mit Fuß im
Sechspaß, woran steht M • A • E • 1697, sonst schlicht ; ein zweiter mit spärlichen Empire-
formen, eine Monstranz, silbergetrieben, vergoldet, mit Rocailleornamenten ; ein ehemals
roter, jetzt schwarz gefärbter Rauchmantel, Seidendamast, 1606 und 1763 ausgebessert,
grüne und weiße Casel mit eingewirkten Blumen. — Die Glocken sind alle neu, der
einfache Taufstein wohl aus dem 1 7 . Jh.
Südlich vor der Kirche Sandsteinkruzifix auf hohem Rocaillesockel, einfache
Arbeit von 1772.
Auf dem Friedhof 63 cm hohes Sandsteinstück, mit Achteckplatte, Rundstab und
Achteckfuß, wohl ehemals Basis einer Säule.
WEINGARTEN
Schreibweisen: dedicatio capellae prope Celle parrochie Offenburg 1396; zu Zell
hinder unsser lieben frowen im Wingarten genant 1488; Unserer frauen kirche 1629;
ecclesia Weingartensis, filia ecclesiae in Ofifenburg, divae Virgini sacra 1666.
Archivalien: Mitteil, der hist Komm. Nr. 5, S. 266/67, Nr. 17, S. 50.
Literatur: Die Kirche in W. bei Offenburg, Christliche Kunstblätter, Freiburg 1879,
Nr. 175 und 176.
Ortsgeschichte : Wie aus obencitierten Erwähnungen schon ersichtlich ist, handelt
es sich hier um keinen Ort, sondern nur um eine 1396 unter dem Bischof Wilhelm II.
von Diest1) eingeweihte Wallfahrtskapelle Beatae Mariae virginis, die zur Pfarrei Offen-
burg gehörte. Ich finde dann die weitere, für mich unkontrollierbare Notiz,2) daß die
Pfarrkirche S. Philippi et Jacobi i. J. 1596 erbaut wurde an Stelle des im Bauernkriege
abgebrannten Baues, und die weitere,3) daß die Pfarr- und Wallfahrtskirche 1631 durch
den Blitz zerstört wurde. Die Kirche war Filiale von Offenburg und 1616 noch nicht
zur Pfarrei erhoben. Wann dies geschah, steht nicht fest, 1787 aber wurde die schon
bestehende Pfarrei dem Kloster Schlittern inkorporiert. In die Pfarrei gehören die Orte
Fessenbach, Rammersweier und Zell -Weierbach. 1805 wurde die zur Landvogtei Ortenau
gehörige Kirche badisch. Die Baupflicht ging damals mit der Aufhebung der Klöster
auf das Großh. Ärar über. Allmählich machte sich das Bedürfnis nach einer Ver-
größerung immer dringender bemerkbar, und so wurde in den siebziger Jahren des
19. Jhs. das Langhaus umgebaut mit Unterstützung durch die Großh. Regierung.
Unberührt geblieben ist der alte Chor (s. Fig. 308), der sich in einem geraden Spitz-
bogen gegen das Langhaus zu öffnet, dessen Gewände durch zwei Hohlkehlen und
zwei Plättchen profiliert sind. Er ist von einem Netzgewölbe überdeckt mit leicht
ansteigendem Scheitel, dessen einmal hohlgekehlte Rippen ohne Konsolen in der Wand
verlaufen. In den Schlußsteinen Lamm und Rose. Einpfostige Spitzbogenfenster mit
spitzem Kleeblattbogenmaßwerk erhellen den Raum. An der Südwand eine Nische mit
geradem Sturz, den Rundsäulchen auf polygonaler Basis mit polygonalem, aus Platten
*) Siehe auch Walter, Bericht des Kirchherren Lazarus Rapp etc., S. 16 und 25.
2) Hoffmann, Der Schulkreis Offenburg, S. 239.
3) Großherzogtum Baden, S. 989.
AMT OFFENBURG. — WEINGARTEN.
555
und Hohlkehlen bestehendem Kapitell tragen. Das Gewände der Nische ist in Hohl-
kehle und Rundstab profiliert.
Die Strebepfeiler am
Äußeren des Chors sind einmal
abgetreppt, um ihren unteren
Teil zieht sich die übliche
Wasserschräge herum, die
auch den Fenstern als Kaff-
gesims dient.
An die Nordseite des
Chors ist später die Sakristei
angebaut worden, wobei der
hier befindliche Strebepfeiler
ruhig stehen gelassen und in
origineller Weise als Ansatz
für die Gewölbe benutzt wurde.
Die Sakristei aus zwei Jochen
ist mit Kreuzrippengewölben
eingedeckt mit geradem Scheitel.
An ihrer Ostseite öffnet sich
ein Rundbogen, dessen Ge-
wände mit originell in einiger
Höhe über dem Boden abge-
schnittenen Stäben profiliert ist.
Das Chörlein ist aus dem Acht-
eck geschlossen, ebenfalls mit
Rippengewölbe eingedeckt, die
Rippen hier wie in den zwei
Jochen in gleicher Profilierung
wie bei dem Langhaus. Im
Norden der Sakristei eine kleine
geradsturzige Nische in Stabwerk-
umrahmung mit Wasserabfluß.
Das Langhaus wurde auf
die doppelte Größe verlängert,
die im Seitenschiff nach alten
Angaben vorhandenen Kreuz-
gewölbe entfernt, die acht-
eckigen Pfeiler überarbeitet und
die Westwand abgebrochen.
Von der alten Innenaus-
stattung ist zu erwähnen das
reich in den Formen der Spät-
renaissance geschnitzte Chorgestühl mit Ranken etc., im Rankenwerk der einen Bekrö-
nung die Figur Christi, eine sehr gute Holzschnitzarbeit etwa aus der Mitte des 17. Jhs.
Sakristei
I
ü
°o
O
**5
Innen-
ausstattung
C'norgestühl
556
KREIS OFFENBURG.
Langhaus
Friedhof
Stationskapellen
Römisches
Oltsgeschichte
Kath. Pfarrkirche
Taufstein, bauchig, mit achtgekanteter Cuppa und Schild, worin Rebwerkzeuge.
In der Sakristei eine Holzstatue der Immaculata, mittlerer Durchschnitt des 1 8. Jhs.
Nach dem, was die obigen Nachrichten an Baudaten geben, möchte ich annehmen,
daß der Chor ein Bau des 15. Jhs. ist und daß nach der Zerstörung der Bauernkriege
bei dem Wiederaufbau die Sakristei angefügt wurde. 1631 scheint durch den Blitz die
Innenausstattung zerstört worden zu sein, von deren Erneuerung die schönen Chor-
gestühle zeugen.
Das Langhaus ist (s. oben) zum Teil unter Benutzung der vorhandenen Mauern
des ehemaligen in unserer Zeit neu errichtet worden. In der Südostecke desselben, da,
wo der Chor anstößt, ein älterer, schlichter Wendeltreppenturm.
Am Eingang zu dem die Kirche umgebenden Friedhof die Jahreszahl 1727. Auf
dem Friedhof einige Rocaillegrabsteine sowie auf bauchigem Sockel ein Kruzifix.
Auf dem Weg von Offenburg hierher die schlichten Stationskapellen des 18. Jhs.
Hinter der Kirche steht das Mesnerhaus, ein Bau des 18. Jhs., mit hübscher
Barockfreitreppe, am Türsturz die Jahreszahl 1 7 84.
WINDSCHLÄG
Schreibweisen: Windisle ca. 1 101 ; Windisleh 1111 bis 1 1 1 4 ; Windesle 1123;
Winslech 1258; Windslee 1258; villa Windeslech 1277; villa Wintschlee 1277; Windes-
leich 1 280 ; Winteslehe 1356; Windeschleich 1362; Winnesleche 1381 etc. (le, althoch-
deutsch hleo, = Grab, Grabhügel des Windo.) (Wth.)
Römisches: In der Nähe 1897 beim Lehm stechen gefunden eine Ansammlung von
ca. 20 Stück römischer Eisenluppen (Städtische Sammlung Offenburg). (W.)
Ortsgeschichte: Wie aus obiger Fundnotiz und der Erklärung des Ortsnamens
hervorgeht, bestand hier schon zu römischer und zu germanischer Zeit eine mehr oder
minder kleine Ansiedelung. Begreiflicherweise wird der Ort daher auch im Mittelalter
sehr früh genannt. Mit seiner ersten Nennung tritt auch ein eigener Adel auf, ein
Rudolfus, 1150 ein Herimannus und als letzter 1226 ein miles quidam nomine Billungus
de Windisle. Schon 1258 besaß das Kloster Allerheiligen den Zehnten, 1350 erwarb es
von den Röder von Diersburg auch den Dinghof mit dem dazugehörigen Patronat durch
Schenkung und Kauf. Wir hören 1355 von »der münch hof von Allenheilgen«, und
noch 1462 heißt es: »als Daniel von Diersperg und seine altvorderen den Kirc.hensacz
zu Wintschlehe, mit der gerechtigkeyt, das man nemet ius patronatus, bycz har als für
ein recht lidig eygen bessessen«. Mir will danach scheinen, daß dies Patronat zum Schloß
Diersburg gehörte, daß also ursprünglich die tiersbergischen Geroldsecker hier begütert
waren. Im 17. Jh. hatten die Neveu Kollatur und Zehnten, denen auch die niedere
Gerichtsbarkeit zustand. Der Ort gehörte jedenfalls seit dem 13. Jh. zur Landvogtei
Ortenau und wurde mit dieser 1805 badisch.
Kath. Pfarrkii'che (ad S. Pancratium, Ep. et mart). 1462 hören wir (s. oben) von
dem Kirchensatz, 1504 von einem dominus Sifridus Flach, vicarius perpetuus parrochialis
ecclesie in Windesschlehe; 1666 hat der Ort etwa 80 Kirchenangehörige. Die heutige
Kirche ist ein Bau von 1835, doch scheint man dabei den Unterteil des alten Turmes
verwendet zu haben, und zwar dürften die drei untersten Stockwerke auf quadratischem
AMT OFFENBURG. — ZELL.
557
Grundriß alt sein, natürlich aber überarbeitet. Das Alter läßt sich deshalb auch nicht
bestimmen, doch will mir das östliche Rundbogenfenster im Erdgeschoß fast noch
romanisch dünken.
In der Kirche ein spätgotisches, geschnitztes Kruzifix auf neuem Kreuz, ca. 80 cm
hoch, eine gute Arbeit der Spätgotik ; sonst nur noch zu nennen ein schlichter Beichtstuhl
im Empirestil.
Meistens im Pfarrhaus aufbewahrt ein sehr interessantes gotisches Ciborium, kupfer-
vergoldet, 36,5 cm hoch. Der Fuß ist sechseckig mit eingebogenen Seiten, dann folgt
der sechskantige Stock mit flachrundem, späterem Nodus, die sechsseitige Cuppa mit
eingraviertem Quaderwerk und an der einen Seite vor netzartig graviertem Hintergrund
ein h. Andreas, trägt einen dachförmigen Deckel.
Vor der Kirche Steinkruzifix, Durchschnitt von 1748, vor dem Ort ein solches
von ,J6 1 N I H R 85, der Corpus Christi später erneuert, am Stamm das Zeichen 41-
ZELL
AM HARMERSBACH
Schreibweisen: in Mortunaugia Cella 1139; Cella 1240; Zelle 14. Jh. ; Celle
civitas 1351 ; Tzell Halmerspach 1454; Obercelle im Harmersbach 1456; Zell-Harmers-
pach 1471.
Archivalien: Mitteil, der hist. Komm. Nr. 19 (1897), S. 53/54, und Nr. 16 (1894),
S. 114. Rosenberg, Bad. Sammlung V (1899), S. 33.
Literatur : Geograph. Beschreibung der Landvogtey Ortenau, dann von den drei
Reichsstädten Offenburg, Gengenbach und Zell, Karlsruhe 1795. Stadt-Recht zue
Zell a. H., 2. Band der Neuen badischen Gesetzes-Sammlung, Karlsruhe, Müller 1805,
S. 33—57, vgl. Badische Bibliothek I, S. 7, und Z. NF. XIII, S. 688. K. Walter,
Beiträge zur Gesch. der Stadt Offenburg I, S. 110. Vorstellung der Beschaffenheit der
Streitigkeiten zwischen Zell und Grafen von der Leyen, Straßburg 1759. F. Platz,
Die Unruhen in der freien Reichsstadt Zell a. H. am xi. Dez. 1760 und das Reichs-
kammergericht, Z. NF. XII, S. 691 — 756. Beschreibung der in Zell den 11. Dez. 1760
entstandenen Empörung, Straßburg 1761. Das Zeller Geschirr, Badische Gewerbe-
zeitung 1869, S. 42. Alb. Ebbecke, Ein Bild aus der bad. evang. Diaspora: Ent-
wickelung der evang. Pastorisation des unteren Kinzigtales, Karlsruhe 1891.
Ortsgeschichte: Ihren Ursprung verdankt die Stadt, wenn wir aus ihrem Namen
Schlüsse ziehen dürfen, wohl dem Kloster Gengenbach, dessen Mönche hier vielleicht
eine Einsiedelei, eine Zelle gegründet haben. Als das Kloster von Heinrich II. dem
neugegründeten Bistum Bamberg unterstellt wurde, da verlieh dieses mit anderen Orten
auch Zell als Lehen den Herzogen von Zähringen. Nach deren Aussterben kam es als
solches an Kaiser Friedrich II.
Der letzte Hohenstaufe, Konradin, verkaufte es vor 1265, vor seinem unglück-
lichen Zuge nach Italien, an die Herren von Geroldseck, um eben die Mittel für diesen
Zug aufzubringen. Es war die Zeit, da die Geroldsecker auf dem Höhepunkt ihrer
Macht standen, die allerdings gerade um diese Zeit, in der Schlacht von Hausbergen,
Kruzifix
Ortsgeschichte
558
KREIS OFFENBURG.
ihren schwersten Schlag erhielt. Möglich, daß durch die Folgen dieser Schlacht das
Geschlecht, das sich nur schwer seiner Feinde erwehren konnte, kaum daß es die Stadt
gewonnen, sie an den Bischof von Straßburg wieder abtreten mußte, denn während
des Interregnums finden wir sie in dessen Besitz. Nach Beendigung der kaiserlosen
Zeit zog das Reich unter Kaiser Rudolf von Habsburg die Stadt wieder an sich. Wie
die beiden anderen Städte Gengenbach und Offenburg wird sie die wirren Zeiten benutzt
haben, um sich Rechte um Rechte zu erkämpfen. Da alle Urkunden bei einem Brande
im 16. Jh. verloren gegangen sind, so können wir nur vermuten, daß die Entwickelung
hier die gleiche gewesen ist wie in den beiden anderen Städten. Abgesehen von der
Ähnlichkeit der politischen Lage wird das auch dadurch wahrscheinlich, daß nach einem
Brand die kaiserliche Kanzlei die Privilegien neu ausstellte auf Grund der Versicherung
der beiden anderen Städte, daß sie durchweg mit den ihrigen gleich gewesen seien. So
bestand also auch hier ein alter Zwölferrat mit einem Schultheiß, den der Abt von
Gengenbach wohl auf Vorschlag der Zwölfer zu setzen hatte. Es heißt daher 1450: »das
schultheißenampt zu Celle, so Egnolf abt zu Gengenbach und sim gotzhuß in eigenschaft
zustand«. Von Schultheißen wird zuerst Damme von Sneit genannt. Ein Unterschied
zwischen Zell und den beiden anderen Städten bestand aber darin, daß eine Anzahl
bäuerlicher Gemeinden zu Zell gehörte und daß daher der Junge Rat hier aus den
Vögten und sonstigen Vertretern der abhängigen Gemeinden bestand. Hier wie in
Gengenbach war das Kloster Oberherr der Allmenden, aber die Stadtbehörde alleiniger
Markherr. In allen drei Städten waren bis zum Anfang des 14. Jhs. die Grundlagen
dieser Verfassung gelegt. »Die stete und vesten Ortemberg, Offenburg, Gengenbach und
Czelle und die reht, die das reiche ze Murtenow und in den obgenanten steten und
vesten hat«, heißt es 1394. Wie in den Schwesterstädten waren es hier zwei Punkte,
um die sich die politische Entwickelung der Stadt drehte, das Verhältnis zu dem Reich
und den Pfandherren einerseits und das zum Kloster andererseits. Hier kam aber noch
die Stellung zu den Unabhängigkeitsbestrebungen der bäuerlichen Gemeinden dazu.1)
Der Reichsvogt bezw. später der Pfandinhaber hatten den Städten ihre unabhängige
Gerichtsbarkeit, ihren Besitz an Wäldern und Wassern zu gewährleisten, sie zu schirmen
und ihre Zwölfersprüche anzuerkennen. Auch sie sollten ihm helfen, das Land zu
befrieden, soweit es innerhalb ihrer Pflege lag, außerhalb aber nur, soweit es ihnen gelegen
war. Als einzige Gegenleistung war im Grunde genommen der Bezug der Reichssteuer
durch den Pfleger festgesetzt.
Nach der kurzen Pfandherrschaft der Markgrafen von Baden war der Bischof von
Straßburg, der die Pfandschaft eingelöst hatte, alleiniger Pfandherr bis zum Anfänge des
15. Jhs., wo König Ruprecht von dem von den Pfalzgrafen erworbenen Rechte, die Hälfte
derselben einzulösen, Gebrauch machte, nicht für das Reich, sondern für sein Haus. 1351
beschwor der Bischof Bernhard bei der Übernahme der Pfandschaft den Bürgern jeder
einzelnen Stadt die Privilegien, und einen gleichen Eid leistete der Untervogt, den der
Pfandherr bestätigte. Ich habe in der Geschichte Offenburgs und Gengenbachs geschildert,
wie die Bischöfe ihre Gerechtsame auszudehnen versuchten, insbesondere, indem sie ver-
suchten, ihre richterliche Autorität festzustellen. Hier war es das große Verdienst des
Abtes Lambert de Burn, ein großes Privileg Karls IV. herbeizuführen, das fortan das
*) Dies und das Folgende alles nach Gothein a. a. O.
AMT OFFENBURG. — ZELL.
559
Verhältnis zwischen Pfandherren und Städten bestimmte, *) eine Urkunde, in der die Bürger
mit Recht die Grundlage ihrer Reichsfreiheit sahen; auf dieser Grundlage vereinbarten
sich die drei Städte über die Auslegung ihrer Verpflichtungen, wie wir es aus einer Aufzeich-
nung über »der dreier Städte Offenburg, Gengenbach und Zell alt Herkommen ihre Pfand-
herren und Amtleute berührend« ersehen. Unter anderem wurden besonders die städtischen
Pflichten zu Kriegszeiten festgestellt, wogegen nur in Fehden, die das Fürstentum des
Pfandherrn berührten, dessen Truppen der Zutritt in die Städte offenstand, aber nur
gegen Zahlung aller Bedürfnisse. Selbst einzugreifen verpflichtete sich die Bürgerschaft
nur bei »Zugriffen in des Reiches Land zu Mortenau«. Bald wußte man aber auch,
durch Ausspielen der beiden Pfandherren gegeneinander, die Verpflichtung der Truppen-
aufnahme von sich abzuwälzen und völlige Neutralität zu erreichen.
In diesem Zustand blieben die Städte bis zum Ausgange des Mittelalters, vor
unrechtmäßigen Ansprüchen der Pfandherren in ihren Zwölferkollegien ernstlich auf der
Hut. Eines nur konnte auf die Dauer eine Beeinträchtigung der Reichsfreiheit bringen,
die Gewohnheit nämlich, die Streitigkeiten mit dem Kloster Gengenbach nicht auf dem
umständlichen Wege zu den Reichsgerichten, sondern vor den Austrägalgerichten der
Pfandherren entscheiden zu lassen. Denn diese Streitigkeiten mit dem Kloster über
dessen Berechtigungen füllten die folgenden Jahrhunderte aus. Bürgerliche und bäuer-
liche Interessen waren hier eins. Auf früheren Seiten dieses Bandes habe ich den
ungeheuren Druck nachgewiesen, den das Kloster mit seinen Berechtigungen, seinen Güter-
fällen, seinen Leibfällen, den neuen Erschätzen bei jeder neuen Leihe, mit seinem Eigentum
an Wald und Wasser ausübte; ich habe erzählt, wie diese Berechtigungen unter Ludwig I.
noch verschärft und dann im 15. Jh. besonders drückend wurden, als im Kloster die
Tendenz, nur noch Adelige aufzunehmen, durchgedrungen war und der Adel der Ortenau
diese Gelegenheit ausnutzte, um die Gegend auszusaugen ; besonders nachdem auch noch
jene populäre Bewegung, die sich in dem Aufkommen des Zunftregiments in Gengenbach
und nach allem auch in Zell bekundete, niedergeworfen war. Das Verhältnis der Zeller
Bürger und Bauern zu dem Kloster verschlechterte sich zusehends und verschärfte sich
bei den Waldstreitigkeiten, die neben Gengenbach Zell mit dem Kloster hatte.
Erst Maximilian I. brachte Abhilfe. Auf dem großen Reichstage in Worms wurde
dem Abt die mißbräuchliche Ausdehnung seiner Rechte vorgeworfen, der König befahl,
sofort die Bürger der Haupt- und Leibfälle zu entlassen und sie in den Gebrauch der
Fischwasser wie andere Leute einzusetzen, u. a. m. Da das Kloster sich wehrte, so
wurde den Pfandherren der Entscheid überlassen, der ziemlich zugunsten der Städte
ausfiel. Wenn wir das auch nur über Gengenbach wissen, so dürfen wir es bei dem
Verluste der Urkunden doch auch von Zell annehmen. Um die Finanzen der Stadt zu
verbessern, verlieh ihr Maximilian damals einen Anteil an dem Zolle in Biberach, den
sie bis dahin entbehrt hatte. Als dann nach der Niederlage des Kurfürsten Philipp von
der Pfalz im Landshuter Erbfolgekriege diesem seine Hälfte der Pfandherrschaft entzogen
wurde und Maximilian selbst Ortenberg erobert hatte, wobei ihm tatkräftige Hilfe der
Städte geworden war, da forderte er dankbar 1504 ihre Zwölferkollegien auf, alle etwa
abhanden gekommenen Rechte festzustellen, was denn geschah und auch die Rechte
des noch bleibenden Pfandherrn, des Bischofs, einschränkte. Auch als gleich danach
Wolfgang von Fürstenberg die Pfandschaft erhielt, wurde daran nichts geändert.
*) Siehe Stadtgeschichte von Offenburg und Gengenbach.
io. Die Befestigung der Stadt Ze/l im Jahre 168g nach Schma/ka/ders Skizzenbuch.
KREIS OFFENBURG.
560
AMT OFFENBURG. — ZELL.
561
Die Stürme der Bauernkriege gingen, wie an Offenburg und Gengenbach, an Zell
ohne große Erschütterungen vorüber. War es doch weit mehr noch wie jene eine
Gemeinde von Bürgern und Bauern, in der gleiche Interessen beide vereinigten. In den
fünfziger Jahren löste Österreich die beiden Pfandschaften ein, und seitdem blieben sie bei
demselben mit Ausnahme jener Verpfändung an die Markgrafen von Baden in den ersten
Dritteln des 18. Jhs. Von neuem galt es nun gegen Österreich die Reichsfreiheit zu ver-
teidigen, was schon bald
zu Zwistigkeiten führte, so
daß es zu mehrfacher
längerer Verweigerung der
Reichs- und Türkensteuern
kam und sich die drei
Städte eng zusammen-
schlossen zu einem Bunde
1575, der bis 1614 geheim
gehalten, damals erneuert
wurde. 1545 war Zell
einer »großen, erschreck-
lichen Brunst« zum Opfer
gefallen. Uber seine Leiden
in dem Jahrhundert der
großen Kriege, im 17.,
sind wir nicht so genau
unterrichtet wie bei den
Schwesterstädten ; ganz
besonders waren es die
Schweden, die den Ort
durch Brand verheerten.
Die Stadt verarmte so, daß
1683 wegen ihrer großen
Armut die Reichssteuer
von 40 fl. auf 1 1 fl. herab-
gesetzt wurde. Daß in
dieser kleinsten aller un-
mittelbaren Reichsstädte,
die auf der schwäbischen Bank im Reichstag die 33., auf dem schwäbischen Kreistag
die letzte Stelle einnahm, jene Zustände, die wir in Offenburg geschildert haben, sich
noch viel drückender und beengender bemerklich machten, liegt auf der Hand, wie
auch, daß in seiner Abgeschlossenheit der Ort nicht sehr prosperieren konnte, so daß
Kolb kurz nach dem Übergang an Baden schreiben durfte: »Den Einwohnern fehlet
es gänzlich an Commerz und anderen hinlänglichen Nahrungsquellen.« Schon in der
Mitte des 18. Jhs. zählte die Stadt nur noch 253 Seelen, die über 2000 Bauern geboten.
Der Mauerring war zu weit geworden, die Häuser füllten ihn nicht mehr aus, nicht ein-
mal die Zwölfer konnten vollzählig ernannt werden. Nur ein Handelszweig blühte
dort etwas, die Fabrikation von Fayence waren, die auch heute noch existiert.
Fig. Jil. Torturm in Zell.
562
KREIS OFFENBURG.
Anlage
Befestigung
In der Zeit nach der Reformation, von welcher sich Zell nur wenig berührt zeigt,
im 16. bis 18. Jh. kamen die schon angedeuteten Kämpfe mit den Selbständigkeits-
bestrebungen der verschiedenen Bauerngemeinden zum Austrag. Diese waren Untertanen
der Stadt, ihre Vögte und Geschworenen, die den Jungen Rat bildeten, und von den
Bauern, aber nicht aus den Bauern gewählt wurden, hatten bei der Abhör der Stadt-
meisterrechnung und anderen wichtigen Angelegenheiten zugegen zu sein. Mit der
Verarmung der Stadt aber war die Stellung der Bauern eine übermächtige geworden;
die Krämer und Handwerker waren allmählich zu ihnen in eine Art Dienstbotenverhältnis
getreten. Nun strebten die Bauern danach, sich eine völlige Reichsfreiheit zu erwerben.
1655 erklärten sich die Nordracher als unabhängiges Reichstal, aber wie ich in der
Geschichte des Orts berichtet habe, ohne Erfolg, nach dreizehnjährigem Prozeß vor dem
Kammergericht mußten sie ihre Ansprüche aufgeben; trotzdem fehlte es auch im 18. Jh.
noch nicht an Revolten. Besser ging es den Harmersbachern, wir haben gesehen,
wie es ihnen gelang, sich selbständig zu machen, und nun wußten die stolzen Bauern der
Stadt immer neue Schwierigkeiten zu bereiten, bis die-
selbe durch den Anfall an Baden endlich erlöst wurde.
Von der Anlage der Stadt und ihrer Befestigung
gibt der Plan (s. Fig. 309) nach der Katasterkarte eine
Anschauung. Wie ganz selbstverständlich, hat sie sich
entlang der Talstraße angesiedelt, und nur wenige unbe-
deutende Straßen lagen neben dieser Hauptstraße. Eine
Aufnahme in Schmalkalders Skizzenbuch zeigt uns die
Befestigung (s. Fig. 3 1 o), die wie üblich aus einer doppelten
Mauer, Graben und Zwinger bestand. Kolb berichtet
von den Fallbrücken, den drei Toren, hohen Türmen und
einem mit steinernen Platten belegten Gang auf der
äußersten Mauer, also einem Wehrgang. Von den Tor-
türmen ist uns wenigstens das Bild des einen, des Unter-
torturmes, in einer Weyß er sehen Zeichnung (s. Fig. 311)
auf bewahrt: es war der übliche quadratische Turm, dessen Stockwerke durch gotische
Gurtgesimse voneinander getrennt waren, mit Satteldach und kleinern Dachreiterchen
nebst Glocke. Ein kleiner runder Wendeltreppenturm vermittelte den Aufstieg zu den
verschiedenen Stockwerken. Von hier stammt das unten verzeichnete Zifferblatt.
Erhalten ist noch der Storchenturm, von dem ich in Fig. 312 eine Abbildung gebe.
Der Turm ist von oblongem Grundriß, aus Bruchsteinmauerwerk mit Sandsteinquadern
an den Ecken, im obersten Geschoß Rundbogenfenster, darüber das Satteldach mit dem
an den Giebelseiten vorkragenden Abwalmdach. Die Giebelseiten sind im Riegelbau
ausgeführt. Unter den Rundbogenfenstern nach Norden und Westen in flachem Relief
der Reichsadler, darüber im Norden die Jahreszahl 1599. Daß wir es hier nicht mit
einem Torturm zu tun haben, zeigt der Schmalkaldersche Plan. Nur ein kleiner Durch-
gang führte hier aus der Stadtmauer, das Batzenloch genannt. Das Turminnere diente
zu Gefängniszwecken. Im ersten Obergeschoß finden wir ein Blockgefangnis aus Holz
mit Eisenbändern, das zwei kleine Zellen enthält. Neben dem Turm eingemauert das
steinerne Blatt einer Sonnenuhr mit Ziffern aus dem 16. Jh., leider so der Beschädigung
sehr ausgesetzt.
Fig. 31 2. Einziger noch erhaltener
Turm in Zell a. H.
I'ig. jog. Plan der Stadt Zell mit eingezeichneten Spuren der alten Befestigung.
JVbrct
Ze// ctJ/e /Zn/s/w, s/j/k/?
nach dem Staat!. Katastern'erlC anjefcrtigt,
das den StacUptan aus dem Jahre IfSrgeyt.
Band VII. Zu Seite 562.
AMT OFFENBURG. — ZELL.
563
Ein kleiner runder Turm von der Südostecke der Mauer ist noch erhalten, er
gehört dem Gasthaus »Zum Hirsch«. Der aus Bruchsteinmauerwerk errichtete Turm
mit spitzem Kegelschieferdach ist, wie ersichtlich, im 18. Jh. zu Wohnzwecken mit
Fenstern versehen worden (s. Fig. 313). Eine im Erdgeschoß nach der Stadtseite
erhaltene, im stumpfen Winkel gebrochene Mauer könnte darauf deuten, daß er ur-
sprünglich polygonale Grundform hatte. In ihr eine zugemauerte Rundbogenöffnung
und der Rest eines Schlußsteins. An der Außenseite das Stadtwappen.
Noch ist der Zug des ehemaligen Grabens gut erkenntlich ; auch sind kleine Reste
der Stadtmauer noch erhalten; wir sehen auf unserem Plan, wie sie in unregelmäßigem
fM Ser Äffend WS'
Sleinfniesi
tffcfofioajijpöb
fijn. Turm *■'
Orr öurrh jBrarib u-fi-w-o4.^scljnl)igl^
Gu'rm mit' nadj^ Jtjuairfl '
&■'
ein^emouerftr
fnluMteui^
Fig. SIS- Turm von der Südostecke der Stadtbefestigung von Zell a. H.
Zuge die Stadt umgab. Im Südosten öffnete sie sich in dem oben abgebildeten, heute
abgebrochenen Untertorturm, nach Norden im ehemaligen Kirchtor, nach Osten im
Obertorturm, während den südlichen Ausgang der noch stehende Storchenturm bildete.
Reste der Mauer mit Wehrgang sind noch bei dem obenerwähnten runden Turm, in der
hinteren Kirchstraße, bei Küfer Adrian Schneider Nr. 78, sowie hinter dem Gasthaus »Zum
Raben« und dem Haus des Mechanikers Haas in der Hauptstraße (s. Fig. 314) erhalten.
Die Mauer war 1,20 — -1,25 m stark, aus Bruchsteinen errichtet, teilweise durch Strebe-
pfeiler verstärkt, an deren Ecken etwas sauberer behauene Quader sich zeigen. In ihrem
oberen Teil war ein 1 m breiter Platz für den Wehrgang ausgespart, dessen Plattenboden
auf steinernen Konsolen vorkragte. Das Satteldach des Wehrgangs war in jeweils 4 m
Entfernung von hölzernen Stützen getragen mit Strebhölzern, auf jede solche Abteilung
kam eine Schießscharte, eine viereckige, sich nach vorn verkleinernde Öffnung (s. Fig. 315).
564
KREIS OFFENBURG.
So wie die Befestigung im vorstehenden geschildert worden, zeigt sie auch ein
Plan in den Akten der Stadt Zell, im Großh. Generallandesarchiv (dort unter Zell,
Bausachen) aufbewahrt, der indes sehr oberflächlich ist. Er gibt neben den Stadt-
toren außer dem noch stehenden runden Turm drei weitere ähnliche an, die in unserem
Plane, da ihre Stelle nicht feststeht, nicht eingezeichnet wurden. Daß die Angabe auch
nicht exakt ist, zeigt der Schmalkaldersche Plan. Hier sind es polygonale, nach innen
jedenfalls offene Türme bezw. Schanzen. Blockhäuser von Holz, wie er es nennt, welche
die Wehrhaftigkeit der Mauer erhöhten, und nur in der Südostecke ist der heute noch
erhaltene Rundturm zu sehen.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Symphorianum) : Als Pfarrkirche 1206 genannt; damals
verleiht der Bischof Heinrich von Straßburg dem Kloster Gengenbach das Recht, in den
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Fig. 314. Zell a. H. Reste der ehemaligen Stadtbefestigung.
dem Gotteshaus vereinten Pfarrkirchen Zell, Harmersbach und Griesheim Mönche des
Klosters als Pfarrer einzusetzen oder auch Weltgeistliche als Vikare. 1220 hören wir
von einem plebanus, 1233 von einem Bertholdus archipresbiter de Zella, 1248 von
einem Cünradus rector, und 1261 von einem viceplebanus. 1361 wird die Pfarrei durch
den Bischof Johann von Straßburg dem Kloster inkorporiert. 1666 heißt es in einem
Visitationsprotokoll : »huius parrochialis ecclesiae patronus coeli est s. Symphorianus,
terrenus vero decimator et collator abbas Gengenbacensis ; habet capellas tres, unam
in Gambach divae virgini sacra (Wallfahrtskirche Maria zu den Ketten), secundam
s. Michaelis archangeli in Kürnbach, tertiam in Enterspach ; animas regendas habet
800 circiter«. Zehnt und Kollatur blieben bis zu der Auflösung des Klosters bei
diesem.
AMT OFFENBURG. — ZELL.
565
Von Baunachrichten ist bisher nur die publiziert, daß das Kloster 1721 zur Verlängerung
der Zeller Pfarrkirche und zur Erbauung eines steinernen Kirchturmes ad calcem ecclesiae (statt des
aufm Chor gestandenen, ruinösen, holtzemen Glockenturms) 200 fl. zusteuerte. »Die Turmkosten,
auf 1500 fl. taxiert, stiegen auf mehr als das Doppelte, darum wollten die Zeller die unteren
Ilarmersbacher zu einem Beitrag veranlassen: die wehrten sich und es kam zwischen Zell und
Harmersbach zu einem Prozeß (1724 bis 1726). Auch das Gotteshaus sollte noch weitere 200 fl.
beisteuern. Der Abt verstand sich zu 160 fl. und zu dem Versprechen, in Zukunft einen »nachbar-
lichen« Beitrag zu leisten. Gegen den Ausdruck »nachbarlich« wollten die Städter protestieren«,
worauf man von seiten des Gotteshauses sich zu gar nichts mehr verstand.1) — Die Notiz ist, wie
alle derartigen Nachrichten, in ihrem ersten Teil über den existierenden Turm nicht gerade wörtlich
zu nehmen.
Fig. jsj- 7, eil a. H. Reste der alten Stadtmauer mit Wehrgang.
Die heutige Kirche ist ein Bau des späten 18. Jhs. : ein einschiffiges Langhaus mit
sich in der gleichen Breite anschließendem, geradgeschlossenem Chor. Ihr Äußeres er-
fährt seine Gliederung durch dorisierende Pilaster, die das Gebälk tragen, und die hohen
Rundbogenfenster zwischen ihnen. An der nördlichen Langhausseite ein geradsturziges
Portal, ein gleiches an der Ostfassade, darüber der große Giebel. Das charakteristische
Hauptportal befindet sich in der südlichen Langhausseite : Pilaster tragen einen eckigen
Volutengiebel, in dem das Auge Gottes angebracht ist und die Inschrift:
V en\te olAnes
^XVL täte I n Deo
et W bW^ate e\
I// a\La sanCta dV.v
(also 1792).
*) Baumgarten, Aus dem Gengenbacher Klosterleben, Z. NF. 9, S. 243/44.
Bau-
beschreibung
566
KREIS OFFENBURG.
Altäre
Kanzel
Glocken
Turm
Sakristei
Urkunden
Kirchengeräte
An dem Eckpilaster der Ostfassade eingehauen eine weitere Inschrift:
Hae C A~VLa \n\ Tr\noq\e Deo
sW b InVoCatlone säCtl patronl nostrl
QonfeCrata eft \oanne laCobo EplsCopo
Dorenfl sVffrganeo arget\nenf\
(also ebenfalls 1792).
An der Langhausecke beim Turm die weitere Inschrift:
In praesentla Praetorls . sphüer
et N\.ag\ftrat\ s ^VIVj' \rb\s
beneDlQfVs eft
Lap\s h\c pof\tVs
(also 1789 wurde der Grundstein gelegt).
Im Innern tragen Pilaster ein Spiegelgewölbe mit tief einschneidenden Kappen.
Auf den Pilastern Urnen in Stuck, im gleichen Material die fast noch rocailleartigen
Umrahmungen der Bilder, letztere stellen Scenen aus dem Leben Jesu und Mose dar,
dazu die Evangelisten und eine Anzahl Symbole, darunter Pelikan und Einhorn. Im
Chor zieht sich eine Empore herum mit reichgeschnitztem hölzernen Rocaillegitter, auf
der eine Orgel mit Schnitzerei im gleichen Stil steht, wie überhaupt diese Mischung von
ausgeprägtem Zopf mit spätem Rocaille die Signatur der Kirche bildet. Auch an den
Rundbogenfenstem in den Laibungen noch Rocailleornamente, an den Kappen in gut
gezeichneten Ranken verschiedene Symbole: Buch, siebenarmiger Leuchter etc.
Der Hochaltar umschließt in sehr gutem Louis XVI.- Rahmen ein Ölgemälde mit
der Darstellung des h. Symphorian, einer tüchtigen Durchschnittsleistung dieser Zeit; in
gleichem Stil die Seitenaltäre, auf deren einem ein Gemälde des h. Sebastian, auf dem
andern Vision des h. Bernhard. Ebenso behandelt die Kanzel. — Am Triumphbogen
holzgeschnitztes Kruzifix des 18. Jhs., mittlere Arbeit.
Die Glocken sind alle im 19. Jh. umgegossen worden.
Im Westen ist die Kirche an den älteren Turm angebaut. Derselbe ist von
quadratischem Grundriß, die einzelnen Stockwerke durch Wasserschrägen abgeteilt, das
oberste offenbar eine Erneuerung des 18. Jhs. In seinem Erdgeschoß öffnet er sich in
großem Rundbogen mit hohlgekehltem Gewände nach Norden, Süden, wie nach Osten
in die Kirche. An der Südseite, halb durch einen Treppenanbau verdeckt, die Inschrift :
ANNO J722 • DEN . . IZ IVNJ DISE . .
GEMA
An dem Bogen die Zeichen: _| |. Auf der anderen Seite ebenfalls: anno 1722.
Nach allem dürfte der Turm ein älterer Rest sein, der zur Zeit der obenan-
gegebenen Baunachricht, mit der die Inschrift insofern stimmt, überarbeitet und erhöht,
aber nicht ganz neu gebaut wurde. Das alte Langhaus blieb einstweilen noch stehen,
1789 begann der Umbau, der 1792 im wesentlichen vollendet war.
In der Sakristei bezw. im Pfarrhaus einige Urkunden und eine Anzahl Kirchen-
geräte. Unter den Urkunden eine solche von 1692, wonach am 30. September
Abt Placidus einen Altar geweiht hat: in honorem SS. Joachim, Zachariae, Annae,
Elisabethae etc. Pfarrblicher, begonnen 1654, in denen die bei den Kirchen in Unter-
harmersbach citierten Angaben über deren Gründung etc. verzeichnet sind.
AMT OFFENBURG. — ZELL.
567
Eine große Sonnenmonstranz, silbergetrieben und vergoldet, mit Engelsköpfen an
Fuß und Nodus, an den Strahlen Madonna und Heilige, Augsburger Zeichen und AM,
Dutzendarbeit des 18. Jhs.; Weihrauchkessel, silbergetrieben, mit flauem Rocailleornament,
FI*
Augsburger Zeichen, darunter I und r ; Weihrauchschiffchen, silbergetrieben, in be-
^ F l
wegtem Rocaillestil, Augsburger Zeichen, darunter I und g . Einige Kronen und ein
Scepter, die zum Schmuck von Madonnenbildern dienten, 18. Jh. Kelch, silbergetrieben,
vergoldet, mit Rocailleornament, zweite Hälfte 18. Jhs., Augsburger Zeichen und ein
zweiter, ähnlicher, kupfergetrieben, mit Augsburger Zeichen und ICB; ein dritter im
gleichen Stile, Augsburger Zeichen, darunter G und M ; ein vierter mit äußerst belebtem
Rocaillekontur, silbergetrieben, vergoldet, Augsburger Zeichen, darunter L und ^ g ; ein
fünfter in den einfachen und steifen Formen des späten 18. Jhs.; ein Wettersegen, silber-
getrieben, vergoldet und graviert, zweite Hälfte des 18. Jhs. An Gewändern zu nennen
eine rote Casel mit allem Zubehör, rote Seide mit buntseidener Stickerei, eine weiße mit
Hochstickerei in Gold und Silber, aus der Mitte des 18. Jhs.
Auf dem Friedhof \ zu dem zwei von Pilastern mit verkröpftem Gebälk flankierte
Tore führen, eine Anzahl alter Grabsteine, teilweise sehr verwittert, so einer von 1575 mit
verschiedenen Wappen und dem Zeichen :
ein weiterer, ähnlicher mit Allianzwappen
(Meyershofen?), verwitterter Unterschrift, unten weiteren verwitterten Wappen und dem
Zeichen:
Ein dritter mit dem Wappen: geflügelter Greif mit zwei Ähren in den
Pranken, im Schild, auf dem Helm als Kleinod die Ähren. Darunter die Inschrift:
BEGRÄBNUS
DES WOHLEDEL . . .
GEBOHRNEN GESTR . . .
HERREN ANDREAE S . . .
ELEONORE SANDH . .
UND DEREN : KINDER . .
WELCHEN GOTT GNAD
Das Ganze von Pilastern flankiert, welche einen Dreieckgiebel tragen, an dem steht
1693. Ein vierter Grabstein: in einem ovalen Kranz Engel und Totenkopf, darüber
Wappen, vierfach geteilter Schild: 1. drei Lilien, 2. drei Rosen aus einem Berg wachsend,
3. desgleichen, 4. springender Löwe ; verwitterte Inschrift (Theresia Domblüth). Der
fünfte mit ähnlichen Emblemen und Wappen des Joannis Blasii Dornblüth ex Gengen-
bacensi Praetore nati scultiveto Reipublicae Zellensis *j* 1753. Beim sechsten, wie bei
dem dritten, das Mittelfeld von Pilastern flankiert, die einen Dreieckgiebel tragen, Wappen,
längsgeteilter Schild, rechts ein Bogen, links drei Sterne, Helmkleinod, ein gewappneter
Mann mit Rosen, die Inschrift lautet :
DEN 5ten MARTH ANO 1692 STARBE SEEL. DIE WOHLEDLE
GESTRENGE FR AW • MARIA ELISABETHA SENWIGIN
DES WOHLEDLEN GESTRENGEN HERREN JOHANN MEYENHOFERS
DES HOCHLÖB: SCHWÄB KRAYS ES OBER KRIEGSCOMISS
Friedhof
Grabsteine
Band VII.
37
568
KREIS OFFENBURG.
Rathaus
lasgemiilde
Am siebten Stein wieder das Wappen der Meyershofen, dreigeteilt, rechts ein Adler,
links springender Löwe oder Greif mit drei Ähren in den Pranken, unten Pfauenkopf.
Echter Barockaufbau mit Sarkophag, Putten, Vorhang und Todesemblemen.
In dem Saal des jetzigen neuen Rathauses sind zwölf Glasgemälde aus dem schon
vor einigen Jahrzehnten abgebrochenen alten wieder angebracht:
1. Oberteil eines rotgekleideten Mannes in einer von Balustersäulchen getragenen
Nische, darunter eingeflickt eine ursprünglich nicht dazugehörige Genrescene in Weiß
und Gelb, weiter unten die Unterschrift:
ijmrijt orttenöero
i h 4 7-
2. Ein Gepanzerter mit Schwert und rotem Wappenschild, worin ein Fisch und
vier Steine, flankiert von zwei Pilastern, darüber eine sehr zerstörte Landsknechtsscene,
unten steht:
Thia gcrirfjt ^tainartj
i 5 4 7-
3. In blauer Stahlrüstung ein Mann mit gelber Fahne, in der ein roter Wolfshaken.
Pfeiler mit Balustersäulchen tragen einen Bogen mit Rankenwerk, Füllhörnern, kämpfenden
Tritonen und einer Tafel, auf der steht:
ANNO DOMINI
• I • 5 • 4 • 7 • Cr
(wohl das Wolfacher Wappen).
4. Zwei Männer in stahlblauer Rüstung halten den Schild, worin auf gelbem Grund
zwei schwarze Hörner auf schwarzem Dreiberg. Pilaster, an deren Sockel das württem-
bergische Wappen, tragen den sich über den Männern wölbenden Flachbogen, an
welchem steht:
tjornlicrg 1 ■ 5 • 4 • 8 ■
5- Grüne Pilaster mit Renaissancefüllungen und rotem Aufsatz tragen Flachbogen,
über dem in Chromsilber und Gelb musizierende Engel unten. In der Nische auf
blauem Grunde drei goldene Korbhelme, der eine mit rotem Flug, silbergebändert, der
zweite mit einem silbernen und einem roten Horn, der dritte mit der Halbfigur einer
Frau mit Blumen und Spiegel, darunter steht:
Crafßniuö hon gots • gnüb bifiljouc
5ti • «jtraßburg • lanbtgr.iUc • 511 •
6. Sehr zerstört: Rosa Pilaster mit Renaissancefüllungen, auf ihnen Putten. Unter
dem Bogen Unterteil einer thronenden Figur (Oberteil zerstört, wohl Madonna), rechts
und links knieen je ein h. Abt und ein König und bringen Kirchengebäude dar, links
deutlich erkennbar zwei romanische Kirchen mit Vierungsturm, die eine mit Bogenfries
(wie er in Schlittern existierte), dazu drei Wappen, das eine: drei goldene schreitende
Löwen in Rot, das zweite : ein Zeichen gleich einer römischen I, in Silber und Rot quer-
geteiltem Schild, das dritte: der schwarze Doppeladler in Gold. Unten steht auf
einer Rolle:
R VDOLFVS GARB ABBA .
IN SCH VTTERN 15 . .
7. Zwei braunrote Säulen mit Maskaronschmuck, darüber im Bogen hübsche
Bären- und Wildschweinjagd. Unter dem Bogen stark zerstörte und zusammen-
AMT OFFENBURG. — ZELL.
569
gestückelte Reste des geroldseckischen Wappens: ein gelbes Querband in rotem Felde
und die Unterschrift:
üMtljer fjer 5Ü i^afjengerofts
fccft unb ^§uit5 l 1547 l
8. Von zwei stark zerstörten und geflickten gewappneten Männern wird das fürsten-
bergische Wappen gehalten, flankiert von zwei Renaissancesäulen, darunter steht:
JMfjdm grabe 511 tfürftenberg
(anbgraff 311 bare 1 1047 1
Die Scheibe war, wie auch die drei vorhergehenden, früher höher und ist, wie
diese, roh verkürzt worden.
9. Grüne und rote Balustersäulen tragen flachen Bogen, in den Ecken kleine Ver-
kündigung, im Mittelfelde das Wappen, roter Balken schräglinks in Silber, Helmkleinod,
weißer Flug, rotgebändert. Unterschrift:
ftatt • ^traöburg •
1 • 5 • 4 • 7 •
10. Ein bärtiger Mann in reicher Bürgertracht mit Schlapphut und Degen hält
das Wappen, in rotem Felde ein Besen, Helmkleinod, oben eingeflickt, der Pfauenkopf
mit den drei Besen. Von gelb und blauen Säulen flankiert darüber in Chromsilber und
Gelb eine Hasenjagd. Unterschrift:
15 51
3iacab bau 43rcbercn
3Ü • %ti\ am ^arnicrbpadj
ix. Rotgekleideter Landsknecht mit Schwert hält das Gengenbacher Wappen, im
Hintergrund die Stadt mit Fluß und Bäumen. Säulen mit goldenen Kapitellen flankieren
das Mittelfeld, sie trugen ehemals einen Flachbogen, an dessen Stelle jetzt andere alte
Stücke eingeflickt sind. Unterschrift:
3Dic £tat gengcnöarfj
1 2. Ein prächtiger Mann in stahlblauer Rüstung mit gelbem Bandelier, den Marschall-
stab in die Seite gestemmt, steht breitspurig da, hinter ihm eine Balustrade mit einer
Blumenvase, neben ihm das Wappen, der schwarze Adler in goldenem Felde. Blaue
Balustersäulen auf roten Sockeln flankieren ihn und tragen gerades Gebälk, unten steht
in grüner Kartusche :
»Die ^tatt %t\i am
Qarmcripaif) • 1595 •
Dies Gemälde (Tafel XX) ist also bedeutend später als die vorhergehenden.
Die Scheiben sind jetzt (nicht ursprünglich) 32 — 38 cm hoch und 23 — 29 cm breit.
In dem Saal noch einige Gemälde: ein Kruzifixus mit Maria, geringe Arbeit vom
Ende des 17. Jhs., sowie ein Christus vor Pilatus von gleicher Qualität, bezeichnet
A. Gänshirth 1700, zwei Porträts von Herren von Grebern, Durchschnittsarbeit des 1 7. Jhs.
An einer Hintertüre des Rathauses noch in Relief eingemauert das alte Stadt-
wappen mit der Jahreszahl : 1 1 5 l p l +.
Hinter dem Kanzleigebäude ein altes Trottengebäude von 1727; im Schuppen
hinter dem Rathaus, jetzt, wie ich höre, vor dem Storchenturm aufgestellt, vier Kanonen
des 17. Jhs., mit Rosetten- und Palmettenverzicrung.
Gemälde
Stadtwappen
Kanonen
37
57o
KREIS OFFENBURG.
Feuerspritzen
Brunnen
Kruzifixus
Ortsgescliichte
Riegelhäuser
Das Kanzleigebäude ist ein Bau des 18. Jhs. mit französischem Mansardendach,
über der Tür in Rocailleumrahmung das Zeller Wappen (der schwarze Adler) und die
Jahreszahl 1760.
In den Remisen des Rathauses und der Kanzlei werden verschiedene schöne,
bemalte, ältere Feuerspritzen aus dem 18. Jh. aufbewahrt.
Vor dem Brand standen in Zell noch eine stattliche Anzahl Fachwerkhäuser,
worunter einige hervorragende.
In der Hauptstraße Brunnen: achteckiges Bassin mit drei bärtigen Maskarons
als Ausguß und dem Stadtwappen, Kompositkapitell, auf dem eine Muschelschale steht.
Am Eingang der Stadt vom Kinzigtal her großer derber Kruzifixus auf üblichem
dekorativen Volutensockel mit Rocailleomament von 1759 (Sandstein). An der Straße
nach Nordrach ein ähnlicher aus gleichem Material, mit der Madonna am Kreuzes-
stamm.
In der Vorstadt von Zell existierte schon im 18. Jh. eine Fayencefabrikation. Im
19. Jh. und in unserer Zeit blühte diese neu auf; siehe darüber Badische Gewerbe-
zeitung 1869, S. 42. Von altem Zeller Geschirr ist eine Anzahl in den Großh. Samm-
lungen für Altertums- und Völkerkunde erhalten unter den Nummern: C. 6333, 6354,
6717/18, 7936/37, 8427 und 8686.
ZELL-WEIHERBACH
Schreibweisen: locus dictus Celle 1242; Celle 1289; Zelle prope Offenburg 1400;
Zeller stab Orttenberger gerichts 1597 ; curia monasterii Gengenbacensis Weyersbach
1235; rivus dictus Wigerbach 1242; villa Wygersbach 1289; Wygerbach parrochie opidi
Offenburg 1447.
Archivalien: Mitteil. d. hist. Kommission Nr. 17 (1895), S. 50.
Ortsgescliichte: Beide Orte gehörten zur Landvogtei Ortenau. Zell bildete mit
Weingarten und Riedle den Zeller Stab. 1458 wird ein »Kolbenzell« als Filiale von
Weingarten genannt. In Weiherbach war das Kloster Gengenbach begütert, wir hörten
schon oben von seiner curia im 13. Jh., 1367 hören wir wieder »vor dem dorf zu Zelle
an des closters hof zu Gengenbach«, 1469: »in dem Wigerbach uf des apts gütes«,
1698: »des gottshauß Gengenbach abbtshof im Weyerbach«. Eingepfarrt war Zell-
Weiherbach nach Offenburg, bis (s. oben) die Wallfahrtskirche in Weingarten zur Pfarrei
erhoben wurde. Wie aus allem hervorgeht, war Zell der eigentliche Ort, neben dem
nur am Weiherbach der Klosterhof und andere Ansiedelungen existierten. 1805 wurde
Zell-Weiherbach badisch.
In beiden Orten eine Anzahl Riegelhäuser , teilweise leider verputzt; ich hebe
aus ihnen das Haus Nr. 91 des Xaver Busam hervor mit einem sehr malerisch wirkenden
Dachvorbau auf gebauchten Holzsäulen. Dies sowohl wie alle anderen Fachwerkhäuser
des Orts sollten im gesamten Interesse der Gegend erhalten werden. Bei dem erst-
genannten Haus auch ein alter Ziehbrunnen, in beiden Ortschaften sind deren noch eine
Anzahl erhalten, so auch im Riedle.
Am Gasthaus »Zur Sonne« trefflicher schmiedeeiserner Wirtshausschild
von 1 8 1 1 .
Wirtshausschild
AMT OFFENBURG. — ZUNSWEIER.
571
An dem Weg von Riedle nach Ofifenburg ein Bildstock noch mit dem Nachklang
gotischen Aufbaues, ein weiterer aus dem 18. Jh. am Weg von Weiherbach nach Dur-
bach, in Weiherbach am Haus Nr. 53 eingemauert Bildstock von 1766.
Am Weg von Rammersweier nach Ofifenburg kleine Kapelle des 18. Jhs. Im Kapelle
Innern drei Holzstatuen, zwei davon, ein h. Kaiser und ein Schmerzensmann, halb-
lebensgroß, Durchschnittsarbeiten des 16. Jhs., die dritte eine knieende Maria aus
dem 1 8. Jh.
ZUNSWEIER
Schreibweisen: Sinswiler 1016 (Fälschung); Zunswilre 1136; Zinßweyler 1230;
Zunswilre 1240; Zunßwiller 1277; Zunswiler 14. Jh.; ze Zunswilr dem dorfe 1377;
Czunswiller 1384; dorff Zunßwyr 1543. (Weiler des Sinzo?)
Literatur: Ruppe rt, Gesch. der Mortenau I, S. 466.
Ortsgeschichte : Obgleich die betreffenden Urkunden des 9. und 11. Jhs. sich als Ortsgeschichte
Fälschungen erwiesen haben, scheint die Tatsache, daß in Zunsweier das Kloster Schuttern
früh begütert war, unbestreitbar zu sein. Grund und Boden, Gericht und Steuer gehörten
zu Geroldseck und kamen bei der Teilung dieser Herrschaft 1277 auf den Anteil Graf
Heinrichs von Geroldseck -Veldenz. Die Landeshoheit über einen Teil des Ortes gehörte
der Landvogtei Ortenau; wie das kam, wissen wir nicht zu sagen. 1436 bis 1522 hatten
die Geroldsecker das Dorf an die Böcklin verpfändet. Nach der Lösung 1522 wurden
in einem Vertrag mit den Amtleuten zu Ortenberg die beiderseitigen Rechte festgelegt.
Das Kloster Schuttern besaß einen Fronhof mit eigenem Dinggericht und einen Widemhof:
wir hören von »des gotshüs zu Schütter dinghof ze Zunswilre« 1330, von dem »hoft
zu Zunßwilr, so man nennet Suselmannshoff« 1457. Außerdem besaß das Kloster
Gengenbach hier einen Hof, der schon 1288 erwähnt wird. — 1805 wurde Zuns-
weier badisch.
Römisches. Im Gewann »auf der Mauer« und nordwestlich vom Ort findet sich Römisches
— wahrscheinlich römisches — Mauerwerk. (Die Sage geht, es habe dort früher ein
Schloß gestanden.) (Mitteilung von Prof. Schumacher 1898.) (W.)
Kath. Pfarrkirche (ad S. Sixtum): Bereits 1136 wird »Zunswilre cum ecclesia« er- Kath. Pfarrkirche
wähnt, 1328 »ecclesia parrochialis Zinswillerana«, »parrochia ville Zunswilre« 1364,
Zunsweihr: »huius patronus coeli s. Sixtus; collator et decimator d. praelatus Schutte-
ranus; animas regendas habet universim« ca. 126; »ad hanc spectat filialis Berghaupt,
quae modo destructa est« 1466.
Ein »decanus« wird 1233, ein »Stephan Morlin, lütpriester zu Zunßwilr« 1419
genannt, 1464 ein »rector seu perpetuus vicarius in Zunßwiler«.
Patronat und Zehnt gehörten dem Kloster Schuttern. 1325 erlaubte Papst
Johann XXII. demselben, die Pfarrei zu inkorporieren, Bischof Johann von Straßburg
bestimmte den Bezug eines Vikars, der ein Weltgeistlicher sein mußte.
Der heutige Bau stammt von 1743; wie weit dabei die Fundamente des alten
benutzt wurden, läßt sich nicht mehr genau feststellen, für eine Benutzung spricht wohl
der Chorgrundriß. Ein einschiffiges Langhaus mit Stuckspiegelgewölbe, der oblonge
Chor mit Achteckschluß hat aus gleichem Material ein Gratgewölbe. An der Eingangs-
wand des Langhauses eine Empore, an der Unterfläche derselben ein Gemälde des Deckengemälde
572
KREIS OFFENBURG.
Altäre
Ölgemälde
Beichtstühle
Äußeres
Kirchengeräte
Riegelhäuser
Kruzifix
brennenden Dornbusches, an der Decke des Langhauses in großem Oval ein Bild der
Übergabe der Schlüssel, bezeichnet: Ex sump. Phil. Jac. Waidele C. P. 1783. Am Chor-
gewölbe die vier Kirchenväter; gute Durchschnittsleistungen des 18. Jhs.
Die Altäre im üblichen, dekorativ meistens erfreulichen Barocksäulenaufbau, am
Hochaltar Ölgemälde, darstellend die Heiligen Sixtus und Laurentius, am rechten Seiten-
altar Gemälde des Gekreuzigten.
Einfache, geschnitzte Beichtstühle aus der zweiten Hälfte des 1 8. Jhs. Schlichter,
noch spätgotischer Taufstein des 17. Jhs. An der Südwand des Langhauses Epitaph
eines Pfarrers, Sandsteinplatte mit Kelch, Kreuz und Totenkopf, durch früheres Abtreten
ganz verwischt, mit unleserlicher Inschrift.
Die Glocken waren mir unzugänglich.
Nach einem Visitationsprotokoll von 1616 ]) war die ganze Kirche ausgemalt, wohl
aus mittelalterlicher Zeit (worauf bei eventuellen Erneuerungsarbeiten zu achten wäre):
Tota ecclesia antiquitus picta est. Außerdem befand sich in ihr ein sehr großer Tauf-
stein (vielleicht noch für Immersionstaufe): magnum antiquumque mundumque.
Das Außere der Kirche ist ganz schlicht, nur durch die Sandsteingewände der
rundbogigen Fenster gegliedert. An der Fassade Portal mit gebrochenem Giebel, woran
die Zahl 1743; darüber eine Madonnenstatue in der damals beliebten, stark bewegten
Haltung. An ihrem Postament steht: Dises Bild hat machen lassen Josef Guot 1744.
An der Südwand des Chors, wohl von der alten Kirche eingemauert, eine sehr
verwitterte Löwenfigur (?) mit einem Gebälkstück, wohl Rest einer ehemaligen Konsole.
Von Kirchengeräten ist zu nennen : eine Sonnenmonstranz in den Formen des
ausgehenden 18. Jhs, silbervergoldet, getrieben, neuerdings restauriert; ein Kelch, silber-
vergoldet, getrieben, in Rocailleformen; Meßkännchen, silbervergoldet, getrieben, Rocaille,
S G
gute Arbeit, mit dem Augsburger Beschauzeichen und ^ ; an Gewändern eine rote und
eine weiße Casel, erstere mit bunter Seidenstickerei, letztere mit eingewebtem bunten
Muster, etwa Mitte 18. Jhs.
Die Kirche liegt auf einer Anhöhe über dem Ort, der sie umgebende Friedhof ist
ummauert, aber nicht etwa richtig befestigt.
Im Ort eine ganze Reihe teilweise leider verputzter Riegelhäuser, ich hebe ins-
besondere Nr. 159 und 17 1 hervor.
Vor Zunsweier an der Straße nach Berghaupten Kruzifix, Sandstein, etwas derbe
Arbeit, auf Rocaillesockel, von 1764.
*) Publiziert von Staudenmaier, FDA. XIV, S. 276.
AMT WOLFACH
EINBACH
(HAUSERBACH)
Schreibweisen: praedium Einbac 1092; Embach 1139; Einbach cum ecclesia
Husen 1179; Enbach 1329; Einbach das tal und die lute 1411; der hof vor Einbach
1493. (Bach des Eio — Ago, Ego.)
Ortsgeschichte : 1092 erhielt das Kloster S. Georgen einen Teil von Einbach. Ortsgeschichte
1303 wurde der ganze Ort durch die Grafen von Fürstenberg zusammen mit Wolfach
erworben. Einbach bildete einen weitschichtigen Stab in der Herrschaft Kinzigtal, es
gehörten dazu die Nebentäler Unter- und Obemeuenbach, Osterbach, Fronau, Gechbach,
Breitenbach und Hauserbach. Während letzteres links der Kinzig liegt, ist der Haupt-
ort Einbach an einem gleichnamigen Bach rechts derselben erbaut. 1328 hören wir
von einem Rupreht von Einbach. Seit dem 15. Jh. wurde in Hauserbach ein Silbererz-
bergwerk betrieben. — 1806 wurde der Ort mit der ganzen fürstenbergischen Herrschaft
Kinzigtal badisch.
Eingepfarrt war Einbach nach Hausach. Im Osterbachtal steht bei einem Hof
eine Kapelle (ad S. Wendelinum), ein kleiner Bau, der keine Anhaltspunkte zur Datierung Kapelle
bietet. — Eines der interessanten Bauernhäuser des Orts ist in dem AVerk : Das Bauern- Bauerohäuser
haus in Deutschland, s. unten, Baden, Blatt 6, abgebildet.
Auf dem Weg nach Hausach einige Bildstö ekelten in schlichter Form aus dem Biidstöckchen
18. Jh.
FISCHERBACH
(mit WEILER -ES CH BACH)
Schreibweisen: Vischerbac 11 01; Viscerbach 1240; Vischerbach 1293; Vyscher-
bacher turn 1456; im Fischerbach 1499; 'm Espach 1493; Willer 1297; Wiler 1371;
zu Willer in dem dorf 1350; Wyler 1435; Wiler prope Haselach 1464; Wylr 1489;
Ramsteinweiler 18 1 6.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 17 (1895), S. 90 — 91.
Ortsgeschichte: Urkundlich schon 1101 genannt, erscheint das Tal 1318 als Ortsgeschichte
fürstenbergisches und geroldseckisches Lehen der Herren von Vasant, kam es später
an die von Ramstein, deren Stammschloß in Ramstein bei katholisch Thennenbronn
stand, weiter an die von Gippichen, dann an die von Blumeneck und 1551 zurück an
Fürstenberg. In der ersten Hälfte des 12. Jhs. schenkt eine »matrona Rethilt nomine de
Bernoldeshoven cum marito suo Gotefrido villico de Stoufenberc« ihr Gut »in villa
que dicitur Visbach« mit allen Rechten »omni potenti deo et beato Gregorio«, d. i.
dem Kloster Reichenbach im württembergischen Oberamt Freudenstadt. — Seit 1240
hören wir von einem Geschlecht von Fischerbach, beginnend mit Cünradus de Viscer-
bach miles. Seit 1280 finden wir dieselben als Dienstmannengeschlecht des Margareten-
stiftes und der Freiherren von Schwarzenberg in Waldkirch. Vor 1453 ist der letzte
576
KREIS OFFENBURG.
des Namens gestorben. — Der Zehnt gehörte dem Gotteshaus zu Gengenbach. 1806
wurden Ort und Tal, die zu der fürstenbergischen Herrschaft Kinzigtal gehörten, badisch.
— Bemerkenswert ist noch, daß der Fischerbach die Grenze zwischen den Bistümern
Konstanz und Straßburg bildete.
Weiler wird zum erstenmal 1297 genannt, damals verkauften die Fürstenberg ihre
dortigen Besitzungen an Rudolf von Schnellingen; 1579 wurde der Ort wieder fiirsten-
bergisch und blieb es bis 1806, dem Übergang an Baden.
In Weiler stand ein Schloß derer von Ramstein, eines abgegangenen Ministerialen-
geschlechtes, welches von 1336 bis 1557 in Urkunden vorkommt und einen Widder auf
einem Dreiberg im Wappen führte. Sie brachten das Dörfchen Weiler 1358 an sich,
das daher zuweilen zum Unterschied von anderen Ramsteinweiler genannt wurde. Zu
dem Schloß gehörte der Hof Bergeck: »der hof zu Bergegk mit dem burgstall zu Ram-
stein« 1358, Fälschung aus der zweiten Hälfte des 15. Jhs. Ein Burckart von Ramstein
zu Wiler wird erwähnt in einer Fälschung von 1318. Vor denen von Ramstein hören
wir 1240 von einem Albertus de Wilere miles, 1329 von Fritsch und Heinrich von Wiler.
1508 wird das »schlößlein Wylr im Kintzigental« genannt. 1598 erscheint ein
»Hans Pluier von und zu Rambsteinweyler, gräfflich Ftirstenbergischer hoffmeister«.
Nach Schuster1) soll der letzte Herr von Ramsteinweiler auf dem Gut Bergeck 1863
gestorben sein.
Im Mittelalter wurde hier Bergbau getrieben, 1471 und 1488 werden die Gruben
erwähnt.
Kath. Pfarrkirche Die kath. Pfarrkirche (für Weiler-Fischerbach) (ad S. Michaelem Are.) wurde 1888
auf dem Schloßberg erbaut, dessen Name wohl der einzige Rest der alten Burg. Früher
war Weiler nach Hausach eingepfarrt. Erwähnt wird 1329 ein »pfaff Jo. von Wiler«,
1499 ein »Martin Buwmann lütpriester zu Wyler«. 1491 ist angeblich die alte Kirche
Kirchengeräte gebaut worden, von der heute keine Spur mehr erhalten, wohl aber eine Anzahl Kirchen-
geräte: eine Monstranz in der üblichen Sonnenform, silbergetrieben, vergoldet, mit
Rocailleornament und nicht mehr erkennbarem Zeichen (zweite Hälfte des 18. Jhs.); ein
Kelch in gleichem Material, Arbeit und Stil, mit dem Augsburger Zeichen, darunter P
und FCM; ein schlichtes Weihrauchschiffchen vom Ende des 18. Jhs.
Die Glocken waren bei meinem Besuch nicht zugänglich.
GUTACH
Schreibweisen: Güta zwischen 1360 bis 1370; Gütach 1421; Gütach 1534;
Guottach 1631.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 13 (1891), S. 28; Nr. 16 (1894), S. 159.
Onsgeschichte Ortsgeschichte : Gütach ist ein langgestrecktes Dorf mit zahlreichen Nebenorten,
das typische Schwarzwalddorf mit weit entlegenen Höfen. Es beginnt nahe der Stadt
Hornberg und zieht sich herab bis zur Kinzig, bis gegen Hausach, wie bekannt, eine der
schönsten Gegenden des Badischen Schwarzwaldes, in Bild und Lied gefeiert. Es gehörte
ursprünglich den Freiherren von Hornberg, die gleichen Stammes waren mit denen von
x) Schuster, Der Schulkreis Offenburg, S. 27.
AMT WOLFACH. — GUTACH.
577
Triberg. Im 14. Jh. teilte sich die Familie in zwei Linien, von denen die eine im Breis-
gau und Elsaß 1450 erlosch, während die andere, ältere, ihre Besitzung, selbst Stadt und
Schloß Hornberg, allmählich aufgeben mußte. Bereits im 14. Jh. eroberten die Straß-
burger zweimal (1368 und 1383) den »neuen Turm« von Hornberg, offenbar eine kleine
mit einem Turm verstärkte Tiefburg, die nahe bei Hausach an der Stelle stand, die
heute noch »Am Turm« heißt. 1423 verkaufte Bruno Wernher von Homberg einen
Teil der Herrschaft, darunter Güter und Gülten in der Gutach, und dazu zwei Gerichte,
deren eins in Gutach, an die Grafen Ludwig und Ulrich von Württemberg, zugleich
mit der Feste Hornberg. Damit hatten diese festen Fuß im Tale gefaßt. Es
mag in der Einleitung nach-
gelesen werden, wie weitere
Teile des Hornbergschen Ge-
bietes an Württemberg kamen,
wie nach dem Aussterben des
Geschlechtes Württemberg die
Kastvogtei in den Gebieten
des Klosters S. Georgen, das
die Besitzungen geerbt hatte,
verwaltete, bis es diese nach
der Reformation in eine Landes-
hoheit umänderte. 1534 ließ
sich Herzog Ulrich von Würt-
temberg von der ganzen Herr-
schaft Hornberg als Landesherr
huldigen. Er führte in seinen
Landen die Reformation ein,
und so erklären sich die
kirchlichen Verhältnisse dieses
Landesteils. — 1810 wurde
derselbe durch Staatsvertrag
von Württemberg an Baden
abgetreten. — Durch den Ort
durch führte, wie heute die
Schwarzwaldbahn, so die im Mittelalter hervorragend wichtige Handelsstraße von Kon-
stanz nach Straßburg und an die Bergstraße.
Evang. Pfarrkirche (ad S. Petrum) (s. Fig. 316): 1275 wird ein plebanus in
Gutach in decanatu Kürnbach sive Sultz erwähnt, 1360 bis 1370 ecclesia Güta in decanatu
Oberndorff sive Rotwil, sannt Peters Pfarrkirche Anfang 1 6. Jhs., der hailige sannt Petter
in der Güttach 1576. Der Chor der Kirche ist 1452 erbaut.1) In den dreißiger Jahren
des 16. Jhs. wurde die Reformation eingeführt, im 18. Jh. genügte offenbar das alte
Langhaus nicht mehr, es wurde daher 1743 unter Herzog Eugen von Württemberg an
den stehen bleibenden Chor ein neues Langhaus angebaut.
Diesen Daten entsprechend zeigt der Chor spätgotische Formen. Er ist in drei
Seiten des Achtecks geschlossen, hat zwei vorgelegte Gewölbejoche und ist mit einem
Fig. 316. Kirche i?i Gutach.
Evang. Pfarr-
kirche
*) Stöcker, Schematismus, S. 103.
578
KREIS OFFENBURG.
Netzgewölbe mit ansteigendem Scheitel und drei Schlußsteinen gedeckt. Die nur mit
Hohlkehle und Abschrägung profilierten Rippen setzen auf schlichten, polygonalen
Konsolen an. Den Chor erhellen vier Spitzbogenfenster, einpfostig, mit flamboyantem
Maßwerk. An seiner Nordseite führt eine Tür mit geradem Sturz in die Sakristei, das
Gewände durch Hohlkehlen und Rundstäbe auf steilen Basen gegliedert, eine weitere
Tür führt nach Süden aus dem Chor. Am Äußern ein abgeschrägter Sockel, weiter
oben eine Wasserschräge, die auch als Kaffgesims der Fenster dient, eine ebensolche
hohlgekehlte Wasserschräge unter dem Dach.
Die schlichte Sakristei, wohl ein späterer Bau, ist in der Tonne eingewölbt, über
einem ihrer Fenster ist jetzt ein Stein mit der Jahreszahl eingemauert, der wohl
das Datum des Chorbaues gibt.
Auf den zwei Gewölbejochen des Chors sitzt der Turm auf, unten quadratisch, in
der Höhe über dem First des Langhauses in das Achteck übergehend, darüber ein
Zwiebeldach.
Der Chor ölfnet sich in einem Rundbogen dem Langhaus zu, dessen östlichste
Mauern wohl zum Teil noch gotisch sind. Es ist im Äußern nur durch die rund-
bogigen hohen Fenster gegliedert. An der Fassade ein rundbogiges Portal mit
leicht hohlgekehltem Gewände, darüber eine Tafel mit zwei ovalen Abteilungen, in
denen steht:
AMT WOLFACH. — GUTACH.
579
IM JAHRE CHRISTI ANNO 174?
WARD DE KIRCH NEIERBA
ZU WELCHER ZEIT OBER
AMTMANN • ZU HORNBERG
HERR
VICTOR SIG
GRAFF VON GRAEFFENIZ
SPECIAL HERR
M • GEORG
CHRISTOPH
GRISINGER
STAB
GUTACH
HERR
PFA
RER
M • M
H : W
ALLTER
H : MILLER
M : HE :
TREITWEIN
STABSVOGT
J • ABERLEN
H : MOSER
G : BREISHAUBT
C : ABERLEN
H : BREITH=
AUBT
Ein ähnliches Tor auf der Nord-, ein weiteres auf der Südseite.
Das Innere zeigt an dem Spiegelgewölbe der Decke Rocaillestuckornamente, über
dem Triumphbogen in Stuck ein großes Wappen von Württemberg mit der Überschrift:
17 • C • E • H • Z • W • +?.
Eine Kanzel des 18. Jhs. in der üblichen gebauchten Form mit Stuckverzierung. Ein
Taufstein aus Granit in der schlichten gotischen, polygonalen Form, etwa 16. Jh.
Vom Triumphbogen hängt ein holzgeschnitztes Kruzifix herab, Durchschnittsarbeit des
17. Jhs. (ist inzwischen abgenommen und durch ein neues ersetzt worden).
Von den Glocken ist die eine, kleine, 1715 von Joh. Peter Edel in Straßburg
gegossen, die beiden anderen von 1854 und 1877. Am Querbalken des Glockenstuhls
eingeschnitten die Inschrift:
O HERR REGIERE DIESEN GLOCKENKLANG
DASS DEIN VOLK GERN ZUM WORT GOTTES GANG
SOLI DEO GLORIA 1781;
Inneres
Kanzel
Taufstein
Glocken
KREIS OFFENBURG.
Grabplatte
weiter am Glockenstuhl noch eine Inschrift, die über seine Errichtung Kunde gibt:
unter Pfarrer Magister Lehrenkraus neuaufgebaut 1781 von Andreas Kratt, Zimmermeister
in Hornberg. Zuvor hatte die -Kirche, deren frühere Gestalt an der Kanzelbrüstung
abgebildet ist, zwei gotische Spitztürme, einen über dem Chor, den anderen kleineren
vorn über dem Portal.
An der Westwand der Kirche neben dem Tor Grabplatte mit dem Wappen,
Todessymbolen, der Jahreszahl 1623 und der Inschrift:
ANO 1619 STARB DIE
EHRN UND TUGETSAM
FRAW MARIA CLEOPHE
SCHMIDIN DES EHRN
WIRDIGEN UND WOHL
GELERTEN HERRN M.
LUDOVICI SCHÖNWA
TERS PFARRERS DISER
KIRCHEN GUTACH GE
LIEBTE HAUSMUTTER
DEREN ER. M. LUDOVICUS
IN ANO 162) SEELIG-
LICH NACHGEFOLGT DEN
EN DER ALLMECHTIGE
AMT WOLFACH. — GUTACH.
Obergeschoss
58x
c
iSchveineslitfl
Fig. 319. Hof am Bergle in Gutach, Grundriß.
GOTT EIN FRÖHLICH AU-
FERSTEHUNG DURCH
CHRISTUM VERLEIHEN
WOLLE AMEN •
NACH GOTTES
WILLEN.
582
KREIS OFFENBURG.
Das Wichtigste in Gutach aber sind seine Bauernhäuser und Bauernhöfe. In
wenigen Orten sind so viele und so malerische Exemplare des Schwarzwaldhauses
erhalten, daneben aber auch gute Beispiele größerer Riegelbauten, unter denen ich vor
allem die Schmiede (s. Fig. 317) als ein prächtiges Beispiel hervorhebe. Des weiteren
nenne ich das Haus Nr. 149 des Joh. Lehmann mit Hohlkehlen, Rundstäbchen und
Voluten an der Sandsteintüre, altem schmiedeeisernem Schild »Zum Rößle«, oben schönes
Riegelwerk, sowie die Häuser Nr. 149, 221, 234 und 238.
Demgegenüber ist besonders in den zerstreuten Höfen zahlreicher vertreten das
eigentliche Schwarzwaldhaus, auf einem Untergeschoß von verputztem Bruchsteinmauer-
Fig. 320. Hof am Bergle in Gutach, Ansicht.
werk gemischter Holz- und Riegelbau, darüber der Heuschober und das mächtige, vorn
meist abgewalmte Satteldach mit Strohbedeckung. Oft ist auch schon das Erdgeschoß
aus Holz- bezw. Riegelwerk, wie es unser Beispiel von Haus Nr. 204 (s. Fig. 318) zeigt,
auch der Hof am Bergle (s. unten) und andere mehr. Charakteristisch ist diesen
Häusern, daß alle Wirtschaftsräume mit unter einem Dach vereinigt sind (s. Fig. 319).
Vorne im Erdgeschoß unter dem Hausgang (dem Hausern) Schlaf- und Wohnstuben,
dahinter der Kuhstall mit dem Futtergang, eventuell eine Streue, darüber die Hühner. Im
Obergeschoß Zimmer und Kammern und dahinter die große Heubühne, in die von dem
meist ansteigenden Berg, an den die Häuser angelehnt sind, eine direkte Einfahrt führt.
Ein typisches Beispiel dafür gibt der Hof am Bergle (s. Fig. 320) des Aberlebauern, der
i. J. 1761 erbaut worden ist. An ihm sehen wir auch die in Gruppen zusammen-
AMT WOLFACH. — GUTACH.
583
geschlossenen kleinen Fenster, aus der Konstruktion einfach zu erklären, vielleicht im
Geschmack ein Überbleibsel der Gotik, sowie die Holzgalerie mit den vorgekragten
Holzstützen, die so viel zum Reiz dieser Bauten beitragen. Ein sehr reiches Beispiel,
insbesondere in der Vorderansicht, der Bachhof (s. Fig. 321) des Bürgermeisters Joh.
Wöhrle, der i. J. 1769 erbaut worden. In seinem Grundriß (s. Fig. 322) ist er dem vorher
geschilderten Hof am Bergle durchaus verwandt, wenn er auch auf etwas größere Bedürf-
nisse zugeschnitten ist.
Fig. 321. Bachhof in Gutach.
Ich kann hier selbstverständlich auf die Entwickelung dieses Schwarzwaldhaustypus
nicht näher eingehen, auch nicht auf die einzelnen feinen Unterschiede und die etwas
gefährlichen Fragen über das Alter der verschiedenen Typen. Es ist das ja um so
weniger nötig, als in dem großen Werk über das deutsche Bauernhaus1) sowie in einem
1) Das Bauernhaus im Deutschen Reiche und seinen Grenzgebieten. Herausgegeben vom Ver-
bände deutscher Architekten- und Ingenieurvereine, Text und Atlas, Dresden 1906, S. 261 ff. und
Tafel I ff.
Band VII.
38
584
KREIS OFFENBURG.
Spezialvverk über die Schwarzwaldhäuser1) B. Koßmann diese ganze Frage in gründ-
lichster Weise besprochen und mit Abbildungen erläutert hat. Abgebildet sei hier nur
Obergeschoss
\
noch das Haus am »Schlößle« (s. Fig. 323), Besitzer H. Suhm, erbaut 1818 von Chr. Hilde-
brand, dessen Grundriß (s. Fig. 324) von den bisher geschilderten durch andere
*) Die Bauernhäuser im badischen Schwarzwald, von B. Koßmann, Berlin 1894.
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AMT WOLFACH. — GUTACH.
585
38'
586
KREIS OFFENBURG.
Gruppierung der Räume nicht unwesentlich abweicht. Erwähnt sei noch der Hof des
Oberbauern, des »Schluchbur«, des Vogtsbauem, der Bürlehof am Bahnhof, die Nr. 162,
Fig. 324. Hatts, sogen. •» Schloß le «, in Gut ach, Grundriß.
I
1
18 1 und auf die Abbildungen in dem großen Werk »Das Bauernhaus«, Tafel 1 und Ab-
bildungen 28 und 32 im Text, sowie in dem Werk »Bauernhäuser im badischen Schwarz-
wald« hingewiesen.
HASLACH
Schreibweisen: Hasela ca. 1099; Haselahe 1250; Haslach 1326; bürg und stat
1358; stat 1389; Häßlach 1437.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 6 (1894), S. 155/56; Z. NF. 13, S. 672.
Literatur : Hansjakob, Der steinerne Mann von Hasle, Erzählung.
AMT WOLFACH. — HASLACH.
587
Ortsgeschichte: Der am Ende des 11. Jhs. erstmals genannte Ort war im Besitz Ortsgeschichte
der Herzoge von Zähringen, die ihn offenbar vom Reiche und nicht von Bamberg
hatten.1) Nach dem Tode Bertholds V. von Zähringen kam er an Graf Egon von
Urach mit dem Barte als Erbe seiner Gemahlin Agnes, der Schwester Bertholds, bei
der Teilung unter den Söhnen Egenos II. an Heinrich I., der sich erstmals von Fürsten-
berg nannte. Doch war der Besitz nicht unangefochten, und Heinrich sah sich unter
Aufgabe seiner Ansprüche genötigt, Haslach 1250 vom Bistum Straßburg zu Lehen zu
nehmen.2 3) König Rudolf! versuchte die Stadt, wie Villingen, als heimgefallenes Reichs-
gut einzuziehen, überließ sie aber laut Urkunden von 1278 und 1283 den Fürsten-
bergern als Reichslehen. 1278 wird »Haselach oppidum nobilis viri Henrici comitis
de Vurstenberg« genannt. Als er 1283 (1284?) starb, erhielt sein zweiter Sohn Egeno
die Herrschaft Haslach, mit ihm beginnt die Haslacher Linie. Von seinen vier Söhnen
starb der eine, Egeno IV., als Komtur des Johanniterordens 1363 zu Freiburg, Heinrich
in jugendlichem Alter jedenfalls vor 1317. Die beiden anderen, Johann und Götz I.,
verloren gleich nach des Vaters Tode die Stadt Villingen an Österreich und sahen
sich also auf einen kleinen Besitz beschränkt, in der Hauptsache ein Gebiet im Kinzig-
tale um Haslach und eines im Schwarzwalde fast rings um Villingen, aber ohne diese
Stadt. a) Klugerweise teilten sie dasselbe nicht, sondern verwalteten es gemeinschaftlich.
Durch ihre Schwester Anna mit Walter III. von Geroldseck -Tübingen verschwägert,
scheinen sie vielleicht durch diese Verwandtschaft in eine Masse kleiner Fehden
der Umgegend verwickelt gewesen zu sein, die aber alle ziemlich glücklich flir sie
endeten. Als Johann 1332, wie es scheint unvermählt, starb, war nun sein Bruder
Götz im alleinigen Besitz der Lande. Er war mit Anna von Montfort verheiratet,
deren Grabplatte, wie auch vermutlich die seinige wir unten kennen lernen werden.
Das offenbar sehr kriegerische Wesen des Grafen kommt gerade in der Primitivität
der Grabfigur zum Ausdruck. Er starb 1341 und hinterließ Haslach seinen Söhnen
Heinrich und Hugo I., »grafe Heinrich und grafe Hug von Fürstenberg herren zu
Haselach«, wie es 1351 heißt. 1345 wird der beim Tode des Vaters noch minder-
jährige Johann ihr Mitregent, doch scheint er bald gestorben zu sein. Die Besitzungen
des Hauses hatten sich unterdes wieder um das ehemals verloren gegangene Bräunlingen
vermehrt, das wohl als österreichisches Pfand an die Haslacher kam, die auch von
Württemberg einige Besitzungen pfandschaftlich übernommen hatten. Auch Heinrich,
vermählt mit einer Werdenberg, starb ohne Erben, und so regierte der Sohn Hugos,
Hans (Johann I.), allein über die Haslacher Besitzungen. Er gelobte am 4. Dezember
1374 der Stadt Haslach »ihre Freiheiten zu erhalten, welche im allgemeinen dieselben
sein sollten, wie sie die Stadt Freiburg von alters her besessen«. Zwei Punkte aber
treten besonders hervor: »die Stadt soll an ihn nur eine jährliche Steuer von 10 Mark
Silber zahlen, also nur den vierten Teil dessen, was ein halbes Jahrhundert vorher die
Stadt Villingen ihren Herren steuerte, und die Zwölf, die Mitglieder des Rates, sollen
in ihren Häusern das Asylrecht besitzen«. Wann die Stadt ihre Freiheiten erhalten
hatte, scheint nicht festzustehen. (1278 wird sie schon oppidum genannt, s. oben.)
*) Heyck a. a. O. S. 513.
2) Ebenda.
3) Riezler, Gesch. des fürsÜ. Hauses Fürstenberg.
588
KREIS OFFENBURG.
Trotz der geringen Steuer muß sie immerhin schon eine gewisse Ausdehnung gehabt
haben und wohl über ihren alten Mauerbezirk hinausgewachsen sein, denn eine Notiz
von 1350 sagt: »in der stat zu Hasela an dem bach und in den garten in der Nüwen-
stat«. Die Grafen residierten in einer Burg oder einem Schloß, das, wie es scheint,
1358 zum erstenmal genannt wird. Uber die Verfassung der Stadt wissen wir nur,
daß es der übliche Zwölferrat war, dem ein Schultheiß Vorstand. Schon 1297 wird
»Albrecht der schulthais von Hasela« genannt, 1350 ein Johannes scultetus, 1437 Hans
von Berembach, Schultheiß. Mit ihnen ist nicht zu verwechseln das Geschlecht der
Schultheiß von Haslach, von dem wir 1332 einen, den »Johannes Sch. v. H. ein edel-
knecht« kennen lernen. Auch Münzrecht muß die Stadt besessen haben, und zwar
seit dem 13. Jh., denn eine Notiz von 1312 spricht von »15 mark silber Haselaher
geweges« (u. s. f.).
Mit dem kinderlosen Grafen Hans, der 1386 auf österreichischer Seite kämpfend
bei Sempach fiel, starb die Linie aus, und die Besitzungen fielen an die Hauptlinie in
der Baar zurück (die von dem ältesten Sohn Egenos II. ausgegangen war), und zwar an
Heinrich IV., dem nach dem Wortlaute des Lehensbriefes die Erbfolge zustand. Trotz-
dem wurde dieselbe bestritten, und zwar von dem König Wenzel, von dem Straßburger
Bischof, dem Markgrafen Bernhard von Baden und dem Grafen Friedrich dem Älteren von
Hohenzollern, von diesem als Gemahl der einzigen Schwester des letzten Grafen, Adelheid.
Heinrich IV. aber hatte unterdes bereits den tatsächlichen Besitz ergriffen und sich mit
der Bürgerschaft von Haslach gut gestellt, indem er ihr am 11. November 1386 einen
weitgehenden Freiheitsbrief verlieh,1) der alle Gnaden und Freiheiten bestätigte, die
Freiburg besaß. König Wenzel hatte unterdes Haslach als heimgefallenes Reichslehen
erklärt und zunächst seinem Hauptmann zur Schweidnitz, dem Edlen Benesch von Thuß-
nik, auf dessen Bitten aber (dem der Ort zu entfernt lag) 1388 dem Bischof von
Straßburg zugesprochen. In der Tat scheint auch der Bischof eine Zeitlang die Stadt
besetzt zu haben, doch kam es zu einer gütlichen Beilegung, der Bischof belehnte seiner-
seits den Grafen Heinrich mit der streitigen Herrschaft Haslach, sein Amtmann wird
angewiesen, den Grafen einzulassen und das Schloß ihm zu überantworten. Am 6. Juni
1392 gab dann der Bischof der Stadt einen mit dem gräflichen übereinstimmenden
Freiheitsbrief. Auch die badischen Ansprüche verschw inden, aber erst 1405 werden die
Zollernschen aufgegeben.
Damit war der ganze Länderbestand des Hauses Fürstenberg wieder in einer
Hand vereinigt. Schon vor Heinrichs Tode (1408) aber wurde eine neue Teilung vor-
genommen. 1398 übergab er seinen Söhnen die Regierung in Wolfach und Haslach,
vermutlich schon die ganze Herrschaft im Kinzigtale, 1407 aber erhielt diese Konrad IV.
allein. Mit ihm beginnt die Wolfacher Linie. Nach seinem Tode übernahmen seine
zwei Brüder Heinrich V. und Egeno zusammen mit seiner Frau Adelheid von Bitsch
und deren Stiefvater Ludwig von Lichtenberg die Vormundschaft über ihren jungen
Neffen, Heinrich VI. Dieser, zur Regierung gelangt, wußte durch geschickte Er-
werbungen, dann aber auch durch stattliche Erbschaften seinen Besitz zu vergrößern
und denselben auch sehr glücklich zu verwalten. So ging er auch eifrig an die Wieder-
herstellung der Schlösser und Burgen: »zu derselben zytt und in den zweyen jam
1) Fürstenb. Urk. II, Nr. 513 u. 514.
AMT WOLFACH. — HASLACH.
589
darnach ward von herrn Heinrichen graven zu Furstenberg, lantgrave in Bare, herr zu
Husen im Kintzigental und zu Wartemberg etc. und synr gnaden fruwen und müter,
fraw Adelheiten von Bitsch, ernuwert und gebuwen das huß zu Haselach, das huse
zu Wolfach, das nuw
kornhus zu Haselach
vor der Burgk, das hus
zu Brünlingen 1447«.
Es ist Michel Spiser,
seit 1447 Schreiber im
Dienste des Grafen,
der uns diese und
andere Aufzeichnungen
über dessen Leben
und laten hinterlassen
hat. ') Danach baute
derselbe in Haslach
noch i. J. 1463 »die
usser muly zu Hase-
lach vor der statt« ;
sie brannte 1470 ab,
wurde aber sofort
wieder aufgebaut. Mit
dem Jahre 1477 hören
die Aufzeichnungen,
wohl weil Spiser Vogt
auf Fürstenberg wurde,
auf, aber vermutlich
nicht die Bauten.
Schon aus diesem Be-
richt indes geht her-
vor, wie gründlich Graf
Heinrich VI., auch ge-
sellschaftlich ein offen-
bar sehr begabter und
beliebter Herr, das
Bild seiner Städte
verändert hat. Auch
politisch hat er eine
bedeutende Rolle ge-
Fig. 325. Haslach, nach einer Federzeichnung auf einer Har te der Herr-
schaft Kinzigtal aus dem Fürstlich Fürstenbergischen Archiv zu Donau-
eschingen ( von 1655).
spielt, auf die einzu-
gehen hier nicht der Ort ist.2) Seinen wohlregierten Landen konnte er mit Aus-
nahme geringer Fehden den Frieden wahren. Mit Ausnahme eines sehr heftigen
Handels mit Bräunlingen war das Verhältnis zu seinen Untertanen ein durchaus
*) Riezler a. a. O. S. 365; Ftirstenb. Urk. III, Nr. 371.
2 Ri e zier a. a. O.
59°
KREIS OFFENBURG.
gutes, und dankbar stifteten daher wie die Wolfacher so auch die Haslacher Bürger
1485 in ihrer Pfarrkirche einen reich bedachten Jahrtag für den Grafen. Dieser hatte
außer anderen Zuwendungen »auf die Einlösung eines Zolles, der von einem Wagen 6,
von einem Karren 2%, von einem Rosse 1 Pf. betrug und von seinen Vorfahren an die
Stadt verpflichtet war, für sich und seine Nachkommen« verzichtet. »In dem Ver-
mächtnisbrief an die Wolfacher hatte der Graf den Wunsch ausgesprochen, daß dieselben
aus Dank für diese Zuwendungen keinen Würfel- und Spielplatz mehr in ihren Mauern
dulden möchten, und nach seinem Wunsche ward dies nun sowohl in Haslach als Wolfach
von der Bürgerschaft gelobt.«1) Am Schlüsse seiner segensreichen Regierung wurde
Fig. 326. Plan der Stadt Haslach vom Jahre 1690 aus Schmalkalders Skizzenbuch.
Heinrich VI. von schweren Leiden heimgesucht, von denen ihn am 30. November 1490
der Tod erlöste. Er war unvermählt geblieben. In seinem Testament hatte er seinen
Vettern Wolfgang und Heinrich seine Besitzungen vermacht, aber vorsorglich bestimmt,
daß seine Schlösser in Wolfach, Hausach und Haslach von Bürgern bewacht werden
und kein Erbe eingelassen werden sollte, bis er den Städten nicht alle Vermächtnisse
und Gunstbriefe bestätigt habe.
Von neuem kamen die Lande an die Hauptlinie zurück, und wieder waren alle
Besitzungen vereinigt, da die beiden Brüder, die Söhne des Grafen Konrad, zunächst
gemeinsam regierten, bis dann nach dem Tode Heinrichs Wolfgang I. sie alle in seiner
Hand hielt. Beide, insbesondere der letztere, standen in engsten Beziehungen zu König
*) Riezler a. a. O. S. 379.
AMT WOLFACH. — HASLACH.
591
Maximilian, dem Wolfgang verschiedentlich Kriegsdienste leistete; die Brüder wurden zu
seinen Dienern und Räten ernannt. Als König Max dann dem Kurfürsten Philipp die
Hälfte der Landvogtei Ortenau absprach und 1504 dieselbe in einem Kriegszug eroberte,
da befand sich bei ihm auch Wolfgang von Fürstenberg, und ihm verpfändete der König
nun den eroberten Anteil. Damit stand das ganze Kinzigtal unter seiner Herrschaft,
Fig. 327. Der Obertorturm in Haslach am Anfänge des iq. Jahrhunderts.
und er wählte das prachtvoll gelegene Ortenberg zu seinem Lieblingswohnsitz. Er starb
1509 und hinterließ von seiner Gemahlin Elisabeth von Solms zwei Söhne, Wilhelm I.
und Friedrich III. Ersterer, als der »wilde Graf von Fürstenberg« bekannt, führte bald
in kaiserlichen, bald in französischen Diensten ein kriegerisch-stürmisches Leben, in dessen
Ruhepausen er meist auf Schloß Ortenberg residierte. Er neigte sich immer mehr, offen-
bar aus gemischten, sowohl praktischen als idealen Beweggründen, der Reformation zu,
die er im ganzen Kinzigtal, also auch in Haslach, einführte. Als er 1549 (ohne männ-
liche Erben) starb, da war kaum ein katholischer Priester zu finden, der die Leiche
592
KREIS OFFENBURG.
zu ihrer Beisetzung in der Pfarrkirche zu Haslach begleiten konnte. Diese seine
Stellung hatte ihn in immer schärferen Gegensatz zum Kaiser gebracht, so daß ihm der
Verlust seiner Lande drohte und er sich genötigt sah, die Regierung seinem Bruder
Friedrich III. zu übergeben. Mit diesem begann die Rekatholisierung der Gegend, der
er übrigens nach außen hin den Frieden sicherte. Die Landvogtei der Ortenau mußte
er allerdings abgeben, und so war der Versuch, die fürstenbergische Herrschaft bis an
den Rhein auszudehnen, mißlungen. Nach seinem Tode fand eine neue Teilung der
Besitzungen statt, mit seinem Sohn Christoph I. begann die uns hier allein interessierende
Kinzigtaler Linie. Schon nach dem Tode des nachfolgenden Albrecht I. teilte auch
diese sich wieder in einen Möhringer und Blumberger Zweig, beginnend mit Christoph II.,
Fig. 328. Haslach. Reste der ehemaligen Stadtbefestigung. Tünchen am Stadtbach
hinter der Zehntscheuer .
welch letzterem Haslach zufiel. Die Möhringer starben zwar 1641 aus und das Gut
kam an die Haslacher zurück, allein wiederum hatten sich hier in den zwei Brüdern
Wratislaus und Friedrich Rudolf zwei Linien, die Meßkircher und die Stühlinger,
geschieden. Friedrich Rudolf, der die Besitzungen im Kinzigtal erhalten, ist in der
Geschichte Haslachs bemerkenswert durch die Erbauung des Kapuzinerklosters, wo er
auch beigesetzt wurde. Bei dieser Linie blieb das Land und die Stadt, bis sie 1806
badisch wurden. — Wie die ganze Gegend, so hatte die Stadt im 17. Jh. schwere Stürme
zu erleiden durch die Kriegsscharen des Dreißigjährigen und der Franzosenkriege. 1632
nahmen die Württemberger Haslach in Besitz, 1633 erschienen die Schweden, 1635 die
Kaiserlichen, 1637 verwüsteten die Regimenter des Grafen Gallas die ganze Gegend.
1638 verließen die Einwohner in heller Flucht vor den Schweden das Städtchen. Das
Schlimmste aber brachte, wie auch in Gengenbach, die Armee Bernhards von Weimar,
welche die Stadt völlig ausplünderte. Und kaum war der Dreißigjährige Krieg vorbei,
Word
— i T T — i \ i \ " T T
JPig. 329. Stadt Bas/ach nach dem JCa tasterplan von 1SS1 mit ein gezeichneten Befestigungen.
Band VII. Zu Seite 593.
Band VII. Zu Seite S93-
Fig. SJO. Ansicht der Stadt Haslach nach einem Aquarell von 1804.
AMT WOLFACH. — HASLACH.
593
so kam neue Not. 1576, nach der Eroberung von Philippsburg, fielen österreichische
Husaren in das Kinzigtal ein, plünderten und raubten selbst die Kirche aus; zum Schluß
aller dieser Leiden wurde Haslach am 3 1 . August 1704 von den Franzosen völlig verbrannt.
Wie die Stadt mit ihren Befestigungen im 17. Jh. aussah, zeigt uns die oben in
Fig. 325 wiedergegebene Zeichnung, die eine Erläuterung erfährt durch den Plan in
Schmalkalders Skizzenbuch von 1690 (s. Fig. 326), sowie ein Ölgemälde auf Schloß
Heiligenberg (1688). Wir sehen die Kirche, den Platz vor ihr und den Marktplatz, die
innere Stadtmauer mit den vier Türmen, wovon zwei Tortürme waren, und zwar nach
AVesten das Untertor, nach Nordosten das Obertor. Ersteres scheint der Zeichnung nach
ohne Turm, was aber wohl ein Irrtum sein dürfte. Die Stelle beider Tore ist noch heute
deutlich und auf unserem Plan der Stadt eingezeichnet. Ein in Privatbesitz befindliches
Ölgemälde (s. Fig. 327) aus dem Anfänge des ip.Jhs. gibt uns ein Bild des oberen Tores.
Schmalkalders Skizze und die Zeichnung stimmen in der Angabe zweier weiterer
Türme überein ; die Stelle des einen, offenbar an Dimensionen alle anderen übertreffenden,
läßt sich noch in der Eisenbahnstraße angeben, die des anderen ist nicht mehr nach-
zuweisen, eines der Häuser der Pfarrgasse muß auf seinem Standplatz stehen. Schon im
17. Jh. waren, wie aus der Zeichnung ersichtlich, die Häuser auf die Stadtmauer auf-
gebaut, wie das noch heute zum Teil der Fall ist. Ein Blick auf den Plan zeigt uns im
Anschluß an den abgebrochenen Obertorturm und den Turm in der Eisenbahnstraße den
Verlauf der alten inneren Mauer, die an dem heutigen »Inneren Graben« entlang lief.
Hinter der Kirche bog sie in einem scharfen Eck zur Zehntscheuer um und führte von
dieser aus wieder zum Untertor und weiter herum. Nahe bei der Zehntscheuer hat sich
noch ein Mauerrest sowie ein Pförtchen mit Eselsrückenbogen und der Jahreszahl 1491
erhalten (s. Fig. 328). Vor dieser inneren Mauer lag, von dem die Stadt durchschneiden-
den Bach aus gespeist, der innere Graben, dessen Anlage aus der Abbildung Fig. 329
ersichtlich ist. Er war 1,10 — 2 m breit. An ihn schloß sich zunächst ein Zwinger
an mit der zweiten, äußeren Mauer, die nach einem Aquarell aus dem Jahre 1804 damals
noch recht gut erhalten war (s. Fig. 330). Auch heute ist sie teilweise noch vorhanden,
mindestens aber in ihren Spuren sicher nachzuweisen, so daß sie auf unserem Plan ein-
gezeichnet werden konnte. Sie war mit vier runden Türmchen bezw. Bastionen bewehrt,
daneben mit fünf eckigen, die teilweise die Vorbauten der Tore waren. AVie sie aus-
sahen, sagt uns das Aquarell von 1804. In den Stadtplan konnten nur die Rundtürme
eingezeichnet werden, da nur ihre alte Stelle sich sicher festlegen ließ, der letzte ist erst
1803 abgebrochen worden. Am besten ist die Mauer an der Südwestseite erhalten, hier
findet sich auch noch eine runde Geschützschießscharte mit Kammer (s. Fig. 331), hier
ferner noch ein Rest eines nach innen offenen, halbrunden Turmes. Nach Süden führte
aus dieser Mauer ein später angelegtes: Neues oderSautor heraus, das zu Schmalkalders
Zeit noch nicht bestand. Vor der äußeren Mauer lag der offenbar ziemlich breite äußere
Graben, dessen Spuren heute in Gärten erkennbar sind. Das Material der Mauern ist
Bruchstein, an dem Pförtchen und der Schießscharte gut zugehauene Sandsteine. Das
erhaltene Datum läßt darauf schließen, daß die von uns geschilderte Befestigung, in
gewissen Teilen natürlich älter, unter dem baueifrigen Heinrich VI. eine durchgreifende
Erneuerung erfahren hat, die indes erst nach seinem Tode fertiggestellt wurde. Von
dem Schloß, das wir uns nach der Art seiner Bezeichnung wohl als Tiefburg zu denken
haben, ist merkwürdigerweise auch im Plan nicht einmal die Spur zu entdecken. ( Wth .)
594
KREIS OFFENBURG.
Kirchliches Kirchliches. Mich. Hennig, Gesch. des Landkapitels Lahr, Lahr 1893. H. Hans-
jakob, Das Kapuzinerkloster zu Haslach im Kinzigtal, FDA. IV, S. 135 — 146. Visi-
tationsprotokolle über Haslach, FDA. XIV, S. 274 ff.; NF. IV, S. 294. Alb. Ebbecke,
Ein Bild aus der bad. evang. Diaspora : Entwickelung der evang. Pastoration des unteren
Kinzigtales, Karlsruhe 1891.
Die Kirche zu Haslach wird verhältnismäßig spät, 1328, erwähnt,1) kurz hernach
auch eine Kapelle (1363), 1240 schon ein Heinricus vicarius, 1373 ein Kilcherr Nicolaus
Bökler. Unter der Kollegiatkirche S. Laurentius, die Krieger fürs J. 1470 anführt, muß
wohl die elsässische Stiftskirche Haslach verstanden werden, die früher den Titulus
S. Florentius (Verwechslung in Laurentius), später den S. Trinitatis hatte.2) Die Haslacher
Pfarrkirche war kirchlicher Mittelpunkt für ein größeres Gebiet (Hofstetten, Mühlen-
bach, Weiler und Steinach) und ihr Patron der h. Arbogast. Der Pfarrsatz und der
Zehnt standen dem Grafen von Fürstenberg zu. In besonderer Weise scheint sich Graf
Heinrich von Fürstenberg die Pfarrgemeinde Haslach verpflichtet zu haben, so daß diese
sich am 12. Februar 1485
urkundlich bereit erklärt, das
Anniversar alljährlich am
Dienstag nach Oculi hoch-
feierlich zu begehen bei auf-
gestellter verdeckter Bahre
auf dem Grab des Grafen ;
am Vorabend solle Toten-
vesper unter dem Geläute
der Glocken gesungen und
Fig. SJi- Haslach. Schießscharte in der äußeren Stadtmauer. un^er Abbetung des Psalmes
Miserere das Grab besucht
werden, tags darauf durch zwölf Priester die Vigil und drei Ämter gesungen und andere
Stillmessen gelesen werden.3)
Lag hier auch nicht die anderwärts, z. B. in Gengenbach, zur Reformation treibende
Spannung zwischen Bürgerbevölkerung und Ordensklerus vor, so sorgte doch Graf
Wilhelm von Fürstenberg mit Nachdruck hier wie überall im Kinzigtal für Ein-
führung der evang. Lehre. Schon 1542 konnte in Haslach ein »gemain Capittel« der
protestantischen Geistlichkeit der Landvogtei Ortenau und der Herrschaft im Kinzigtal
abgehalten werden, wobei u. a. der Graf ersucht wurde, eine Visitation des Tales durch
Hedio abhalten zu lassen.4) Als Prädikant endete 1548 in dem Kinzigstädtchen Magister
Franz Beckh, »ein gelarter, frommer, stiller mann, erbar zichtigs wandeis, der all sein
tag gestudiert uff den furnempsten universiteten, auch selber schuel gehalten, ist nye
khein geweichter priester gewesen, begert auch noch keiner zu werden«, und neben ihm
als Helfer und Schulmeister Hans Jerg Lemp, der sich verheiratet, bevor er seinen
4) Fürstenb. Urk.-Buch II, S. 41.
2) Vgl. Grandidier, Nouvelles Oeuvres ined. III, S. 87.
3) Fürstenb. Urk.-Buch IV, S. 38 ff. Eine ganz gleichlautende Stiftung war unter dem gleichen
Datum auch in Wolfach gemacht worden. Ebenda S. 38.
4) Vierordt, Gesch. d. evang. Kirche in Baden I, S. 312. FDA. II, S. 24 ff. Hennig,
Gesch. des Landkapitels Lahr, S. 135.
AMT WOLFACH. — HASLACH.
595
Dienst angetreten.1) Das Interim und mehr noch der bald hernach erfolgte Tod des
Grafen Wilhelm stellten allmählich die alte Ordnung wieder her. Zwar fand sich noch
1549 nach dem Bericht des Amtmanns Jost in ganz Haslach kein kath. Geistlicher, der
etwa der Überführung der Leiche des Grafen Wilhelm in die Gruft der Pfarrkirche hätte
assistieren können, 2) und auch die Prädikanten des Kinzigtales zeigten sich wenig gewillt,
die im Interim vorgesehene Rekatholisierung .der Gegend fördern zu helfen. Graf Friedrich
aber, der Bruder und Erbe Wilhelms im Kinzigtal, unterzog sich dafür dieser Aufgabe,
im allgemeinen ohne Härte und Schroffheiten.
Den kath. Kult noch mehr zu festigen und zu erhöhen, entschloß sich 1612 Graf
Christoph II., neben der Pfarrkirche in Haslach eine Kapelle mit zwei Altären und eine
Kaplanei zu stiften. Er wies auch schon die Mittel an, wandelte die Stiftung aber noch
vor der Ausführung in ein Klösterlein für vier bis fünf Franziskaner oder Kapuziner um.
Da er schon 1614 starb und sein Erbe Friedrich Rudolf noch unmündig war, verschob
sich die Verwirklichung dieses frommen Wüinsches bis 1630. Außer den schon 1612
auf Zinsen angelegten Mitteln wurde u. a. für die Klosterstiftung jetzt noch der zehnte
Pfennig aus dem Nachlaß verschiedener als Hexen in Haslach damals justifizierter Personen
verwendet. Am 12. November 1630 wurde in Gegenwart des Provinzials Pater Columban
der Grundstein gelegt. Baumeister waren Georg Hofacker von Wolfach und Michael
Steiner von Haslach, deren Kostenanschlag sich auf 7377 fl. belief. Schon 1632 konnten
acht Kapuziner einziehen. Es war die Zeit, da die Drangsale des Dreißigjährigen Krieges
wie eine Hochflut jahrelang über die Gegend hinzogen.3) Eine Plünderung der Stadt
um die andere folgte. Nur das Kloster blieb meist in all dem Wirrwarr verschont; da
der Pfarrer Ramsteiner geflohen war und erst 1643 "’ieder zurückkehrte, so oblag den
Kapuzinern auch ganz allein die Seelsorge. Die Stadtkirche, die das Visitationsprotokoll
von 1616 als schmucklos, ohne Wandgemälde, außen getüncht, in gutem Zustand, mit
fünf würdig gezierten Altären geschildert hatte,4) war jetzt ausgeplündert und entweiht;
selbst die Türschlösser und Glockenseile waren der Raubgier nicht entgangen. 1661 nahm
W^eihbischof Gabriel Haug von Straßburg die eigentliche Konsekration der Kapuziner-
kirche (in honorem S. Christophori) vor. Schon 1676 erlitt die Pfarrkirche eine neuer-
liche Plünderung und Schändung durch die Kaiserlichen, dagegen blieb sie 1704,
31. August, als das ganze Städtchen durch die Franzosen niedergebrannt wurde, ver-
schont. Ein Erdbeben brachte der Kapuzinerkirche 1728 beträchtlichen Schaden bei.
Die Kapuziner hatten während des 17. Jhs. durch eifrige Missionierung, besonders
unter dem Guardian Maximilian von Kißlegg, die Rekatholisierung fast der ganzen Herr-
schaft Geroldseck, nach deren Übergang an Österreich (1649), bewirkt. Länger und
schwieriger gestaltete sich die gleiche Aufgabe im Oberprechttal, wo die Kapuziner-
mission bis 1743 dauerte.
Ende des 18. Jhs. war die Zahl der Klosterinsassen auf 17 gestiegen. Die
Reduktion, die der damalige Guardian aus Gründen der Disziplin beantragt hatte, trat
rasch genug von selbst ein infolge der Kriegszüge der neunziger Jahre, während deren
*) Vierordt a. a. O. I, S. 391. FDA. II, S. 38, 39.
2) FDA. II, S. 19.
3) Vgl. Konstanzer Nachr. 1893, Nr. 30, 31.
4) FDA. XIV, S. 274, 275.
596
KREIS OFFENBURG.
Kath .Pfarrkirche
Turm
die Patres entweder im Leprosenhaus oder in Bürgerhäusern wohnen mußten. 1795
beschränkte der fürstliche Obervogt die Zahl überhaupt auf vier; dem Guardian gelang
es zwar noch, beim Fürsten Karl die Erlaubnis zu erwirken, mit acht Konventualen das
Kloster beziehen zu dürfen. 1802 wurde das Kloster in fürstlichen Civilbesitz genommen
und bald hernach infolge ärgerlicher Vorkommnisse und innerer Uneinigkeiten nach
einer vom Geistlichen Rat Burg geführten Untersuchung nominell aufgehoben (1823),
doch konnten der Guardian Marcellian, Pater Leopold, der, zuletzt in der Stadt
wohnend, 1851 starb, und ein Laienbruder bis zum Aussterben die Klosterräume
bewohnen. Letztere kamen 1844 an die Gemeinde Haslach.1)
Grablegen befanden bezw. befinden sich noch in der Stadtkirche : außer der schon
erwähnten des Grafen Wilhelm das Grab einer Gräfin von Fürstenberg, Gemahlin Gozos
von Fürstenberg, geb. von Montfort, gest. 1341,2) das eines Fürstenbergers, vielleicht
dieses Götz, seit 1802 in der Kirche, vorher an deren Außenseite,3) die Epitaphien
des Grafen Johann von Fürstenberg (gest. 1332) und der Gräfin Anna, seiner Frau
(gest. 1382 ?), ehedem im Chor, heute nicht mehr vorhanden.4) In der Gruft der
Kapuzinerkirche wurden u. a. beigesetzt: der Gründer Friedrich Rudolf (gest. 1655),
sein Sohn Graf Maximilian Franz (gest. 1681), Graf Prosper Ferdinand (gest. 1704).
Neben der Kapuzinerkirche hatte Graf Maximilian eine kleine Lorettokapelle 1657
bauen lassen infolge eines Gelübdes, das er während einer schweren Erkrankung in Rom
gemacht hatte. Eingeweiht wurde sie 1661. Die Mühlenkapelle (zu Ehren Mariä Himmel-
fahrt) ist um 1622 erbaut worden; sie wird als ziemlich reich geschildert, die Einkünfte
aber kämen niemand zugut, sondern würden durch den Vogt verwaltet.5) Eine dritte
Kapelle stand auf dem Friedhof. Die Filialkapelle (S. Erhardi) in Hofstetten ist 1616
völlig restauriert und die »metilis« (wohl inutiles) Bilder entfernt worden.6) (Sauer.)
Die kath. Pfarrkirche (ad S. Arbogastum) ist mit ihrem Turm heute noch, wie
schon 1690, an das eine Zehnthaus angebaut. Von viereckigem Grundriß, aus Bruch-
steinmauerwerk erbaut, an den Ecken mit behauenen Sandsteinquadern, steigt der Turm
über dem Erdgeschoß noch in drei weiteren Geschossen auf, deren zwei untere einfache
Lichtluken zeigen, das oberste dagegen einpfostige Spitzbogenfenster mit flamboyantem
Maßwerk, die nach Osten und Westen teilweise durch die anstoßenden Dächer verdeckt
sind. Darüber ein Pyramidendach. Die Stockwerke des Turmes sind durch die übliche
gotische Wasserschräge voneinander geschieden. Das Erdgeschoß öffnet sich nach
Norden und Süden in spitzen Bögen, deren Laibung in zwei Hohlkehlen profiliert ist,
nach Osten, nach der Kirche zu, ist der Bogen jetzt zugemauert und enthält die Eingangs-
tiire, die Seite nach Westen war wohl stets durch einen Anbau abgeschlossen. Das
Erdgeschoß ist von einem Netzgewölbe überdeckt, dessen Rippen das übliche, nur ein-
mal hohlgekehlte Profil der Spätzeit zeigen.
4) Vgl. Hansjakob in FDA. IV, S. 135 ff.; FDA. XVIII, S. 195.
2) Aus der Freib. Predigerkirche 1802 in die Haslacher Kirche überführt (vgl. Allg. Intelligenz-
und Wochenbl. für das Land Breisgau 1802, Nr. 74, 75). Fürstenb. Urk.-Buch II, S. 145.
3) Fürstenb. Urk.-Buch II, S. 149.
4) Fürstenb. Urk.-Buch II, S. 1 1 7, 326.
°) Visitationsbericht von 1692, FDA. NF. IV, S. 295.
6) FDA. XIV, S. 275.
AMT WOLFACH. — HASLACH.
597
Am Äußern des Turmes über der nördlichen Bogenöffhung befindet sich eine
Tafel, von sich kreuzendem Stabwerk umrahmt, mit der Inschrift:
%\\ 11D l
bm i (R l
cccc i imi
Am Rahmen noch einmal die Jahreszahl • I • Ä • $ • I •, wonach also auch dieser Bau
unter der segensreichen Regierung Heinrichs VI. entstanden ist.
In der Westseite des Erdgeschosses eingemauert ein Relief (Sandstein), darstellend
den Sündenfall (s. Fig. 332). Links zwischen zwei romanisch stilisierten Bäumen die
sehr ungefügen Gestalten Adams und Evas, rechts Gott -Vater mit dem Kreuznimbus und
eine mir nicht deutbare kleine Gestalt, beide offenbar in Wolken, was wohl die Zacken
Fig. SS2- Relief im Turme/ dgeschoß der kath. Pfarrki/che in Haslach.
bedeuten sollen. Das Relief ist im Rundbogen geschlossen durch ein stark hervor-
tretendes Flechtband, es ist an der linken Seite beim Einfügen in diese Wand abgestückt
worden (hoch 95 cm, breit 1,70 m). Wir haben es zweifellos mit dem Tympanonrelief
einer romanischen Kirche etwa aus dem 12. Jh. zu tun und dürfen vielleicht annehmen,
daß diese im 15, Jh. der größeren Einwohnerzahl nicht mehr genügte, weshalb Hein-
rich VI. den Neubau begann, von dem heute auch nur noch der Turm steht. Denn
das heutige Langhaus ist ein späterer Erneuerungsbau des 1 8. Jhs. nach den Franzosen-
kriegen, in denen die Kirche offenbar sehr gelitten hatte. Der alte gotische Bau war
nicht so hoch, wie daraus ersichtlich, daß, von dem heutigen Dach bedeckt, das Gesims
des dritten Turmstockwerkes auch hier noch herumführt. Das heutige Langhaus ist ein
schlichter, einschiffiger Bau ohne Querschiff, mit einem Chor, der in drei Seiten des
Achtecks schließt und sich nach dem Langhaus in flachem Bogen öffnet. In beiden
flache Stuckdecke mit wenigen, aber gefälligen Stuckornamenten. Ebensolche auch
Langhaus
598 KREIS OFFENBURG.
an den Wänden der Kirche, feine Frucht- und Blattgehänge an den Lisenen, die das
Langhaus gliedern, auch eine Anzahl Symbole, sowie feine Girlanden über den Rundbogen-
fenstern. An der Orgelbrüstung Musikornamente in Palmenkränzen, alles Arbeiten vom
Fig. JJS-
Grabplatte der Anna von Fürstenberg, gestorben 1341, in der kath. Pfarrkirche zu Haslach.
Tafel XX
Haslach, Grabstein des Gbtz von Fürstenberg.
AMT WOLFACH. — HASLACH.
599
Anfänge des 18. Jhs. Das Äußere ist durchaus schmucklos, nur durch die Fenster
gegliedert. ’)
Von der Innenausstattung erwähne ich die zwei Seitenaltäre im üblichen Pilaster- Innenausstattung
aufbau des 18. Jhs.; die Orgel mit reicherer Rocailleschnitzerei, Figur des musizierenden
Davids und zweier Engel, wie auch die Orgelbühne, beide jedenfalls schon aus der
zweiten Hälfte des 18. Jhs. Ebenso die wie immer wirkungsvolle Kanzel. Einige
Ölgemälde, Durchschnittsarbeit der gleichen Zeit; desgleichen ein holzgeschnitztes
Kruzifix.
Auf dem neuen Hochaltar aufgestellt zwei flotte Barockbüsten des Petrus und
Paulus, Holz. (1876.)
An der Nordwand der Kirche jetzt aufgestellt (früher am Äußern) der sogen.
»steinerne Mann von Hasle«, die Grabplatte eines Grafen von Fürstenberg. Der Kopf Grabplatten
ruht auf dem großen Topfhelm, an dessen Büffelhörnern Tragbänder angebracht sind,
die Füße ruhen auf einem Löwen (Tafel XXI). Der Graf trägt den Kettenpanzer mit
der Beckenhaube und anschließender Kettenkapuze, den Waffenrock, auf seiner linken
Hüfte der Schild mit dem Wappen, neben seiner rechten Seite liegt das Schwert mit
dem Wehrgehäng. An seinen Füßen die angeschnallten Sporen. Er schaut klotzig und
kriegerisch drein, was der derben Hand des Bildhauers zuzuschreiben ist, aber nicht
schlecht zu dem 1341 verstorbenen Grafen Götz paßt. Ihn dürfen wir in dem Dar-
gestellten sehen.
Zwar hat Essenwein im »Anzeiger ftir Kunde der deutschen Vorzeit« 1880, S. 241, geltend
gemacht, das Denkmal zeige so altertümliche Formen der Rüstung, daß es wohl noch dem Schlüsse
des 13. Jhs. angehören könnte. Demgegenüber hat Riezler1 2) darauf hingewiesen, daß genealogische
Gründe die Identifizierung mit keinem anderen Fürstenberg gestatten. Auch scheint mir diese Tracht
noch in der ganzen ersten Hälfte des 14. Jhs. herrschend zu sein.3) Erst um 1340 und 1350 voll-
zieht sich hier der große Umschwung. (Sandstein 2,48 m hoch, 1,33 m breit.)
Diesem Grabmal gegenüber das der Gemahlin des Götz, der Anna von Fürsten-
berg geb. von Montfort, die wenige Monate vor ihrem Gemahl gestorben ist (s. Fig. 333).
Sie wurde in der Dominikanerkirche zu Freiburg beigesetzt; erst 1802 ist der Grabstein
hierher übertragen worden. Er ist jetzt 2,60 m hoch und 1,05 m breit, zeigt das
Fürstenbergsche und das Montfortsche Wappen in flachem Relief, darüber den Topfhelm
mit den Büfifelhörnern. Durch die Einmauerung des unteren Randes in den Fußboden
ist die Umschrift hier teilweise zerstört. Sie lautet :
II mino o di» o d 0 ccc / xli ° m ° Die o rylhrii_° & ° Dnsr ° jma °
VXOR ° D . . / comi / SIS o D o HVRSSBrG ° ß ÄSH ° D€ °
WVßSRORT o II
1) Im Jahre 1907 hat ein Erweiterungsbau der Kirche stattgefunden, das Langhaus der alten
und der Turm blieb erhalten, der Chor wurde abgebrochen, um für eine Verdoppelung des Lang-
hausraumes Platz zu schaffen. Neben dem neuen Chor wurde ein zweiter Turm errichtet in spätem
Barockstil mit Zwiebeldach. — Die Seitenaltäre und die Kanzel konnten in dem neuen Bau nicht
mehr verwendet werden. — Die Stuckdekoration des alten Langhauses wurde im neuen fortgeführt.
2) Riezler a. a. O. S. 257. Ebenda auch eine Abbildung des Grabmals sowie der weiter
unten erwähnten Grabplatte der Anna von Fürstenberg.
3) Siehe die Beispiele bei Hefner-Alteneck, Trachten, Kunstwerke und Gerätschaften
vom frühen Mittelalter bis zum 18. Jh., Bd. III2. — Über den Grabstein s. auch Näher, Die
Ortenau, S. 46.
Band VII.
39
6oo
KREIS OFFENBURG.
Glocken
Kirchengeräte
Kapuzinerkloster
Von den Glocken trägt die größere die Inschrift:
in öcm jor ba man satt nucccixxxxm tuarb im namcti gotcsä
a rer gloric criftc lieni cum pace.
Nach einer schriftlichen Mitteilung Mones ist sie ein Werk des Georg von Gundheim (?).
Die kleinere trägt die Aufschrift:
anno bomini mcccclxxxx jor taarb iclj gegoffcn d rer gtarie crcbeni cum pace.
Eine dritte Glocke stammt von 1595 mit dem Namen Susanna, einem aufgelöteten
Relief des Gekreuzigten mit Maria und Johannes sowie mir nicht lesbarer Inschrift.
An Kirchengeräten ist zu erwähnen : Kelch, silbervergoldet, getrieben, mit Rocaille-
I A
omamenten, Zeichen : ^ ; desgleichen, von gleicher Arbeit in sehr flüssigem Rocaillestil,
G I
Augsburger Zeichen, darunter K und ^ ; desgleichen, silbervergoldet, mit eingravierten
Ornamenten am Fuß und aufgelegtem silbernen Rankenwerk an der Cuppa; Speise-
kelch, silbervergoldet, getrieben, mit Rocailleornamenten ; Meßkännchen mit der Platte,
silbervergoldet, sehr hübsch getrieben, die Kännchen mit Rankenornament, die Platte
mit Früchten, an allen dreien steht eingraviert: Jac. Lipp; kein Goldschmiedezeichen,
etwa um 1700; große Sonnenmonstranz, silbervergoldet, getrieben, mit den Relieffiguren
der Heiligen Arbogast und Michael in dem Rankenornament, mittelgute Arbeit, ohne
Zeichen; Wettersegen, in gleichem Material und gleicher Technik mitRocailleornament; der
sechspaßförmige Fuß mit Maßwerkornament und eingravierter Figur des h. Christophorus
scheint älter zu sein und noch aus dem 16. Jh. zu stammen; ein Weihrauchfaß, silber-
getrieben, mit Rocailleornament, und ein Schiffchen des gleichen Stils ; ein Meßbuch mit
gravierten Beschlägen und unter der Jahreszahl 1700 eingraviertem Wappen des Pfarrers
Lipp, auf der Rückseite in rundem Schild Sämann.
Das Kapusinerkloster , zu dem (s. oben) 1630 der Grundstein gelegt wurde, ist
ein Komplex von sehr schlichten Gebäuden, wie es bei den damaligen geringen Mitteln
während des Dreißigjährigen Krieges nicht anders sein konnte: die einschiffige, von
Norden nach Süden gerichtete Kirche mit geradem Chorabschluß, daran anstoßend die
Sakristei, an die östliche Chorwand angebaut die Totenkammer. Gegen Westen die
Klostergebäude, östlich von der Kirche liegt die furstenbergische Grabkapelle, der
Madonna von Lorretto geweiht.
Die Kirche (ad S. Christophorum), jetzt Simultankirche, einschiffig, mit quadratischem
Chor und schlichter flacher Decke. Das Äußere wird nur durch die Rundbogenfenster
gegliedert, über dem Chorbogen ein kleiner Dachreiter. Ein rundbogiges Portal führt
an der Nordfassade hinein, darüber in reicher Rollwerkumrahmung mit gebrochenem
Volutengiebel, über dem ein Obelisk, eine Sandsteinplatte mit dem Wappen des Gründers
und der langen Inschrift, die anfängt:
FRIDERIC ■ RUDOLPH • COMES DE
FÜRSTENB : HEILGENB : ET WER
DENBERG • LANDGRAV • IN BAHRE
DNS IN HA/SEN
etc.
MDCXXXI
An dem Portal die Jahreszahl 1733.
AMT WOLFACH. - HASLACH.
601
Von der Innenausstattung bemerkenswert die Altäre : der Hochaltar, großer Innenausstattung
Barocksäulenaufbau, teilweise eingelegt, mit reicher Rocailleschnitzerei aus der Mitte des
18. Jhs. und einem Gemälde der Krönung Mariä aus der Mitte des 17. Jhs., von einem
italienisierenden Meister, der von der Barroccioschule beeinflußt ist. In der Mitte der
anwesenden Heiligen kniet ein Mann in spanischer Tracht, wohl der Stifter der Kirche.
Im Aufsatz eine Verkündigung des gleichen Stils. Die beiden Seitenaltäre im gleichen
Barockaufbau mit Rocailleschnitzerei. Der östliche umschließt ein Gemälde, den Tod des
h. Joseph darstellend, Durchschnittsarbeit des 18. Jhs., der westliche ein solches mit dem
Tode des h. Fidelis von Sigmaringen von einem Nachahmer der spanisch-napolitanischen
Malerschule. In den Aufsätzen beider Altäre unbedeutende Brustbilder von Heiligen.
Auf dem östlichen noch eine Holzstatue der Pieta, 18. Jh. — Die Kirche ist mit einer
schlichten Stabdecke gedeckt.
An der Westwand der Kirche große Inschrifttafel von schwarzbemaltem Holz,
flankiert von großen, gewundenen Säulen, die gebrochenen Giebel tragen, umgeben von
reichem Volutenwerk und versehen mit dem ftirstenbergischen Wappen. Auf der Haupt-
tafel steht:
D • O • M •
FRIDERICO RUDOLPHO COMITI A FÜRSTEMBERG
LANDGRAVIO IN BAARE ET STUELINGEN
DOMINO IN HOCHENHEWEN, ET HAUSEN VALLIS
KINTZIGI AN A E • etc.
SRI • CAES: MTIS A CONSILIO IMPERI ALI AULICO
ET AULICO BELLICO etc.
HUIUS MON ASTERII ET TEMPLI
FUND ATORI
QU1
CUM IN MUNDI HUIUS THEATRO PAREM SE MAG =
NIS N EGOTIIS EXCELSO ANIMO DIU PROBASSET
TANDEMQUE IN RERUM HUMANARUM TRACTATIONE
MULTUM MISERI ARUM COMPERISSET MILITIAL ET AU =
LAE EMERITUS HANC CRYPTAM SIBI ET POSTERIS
NEC ENIM IPSIS MELIOR PARANTUR
EXSTRUI MANDAVIT
TU BONE LECTOR
BENE ET E MORTE VITAM PRECARE
OBIIT D ATSCHITII IN MORAVIA
26 • $~BRIS
ANNO • I • 6 • 5 • 5 •
VIXIT ANNOS • 5} ■ M • 6 • D • } .
Unten am Postament eine weitere schwarze Tafel mit der, wie die obere, ver-
goldeten Inschrift :
39
002
KREIS OFFENBURG.
Kanzel
Kruzifix
Ölgemälde
Holzgitter
Winterchor
Kapelle
Bildstöcke
Klosterfriedhof
Friedhof
Friedhofskapelle
Innenausstattung
Grabplatte
Außeres
MAXIMILIANVS FRANCISCVS Comes de Fiirsteberg Land
gravius in Bahre et Stiiellinge Dominus in HoKeheiie & Haus~e Vallis Kynzing •
S • C • M • Camerar • et Equitü Dux Frid: Rud: Films
ob\\t WgeslYAo qVarto oQtobrls VI Val Deo, s\t perehls Ipsl gLorla
VI XI / et s V perne posltos, q V os \t[q\e praeterlre liö potWt
statVtos
sVos sVi staut Posterls
SIC SIMILIS patri natus, eritqj nepos.
Also 1742 von dem Sohne des Maximilian Franz errichtet. — Unter der Kirche
die Gruft dieser Fürstenberge.
Eine Kanzel mit Rocailleverzierung und gleicher Ausgestaltung wie die Altäre.
Am Triumphbogen ein holzgeschnitztes Kruzifix in halber Lebensgröße, mittlere
Arbeit des 18. Jhs., in der Kirche noch ein etwas geringeres aus dem 17. Jh.
An den Wänden in ovalem Rahmen Ölgemälde, den h. Arbogast darstellend,
weiterhin noch eine Kreuzigung, Durchschnittsarbeiten des 18. Jhs.
Vorn ist die Kirche durch ein Holzgitter mit geschnitztem Rocailleornament
abgeschlossen, das den Laien den Einblick in die Kirche gestattete.
An die südliche Abschlußwand des Chores stößt die Sakristei bezw. der Winter-
chor an, mit Kreuzgratgewölbe überdeckt.
Die nordöstlich von der Kirche stehende fürstenbergische Kapelle ist ein schlichter,
fensterarmer Bau mit hölzernem Dachreiterchen. An ihrer Osttüre die Jahreszahl 1720.
Vor ihr stehen zwei Bildstöcke : einer mit dem fürstenbergischen Wappen und
der Jahreszahl 1749, der andere mit säulenartig gebauchtem Sockel, datiert 1700.
Zwischen ihm und der Kirche liegt der Klosterfriedhof , auf dessen schlichten,
teilweise in die Erde versunkenen Steinen die Inschriften nicht mehr lesbar sind.
An die Westseite der Kirche schließt das Konventsgebäude an, ein einfacher Bau
aus Bruchsteinen und Riegelwerk, der einen einfachen Kreuzgang mit vierkantigen Holz-
stiitzen des Oberbaues umschließt. Wiederhergestellt, gäbe der Kreuzgang ein sehr
malerisches Bild ab. An seiner Südostecke die Küche mit mächtigem Rauchfang.
Nördlich vor der Stadt liegt der Friedhof mit der Friedhofskapelle, eine kleine,
einschiffige, gotische Kapelle mit geradlinig abgeschlossenem Chor, der, von gleicher
Breite wie das Langhaus, sich nach diesem in gedrücktem Spitzbogen öffnet. Auf beiden
Seiten je ein kleines, gekuppeltes Spitzbogenfenster. Der Bau aus Bruchsteinmauerwerk
mit Sandsteingewänden ist wohl spätmittelalterlich, aber nicht genauer zu datieren.
Innenausstattung: Kleiner Hochaltar mit Rocailleornamenten und einem Ölgemälde
der Krönung Mariä von einem Provinzmaler des 17. Jhs ; Seitenaltar mit gewundenen
Säulen und rohem Gemälde mehrerer Heiligen.
Vor dem Chorbogen liegt eine schmale Grabplatte, schräg rechtsgeteilt, mit zwei
Hirschhörnern in den Feldern, laut Inschrift, soweit lesbar, des Christophorus von Horn-
stein, gestorben 1758. An der Empore auf Holz gemaltes Wappen des Kanonikus Lipp
aus Straßburg, des Stifters oder Renovators der Kapelle. — Derbes Holzkruzifix des 18. Jhs.
Eine Rundbogen tür mit Hohlkehle, Rundstab und Volutenablauf führt an der
Fassade in die Kapelle; an der Südseite eine ähnliche mit der Jahreszahl 1603; was also
offenbar das Datum der Erneuerung der Kapelle vor der Zerstörung in den Franzosen-
kriegen gibt.
AMT WOLFACH. — HASLACH. 603
An der Außenwand eine Anzahl von Epitaphien eingemauert :
1. Korinthische Pilaster, die Gebälk und Volutengiebel tragen, an dem trauernde
Putten, umrahmen die mit Beschlägornament verzierte Nische, in der in Hochrelief
gearbeitet rechts (heraldisch) von dem Gekreuzigten der Vater mit zwei Söhnen, links
die Mutter mit zwei Töchtern kniet; über ihren Köpfen die Inschriften, und zwar
rechts :
SIMON FINCH HANS BENEDICK FINCK CHRISTOFFL FINCH
links:
MARTHA LIPPIN MARGRET DRADEA GEBERIN MARGRETA
ANNA MADENA.
Unter der Nische eine Rollwerkkartusche mit der Inschrift:
AUF SONDTAG DEN 16 JUNY 1611 : STARB
DIE EHREN ÜND TUGENDREICH FR AÜW;
MARTHA LIPPIN HERR SIMON FINCK OBERR
AMBTMANNS ZÜE HASLACH EHELICHE
HAÜS FR AÜW DEREN GOTT GENAT
Eine etwas derbe Renaissancearbeit. (Gelber Sandstein.) Die Begrabenen sind
die Stifter des Finckschen Bezirks-Almosenfonds.
2. In Rocaillekartusche, mit fünfzackiger Krone gekrönt, das Allianzwappen der
Begrabenen, darunter die Inschrift (in Kapitale), nach welcher hier liegt begraben die
frey reichs hochwohlgeborne Frau Maria Theresia von Pleyer gebohme von Reithling
des gottseeligen Frey Reichshochwohlgebohrnen herren Carl Antoni Pleyer von und zue
Ramsteinweiler hochfürstl. Fürstenbergischen Forstmeistern geweste Ehefraw ihres Alters
71 starb gottseelige den 8ten decembris 1764. spriche ruehe in den frinden • amen.
(Roter Sandstein.) Einfache Arbeit.
3. Der Grabstein des Franz Schaller, Priester, von 1789, Sandstein, mit Kelch,
Oblate und Stola; langatmige Inschrift.
4. Wappen : schräg geteilt, im Schrägbalken drei Lilien, unten rechts in Gold ein
Dreiberg, oben in Gold ein Vogel, darunter die Inschrift in Kapitale: hic sita sunt ossa
praen. d. Joseph: Ant: Romani Gebelede Waldstein Cons. Aul. S. P. de Fürstenberg
obiit pridie nonarum octob. aeta. 77 • R. I. P. (Sandstein, ohne Jahreszahl, Mitte 18. Jhs.)
Am Eingang von Hausach her schlichte kleine Kapelle von 1722. Uber der
Tür derbes Gemälde des h. Nepomuk, im Innern kleiner Barockaltar mit gewundenen
Säulen, ganz erfreuliches Werk der Gattung. In der Nische Holzstatuette der Madonna,
18 Jh., am Antependium gemalt die Immaculata im Rosenkranz.
Gegen die Stadt zu Bildstock des 17. Jhs. Von Profangebäuden ist zunächst zu
erwähnen das Rathaus , das in zwei Dritteln seines Erdgeschosses eine offene Halle ent-
hält, die sich in Rundbögen auf Pfeilern nach Hauptstraße und Marktplatz öffnet. Am
Äußern dieser Halle eine Sandsteinplatte eingemauert: Pilaster flankieren das fürsten-
bergische Wappen, unter dem die Inschrift:
ALBRECHT : GRAVE : ZU : FÜRSTENBERG : HEI
LGEBERG UND : WERDENBERG : LANDGRAVE :
IN BARE : ÜD HERR ZU : HUSEN : IM : KINIZ
GERTHAL.
An dem abschließenden Gebälk : I • 5 • 7 • 2 •
Epitaphien
Kapelle
Bildstock
Rathaus
604
KREIS OFFENBURG.
Pokal
Ein geriefelter breiter Wulst trennt das in Haustein aufgeführte Erdgeschoß von
dem in Riegelbau errichteten Obergeschoß. Vermutlich ist der Bau des Grafen Albrecht
in den Franzosenkriegen zerstört und nachher wieder aufgebaut worden. (Renoviert 1902.)
Fig. jjj. Fenster mit gemalter C mrahmung an dem ehemaligen Fürstlich fiirslenbo gischen
Zehnthaus in Haslach.
Hier wird aufbewahrt ein silbervergoldeter Pokal , von Astwerk und Blättern ^der
Haselstaude) getragen, auf dem Deckel eine kleine Blume in Silberfiligran. Eingraviert
an dem Bauch des Gefäßes ein Wappen: schräg linksgeteilt, im Schrägbalken drei
Sterne, oben heraldisch rechts ein Kreuz, unten links ein Kelch sowie die Inschrift .
»Caej. M. Jacob Lipp. S.S. S.S CCC. Not. Apost: Vice^ official: Archip: et par: in:
Hasct Geboren zu Haslach Anno 1640. Pfarrherr worden Anno 1669 & Gestorben allda
Aho 1700.« Auf der anderen Seite das Wappen der Stadt und die Jahreszahl 1700;
also eine Vermächtnisstiftung des Pfarrers Lipp. Das Straßburger Beschauzeichen dieser
IT
Zeit, die Lilie, darunter 1} und q .
Ebenda noch ein Holzstab mit messingener Schwurhand, angeblicher Rats-
herrnstab.
AMT WOLF ACH.
HASLACH.
Östlich und westlich von der Kirche stehen die fürstenbergischen Zehnthäuser:
das westliche, an den Turm angebaute diente zur Aufbewahrung des abgelieferten
Weines und ist ein einfacher Bruchsteinbau mit schmalen Lichtöffnungen, an den Ecken
Sandsteinquader. Das östliche, zur Aufbewahrung des Getreides dienende, in der
gleichen Technik erbaute
zeigt in seinen zwei Stock-
werken unregelmäßig ver-
teilte geradsturzige Fenster,
deren Laibungen hohl-
gekehlt sind, mit Voluten-
endigung, welches Motiv
sich auch an den kleinen
Kellerfenstem und an der
rundbogigen westlichen Fin-
gangstür (mit Rhomboid-
rosetten an der Archivolte)
wiederholt. Den Fenstern
der oberen Stockwerke
ist eine architektonische
Scheinumrahmung gegeben
von gebrochenen Giebeln
mit Vasen etc., unten mit
geradem Gebälk (Fig. 334).
Zwischen dem ersten und
zweiten Stockwerk zieht
sich eine gut ausgearbeitete
gotische Wasserschräge
bezw. Gurtgesims hin.
An der Südseite treffen
wir ein kleines Spitzbogen-
fenster. Ein stehen ge-
bliebener Mauerrest be-
stätigt die Vermutung, daß
das Gebäude nach vermut-
licher Zerstörung in den
Franzosenkriegen mit Be- Fig. jJS- Tür am Haus Nr. jo in Haslach.
nutzung des Alten um-
gebaut worden ist. Heute ist es vom Erdboden verschwunden, es hat dem Erweiterungs-
bau der Kirche weichen müssen.
Von Privathäusern ist zu erwähnen: Haus Nr. 50, Jos. Haberstroh, von dessen
spätgotischer, schöner Türe aus weißem Sandstein mit Hohlkehlen, Rundstäben auf
steilen kleinen, geriefelten Basen, oben in einem Kielbogen endigend, der von einem
Rundbogen durchschnitten wird, unsere Fig. 335 ein Bild gibt. Die holzgeschnitzten
Türflügel sind ein gutes Beispiel des ausgehenden Louis XVI.- Stils.
Zehnthäuser
Privathäuser
6o6
KREIS OFFENBURG.
Gutleutbriicke
Brunnen
Wasserspeier
Hauptstraße Nr. 67 ist ein leider verputzter, ursprünglich jedenfalls sehr malerischer
Riegelbau mit den hölzernen Fensterecken, im Innern einfache, quadratisch gemusterte
Holzstabdecken.
Ebenda Nr. 70 ein ebenfalls verputztes Fachwerkhaus; über der Tür steht:
I 7 • HAK • * • M • B • Z O •
Außerdem noch zu erwähnen die Häuser in der Hauptstraße Nr. 45, 58, 67, 71,
72, in der Eisenbahnstraße Nr. 57 als verputzte Fachwerkhäuser.
Die Gutleutbriicke , die dem Namen nach zu einem ehemaligen Gutleuthaus führte,
ist ein steinerner Bau mit zwei Bogenspannungen ; auf der Brüstung zu beiden Seiten
je eine Statue, einmal die Madonna in bauschigem Gewand, an dem Sockel die Inschrift :
CIVITAS
ME FIERI
CVRAVIT
ANNO • 175} •
Gegenüber der h. Nepomuk mit gleicher Inschrift. Beide zweidrittellebensgroße, dekorativ
wirksame Gestalten in der schwungvollen Haltung des Barock. Hoffentlich bleibt die
für das Ortsbild so wichtige Brücke erhalten.
Auf dem Marktplatz ein Bninnen (s. Fig. 336), die Schale in vierfacher, konkaver
Einziehung und mit interessanter Voluten- und Blattendigung am Überlauf. An dem
konkav eingezogenen Postament des Brunnenstockes die Maskarons, aus deren Mund
die Röhren hervorkommen, darüber die gebauchte Brunnensäule. Auf deren korinthi-
sierendem Blattkapitell die wohl spätere Statue des h. Sebastian. Das Ganze ein gutes
Spätrenaissancewerk aus dem Ende des 17. Jhs. Am Postament das Zeichen:
An einem Haus befand sich ehemals ein guter schmiedeeiserner Wasserspeier
mit Drachenfigur.
AMT WOLKACH. — HAUSACH.
607
Am Südausgang der Stadt ein Bildstock mit origineller Überleitung aus dem vier-
eckigen Postament in den runden Pfosten, an dessen oberem Ende vorkragende Voluten
die Ädicula tragen.
Bei Herrn Hubert Steider befinden sich einige Altertümer : eine holzgeschnitzte,
drittellebensgroße Statue der Madonna mit teilweise neuem Kind, Durchschnittsarbeit
aus der Mitte des 16. Jhs. ; eine fast lebensgroße Statue des h. Michael, mit dem
Schwert den Drachen tötend, tüchtige Arbeit vom Ende des 17. Jhs., angeblich aus dem
Kapuzinerkloster; einige kleinere Barockskulpturen: Dreifaltigkeit, Michael, Engel,
Christus auf der Weltkugel aus dem 17. — 18. Jh. ; ein Türrelief der Dreifaltigkeit aus
dem 16. Jh., von einem hiesigen Hafner stammend; eine kleine Tongruppe: Putten mit
Trophäen, etwa um 1700; ein paar recht zerstörte, aber gute Schränke bezw. Schrank-
türen aus dem 17. Jh.; eine Schwarzwälderuhr mit getriebenem Zifferblatt, 18. Jh. ;
geschnitzter Rokokorahmen und desgleichen Konsole; ein kleines Barockholzaltärchen,
geschnitzt und eingelegt, Rokoko ; ein Ölgemälde : Bauemscene, niederländisch. Am
Hinterhaus eingemauert Torso, Arme und Beine fehlen, eines Sandsteinkruzifixus, Arbeit
aus der ersten Hälfte des 1 6. Jhs. mit der üblichen Übertreibung des Brustkorbes.
HAUSACH
Schreibweisen: Husen 1179; castrum Husen 1246; Husen in Kinzgental 1272;
ze Husen uf der bürge 1328; Husen bürg und stat 1367 ; Hawsen im Kintzigental 1500;
Hausen 1551. (husen Dat. plur. von hüs; ze den hüsen = bei den Häusern.)
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 17 (1895), S. 91.
Literatur: R. Streit, Hausach und seine Umgebung, Freiburg 1890. Derselbe,
Der Burgenbau im Allgemeinen und die Hochburg Husen, Hausach 1899. Alberti,
Württemb. Adelsbuch, Heft 4 u. 5.
Ortsgeschichte: Im 1 1 . Jh. finden wir Hausach im Besitz eines Dynastengeschlechtes,
von dem Udalricus de Husen 1086 genannt wird, Rütmannus de Husin 1099. Er
war mit den Zollern und anderen Herren einer der vornehmsten Stifter des Klosters
Alpirsbach. Dann wird 1155 ein »Bertholdus vir illustris de Husen« genannt, der 1145
in das Kloster S. Georgen eintrat. ') Dem gleichen Geschlecht gehörte Friedrich von
Husen an, der als Kreuzfahrer in heißem Kampfe gegen die Sarazenen am Montag nach
Himmelfahrt 1190 fiel und vom ganzen Heere beklagt wurde. Die Genannten gehörten
wohl zu dem Hause der sogar unter den principes aufgeführten Dynasten von Wolfach,
das Ende des 13. Jhs. ausstarb. Uber den Übergang Hausachs an die Zähringer wissen
wir nichts Bestimmtes, jedenfalls aber finden wir es nach 1218 unter dem zähringischen
Erbe im Besitze Egenos des Bärtigen von Urach,* 2) wobei, wie bei allen diesen Besitzungen,
es nicht sicher feststeht, ob als Allod oder Reichslehen. Im 13. Jh. begannen die
Straßburger Bischöfe in erfolgreicher Weise nach Ausdehnung ihres Territorialbesitzes
zu streben, und wie Gengenbach, Offenburg, Ortenberg eroberte Bischof Heinrich von
Stahleck damals auch die feste Burg Hausen 1246, die jedoch bald wieder in den
urachischen Besitz zurückgekommen sein muß, denn in dem Teilungsbrief der Enkel
Egenos des Bärtigen, Konrads und Heinrichs (I.), mit dem zugleich die Scheidung in die
*) Kindler von IC nobloch I, S. 560.
2) Riezler a. a. O. S. 42.
Bildstock
Privat-
sammluDgen
Ortsgeschichte
6o8
KREIS OFFENBURG.
Freiburger und Fürstenberger Linie erfolgte (1372), finden wir »Husen« erwähnt,1) das
der Freiburger Linie zufiel, 1328 aber durch Erbschaft an Heinrich II. von Fürstenberg
zurückkam. Über die verschiedenen Linien, denen mit der Zeit Hausach wie die anderen
Kinzigtaler Orte zufielen, brauche ich mich hier nicht mehr zu verbreiten, da in dem Artikel
Haslach darüber ausführlich berichtet worden und die Geschicke beider Orte von 1328
an die gleichen waren. 1367 wird Hausach zum erstenmal als Stadt genannt; wann es
Stadtrecht erhielt, vermag ich nicht festzustellen. Hervorzuheben ist hier wie in Haslach
die Regierungszeit des letzten Grafen der Wolfacher Linie, des tätigen und begabten Hein-
rich VI., der zahlreiche Bauten aufführte. »Im 53 jar vieng er an Husen das schloß ze
buwen und ließ nit einen alten sparren darin und ließ den brunnen daryn bringen« etc.2)
Der Bau zog sich länger hin, 1466 wurde der Vorhof angelegt, 1467 das »schießhus
und der schutzrain zu husen uff dem schloß gebuwen .... und der under Zwingelhof
zu Husen«, 1477 »ward der hoch thurn zu Husen im schloß gebuwen und das huß uft
dem hof zugerüst«. Unterdes war das Städtchen 1468 zum größten Teil abgebrannt:
»Desselben (68) jares verbrann Husen das stättlin in der ynnern rinckmuren gantz untz
von Velsenbergs hus, und umb das sye wider buweten, schanckt inen graf Hainrich die
stur drey jar« etc. Burg wie Stadt verdankten also dem Grafen ein völlig verändertes
Aussehen, der auch als Gründer des Franziskanerklosters anzusehen ist. »In dioecesi
Constantiensi et in custodia Lacus 1475 rnonasteriolum in Hausach prope sacellum
S. Sixti donatum fuit nobis a comite de Fürstenberg ordinique et provinciae hoc anno
incorporatum authoritate apostolica in capitulo generali celebrato Urbini ad instantiam
et solicitationem fratris Georgii Summer, sacrosanctae theologiae doctoris ac lectoris
Argentinensis ac custodis Alsatiae.«3)
Der Nachfolger Heinrichs VI., Wolfgang, der die fürstenbergischen Lande wieder
alle in seiner Hand vereinigte, bestätigte Hausach am 5. Oktober 1493 sein Stadtrecht,4)
das wir hierbei zum erstenmal kennen lernen. Wir hören, daß der Graf den Schultheiß
setzt, wir hören von dem Rat, den »zwölf des gerichs (sic!)«, die von der Bürgerschaft
gewählt wurden, kurz, von der gleichen Verfassung wie in den meisten Städten der
Gegend. Am 25. Dezember 1498 bestellt der Graf einen Oberamtmann, dessen Nach-
folger eine Zeitlang auf der Burg residierten.
Von Bedeutung war dann wieder die Regierung des wilden Grafen, Wilhelms von
Fürstenberg. Von ihm begünstigt, drang die neue Lehre der Reformatoren überall im
Kinzigtal ein, wurde das Franziskanerkloster (1530) aufgehoben, wurden überall Prädi-
kanten angestellt, so auch hier, bis nach dem Sieg Karls V. über den Schmalkaldener
Bund 1547 und dem Reichstag zu Augsburg Wilhelm sich genötigt sah, die Regierung
an seinen Bruder Friedrich abzutreten, der bereitwillig das Interim annahm, welches denn
auch im Kinzigtale verkündet wurde. In den Verhandlungen des fürstenbergischen Amt-
manns mit den Pfarrherren wird zu Hausach Bastian Häckelmann genannt, der sich
verpflichtet, nichts wider das Interim zu predigen. Es dauerte immerhin noch Jahr-
zehnte, bis die neue Lehre gänzlich verschwand; erst während der Minderjährigkeit des
Grafen Albrecht von Fürstenberg war dieses Ziel erreicht. — 1629 wurde auch das
Franziskanerkloster wieder errichtet.
4) Fürstenb. Urk.-Buch I, Nr. 477.
z) Ebenda III, Nr. 371.
3) Ebenda I, Nr. 50.
4) Ebenda IV, Nr. 544.
Nord
-MW — f — f — f — f — f — l — f — i — f — f
Fig. JJ7- Plan der Stadl Hausach nach dem staatlichen Katastenverk vom Jahre 1SS1
mit eingezeichneten Befcsligingslinun .
Band VII. Zu Seite 609.
AMT WOLFACH. — HAUSACH.
609
Das 17. Jh. brachte auch dieser Stadt Unheil über Unheil. 1633 kam sie in die
Gewalt der Schweden, 1643 fiel die Armee Bernhards von Weimar über das Städtchen
her, plünderte es und äscherte es samt der Burg ein, welch letztere seitdem Ruine blieb.
Mit dem wechselnden Kriegsglück kamen nun Kaiserliche und Franzosen über das Land,
bis der Westfälische Friede einige Jahrzehnte der Ruhe brachte. In den ersten fran-
zösischen Kriegen auf deutschem Boden scheint Hausach einigermaßen verschont geblieben
zu sein, dagegen wurde es während des Spanischen Erbfolgekrieges von den Franzosen
Fig. 338 . Ansicht der Stadt Hausach nach einer Federzeichnung aus dem alten PlaJie
der Herrschaft Kinzigtal, Kopie von 1796.
im August 1704 verbrannt, und 1707 wüteten zur Abwechslung kaiserliche Husaren
hier. Von da an konnte sich die Stadt in langem Frieden erholen und hat auch in den
Kriegen nach der großen Revolution und während der Zeit Napoleons wenig gelitten,
da die Schanzen, welche die Österreicher 1814 anlegten und von denen noch bei Ein-
bach ein Rest erhalten ist, dank der Siege der Verbündeten nicht benutzt wurden. Acht
Jahre vorher, 1806, war Hausach badisch geworden.
Aus unserem Plan (s. Fig. 337) und der oben gegebenen Abbildung (Fig. 338) geht
die Anlage der Stadt hervor, deren äußere Umfassungslinie von größter Unregelmäßigkeit
KREIS OFFENBURG.
6 I O
ist und sich in der bedeutenden Verschmälerung nach Westen zu dem hier vorspringen-
den Burgberg anpaßt. Hier stand das untere Tor, nach Osten das 1826 abgebrochene
obere Tor. Die Stadt selbst ist offenbar aus einer Ansiedelung an der hier durch-
führenden großen Kinzigtalstraße entstanden, doch scheint die Anlage des südlichen
Stadtteils planmäßig geschehen zu sein, vielleicht nach dem Brande von 1466. Nach
unserem Bilde (Fig. 338) dürfen wir hier in der Mitte wohl einen Markt mit Marktbrunnen
vermuten. Die alte Stadtmauer ist im Süden noch als Untermauer der dortigen Häuser
erhalten, auch der Füllgraben vor ihr ist noch erkennbar, im Norden und Westen beruht
die Einzeichnung der Mauern zum Teil nur auf Vermutung, unterstützt durch einen
Gemarkungsplan von 1778 im Besitz der Stadt. An der Art, wie der obere Torturm
über die innere Mauer vorsprang, können wir, was ja eigentlich selbstverständlich, eine
äußere Mauer nebst äußerem Graben annehmen. Den östlichen Teil der äußeren Stadt-
Fig. jjg. Ansicht der Burgruine Hausach
von Westen.
mauer sehen wir noch auf dem Bilde Fig. 338. Dort auch die westlich gelegenen
Schanzen, über deren Errichtung wir nichts Genaueres wissen, denn die von der Armee
Bernhards von Weimar in aller Eile hergerichteten hat dieselbe vor ihrem Abzug mit
der Einäscherung der Stadt wieder zerstört, östlich vor der Stadt lag dem Plan von
1778 nach das kleine Franziskanerklösterchen sowie ein Zehnthaus.
Uber dem westlichen Teil der Stadt erhob sich im Süden die Burg in der Höhe
von 305 m auf einem Vorberge (s. Fig. 339). 1246 wird das »castrum Husen« zum
erstenmal genannt. Da aber bereits im n. Jh. ein Zweig des Wolfacher Dynasten-
geschlechts »de Husen« offenbar hier residiert, so dürfte schon damals eine mehr
oder minder ausgedehnte Burganlage hier bestanden haben. Diese scheint im 15. Jh.
den gesteigerten Bedürfnissen nicht mehr genügt zu haben, und so begann 1453 Graf
Heinrich VI. von Fürstenberg mit dem Neubau, über den wir durch die oben wieder-
gegebenen Notizen seines Schreibers unterrichtet sind. Das in Fig. 338 wiedergegebene
Bild der Stadt mit der noch etwas besser als heute erhaltenen Burg ergänzt dieselben,
seine verhältnismäßige Richtigkeit wird durch den Befund erwiesen.
AMT WOLFACH. — HAUSACH.
6l I
Die Burg ist durch einen künstlichen Halsgraben von dem überragenden Berge
geschieden. Der unregelmäßige innere Bering, etwa 40 zu 30 m groß, wird von einer
Mauer umgeben, die nach Süden, dem Graben zu, etwa 2 m stark ist, soweit sie noch
erhalten; nach Norden, wo ihre Mauern zugleich die Außenmauern des Palas waren,
zeigt sie eine Verdickung auf etwa 3 m. Die Mauern sind 1466 verstärkt worden; wir
dürfen danach wohl annehmen, daß sie älter sind als die Bauten Heinrichs VI. Etwa
5 m von der Mauer entfernt steht in dem südlichen Teil, also an der Angriffsseite, auf
einer kleinen felsigen Erhöhung der Bergfried (A), der nach Spisers Aufzeichnungen
0 10 20 30 W 50
Fig. 3 40. Plan der Burgruine Hausach.
1477 gebaut wurde. Maueransätze deuten darauf hin, daß zwischen diesem Turm und
der Mauer (C) ein Vorhof sich befand, ein ebensolcher südwestlich von dem Turm, wo
von der äußeren Mauer nur noch der Zug erkennbar, während die Innenmauer ( G)
besser erhalten ist. Hier war der Eingang in die Burg, der Burgweg führte vom Tal,
von Norden, an der Westseite des weiter unten zu nennenden Zwingers herauf, bog
dann nach Osten um und führte durch den Halsgraben bezw. am Anfänge desselben
herein. In der Nordwestecke des oberen Berings lag der einmal in stumpfem Eck
geknickte Palas (B). Neben ihm scheint in dem nördlichen Teil der Mauer (C) eine
Nebenpforte vom unteren Zwinger (Z) heraufgeführt zu haben. In der Nordostecke
KREIS OFFENBURG.
Bergfried
Palas
612
des Beringes die Spuren eines runden Flankierungsturmes ; wir wissen von zweien und
müssen den zweiten wohl irgendwo an der Südseite suchen. Gegen Nordwesten war
der große Zwinger (Z) vorgelagert mit einer nur etwa 1 m starken Umfassungsmauer
und einem runden, nach innen offenen Batterieturm, der drei Schießscharten, sogen. Maul-
scharten mit bis zu 3/4 m sich erweiternder Kammer aufweist. In diesem Teil sehe ich
den 1466 angelegten Vorhof, auch Vorburg oder Zwinger genannt. Die angeblich
einstmals in dem Batterieturm noch sichtbaren Gewölbespuren deuten auf einen nicht
weiter erstaunlichen Kellerraum, aber nicht auf einen Gang, über den die Volkssage,
wie immer, das Erstaunlichste zu berichten weiß.
Uber dem Halsgraben drüben, an der Bergseite, ist noch etwa 5 m lang ein
Mauerrest zu verfolgen, der entweder auf ein hier befindliches isoliertes Vorwerk deutet
oder wohl wahrscheinlicher mit der Mauer des Zwingers (Z) in Verbindung stand,
wonach hier mit Einschluß des Halsgrabens an der Südseite ein weiterer Zwinger zu
verzeichnen wäre. Um den Zwinger (Z) herum ist das Terrain so geebnet, daß wir
hier ein weiteres Vorwerk, vielleicht einen Wirtschaftshof zu vermuten haben. Eine
weiter noch nach Westen gelegene, ziemlich regelmäßige, oblonge Ebene mit undeut-
lichen Mauerresten an ihrer Nordwestecke läßt an eine weitere Anlage denken; in einer
dieser Anlagen dürfen wir wohl den 1467 angelegten unteren Zwingerhof vermuten, in
der anderen vielleicht den der gleichen Zeit entstammenden Schutzrain (?). Wo das
damit ebenfalls erwähnte Schießhaus stand, dafür fehlen alle Anhaltspunkte. Der 1453
genannte Brunnen, der bisher nicht gefunden, dürfte in dem oberen Bering der eigent-
lichen Hochburg zu suchen sein.
Auch eine Anzahl Gärten waren im 15. Jh. um das Schloß vorhanden, 1498
werden dieselben dem neu angestellten Oberamtmann Hans von Reckenbach zur
Benutzung übergeben.
Nach diesem Überblick über die Anlage gehe ich zur Besprechung der einzigen
etwas besser erhaltenen Teile über, des Bergfriedes und der Palasmauer. Ersterer, aus
Granitbruchsteinen oft von großer Mächtigkeit erbaut, wie die ganze Burg, ist in einer
Höhe von etwa 1 4 m erhalten, darüber der moderne Abschluß. Er ist von kreisrundem
Grundriß, der ganze Durchmesser beträgt 9 m, die Mauerstärke 3 m, der Durchmesser
des Innenraums 3 m. In etwa 6 ’/2 m Höhe vom Boden erblicken wir die alte Eingangs-
tür, spitzbogig, 2 m hoch, das Gewände von Sandsteinquadern mit Bossen und breitem
Saumschlag gebildet. Unter der einen Ecke der Türe kragt eine Konsole vor, unter
der anderen zeugt noch ein Loch von dem Vorhandensein einer zweiten, etwas höher
gelegenen, offenbar hat eine Holztreppe zu der Tür geführt. Ungefähr 60 cm über dem
Bogenscheitel des alten Eingangs um den ganzen Turm herum in jetzt etwa 2 m Abstand
voneinander Löcher für Balken oder Konsolen, vielleicht von einem Wehrgang (?). Im
Innern befand sich unterhalb der Türe ein hohes Geschoß bezw. Verlies, darüber sind
die Andeutungen zweier weiterer Geschosse zu konstatieren, wie unten jeweils in dem
Zurücktreten der Mauer zum Auflager der Balken. Die an den Turm ansetzenden
Mauerlinien sind auf unserem Grundriß ersichtlich.
Die Außenmauer des alten Palas steht noch in einer inneren Höhe von etwa 6 m,
in einer äußeren Höhe von 10 — 11 m. Sie ist wie der Bergfried aus Granitbruchsteinen
a) Streit, Der Burgenbau etc., S. 24.
AMT WOLFACH. — HAUSACH.
613
erbaut. In dem südlicheren Teil noch die Löcher von unten einem, oben zwei Fenstern
(eines wohl gekuppelt) enthalten, ähnlich in dem nördlicheren Teil. Da überall die
Fig. 341 • Ansicht der alten Kirche von Hausach ( von Osten atts).
Gewände herausgebrochen sind, läßt sich ihre Form nicht mehr feststellen. In der
Nordwand auch eine Schießscharte mit zwei schrägen Seitenschlitzen.
Diese geschilderte kleine, aber offenbar gute Anlage, auf den Granit des Berges
gegründet, beherrscht weithin das Tal; dem von Wolfach oder Steinach Nahenden
Vor-
geschichtliches
Eisernes Schloß
Alte Pfarrkirche
614 KREIS OFFENBURG.
erscheint von ferne die Burg, eine uralte Gründung, so wie wir sie aber heute sehen,
wohl das Werk Heinrichs VI. (Wth.)
Vorgeschichtliches: Als auf dem hiesigen Schloß gefunden, befindet sich in der
städtischen Sammlung in Lahr die Klinge eines Bronzebeils mit Schaftlappen und
Ringchen (W.)\ in den Großh. Sammlungen für Altertums- und Völkerkunde zu Karlsruhe
ein ebendaher stammendes eisernes Schloß (C. 8664).
Die alte Pfarrkirche (ad S. Mauritium) wird schon 1148 erwähnt, und zwar als
ecclesia quae est apud Husen, was doch wohl darauf zu deuten scheint, daß sie schon
damals außerhalb des Ortes gelegen war (s. Fig. 341). Dann dürften wir vielleicht — auch
der Heilige spricht für hohes Alter — eine fränkische Ansiedelung annehmen, während
der mittelalterliche Ort sich, um den Schutz der Dynastenburg zu genießen, weiter östlich
unter dieser bildete. Die Kirche wird weiter genannt in decanatu Kürnbach 1275, in
o 5 ,0 1? 2° «m
-M H — I — I 1 -I I I 1 I I f | 1—
Fig. 342. Grundr iß der allen Kirche in Hausach.
decanatu Rotwil zwischen 1360 und 1370, Kirche s. Moritzen zu Husen 1505, Kirche
s. Moricien und Jörgen zu Husen 1508 (Georg ist wohl um diese Zeit neu hinzu-
gekommen); 1396 wird ein Sippolt leutpriester zu Hausen im Kinzigenthal genannt, 1454
Niclaus von Tönen kirchherr zu husen, 1467 Michael Fabri presbiter ad ecclesiam
parrochialem opidi Husen, vacantem per mortem quondam Hainrici Behem, per Hainricum
comitem de Furstemberg et dominum in Husen vallis Kinczige praesentatus ; 1479 pfaft
Hans Schnider Kirchherr zu Husen im Kinczigental. 1548 lernen wir als Vertreter der
neuen Lehre den Pfarrer Sebastian Häckelmann kennen.
Wichtig für die Baugeschichte ist die Notiz, laut welcher am 3. Februar 1514 der Stadtrat zu
Freiburg dem fürstenbergischen Amtmann als Baumeister zu dem Bau der Pfarrkirche zu Husen den
Steinmetzmeister Erhärt empfiehlt wegen seiner Geschicklichkeit, der lange Zeit Polier am Freiburger
Münster war.1) Ich möchte doch glauben, daß das derselbe ist, bezüglich dessen derselbe Stadtrat
an jenen zu Straßburg schrieb : der Werkmeister am Freiburger Münster, Erhärt Im Kof, Steinmetz-
polier, wünsche an des verstorbenen Werkmeisters zu Straßburg Stelle zu kommen. Dazu empfahl
*) Z. 17, S. 288.
Tafel XXI
Hausach, Blick in den Chor der alten Kirche.
AMT WOLFACH. — HAUSACH.
6:5
ihn der Freiburger Stadtrat als einen ehrlichen, fleißigen, geschickten Mann, »dem meister und gesellen
uff unser frowen buw gemeinlich des lob geben, das er sinerkunst vast wol berumpt und bewart sy«.1) Es
wäre vielleicht eine lohnende
Aufgabe, auf Grund des Hau-
sacher Raues dem Meister
etwas nachzugehen.
Der Grundriß (vgl.
Fig. 342) zeigt uns ein ein-
schiffiges Langhaus, daran
anstoßend der Chor, süd-
lich von diesem der Turm,
nördlich die Sakristei. Der
reich ausgebildete Chor
(Tafel XXI) ist in drei
Seiten des Achtecks ge-
schlossen mit drei vorge-
lagerten Jochen und ist
eingedeckt mit einem
eleganten Sterngewölbe,
dessen mit Hohlkehle und
Birnstab profilierte Rippen
einander schneidend an
der Wand verlaufen. Die
runden Schlußsteine sind
heute neu gemalt. Erhellt
wird der Raum durch
sechs Spitzbogenfenster mit
flamboyantem Maßwerk,
die in den Achteckseiten
zweipfostig, die übrigen
einpfostig. An der Nord-
seite führt eine spitzbogige
Tür in die Sakristei, deren
Gewände in Hohlkehlen
und teils stumpf ver-
laufendem, teils sich im
Spitzbogen schneidendem .
Stabwerk besteht. Die
vorderen Stäbe wachsen
aus hübschen steilen Basen
hervor, die auf der einen
Seite gerautet, auf der
-
0 so 700 Centum.
Fig. 343- Alte Kirche in ffausach, Türe vom Chor in die Sakristei.
anderen mit Zickzackkannellüren versehen sind. Zwischen dem Stabwerk das Zeichen:
rp. Uber dem Scheitel des
x) z. 15, s. 128.
Bogens eingehauen die Jahreszahl : f ^ ^ J ^ (j>
Bau-
beschreibung
Band VII.
40
6i6
KREIS OFFENBURG.
Der Türflügel selbst entstammt der gleichen Zeit und besitzt noch das alte, wirkungs-
volle schmiedeeiserne Beschläg mit Schloß (s. Fig. 343). Gegenüber führt eine Türe
in das Turmerdgeschoß, die durchaus ähnlich behandelt ist. Eine Stufe erhöht den
östlicheren Teil des Chores, an dieser Stufe eingehauen:
anno bin tn cccccfu.
Gleich nach der Stufe im östlicheren Teil an der Nordwand das außerordentlich reiz-
volle Sakramentshäuschen (Tafel XXII), eine Flachnische, von Rundstäben auf steilen,
gerauteten Basen flankiert, die den Kielbogen mit dem astartigen Maßwerk tragen,
weiterhin große architektonische Umrahmung von Fialentürmchen mit Krabben und
Kreuzblumen und ein Ausklingen dieser Dekoration in gemalter Architektur, die bei der
Renovation der Kirche am Anfänge des 20. Jhs. aber von Grund aus erneuert worden ist.
Zu bemerken auch das schöne schmiedeeiserne Durchsteckgitter mit Rosetten an den
Kreuzungspunkten.
Gegen das Langhaus zu öffnet sich der Chor in hohem, gedrücktem, kämpferlosem
Spitzbogen, der in Hohlkehlen und Stabwerk profiliert ist; letzteres auf schräg kannellierten,
gerauteten (etc.) kleinen Basen läßt einige Nebenstäbe am Bogen sich totlaufen. An
dem Gewände noch die Angriffspunkte des ehemaligen Abschlußgitters zu sehen.
Am Äußern des Chors, den Ansatzpunkten der Gewölberippen entsprechend,
doppelt abgetreppte Strebepfeiler, die eine Abtreppung durch die um den ganzen Bau
sich herumziehende Wasserschräge, die zugleich Kaffgesims der Fenster ist, bewirkt. Die
Strebepfeiler sind in konkaver Schweifung abgedeckt. Das Sockelgesims des Chors ist
etwa 50 cm hoch, oben mit einer Hohlkehle abgeschlossen.
In der Nordostecke von Langhaus und Chor ist die Sakristei angebaut. Sie ist
mit einem geradscheiteligen Sterngewölbe überdeckt, dessen Rippen mit der üblichen
trockenen Profilierung der Spätzeit ohne Konsolen in den Ecken verlaufen. Von Norden,
Osten und Westen erhält sie Licht durch kleine lukenartige Fenster mit geradem Sturz
und Blendkielbogen, am nördlichen im Sturz die Jahreszahl :
an den beiden anderen ein Wappenschild mit Kelch. An der Nordwand der Sakristei
ein Wasserablauf. Am Äußern derselben 1 m hoher Sockel, der im Osten plötzlich
abschneidet und sich in zwei Stäben kreuzt über der geradsturzigen Tür mit Blendkiel-
bogen, die in den unter der Sakristei befindlichen Raum (Beinkammer?) führt. — Alle
diese Bauten sind aus Bruchstein, haben Gewände von rotem Sandstein und an den
Ecken Quader des gleichen Materials. In derselben Technik ist der Turm erbaut, von
quadratischem Grundriß, das Erdgeschoß wie die drei Obergeschosse jeweils durch
Wasserschräge voneinander getrennt. Im Erdgeschoß noch die Ansätze des ehemaligen
Rippensterngewölbes, nach Osten und Süden zwei im Kielbogen geschlossene Licht-
luken, im ersten Geschoß geradsturzige, im zweiten zwei ähnliche und eine im Dreieck
geschlossene Luke, im dritten, das Dach überragenden Glockengeschoß nach allen vier
Seiten einpfostige Spitzbogenfenster mit flamboyantem Maßwerk. Darüber ein Sattel-
dach, dessen beide Giebelseiten nach Norden und Süden mit entsprechenden Luken
schauen.
Tafel XXII
Haus ach, Sakramentshäuschen in der alten Kirche.
AMT WOLFACH. — HAUSACH. 6 I 7
Das einschiffige Langhaus ist flachgedeckt und präsentiert sich nach außen ohne
Sockel und reichere architektonische Ausbildung. Einpfostige Fenster mit teils Fisch-
blasenmaßwerk, teils Vierpässen erhellen es. Im Innern an der Nordseite eine kleine
kielbogenförmige Wandnische. Die später eingezogene Empore mit schlichten Holz-
stützen hat in dem vorderen, westlichen Teil das Einbrechen zweier Rundfenster nötig
gemacht, zu der gleichen Zeit hat man weiter an der Nordwand ein geradsturziges Fenster
aus irgendwelchen Gründen eingebrochen.
An der Westfassade eine schlichte spitzbogige Eingangstür. Hier wurde wohl im
18. Jh. ein jetzt sehr malerischer Vorbau vorgelegt, der die zur Empore führenden
Treppen enthält. An der äußeren Nordwand des Langhauses ist über einer später ein-
gebrochenen geradsturzigen Tür ein dreieckiges altes Tympanon eingemauert, Sandstein,
Fig. S44- Romanisches Tympanon mit der Kreuzigung von der alten Kirche in Haus ach.
1,75 m breit und 1,05 m hoch (s. Fig. 344). Im Mittelfelde der Gekreuzigte, wie es
scheint noch bartlos, mit Lendenschurz, neben ihm Johannes, die Hand klagend oder
deutend erhoben, auf der anderen Seite Maria mit ähnlicher, kaum mehr erkennbarer
Handbewegung. Das Kreuz geht ohne Abgrenzung in die Einfassung über. Die Scene
ist gedacht in einer romanischen Architektur, wir^ sehen zu beiden Seiten eine Säule mit
Würfelkapitell mit zwei Pfeilern durch Rundbogen verbunden, oben dagegen einen Pfeiler
zwischen zwei Säulen, von denen die Rundbogen weiterführend gedacht sind. Im ganzen
wie im einzelnen erinnert diese Architektur an die Hirsauer Bauschule, was bei den
nahen Vorbildern von Alpirsbach und Gengenbach wohl kein Wunder ist. Und wenn
wir dazu die äußerst plumpen Skulpturen ansehen, so möchten wir geneigt sein, das
Werk noch in das Ende des 11. bezw. den Anfang des 12. Jhs. zu datieren, allerdings
mit dem Vorbehalt, daß die Rückständigkeit eines Provinzialkünstlers auch noch später
etwas derartig Primitives geschaffen haben kann. Wir kämen aber mit dieser Datierung
in die Zeit, in der die Kirche zum erstenmal genannt wird, nämlich 1148.
40*
Langhaus
Tympanon
KREIS OFFENBURG.
Innenausstattung
Seitenaltäre
Kanzel
Holzfiguren
Grabplatten
Stein kruzifix
6 18
Die Baugeschichte dürfen wir folgendermaßen rekonstruieren: Am Anfänge des
12. Jhs. wurde die erste Kirche hier gebaut, wovon dieses Tympanon allein noch Zeugnis
gibt. Diese genügte am Ende des Mittelalters nicht mehr, und so plante man vielleicht
schon unter dem baulustigen Heinrich VI. einen Neubau. Erst unter dem Grafen
Wilhelm aber kam man dazu und holte sich den Baumeister aus Freiburg, den Meister
Erhärt, der dort am Münsterchor und vermutlich auch am Straßburger Münster gearbeitet
hat; man legte also offenbar Wert auf einen tüchtigen Meister. Dieser begann mit dem
Chor; 1514 bis 1516 etwa, also ziemlich rasch, wurde dieser und die Sakristei aufgeführt,
in schnellem Anschluß daran wohl der Turm. Der lichte Chor von bester Raumwirkung
ist eine sehr stattliche Leistung der Spätgotik, er wie Sakristei und Turm in allen Einzel-
heiten fein durchgearbeitet. Der Turm in seiner schlichten und schlanken Erscheinung
zeugt von der weisen künstlerischen Beschränkung, dem Maßhalten des Meisters. — - Nach
Vollendung dieser Teile aber gingen offenbar die Mittel aus. Der wilde Graf wurde
von den Stürmen seines Lebens bald hierhin, bald dorthin verschlagen, sein Vermögen
schmolz, und so begnügte man sich mit dem einfachen, flachgedeckten Langhausanbau,
dem später, im 18. Jh., die Empore ein- und die Vorhalle zugefugt wurde.
Von der Innenausstattung der Erbauungszeit ist nichts mehr erhalten, dagegen
manches aus dem 1 8. Jh. So der gut gearbeitete Hochaltar aus der zweiten Hälfte des
18. Jhs. Auf der Mensa das Tabernakel, gute Holzschnitzerei mit Voluten und Girlanden,
größere, reich bewegte Engel sitzen neben ihm, auf ihm kleinere Putten und das Pelikan-
symbol. Darüber in gutem Rocaillerahmen Ölgemälde, Halbfigur Christi mit Kreuz
und brennender Lampe, gute Arbeit eines deutschen Nachahmers des van Dyck. Darüber
ein Holzkruzifix mit der Drehung des Körpers in verschiedener Richtung, ein gut durch-
gearbeitetes Werk des 18. Jhs. Die zwei Seitenaltäre zeigen den üblichen Aufbau des
Barock mit gewundenen Säulen und gebrochenen Giebeln. Auf dem nördlichen eine
Madonnenstatue aus Holz, mittelmäßige Arbeit aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs., auf dem
südlichen verblaßtes Ölgemälde der Maria und Johannes, jetzt auf leeren Zwischenraum
deutend, wo ehemals wohl ein Holzkruzifix angebracht war. Davor Holzstatuen der
Madonna, des h. Michael und eines heiligen Bischofs, handwerkliche Durchschnittsarbeiten
des 17. Jhs. ; an der Predella auf Holz Ölgemälde der Kreuztragung, Werk des 16. Jhs.
nach älterem Vorbild. An dem nördlichen ebenfalls eine Predella, eine Darstellung der
Seelen im Fegfeuer, Schnitzerei des 17. Jhs. Die Kanzel ist eine einfachere Barock-
arbeit des 18. Jhs. Aus der gleichen Zeit wohl der übertrieben lange und derbe Holz-
kruzifixus über der Nordtür. Im Chor ein einfacher achteckiger Taufstein. Die drei
Glocken sind von Matthäus Edel in Straßburg gegossen, und zwar im 18. Jh.
In der Sakristei einig z Holzfiguren: ein h. Michael in der bewegten Haltung des
Barock aus dem 18. Jh. ; eine trefflich gearbeitete Figur des guten Schächers, mit noch
knittrigem Faltenwurf des Schurzes, aber schon raffinierter Fleischbehandlung des 17. Jhs. ;
eine Holzstatue der Madonna, mit seidenen Gewändern bedeckt, Durchschnittsarbeit
des 17. Jhs.
Auf dem Friedhof drei einfache und verwitterte Grabplatten, eine von 1703
trägt die Inschrift in Kapitale: Hier ruhet neben Jacob Glück sein ehliche Hausfrau
Catharina Moserin geb. 1618. gest. 1703; darüber ehemals Christusfigur, jetzt abgebrochen
und daneben aufgestellt. Ebenda ein Steinkruzifix , schlichte Arbeit von 1753.
AMT WOLFACH. — HAUSACH.
619
Nicht weit entfernt an der Straße ein Kruzifix , mit zwei unteren Seitenarmen,
vom Sockel ausgehend, auf denen Maria und Johannes stehen. Am Sockel Relief der
Gefangennahme Christi und ein weiteres, den h. Wendel darstellend. Sandstein, teil-
weise noch in ursprüng-
licher Bemalung, Sockel
mit Rankenornament, ein
derbes, aber besonders
reiches und deshalb inte-
ressantes Werk der Gat-
tung. Weiterhin aufPosta-
menten mit Rocaille-
ornamenten die Sand-
steinstatuen der h. Jung-
frau und des h. Nepomuk,
Durchschnittsarbeiten von
1770.
Am Weg nach Has-
lach einfacher Bildstock
des 18. Jhs.
Über der Kinzig drüben
die Reste einer der oben-
genannten Bastionen, noch
Wall und Graben sichtbar.
Neue kat/i. Pfarr-
kirche (ad S. Mauritium).
Die Kirche ist ein Neu-
bau vom Ende des 1 9 . Jhs.
In der linken Seiten-
kapelle neu gefaßte, 80 cm
hohe Holzstatue der
Pietä, gute Arbeit vom
Anfänge des 16. Jhs., die
Madonna mit lebendigem
Ausdruck und stark be-
wegtem, knittrigem Falten-
wurf. In der Sakristei
ca. 80 cm hohe Holzfigur
des h. Sebastian mit stark
hervortretendem Brust-
korb und perückenartigen Locken, neu gefaßte Durchschnittsarbeit von etwa 1520;
Hochrelieffigur des h. Sixtus, derbe Schnitzerei aus der Mitte des 16. Jhs.
Kirchengeräte : Kelch, silbervergoldet, getrieben, mit Rocailleomamenten und der
eingravierten Inschrift: »Diser Kelch Gehert zur Glichischen Capelaney auf hausach
1783«, weiter eingraviert kleine Fortuna und B W 1766. Verwischtes Beschauzeichen
und Goldschmiedezeichen I B ; ein weiterer in gleichem Material mit gewundenem Fuß,
Fig. 345- Hausach , Portal des sogen. Kaplaneihauses.
Kruzifix
Sandstein-
statuen
Neue kath.
Pfarrkirche
Holzstatue
Kirchengeräte
6 2 o
KREIS OFFENBURG.
ohne Zeichen ; ein schlichter desgleichen mit Augsburger Zeichen und L S (?) ; Sonnen-
monstranz, gleiches Material und Arbeit, Stil Louis XVI. mit Augsburger Zeichen,
darunter A und F A G; eine zweite, kupfervergoldet, getrieben, mit in Silber getriebenen
Engeln, Dreifaltigkeit und Madonna im Relief, kräftig getriebenen Engeln am Fuß;
Kreuzpartikel, silbervergoldet, getrieben, aus der Mitte des 1 8. Jhs. ; Wettersegen in der
Form einer kleinen Sonnenmonstranz, silbervergoldet, mit aufgelegtem silbernen Ranken-
werk und eingravierten Ornamenten am Fuß ; weißer Rauchmantel, Stoff neu mit wieder
verwendeter alter Seidenstickerei von Blumenranken, gutes Werk des 18. Ths.
Ölgemälde In der Kirche noch ein Ölgemälde , darstellend die Madonna vom guten Rat mit
Rahmen dem Kind, Durchschnittsarbeit des 18. Jhs., in vorzüglichem Rahmen mit kraftvoll
geschnitzten Rocailleornamenten. Ferner ein Prozessionskreuz auf hoher, mit geschnitztem
Rankenwerk verzierter Stange, Kruzifix selbst gute Schnitzerei des 18. Jhs. Auf dem
Kruzifix rechten Seitenaltar ein holzgeschnitztes Knizifix auf Sockel mit Voluten, mittlere Arbeit
der gleichen Zeit.
Franziskaner- Das Franziskanerkloster wurde, wie in der geschichtlichen Einleitung gesagt
kloster .
worden, 1475 unter Heinrich VI. gegründet.) 1530 war es »ruinosum et derelictum«
und wurde dem Grafen von Fürstenberg verkauft. 1619 begann die Neugründung.
Das Kloster lag, wie aus dem Gemarkungsplan ersichtlich, im Osten vor den Mauern der
Stadt. Nur die kleine, schmucklose Kapelle S. Sixti erinnerte noch an dasselbe, ist
aber jetzt verbaut.
Uber dem Dorfe Hausach auf dem stattlichen, bewaldeten Kreuzberg, der auch
Kapelle das Schloß überragt, liegt die kleine Kapelle (ad S. Crucem), die einer Vision des
Pfarrers J. Rothweiler ihren Ursprung verdankt, ein schlichter Bau von 1746, einschiffig,
mit Rundbogenfenstern ; an den Fenstern sind die Linien der geplanten bezw. verwischten
Bemalung vorgeritzt. An der Westfassade die Konsolen, welche die Außenkanzel tragen
sollten. Im Innern ein Haupt- und zwei Seitenaltäre in dem üblichen Barockaufbau
mit Säulen und Giebeln, in den Altären Gemälde des 19. Jhs. An der Decke leichte
Stuckornamente in beginnendem Rocaillestil.
Häuser Von Häusern ist zunächst das sogen. Kaplaneihaus zu erwähnen, gestiftet von
Glück 1784, das Sandsteinportal (s. Fig. 345), mit Rocailleranken und -blattwerk ver-
ziert, über dem Sturz eine Kartusche mit dem Reliefbild der Fortuna (Glück) und der
Inschrift :
GLÜCK UND
WERA ISCHES
KAPL ANEY
HAUS
J 7 8 +
Auch die einfache, holzgeschnitzte Tür von guter Wirkung. An den Schlußsteinen über
den Fenstern des Erdgeschosses eine Anzahl Embleme, Krone, Tiara etc.
Im übrigen ist noch eine Anzahl Fachwerkhäuser zu erwähnen, zum Teil leider
verputzt.
Schmiedeeiserner Am Gasthaus »Zum Hirsch« schmiedeeiserner Schild um 1800.
Schild
*) Mone, Quellensamml. III, S. 633.
AMT WOLFACH. — HOFSTETTEN. (HEIDBURG.)
Ö2I
HOFSTETTEN
Schreibweisen: Elofstetten 1363; Hoffstetten 1475; Hoffstätten 1502. (= Hofstätte.)
Literatur: Heinr. Hansjakob, Im Paradies, Tagebuchblätter, mit einer Ansicht
von Hofstetten, 1897.
Ortsgeschichte: Der Hauptort liegt in einem Seitentale des Kinzigtales, da, wo
sich dasselbe in drei kleinere Täler scheidet. Die einzelnen Höfe und Wohnstätten sind
auf vier Täler verteilt und auf zehn Zinken. Der Ort gehörte wohl seit dem 13. Jh.
den Grafen von Fürstenberg und teilte die Schicksale der Kinzigtäler Lande, bis er mit
diesen 1806 an Baden kam. Der Zehnte gehörte den Herren von Geroldseck.1)
Die kath. Kirche (ad S. Erhardum) findet ihre erste mir bekannte Erwähnung
bei Kolb.2) Der heutige Bau stammt aus den Jahren 1832 und ist ein Werk der auf
Weinbrenner folgenden Schule. In der Kirche ist der Hochaltar zu erwähnen, ein
einfaches aber gutes Werk des Rocaillestiles. Die zwei Seitenaltäre , die aus dem
Kloster Tennenbronn stammen sollen, zeigen den üblichen Aufbau des 18. Jhs., mit
Voluten, geschwungenem Giebel, Engelsköpfen, und wirken dekorativ gut. Der eine ist
der h. Jungfrau zu den drei Birken, der andere dem h. Wendel geweiht. An der rechten
Seitenwand aufgestellt eine große Holzstatue der Madonna aus dem 18. Jh., etwas ober-
flächlich, aber wie gewöhnlich von einem geschickten Wurf.
Von den Glocken stammt die eine aus der Edelschen Werkstätte in Straßburg
(18. Jh.), also wohl aus der alten Kirche, die beiden anderen sind neueren Datums.
In der Sakristei ein Schrank mit reicher Rocailleschnitzerei. An Kirchengeräten
ein schlichter Kelch, silbervergoldet, mit dem Augsburger Zeichen und S ; ein Wetter-
segen in der Sonnenform, aus dem gleichen Material; eine Kreuzpartikel, messingvergoldet,
mit gravierten Ornamenten.
In den Tälern einige Bauernhöfe und Häuser, die mehr oder minder gut erhalten
die typische Form des Schwarzwaldhauses aufweisen.
Vor dem Gasthaus »Zu den drei Schneeballen« ein Brunnen , Sandstein, von 1815,
in den Formen des ausgehenden Empire.
Auf den Höhen gegen Welschensteinach zu finden sich Grenzsteine des 18. Jhs.
Zu der Gemeinde Hofstetten gehört die nur noch in wenigen Trümmern erhaltene,
auf der Höhe von 618 m gelegene
HEIDBURG
Schreibweisen: Heideberg 1289; Heideburg 1351 dü vesti, du gelegen ist
zwüchent Eltzach und Haseloch uf der hohi; Heydeburg 1358; Haidburg 1413; daz
burgstal 14./15. Jh. ; Heydburg 1476; Heidtberg des schloß 16. Jh. (Burg im Heide-
land; doch auch möglicherweise = arx paganorum, vgl. Haidenbühl.)
Die Burg wird, wie aus obigem hervorgeht, erstmals 1289 genannt, 1351 schon im
Besitze der Grafen von Fürstenberg. Möglich, daß sie als zähringisches Erbe in den
Besitz des Hauses gekommen ist. Damals verpfänden die Grafen Heinrich und Hug
einen jährlichen Zins von 50 Mark Silber von ihrer Burg Heidburg und vier Meierämter
Ortsgeschichte
Kath. Kirche
Hochaltar
Seitenaltäre
Holzstatue
Glocken
Schrank
Kirchengeräte
Brunnen
1) Großherzogtum Baden 853.
2) Kolb n, S. 81.
6 2 2
KREIS OFFENBURG
Ortsgeschichte
an Johans Geburen Wittwe, Elisabeth Kotzin, von Freiburg.1) 1358 gelobt Graf Hug
dem Bischof von Straßburg, mit allen seinen Vesten, darunter »Heydeburg, so sü irloset
wiirt«, auf zehn Jahre zu dienen.2) 1359 bekundet Graf Hug, daß der Pfandsatz infolge
einer Nachzahlung von seiten der beiden Gläubiger auf 550 Mark gestiegen war.3)
Durch Erbschaft gelangte dann die Pfandschaft an Johans von Valkenstein, Sneweli
Im Hofe, Ritter, Hanmann von Hornberg, ein Edelknecht, und Hanmann Gebüre,
Berhtolt des Geburen sei. Sohn, ein Burger von Friburg. Ihnen konnte in diesem Jahr
Graf Hug 425 Mark von dem Pfandsatze zurückzahlen, worauf bestimmt wurde, »daß
fortan nur id/2 Mark Gilt, die mit 125 Mark wiederkäufig sein sollen, und zwar an
Johans von Valkenstein, Ritter, fallen«.4)
Es ist hier nicht der Ort, auf die verschiedenen Verpfändungen, Vererbungen etc.
einzugehen,5) die Falckenstein blieben im Besitz der obigen Pfandschaft, 1493 sitzt ihr
Vogt auf der Burg: »mins hem von Valckenstains burgvogt zu Heidburg«, 1502 nennt
sich Sigmund von Falckenstein noch »friher zu Heitberc«,6) 1519 aber verkauft er seine
veste Heidburg an Wilhelm und Friedrich, Grafen zu Fürstenberg.
1289 hören wir von einer Kapelle S. Michaelis, im 16. Jh. von zwei Altären in der-
selben: »Heidberg hat gehört in die pfarr Eltzach, dieweil der von Valckenstein ingehept
und besessen hat, und von dem pfarher von Eltzach versehen worden .... es sind auch
zween altaria in dem schloß, der ein ist Costentzer, der ander Straßburger bistumbs,
und ist der in Costentzer bystumb gewyhet, der ander nit.«
Wann die Burg verlassen wurde, weiß ich nicht anzugeben. In den letzten Jahr-
hunderten ist sie in gründlicher Weise als Steinbruch benutzt worden, so daß die heutigen
geringen Spuren keine Anhaltspunkte mehr über ihre Anlage geben.
KALTBRUNN
(ROSSBERG und WITTICHEN)
Schreibweisen: Kaltabrunnen 1336; Kaltabrunn 1348; Kaltenbrunnen 1357;
Caltenbrunnen 1372; Kaltenbronn 1488; ze Kalbrunncn 1504.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 153 — 155.
Ortsgeschichte: Die Gemeinde Kaltbrunn setzt sich aus den Zinken Gallenbach,
Grtißgott, Heubach, Kaltbrunn, Reilinsberg, Rinkenbach, Roßberg, Vortal und Wittichen
zusammen. Dieselben verteilen sich auf eine Anzahl kleiner Gebirgsseitentäler, deren
Bäche in die Reinerzau fließen ; am Wittichenbach liegt Wittichen, das heute als Hauptort
Kirche, Schulhaus und Rathaus enthält, am Kaltbrunnerbach liegt der Ort, nach dem die
Gemeinde heißt. Älter als er wohl die Ansiedelung auf dem Roßberg, auf dem schon
früh eine Pfarrkirche stand, sowie das Kloster Wittichen. Im Anschluß an dieses mögen
auch hier sich Bewohner angesiedelt haben. 1336 wird Kaltbrunn zum ersten Male
4) Fürstenb. Urk.-Buch II, Nr. 287.
2) Ebenda Nr 331.
3) Ebenda Nr. 340.
4) Ebenda Nr. 412.
5) Ebenda III, Nr. 111 und weiter Nr. 119, 123, 239 etc.
6) Kindler von Knobloch a. a. O. I, S. 335 f.
AMT WOLFACH. — KALTBRUNN. (ROSSBERG.) 623
genannt. Es gehörte zur Herrschaft Schenkenzell, also den Herren von Hohengeroldseck,
und wurde mit dieser Herrschaft durch den Verkauf Gangolfs von Hohengeroldseck
fürstenbergisch, was es bis zum Übergang an Baden 1806 blieb.
Kapelle : »in villa Kaltbronnen capella in honore beatissimae virginis Mariae et
s. Sebastiani ecclesiae in villa Rossberg annexa 1501«. Mit der Verlegung der Pfarrei
vom Roßberg nach Wittichen wurde die Kapelle Filiale hiervon. Die 1501 erwähnte
Kapelle steht wohl heute noch in der Friedhofskapelle, einem kleinen spätgotischen Bau
aus Bruchsteinmauerwerk mit Sandsteinen an den Gewänden. Ein Rechteck, das in
drei Seiten des Achtecks geschlossen ist, in diesen geradsturzige Fenster mit abgefastem
Gewände aufweist, jeweils ein gleiches an den Langseiten. Eine spitzbogige Tür führt
in die Kapelle. An der nördlichen Langseite eine kleine Sakramentsnische, in spitzem
Kleeblattbogen und darüber Kielbogen geschlossen, an der die Jahreszahl: I + 7 + , die
mit obiger Notiz zusammengehalten also wohl die Erbauungszeit angibt.
An der Glocke, deren Henkel zopfartig gedreht sind, steht:
ljan^jocrg * £tb(cr ♦ bon * e*>ling ♦ goö ♦ mtrfj ♦ bo * man ♦ satt -m cccclm ?? *
jat • o^anna ♦ ftaiS ♦ irij.
Eine der Kapelle gehörige Holzfigur war bei meinem Besuch nicht zu sehen, weil
auswärts zur Reparatur gegeben.
An einem Haus in der Nähe des Friedhofes zwei dreipaßförmige Schlußsteine
eingemauert, der eine die Halbfigur Christi, der andere die eines bärtigen Heiligen im
Relief enthaltend, gute, spätgotische Sandsteinarbeiten, die aus dem Kloster Alpirsbach
stammen sollen. (Vielleicht aus der um die Zeit der Erbauung des Hauses zerstörten
Bücherei ?)
ROSSBERG
Schreibweisen: Rosberch 1275; Rosberg 1337; Rossberg 1398; uff Roßberg 1493.
(Roß Pferd.)
Ortsgeschichte: Auf dem 749 m hohen Roßberg, wo heute nur noch eine Kapelle
und einige Bauernhöfe liegen, muß ehemals eine bedeutendere Ansiedelung bestanden
haben. Sie gehörte, wie Kaltbrunn, in die Herrschaft Schenkenzell, also den Herren
von Hohengeroldseck, bis diese 1498 durch Kauf an die Fürstenberg überging. 1806
wurde Roßberg badisch.
Kapelle (ad S. Georgium): Bereits 1275 wird eine Kirche erwähnt: Rosberch in
decanatu Kürnbach sive Sultz-(bäch), 1324 in decanatu Krumbach (Kürnbach) seu Obern-
dorf. 1331 schenkt Walter von Geroldseck »magistrae et conventui monasterii in
Widechenstain ins patronatus ecclesiarum parrochialium in Schenkenzella et in Rosse-
berg«. Und so hören wir denn zwischen 1360 bis 1370: »ecclesia Rosberg in decanatu
Oberndorf pertinet monasterio sanctimonialium in Widchen«. 1501 werden die patroni
coeli genannt: »ecclesia parrochialis in honore sanctorum Egidii confessoris et Ursule
sodaliumque«. Jetzt ist die Kapelle Filiale von Wittichen (Kaltbrunn). — Ein flach-
gedeckter, kleiner, einschiffiger Bau mit Chor, der aus drei Seiten des Achtecks geschlossen
ist. Roh behauene Sandsteinquader und Bruchsteinmauerwerk. An zwei Ecken des
Chorabschlusses sind kleine, einfache Strebepfeiler angebracht. Das Zurückspringen der
Mauer kurz über den Fenstern im Chor deutet auf ursprünglich andere Bedeckung. Im
Kapelle
Schlußsteine
Ortsgeschichte
Kapelle
624
KREIS OFFENBURG.
Ortsgeschichte
Chor: drei einpfostige Spitzbogenfenster mit Fischblasen- und Kleeblattmaßwerk. Ein
gleiches in der Südseite des Langhauses. An dessen Nordseite und im Chor noch je
eine schmale Lichtluke, nach außen spitzbogig geöffnet. Der Chor öffnet sich im Rund-
bogen gegen das Langhaus. An der Nordseite des Chors befindet sich eine Tabemakel-
nische, geradlinig abgeschlossen, die Laibung durch Hohlkehlen und Rundstäbe auf den
üblichen schlanken, geriefelten Rasen gegliedert, die Nische umgeben von sich kreuzendem
Astwerk. Daneben ehemalige, jetzt zugemauerte Spitzbogentür. An der Südostseite
des Chors kleine dreieckig abgeschlossene Nische für ewiges Licht.
Übliche spätgotische, einfach profilierte Mensa.
Von der Ausstattung die kleinen barocken Seitenaltärchen zu erwähnen. Die
Glocke in dem kleinen Dachreiterchen war bei meinem Besuch nicht zugänglich.
Eine Inschrift über dem geraden Sturz der Eingangstür: NM 1826 BG, läßt auf
eine damalige Renovierung schließen. Eine gründliche Restaurierung erfuhr das
malerische Kirchlein in den ersten Jahren unseres Jahrhunderts durch den staatlichen
Konservator der Baudenkmale, Oberbaurat Kircher.
WITTICHEN
Schreibweisen: viculus qui vocatur Wittic.hiwilare 1091; villa juxta Schiltach im
Ktinzinger thal prope arcem Wicktenstein, spectans ad ducem de Theck 1324; Grünen
Widechen 1099; Grunenwitichin nach 1127; terra sancti Benedicti in loco Witichin
nach 1127; Widechen 1332; Widchenstain 1336; Witchen 1348; Wittichen 1348;
Wittechen 1349; Wichenstein 1352; Widchen zwischen 1360 bis 1370; Wickten 1466;
Wittheyn 1481; Wicktenn 1488 etc. (Stein des Witicho.)
Die Ortsgeschichte ist im wesentlichen in der Klostergeschichte enthalten, doch
muß hier noch der Burg gedacht werden, die im 13. und 14. Jh. hier stand: Wittichen-
steinensis arx 1293, die bürg zu Witechenstain, die zu Sulz in die herschaft gehört 1312,
burgstall Witchenstein 1344, ain halb mile von Schenckenzell ain bürg, hieß Wickestain.
Auch ein Geschlecht kommt vor, der Zweig eines württembergischen Hauses nannte sich
nach der Burg: Walther der schenke von Andegge, Burkart der schenke von Wittech-
henstein sin sweher 1297. 1364 aber hören wir von einem Ulrich von Wytken. Von
der Burg, die, wenn man nach dem Namen schließen darf, sehr alt gewesen sein dürfte,
ist heute auch nicht die geringste Spur mehr erhalten.
Bergwerk : berg und bergwerkh zue und by dem gotzhuß genant im Wittechen-
stein 1517. Trenkle, Schwarzw. Industrie, S. 325. (Wth.)
Literatur: Leben der seligen Liutgart, der Stifterin von Wittichen, von Pfarrer
Berthold von Bombach. Mo ne, Quellensammlungen zur bad. Gesch. III, S. 438 — 468.
Jahrgeschichten der Franziskaner in Baden, ebenda III. S. 643 — 648. Fürstenb. Urkunden-
buch, 7 Bände, Tübingen 1877/1891. Mitteilungen aus dem Fürstenb. Archiv, 2 Bände,
Tübingen 1894/1902. Fickler in Schönhuts Burgen, Kirchen und Kapellen Badens
und der Pfalz II, S. 91— 108. Reichenlecher, Die sei. Luitgard und das ehemalige
Kloster W., 2. Aufl., Passau 1889. Baur in FDA. NF. I, S. 54. Ruppert, Gesch. der
Mortenau I, S. 149, 150. Kolb, Lexikon III, S. 394 ff. FDA. XXII, S. 18 1. Krueger,
Topograph. Wörterbuch II2, S. 1485 — 1487.
AMT WOLFACH. — KALTBRUNN. (WITTICHEN.)
625
Die Gründerin des Wittichener Klosters, Liutgard, wurde als armer Eltern Kind
im Schenkenzeller Tal nahe der Burg Wittichenstein 1290 oder 1291 geboren. Im J. 1302
fand sie Aufnahme im Tertiarierinnenkloster zu Oberwolfach. Wunder und Vorzeichen
begleiten ihren Eintritt ins Leben wie jeden wichtigeren Schritt desselben ; Visionen und
die Versenkung in die Geheimnisse mystischer Kontemplation begegnen allerwärts in
der kurz nach ihrem Tod (vor 1356; mit späteren, bis 1394 reichenden Zusätzen) von
einem sonst unbekannten Pfarrer Berthold verfaßten Vita, die zu den anmutigsten Proben
mystischer Literatur zu rechnen ist (Hss. aus dem Laßbergschen Nachlaß in Donau-
eschingen). Zu beachten ist auch, daß Liutgard mit den Zentren mystischen Lebens
am Oberrhein, Günterstal, Königsfelden und Töß in direktem Verkehr stand.
Es ist nicht recht klar, weshalb Liutgard das Wolfacher Kloster verließ und sich
zu einer Neugründung entschloß. Nach der Vita wäre jene Niederlassung von Johann XXII.
aufgelöst und den Schwestern das Tragen der Ordenskleidung untersagt worden; indes
läßt sich das Mutterkloster noch 1329 nachweisen, *) da das Wittichener Klösterchen
schon bestand. Die »Jahrgeschichten« verlegen die Gründung des letzteren ins J. 1324
und sagen, daß anfangs nur zwei Schwestern von Wolfach herübergezogen, daß aber
1325 alle 34 Schwestern in Prozession gefolgt seien. Da das Gebiet der Neugründung
den Geroldseckern und dem Herzog von Teck gehörte, suchte Liutgard erst bei letzterem
um Unterstützung und beim Geroldsecker Vogt auf der Burg Schenkenzell um Erlaubnis
nach. Die Geroldsecker Herrschaft wies ihr sofort das Erträgnis der S. Katharinen-
Pfründe an. Weitere Mittel verschaffte sich die Selige auf Bittgängen nach Straßburg,
nach Aarau und zur Königin Agnes in Königsfelden. An letzterem Ort wird ihr der
gleichzeitig stattfindende Brand ihres Klösterchens geoffenbart(i 327). Agnes soll daraufhin
die Kosten des Neubaues (1329) getragen und Güter in Brugg angewiesen haben.
1330 wurde die Kirche konsekriert zu Ehren Mariens, der Heiligen Katharina, Klara,
Franciscus, Petrus und Paulus und aller Heiligen (Haupttitulus Allerheiligen).
Wie die Geroldsecker die Stiftung von Anfang an begünstigt, so förderten sie sie
durch mancherlei Zuwendungen. 1327 schenkten Walter von Geroldseck und der durch
seinen Besitz gleichfalls an dem neuen Gotteshaus interessierte Graf Georg von Veldenz
den Kirchensatz von Roßberg, wogegen sich die Familie Geroldseck für alle Zeiten das
Vogtei- und Schirmrecht garantieren läßt; 1331 der gleiche Geroldsecker den viel einträg-
licheren Kirchensatz von Schenkenzell, dessen Kirche 1350 völlig inkorporiert wurde.2)
1348 treten er und seine zwei Söhne zu ewigem Zinslehen gegen jährlich 4 Pfund Heller
den Wald in Wittichen ab,3) dieser Waldzins wird aber zunächst 1358 den zwei ins Kloster
getretenen Töchtern eines Toley zugewendet, nach deren Tod er erst frei dem Konvent
zufallen soll. Herzog Albrecht und seine Gemahlin Johanna schenken 1340 400 fl., womit
für alle Zeiten zwei Priester unterhalten werden sollen.4) Eine Straßburgerin, Duda,
Witwe des Bürckelin genannt Schaffner von Westhoven, vermacht 1376 einen Hof samt
allem Zubehör in Molsheim (gelegen neben Mag. Mathias von Neuenburg).0) In großer
Menge häuften sich in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts die Schenkungen von seiten
L Fürstenb. Urk.-Buch V, S. 381.
2) Regesten der Bischöfe von Konstanz II, Nr. 4529 und 5009.
8) Ruppe rt, Gesch. der Mortenau I, S. 500.
4) Vgl. Lichnovsky, Gesch. des Hauses Habsb., Regg. von Birk III, S. 1235.
5) Z. 21, S. 294.
Ö2Ö
KREIS OFFENBURG.
des Kinzigtäler Adels wie der Gemeinen. So kam 1347 der Kirchensatz von Weitingen
durch Volz Neuneck ans Kloster, 1352 der von Hohenmössingen, 1357 der von
Hierlingen mit dem Zehnten in Frommenhausen. Besonders ausgedehnt war der Besitz
in Rottweil. Hier wie in Hohenmössingen, Horb, Gengenbach, Lahr, Straßburg, Villingen
und Brugg (jährlicher Ertrag 4500 fl.) waren besondere Schaffneien. Auch an Privilegien
fehlte es von Anfang an nicht. 1330 wurde durch eine Ablaßverleihung die Bedeutung des
Gotteshauses erhöht; 1336 die Hintersassen und das Gesinde des Klosters von der kirch-
lichen Zuständigkeit in Reinerzau gelöst und nach Wittichen gewiesen; 1339 wurde der
Kirche das Begräbnisprivileg verliehen bezüglich aller, die sich dort bestatten lassen
wollten.1) Der Vorsteherin wurde durch eine Verfügung Gregors XI. (1376) der Titel
einer Äbtissin bewilligt und der Personalstand des Klosters auf 50 festgelegt. Im 14. Jh.
vollzog sich nach der Klostertradition auch die Umwandlung des Tertiarierinnen-
konvents in ein Klarissinnenkloster. Wann das geschah, wissen wir nicht; wir haben
nur die nachträgliche päpstliche Bestätigung von 1402. Aber da schon 1331 »von
Wittgenstein St. Claren-Ordens« die Rede ist, wäre es denkbar, daß das Klösterchen von
vornherein eine Klarissinnenstiftung war und daß gerade der Wechsel der Regel mit dem
Preisgeben des Wolfacher Klosters zusammenhängt.
Das 1 4. Jh. ist unverkennbar die Blütezeit des weltverlorenen Schwarzwaldklöster-
chens; die Selige selbst sah es noch in voller Entfaltung, da sie erst 1347 oder 1348
starb. Wenig nur ist aus dem folgenden Jahrhundert bekannt ; und das Wenige
beschränkt sich auf einen Schutzbrief des Kaisers Sigismund (1417) und auf eine
Bestätigung des Vogteirechts für Diebolt und Gangolf von Geroldseck (1473). I5°° aber
geht dieses Recht zugleich mit der käuflichen Erwerbung der Herrschaft Schenkenzell
zufolge kaiserlicher Verfügung an Graf Wolfgang von Fürstenberg über. Diese Ver-
bindung brachte in der Folge das Kloster mit der Kinzigtäler Herrschaft in die Wirren
der Reformation. Graf Wilhelm, der Nachfolger, versuchte auch hier 1540 die neue Lehre
einzuführen : die Klosterfrauen wurden verjagt oder zum Heiraten angehalten, die Kloster-
urkunden weggenommen, die Pfarre Roßberg beseitigt und die Glocken in Straßburg
zu Geschützen umgegossen. Der Pfarrer von Roßberg, der jetzt ein Prädikant war, sollte
laut »Befelchzedel« von 1542 im Kloster selbst amtieren und die noch gebliebenen
(zuletzt nur noch zwei) Nonnen der neuen Lehre gewinnen. Noch ist das Verzeichnis
aller Wertgegenstände erhalten, die in den J. 1546 und 1547 auf Befehl des Grafen
dem Kloster weggenommen wurden. Es sind meistens wertvolle Paramente, die an
Bekannte und Verwandte des Grafen Wilhelm verschenkt wurden; an Dreikönig 1547
alle »briefe« über Schaffneien, 18 silberne Becher von 20 im Inventar von 1542 ver-
zeichneten, 6 silberne Kelche von 7, 2 Sakramentsbüchslein.2) So war tatsächlich die
Säkularisation über dieses Frauenkloster verhängt. Als Prädikant von Wittichen wird
der bejahrte Jakob Gyr, von Schenkenzell Georg Häner genannt. Nach Einführung des
Interims und nach dem Tode des Grafen Wilhelm nahm die Gegenreformation wieder
ihren Einzug; aber die sittliche Verwilderung, eine Folge des glänzenden Wohlstandes
und der durch die Reformation hervorgerufenen Ungebundenheit, beschäftigte fast ein
Jahrhundert lang die weltlichen und geistlichen Behörden unablässig mit den abstoßendsten
*) Regg. der Bischöfe von Konstanz II, Nr. 4528 und 4575.
2) Mitteilungen aus dem Fürstenb. Archiv I, S. 415.
AMT WOLFACH. — KALTBRUNN. (WITTICHEN.)
627
Skandalen. Wohl wurde, wie
schon 1512 durch den ober-
deutschen Provinzial Georg
Hoffmann eine Reformord-
nung erlassen worden war, ')
nach der Wiederherstellung
des Katholizismus wiederholt
der Versuch gemacht, das
Kloster gründlich zu refor-
mieren; so wurde 1568/69
ein Reformentwurf festgestellt,
nach dem durch Schwestern
aus Valduna bei Feldkirch
eine Regeneration der Kloster-
disziplin herbeizuführen war.
Aber das Übel nahm unter
diesen Neuangekommenen
eher noch zu. Eine zweite
Reformordnung wurde 1571
getroffen.1 2) Der Dreißig-
jährige Krieg brachte zu
diesem moralischen Elend
noch reichlich Ungemach und
äußere Sorgen. Wiederholt
mußten die Nonnen (1620,
1624, 1632) mit der wert-
vollsten Habe sich flüchten ;
1636 wurde aber auf der
Flucht der Klosterbeichtvater,
der Kelch und andere wert-
volle Geräte an sich ge-
nommen hatte, erschlagen.
Vier Jahre später wurde das
ganze Kloster, nachdem es
sich noch wenige Jahre vorher
bei Bernhard von Weimar
von der Brandschatzung frei-
gekauft hatte, niedergebrannt
mit dem größten Teil der
Kirche und dem nahen Wald.
Nachdem 1642 das Ganze
1) Mitteil, aus dem Fitrstenb.
Archiv I, S. 14.
2) Ebenda II, S. 12 1 — 157.
■l'/g- 34^- Kanzel der ehemaligen Klosterkirche in Wittichen.
628
KREIS OFFENBURG.
wieder aufgebaut war, fiel es, mit Ausnahme der Kirche, schon 1663 einem dritten Brande
zum Opfer. Erst zum Jahre 1681 vermelden die Jahrgeschichten den Neubau, den Pater
Euprepis geleitet haben soll. 1629 war die Gruft der Gründerin geöffnet und deren Gehirn
laut Gutachten des Dr. Gabler, Leibarzt des Markgrafen Wilhelm von Baden, des
Physikus Jakob Häusler von Villingen und des Dr. Kiefer von Straßburg in wunderbarem
Zustande gefunden worden. — Auf die späteren zum Teil langwierigen Streitigkeiten mit
den Kapuzinern, die teilweise aus materiellen Gründen die Beichtväter für das Kloster
zu stellen wünschten, sowie mit den Fürstenbergern wegen Kompetenzanfechtungen
braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Wittichen wurde, noch bevor es an
Baden fiel (1806), von den Fürstenbergern (1803) säkularisiert, den Nonnen aber gestattet,
bis zum Aussterben des Konventes im Kloster zu bleiben. Bezüglich des Kirchenschatzes
sind zwei Inventare wertvoll aus den J. 1542 und 1565. Sie zeigen uns das Kirchlein
entsprechend dem Wohlstand des Klosters in sehr guter Ausstattung: es werden zahl-
reiche Meßgewänder aus Samt, Damast und Seide, zum Teil reich gestickt, aufgeführt,
ein schwarz-rot-gelber »fürhang« für das Sakramentshäuschen, zwei gestickte »Fürhänge«
für die Altäre, ein »goldengestickter Borden mit den zwölf Aposteln« für einen Altar, ein
»blau schettern Sakramentstüchlein«, in einer »Schindellade eine kupfer« vergoldete Mon-
stranz, zwei silberne Meßkännlein, ein silbernes Kruzifix, sieben gewirkte Bankkissen, ein
ebensolches Stuhlkissen, eine Decke auf der Stifterin Grab, zwei gemalte Tücher mit
dem König Pharao und der Krönung des Herrn, ein grünes Tuch auf der Gräfin Grab,
sieben Kelche, für die Schwestern silberne Becher, Löffel u. a. Der Schatzbestand
von 1542, der 1546/47 teilweise reduziert wurde, befand sich zum Teil im Kreuzgang
in einem »Kensterli«, zum Teil in der Custorie, zum Teil im Gewölbe.1) (Sauer.)
Die heutige Kirche ist ein einschiffiger Bau mit polygonaler Apsis und hohen, rund-
bogigen Fenstern, also wohl der schlichte Neubau von 1681. Doch blieben bei den
Bränden 1642 und 1663 offenbar die unteren Mauern der gotischen Kirche stehen und
konnten bei dem Neubau benutzt werden, wie die an den Chorteilen erhaltene gotische
Wasserschräge und die spitzbogige Eingangstür in die Kirche mit hohlgekehltem Gewände
bezeugen. An der Decke des Chors Deckenbild mit der Stigmatisation des h. Franz,
ein weiteres Bild unter der einfachen Empore.
Innenausstattung Die Innenausstattung stammt ebenfalls zum größten Teil aus der Zeit nach 1781,
Altäre so Altäre und Kanzel. Der Hochaltar, großer Säulenaufbau mit verkröpftem Gebälk
und flachrundem Giebel, reich geschnitztem Rankenwerk, Holzstatuen der Heiligen Franz
und Liutgard sowie kleineren Heiligenstatuen auf der Bekrönung, Putten etc. (auch am
Tabernakel), umschließt ein Gemälde der Krönung Mariä und aller Heiligen, ein mittel-
gutes, wirksames Werk vom Ende des 1 7 . Jhs. Auf dem Bild ein Wappen : springender
I G G D
Hund mit rotem Halsband, darüber Kardinals (?) hut, dabei die Schrift: gy. Die
beiden Seitenaltäre zeigen die gleiche Ausbildung wie der Hauptaltar, ohne nennens-
Kanzei werte Einzelheiten. Die Kanzel (s. Fig. 346), mit reicher Ranken- und -Bandschnitzerei,
zeigt unten die Gestalten der vier Kirchenväter, an dem von Voluten getragenen
Baldachin die Figur der Stifterin mit dem Kirchlein und einen posaunenblasenden Engel.
Taufstein Der Taufst ein (Sandstein) in schlichter, sechskantiger Form trägt das Monogramm
Mariä und die Inschrift: IOHANNES DER DAVF . .
*) Mitteilungen aus dem Fiirstenb. Archiv I, S. 323 ; II, S. 89.
AMT WOLFACH. — KALTBRUNN. (WITTICHEN.)
629
An Epitaphien enthält die Kirche eine größere Anzahl. Zunächst ist die Gruft Epitaphien
der Stifterin mit einer Platte geziert, auf der in flachem Relief ihre Figur ausgehauen ist,
der leere Raum zu ihren Füßen mit Maskarons und Beschlägomament ausgefüllt (17. Jh.),
die Umschrift lautet:
S • LEUDTGARD • STIFTERIN DISES GOTTSHAUS WITTICHEN.
Darunter angebracht ein kleiner Steinsarkophag mit der Aufschrift 1629, der das
Gehirn der Heiligen enthalten soll. Uber der großen Platte ein Ölgemälde, wohl aus
der gleichen Zeit, auf dem die Heilige dargestellt ist und die Klostergebäude, wie sie bis
1855 noch bestanden.
An der Wand daneben zwei Grabplatten, die beide in Umrißlinien eingeritzt die
Figur eines Priesters mit Kelch zeigen in eleganter Zeichnung des 14. Jhs. Leider sind
die Steine sehr abgetreten, so auch die Umschriften. Von der einen ist entzifferbar:
ncis Dfiß . racoiijiuß . oe . ß jjß ßuo.
von der anderen :
+ • jrrmo tmi imo (?) (Do^sauß eßs
oeß viciLi . . . io^ji . . euß . jive.
Weiterhin die Grabplatte der Gräfin Barbara von Fürstenberg, geb. Montfort, oben
das Allianzwappen, darunter von zwei Gerippen gehalten ein Schild, auf dem ein Kruzifix
zwischen zwei Leuchtern auf einer Tumba dargestellt ist ; die in sehr schlechter Kapitale
gehaltene, durch Abtreten zudem stark verwischte Umschrift, in zwei Reihen über-
einander, lautet :
DEN IZ DECEMBRIS ANNO + 15 + 9Z DIE HOCHWOLGEBORNE
FR AW BARBARA GEBORNE GRAEVIN ZU MUNTFORT • EGWEIL UND
. . . . DES HOCHW .... HERREN CHRISTOFFEN ZU FÜRSTENBERG •
C • C • W . SELIGEN ANGEDE GEWESENE EHLICHE GEMAHLIN
DEREN DER ALLMECHTIG GOTT GNEDIG UND BARMHER EN.
Von dem folgenden Grabstein ist nur noch der Topfhelm erhalten, dessen Helm-
kleinod einen bärtigen Männerkopf mit phrygischer Mütze hat, auf der drei Schildchen.
Kleinere Grabplatten von 1751 und 1757, sonst abgetreten, auf dem Boden der
Kirche, vor dem Altar die des Pater Melch von 1762 und des Hyazinth Neef von
Offenburg, gestorben 1773.
In der Kirche noch Holzfigur des Heilandes in Ketten, Durchschnittsarbeit von Holzfigur
1700; Kruzifix, neben ihm Sebastian und Wendelin. Der h. Sebastian, eine mittlere,
oberdeutsche Schnitzarbeit, mit dem beliebten, perückenartigen Haar, ca. 1,15 m hoch,
am Sockel steht IX9Ä, das Kruzifix Durchschnittsarbeit aus der Mitte des 16. Jhs., der
h. Wendel desgleichen aus dem 17. Jh.
Auf dem Altar holzgeschnitzte Leuchter mit Puttenköpfen, gute Arbeiten des Leuchter
beginnenden 18. Jhs.
Eine Tür mit Flachschnitzerei, Rankenwerk (um 1700), führt in die Sakristei. Tür
Zwei Glocken sind 1789 von Matthäus Edel in Straßburg gegossen. Glocken
In der Sakristei und im ehemaligen Klostergebäude werden noch eine stattliche
Anzahl alter Kirchengeräte und Kirchengewänder aufbewahrt:
Monstranz, silbervergoldet, getrieben, in der Sonnenform, mit schönen Ranken vor
den Strahlen, in ihnen die getriebenen Halbfiguren von fünf Franziskanerheiligen sowie
Kirchengeräte
Kirchengewänder
630
KREIS OFFENBURG.
Gott -Vaters, gute Arbeit, Augsburger Zeichen und AM; Wettersegen in gleicher Form,
Material und Arbeit, mit teilweise aufgelegtem, getriebenem silbernen Rankenwerk,
Mitte 18. Jhs. ; Kelch, silbervergoldet, getrieben, mit reichen Rocailleornamenten, in den
Rocaillekartuschen des Fußes eingraviert das Wappen Wittichens, darunter 1744 und:
Fig. 347. Casel in Wittichen.
THOMAS HEISLER CATHARINA HEISLERIN
MEMENTO MIHI
sowie das Zeichen : ^ , Augsburger Beschauzeichen, darunter F, das Goldschmiede-
zeichen unleserlich; zweiter Kelch, gleiche Arbeit und Material, am Fuß die Leidens-
werkzeuge und Früchtekränze, an der Cuppa aufgelegtes Silberrankenwerk, Zeichen S ?
IE
und ; Meßkännchen mit Platte, silbervergoldet, getrieben, Zeichen ein Adler (?) und N ;
desgleichen in gleicher Arbeit und Material, reichere, gute Arbeit aus der Mitte des
18. Jhs., Augsburger Zeichen, darunter F, Meisterzeichen verwischt; ewige Licht-Lampe,
silbergetrieben, mit Rocailleornamenten, auf den Rundmedaillons steht:
AMT WOLFACH. — KALTBRUNN. (WITTICHEN.)
631
Augspurg UnC* I75o’
auf dem dritten eingraviert das Klosterwappen; große, silber getriebene Barockleuchter
mit dem üblichen Volutenfuß; Missale, der Samteinband mit reichem Beschläg, silber-
Fig. 348. Casel in Wittichen.
getriebenes Rocaillewerk, gestiftet von dem Pfarrer in Kaltenbronn Christian Hug nach
Wittichen 1760; Rosenkranz, teils silbergetriebene, teils achatne Glieder, 18. Jh.
An Gewändern nenne ich : Casel, Brokatstoff mit eingewebten Seidenblumen auf
Kreuz und Stab ; eine weiße, ebenfalls mit reicher Buntseidenstickerei von Blumen und
Rocaillewerk; eine solche von rotem, gepreßtem Samt, Kreuz und Stab zeigen auf
roter Seide reiche Stickerei in Gold und Silber (s. Fig. 347); auf gleichem gepreßten
Samt auf weißseidenem Stabe sehr schöne Stickerei in bunter Seide, große Blumen-
ranken (s. Fig. 348); eine Casel in dem in der Rokokozeit so beliebten Hellblau, mit
eingewirkten buntseidenen Blumen, ein echtes Beispiel des damaligen Farbensinnes;
weiße Casel und Levitenröcke mit eingewebten buntseidenen Blumen ; Casel von grünem
Band VII.
41
632
KREIS OFFENBURG.
Abteigebäude
Seidendamast und lila Stab, worin buntseidene Blumen eingewirkt, auf der Rückseite
Stickerei in Gold und Lila auf schwarzer Seide; Palla von roter Seide mit eingestickten
Goldplättchen und Blumen, schönes Stück des ausgehenden 18. Jhs. ; ein weißes Velum
mit Goldstickerei, ein blaues mit hochgestickten Goldranken und seidenen Blumen, Mitte
des 18. Jhs., zwei in Citronengelb vom Ende des 18. Jhs.; eine Alba mit schöner
Weißstickerei und breiten Klöppelspitzen; eine Anzahl weiterer Alben und Altardecken
des 18. Jhs.; ein Leinentuch (jetzt in zwei Stücke geteilt) (s. Fig. 349), weiß und gelb
WH
gestickt, und zwar in Ranken Adam und Eva, neben ihnen eingestickt j- sowie die
Evangelistenzeichen; zwei sogen. Engeltücher mit wenigen eingestickten seidenen Blumen;
Fig. J4Q. Gelb und weiß gesticktes Leinentuch in Wittichen.
ein in geometrischem Muster von Rauten und Trapezen gestickter Teppich ; eine
Madonnenfigur bezw. nur der Kopf und darunter das Gestell, in Holz geschnitzt, bekleidet
mit bunt gestickten Seidengewändern des 18. Jhs.
Ein Reliquiar, holzgeschnitzt, in Barockformen mit Rankenumrahmung.
Das heute noch stehende Abteigebäude ist ein schlichter Bau1) vom Ende des
17. Jhs., dessen Fassade auf der einen Seite durch einen Erker, auf der anderen durch
ein stattliches Portal belebt wird. Dieses Renaissanceportal (s. Fig. 350) mit reich ver-
zierten Hohlkehlen der Laibung, mit durch Beschlägornament verziertem Wulst, wird von
Pilastern mit ionischen Kapitellen flankiert, die ein mit Früchten verziertes Gebälk tragen,
darüber der gebrochene Rundgiebel mit Zahnschnitt und Obeliskenbekrönung, zwischen
*) Abgebildet bei Näher a. a. O., Blatt 11.
AMT WOLFACH. — KALTBRUNN. (WITTICHEN.)
633
dem Giebel, von Voluten flankiert, das Fenster. Dieses wird von Rollwerk bekrönt, in
dessen Mitte das Monogramm Jesu.
Das Innere ist durchaus schlicht, die Holzumrahmung der Türen zeigt die Profili-
rung des ausgehenden 17. Jhs., so besonders am Kapitelsaal, an dem der obengenannte
Fig. 350. Portal des Abteigebäudes in Wittichen.
Erker sich befindet. Im dritten Stockwerk liegt im Gang ein Sandstein, eine ehemalige
Türbekrönung mit reich skulpierter Rollwerkkartusche und Früchtekranz; in ersterer steht:
J6i5
4
Einige Zimmer weisen noch von der alten Ausstattung schlicht getäfelte Decken (Stab-
decken) auf, so besonders die Paramentenkammer. Hier auch ein eingelegter Schrank
von 1749, fernerhin ein Ofen mit gußeiserner Platte, auf der Rankenwerk.
An dem Weg nach Schenkenzell einige Bildstöcke des 18. Jhs.
41
634
KREIS OFFENBURG.
Ortsgeschiclite
Wirtshausschild
Ortsgeschichtc
Hof
Ortsgeschichte
KINZIGTAL
(HALBMEIL, IPPICHEN, LANGENBACH, S. ROMAN)
Aus in den Gebirgstälern weit zerstreuten Orten setzt sich diese Gemeinde zu-
sammen, deren Hauptort Halbmeil im Flußtal der Kinzig liegt.
HALBMEIL
Schreibweisen: zur Halbenmil ob Wolfach 1482; von der Halbenmil 1492. (Wörtlich
zu nehmen.)
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 153.
Ortsgeschichte'. Früher zur Herrschaft Wolfach gehörig, kam es mit dieser an das
Haus Fürstenberg, bis es 1 806 badisch wurde.
Wirtshaus »Zum Engel« hübscher schmiedeeiserner Wirtshausschild . 18. Jh.
IPPICHEN
Schreibweisen: Gypchen 1332; Gipechen 1341; Gypken 1386; Gipchen 1393 etc.;
Gyphen 1453; Gyppich 1476; Gippich 1479. (Hof des Gibicho.)
Ortsgeschichte: Die Gegend kam mit der Herrschaft Wolfach an Fürstenberg.
Nach der hier ehemals stehenden Burg (s. unten) nannte sich ein Dienstmannengeschlecht
der Herren von Hohengeroldseck, der Grafen von Fürstenberg, der Grafen von Lupfen
und der Herren von Homberg, von dem Ulrich de Gipeche 1268, Ulrich von Hepchen
1280 zuerst erscheint.1) 1472 scheint mit Diebolt von Gippichen das Geschlecht zum
letzten Male genannt zu werden. Von der Burg hören wir zum ersten Male 1451,
Gippicher burgstall 1493. Sie wird nach dem Erlöschen des Geschlechts allmählich zur
Ruine geworden sein, heute sind von ihr keinerlei Reste mehr erhalten, nur der Name
Burgmatte beim Abrahamsbauer deutet darauf hin.
Hof des Klasenbauern. Das Haus hat zwei rundbogige und ein spitzbogiges Tor
mit gewelltem Profil. — Scheune mit rundbogiger, abgefaster Tür ; die Stockwerke durch
gotische Wasserschräge (Wasserschlag) voneinander geschieden. Fenster mit geradem
Sturz und abgefaster Laibung, außerdem noch Lichtluken. Das Haus ist später ver-
größert und das Dach erhöht worden. Bruchsteinbauten, die Einfassungen etc. aus
Sandstein, 17. Jh.
LANGENBACH
Schreibweisen: Langenbach 1428; im Langembach 1451.
Ortsgeschichte: Mit der Herrschaft Wolfach kam Langenbach an das Haus Fürsten-
berg, 1806 wurde es badisch.
Im Schulhaus aufbewahrt eine Urkunde von 14S7 (Montag nach S. Gilgentag),
Entscheidung des Gerichts zu Schiltach in Sachen der Gemeinden Langen- und Ubel-
bach gegen Gangolf von Hohengeroldseck und Schenkenzell bezüglich des Waldes
in Hägbach.
*) Kindler von Kn ob loch a. a. O. I, S. 446.
Tafel XXIII
S. Roman, Sakramentshäuschen.
AMT WOLFACH. — KINZIGTAL. (S. ROMAN.)
635
Geringe Kapelle des 18. Jhs., ehemals gotisch, worauf noch Fenstergewände Kapelle
deuten. Glocke nicht zugänglich.
Haus Nr. 9 von 1728 laut Inschrift über der Tür. Daran kleiner Grabstein mit Hauser
roh ausgehauenem Kreuz von 1728 eingemauert. Haus Nr. 24 (sogen. Weidelibauer),
hinten im Tal, von 1814; typisches Schwarzwaldhaus, eine Anlage von zwei Tennen.
S. ROMAN
Schreibweisen: sant Rumann 1493; s. Ruma 1499.
Archivalien der (kath.) Pfarrei: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 14 (1892), S. 114/15
und 123.
Ortsgeschichle : S. Roman gehörte zu dem Schlosse Rumberg bezw. Romberg Ortsgeschichte
(s. Schapbach) und mit diesem den Hohengeroldseckem. 1472 verpfändete Gangolf von
Geroldseck Schloß nebst Zubehör an Hans Mollenkopf vom Rise, von dem es 1490
Graf Wolfgang von Fürstenberg einlöste und den Geroldseckern abkaufte.1) 1806 wurde
der Ort badisch.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Romanum): Zwischen 1360 und 1370 wird die ecclesia Kath Pfarrkirche
sancti Romani in decanatu Oberndorf sive Rotwil genannt, 1470 ecclesia parrochialis
sancti Romani in Nigrasilva. Bald nachher kam nach Kolb2) die Pfarrei in Abgang,
wurde 1520 neu fundiert, geriet wieder in Verfall, und die Wallfahrtskirche wurde Filiale
von Wolfach. Seit 1784 wurde wieder die eigene Pfarrei errichtet. — S. Roman, auf
waldiger Höhe gelegen, ist ein von der ganzen Gegend sehr besuchter Wallfahrtsort,
der in Hansjakobs Schriften häufig vorkommt.
Der heutige Bau ist einschiffig mit geradabschließendem Chor, schlichter gotischer
Bau aus Bruchsteinen, kleinen Sandsteinfindlingen Im 18. Jh. wurde er vorgeschuht.
Der vordere Teil zeigt daher Lichtöffnungen in der Form des (Eil de Bceuf; der hintere
geringe geradsturzige, spätgotische Fenster mit abgeschrägtem Rahmen. Das Portal ist
rundbogig, hohlgekehlt und abgefast.
Die an die Nordseite des Chors angebaute Sakristei, ein einfacher, viereckiger Bau
mit kleiner Fensterluke, hat an der Nordwestecke einen kurzen stämmigen Strebepfeiler,
dessen Stirnfläche mit einfachem Kleeblattmaßwerk geschmückt ist. Gotische Dachschräge.
Inneres: flachgedeckt, ohne jede Bedeutung. Der Chor öffnet sich in gedrücktem inneres
Spitzbogen mit abgefasten Kanten nach dem Langhaus. An der Nordwand des Chors
Sakramentsnische, ähnlich der in Hausach (Tafel XXIII). Reiches Stab- und Fadenwerk
auf gedrehten Basen umgibt die Nische. Kleeblattmaßwerkbogen, Kielbogenwimperg
vervollständigen das Ganze, darüber noch flaches, in die Wand verlaufendes Maßwerk
und ein Sims, von Astwerk umgeben, in dessen Mitte ein Schild mit der Jahreszahl :
ix $r.
Das Ganze ist dick überschmiert. Die Nische selbst durch ein hübsches gotisches,
schmiedeeisernes Netzgitter, das an seiner äußeren Umgrenzung Rosetten hat, ab-
geschlossen.
Geringer Taufstein mit Fischblasenverzierung. Der Fuß ist weggebrochen. Taufstein
*) Großherzogtum Baden, S. 868.
2) Kolb a. a. O. III, S. 122.
636
KREIS OFFENBURG.
Türe
Gemälde
Sakristei
Altar
Kirchengeräte
Kelche
Steinkreuz
Ortsgeschichte
Evang.
Pfarrkirche
Türe zur Sakristei an der Nordwand des Chors, flachbogig, Hohlkehle und sich
kreuzende Stäbe auf gedrehter Basis, in zwei Ecken leere Schilde.
Im Chor sollen jetzt überschmierte Gemälde gewesen sein.
Die Sakristei zeigt ein spätgotisches Netzgewölbe mit trockener Profilierung der
auf sechs Konsolen endigenden Rippen. Zwei Schlußsteine : in einem das Lamm Gottes
mit Kelch, im anderen ein h. Märtyrer (S. Romanus r) mit einer Bischofs (?) mütze, Schwert
und Palme, flache Steinreliefs, fast nur silhouettenartig ausgearbeitet.
Vier der Konsolen sind als fratzenartige Männerköpfe gebildet, deren einer im
Mund eine Schlange, einer auffallend große Zähne hat ; die zwei übrigen Konsolen haben
Wappenschilder, alles dick überschmiert. Die archaisch strengen und starren Konsolen-
köpfe wäre man geneigt einer früheren Zeit zuzuschreiben, ohne das zweifellos spät-
gotische Gewölbe, mit dessen Rippen sie bündig sind.
Der Altar ist der übliche Barockaufbau mit Säulen, darauf die Holzstatue des
Heiligen aus dem 18. Jh.
Kirchengeräte : Wettersegen, Kupferblech, vergoldet.
Kelche : silbervergoldet, mit gewundenem Fuß, worauf die Romanusfigur eingraviert
ist, aufgelegtes Silberornament an der Cuppa. Am Fuß eingraviert : E X • M • B • Sl F
F • Sax • I7$I; geringer zweiter Kelch, etwas später. Alles Arbeiten des 18. Jhs.
Vor der Kirche auf dem Friedhof ein Steinkreuz von 1757 mit neuem Corpus
Christi.
KIRNBACH
Schreibweisen: Kurenbach 1280; in dem Kümbach 1398; Kurnbach 1416;
ze Kurnbach dem tale in dem Kincgental gelegen 1424; in dem tal Kürenbach 1460 ;
Kirnbach 1545 / in dem Langen Kimbach Hornberger ampts dem fürstentumb Wirttem-
berg inkorporiert 1569.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 159.
Literatur: Krummei, Die Feier der Einweihung der evang. -prot. Kirche zu
Kirnbach, Lahr 1862.
Ortsgeschichte : Kirnbach ist eine weit im Gebirge zerstreute Gemeinde von
vielen Zinken. Es gehörte im 13. Jh. den Herzogen von Teck, die es 1280 an die
Herren von Hornberg verkauften: »wir herzoch Ludewich von Dekke han verkofet
hern Brünen von Hornberc unser gut ze Kurenbach mit dem kilchensaze 1280«.
Mit dem 15. Jh. beginnt die allmähliche Erwerbung des Hornberger Gebietes durch
Württemberg, zu ihm gehörte Kirnbach denn auch vom 16. Jh. an, bis es 1810
badisch wurde.
Evang. Pfarrkirche : Zwischen 1360 und 1370 wird die ecclesia Kurenbach in
decanatu Oberndorff sive Rotwil genannt; vorher aber hören wir von einem eigenen
»decanatus Kürnbach sive Sultz 1275. Unser lieben frowen, dem lieben herren sant
Nyclausen und den heiligen gemeinlich zu der pfarrekirchen in dem Kürnbach 1451,
der heilige Niclaus im Kürnbach 1491«. Wie das ganze württembergische Gebiet, so
wurde auch Kirnbach im 16. Jh. protestantisch.
Der heutige Bau von 1861. In demselben eine Orgel mit Rocailleornamenten aus
der alten Kirche.
Orgel
AMT WOLFACH. — KIRNBACH.
637
ginfr/irt
Heubüh/ie \
1 I
fiiair-
Heubuhne
eütt/antf
1 1
1
Am Wirtshaus »Zum Hirschen« schmiedeeiserner Wirtshausschild des 18. Jhs.
Von den zahlreichen Bauernhäusern und Höfen hebe ich hervor den
.. yUerköäuerfio/' rn Jfir/ifacA
er6auf/'m CfoJire ysä/
£'iffentüsner: flirirfian /Jc/tne/eJer.
jCä/icblrassn
Han/fleint/aruptä/v en
das 06er* u. IföAngesrfas
Aberlebauernhof (Christian Schneider), an dessen holzgeschnitzter Haustür die Jahres-
zahl 1581, an der Stalleingangstür ein in Fig. 351 abgebildeter origineller Voluten-
Fig. SS2- Wohnstube des Aberlebauernhof es .
(Unten die Inschrift an der Quaderecke. )
Schmiedeeiserner
Wirtshausschild
Bauernhäuser
Höfe
ablauf. An der Ecke des Hauses sorgfältig behauene Sandsteinquader, darin die Jahres-
zahl 1581 noch einmal eingehauen. Der Grundriß zeigt nicht die übliche Anlage, sondern
Fig. SSJ- Konradsbauernhof in Kirnbach.
AMT WOLFACH. — KIRNBACH.
639
die Stuben oben, die Stallung unten, die Heubühne darüber. Das Haus zeichnet sich
vor allem dadurch aus, daß auch die innere Einteilung noch vollständig erhalten ist
und daß die Wohnstube noch durchaus die alte Täfelung des 16. Jhs. besitzt, in der die
Jahreszahl 1581 eingeschnitzt war (r), sowie die alte, flachgewölbte Balkendecke (s. Fig. 352).
Auch die Stuben daneben haben eine ähnliche Decke.
Ein weiteres gutes Beispiel bietet der Konradsbauernhof (s. Fig. 353) mit balkon-
artiger Galerie unten und der Galerie an der Heubühne; hübsch ausgeschnittene Tür-
stürze im Hausern. Uber seinen Grundriß gibt unsere Fig. 354 Auskunft; der Bau
stammt von 1727.
Fig. SS4- Grundriß des Konradsbauernhof es.
Bei dem Haus des »Hofes an der Molz« (s. Fig. 355), Eigentümer Georg Hilde-
brand, von 1808, sind die rückwärtigen Räume ein Anbau neuester Zeit, auch die große
Terrasse an der einen Hausseite ist neu. Alt die ganzen Wohnräume, malerische äußere
Erscheinung, mit der Galerie etc. Zwischen den beiden Stuben fallt eine schöne Tür-
verdachung und Verkleidung auf sowie wieder der schön geschnittene Türsturz im
Hausern (s. Fig. 356).
In dem Werk »Das Bauernhaus in Deutschland« ist auf dem Blatt Baden
Nr. 21 in Abbildung 5 die Ansicht eines weiteren Hauses gegeben ; ein in allen
Details sehr reiches und interessantes ist auf Blatt Baden Nr. 2 mit zahlreichen Details
abgebildet.
Hof an der Molz « in Hirnbach.
AMT WOLFACH. — MtJHLENBACH.
641
Noch eine weitere Anzahl könnte namhaft gemacht werden, in manchen Seiten-
tälern sämtliche Höfe, doch liegt das nicht im Bereich dieses Werkes.
MÜHLENBACH
Schreibweisen: Flumen Milenbach 1234; im Milnbach 1301; alse der Mülebach
gat bi der Kinzcge 1324; Mülenbach 1341; Milerspach 1449 etc.; Mülenbach 1574.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 156.
Ortsgeschichte: Der Ort ist nach dem Bach genannt, in dessen Tal er liegt: tal Ortsgeschichte
Milenbach 1464, der Bach nach den daran betriebenen Mühlen, 1493 wird »die müllin
zu Millenbach« erwähnt. Mühlenbach kam mit Haslach, also wohl aus dem Zähringer
Erbe, an das Haus Fürstenberg. Rudolf von Habsburg, der es zuerst den Grafen ent-
ziehen wollte, belehnte dieselben schließlich damit. Doch wurde schon 1280 nach
Verzicht des Grafen Egeno das Lehen anderen übertragen: nobilis vir Egeno comes de
Furstenberg valles Milinbach et Niederinbach et villam Steina cum suis juribus et per-
tinentiis universis, que idem a Rudolfo, Romanorum rege et imperio in feodum tenuit,
ad manus Rudolfi regis libere resignavit rege humiliter supplicando, ut bona predicta
nobili viro Hermanno de Geroltsecke et Ote de Duwingen in feodum concedere dignare-
642
KREIS OFFENBURG.
Römisches
Kath. Pfarrkirche
tur. Später kam es wieder an die Fürstenberger und war ein Stab der Herrschaft
Kinzigtal: im stab zu Millenbach 1493, ampt Millenbach 1493. 1643 wurde der Ort
von den Soldaten der Armee Bernhards von Weimar ganz niedergebrannt. 1806 wurde
Mühlenbach badisch.
Zu der Gemeinde gehören u. a. die Zinken Ober- und Unterbüchern, Büchorn 1327,
Büchern 1439, im Oberbüchorn 1468. Der Name erklärt sich: zu Horn, cornu, in der
Bedeutung von Bergspitze; er rührt jedenfalls von der Lage der heute verschwundenen
Burg her.1) Nach dieser nannte sich ein Geschlecht, als dessen erster Claus von
Büchorn der Voget von Haselahe erscheint, 1353 hören wir von Hermann Frideriche
und Otte gebrüder von Büchorn edelknechte. Als letzter wird Fridrich Büchern 1443
genannt. Von ihrer Burg ist auch nicht einmal die Stelle mehr festzustellen. (Wth.)
Römisches. Durch eine große Wasserflut kam 1778 ein römischer Altarstein
mit Inschrift aus dem Boden in die Nähe des Pfarrhauses. Der damalige Fürst von
Fürstenberg schenkte denselben dem Abt Gerbert zu S. Blasien. Nach Aufhebung des
dortigen Klosters kam er an die Universitätsbibliothek von Freiburg i. Br.
Die Inschrift lautet:
IN • H (onorem) D (omus) D (ivinae)
DEANAE ABN
OBAE • C ASSI A
N VS • CASATI
V • S • L • L • M
ET • ATTIANVS
FRATER • FAL
CON • ET . CLARO
COS
(Siehe C. L. Wielandt, Beyträge zur ältesten Geschichte des Landstrichs am
rechten Rheinufer von Basel bis Bruchsal, Karlsruhe 1816.) (W.)
Kath. Pfarrkirche (ad S. Afram): zu Mylembäch under der Kirchen 1440;
Millenbach, huius ecclesiae patronus s. Afra, collator et decimator d. comes a Fürsten-
berg . . . animas regendas habet ca. 500 1666. Bis zum Jahre 1650 war Mühlenbach
Filiale von Haslach, dann wurde hier eine eigene Pfarrei errichtet.
Von der älteren Kirche ist nur der Turm erhalten (s. Fig. 357). Auf quadratischem
Grundriß steigt er über dem Erdgeschoß noch in drei Stockwerken auf und ist mit
einem Satteldach abgeschlossen, also die übliche Form, die wir von Haslach, Hausach,
Zell her kennen. Eine gotische Wasserschräge trennt die einzelnen Stockwerke von-
einander, an den Ecken des Erdgeschosses durchkreuzt sie sich. Das Erdgeschoß öffnet
sich nach Süden und Westen in tief herabgeführten Spitzbögen mit hohlgekehltem
Gewände. In dieser so entstehenden Halle mit den üblichen, trocken profilierten Rippen
der Spätzeit und im Schlußstein eingehauene grobe Gesichtslinien. Im Geschoß darüber
schmale Lichtluken und eine Steintafel, auf der die Inschrift
anno
üomtm
m caa t n
Zu Ehren des göttlichen Kaiserhauses
haben der Diana Abnoba
Cassianus, des Casatus Sohn
und Attianus, der Bruder
froh und freudig, wie sich ziemt
ihr Gelübde erfüllt, unter den
Consuln Falco und Clarus
(193 nach Chr. unter Kaiser Pertinax).
1) Krieger I, S. 323.
AMT WOLFACH. — MÜHLENBACH.
643
n
mit der Zahl 1512, womit wohl die Erbauungszeit des Turmes gegeben ist. Eine Wieder-
holung der Jahreszahl im Süden. Das Geschoß darüber hat ebenfalls nur Lichtluken,
das folgende große, einpfostige,
spitzbogige Fenster mit Fisch-
blasenmaßwerk, das westliche
mit zwei Pfosten. Der Turm
besteht aus Bruchsteinmauer-
werk mit Sandsteinquadern
an den Ecken und Sandstein-
gewänden. An Steinmetz-
zeichen finden sich :
f
Das Langhaus ist ein
Neubau des 18. Jhs., ganz
schlicht, der im 19. Jh. ver-
schiedentlich renoviert wurde.
Daß das alte Langhaus niederer
war, ist durch das Herumführen
der Wasserschräge des Turmes
auch da, wo sie heute durch das
Dach verdeckt wird, ersichtlich.
Von der inneren Aus-
stattung ist der Hochaltar zu
erwähnen, ein wirkungsvoller
Barockaufbau mit Säulen,
Giebeln, Heiligenfiguren und
reichem Rankenwerk. Er nimmt
die ganze Rückwand ein und
schließt die Türen in den da-
hinterliegenden Raum in sich
ein. Das Tabernakel ist mit
Voluten und Rankenwerk reich
gegliedert und von Putten
flankiert. — Der Altar stammt
etwa aus der Zeit um 1760,
das Gemälde aus dem 19. Jh.
— Im gleichen, immer wir-
kungsvollen Stil die beiden
Seitenaltäre.
Im Langhaus aufgestellt
Pietä, die Madonna, ein be-
kleidetes Holzgestell, die Figur Christi, eine gute, weiche und fleischige Arbeit des
18. Jhs.
Taufstein in der Form einer Muschelschale vom Anfänge des 18. Jhs.
Hochaltar
Taufstein
644
KREIS OFFENBURG.
Kirchengeräte
Ortsgeschichte
Die Glocken waren bei meinem Besuch nicht zugänglich.
An Kirchengeräten zu nennen : Sonnenmonstranz, kupfervergoldet, mit aufgelegten,
getriebenen silbernen Ornamenten und Figuren, zweite Hälfte des 18. Jhs. ; Wettersegen,
kupfervergoldet und getrieben, mit Rocailleornament; Kelch, silbervergoldet und getrieben.
OBERWOLFACH
siehe WO L FACH
RIPPOLDSAU
Schreibweisen: Rippoltsowe 1273; Ripoltsou 1325; Riplisaw und Ripplisaw 1610.
(Au des Rippolt.)
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 17 (1895).
Literatur: W. A. Reh mann, Rippoldsau und seine Heilquellen, Donaueschingen,
Hinterkirch 1830. Fr. von Fahnenberg, Rippoldsau und dessen Heilquellen.
(Stoeß,) Description historique, topographique et medicale des eaux minerales de
Rippoldsau, Straßburg 1840; W. J. A. Werber, Die Heilquellen und Molkenkuranstalt
zu Rippoldsau, Freiburg 1842; u. s. w. Siehe die reiche balnearische Literatur bei
Kienitz-Wagner, S. 614 f.
Die Kirche in Rippoldsau, Christliche Kunstblätter Nr. 125, 151 und 154. Die
Wallfahrt zu Rippoldsau, Freiburger Kirchenblatt 1887, Nr. 30 und 31.
Ortsgeschichte: Seit dem 1 2. Jh. hören wir in Rippoldsau von einer Zelle. Wann
dieselbe gegründet wurde, steht nicht fest. Bei seiner ersten Erwähnung finden wir
es schon im Besitz des Klosters S. Georgen : cella sancti Nicolai in predio Rippoldesowe,
quam iure proprietatis monasterium sancti Georgii in Nigra silva obtinet 1179. 1273
ist es Priorat geworden, es erscheint als erster Prior: »prior Werner der s. Nicolauszelle
in Rippoltsowe«. Damals kauft das Priorat einen Hof zu Hecklingen. Das Priorat
gehörte damals zum Dekanat Kürnbach sive Sultz(i 2 7 5), später Rottweil: monasterium
sanctimonialium in Ripolczow in decanatu Rotwil zwischen 1360 und 1370. Die Namen
der Priore (prior et conventus in Rippoltzowe per priorem solitus gubernari 1357)
gibt, soweit sie feststehen, Krieger. Kastvögte waren die Grafen von Fürstenberg, auf
deren Gebiet das Kloster stand. Sie hatten die Gegend mit der Herrschaft Wolfach
1306 durch die Erbtochter des freiherrlichen Hauses Wolfach erhalten. Wichtiges ver-
nehmen wir von dem Klösterlein im Mittelalter nicht. Unter der Regierung des Grafen
Wilhelm verlor es durch die Reformation den größten Teil seiner Güter, und die Mönche
flüchteten nach Villingen, wohin ihre Konfratres aus dem aufgehobenen S. Georgen eben-
falls geflüchtet waren. 1549 setzte sie Graf Friedrich von Fürstenberg wieder in ihren
Besitzstand ein. Immerhin war 1571 noch solcher Mangel an Geistlichen, daß der Abt
Nikodemus von S. Georgen, mit Bewilligung des Grafen Albrecht, die Verwesung des
Priorats dem Pfarrer von Schapbach überließ. Auch die Gebäude müssen in schlechtem
Zustand gewesen sein, denn 1577 wurde die Zelle neu gebaut und mit neuen Mönchen
bevölkert. Im Dreißigjährigen Krieg verödete das Kloster von neuem, erholte sich aber
AMT WOLFACH. — RIPPOLDSAU.
645
in der zweiten Hälfte des 17. Jhs. wieder, so daß der Prior Johann Baptist Amma
1768/69 das jetzige dreistöckige Klostergebäude an Stelle des alten zweistöckigen erbauen
konnte. Im 18. Jh. blühte auch die Wallfahrt zu dem alten Gnadenbilde der Kirche
neu auf, wir hören 1721 von einem neuen Wunder und erhalten zugleich einen Bericht
über frühere. Von dem Bilde heißt es: »das uralte Rippolzavische schmertzen- und
gnadenreiche Bildnus Mariä«. 1758 wurde es von dem Abt Cölestin von S. Georgen
unter großer Feierlichkeit »gleichsam in das Hertz des Hochaltars übersetzt«. 1762
wurde ein neuer Hochaltar gebaut. Im 19. Jh. ging das Bild verloren, um dann nach
verschiedenem Besitzwechsel nach der Tradition wieder aufgefunden und vor einigen
Jahrzehnten in die Kirche verbracht zu werden. Das Priorat wurde i. J. 1802 aufgehoben
und an seiner Statt eine Pfarrei errichtet.
Eine Viertelstunde entfernt von dem Kloster liegt das Bad. Wann die Heilkraft
der Quellen entdeckt wurde, steht nicht fest, erst im 16. Jh. nahm das Bad einen großen
Aufschwung, wie auch die benachbarten Renchtalbäder. Graf Albrecht von Fürstenberg
erklärte das Bad als ein gefreites und erließ die erste Badeordnung 1579, die Bauten
haben wir uns damals wohl ähnlich zu denken, wie sie die Meri an sehen Stiche von
Griesbach und Peterstal zeigen. 1587 war das Bad verkauft worden, 1592 brannten
sämtliche Gebäude ab, wurden aber sofort mit Unterstützung des Grafen Albrecht neu
erstellt. Der Dreißigjährige Krieg brachte auch hier Unheil, 1643 wurden von
schwedischen Truppen alle Gebäude verbrannt. Graf Friedrich Rudolf ließ die Quellen
wieder neu fassen, das Bad und Gasthaus von Grund aus neu aufbauen, das Brunnen-
haus, die Tanzlaube und die Stallungen wiederherstellen. Trotz der steigenden Frequenz
verkaufte Graf Franz Maximilian das Bad 1670 an das Kloster Gengenbach, dessen
damaliger Abt Roman sofort große Verbesserungen durchführte. 1672 begann er auch
mit dem Bau der Kapelle der h. Maria Magdalena. Aber schon unter dem folgenden
Abt wurde dem Kloster die Verwaltungslast bei der großen Entfernung zu viel, und
bereits 1687 verkaufte Abt Placidus das Bad wieder an die Fürstenberg. Nach kurzem
abermaligen Verkauf und Rückkauf behielten diese es, bis sie es 1778 verpachteten und
1824 an Balthasar Göringer verkauften, dessen Familie heute noch im Besitz ist.
Neben den Mineralquellen aber gab der Boden auch lange Zeit Erze her, und
so wurde von der Herrschaft Fürstenberg Bergbau betrieben, der aber 1714 ein-
gestellt wurde.
Pfarrkirche (ad S. Nicolaum). 1828/29 bis 1832 neu gebaut, Glocken aus Pfarrkirche
dem gleichen Jahr.
Auf dem linken Seitenaltar Holzstatue der Pietä, das obenerwähnte Gnadenbild,
stets mit Kleidern angetan und schwer zu sehen. Während der Kopf der Madonna
im 18. Jh. umgearbeitet sein dürfte, ist die Figur selbst ein älteres Werk des 17. Jhs.,
der Corpus Christi dagegen, schien mir aus dem 15. Jh. zu stammen, ist aber nach
gütiger Mitteilung des Pfarrers aus dem gleichen Holzblock geschnitzt, also wohl eben-
falls 17. Jh.
An der südlichen Langhauswand eine weitere Holzgruppe der Pietä, gute Durch-
schnittsarbeit des 1 8. Jhs.
In der Sakristei Sonnenmonstranz, kupfervergoldet; Meßkännchen, Silber; Platte,
kupfervergoldet; Kelch, silbervergoldet, Augsburger Zeichen, darunter C X S; alle diese
Stücke getriebene Arbeiten mit Rocailleornamenten aus der Mitte des 18. Jhs., Durch-
646
KREIS OFFENBURG.
Klostergebäude
Kapelle
Badgebäude
Ortsgeschichte
Schnittsleistungen, wie auch ein weitererer Kelch, silbervergoldet, mit Band- und Gitter-
F T
Ornament; Putten mit Leidenswerkzeugen, Augsburger Zeichen (?) und j ; getriebene
Arbeit vom Anfänge des 18. Jhs.
Klostergebäude (Klösterle). Der jetzige Bau aus den Jahren 1769/70, laut In-
schrift an der Südwestecke am 20. Juli 1769 begonnen, ist architektonisch unbedeutend.
Im Korridor Ölgemälde, Porträt des Priors Johann Baptist Amrna, mit dem Grund-
riß des Klosters in der Hand, worauf steht: »Monasteriolum Rippolzov aedificat. An. 1769
et 70.« Aufbewahrt wird hier eine Pergamenturkunde von 1517. In einem Zimmer
des dritten Stockes ein in Marmorimitation bemalter (nicht glasierter) Ofen vor ein-
facher Rokokonische.
In einem Parterreraum ist ein kleiner Sandstein eingemauert, auf dem ausgehauen
ein bemalter Wappenschild mit grüner Tanne auf Dreiberg in gelbem Feld, darunter
I • 5 • 6 ■ Z.
An der Brücke, die zum Kloster führt, lebensgroße Sandsteinstatue des h. Nepomuk;
nicht üble Barockdurchschnittsarbeit; am Fuß der Statue: Z • A • VOA; am Sockel in
bewegter Kartusche ein Wappen, Mitra, daneben CSNR — GASG (9), darunter doppelt
geteilt im rechten Feld Krummstab sowie Platte mit drei Kugeln, links ein Fisch zwischen
fünf Sternen, darüber in kleinem Schild: ^ VH ’ an ^er Sandsteinbalustrade, welche
die Statue umgibt: I7$$.
Bei »Burgbuch«, eine Viertelstunde unterhalb des Klosters (Gemeinde Rippoldsau),
auf dem Burgbachfelsen, soll ehemals eine Burg gestanden haben, was der geeigneten
Lage nach wohl möglich wäre ; jetzt sind keine Spuren mehr vorhanden, wenn nicht die
Futtermauern der Pavillonanlagen aus Bruchsteinen der Ruine erbaut sein sollten.
Kleine Kapelle beim Bad (ad S. Mariam Magdalenam), schlichter Bruchsteinbau
des 17. Jhs. mit den üblichen Barockaltären.
Die Badgebäude selbst stammen größtenteils aus dem Anfänge des 19. Jhs. und
sind, insbesondere das Quellhaus, ein typisches Beispiel des Biedermeierstils.
SCHAPBACH
Schreibweisen: Shappach 1222; Schappach 1493.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 17 (1895), S. 91 — 92.
Literatur: J. J. Hoffmann, Volksbräuche im Schwarzwald, II. Das Schapbacher
Thal und seine Bewohner, »Badische Fortbildungsschule« 1894, Monatshefte, Jahrg. 8,
S. 106 — 168; Jahrg. 9, S. 4 — 8, 20 — 22. III. Das Schapbacher Fest, »Badische Fort-
bildungsschule«, Jahrg. 9, S. 86 — 88, 136 — 139. Derselbe, Schapbach und seine
Bewohner, Alemannia XXIII (1895), S. 1 — 50. Derselbe, Schwarzwälder Bauern-
häuser in Schapbach, »Uber Land und Meer« XVII (1898), S. 458 — 464.
Ortsgeschichte: Schapbach ist eine aus 31 Zinken bestehende Talgemeinde, deren
Hauptort im Tale der Wolf liegt, auf halbem Weg zwischen Wolfach und Rippoldsau.
Es gehörte im Mittelalter als Teil der Herrschaft Romberg den Herren von Hohen-
geroldseck, bis diese es 1490 an die Grafen von Fürstenberg verkauften. Seitdem
blieb es in deren Besitz, bis es 1806 badisch wurde. — Das Tal ist berühmt nicht nur
AMT WOLFACH. — SCHAPBACH.
647
ob seiner landschaftlichen Schönheit, sondern weil sich hier alte Bauern tracht, alte Bauern-
sitten unverfälschter als in anderen Tälern erhalten haben. — Seit dem 15. Jh. wurde
hier Bergbau betrieben, am eifrigsten im i8.Jh., der mit einer kleinen Ausnahme seit
1807 aufgehört hat.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Cyriacum, Nebenpatrone sind die Heiligen Sebastian Kath. Pfarrkirche
und Wendelin). Sehr früh schon stand hier eine Kirche: 1222 wird ein Heinricus
plebanus de Shappach genannt, 1275 ein rector ecclesie in Schapbach in decanatu Kürn-
bach sive Sultz(bach), 1324 hören wir von der ecclesia parrochialis sanctorum Ciriaci
et sociorum eius in Schappach, zwischen 1360 bis 1370 von der ecclesia Schadbach in
decanatu Rotwil, s. Ciliax 1505. 1470 erscheint ein Johannes Heck de Tagershain,
rector ecclesie parrochialis in Schappach, 1482 ein Jodocus Himel, ad ecclesiam par-
rochialem in Schappach in decanatu Rottwil per Gangolfum de Hochengerolczeck et
Schenkenzell presentatus. — Das Patronat ging mit dem Verkauf der Herrschaft Rom-
berg an die Fürstenberg über.
Die heutige Kirche ist ein Bau des 18. Jhs., denn die Renovation vom Jahre
1715, bei der eine Sakristei erbaut, das Langhaus erweitert und das Hauptportal von
der Friedhofseite nach der vorderen Giebelseite verlegt wurde, scheint sehr gründ-
lich gewesen zu sein und wesentlich nur die Grundmauern der alten Kirche teilweise
benutzt zu haben. Da infolge ungenügender Fundamentierung die Giebelseite einzu-
stürzen drohte, wurde i. J. 1805 eine massive Quadermauer aufgeführt,1) 1812 mußten
weitere Maßregeln getroffen, die Fenster von unten herauf bis zur Hälfte ihrer Höhe
vermauert werden. Die Kirche ist einschiffig, mit halb zugemauerten Rundbogenfenstem,
der an der Ostseite gelegene Turm mit einem Zwiebeldach gedeckt; alles Bruchstein-
mauerwerk, an den Gewänden Sandstein. Der Hochaltar ist der übliche barocke Hochaltar
Säulenaufbau mit Säulen, Heiligenfiguren etc.
In der Sakristei : Versehkreuz aus Silber mit eingravierten, schönen Rocailleorna- Kirchengeräte
menten ; Kelch, kupfervergoldet, getrieben, mit Ornamenten des gleichen Stils, Augsburger
Zeichen, darunter L und S, laut Inschrift unter dem Pfarrer A. W. Kistler gestiftet; ein
Missale mit Messingbeschlägen des 18. Jhs. ; silbergetriebenes Weihrauchschififchen aus
der Mitte desselben ; kupfervergoldeter, getriebener Fuß der sonst neuen Monstranz und
silbergetriebene ewige Licht-Lampe aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs.
Das Pfarrhaus ist ein schlichter Bau von 1791, 1893 renoviert. Pfarrhaus
Das jetzige Spital, das alte Schulmeßnerhaus, zeigt eingehauen die Jahreszahl 1564, Spital
aber keine architektonischen Besonderheiten.
Auch hier in all den 31 Zinken eine Fülle typischer Baiiernhöfe und Häuser, Bauernhöfe
in der Ausbildung, wie wir sie in Kirnbach und Gutach kennen gelernt und durch
Abbildungen erläutert haben. Ich erwähne u. a. den dem Gasthaus »Zum Ochsen«
gegenüber liegenden Heinersbauernhof, der Kelleranbau von 1778, das Hauptgebäude
älter. 2)
1) Hof mann a. a. O. S. 72.
2) Beschrieben in Alemannia XXIII, S. 6 ff.
Band VII.
42
648
KREIS OFFENBURG.
Bildstock
Burg Romberg
Ortsgeschichte
In der Nähe des Wirtshauses »Vor Seebach« ein Bildstock mit der Inschrift:
Allhier steh stil du
Fromer Christ Bedracht
Was da Geshehen ist.
Johanno Merck zu
Dot geslagen Worten
Bet vor di ie Ame
Sellen Ain Vater Unser
Und Afe Maria 1753.
Am Eingänge des Wildschapbachtales lag einst die Burg Romberg : vesti zu
Rumberg 1309, Ruwenberg die veste 1315, Runberg 1398, Rumburg 1415, Ronberg
1423, sloß 1453. Dieselbe gehörte den Herren von Geroldseck. Die Herrschaft Rom-
berg bildete eine ihrer Besitzungen in Schwaben: herrschaft Rumberg mit dem schloß
1472. 1467 sah sich Diebolt genötigt, die Burg vom Bischof von Straßburg zu Lehen
zu nehmen: »wir Ruprecht bischoff von Straßburg bekennen, das wir Thiebolt herren
von Hohengeroltzeck die vogthie zu Ettenheymmonster, item und die bürg genant
Riiwenberg zu rechtem mannelehen gelihen haben«. 1472 verpfändete Gangolf von
Hohengeroldseck die Herrschaft mit Schloß dem Hans Mollenkopf vom Ryse, 1488
verpfändet er das Schloß an Melchior von Schauenburg, 1490 verkauft er sie an die
Grafen Heinrich und Wolfgang von Fürstenberg und verzichtet 1499 auf die Wieder-
lösung. ])
Ob und wann die Burg gewaltsam zerstört wurde, ist nicht festzustellen. Heute
ist von ihr nichts mehr erhalten, nur im Terrain läßt sich das Burgplateau erkennen,
außerdem finden sich geringe Mauertrümmer, die keine Auskunft mehr geben.
SCHENKENZELL
Schreibweisen: Zella 1255; Cella pincerne 1275; Sckenckentzell 1277; Schencken-
zelle 1294; Celle 1303; Schenkenzel! 1456 etc.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 17 (1895), S. 92. — Mitteil, aus dem
Pfarrarchiv zu Schenkenzell über die Kriegsjahre 1796/97, Offenburger Zeitung 1895,
Nr. 10 — 15.
Ortsgeschichte'. Der Ort wird 1255 nur als Zella bezeichnet, schon 1275 aber
als Cella pincerne, Zelle des Schenken, er hat sich also nach dem Geschlecht genannt,
das schon vor der ersten einfachen Erwähnung auf der nahegelegenen Burg saß :
1244 hören wir zum ersten Male von einem pincerna de Celle, 1251 von einem
dominus Hermannus pincerne de Shenchenzelle. Mit letzterem dürfte nicht der Ort,
sondern die Burg gemeint sein (s. unten), deren Namen aus der Kombination des Namens
des auf ihr hausenden Geschlechtes und dessen des nahe liegenden Ortes entstanden ist.
Unter Schenkenzell wird dann später sowohl Burg wie Ort verstanden, es heißt: Schencken-
zell die bürge 1301, Schenkencelle die veste 1309. Das Geschlecht blühte weiter im
R u p p e r t , Mortenau I, S. 489 f.
AMT WOLFACH. — SCHENKENZELL.
649
13. Jh., gleich nach obengenanntem Hermann wird 1255 ein Wernherus pincerna de
Cella genannt, 1260 pincemae de Cella Werenherus et Waltherus frater suus et Wern-
herus patruelis eorum, 1292 ein Hainze der Shenkke von Celle, 1294 bis 1313 ein
Burkart der Schenke von Schenkenzelle ein ritter, 1304 erfahren war von Clara sin
eelich wirtin, vorher 1299 noch von Cunrat der Schenke von Schenkenzelle, herr Eber-
hart der Schenk sin vatter. Mit dem Anfänge des 14. Jhs. (1313) scheint der Name zu
verschwinden. Sie waren ein Dienstmannengeschlecht der Herren von Geroldseck,1)
von denen sie die Burg zu Lehen hatten, außerdem aber auch Lehensleute der Grafen
von Fürstenberg, wie aus den Urkunden hervorgeht. Wann die Geroldsecker in diesen
Besitz gekommen sind, scheint nicht festzustehen. Nach der Burg wurde die ganze
Gegend »Herrschaft Schenkenzell« genannt, es war eine der sogen. Besitzungen des
Hauses in Schwaben, zu der auch das Terrain gehörte, auf dem Wittichen stand, weshalb
sich die h. Liutgard bei der Gründung außer an den dort ebenfalls begüterten Herzog
von Teck an die Geroldsecker wandte. 1331 schenkt Walter von Geroldseck dem Kloster
Wittichen das Patronat der Kirche zu Schenkenzell. Nach dem Aussterben der Schenke
saßen seit 1327 als Ministerialen die Hulwer auf der Burg, urkundlich erwähnt erst seit 1373.
1377 muß Georg von Geroldseck dem Grafen Eberhard von Württemberg die Öffnung
seines Teils an den Festen Geroldseck und Schenkenzell verschreiben. Als 1427 der
Vertrag zwischen Walter und seinen feindlichen Söhnen Diebolt, Walter und Heinrich
erfolgt, da erhält ersterer das Dorf, letzterer die Feste Schenkenzell. 1435 einigen sich
die Brüder Diebolt und Hans und schwören einen Burgfrieden zu Schenkenzell und
Geroldseck. 1453 erfolgte von neuem eine Teilung zwischen Diebolt II. und Georg, wobei
Georg» Schenkenzelle das Sloß, die Dorffer zu Swoben . . . und Rumberg daz Sloß2) etc.«
erhielt, die er aber schon 1455 wieder seinem Bruder Diebolt übergibt, als dessen Burg-
vogt auf Schenkenzell 1456 Jörg von Ramstein erscheint. 1474 ist Burgvogt Hans
von Reckenbach. 1477 erfahren wir gelegentlich einer Berichtigung der Grenze zwischen
Württemberg und Geroldseck in dem zu Schenkenzell gehörigen Walde von dem Zug
dieser Grenze, sie ging von der Schneeschleif bei der Glashütte auf den Schöllkopf, von
da gegen den vorderen Htittenhard und vom Hüttenhard bis in den Schurberg.3) Mit
den Geroldseckern ging es aber immer mehr bergab, endlich verkauft Gangolf 1498 die
Herrschaft Schenkenzell an den Grafen Wolfgang von Fürstenberg, noch mit Ausnahme
des Schlosses selbst und der Ivastvogtei zu Wittichen ; bereits zwei Jahre später aber
trat er auch diese beiden Reste käuflich ab, zwar noch auf Wiederlösung, zu der er
jedoch nicht im stände war. Und so blieb die Gegend fürstenbergisch, bis sie 1806
badisch wurde. — Unter der Herrschaft des Grafen Wilhelm drang auch hier die
Reformation ein, mit der Übernahme der Regierung unter Graf Friedrich wurde die
alte Lehre wieder eingeführt. Unter dem Dreißigjährigen Krieg mag die Gegend wie
die Nachbarn gelitten haben, die Burg soll durch die Schweden 1633 zerstört worden
sein.4) Noch kurz vor dem Übergang an Baden hören wir von Kriegsleiden durch die
Franzosen 1796/97 (s. oben). Im 19. Jh. wurde die Burg verkauft und befindet sich
heute im Privatbesitz einiger Herren in Stuttgart.
4) Fürstenb. Urk.-Buch I, Nr. 628 und 634.
2) Reinhard, Pragmat. Gesch. -Urk., S. 177.
3) Ruppert a. a. O. S. 493.
4) Schuster a. a. O. S. 87.
42*
650
KREIS OFFENBURG.
Kath. Pfarrkirche
Kath. Pfarrkirche (ad S. Udalricum). Bereits 1275 kommt ein »plebanus de
Cella pincerne in decanatu Kürnbach« vor. 1331 schenkt Walter von Geroldseck das
Patronat der Kirche dem Kloster Wittichen. 1350 inkorporiert dann Bischof Ulrich
von Konstanz dem Kloster Wittichen »ecclesiam parrochialem« (schon 1331 wird sie so
Fig. 338. Kirche in Schenkenzell.
AMT WOLFACH. — SCHENKENZELL. 65 I
genannt) in Schenkencella, 1360 bis 1370 wird sie als »ecclesia Schenkenberg (sic!) in
decanatu Oberndorff« erwähnt.
Nach Schuster fand am Anfänge des 16. Jhs. ein Neubau statt, der 1515 eingeweiht wurde.1)
1709 wurde dieser Bau vergrößert, erwies sich aber trotzdem 60 Jahre später wiederum als zu klein.
Man schritt daher 1774 zum Abbruch und Neubau, welcher denn auch 1784 durch den Weihbischof
Wilhelm Leopold von Konstanz eingeweiht wurde. Mit letzteren Nachrichten stimmt aber die unten
zu erwähnende Zahl am Bau selbst nicht. 1780 wurde nach demselben Schriftsteller auch der alte
Turm abgebrochen und durch einen neuen ersetzt. 1883 ist die Kirche renoviert worden. Aus
dieser Zeit Decke und Bemalung.
Die heutige Kirche, malerisch auf einer kleinen Anhöhe im Ort gelegen, ist ein
Bau aus der zweiten Hälfte des 18. Jhs., einschiffig, flachgedeckt, mit Chor aus drei
Seiten des Achtecks, der sich im Rundbogen gegen das Langhaus zu öffnet. Im Äußern
ist der Bau (s. Fig. 358) nur durch die rundbogigen Fenster gegliedert. An der Tür der
Fassade die Jahreszahl 1772, darüber Rocaillekartusche mit der segnenden Hand. In
der Nordostecke von Langhaus und Chor steht der Turm, von quadratischem Grundriß,
über dem Erdgeschoß noch in zwei Stockwerken aufsteigend, darüber die zweifache
Dachkante.
Innenausstattung : der Hochaltar und die zwei S eitenaltäre, gute, ruhige Barock-
arbeiten mit Säulen, verkröpftem Gebälk, sie und ihre Aufsätze von Voluten flankiert.
Sie umschließen Ölgemälde, Durchschnittsarbeiten des 18. Jhs. Auf dem Hochaltar die
Holzstatue des h. Ulrich, an den Seitenwänden die Immaculata und die Heiligen Petrus,
Paulus, Michael, Nepomuk, Joseph, Sebastian, sowie ein Kruzifix mit Maria und Johannes,
nicht gerade sehr bedeutende, aber doch recht schwungvolle Ho/zstatuen des Barock.
Die Kanzel , ziemlich reich geschnitzt mit Rankenwerk und Bandgeschlinge, den
Statuen der Kirchenväter an der Brüstung, den Evangelistensymbolen am Schalldeckel,
aus der Mitte des 18. Jhs., soll von Oberndorf (Württemberg) stammen. — Der Taufstein
ist ein schlichtes Stück vom Anfänge des 18. Jhs.; die Glocken sind neu.
An Kirchengeräten zu nennen: eine Sonnenmonstranz, silbervergoldet, Mitte (?)
18. Jhs.; Wettersegen, gleiche Arbeit, aus der gleichen Zeit; Meßkännchen, Silber, teil-
weise vergoldet, mit versilberter Platte, auf der getriebene Bandornamente ; weitere Meß-
kännchen aus Zinn mit eingeprägtem Bilde des h. Michael als Zeichen; zwei Kelche,
silbervergoldet, späte Arbeiten des 18. Jhs., der eine mit Augsburger Zeichen, darunter
C und FB.
Neben der Kirche steht ein Steinkruzifix von 1772; um die Kirche der Fried-
hof; zu beiden, hoch gelegen und ummauert, bildet den Zugang ein etwas reicher aus-
gebildetes Barockportal.
Im Dorf stand noch vor etwa 20 Jahren ein äußerst malerisches Haus von 1620,
das ich in einer Zeichnung Weyßers wiedergeben kann (s. Fig. 359). Im Erdgeschoß
ein massiver Hausteinbau, der sich in Arkaden öffnet; die Bögen ruhen auf klotzigen
Eckpfeilern und plumpen Säulen mit würfelähnlichen Kapitellen, darüber der leichte
Fachwerkbau mit Fenstererkern, schmiedeeisernem Schild und steilem Dach. Das Haus
war später einmal, wie die Abbildung zeigt, durch einen Anbau verbreitert worden.
Haus Nr. 40, Hermann Armbrusten Im Torsturz: A 17 + 5o B.
Hochaltar
Seitenaltäre
Holzstatuen
Kanzel
Kirchengeräte
Steinkruzifix
Häuser
■*■) Schuster a. a. O. S. 87.
652
KREIS OFFENBURG.
Fig. JFty. Abgebrochenes Fachwerkhaus in Schenkenzell.
AMT WOLFACH. — SCHENKENZELL. (BURGRUINE SCHENKENZELL.) 653
Gasthaus »Zur Sonne«, geringer verputzter Riegelbau mit einfachen Holzgesimsen;
gegen die Straße zu eine Rundbogensteintür mit Hohlkehle, Wulst und unterem Voluten-
ablauf. — Gasthaus »Zum Ochsen«, schmiedeeiserner Schild vom Ende des 18. Jhs.
(üblicher Arm mit Ornamenten, in Adlerkopf endigend, der den Kranz, worin der
Ochse, hält).
An der Weinhandlung Willy Armbruster an der Straßenseite ein Stein eingemauert
mit der Inschrift :
GEORG WÖLBER
OTT. ARMBRVSTER
1725.
Im Dorf sowie in der anstoßenden Gemeinde Bergzell noch einige, teils verputzte
Fachwerkhäuser, in Bergzell auch typische Schwarzwaldhäuser zu erwähnen.
BURGRUINE SCHENKENZELL
Die Erwähnungen und die Geschichte der Burg sind in der damit eng zusammen-
hängenden Ortsgeschichte gegeben. Eine kurze Besprechung hat sie durch Näher
erfahren, ') vorher schon, natürlich ganz belanglos, in den Vues pittoresques des vieux
Fig. 360. Plan der Ruine Schenkenze/l ( Sckenkenburg).
chateaux de l'Allemagne, Le Grand Duche de Bade d’apr^s les dessins de M. Maximilien
Ring, woselbst sie auch in einer Lithographie abgebildet ist. Unsere Tafel XXIV zeigt
den Palas unten vom Kinzigtal aus, leider auch die moderne Brücke, Fig. 360 gibt den
Cirundriß und Fig. 361 den Querschnitt sowie den Längsschnitt durch die Burg. Diese
liegt auf einem weit in das Tal vorspringenden Felsenrücken, der von dem Berg durch
einen jedenfalls künstlichen Halsgraben getrennt ist. Dann folgen drei zweifellos künst-
liche, durch Felseinschnitte voneinander geteilte kleine Plateaus, K, Z, H , je 8 — 5 m
Bergzell
*) Ortenau, S. 49 und Blatt 11.
j6i. Längsschnitt und Querschnitt durch die Burgruine Schenkenzell.
654
Ü
KREIS OFFENBURG.
Cfq'
lang und ähnlich breit, deren östliches, H, der
Brückenkopf war. Zu ihm führte, von Westen
kommend, an der Südwestseite von K und Z
entlang der Burgweg L. Von diesen merk-
würdigen und selten so vorkommenden Vor-
befestigungen ist die eigentliche Burg durch
den zweiten, an seiner Sohle 17m breiten und,
soweit sich bei der Aufschüttung beurteilen
läßt, etwa 15 m tiefen Halsgraben getrennt.
Der Berganlage nach ist es unwahrscheinlich,
daß diese Gräben auf die Füllung mit Wasser
berechnet waren, da dasselbe ohne besondere
Vorrichtungen sofort nach Norden und Süden
abgeflossen wäre. Uber dem Graben auf der
Felshöhe die Hochburg auf einem unregel-
mäßigen Areal von etwa 33 m Länge und
17 m größter Breite. Die Mauern von nicht
ganz 2 m Stärke folgen in leichter Kurve
der Terrainlinie. Diese Mauern sind zugleich
als die Außenmauern der Gebäude benutzt,
und zwar eines der Angriffsseite, dem Graben
und dem Berg zugekehrten stattlichen Berg-
friedes A, des an ihn anstoßenden wohnturm-
artigen Palas B und, wie es durch den Mauer-
zug C scheinen möchte, eines weiteren, der
Talseite zugekehrten Wohngebäudes, das wir
ebenfalls mit ^bezeichnen wollen. Zwischen C
einer- sowie A und B andererseits haben wir
uns dann einen Burghof zu denken. An der
Nord- und Nordostseite fällt der Felsen schroff
und steil ab, unten bespült von den Fluten
der Kinzig: es war somit hier keine weitere
Befestigung mehr nötig, wohl aber nach Osten
und Süden zu. Hier wurde der
erste Zwinger E angelegt, von
dem durch die Mauer D an der
Ostecke des vermutlichen Ge-
bäudes C ein weiterer Teil ab-
getrennt war. Vielleicht, aller-
dings in keiner Weise zwingend,
spricht der Umstand, daß die
Mauer der Hochburg an dieser
Seite eine Lücke aufweist, dafür,
daß hier ein kleiner Eingang von den Zwingern in diese führte, der eben durch das Vor-
werk bei D noch besonders geschützt war. Auf einer tieferen Felsterrasse war endlich
Tafel XXIV
Schenkenzell, Palas der Burg vom Tal aus.
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AMT WOLFACH. — SCHENKENZELL.
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ein zweiter Zwinger angelegt. So sehen wir die Burg für die Zeiten des 12. bis 14. Jhs.
recht solide befestigt. Der Haupteingang führte von Nordwesten, vom Berg her über
eine Brücke - die Mauerreste eines Pfeilers glaubte ich im Graben G noch zu erkennen — -
durch ein in der Ecke von A und B gelegenes Tor, wie ich vermute, herein (?).
Nach diesem Überblick über die Gesamtanlage gehe ich zur Besprechung der
einzelnen Bauteile über und beginne mit dem Bergfried A. Seine Mauern sind noch
6 — 8 m über dem Boden
erhalten und zeigen die be-
trächtliche Stärke von etwa
3 m. Der Turm ist von
quadratischem Grundriß und
umschließt im Innern einen
Raum von 3:3m. Er ist
aus Gneisbruchsteinen er-
baut, die oft 40 cm hoch
und 60 cm breit sind und
durch Kalkmörtel verbunden Fig.362. Lichtluke oder Schießscharte im Palas der Burg Schenkenzell.
werden. Das Innere der
Mauern scheint durch Gußmauerwerk ausgefüllt zu sein. Da beinahe nur die Hälfte
der Mauerdicke heute noch steht, so läßt sich mehr über die Ausgestaltung dieses
Teiles nicht sagen, nur scheinen Sandsteinquader im Innern auch auf eine stärkere
Verwendung solcher am Äußern des Turmes bezw. seinen Ecken schließen zu lassen.
Bedeutend besser er-
halten, wenigstens in seinen
beiden Außenmauern, der
wohnturmartige Palas, aus
demselben Material, dem
Urgestein des Berges, Gneis-
und Granitbruchsteinen mit
Kalkmörtel erbaut, an seinen
Ecken mit mehreren Reihen
stattlicher Bossenquader von
Sandstein , abwechselnd
Binder und Strecker, be-
kleidet. Der Bau, von un-
regelmäßiger viereckiger Ge-
stalt, schloß in stumpfem Winkel an den Bergfried an, da aber gerade hier die Mauer
durchgebrochen ist und die Mauer des Bergfrieds ebenfalls zerstört, so läßt sich darüber,
ob beide Teile im Verband gemauert, also gleichzeitig waren, kein Urteil mehr fällen. Die
Mauern des Palas sind nach Norden und Westen, der Angriftsseite zu, etwa 2 m, nach der
Zwingerseite zu, wie die Burgmauer, etwa 1,60 m, und nach dem Burghof zu, wie es nach
dem nur noch erkennbaren Zug der Mauer scheint, etwa 1 m stark. Die Mauern stehen
nach außen noch in einer Höhe von 14 — 16 m über dem gewachsenen Felsen, im Innern
etwa 12m über dem heutigen Erdboden. Der Innenraum war so ungefähr 8:9m groß.
Eine innere Abteilung ist noch durch einen Maueransatz an der Südwestmauer erkennbar.
Fig. j6j. Außenansicht des dreifachen Rundbogenfensters vom Palas
der Burg Schenkenzell.
Bergfried
656
KREIS OFFENBURG.
Erbauungszeit
In diesem Teil sind auch noch einige der alten Fensteröffnungen mit ihrem Sand-
steingewände erhalten. Und zwar sehen wir unten zunächst eine einfache Schlitz-
schießscharte, darüber zwei im Rundbogen geschlossene Öffnungen (s. Fig. 362), die
innere Laibung in sehr sauber behauenem Rundbogen gewölbt, wohl nicht ausdrücklich
als Scharte hergerichtet, aber nötigenfalls auch als solche benutzt. Ihnen entsprechen
an der Südseite drei geradsturzige Lichtluken. Im Stockwerk darüber nach Westen zu
zwei große Fensteröffnungen, nach Süden eine mit herausgebrochenem Gewände, bei
denen man auf gekuppelte Rundbogenfenster schließen möchte, also auf eine hier auch
durchaus wahrscheinliche Saalanlage. Im Stockwerk darüber nach Westen zu ein drei-
faches Rundbogenfenster (s. Fig. 363) mit sich nach innen stark erweiternden, mit
geraden Platten abgedeckten Kammern. Hier im Innern zeigt sich kein regelmäßiges
Quadervverk. Nach Süden zu in diesem eine große Fensteröffnung mit herausgebrochenem
Gewände und weiterhin in dem sehr zerstörten Mauerwerk eine muldenartige Vertiefung,
Fig. 364. Innenansicht des dreifachen Palasfensters der Burg Schenkenzell.
die an ein Kamin denken läßt. Von dem nächsten Stockwerk stehen nur noch Reste
nach Westen, darin die unteren Teile zweier sauber behauenen Sandsteingewände,
die auf große Fenster deuten.
Die Zwingermauern, bedeutend weniger stark, sind von dem gleichen Material wie
die Mauern der Hochburg. Hier mögen Wirtschaftsgebäude gestanden haben. Auf den
merkwürdigen Vorwerken nach der Bergseite zu noch wenige Mauerspuren von kleinen
Gneisbruchsteinen.
Die Erbauungszeit einer Burg ist nach derartigen Resten immer schwer zu
bestimmen. Soweit man bei Burgen sicher urteilen darf, lassen die geschilderten Fenster-
öffnungen noch auf die Zeit des romanischen Stils schließen. Zugleich aber möchte
ich noch auf etwas anderes aufmerksam machen. Abgesehen von dem hier ausnahms-
weise vorhandenen Bergfried bietet die Anlage der Hochburg mit den zwei Palasen und
ihrer Grundrißform sowie dem Hof dazwischen wieder eine Analogie mit der Diersburg
und der Hohengeroldseck. Obgleich ich darauf kein großes Gewicht legen möchte,
AMT WOLFACH. — SCHILTACH.
657
scheint es mir auch aus historischen Gründen immerhin möglich, daß die Geroldsecker
auf der Höhe ihrer Macht in der ersten Hälfte des 13. Jhs., als sie in den Besitz dieser
Gegend kamen, die Burg entweder neu erbauten oder so, wie sie heute ist, ausbauten.
Uber dem Tal drüben am Bergabhang, auf einem niederen Granitkegel, Reste
eines unregelmäßigen Gemäuers ; die Mauerzüge im Grundriß fast rund, von einem
weiteren Mauerkreis ebenfalls noch Reste erhalten. Uber Alter und Zweck dieser Anlage
ist nichts festzustellen.
SCHILTACH
Schreibweisen: Schiltach 1275; Schiltha 1315; Schiitache 1333; Schiltach, Horn-
berger Amts 1592; Schülltach 1621. (Vielleicht vordeutsch, vielleicht auch zu Schild
gehörig.)
Arhivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 17 (1895), S. 92.
Literatur: Ein erschröcklich Geschieht vom Tewfel und einer unhulden, beschehen
zu Schilta in der Karwochen .... 1533. Joh. Bolte, Geistl. Komödie in Sch. 1654,
Alemannia XVII, S. 152. Ders., Kommödianten zu Sch., Alemannia XIV, S. 188.
Eyth, Altertüml. Gebräuche von Sch., Veröffentlichungen des Karlsruher Altertums-
vereins I, S. 14. A. Rößger, Bilder aus einer kleinen altwiirttembergischen Schwarz-
waldstadt vom Ende des Dreißigjährigen Krieges, Württemb. Vierteljahrsschrift NF. I
(1892), S. 386 — 408.
Ansicht : Merian, Topographia Sueviae 1643.
Oi'tsgeschichte : Im 13. Jh. zuerst genannt, kam nach längeren Kämpfen um die
Vogteien Schiltach und Alpirsbach zwischen den Herzogen Friedrich II. von Teck und
Konrad von Urßlingen Schiltach an letzteren. Doch hatten auch die Geroldsecker einen
Teil im Besitz, wohl durch Verschwägerung und Pfandschaft, 1370 hören wir von »Georgen
von Geroltzegke genant von Tüwingen und Heinrichs von Geroltzegke gemeine vestinnen
zu Geroltzegk und zu Schiltach«. Wenige Jahre nachher versetzt »Mathis von Signow
ain friger herre« 1378 »Schilta bürg und statt mit allem dem, daz dar in höret, dem
edeln grave Wolfen von Eberstain minem lieben ohem und dem schultheissen, dem
burgermaister, dem rät und den bürgern gemainlich der statt ze Rotwil um achtenhalb-
hundert guldin«. Vorher schon, 1375, hatte er dem Grafen Eberhard von Württemberg
und dessen Sohn Ulrich gelobt, »wer daz sache, daz mir an den vestin der Hohen-
gerolzeg und an der vestin Schiltach gebringe und die ingewinne, daz ich mit denselben
vestin den vorgenannten minen herren von Wirtenberg und iren erben damit warten
solle und damit nit anders tun solle, denne daz sie mich heizzen«.1) 1395 erlaubt er
nun dem Grafen Wolf von Eberstein, die 1378 den Rottweilern verpfändete Hälfte ein-
zulösen.2) Gleich nachher verkauft er seinen Besitz endgültig demselben. 1381 erlangte
Diem, der Schultheiß von Dornstetten, wegen einer Schuld des Georg von Geroldseck
von xooo fl. »eine Anleite auf dessen Anteil an Burg und Stadt Schiltach und Schenken-
zell«.3) Aber noch im gleichen Jahre am 26. Juni verkauft sein Bruder Berntz von
Dornstetten mit seiner Zustimmung diese Ansprüche um 4000 Pfund Heller an den
*) Ruppert, Mortenau I, S. 495.
2) Ebenda.
3) Ebenda, S. 496.
Gemäuer
Ansicht
Ortsgeschichte
658
KREIS OFFENBURG.
Grafen Eberhard von Württemberg, und zwei Monate nachher erlangt dieser den ganzen
Besitz: »ich herezog Reinolt von Urßlingen und ich frovv Anna herezogin von Urßlingen,
des vorgen. herezog Reinolt svvester und Conracz von Gerolczecke eliche husfrow, und
ich Conrat von Gerolczecke herre ze Sulcze, geben ze kouffen grave Eberharten von
Wirtemberg und der herrschaft ze Wirtemberg Schilttach die bürg und Schilttach die
statt in dem Kinczgental gelegen mit allen nuczen, rehlen und mit aller zugehorung für
ain fryhe ledig aigen güte umb sechstusent gultin«. 1391 ') und 1395 wird dieser Kauf
bestätigt, nämlich der Kauf: »der aigenschaft von dem edeln Rennolten hertzogen von
Urslingen und die pfantschaft von dem edeln Walthern von der Hohengeroltzegg«. Die
Geroldsecker behielten aber noch Besitzungen »im langen Schiltach, die sie 1458 an
»Abt Johann genannt Swigger zu S. Jörgen« verkaufen.2)
Stadt und Burg blieben von da an württembergisch und gehörten zum Amt Hom-
berg, bis sie mit diesem 1810 an Baden abgetreten wurden. Im 16. Jh. hatte die Stadt
Fig. 36 j. Schiltach, nach Merian, 1643.
mehrere große Brände zu erleiden. »1533 ferbran Schiltach das gantz stettle gar uß,
neher dann in ainer stund uf den boden hinweg.« (Hugs, Villinger Chronik 206.)
Damals schrieb man dies Unglück einer bedauernswerten Hexe zu, die denn auch zu
Oberndorf auf dem Scheiterhaufen sterben mußte. 1590 aber erfolgte ein zweiter Brand:
»also ist dieses stättlein, so fünf und dreyßig hauser hatte, anno 1590 wieder biß auf die
Kirche und deß prediger hauß gantz abgebronnen«, berichtet Merian (S. 69). Kein
Geringerer als der große württembergische Stadtbaumeister und Architekt Heinrich
Schickhardt entwarf damals den Plan zum Wiederaufbau (wie für Freudenstadt), der aber
offenbar nie zur Ausführung kam. Mehrfache Leiden kamen dann im Dreißigjährigen
Kriege über die Stadt, die schwer an ihren Brandschatzungen zu tragen hatte, um so mehr,
als die Bauern des zu Schiltach gehörigen Lehngerichtes in der Zahlung ihres Beitrages
sehr widerspenstig waren. Die Streitigkeiten mit ihnen machen überhaupt in dieser und
*) Ruppert, Mortenau I, S. 496.
2) Ebenda.
AMT WOLFACH. — SCHILTACH.
659
der nächsten Zeit einen großen Teil der Geschichte von Schiltach aus. Auch die
Gebäude der Stadt hatten in den Kriegszeiten schwer gelitten und befanden sich »von
der Kirche und dem Rathaus bis hinab zum öffentlichen Schlachthause in einem Zustand
grenzenloser Verwahrlosung«,1) ebenso die öffentlichen Brunnen, so der Marktbrunnen.
Die Häuser waren alle baufällig, Wege, Stege und Brücken in Unordnung. Bei der
allgemeinen Armut war die Gemeinde kaum im stand, für die allemötigsten Herstellungen
zu sorgen. Damit ging Hand in Hand eine große Verwilderung der Sitten.2) Wie die
ganze Gegend, so konnte auch Schiltach erst im 18. Jh. sich allmählich erholen.
Die Anlage der Stadt knüpft, wie so häufig, auch hier an die Burg an, obwohl,
wie es scheint, die Feste Schiltach 1370 zum erstenmal genannt wird in der oben-
citierten Urkunde der beiden Hohengeroldsecker. Weitere Erwähnungen sind: 1375
O !0 iO 30 S o so •ntc.
Fig. j66. Plan der Ruine Schiltach.
vesti Schiltach, 1379 bürg und stat Schiltach, in dem Kincgental gelegen 1391, schloß
Schiltach 1534. Von der Burg, die auf dem Hügel über der Stadt lag, wo jetzt ein
Aussichtsturm, sind nur noch die Grundmauern erhalten, wie sie unser Plan (s. Fig. 366)
gibt. Sie soll am Ende des 18. Jhs. noch bewohnbar gewesen sein. Eine Lithographie
von 1843 (E Vife 1 d- Offenburg) zeigt uns nur noch eine kümmerliche Ruine, desgleichen
eine von Ring gezeichnete in dem Werk über die deutschen Burgen.3) Unser Plan zeigt
uns auf einem Plateau von etwa 65 : 22 111 die Mauerreste der Hochburg, in der
Siidostecke anscheinend einen Turm, scheinbar (?) einen zweiten in der Südwestecke, in
dem westlichen Teil möglicherweise einen Palas mit der Mauer eines Vorwerkes. Die
Nord- und Südmauern, von Gras überwachsen, waren, wie es scheint, gegen 3 m stark
und bestehen aus Granitbruchsteinen. Ein Halsgraben trennte die Burg von der Berg-
*) R ö ß g e r a. a. O. S. 3SS.
2) Ebenda.
3) Vues pittoresques a. a. O.
66o
KREIS OFFENBURG.
seite. Wenn wir den Befund mit dem ja nie sehr glaubwürdigen Bilde bei Merian ver-
gleichen, so dürfen wir den erstvermuteten Turm tatsächlich als Bergfried ansehen, den
westlichen Teil als Palas mit einem anstoßenden Gebäude. — Auf unserem Plan der
Stadt ist der vermutliche Anschluß der Zwingermauern des Schlosses an die Stadt-
mauer angedeutet. Die Stadt war den Schloßberg hinauf gelagert, ihre Mauern begannen
einige 20 m entfernt von der Kinzig und umzogen sie in unregelmäßigem Laufe, im
Fig. 367. Schiltach, Reste der alten Stadtmauer.
Norden, wo die Häuser mit ihren Rückseiten darauf stehen, und im Süden noch gut
erhalten, im Osten und Westen größtenteils nur vermutungsweise nachweisbar. Im
Norden, gegen die Kinzig zu, sind noch zwei mit Quadern bekleidete Strebepfeiler
sichtbar, die die aus Bruchsteinen errichtete Mauer stützten (s. Fig. 367). ln der öst-
lichsten Höhe führte ein Obertor herein, westlich gegen den Einfluß der Schiltach in die
Kinzig zu ein Untertor heraus, deren Stelle und Form nach alten Angaben einigermaßen
vermutet werden konnten. Wie man sieht, liegt der größere heutige Teil der Stadt
außerhalb der Mauer. Das muß aber schon zu Merians Zeit gewesen sein, schon damals
Band VII. Zu Seile 660.
Fig.jöS. Plan der Stadt Schiltach nach dem staatlichen Katasterwerk
1881.
AMT WOLFACH. — SCH1LTACH.
66l
lag die Kirche jenseits der Schiltach und dehnten sich östlich und westlich zahlreiche
Häuser aus. Ob die Talstraße vor der Mauer vorbei führte, oder ob sie anstieg, beim
Fig. jöq. Rathaus in Schi/tach.
Obertor herein und beim Untertor heraus führte, läßt sich nicht mehr feststellen. Eine
andere Straße führte im Osten am hinteren Tor herein, beide vereinigten sich in dem
602
KREIS OFFENBURG.
Evang. Kirche
Marktplatz, der etwa auf mittlerer Höhe der Stadt liegt. Hier stand das Rathaus, das
in seiner heutigen Gestalt, wie wir sehen werden, aus der Zeit nach dem zweiten Brande
1590 stammt. Der Meriansche Stich zeigt uns noch die Kirche, aber nur mehr den
gotischen Chor mit Achteckabschluß, vielleicht ein Stück Langhaus, der Rest ist bei
einem der großen Brände zerstört und offenbar bis 1643 nicht wieder aufgebaut worden.
Merian gibt übrigens keine Stadtmauer und keine Türme an, wovon mich nur das
letztere einigermaßen stutzig macht, vielleicht waren sie so zerstört, daß sie im Stadtbilde
gar nicht mehr mitsprachen. Der gotischen Form des Kirchenchores nach muß schon
spätestens im 16. Jh. die Ausdehnung der Stadt über die Schiltach stattgefunden haben.
Zu Merians Zeiten stand hier noch ein stattliches Pfarrhaus (?). Hier auch das Rathaus
(Lehengericht) der Gemeinde. Eine alte Brücke verband die Teile mit der alten Stadt
(heute durch eine eiserne ersetzt). Im übrigen ist auf der rechten Seite der Schiltach
die Ansicht im 19. Jh. stark verändert worden.
Evang. Pfarrkirche. Schon 1275 hören wir von einem »rector ecclesie in
Schiltach in decanatu Kürnbach«, 1314 von »herr heinrich der chilchherre von Schiltahe«,
zwischen 1360 bis 1370 von der »ecclesia Schilta in decanatu Rotwil«, 1488 von »sant
Johannsen gen Schiltach an die Kirchen«, dies also der ehemalige Titel. Das Patronat
stand seit dem Ende des 14. Jhs. dem Grafen von Württemberg zu, 1464 wird von dem
Grafen Eberhard »Nicolaus Gocz de Wolfach ad ecclesiam parrochialem in Schiltach,
per liberam resignacionem Pauli Wilden vacantem« präsentiert. Wie in allen württem-
AMT WOLFACH. — SCHILTACH.
663
bergischen Gebieten im Kinzigtal, wird auch hier sehr bald in den ersten Jahrzehnten
ihres Auftretens die neue Lehre der Reformation eingeftihrt und bleibt herrschend.
1577 hören wir noch einmal von »des hayligen s. Johanns pfleg zu Schiltach«. Wie die
Kirche damals aussah, haben wir oben nach Merian angegeben. Der heutige Bau, in
den pseudoromanischen Formen der damaligen Zeit, wurde 1839 begonnen und 1843
vollendet. Ältere Reste sind nicht mehr vorhanden.
Auf dem Friedhof schmiedeeisernes Kreuz mit Rosetten etc. aus dem Anfänge Schmiedeeisernes
Kreuz
des 18. Jhs., zwei einfachere aus der zweiten Hälfte desselben.
Von Profangebäuden ist das wichtigste das Rathaus (s. Fig. 369), das sehr
malerisch auf der Höhe des Marktplatzes liegt. Ich gebe eine Federzeichnung des-
selben von Wey ßer wieder, . —
jStadt jSchiltach-
m" am ehern, zoy-
J Ä<3,erhaU9.
die allerdings nicht ganz
fertig geworden ist, insbe-
sondere in den Fenstern.
Das Haus, ein Bau aus
Bruchsteinmauerwerk mit
Sandsteingewänden, öffnet
sich im Erdgeschoß mit
zwei Rundbogen gegen den
Platz. Im Stockwerk darüber
ein Saal, der durch zwei
gekuppelte Fenster oder
Fenstergruppen Licht erhält
(s. Fig. 370). Die Pfosten
und Gewände der Fenster
sind abgefast mit kleinen
Volutenabläufen. Im Innern
jeweils zwei Fenster durch
zwei Flachbogen zusammen-
gefaßt, die auf einer kurzen,
Fig. 371 Türe am ehemaligen sogen. Jägerhaus in Schiltach.
bauchigen Säule mit originellem Würfelkapitell und an den Ecken volutenartig ab-
gekantetem Sockel aufruhen. Der abgefaste Durchzugsbalken im Saale ruht auf einer
bauchigen Holzsäule (Eichen) mit geschnitztem Renaissancekapitell und der Zahl 1593.
I11 einer Wand des Saales eingefügt ein Wandschränkchen mit Giebelbekrönung, schlichtes
Renaissancewerk. Hier werden oder wurden zwei Holzstatuen des Königs David sowie
eines Engels aufbewahrt, Durchschnittsarbeiten des 17. Jhs. Auf der Bühne einige
Folterwerkzeuge, hier auch ein Blockgefängnis eingebaut. — Das Rathaus steht mit dem
Giebel nach der Straße, an dem eine Uhr, auf dem First ein kleiner Dachreiter. Zu
erwähnen noch der schmiedeeiserne Schildhalter an der Ecke.
Rathaus
Leider ist dieser gerade in seiner Einfachheit und seiner Lage an dem ansteigenden
Platz so überaus wirkungsvolle Bau 1906 und 1907 etwas verändert worden, insbe-
sondere durch die Hinzuftigung eines Staffelgiebels und eines Sockels aus Kunststein.
Das Innere mußte mit Rücksicht auf das praktische Bedürfnis wesentlich umgestaltet
werden, wobei der Saal aber erhalten blieb.
Band VII.
43
664
KREIS OFFENBURG.
Privathäuser
Von den Privathäusern ist zu erwähnen: das Haus Nr. 179, sogen. Jägerhaus, an
dem sich ein sandsteinernes Türgewände (s. Fig. 371) befindet, mit Hohlkehlen, Voluten-
ablauf, im Kielbogen schließend, an dem mit Rosetten gezierten Sturz die Zahl 1590.
Uber dem Erdgeschoß Fachwerkaufbau.
Das Gasthaus »Zum Adler«, Nr. 108, sei als gutes Beispiel eines reicheren Riegel-
baues hervorgehoben. Fig. 372 gibt eine Ansicht der Giebelseite des Hauses, an das
ein Anbau anstößt, der die Traufrinne der Straße zukehrt. An der Ecke kragt auf
mächtiger Steinkonsole ein Erker vor, in seinen zwei Geschossen den zwei oberen Stock-
Fig. 372. Gasthaus » '/.um Adler « in Schiltach.
werken des Hauses entsprechend. Das Dach enthält zwei Bühnen übereinander, die
sich in großen Türen zum Aufzug der Waren öffnen. Bis ins einzelne der Beachtung
wert ist die Behandlung des Fachwerkes, die Ausbildung der Fenstererker mit ihren
Konsolen, ihrem Eierstabgesims, ihren ausgeschnittenen Brüstungen (s. Fig. 374). An
einem Balken die Jahreszahl 1604. Wohl über ein Jahrhundert später ist der schmiede-
eiserne Wirtshausschild mit dem Doppeladler und dem in einen Adlerkopf endigenden
Halter.
Haus Nr. 26, mit Hohlkehle und Volutenablauf im Gewände des Rundbogentores,
an einem zweiten Tor im Schlußstein Initialen und die Jahreszahl 1791. Wohl nach
einem Brande damals erneuert. Hübscher Fach werkoberbau. In diesem Haus noch
ein gußeiserner Ofen, am Unterbau noch drei Platten mit Reliefdarstellungen, Bekehrung
1
AMT WOLFACH. — SCHILTACH.
665
Pauli: »Saul mit Wüten und Schnauben — will Christengut und blut rauben — durch
eine Stimm er wird bekehrt — Jesum er selbst bekennt und lehrt,« dann zweimal die
Darstellung Absalons am Baum: »Absalon sein Vater verfolgen that — Am Baum bleibt
hangen wird getödt.« (Ende 16. Jh.)
Fig. J7S- Detail vom Gasthaus » Zum Adler « in Schiltach.
Schmiedeeiserne Wirtshausschilde noch am »Bären«, Mitte 18. Jhs., am Schmiedeeiserne
. Wirtshaus-
»Lamm«, Ende 18. Jhs., ein sehr stattlicher am Gasthaus »Zur Sonne«. schüde
Auf dem Marktplatz, sehr zur Wirkung des Bildes beitragend, der Marktbrunnen. Marktbrunnen
Achtseitiges Bassin mit der Jahreszahl 1751, der Stock, eine leicht gebauchte Renaissance-
säule mit Akanthusblättern am Schaft und korinthischem Kapitell, trägt die Löwrenfigur
43*
666
KREIS OFFENBURG.
Zunftschild
Ortsbild
Römerstraße
mit dem Stadtwappen. An der Basis vier pausbackige Maskarons, aus deren Mäulern
die Ausflußrohren mit ihrem schönen schmiedeeisernen Gitterwerk herauskommen. Sie
sowie die ganze Säule nebst dem Löwen sind älter, wohl aus der Zeit um 1600. Es ist
dies der Brunnen, von dem wir 1636 hören, daß er nicht mehr läuft. Sein Wasser
entsprang auf dem Grundstücke zweier Privatbesitzer, von denen man 1648 die Frei-
gebung des Wassers erzwang.1)
Zunftschild der Küfer, Schlosser, Flaschner, vom Anfänge des 19. Jhs., im Gast-
haus »Zur Krone«. Eine alte Truhe aus dem Gasthaus »Zur Sonne«, jetzt beim Sonnen-
wirt Bühler im Hinterlehengericht.
Das wichtigste Denkmal in Schiltach aber ist das Ortsbild selber. Nur in äußerst
wenigen Orten haben sich in solcher Anzahl die Fachwerkhäuser erhalten wie hier, man
könnte mit geringer Ausnahme
jedes Haus hier anführen, wes-
halb ich darauf verzichte. Leider
sind die meisten verputzt. Eine
Wiederherstellung des alten
Charakters wäre dringend zu
wünschen. Da das ansteigende,
immer abwechselnde Bilder
bietende Terrain der malerischen
Wirkung sehr günstig ist, würde
ein seltenes und anziehendes
Bild geschaffen. Vom Kinzigtal
aus präsentiert sich ja heute
schon die Stadt mit ihren hoch
auf die alte Mauer gebauten Häusern sehr malerisch. Man kann nur den Wunsch aus-
sprechen, daß durch Neubauten in nicht hierher passendem Steinstil nichts ver-
dorben wird.
Zu Schiltach gehörte früher das
Fig. 374. Detail vom Gasthaus » Zum Adlern in Schiltach.
LEHENGERICHT
eine aus zerstreuten Höfen bestehende Gemeinde, die mit der Stadtgemeinde ehemals
den Stab Schiltach bildete (Schiltacher Lehengericht 1590) und mit ihr die gleiche
Geschichte hat. Auch hier sind eine Anzahl Bauernhöfe und Bauernhäuser, wie in der
ganzen Gegend, zu verzeichnen. — Im sogen. Hinterholz vier vierkantige Pfosten, etwa
1,70 m hoch und 80 cm stark, längs des Weges an der Grenze, wohl aus dem 18. Jh.
Durch Schiltach führte die römische Militärstraße, die, i. J. 74 nach Christus an-
gelegt, Straßburg über Offenburg, Gengenbach, Haslach mit Rottweil verband und hier,
oberhalb Schiltach, die Wasserscheide erstieg.2) Ihr Zug ist von der Stadt, vom Rathaus
aus noch zu vermuten. Auf dem Höhenrücken hinter dem Schloßberg, kurz vor dem
Eintritt in den Wald, tritt auf etwa 35 Schritte hin das antike Pflaster zutage, etwa in
*) Rößger a. a. O. S. 389.
,£) E. Fabricius, Die Besitznahme Badens durch die Römer, Neujahrsblatt der bad. histor.
Komm., S. 39.
AMT WOLFACH. — SCHNELLINGEN. STEINACH.
667
der Breite von 4 m, bestehend aus 50 — 60 cm langen und 40 cm breiten Granitsteinen,
die nach oben leise gerundet sind.
Etwas weiter hinauf ist ein kleines Plateau bemerkbar mit Mauerresten, einem Mauerreste
mittleren Hauptteil, um den herum geringe Trümmer einer weiteren Umfassungsmauer,
Spuren eines Grabens und davor eines Walles. Uber den Zweck und die Geschichte
dieser Anlage vermag ich nichts zu sagen.
SCHNELLINGEN
Schreibweisen: Snellingen 1293; Snellingin 1330; Schnellingen erste Hälfte des 16. Jhs.
(Bei den Angehörigen des Snello.)
Archivalien: Mitteil. der histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 157.
Ortsgeschichte : Der Ort, Dorf und Schloß, war geroldseckisches und fürsten- Ortsgeschichte
bergisches Lehen eines Adelsgeschlechtes, das sich nach ihm nannte. 1293 erscheint ein
Frischelin von Snellingen, 1306 ein Rudolf und »Mene seine eheliche wirtin, hern
Heinrichs tochter von Tiersberg«. Es folgt ihr Sohn Wigerich, seine Kinder (Dietrich,
Betli und Süßeli), 1371 verkauft »Mene, hern Wigerichs von Snellingen tohter, Renboltz
von Windegge seligen witwe« ihren Teil an der Burg und an dem Dorf Schnellingen, am
Dorf Welschensteinach etc., aus welcher Urkunde wir von einem Burggraben hören.
Unzählige weitere Mitglieder des Geschlechtes werden genannt, das sich in zwei Äste
geteilt hatte, bis dasselbe um die Mitte des 15. Jhs. ausstarb. Seine Güter kamen an
die verwandten von Gippichen, an die von Blumeneck, Stoll von Staufenberg, Erasmus
von Harmersbach. Die Landeshoheit hatte Fürstenberg bis 1806, wo das Ort badisch
wurde. Im 15. und 16. Jh. wurde ein Bergwerk hier betrieben.
Von der Burg steht heute nichts mehr, nur der Name Schloßberg erinnert daran. Burg
Ob die Mauerreste im Anwesen des Wilhelm Pfaff, auf einem Bühel gelegen, tatsächlich
mit derselben zusammenhingen, kann ich nicht entscheiden.
Eine schlichte Kapelle zu Mariä Himmelfahrt trägt über der rundbogigen Ein- Kapelle
gangstiir die Jahreszahl 1745. An der Holzdecke gemalt die marianischen Symbole,
primitive Arbeiten des 18. Jhs. Ein holzgeschnitztes Kruzifix, Durchschnittsarbeit der
gleichen Zeit.
STEINACH
Schreibweisen: in Mortunagia Steinach 1139; Steinahe 1240; Stenahe 1250;
Steynach 1380; zu Stainach im dorf 1500.
Daneben hören wir im Gegensatz zu Welschensteinach 1381 vom dorf zu Tüschen
Steinach, 1411 Tütschen Steinach, 1464 Düczschen Steinach.
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 157. — EDA. 14,
S. 273 — 278.
Ortsgeschichte: Nach Heyck ursprünglich zum Kloster Gengenbach gehörig, Ortsgeschichte
scheint Steinach wie andere Besitzungen des Klosters bambergisches Lehen der Herzoge
von Zähringen gewesen zu sein, nach deren Aussterben es ihre Erben, die Grafen von
Urach, beanspruchten. Auch belehnte später König Rudolf das Haus Fürstenberg damit,
668
KREIS OFFENBURG.
Kath. Pfarrkirche
Hochaltar
Seitenaltar
Kirchengeräte
1288 aber verzichtet Graf Egeno mit Vorbehalt des Wiederkaufsrechtes auf »valles
Milinbach et Niderinbach et villa Steina, que . . . . a Rudolfo Romanorum rege et im-
perio in feodum tenuit« ') und Rudolf belehnt Georg von Geroldseck und seine Gemahlin
Uta damit. 1304 kam es wieder als Straßburger Lehen an das Haus Fürstenberg
zurück, 1412 wird es als Zubehör von Haslach genannt und den Fürstenbergem ihr
Recht auf dieses Straßburger Lehen bestätigt. Es blieb nun bis zum Übergang an Baden
1806 fiirstenbergisch. Einmal nur wird ein Ortsadel genannt: Riulinus de Steinahe 1240.
Kath. Pfarrkirche (ad Exaltat. S. Crucis): 1285 wird ein »Dietricus rector
ecclesie in Stena« genannt, 1363 ein Johannes dictus Korg, 1419 ein Conrat Bachzimer,
kirchherre zu Dütschensteinbach, 1478 pfaff Georg Sprung, kilchherr zu Steinach.
1411 wird die ecclesia parrochialis in Tüschen Steinach genannt. Das Patronat hatte
das Kloster Gengenbach. — Mit der ganzen Gegend trat auch Steinach zur Lehre
Luthers über, 1548 saß als Vertreter derselben der Pfarrherr Simon Schilling hier.
Unter dem Grafen Friedrich von Fürstenberg erfolgte die Rekatholisierung. 1616 hören
wir über den Zustand der Kirche u. a. : templum non tabulatum alias ornatum, sed sine
pictura. 1666 wird berichtet: Teütschen-Steinach, haec ecclesia est sub titulo s. Crucis;
collator, decimator et dominus temporalis est dominus comes Maximilianus a Fürstemberg ;
animas regendas 700 ca. habet.
Der heutige Bau wurde 1750 nach Abbruch des alten begonnen. Doch scheint
mir der Turm stehen geblieben zu sein, wenigstens in den unteren Stockwerken. Das
Erdgeschoß mit einem Kreuzgratgewölbe dient jetzt als Sakristei. Das Material des
Baues ist Bruchsteinmauerwerk. Bei dem Neubau 1750 hat er einen achteckigen Aufsatz
mit barockem Walmdach erhalten. Die Kirche selbst ist einschiffig, mit Chor aus drei
Seiten des Achtecks, sie wurde i. J. 1888 renoviert und um ein Drittel vergrößert. Im
Innern zeigt sie an Decke und Wänden Stuckdekoration aus der Zeit ihrer Erbauung.
Der Hochaltar , wirkungsvoller Aufbau von vier Säulen, mit Voluten und Baldachin,
und einigen flotten Barockfiguren, ist, nach Mitteilungen des Pfarrers, 1777 vom Schreiner
Hansjörg Sutter in Haslach angefertigt worden. Zur gleichen Zeit von demselben für
300 fl. der eine Seitenaltar des hl. Joseph mit neuem Bild, in entsprechendem Aufbau,
ähnlich der Altar Mariä Trost, alle mit geschnitzten Rocailleornamenten verziert. Auch
die Kanzel ist ein Werk des gleichen Stils und der gleichen Zeit. Der Taufstein
stammt wohl noch aus dem 17. Jh., daran flache Akanthusverzierung und Holzgruppe der
Taufe Christi aus dem 18. Jh. Von dem Triumphbogen hängt ein holzgeschnitztes
Kruzifix herab, Durchschnittsarbeit des 18. Jhs., darüber das fürstenbergische Wappen.
In der Kirche holzgeschnitztes kleines Kruzifix, Prozessionskreuz, ebenfalls Durchschnitts-
arbeit des 18. Jhs. — An den neuen Kirchengestühlen zwei Bekrönungen von der alten
Orgel erhalten in Rocailleschnitzerei ; in sehr schlichten Formen dieses Stils die Beicht-
stühle.
An Kirchengeräten zu erwähnen : Sonnenmonstranz, silbervergoldet und getrieben,
mit Blumen, Gitter und Rocailleornament, sowie Heiligenhalbfiguren; Kelch, gleiches
Material und Arbeit, mit Kränzen und vier Emailmedaillons am Fuß, guten Arbeiten,
auf die Kreuzeslegende bezüglich, drei solchen an der Cuppa, auf die Bruderschaft Maria
vom Trost bezüglich, die etwa 1720 gegründet wurde, Augsburger Zeichen, darunter
*) Ftirstenb. Urk.-Buch I, Nr. 601.
AMT WOLFACH. — STEINACH.
669
A und C X S Arbeit aus dem dritten Viertel des 18. Jhs.; ein schlichterer Kelch mit
gewundenem Griff, silbervergoldet, aus der gleichen Zeit; Speisekelch, silbervergoldet,
getrieben mit einfacherem Ornament, aus der gleichen Zeit; ein ähnlicher, größerer im
Tabernakel. — Weiße Casel mit eingewebten bunten Blumen, aus dem 18. Jh. ; alter
Schrank des 18. Jhs. mit halblebensgroßen, gemalten Brustbildern der Propheten.
Fig. 375. Gasthaus » Zum Adler « in Steinach.
Von den Glocken ist die größte: 1750 gegossen von Matthaeus Edel in Straßburg.
Auf der einen Seite die Mutter Gottes mit Kind und die Worte: Monstra te esse matrem;
ferner: Cura et industria Archipresbyt. et parochi Joh. Matthäi Gaengwisch et Sebastiani
Gussler, praefecto huius pagi. Auf der anderen Seite Christus am Kreuz mit Maria und
Johannes. Die mittlere 1714 von Peter Edel in Straßburg mit der Aufschrift: Conatu
Glocken
670
KREIS OFFENBURG.
Kruzifix
Schmiedeeisernes
Kreuz
Sandsteinplatte
Mariaschnee*
kapelle
Pfarrhaus
Fachwerkhaus
et industria friderici Vogler Archipresbyt. Haslachii et Joanis Symacher, praepositi totius
judicii indicti Papi Steinavensis. Auf der anderen Seite ein Kreuz und die Umschrift:
Libera nos Deus noster per signum Crucis de inimicis nostris. Die dritte Glocke ist
1892 umgegossen worden.
An der Südwand der Kirche ein Kruzifix von 1799, Durchschnittsarbeit. — - Ebenda
ein schmiedeeisernes Kreuz mit der Schrift: MLE und 17 76. Weiterhin eine Sand-
steinplatte mit einem Reliefbild des Gekreuzigten und der Inschrift:
KOMM LIEBER GAST UND LESE DA
HIER LIEG ICH TODT ROSALIA
NACHDEM ICH 4+ JAHR
EINE GUTE EHE- UND WIRTSFRAU WAR •
DA NUN MEIN FLEISCH IN STAUB VERGEHT,
WIE MEINST, DASS ’S UM MEINE SEELE STEHT?
WO ICH KEIN HELLER ZECH MEHR LÖS
ALS NUR FÜR DAS WAS GUT UND BÖS
JA, WAS ICH AUCH NICHT SELBST GETHAN
RECHNET MAN MIR AUF’S GENAUESTE AN
UND MUSS BEZAHLEN FREMDE SCHULD
WENN ICH WAS BÖSES HAB GEDULD •
LASST DIESES EUCH ZUR WARNUNG SEIN
IHR WIRTH UND ALLE INSGEMEIN
SPRECHT BEI MEINEM WIRTSHAUS ZU,
SPRECHT, GOTT GEB IHR DIE EWIGE RUH •
ANNO 1780 19 AUGUSTI.
Etwas vor dem Ort die Mariaschneekapelle , von zwei Eheleuten auf ihrem Grund-
stück errichtet, 1889 wurde sie restauriert. Schlichter Bau des 18. Jhs. mit gekuppelten
Spitzbogenfenstem, also auf älterer Grundlage, an der flachen Decke der Kapelle die
Mariensymbole gemalt. Holzstatue der Pieta aus dem 18. Jh.
Im Pfarrhaus wird ein Schlußstein mit Christuskopf, wohl aus der alten Kirche,
aufbewahrt.
Das Gasthaus »Zum Adler« (s. Fig. 375) ist ein hervorragend schönes, sehr
charakteristisches Fachwerkhaus, 1715 durch Joh. Georg Bech erbaut. Auch sonst
im Ort noch einige Beispiele dieser Bauart, leider teilweise verputzt.
WELSCHENSTEINACH
Schreibweisen: Welscensteina 1240; Welschunsteina 1275; Welschensteinah 1306;
zu Welscheme Steine in dem tal 1323; Welschensteinahe 1330; Welschensteina 1341;
Welschensteynach 1392 und 1476; Welschen-Steinach 1411; ze Welschenstainach in
Strausburger bistom gelegen 1447 ; in der Weltschen Steinach 1456; Wälschensteinach 1461
und 1475; Welschensteynach 1491 etc. (Steinach der Walchen, Welschen.)
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 16 (1894), S. 158.
AMT WOLFACH. — WELSCHENSTEIN ACH.
671
Literatur: F. L. Baumann, Romanisches in Welschensteinach und den ostwärts
angrenzenden Seitentälern des Kinzigtales, Schriften f. Gesch. u. Naturgesch. d. Baar V
(1885), Kleine Mitteilungen, S. 135 — 137.
Ortsgeschichte : Der Ort, eine weit zerstreute Gemeinde in dem von der Steinach Ortsgeschichte
oder dem Steinachbach durchflossenen Tal, war jedenfalls frühe durch Reste römischer
Bevölkerung besiedelt, worauf der Name deutet. Er hatte im wesentlichen dieselben
Schicksale wie Steinach und kam wohl aus dem zähringischen Erbe an das Haus
Fürstenberg. — - Außerdem wissen wir, daß das Kloster Thennenbach 1316 und 1341 von
dem Ritter Berthold von Hüfingen den Zehnten zu Welschensteinach erwarb. Die
Güter, welche der Deutschorden (Freiburg) hier besessen hatte, kamen 1461 an die
Grafen von Fürstenberg, damit auch wohl das Patronat. — Im Anfänge des 14. Jhs.
bestand hier ein Silbererzbergwerk. — Der Ort blieb fürstenbergisch, bis er 1806 an
Baden kam.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Petrum et Paulum): Bereits 1240 wird ein Vicarius in Kath. Pfarrkirche
Welcensteina genannt, 1314 ein Dietricus rector ecclesie. 1313 erhalten die Johanniter
in Freiburg das Patronat : Heinricus marchio de Hachberg fratri Hermanno de Maguntia,
commendatori domus hospitalis s. Johannis Jerosolimitani in Friburgo, et conventui huius
domus ius patronatus ecclesiae in Welschensteina iure proprietatis possidendam tradit 1313.
1314 heißt es: ecclesia de Welschensteinahe archidiaconatus ecclesie Argentinensis, zwei
Jahre später: in Welschensteina under der Kilchen, endlich in einem Visitationsproto-
koll von 1666: hujus patronus coelestis est s. apostolus Petrus et Paulus; collator comes
de Fürstenberg; animas regendas habet 400.
Die jetzige Kirche ist ein schlichter, einschiffiger Bau des 18. Jhs. An dem Sturz
des Fassadenportals die Jahreszahl 1771. Das Äußere wird durch Lisenen gegliedert.
Die gesamte Kirche wurde 1840 bedeutend restauriert.
Der an die Nordseite des Chors anstoßende viereckige Turm entstammt bis zum Turm
Uhrgeschoß einschließlich noch dem 12. bis 13 Jh. ; er ist im 18. Jh. überarbeitet und
um zwei Stockwerke, mit den üblichen rundbogigen Schallöffnungen im jetzigen Glocken-
stockwerk, Satteldach mit zwei Volutengiebeln, erhöht worden. Die alten Teile zeigen
solides Mauerwerk aus Bruchsandstein, an den Ecken jetzt übertünchte Quader. Im
Erdgeschoß nach Norden und Osten schießschartenähnliche Luken, nach dem Chor zu
einfache Rundbogentüre ohne charakteristisches Profil; über derselben ganz geringe
Gemäldespuren, die weiter hinauf durch die im 18. Jh. vorgelegte Mauer verdeckt werden.
Im jetzigen Uhrgeschoß nach allen vier Seiten noch die alten Schallöffnungen erkennbar,
wenn auch zugemauert: gekuppelte Rundbogenfenster, in ihrer Vereinigung von Doppel-
säulchen mit abgehauenen Kapitellen getragene Bögen, an den seitlichen Laibungen ein-
facher abgeschrägter Kämpfer.
Das Innere der Kirche ist schmucklos. Die zwei Seitenaltäre, üblicher Barock- inneres
aufbau von Stukkateur Jodok Wilhelm von Bezau, sind maßvolle und hübsche Bei- Seitenaltaie
spiele der Gattung. Einfach geschnitzte Kanzel desselben Stils, geringer Taufstein der
gleichen Zeit.
Kirchengeräte : silbergetriebener, vergoldeter Kelch, Augsburger Beschauzeichen, Kirchengeräte
darunter B und C X S ; Sonnenmonstranz, silbervergoldet, getrieben mit Rocaille-
verzierung.
672
KREIS OFFENBURG.
Glocken
Ansichten
Oltsgeschichte
Drei Glocken , die größere neu, die mittlere mit Reliefs des Krucifixus und Brust-
bildern von Petrus und Paulus: Bin gegossen worden in Villingen bei Benjamin Grie-
ninger 1780; die kleine mit Muttergottesrelief und h. Sebastian: Benjamin Grieninger
gos mich 1780.
Die ursprünglich dem Mittelalter entstammenden Umfassungsmauern des Friedhofes
sind im 18. Jh. neu hergestellt und gedeckt worden.
WOLFACH
Schreibweisen: Wolfhacha ad a. 1084; Wolva ca. 1095, 1156, 1291, 1293 und 1320;
Wolfacha im und 1148; Wolvahe 1121, 1136, 1235, 1298, 1301 und 1305; Wolvah
13. Jh. und 1328; Wolfache 1294; Wolfa 1299, 1328 und 1367; Wolfahe 1303, 1317
und 1359; Wolvach 1312, 1340 und 1382; Wolfach 1328, 1395 und 1480; villa
Wolfacha 1148. Als Stadt ausdrücklich erwähnt: ze Wolfach in der statte 1305 und
1365; bürg und stat 1367; oppidum 1467; zu Wolfach in der vorstat 1551.
Literatur: H. Roys, Wolfach und sein Kiefernadelbad, Karlsruhe 1857. Carl
Kettner, Das Kiefernadelbad Wolfach und seine Umgebung in histor.-statist.-topograph.
Beziehung, Wolfach 1888. Woerls Reisehandbücher, Führer durch Wolfach, Würzburg
1887. W. J. A. Werber, Die Kniebisbäder Sulzbach, Antogast, Freiersbach, Peterstal,
Griesbach, Rippoldsau und Wolfach, Erlangen 1863. Jos. Bader, Klausnerin Leutgart
von Wolfach, Deutsche Frauenbilder aus verschiedenen Jahrhunderten, Freiburg 1877.
W. Franck, Bestrafung einer 7ojähr. Frau zu W. (Hexe) 1640, Frbgr. Z. II, S. 430.
F. J. M o n e , Zur Geschichte des Bettels, von 1363 bis 1367 (Wolfach), Z. 19, S. 139 — 163.
Ders., Der eiserne Ofen im Rathaus zu Wolfach, Z. 19, S. 303 — -305. Ders., Ge-
schichtliche Notiz, betreffend Bibliothek zu W., Z. 19, S. 487. Ders., Wirtstaxe zu W.,
Z. 19, S. 31. Ders., Der Stadtschreiberdienst-, Dienstboten- und Einwohnereid, Ordnung
der Ratsstube, Büttelordnung 1470, Jährl. Steueranlage im 15. Jh., Z. 20, S. 42—49.
Ders., Der Schauertag zu W., Z. 20, S. 76/77. Ders., Neujahrsgebräuche zu W.,
Z. 20, S. 74/75. Wichtige handschriftliche Notizen des August Armbrust er, im
Besitze desselben.
Ansichten: Federzeichnung auf dem »Mathemat. der Gräfifl. Fürstenberg. Herr-
schaft im Kintzgerthal etc., verzeichnet durch Jacob Mentzinger, Burger zu Basell
Anno 1655« (Fig. 376), im Fürstlich Ftirstenbergischen Archiv zu Donaueschingen ; ältere
Bleistiftzeichnung, danach, mir in Photographie von J. G. Straub in Wolfach überlassen;
Federzeichnung, wohl gleicher Ursprung; Kopie der Karte von 1655 im gleichen Archiv
von 1796; Gesellenbrief aus dem r8. Jh. mit kleinem Kupferstich der Stadt als Kopf-
stück, mir in einem 1770 Unterzeichneten Exemplar aus Privatbesitz vorliegend; Aquarell,
gezeichnet F.J. Saxe, im Privatbesitz in Wolfach; verschiedene Lithographien des i9-Jhs.,
wovon eine mit dem Eisgang 1830 von Mooser gezeichnet und X. Hillebrand & Cie.
in Freiburg lithographiert erwähnt sei.
Ortsgeschichte : 1084 zum ersten Male genannt, gehörte Wolfach dem gleich-
namigen Dynastengeschlechte, als dessen erster eben 1084 in der Gründungsnotiz des
Klosters S. Georgen Fridericus de Wolfaha erscheint. Das Stammschloß des Geschlechtes
lag etwas oberhalb über dem heutigen Oberwolfach. Vermutlich ist die älteste Ansiedelung
AMT WOLFACH.
WOLF ACH
673
dort zu suchen, später wurde sie an den Zusammenfluß der Wolf mit der Kinzig verlegt.
Wir hören deshalb auch von einem Altwolfach, womit die Höfe am Fuße der Ruine
gemeint sind, allerdings erst 1413: die alte Wolfach bürg und tale, 1487 us der Alten-
wolfach. 1275 aber tritt schon Oberwolfach auf, als Superius Wolfach, 1329 Oberwolwach,
1365 im tal zu der Oberwolfach, 1409 by der bürg zu der ober Wolfach, 1482 in der
Obernwolfach.
Von den Dynasten erscheint der obengenannte Friedrich auch 1095 bei der
Gründung von Kloster Alpirsbach. Schon 1085 aber wird zugleich mit ihm ein Udalricus
de Husen genannt, und da man annimmt, daß die Herren von Hausen ein Zweig der
Wolfacher sind, hat also ein Teil der Mitglieder des Geschlechtes sich schon damals,
von der Hauptlinie getrennt, nach seiner Residenz auf der Burg Hausen genannt. Von
den Wolfachern hören wir weiter nennen den gleichen Fridericus de Wolva et filius eius
Arnolt zwischen 1093 und nn, er wird aber zwei Söhne gehabt haben: Fridericus et
Arnoldus fratres de Wolva nach 1101. Zu gleicher Zeit lebten Gerhardus, germani
sui Otto et Fridericus de Wolphaa 1091. Ein Arnoldus wird 1132 genannt, Gotfridus
1219, seine Witwe Adilhaidis »relicta nobilis viri Gotfridi pie memorie de Wolva« 1247.
1232 unterzeichnet Cünradus de Wolvach, archidiaconus Argentinensis, einen Schenkungs-
brief des Archidiakon Heinrich zu Straßburg, und als Bischof Walter von Geroldseck
1262 den ihm so verderblichen Krieg mit der Stadt Straßburg führte, da half ein Fried-
rich Ritter von Wolfach vermitteln. Mit dem Ende des 13. Jhs. aber stirbt das regierende
Geschlecht aus, die letzten scheinen sich dem geistlichen Stande gewidmet zu haben,
der eine Cunradus de Wolva, wenn er noch dazu gehört, wird 1329 als rector ecclesie
parrochialis de Offenburg erwähnt. Ob der 1374 genannte »bruder Heinrich von
Wolfach, commendur des huses zum Grünenwerde zu Strazburgh sante Johans Ordens des
heiligen hospitales von Jherusalem« dem Geschlecht entstammte, scheint mir sehr unsicher.
Die Erbtochter war »Udelhilt diu gravinne von Wolvahe, dez edeln herren graven
Friederichz seligen vrowe von Fürstenberg« (1298). Graf Heinrich I., der große Mehrer
seiner Lande, hatte diese Heirat seines ältesten Sohnes herbeigeführt und damit den
Anfall der ganzen Herrschaft an sein Haus. Die Herrschaft, »vornehmlich von Norden
nach Süden gestreckt, begriff das Tal des gleichnamigen Baches von Rippoldsau oder
wohl von der Höhe des Kniebis bis zu seiner Mündung in die Kinzig und ein kleines
Gebiet rings um den Flecken Wolfach, war also von keinem erheblichen Umfange, aber
durch ihre Lage wichtig. Durch diese Erwerbung wurden später die fiirstenbergischen
Besitzungen im Kinzigtale zu vortrefflicher Abrundung gebracht«. ') Die Erbschaft muß
vor 1306 angetreten worden sein. Der Gatte der Erbtochter war aber schon 1296
gestorben. Ihr Sohn Heinrich II. wußte seine Lande von neuem zu mehren, seine Gattin
Verena von Freiburg, die Tochter Annas von Wartenberg, brachte ihm u. a. Hausach zu,
und da seine Brüder, Friedrich II. und Konrad II., unverheiratet starben, blieb er im
Besitz der Lande seines Vaters, zu denen außer der Herrschaft Wolfach auch die alte
Grafschaft Fürstenberg mit der Stammburg, dazu Dornstetten und einige Besitzungen
im Renchtale gehörten, von denen Dornstetten aber als Mitgift seiner Schwester Anna
verloren ging, während er und seine Mutter aus finanzieller Bedrängnis die wesentlichsten
Güter im Renchtale 1303 an den Bischof von Straßburg verkaufen mußten. Seine
1) Riezler, Gesch. des Hauses Fürstenberg, S. 210.
674
KREIS ORFENBURG.
Regierung zeichnete sich durch verschiedene unglückliche Händel mit seinem Onkel
und seinen Vettern von der Haslacher Linie und anfängliche Kämpfe mit den Habs-
burgern aus, wobei er Bräunlingen verlor. Auch in Erbhändel mit der Reichenau ist
er durch die Wartenbergsche Hinterlassenschaft gekommen, bei welcher Gelegenheit er
vom Papste in den Bann getan wurde.
Er hat abwechselnd auf den Burgen Wolfach, Fürstenberg und Wartenberg gelebt,
während seine Mutter Udilhild ständig in Wolfach residierte und dort noch alle Regierungs-
handlungen mit ihren Söhnen vollzog. Der Ort wird noch 1148 ausdrücklich villa
genannt, die erste Erwähnung als Stadt ist 1305. Damals, am 26. April 1305, gab
Udilhild der Stadt Wolfach einen Freiheitsbrief, »wonach die Stadt ihren Herren als
jährliche Steuer in zwei Terminen nicht mehr als 20 Mark Silber entrichten sollte, die
Hälfte der damaligen Villinger und das Doppelte der Haslacher Steuer. Außerdem
sollten die Bürger ihrer Herrschaft nur freiwillige Dienste leisten, der Bannwein und das
Umgeld ihnen zufallen und zur Deckung der städtischen Baukosten verwendet werden.
Jedem neu aufgenommenen Bürger ward der Genuß der städtischen Freiheiten, Aus-
wanderern, sofern sie freie Leute, das Geleite der Grafen für eine Meile Wegs verbürgt,
wogegen den Grafen das Recht verblieb, ihre fortziehenden Eigenleute zu verfolgen und
sich mit denselben auseinanderzusetzen«.1) Udilhilds Schwager Konrad, der Kirchherr
von Konstanz, bestätigte die Urkunde.2)
Heinrich II. konnte das Ende seiner Regierungszeit wenigstens in Frieden verleben.
Er starb 1337. Seine Söhne schritten wieder zur Landesteilung, wobei Johann die Herr-
schaft Wolfach, dazu Hausach und die Reichspfandschaft über das Tal Harmersbach
erhielt. Er war zuerst in den geistlichen Stand getreten, unbefriedigt aber und da er die
höheren Weihen noch nicht erhalten, entschloß er sich zum Rücktritt und erscheint seit
1348 verheiratet mit Johanna von Signau, Witwe des Freiherrn Ulrich von Schwarzen-
berg. Er scheint sich stets in schlechter Finanzlage befunden zu haben, und so versetzt
er mit seiner Frau denn 1348 »unsern bürgern zu Wolfach den zol zu Wolfach, der zu
der stat höret zu Wolfach«. Vielleicht dürfen wir daraus auf einen gewissen Reichtum
und ein Aufblühen der Stadt schließen. Letztere besaß schon 1294 eigenes Gewicht
»silber Wolvacher geweges«; 1428 hören wir auch von eigenem Maß.
Johann starb 1365, seine Kinder, die erwähnt werden, vor ihm. Ihm folgte sein
Bruder Heinrich III., der 1367 starb. Der Tod des letzten der Brüder Konrads, der
kurze Zeit zusammen mit seinem Neffen, Heinrich IV., regiert hat, erfolgte 1370, und
Heinrich IV. hat also wieder alle Besitzungen seiner (der sogen. Fürstenberger) Linie in
seiner Hand vereinigt. Das wichtigste Ereignis seiner Regierung aber war der Ausgang
der Haslacher Linie 1386, womit auch diese Besitzungen an ihn zurückfielen, nicht
ohne Schwierigkeit und nicht ohne Streitigkeiten mit König Wenzel, dem Bischof von
Straßburg, dem Markgrafen von Baden, den Grafen von Zollern, worüber in der
Ortsgeschichte von Haslach das Nähere ausgeführt wurde. Er konnte Haslach nur
dadurch für sein Haus retten, daß er es als Lehen vom Bischof nahm. Nach seinem
Tode 1408 spaltete sich wiederum sein Haus; mit seinem Sohn Heinrich V. begann
die Fürstenberger Hauptlinie, mit dem anderen Sohn Konrad IV. die Wolfacher Linie,
die indes schon mit dem Enkel, mit Heinrich VI., 1490 wieder ausstarb, womit die
x) Riezler, Gesch. des Hauses Fürstenberg, S. 276.
2) Fürstenb. Urk.-Buch II, Nr. 28.
AMT WOLFACH.
WOLFACH.
675
Besitzungen an die Hauptlinie und zwar an die Grafen Wolfgang und Heinrich
zurückfielen.
Ebendieser Enkel Heinrich VI., ein begabter und beliebter, gesellschaftlich
gewandter Herr, der seine Lande klug zu mehren wußte und während seiner langen
Regierungszeit mit einer Ausnahme mit seinen Untertanen gut auskam, ist für unsere
Gegend von größter Bedeutung gewesen. Er hat auch das Äußere seiner Städte und
Burgen durch eifrige Bauten durch und durch verändert. So hat er »emuwert und
gebuwen das huß zu Haselach, das huse zu Wolfach, das nuw kornhus zu Haselach vor
der Burgk 1447, das hüs zu Brünlingen 1447«. Sein Schreiber Michel Spiser hat uns
genaue Aufzeichnungen darüber hinterlassen, die so lange dauern, bis derselbe als Vogt
nach Fürstenberg versetzt wurde (1477). Aber auch in den noch folgenden 13 Regierungs-
jahren wird die Bautätigkeit kaum geruht haben. Von den Bauten zu Wolfach hören
wir noch: »Darnach im 63 jar buwet er die schiur zu Wolfach von nuwem J) . . . . Item
im 65 jar hand wir das neuw gemach gegen Unser frawen capell gebauwt zu Wolfach etc.
Item im 66 jare schuf er Unser frauwen capell zu Wolfach ze buwen. Item desselben
jars ward das hinderstüblein im hus Wolfach gebuwen und der stall unden im hus
Item anno 71. ward .... gebuwen .... die neuen Stuben und kamern im hus zu
Wolfach, auch das schießhus mit dem ercker uff dem graben zu Wolfach etc Item
in dem 73 jar ward gebuwen der gart zu Wolfach und darinnen schießhus und schutz-
rain . . . Mer 75 jar ward gebuwen das new huß zu Wolfach by dem undtern thor, mer
darnach das clain weigerlin by dem garten. Im 76 jar ward gebuwen die neuw scheur
und marstall neben der capell. Item in dem jare ward gebuwen die harnischkammer by
der pfistory, die er auch selbs gebuwen hatt«. Es muß also das Schloß seine Gestalt
unter ihm vollständig verändert haben. — Fünf Jahre vor seinem Tode stifteten die
Wolfacher in ihre Kirche für das Haus Fürstenberg den sogen, großen Jahrtag mit drei
Ämtern und neun heiligen Messen auf ewige Zeiten. Es geschah das aus Dank dafür,
daß er ihnen eine Reihe von seinen Einkünften aus der Stadt, Stellgeld, Meßgeld, Bank-
zinsen, die Erträgnisse der Fronwage und die Hälfte der Hofstattzinsen vermacht hatte.
Zugleich hatte er den Wunsch ausgesprochen, daß aus Dank dafür die Bürger keinen
Würfel- und Spielplatz mehr in ihren Mauern dulden möchten, was diese denn auch
gelobten.
Die Verfassung der Stadt Wolfach ist damals der ihrer Nachbarstädte ziemlich
ähnlich gewesen. An der Spitze der Stadt stand ein Schultheiß und mit ihm der Rat
der Zwölfer, auf dessen Präsentation hin der Landesherr den Schultheißen ernannte,
Cxing ein Zwölfer ab, so wurden, wie es scheint, von der Bürgerschaft zwei gewählt, von
denen der Graf den einen ernannte. — Hier, wie in Haslach und Hausach, gab es eine
lokale Zunftverfassung, und vor allem das wichtigste Gewerbe, auf dem der Reichtum der
Stadt ruhte, das der Holzflößerei, war streng geordnet. Daraus läßt sich aber2) nicht der
Schluß ziehen, daß die ganze Bürgerschaft zunftmäßig organisiert gewesen ist, was
wohl nicht der Fall war.
Kurz vor dem Tode Heinrichs VI. und vor dem Übergang an die Hauptlinie ist
die Stadt 1485 durch einen großen Brand verheert worden, und es mag eine der letzten
Sorgen des greisen Fürsten gewesen sein, für den Wiederaufbau zu sorgen. Die Haupt-
B Fürstenb. Urk.-Buch III, Nr. 371.
2) Gothein a. a. O. S. 336 und 440.
676
KREIS OFFENBURG.
Stadtanlage
linie, die nach ihm wieder in den Besitz kam, scheint ihr Interesse mehr anderen Orten
zugewendet zu haben. Auch hier hat Graf Wilhelm für die Einführung der Reformation
Sorge getragen. Im Anfänge des 16. Jhs. hatte Wolfach noch nebst einem Hofkaplan
sieben Kapläne, was sich unter dem wilden Grafen bedeutend geändert haben mag. 1548
finden wir als Prediger der neuen Lehre hier Martin Schälling und als Helfer und Lehrer
Ulrich Vogel. Damals hatte Graf Friedrich die Lande übernommen und die Rekatholi-
sierung begonnen und der genannte Pfarrer verpflichtet sich auch, sich dem Interim
gemäß zu verhalten.
Nach dem Tode des Grafen Friedrich fand eine neue Teilung der Lande statt,
mit seinem Sohne Christoph I. begann die Kinzigtaler Linie, die sich aber schon nach
dem Tode des nachfolgenden Albrecht wieder in einen Möhringer und Blumberger Zweig
teilte. Letzterer begann mit Christoph II., dem Haslach zufiel. Die Möhringer starben
1641 aus, allein wiederum hatten sich die Haslacher in zwei Linien gespalten, in die
Meßkircher und die Stühlinger. Letztere übernahm die Besitzungen im Kinzigtal. Als
erster erscheint Friedrich Rudolph, derselbe, der das Kloster in Haslach gründete. Für
Wolfach ist von größerer Wichtigkeit gewesen sein Sohn, Maximilian Franz, der den
Umbau des alten Schlosses begann und auch im Äußern glücklich zu Ende führte,
während das Innere nie fertig wurde, da der Bauherr 1681 bei seinem Aufenthalt in
Straßburg gelegentlich des Einzuges Ludwigs XIV. durch einen Sturz von der Treppe
sich verletzte und starb ; seine Nachkommen aber scheinen das Interesse an dem Bau
verloren zu haben.
Die Stadt hatte in dem 17. Jh., während der großen Kriege, verschiedentlich zu
leiden, so 1633 durch die Schweden und 1703 durch die Franzosen. Letzterer Krieg
scheint besonders verderblich gewesen zu sein, die Quelle des Reichtums der Stadt, das
Holzgewerbe, stockte. — Sie hatte außerdem verschiedene große Brände zu verzeichnen
1554, 1762 und 1799, im übriger! floß das Leben unter den Fürstenbergern ruhig dahin.
1806 wurde Wolfach badisch.
Die Stadt und Schloßanlage ist hier nur aus der alten Straße zu erklären. Sie
zerfällt in einen nördlich der Kinzig gelegenen und einen südlichen Stadtteil. In ersterem
vereinigen sich, bei der heutigen eisernen, ehemals hölzernen Brücke die beiden Straßen
des Wolfachtales und des Kinzigtales, um jenseits der Brücke als eine Talstraße weiter
abwärts zu führen, immer auf dem linken Ufer der Kinzig, am Ausgang des Kirnbach-
tales vorbei gegen den »Turm« bei Gutach-Hausach zu, wo der Knotenpunkt war, an
dem sich die Gutachtalstraße mit der oberen Kinzigtalstraße vereinigt.
Da die Kirche außerhalb des jetzigen Hauptortes jenseits der Kinzig liegt und schon
im Mittelalter lag, so glaube ich hier die ältere Ansiedelung vermuten zu müssen (nach der
noch älteren in Oberwolfach). Offenbar durchaus planmäßig haben die Herren von Wolfach
oder ihre Nachfolger, die Fürstenbergs, ihre Burg südlich verlegt, da, wo sich das Tal
zwischen Bergen und Fluß verengerte, so daß die Burg wie ein mächtiger Riegel dasselbe
sperrte. Die Talstraße mußte durch sie durchführen, wie heute noch das Tor des Schlosses
den einzigen Zugang zur Stadt bildet. An die Burg schloß sich zu beiden Seiten der Tal-
straße bis zur Kinzigbrücke nun die Stadt an, mit der Burg von gemeinsamen Befestigungen
umgeben. Daß bei dieser Verlegung des Schwerpunktes der ganzen Ansiedelung mit
klarer Überlegung vorgegangen ist, scheint mir sicher. Nur ist es mir unmöglich, den
Zeitpunkt der Verlegung auch nur annähernd zu bestimmen. Die innere Stadtmauer
AMT WOLFACH. — WOLFACH.
677
schloß sich an die Burg an, wie im Süden noch deutlich sichtbar, und führte bis zu der
Kinzigbrücke herum. Sie war mit größeren Rundtürmen und kleineren Halbrundtürmen
bewehrt, von denen der letzte, der ßürgerturm, 1892 abgebrochen wurde. Der unge-
fähre Verlauf der Mauer läßt sich noch einigermaßen feststellen. Vor dem Schloß und
der Stadtmauer war ein den Bildern nach ziemlich breiter Graben angelegt, der wohl
aus der Kinzig gespeist wurde. Seine Anlage ist im Süden deutlich, im Norden schwieriger
Fig. 376. Ansicht der Stadt IV olfach vom Jahre 1^33.
nachzuweisen, die hier in unserem Plan eingezeichnete Innenmauer muß zum Teil die
Mauer sein, welche den Graben von dem vor ihm gelegenen Zwinger trennte. Am
breitesten ist der Graben vor dem Schloß, hier mündet in ihn der sogen. Riesnerkanal,
der von der oft genannten Brücke an Wasser der Kinzig durch die Hauptstraße und
unter dem Schloß hindurch leitete. Entweder also wurde der Graben auf diesem kom-
plizierten Wege von der Südwestecke aus gespeist oder der Kanal diente den Bewohnern
der Stadt für ihre wirtschaftlichen Zwecke. V or dem Graben dehnte sich an der Süd-
wie an der Westseite ein stattlicher Zwinger aus, von einer Mauer mit Rondellen und
Rundtürmen umgeben, im Norden sich, wie es scheint, mit der Innenmauer vereinigend.
678
KREIS OFFENBURG.
Im Osten ist die Zwingeranlage nicht mehr klar nachzuweisen, da die Abtrennung zwischen
ihr und dem Graben fehlt. Nach dem Bilde von 1799 möchte es scheinen, als ob die
Zwingermauer in weitem Bogen um die Stadt auf das jenseits der Kinzig gelegene sogen.
Obertörle zu geführt hätte. Im Norden betrat man die Stadt über die erwähnte Kinzig-
briicke durch das Obertor, offenbar ehemals eine stattliche Toranlage mit Vortor, kleineren
Türmen, Seitentor in den Zwinger und großem Torturm mit Pyramidendach und Dach-
reiter, der Zeichnung nach unten in Bruchsteinmauerwerk mit Eckquadern, oben ver-
mutlich in Riegelwerk. Von den Bauten waren im 19. Jh. noch ein Wachthaus übrig mit
Arkaden, das Seitentor, bei dem die 1824 abgebrannte Getreideschütte lag. Im Süden
öffnete sich das Untertor. Nach einer Brücke über einen zweiten äußeren Graben trat
man durch ein Torhaus ohne Turm in den Zwinger, eine weitere Bohlenbrücke führte
über den inneren Graben durch das Schloßtor in die Stadt.
Ausgeschlossen von dieser Befestigung war unseren Plänen und Ansichten nach
der 'Peil der Stadt jenseits der Kinzig. Doch scheint auch er nicht ganz ohne Schutz
geblieben zu sein, darauf deutet wohl die Toranlage, das sogen. Obertörle an der
oberen Kinzigtalstraße beim Gasthaus »Zum Engel«, das früher in seinem Obergeschoß
die Ratsstube der Gemeinde Kinzigtal enthielt. Die Kirche, die ebenfalls auf dieser Seite
lag, war mit dem Friedhof von einer Mauer umgeben, die sich nach Westen zu in einem
großen Torbau öffnete und möglicherweise (?) verteidigungsfähig war, obwohl sie durch
verschiedene Häuser, wohl Pfarrhaus und Mesnerhaus, unterbrochen wurde.
Wann von der Burg in Oberwolfach der Wohnsitz hierher verlegt wurde an die
Schloß Stelle des heutigen Schlosses, das für die Anlage der Stadt bestimmend war, läßt sich
nicht genau feststellen. Mit der Erwähnung »in Castro Wolfach 1272« dürfte vielleicht
noch die alte Burg gemeint sein. Wenn wir aber 1389 von der »oberen bürg« hören,
so wird damals schon die untere Anlage bestanden haben, wohl als eine Art Tiefburg,
durch welche die Talstraße hindurchführte. Unter dem »schloß 1405« werden wir sie
verstehen. Sie erfuhr unter Heinrich VI. die obengenannten Veränderungen, so daß wir
von ihrer Gestalt nichts mehr sicher feststellen können. Dagegen ist uns das Bild des
Schlosses Heinrichs VI. wohl ziemlich getreu in der Zeichnung von 1655 (s. Fig. 376)
erhalten. Es ist ein Konglomerat verschiedener Bauten. In der Mitte der heute noch
stehende Torturm, an den wohl östlich (I) das »new huß« anstößt. Westlich sehen wir
die Schloßkirche, wohl die 1466 gebaute »unser frauwen capell«, mit einem Dachreiter,
an ihrer Südwand der mächtige, heute noch stehende, von der ältesten Anlage her-
rührende Rundturm. An die Kapelle anstoßend das 1465 gebaute »nemv gemach«.
Die weiterhin erwähnten »neuen Stuben und kamern« können wir nur vermutungsweise
in den anderen Anbauten erblicken. Im Osten schloß sich die Stadtmauer an, an ihrem
Eck mit einem Rundturm bewehrt, dessen Grundlinien noch heute sichtbar (s. Fig. 379).
Kurz nach dieser Zeichnung begann der Umbau, bei dem nur die angegebenen Teile
und wohl die Fundamente im Süden und Westen verwertet wurden. Dem Raumbedürfnis
der Barockzeit genügten die bisherigen Dimensionen nicht, der südliche Teil der Stadt
wurde dazugenommen, und so entstand die heutige, stattliche Anlage mit den zwei Höfen
zu Seiten der durch das alte Tor durchführenden Straße.
Das Schloß ist jetzt Wohnung fürstlicher Beamten und teilweise an den Staat ver-
mietet. Es ist ein großer, unregelmäßiger, viereckiger Komplex, der sich wie ein Riegel
vor das Tal schiebt, ein verputzter Bruchsteinbau ohne architektonische Gliederung.
Band VII. Zu Seite 678.
fis.J77. Pta,, de, Stadt Wofach mit eingeztichneten Befestigung tn nach dem
staatlichen Katastenuak von iSSl.
euer rfcff/sfri//.
v
AMT WOLFACH. — WOLFACH.
679
Uber dem Haupttor der alte viereckige Turm mit Satteldach und abgetreppten Giebeln,
weiter in der Nordwestecke, zur Hälfte aus dem Gebäude hervortretend, der obenerwähnte
kräftige runde Turm. Der Giebel hinter ihm, wie der an der Nordostecke, mit kräftigen
Sandsteinvoluten und Obelisken verziert.
sturzigen Schießscharten, am Rundturm auch Löcherscharten, gibt unser Bild (s. Fig. 378).
Beider Mauern sind etwa 2 ]/2 m stark.
Band VII.
44
Fig- 37 Grundriß des Fürstlich fürstenbergischen Schlosses in Wolf ach.
68o
KREIS OFFENBURG.
Der Bau wurde durch den genannten Grafen Maximilian Franz 1671 begonnen.
Vom Bahnhof her durch das Haupttor, das zugleich den Eingang in die Stadt bildet
— in der Ecke desselben Steinfigurenrest, ein doppelt geschwänzter Löwe — , eingetreten,
hat man rechts und links die beiden Flügel der Anlage, jedesmal einen Hof, auf drei
Seiten von dem Gebäude umgeben und gegen die Straße durch eine Mauer abgeschlossen.
Der Flügel zur Rechten enthält nichts Bemerkenswertes, er ist zum Teil nicht fertig
geworden. In den zur Linken treten wir durch eine Mauer mit Balustrade und hübschem
Fig. 379. Wolf ach, Schloß, Eckturm gegen Westen.
Tor im Barockstil (s. Fig. 380). Der übliche, aber wirksame Aufbau mit Säulen, rusti-
zierten Pilastern, Segmentgiebeln etc. Oben das fürstenbergische Wappen und die
Initialien des Maximilian Franz. Im Hof an dem Südwestbau ein etwas einfacheres Portal
des gleichen Stils. Eine schlichte Treppe, tonnengewölbt, mit Kreuzgratgewölben über
den Podesten, führt zu dem nicht vollendeten Theatersaal, einem zweistöckigen Saal, in
der angefangenen Dekoration von dem damaligen derberen Geschmack Zeugnis ablegend,
mit gerader Stuckdecke, von wirkungsvollen Raum Verhältnissen. Von ihm aus führt eine
holzgeschnitzte Tür in derber Spätrenaissance in den Nordwestflügel, der die Kapelle
und die jetzt vom Großh. Amtsgericht eingenommenen Räume in sich schließt. Die
AMT WOLFACH. — WOLFACH.
68l
Stiege zu letzterem betritt man vom Hof aus durch ein hübsches Portal, Spätrenaissance :
mit Beschlägornament verzierte Pilaster tragen ebenso ornamentierten Rundbogen, darüber
ul I 1 h -1
0 / ' Z 3
Fig. j8o. Tordurchgang in den westlichen Schloßfliigel.
gerades Gebälk, auf dem ein Medaillon mit dem fiirstenbergischen und Bernhausenschen
Allianzwappen Dieses hübsch gearbeitete Medaillon ist also trotz seines älteren
Charakters gleichzeitig mit dem ganzen Umbau (s. Fig. 381).
44
68a
KREIS OFFENBURG.
Holzschnitzerei
Gemälde
Kirchengeräte
Glocken
In der westlichsten Ecke des Baues führt eine kleine Tür mit Abschrägung und
Eckvolute in die Kapelle, einen einfachen, zweistöckigen, rechtwinkligen Raum. Hier
zu erwähnen die üblichen Barockaltäre. Zu seiten des Hauptaltars trennen Holz-
schranken mit gewundenen Säulen und gemalten Heiligenfiguren in den Füllungen zwei
Räume ab. Auf dem linken Seitenaltar ein Gnadenbild der Mutter Gottes, nicht hervor-
ragende Holzschnitzerei aus erstem Drittel des 16. Jhs., jetzt bekleidet, mit neuem Kopf
versehen, nur das Kind gut erhalten.
An der Rückwand, dem Altar gegenüber, Chorgestühl des 17. Jhs., darüber eine
Unzahl Gemälde , Votivbilder aus dem 16. bis 18. Jh., meist geringer Qualität, mit
geschwätzigen Unterschriften. Hervorzuheben sind: Maria vor dem Kruzifixus, ohne
Unterschrift, Arbeit eines Nachahmers des Matthias Grünewald, sowie eine Geburt
Mariä in schwerem Spätrenaissancerahmen.
Kirchengeräte : Zwei geringe Kelche, silber-
vergoldet, getrieben, einer mit Augsburger Zeichen
und M - S, der andere mit I R ; Meßkännchen mit
Platte, silbervergoldet, getrieben, ohne Zeichen, sehr
hübsche Rocaillearbeit; ein zweites Paar, einfacher,
mit Augsburger Zeichen und A L, auf der hübschen
Platte Bildchen der Immaculata und der Trinität
eingraviert, 17. Jh. ; Perlmutterrosenkranz mit ge-
riefelten, silbernen Zwischenstücken; an ihm hängt
Emailherz mit hübschen Gemälden der h. Cäcilie
und den Halbfiguren von Maria, Joseph und Kind
5Zcentim- > auf beiden Seiten, 18. Jh. ; daran hängt ferner
Fig. 381. Wolf ach, Schloß. Medaillon religiöse Medaille, silbervergoldet, Avers: Kreu-
nut Allianzwappen am Portal zum Amts- zigung Christi, Revers: Eherne Schlange und Jahres-
s"iM- „hl M - XXI.
Glocken im Türmchen der Kapelle: Die größere von 1624 wurde 1893 um-
gegossen, die kleinere von 1644 mit dem Bilde Josephs und Mariä und der Aufschrift:
»Gloria in excelsis.«
Von der Kapelle sowohl als vom Theatersaal aus gelangt man in den runden
Turm mit geschnitzter Wendeltreppe, in dem ein Raum ausgespart ist für ein Block-
gefangnis; üblicher eisenbeschlagener Holzkasten.
Dem Amtsgericht gegenüber der Flügel, worin zurzeit das Großh. Bezirksamt
sich befindet. Im Torweg, der sich nach einer Seitenstraße öffnet und an dem das
Steinmetzzeichen ^ zu finden, weiter ein hübsches Sandsteinportal des 17. Jhs. Inden
Räumen des Bezirksamtes einige einfache aber gute Holzdecken und Holzeinfassungen
der Türen. Anstoßend der jetzige Schöffensaal mit schöner getäfelter Decke (s. Fig. 382)
aus verschiedenen Hölzern, in dem mittleren vertieften Oblongum ein allegorisches
Ölgemälde. Im Westflügel ist noch neben der Treppe zum Theatersaal ein großer Raum
zu erwähnen, wohl die Schloßküche, mit auf einem Pfeiler ruhendem Tonnengewölbe
mit einschneidenden Kappen und hübschem Spätrenaissancekamin.
AMT WOLFACH. — WOLFACH.
683
Die Meister, welche für Maximilian Franz dies Schloß 1671 bis 1681 erbaut, sind
bekannt: es sind Maurermeister Johannes Mathias, der Steinmetz Hans Georg Brächet
von Radolfzell und der Schreiner Hans Jakob Glöckler von Waldshut. !)
0 12 ?>M.
Fig. 382. Wolf ach, Schloß. Decke im jetzigen Schöffensaal.
Kath. Pfarrkirche (ad S. Laurentium). Erwähnt ecclesia Wolfach in decanatu Kath. Pfarrkirche
Oberndorf 1324; eccl. Nidern-Wolfa in decanatu Oberndorf sive Rotwil zwischen 1360
bis 1370; pfarrkirche 1460; Kirche S Laurencien 1466; Johann Kirchherr der untersten
Kirchen in Wolfach 1273; rector ecclesie Wolfach inferioris in decanatu Kürnbach
1275 etc. Grundriß der Kirche s. Fig. 383.
*) Kettner a. a. O. S. 19.
684
KREIS OFFENBURG.
Turm
Inneres
Nach diesen Erwähnungen war die Kirche 'ursprünglich wohl ein Bau des 13. Jhs.,
in ihr wurde Graf Friedrich I. von Fürstenberg, der Gemahl der Udelhildis von Wolfach,
1296 beigesetzt; darauf folgte Ende des 15. Jhs. (1470) ein Neubau, der dann im 18. Jh.
wieder stark verändert und 1880 renoviert worden ist. Von dem mittleren Bau stehen
noch die Mauern des Langhauses nebst zwei Türen, der Chor und der Turm. Der Chor,
aus drei Seiten des Achtecks geschlossen, zeigt spitzbogige Fenster, deren Maßwerk und
Pfosten herausgebrochen sind. Wo das Langhaus an den Chor anstößt, soll sich eine
kleine Skulptur befinden, der Heiland als Kind im Hemd am Kreuz, angeblich aus dem
14. Jh. (?), die ich nicht habe finden können. Das Langhaus stammt im Aufbau aus
dem 18. Jh. und ist schmucklos. Das Südportal eine gute spätgotische Arbeit (s. Fig. 384),
mit Spitzbogen und sich kreuzendem Stabwerk, oben das Stadtwappen, daneben [5 — 08;
Fig. j8j. Grundriß der Kirche in Wolfach.
an dem Portal Steinmetzzeichen (s. Fig. 385). Das einfachere, ebenfalls spitzbogige Nord-
portal trägt die Jahreszahl (etwas verwischt): ni ♦ CCCCKfflll.
Der Turin, von quadratischem Grundriß, ist durch Wasserschrägen in vier Stock-
werke geteilt, hat Lichtluken in den unteren, im obersten Spitzbogenfenster mit flam-
boyantem Maßwerk, das am Südende herausgebrochen ist zur Aufnahme eines Glöck-
leins. In seinem Erdgeschoß ein Kreuzrippengewölbe der Spätzeit. Das Innere der
Kirche zeigt im C-hor Netzgewölbe mit trocken profilierten Rippen der Spätzeit. Diese
laufen im allgemeinen spitz an der Wand aus, in den zwei Ecken gegen das Langhaus
aber und den zwei letzten Ecken des Achtecks ruhen sie auf Konsolen, von denen die
beiden ersteren als äußerst primitive Fratzen gebildet sind, die letzteren als Wappenschilder,
auf deren einem der rote Wolfsanker auf Gold (Farben nach alten Spuren neu), im anderen
das Zeichen golden auf Blau. — Die drei Schlußsteine des Gewölbes zeigen einmal das
fürstenbergische Wappen, dann das Brustbild des h. Laurentius, im dritten zwei Wappen,
AMT WOLKACH. — WOLFACH.
685
darüber ein Kelch, auf dem die Jahreszahl 1515, des weiteren auf dem Wappen zu lesen
H AINRICH
LE MP ' Von ^em ^or führt eine flachbogige Tür mit Hohlkehlen und Birnen-
rundstäben auf steilen kleinen Basen in die Sakristei.
Der Bau ist aus Bruchsteinmauerwerk errichtet mit Sandsteingewänden. Material
An den Wänden des
Chors waren ehemals die
Apostelgestalten gemalt ;
diese mußten auf Befehl
des früheren Pfarrers durch
Maler J. G. Straub 1880
zugedeckt werden. An der
Innenseite des ehemals
spitzen, jetzt runden Chor-
bogens befand sich ein Ge-
mälde der Geburt Christi.
Das auf der Bühne
über dem Triumphbogen
etwa 2 m noch stehende
Mauerwerk läßt eine steilere
Höhe des gotischen Daches
annehmen.
Die Sakristei ist später
an den Chor angebaut, wie
die an der Kirchenseite
durchlaufende Wasserschräge
beweist.
Im Langhaus über
den Seitenaltargemälden die
Reste des ehemaligen Hoch-
altars, offenbar ein hübscher
barocker Baldachinaufbau,
der leider einem neuen
»gotischen« Altar weichen 1 * 1 1 ^ * ( — 1 4 —
mußte. Kirche Wol.fwi-i
An den Wänden des cSakristeitvre
Langhauses . ein großes Öl- Fig. 384. Wolfach, Kirche. Sudportal am Langhaus,
geinälde, die h. Katharina
von Siena darstellend, von einem Nachahmer der Bolognesen aus dem 17. Jh., ferner
eine Madonna mit Kind, überlebensgroße Holzfigur des 17. Jhs., flotte Arbeit. Ein-
facher Taufstein des 17. Jhs. mit geringem Beschlägornament.
Wand-
gemälde
Hochaltar
Ölgemälde
Holzfigur
Taufstein
Im Innern des Turms verschiedene Epitaphien des 13. Jhs., in spätgotischer Epitaphien
Zeit als Bausteine verwendet ; nur unzusammenhängende Stücke von Inschriften
sichtbar.
686
KREIS OFFENBURG.
Glocken
Glocken: Eine von 1501, Höhe etwa 1 m, Durchmesser 1,17 m, mit den auf-
gelöteten Flachreliefbildern eines h. Laurentius auf gotischem Postament und einer
Madonna mit dem Kind in der Mandorla sowie der Umschrift oben:
2 pt * 2 eu 2 $ 2 grä 1 plcä 1 bna 1 tecum 1 + 2 iVoi 2 + ♦ ftenebicta 2 3it 2 c’ae 2
ct 2 gubnatjc 2 oim 2 3tä 2 et 2 abniräa 2 Im 2 ;
die zweitgrößte, Durchmesser 90 cm, hoch etwa 76 cm, oben gotische Kleeblattbogen-
verzierung, darin abwechselnd Christus und ein Heiliger (undeutlich), dann Schriftkranz,
Minuskelschrift :
+ matfjeu*» + iucaö + marcug + iofjanneö + got + batet + öoon +
anno + botnim + quabringente^imo + Im,
unter der Schrift eine zweite Kleeblattbogenstellung, darunter Laurentius, dann eine
dritte, darunter Kreuzigung mit Maria und Johannes.
Fig. 385. Steinmetzzeichen und Schlußstein im Turm der kath. Kirche in Wolf ach.
Kleine, wohl ein Jahrhundert ältere Glocke in dem Südfenster angebracht, aus
der später zu erwähnenden S. Jakobskapelle stammend, mit der Umschrift:
s • ioaoßvs • GRe • himo • dir • m • aaaa xxvii.
Die jüngste Glocke ist 1624 gestiftet und reichlich mit Inschriften versehen; einmal:
AUS GROSSEM FEUR FLOS ICH MIT GWALT
GAR HITZIG WAR DAMAL MEIN GSTALT
GOS MEISTER CHRISTOF REBLE MICH
ZU VILLINGEN WOL MEISTERLICH
ALS DA MEN ZALT, SAG ICH HIR WAHR
EIN TAUSENT UND SEXHUNDERT JAHR
ZWENZIG UND VIER GWISSAG ICH DIER
ZUO WOLFFACH WARN DIE OFFIZIER
M. GEORG BRIZIUS GENANDT
PFARRHERR DEN BURGERN WOLBEKANT
ELIAS FINCK HERR AMPTMANN GEWESEN
SEIN SOHN VRATISLAUS ZUMAL VERWESER
DER SCHAFFNEI SAMPT DER LANDTSCHREIBEREI
IM KINZGERTHAL VERWALTET FREY
HIERMIT HASTU DIE URKUNDT GAR
DER EWIG GOTT UNS ALLBEWAR • AMEN.
Eine zweite Inschrift lautet:
EN EGO CAMPANA DENUNCIO VANA
LAUDA DEUM VOCO AD ORANDUM CONGREGO CLERUM
FUNERA PLANGO FULGURA FRANGO SABBATA PANGO
EXCITO LENTOS DISCIPO VENTOS PACO CRUENTOS
SANCTOS LAUDO FULMINA FUGO FUNERA CLAUDO.
AMT WOLFACH. — WOLKACH.
687
Eine dritte :
REGNANTE ILLUSTRISSIMO ATQUAE
GENEROSSISSIMO DOMINO DNO VRA
TISLAO COMITE A FÜRSTENBERG
EQUITE AUREI VELLERIS.
Darüber das fürstenbergische Wappen und die Jahreszahl 1624. An der Glocke ferner
noch die Reliefs der Krönung Mariä, der Kruzifixus mit Maria und Johannes, außerdem
die Heiligen Rochus und Sebastian. Am eichenen Glockenstuhl die Jahreszahl 1573.
In der Sakristei werden aufbewahrt:
Halblebensgroße Holzfiguren des Kruzifixus, gut, 18. Jh., mit Maria und Johannes,
letztere derber, t 7 . Jh.
Eine 36 cm hohe, silbergetriebene Statuette der Madonna mit Kind. Die Statuette,
sehr hübsche Arbeit, steht auf einem schwarzen, silberbeschlagenen Holzpostament in der
üblichen bauchigen Barockform, am Fuß ovaler Schild mit eingravierter Inschrift: Ego
Vobis Mater ero, Monogramm Mariä und Jahreszahl 1688.
Sonnenmonstranz, silbervergoldet, Rocaillestil ; Wettersegen, Messing, in der
Form einer kleinen gotischen Monstranz, mit Fialen, Krabben, kleinen Figürchen etc.,
Gußarbeit um 1500; drei Kelche, silbervergoldet, getrieben, einer mit dem Augsburger
1 F . .
Beschauzeichen, darunter M und ^ , ein zweiter das gleiche Zeichen und — M, beim
dritten nichts mehr erkennbar, alle drei aus dem 18. Jh. Vortragskreuz , messing-
vergoldet, gegossen; das Kreuz selbst mit eingraviertem Rankenwerk der Spätgotik aus
dem 16. Jh. An den Kleeblattenden der Vorderseite transluzide Emails der vier Kirchen-
väter, 4 cm Durchmesser, ziemlich zerstört, ursprünglich gute Werke des 16. Jhs.; auf der
Rückseite gegossene Medaillons mit den Evangelistenzeichen. Corpus Christi, geringe
Arbeit des 17. Jhs. — Das Ganze 68 cm hoch.
Gestrickter Teppich mit Kreuzigung Christi, Ranken und Rosenwerk, in der Bordüre
zweimal das Lamm mit Fahne, darüber J C und L W und 1768.
Madonnenstatue bezw. Gestell, darüber ein Samtgewand mit hübscher Goldstickerei
aus dem 18. Jh., hübscher Rosenkranz aus geschliffenem Glas und silbergetriebenen
Zwischenstücken, das Kind trägt eine gut gearbeitete Krone aus der gleichen Zeit.
In dem Raum über der Sakristei eine Holzstatue des h. Sebastian in Drittel-
lebensgröße, Provinzkunst des 16. Jhs.
Im Pfarrhause wird zahlreicher religiöser Schmuck aufbewahrt. Hervorzuheben :
Rosenkränze:
1 . Aus Korallen mit silbergetriebenen runden Zwischenstücken, Filigrankreuz. An
ihm hängt Medaille auf Erzherzog Max von Österreich, Administrator Prussiae von 1603.
2. Großer Marienrosenkranz (mit 1 5 Geheimnissen) in Perlmutterkügelchen, Korallen
und Bernstein, Zwischenglieder silbergetrieben ; daran hängt in Messingfassung ein kleines
rundes Perlmutterrelief, das unter zwei Kielbogen zwei weibliche, nicht näher kenntliche
Heilige zeigt, auf der Rückseite der Messingfassung eingraviert die h. Anna selbdritt.
Daran hängt eine Silbermedaille auf Ignaz von Loyola.
3. Kleiner Rosenkranz aus Korallen mit silbergeriefelten Zwischengliedern ; Anhängsel :
ein Kruzifixus mit Maria und Johannes, Evangelistenzeichen. Auf dem Rückkreuzesstamm
Madonna mit Kind; gegossene Arbeit des 17. Jhs.
Holzfiguren
Statuette
Kirchengeräte
Teppich
Holzstatue
Rosenkränze
688
KREIS Ol FENBURG.
Kruzifixus
Armband
Halsgehänge
Medaillen
Grabstein
Schmiede-
eisernes Kreuz
Steinkruzifix
Wallfahrts-
kapelle S. Jakob
4. Rosenkranz? Granatkette mit goldenen Zwischengliedern und Filigrankreuz,
daran steht • S V •; gute Goldschmiedearbeit des i7.Jhs.
Anderer Schmuck:
5. Kruzifixus , ehemals Anhängsel einer Kette, messingvergoldet; das Kreuz als
Baumstamm behandelt; unbedeutende Arbeit aus erstem Drittel des iö.Jhs.
6. Armband , aus sechs Ovalen bestehend, die in
feiner Goldfassung Gemmen: Köpfe, antike Gestalten und
ein Kruzifixus darstellen; 16. Jh., teilweise wohl Kopien nach
der Antike ; goldenes Schloß, Blumenzeichnung in schwarzem
Emailgrund
7. Halsgehänge, aus acht bis zehn silbernen Ketten
bestehend und getriebenem silbernen Schloß ; treffliche Arbeit
Mitte des 1 7. Jhs.
8. Silberne Kette mit großer silberner Medaille auf
Westfälischen Frieden, daran hängt weiter eine religiöse
Medaille von 1565, messingvergoldet; Avers: Kreuztragung
mit Umschrift »Christus obeire factus est usque ad mortem«,
Revers: Isaak am Brunnen mit Umschrift » Cuius : imago : fuit :
Isaac : in : monte : moria : « ; daran weiter zweite religiöse
Medaille, messingvergoldet, Avers: Paulus in Korinth, Revers:
Bekehrung des Paulus und 1552.
Außerdem noch Medaillen zu erwähnen :
9. Silbervergoldete religiöse Medaille. Avers : Putto
mit Weltkugel und Sanduhr, Umschrift » . . . pulvere terrae
factus sum corrodent me«. Revers: Aufschrift »Nihil •
morte • certius • hora • autem • mortis • nihil • incert • «.
10. Medaille auf Cosimo III. von Toskana. Avers: sein
Brustbild n. r. und Inschrift. Revers: Taufe Christi.
An den Turm der Kirche angebaut eine kleine
Kammer, darin eingemauert ein Grabstein des 13. Jhs. mit
Wappen und total verwischter Inschrift.
Der alte Friedhof ist zerstört: Reste desselben in drei
schmiedeeisernen Kreuzen erhalten, die größtenteils dem
18. Jh. entstammen und deren bestes unsere Abbildung zeigt
(s. Fig. 386).
Auf dem neuen Friedhof großes Steinkruzifix (Corpus
neu) mit Jahreszahl 1699.
Wallfahrtskapelle S. Jakob. Sie liegt auf halber Höhe der Berge am linken
Kinzigufer, etwa eine halbe Stunde von der Stadt entfernt. Der Wallfahrtsort bestand
angeblich seit dem 11. Jh. (?) Während der Reformation unter Graf Wilhelm von Fürsten-
berg wurde sie niedergerissen, bei dieser Gelegenheit wohl das Glöcklein in die Pfarr-
kirche verbracht (s. oben). Erst 1655 begann die Wallfahrt wieder, und man sammelte Geld
für den Wiederaufbau ; 1664 wurde die Bruderschaft gegründet. Der kleine Notbau
von 1659 wurde niedergerissen und 1680 mit dem jetzigen begonnen laut dem im
Pfarrhaus von Wolfach aufbewahrten Bruderschaftsbuche von 1710.
Fig. 386. Wolfach, alter Fried-
hof . Schmiedeeisernes Kreuz.
AMT WOLFACH. — WOLFACH. 689
Die Kapelle ist ein schmuckloser Bruchsteinbau des 17. Jhs. An der Fassade rund-
bogige Tür, darüber Außenkanzel mit der Zahl 1680. Links neben dem Portal Brunnen,
reicherer Aufbau mit Muschelnischen, Rollwerkkartusche und Ecce-Homo-Figur.
Fig. S&7- Ansicht des alten, iS()2 abgebrannten Rathauses von Wolfach.
Inneres einschiffig ; Chor im Achteckschluß mit Kreuzgewölbe, die Rippen desselben
sehr flau behandelt.
Drei Barockaltäre , zum Teil gut gearbeitet, Hauptaltar mit täuschender Perspektive
der Nische von 1705.
Hinter dem Hauptaltar angenagelt ein etwa 40 cm hohes Lederblatt mit der
Darstellung des Gekreuzigten zwischen Maria, Johannes und Magdalena, ehemaliger
Inneres
Barockaltäre
690
KREIS OFFENBURG.
Buchdeckel
Kirchengeräte
Glocken
Kapelle
Rathaus
Buchdeckel , der teilweise vergoldet war, sehr schöne Arbeit aus der zweiten Hälfte
des 16. Jhs.
In der Sakristei: Kelch , silberver-
goldet, mit Gravierungen, 18. Jh.
Meßkännchen , Silber, auf ihnen zwei
Wappen eingraviert. Die Platte, mit kräftig
getriebenen Blumen verziert, ursprünglich
zu anderen Kännchen gehörig, hat das
Zeichen L T.
Die älteste Glocke wurde in die
Pfarrkirche gebracht. Diejenige von 1658
wurde später weggeholt und im Rathaus
als Wachtglocke verwendet ; an deren Stelle
wurde die Glocke der Antoniuskapelle
herübergeschafft, sie hat die Inschrift:
»Valentin Allgeyer gos mich in Offenburg
1683« und »meus glangor semper sit
domini«, außerdem das Bild des S. Antonius.
Die daneben liegende kleine Antonius-
kapelle ist ein geringer Bau des 17. Jhs. ;
darunter ein heiliges Grab.
Auf dem Platz bei den Kapellen
liegen die Trümmer ehemaliger großer Bild-
stöcke, einfache Arbeiten des 18. Jhs. (17 14,
1736 etc.).
Eingegangene Kapelle : Erwähnt wird
eine »capelle ze Wolfa die in sant Nicolaus
und in sant Katherinen eren gestiftet und
gemachet ist«, 1328, Fürstenb.Urk.-Buch II,
S. 106.
Rathaus. Das alte Rat- und Schul-
haus (s. Fig. 387), das 1892 abbrannte, war
ein einfacher, aber schmuck wirkender Bau,
ein Komplex aus drei Häusern, welche mit
den Giebeln gegen die Straße standen, und
weiteren Anbauten. Der vorspringende
Mittelbau hatte eine offene Halle im Erd-
geschoß, darüber der Rathaussaal, auf der
einen Seite Schulhaus mit Wachtlokal und
Butterhalle, während der Anbau auf der
anderen Seite unten die Fruchthalle, oben
Ratsstube und Registratur enthielt. Der
Komplex stieß mit seinen Hintergebäuden an die Stadtmauer an, die hier durch einen
mächtigen runden Turm verstärkt war, der später das Archiv enthielt. Drei erhaltene
Inschriften, jetzt in der neuen Fruchthalle angebracht, datieren den Bau. Eine derselben,
•Jblh-3565
Fig. j88. Wolf ach, Haus Nr. j<?
der Ren aiss an cezeit.
AMT WOLFACH. — WOLFACH. 691
eine schmale Sandsteinplatte mit zwei gegenüberstehenden Wappenschildern (Wappen
darin neu gemalt), hat zu beiden Seiten die unvollständige Inschrift:
röpletm — mrcccc
tjOC OjJUij
die sich früher hoch oben unter dem Dache befand; sie sagt, daß der Hauptbau um
diese Zeit vollendet war. Eine zweite, große rechtwinklige Platte mit dem Fürstenberger
und Wolfacher Wappen in flachem Relief, das ehemals bemalt war, zeigt in vertieftem
Felde die Inschrift:
FRIDERI • GRAFE
ZV • FIRSTENBERG
• • • I • 5 • 6 ■ 4 • AMEN.
Sie war ehemals an der Vorderseite des Vorbaues angebracht.
Das dritte Stück, das Sockelstück einer Säule aus
der alten Fruchthalle, mit der Jahreszahl 12 5 l \ l b
datiert diesen Anbau.
An einer der eichenen Säulen der offenen Halle
des Mittelbaues waren zwei eiserne Maße angebracht,
die jetzt in der neuen Fruchthalle aufbewahrt werden :
»Der Statt Wolfach Klaffter Mess 1686« und die
» Fürstenberger Ellen 1757«.
Im Spritzenhaus noch ein Stein mit der Jahres-
zahl 1555 und ein Säulenkapitell mit Stadtwappen.
In dem Rathaussaal, der hübsch getäfelt war,
befand sich ein gußeiserner Ofen mit der Geschichte
der Judith, drei Heiligen, der Geburt Christi und der
Erschaffung des Menschen, Kaiser, König, Bischof
und Landsknecht auf seinen Platten, vgl. Mone,
Z. XIX., S. 303. Er wird jetzt in der Altertums-
, T, , , r, , T T . Fig. 380. Konsole unter dem Erker
Sammlung in Karlsruhe auf bewahrt. Unter der Er-
des Hauses Fr. 3g.
Schaffung des Menschen steht : g . schneden und ge-
gossen in der grafschaft nassav, geschneden von soldan zum franckenberg in us . .,
weiter : sanctus matheus got schufif den menschen. Die Platten zeigen den Stil der
ersten Hälfte des 16. Jhs.
Die ehemalige Wachtglocke, jetzt im Stadtmagazin, mit der Inschrift: Peter Speck
zu Mainz goss mich Anno 1658, die Holzachse hat die Jahreszahl 1660.
Von Privathäusern vor allem zu erwähnen das Haus Hauptstraße Nr. 39 (s. Fig. 388),
gleich neben dem Schloß. Rundbogige Tür mit Rundstab und Hohlkehle, Jahreszahl .15(55,
im Erdgeschoß. Daneben zwei spätgotische Fenster mit geradem Sturz. Im ersten
Geschoß ein hübscher, wenn auch etwas trocken behandelter Renaissanceerker auf
kräftig ausladender, reich profilierter Konsole (s. Fig. 389). An dem einrahmenden
Pfosten die Jahreszahl X6lp. Auch das schmiedeeiserne Gitter der Biedermeierzeit auf
dem Erker ist bemerkenswert.
Haus Nr. 40 zeigt über dem Erdgeschoß vier reliefierte Steine eingemauert, zwei
mit knieenden Putten, einer mit Namen Christi im Kranz und einer mit Beschlägornament ;
erste Hälfte des 17. Jhs., das Haus selbst neuer.
Privathäuser
692
KREIS OFFENBURG.
Bildstöcke
Haus Nr. 152, Adolf Neef.
• I • 5 • S • $ • und die Zeichen
In dem Sturz der spätgotischen Rundtür Zahl
Der frühere schöne Holzerker des Hauses hat
einer Modernisierung weichen müssen.
Haus Nr. 182 »Zähringer Hof« mit Löwenrelief über Tor und Zahl 1764; Nr. 217
verputzter Riegelbau mit vorgekragten Stockwerken ; Türe mit darüberliegendem kleinen
Oberlichtfenster originell verbunden; im Sturz J6I+.
Haus Nr. 86, teilweise verändertes Haus vom Anfang des 16. Jhs. Uber dem
Erdgeschoß Sandstein mit dem zweimaligen Wolfacher Wappen und Jahreszahl .15X5
darunter; an einer Seitenfront noch gotische Wasserschräge, an der anderen gotische
geradsturzige Fenster.
Haus Nr. 143, Mesnerhaus; i7-Jh.
In der Hauptstraße Brunnen, viereckiger Trog, plumpe Säule, worauf Statue des
h. Nepomuk; 18. Jh.
Bei der Kinzigbrücke auf Sandsteinpostament in bewegten Rocailleformen geringe
Statue des h. Nepomuk von 1756.
An der Straße nach Halbmeil und den anderen Ausgängen von Wolfach verschiedene
Bildstöcke von 1770, 1776, 1787 etc., zum Teil in recht guten Barockformen, Voluten etc.
OBERWOLFACH
Archivalien: Mitteil. d. histor. Komm. Nr. 17 (1895), S. 91.
Kath. Kirche Kath. Kirche (ad S. Bartholomaeum) : Bereits 1275 wird ein rector ecclesiae
superioris Wolfach in decanatu Kürnbach erwähnt, Jacobus viceplebanus in superiori
Wolva 1291; pfaff Hilwer zu der oberen Kirchen in der Wolfach 1380; eccles. superior
Wolfach 1324; eccles. Obernwolfa 1360 bis 1370; Kirche zu der Obernwolfach 1389.
Die heutige Kirche ist ein schlichter Bau des 18. Jhs. mit Außengliederung durch
Lisenen. Das Innere ist einschiffig mit Stuckdecke im frühen Rokokostil.
Altäre Altäre : Ein Haupt- und zwei Seitenaltäre, tiblicker barocker Säulenaufbau mit
Rocailleverzierung, schwachen Gemälden und Statuen, der Gesamteindruck dekorativ
Kanzel flott. Einfache Kanzel aus gleicher Zeit.
Kruzifixus Vom Triumphbogen hängt ein Kruzifixus herab, frische, erfreuliche Holzskulptur
des 18. Jhs.
Sonnenmonstranz In der Sakristei eine Sonnenmonstranz, silbervergoldet, mit Figuren, am Fuß
hübsche Ranken und zwei Medaillons mit Darstellungen des Abendmahls und des
Gebets am ölberge, getriebene Arbeit. — Außerdem noch silberdurchwirkte Casel des
18. Jhs.
Glocke Eine Glocke ist von Matthäus Edel in Straßburg 1756, die zwei anderen in neuerer
Zeit gegossen.
Ehemals bestand noch ein Nonnenkloster der dritten Regel des h. Franz (in der
obersten closen zu Wolfach), Anfang 14. Jhs., Quellensammlung III, S. 448 — mona-
AMT WOLFACH. — WOLFACH. (BURGRUINE OBERWOLFACH.)
693
steriolum tertiae regulae S. Francisci in Ober- oder Under-Wolfach 1324; die frauen zu
Oberwolfach in der klausen 1329. Aus ihm ging die h. Liutgard, die Wittichen gründete,
hervor.
Die Ruine der ehemaligen Burg Wolfach auf dem linken Ufer der Wolf, zwischen Ruine
Oberwolfach und Wolfach. Auf einem vorspringenden Hügel mit gutem Ausblick in
das Wolf- und Kinzigtal liegen die wenigen Trümmer des Gemäuers, das zu dem Unter-
bau der Anlagen benutzt ist, die den Hügel zieren. Kein Oberbau ist mehr vorhanden
(s. Fig. 390).
Bereits im 11. Jh. muß hier eine Burg gestanden haben, auf der ursprünglich das
Dynastengeschlecht residierte. Die erste Erwähnung ist 1272 »in Castro Wal fach«, was
wir wohl auf diese Burg deuten dürfen. 1389 hören wir von der »oberen bürg«, die
damals schon nicht mehr als Residenz
diente. Wann und ob sie jemals
zerstört wurde oder nur langsam ver-
fiel, vermag ich nicht zu sagen. Wir
erkennen einen Bergfried mit der
Mauerdicke von etwa 3 m, neben
dem der Eingang in den Burgbering
erfolgte, die etwa 2 m starken Ring-
mauern, die dem Rand des Plateaus
folgen und die als Außenmauern zu-
gleich für, wie es scheint, zwei Wohn-
gebäude dienten.
Gegen die Bergkette zu deutet
eine niedriger gelegene Terrasse mit
ganz spärlichen, kaum über den
Boden herausragenden Mauerresten
wohl auf eine einst hier vorhandene
Vorburg. Die gesamten Anlagen können, der geringen Ausdehnung des Plateaus ent-
sprechend, nur unbedeutend gewesen sein.
Talaufwärts über dem Zinken »Bei der Walke« die spärlichen Trümmer der ehe-
maligen Burg Walkenstein auf dem gleichen Ufer. Geschichtliches über diese Burg BurgWaikenstein
aufzufinden ist mir nicht gelungen.
Der Granitfelsen, der nackt zutage tritt und von der Bergseite durch einen
künstlichen Einschnitt (Halsgraben) geschieden ist, trägt ein Mauerviereck von etwa
5 : 4 '/2 m im Geviert. Dessen durchschnittlich etwa 1,70 m starken, teilweise bis
Mannshöhe erhaltenen Bruchsteinmauern ist man versucht auf eine Turmanlage zu
deuten. In der Mauer gegen das Tal zu eine vorn 30 cm breite und 45 cm hohe
Öffnung, die sich nach hinten erweitert und mit zwei zugehauenen Platten bedeckt ist.
Etwas tiefer gelegen, gegen das Tal zu, anscheinende Terrassierung mit wenigen Mauer-
trümmern: Vorwerk? Die Burg beherrschte gut das hier sich gabelnde Tal.
Kapelle
694 KREIS OFFENBURG.
Zu Wolfach und Obenvolfach gehört der Zinken
RANK ACH
Schreibweisen: Ranningen 1482; Rangen 1493.
In Mittelrankach steht eine Kapelle , der glatt abgeschnittene spätgotische Chor
eines ehemaligen Kirchleins, aus drei Seiten des Achtecks und zwei Jochseiten bestehend.
Jetzt mit flacher Holzdecke. Vier Spitzbogenfenster, ehemals je mit einem, jetzt weg-
gebrochenen, Mittelpfosten; Fischblasenmaßwerk. Gegen das einstige Langhaus öffnet
sich der Chor in großem Spitzbogen, der nach außen hohlgekehlt ist. Übliche gotische
Wasserschräge.
Glocke nicht zugänglich.
/
NACHTRÄGE
UND
BERICHTIGUNGEN
SAND
Seite 25, 12. Zeile von unten, soll heißen: ein Bau des 16. Jhs., der im 18. Jh. um-
geändert wurde.
HUGSWEIER
Seite 38. Am Nebengebäude des Gasthauses »Zum Löwen« zwei Wappensteine vom
Kloster Schlittern eingemauert, beide mit der Inschrift : Franciscus abbas huius
nominis primus hoc aedificium fieri curavit.
ICHENHEIM
Seite 39. Kirchengeräte: an dem erstgenannten Kelch noch die Inschrift: Wagenstadt
1724.
Die Beschreibung des Steines im Pfarrgarten muß folgendermaßen lauten:
Im Pfarrgarten ein Stein, der auf beiden Seiten bearbeitet ist und wohl
ehemals über einem Einfahrtstor angebracht war. Auf der einen Seite war
im flachem Relief ein Kruzifixus dargestellt; nur der untere Teil ist noch
erhalten mit den Bildern von Maria und Johannes ; auf der Rückseite in Rocaille-
umrahmung ein Doppelwappen : auf der einen Seite ein Doppeladler mit Schild,
worin Fische (das gleiche Wappen wie über dem Portal des Pfarrhauses), auf
der anderen Seite quergeteilt im oberen Feld ein wechselnder, geflügelter Hirsch,
unten unter einem Winkel ein Turm oder eine Säule, darüber ein Stern
(vielleicht Sinnbilder Mariä nach der Lauretanischen Litanei : der elfenbeinerne
Turm oder Turm Davids und darüber der Morgenstern), darunter die Jahres-
zahl 1594.
Seite 40. In der Brauerei Bläsi findet sich am Okonomiegebäude, aus dem abgebrochenen
Kloster Schuttern stammend, ein gut erhaltenes Bildwerk, oben geschmückt
mit Inful und Abtsstock mit Fähnlein, darunter zwei große Wappen; auf der
einen Seite einfache Kreuzesbalken, auf der anderen: oben 1. Maria mit dem
Kinde, 2. daneben eine gekrönte Figur mit dem Dome (Kirche) in der Hand
(vermutlich der h. Heinrich), 3. darunter ein kleines Wappen mit drei springen-
den Löwen.
Unter dem ganzen Wappen folgende Inschrift:
DEi GRA ■ CONRAD? FRICK • ABBAS
HVI? LOCI 1VE FIERI l FEClT AN - I5Z8
Ebenda: Auf dem Friedhof noch ein Kruzifix auf hohem Sockel mit Rocaille-
ornament und den Statuen der Maria und des Johannes.
Band VII.
45
696
KREIS OFFENBURG.
Ortsgeschichte
LAHR
Seite 42. Zu den Staudenmei ersehen Aufsätzen seien noch die Jahrgänge der betr.
Zeitungen nachgetragen, soweit sie im Text nicht angegeben werden konnten:
Die adeligen und Patriziergeschlechter, Lahrer Zeitung 1884, Nr. 82 u. 84.
Lahr nach der französischen Revolutionszeit, 1883, Nr. 170 u. 171.
Die Stadt Lahr 1802, 1883, Nr. 182.
Seite 87. (BURGHEIM)
Aufsätze von Staudenmaier:
Die alte Pfarrkirche von Lahr zu Burgheim, Lahrer Zeitung 1883, Nr. 19,
20, 25 u. 26.
Die Kircheneinweihung zu Burgheim am 25. Juli 1835, ebenda 1883,
Nr. 114 u. 11 6. (IVth.)
Seite 44, zweiter Absatz, die Schlacht bei Hugsberg: Der gebräuchliche Name für
diesen Ort ist »Hausbergen«.
Seite 45, 23. Zeile von unten: nicht Markgraf Jakob, der schon 1453 gestorben, ver-
kaufte seinen Anteil, sondern Markgraf Karl.
Seite 92. (Ebendaselbst.) An einer Ecke der Kapelle verzeichnet F. Stein in seiner
Gesch. d. Stadt Lahr eine angeblich der Iris ähnliche Figur als möglicherweise
römische. In der Tat handelt es sich um ein Bruchstück eines mittelalter-
lichen Grabsteins: eine kauernde, nicht näher deutbare Gestalt in Relief.
NONNENWEIER
Seite 97. Eine Geschichte des Dorfes Nonnenweier von Herrn Stadtvikar Karl Bender
ist soeben bei J. J. Reiff, Karlsruhe 1907, erschienen. Im ersten Kapitel des
zweiten Abschnitts ist die Baugeschichte der alten Kirche ausführlicher dargestellt,
als es mir nach dem Abbruch des Baues möglich war. Auch für die Orts-
geschichte sei auf dieses Werk verwiesen. Schon vor dem Erscheinen des
Werkes hat mir der Verfasser liebenswürdigerweise auf Grund seiner For-
schungen folgende Notizen zur Verfügung gestellt:
Ortsgeschichte : Nonnenweier ist früh in Urkunden genannt. Kaiser
Lothar schenkte 845 dem Frauenkloster S. Stephan zu Straßburg unter anderen
Höfen auch »Nunnenwilre«. König Ludwig der Deutsche bestätigte dies 856.
Kaiser Heinrich II. schenkte 1003 (Urkunde echt) die Abtei S. Stephan als
Entschädigung für Kriegsverluste dem Bistum Straßburg. Bischof Werner I.
beurkundet 1004 diese Schenkung, zu der u. a. auch »Nunnewilre« gehöre.
Zwar sind die Urkunden von 845, 856 und 1004 Fälschungen des 12. Jhs. ;
doch sind ihre inhaltlichen Angaben höchstwahrscheinlich historisch. ]) Vom
Bistum Straßburg trugen später die von Windeck das Dorf als Lehen. Bischof
Johann I. löste es 1316 von Berhtolt von Windeck um 110 Mark Silbers wieder
aus. Aber Bischof Bertold II. belehnte ihn damit 1336 aufs neue. Wohl nach
dem Tod des Vasallen kam Nonnenweier als Pfandlehen an die von Geroldseck.
Sophie von Geroldseck, vermutlich Erbtochter Walters V. von Geroldseck
(gest. 1367), brachte es nämlich neben anderen Gütern (worunter auch Almesch-
wiler und Wittenwiler) ihrem Gemahl Graf Eberhard von Werdenberg zu. Nach
Wiegand, Z. 49 (NF. XI), S. 389fr.
NACHTRÄGE UND BERICHTIGUNGEN. 697
langem häuslichen Hader gab die verwitwete Sophie ihre seit 1381 an den
Straßburger Metzger Fritsche Museier und Fischer Johann Büllin verpfändeten
Güter ihrem Sohne Heinrich zum Eigentum 1387. Dieser belehnte sie damit
sofort auf Lebenszeit. Nach der Mutter Tod verkaufte 1391 Graf Heinrich
von Werdenberg Nonnen-, Witten-, Allmannsweier etc. an den elsässischen
Edelknecht Wilhelm von Burn(e). Dessen vier Erben (Johann von Burn(e),
Propst an S. Stephan in Bamberg, Edelknecht Ottemann von Burn(e) und ihre
Schwestern, Lysa von Mansberg und Susa von Kirchen) verkauften die drei
Dörfer 1403 um 1250 Goldgulden an den Straßburger Ritter Reinhold Hüffelin.
Dessen und der früheren Pfandträger Erben (Jakob Berger von Blyberg und
Wilhelm und Caspar von Böcklin zu Straßburg) verkauften dann Nonnenweier
1501 um 846 Pfund an die Stadt Straßburg.1) Diese besaß, seitdem ihr 1401
vom Bistum Straßburg die Stadt und Vogtei Ettenheim verpfändet war, auch den
bischöflichen Anteil von Nonnenweier. 1528 löste das Bistum zwar seinen
Teil an Nonnenweier (zugleich mit der Vogtei Ettenheim) ein, verpfändete ihn
aber bald wieder an die Stadt. Straßburg besaß dann Nonnenweier ununter-
brochen bis 1663. Damals verkaufte die Stadt das Dorf Niederhausen, ein
Drittel von Witten- und Allmannsweier, seinen eigentümlichen und den vom
Bistum pfandweise besessenen Teil von Nonnenweier um 24000 fl. an den
Oberst Johann Christoph von der Grün. Später kam Nonnenweier durch
Heirat seiner Enkelin (Witwe des Ernst Christoph von Löwen) an die Familie
derer von Rathsamhausen zu Ehenweyer 1698. Als diese 1790 und 1820 im
Mannesstamme der Nonnenweierer Linie erlosch, waren die angeheirateten
Familien der Freiherren von Böcklin zu Böcklinsau und der Freiherren von Ober-
kirch, später auch die Familien von der 'Bann und von Gayling Grundherren
von Nonnenweier. Das Dorf gehörte also in das Territorium der freien Reichs-
ritterschaft Ortenau (schwäbischer Ritterkreis) von 1663 an bis 1805, seitdem
zum Großherzogtum Baden.
In kirchlicher Hinsicht gehörte Nonnenweier zum Bistum Straßburg. Die
Patronatsgerechtigkeit besaß seit ältester Zeit die Abtei S. Stephan zu Straß-
burg, auch dann noch, als dieses Stift 1545 evangelisch geworden war. In
Nonnenweier führte der Rat der Stadt Straßburg die Reformation ein (jeden-
falls kurz vor 1553) und erwarb auch den Besitztitel der Kollatur. Diese ging
(samt dem Genuß des halben Zehnten und der kirchlichen Baupflicht) an Johann
Christoph von der Grün und seine Nachfolger um 4000 fl. käuflich über.
Evang. Pfarrkirche: Erwähnt 1270 Johannes rector ecclesiae de N. und
ein plebanus ; 1419 Johans Wahter kircherre, Johans frugemesser und ein
plebanus; 1454 rector, plebanus und cappelanus; 1464 rector, plebanus und
primissarius ; 1473 cappelania ecclesiae in N. — Die alte Kirche bildete, wie
sich beim Abbruch im Mai 1906 des genaueren ergab, in ihrem ältesten Teil
(Hauptteil des Langhauses) ein Rechteck von 12X7,80 m. Auf das 12.
(vielleicht schon 11.) Jh. als Bauzeit lassen schließen: das frühromanische Portal
und Rundfenster der Westseite sowie das Mauerwerk, Guß werk von 90 cm
Stärke (die beiden Außenwände aus Backsteinen mit Kalk und Rheinwacken
*) Ruppert a. a. O. S. 231 f., 387, 396.
45*
Pfarrkirche
69S
KREIS OFFENBURG.
Grabdenkmäler
gefüllt, mit Sandsteinquadern an den Ecken). Dieser Kapelle wurde im Osten
ebenfalls sehr früh ein Turm vorgebaut, dessen unterstes, ehemals gewölbtes
Geschoß als Chor diente und sich in großem Rundbogen in die Kirche öffnete.
Der Turm, von dem um 1650, wie bis 1906, nur noch das mit Satteldach ab-
gedeckte Erdgeschoß stand, war in Gußwerk von 70 cm Stärke gemauert und
bildete ein Quadrat von 5,70 X 5,70 m ohne Apsis. In diesen »Chor« wurde
ein spätgotisches Sakramentshäuschen mit Fischblasenmaßwerk links hinter dem
Altar später eingemauert; rechts befand sich der Wasserausguß Der zuletzt
vorhandene Kirchturm auf dem östlichen Teil des Langhauses (vierseitig mit
vier- und achteckigem Helm) war erst 1715 aus Fachwerk errichtet. 1727
wurde, wie die Inschrift auf einem mit Muschelornament verzierten Renaissance-
stein bezeugte, das Langhaus um 1 5 Schuh nach Westen verlängert. Dabei
wurden das alte Portal und Rundfenster im Giebelfenster der Westfront wieder
eingesetzt, ebenso die Giebelecksteine, deren einer, der auf der südwestlichen
Mauerecke gelegene, 90 X 30 X 30 cm groß war und vorne unten eine romanische
Fratze mit herausgesteckter Zunge trug (kein Wasserspeier). 1803 wurde an
der Nordseite des Langhauses ein schmuck- und geschmackloses Querschiff
in schlechtem Fach werk angebaut. Die alten romanischen »gar kleinen
Fensterlein« des Langhauses wurden 1659 bis 1664 durch hohe Spitzbogen-
fenster ohne Maßwerk ersetzt. Beim Abbruch kamen unter der Tünche des
18. und 19. Jhs. die 1664 bis 1665 gefertigten kunstlosen Malereien biblischen
Stoffes zum Vorschein. 1770 kam eine neue Orgel in die Kirche aus Straß-
burg (vermutlich von Silbermann), nachdem die vorige »injuria belli et temporum«
zugrunde gegangen war. Glocken besaß einst die Kirche vier, während des
Dreißigjährigen Krieges ins Straßburger Zeughaus geflüchtet. Sie gingen zum
'l'eil Ende des 17. Jhs. verloren. 1906 waren drei Glocken vorhanden, die
mittlere mit der Inschrift: »Johann Peter Edel gos mich 1704« und auf der
Rückseite mit dem Bild des Gekreuzigten zwischen Maria und Johannes; die
kleinste mit den Inschriften: »Mattheus Edel gos mich 1729« und »Dem drei-
einigen Gott zu Ehren«, ferner mit den Zeichen: *J-S-V-R*S-D-V-D-G-*
(d. h. Jakob Samson von Rathsamhausen und Sophia Dorothea von der Grün)
und den Wappen derer von Rathsamhausen und von der Grün. Eine dritte
alte Glocke wurde 1871 von Ludwig Edel in Straßburg umgegossen. Diese
und die von 1704 wurden 1907 für das Geläute der neuen Kirche ein-
geschmolzen, die von 1729 hängt seit 1906 im Turm des Rathauses zu
Nonnenweier. — Der Kirchhof war mit einer Mauer umgeben und, wie der
mit Schießscharten versehene Turm(-stumpf), zur Verteidigung eingerichtet.
Zwei Grabdenkmäler in schöner Renaissance auf Johann Christoph
von der Grün *MDCIII den XVIII. Martij, fMDCLXVI den 21. Dezembris,
und auf Anna Amalia von der Grün geb. von der Sachsen *MDCIV den
XV. Junij, f MDCLXXIII den 19. Octobris. Beide Steine sind mit zahl-
reichen Wappenschildern bayerischer Adliger (wohl Verwandter? oder der
Stifter) geschmückt. — In den Neubau der Kirche 1906 bis 1907 wurden
diese Grabsteine, das Sakramentshäuschen, die Inschrifttafel von 1727 wie der
romanische Fratzenstein mit aufgenommen.
NACHTRAGE UND BERICHTIGUNGEN.
699
RUINE HOHENGEROLDSECK
Seite 107. Pläne und Schnitte in dem Schmalkalderschen Skizzenbuch von 1690,
eine recht gute Ansicht auf einer Karte des Gebiets der Stadt Zell von 1604 im
Großh. Generallandesarchiv, publiziert in Wilds Atlas zur Badischen Geschichte.
SCHUTTERN
Zu S. 127, Fig. 65 a. Erst während dem Druck des Textes erhielt ich die Platte geschickt
und konnte einen Abzug davon herstellen lassen. Die Radierung, mit der
kalten Nadel überarbeitet, ist ein Werk des F. X. Schönbaechl, eines Künstlers,
der u. a. in Einsiedeln gearbeitet hat, über dessen Lebensdaten aber bisher
nicht viel publiziert ist. Unser Blatt gehört jedenfalls dem Ende des 1 7. Jhs. an.
Es scheint im großen und ganzen zuverlässig zu sein und ist, man beachte nur
die Einzelheiten des großen Torturms, äußerst gewissenhaft gearbeitet. Da
sehen wir denn noch die schlichte romanische Basilika, wie es scheint mit
geradem Chorabschluß ohne Seitenchöre. Als einzige Zier der typische
Bogenfries unter den Dächern des Mittelschiffs und der Seitenschiffe. Der
Turm ist mit seinem reichen Säulenaufbau und Walmdach ein reicheres Werk
des 17. Jhs. Daran anschließend der Konvent, ein Bau des 17. Jhs. mit einem
Erker an dem Eck und stattlichen Portalen mit den üblichen gebrochenen
Giebeln. Im Hintergrund steht ein Verbindungungsbau, aus dem sich der
Torturm erhebt mit Satteldach und Dachreiter. Er ist offenbar aus Bruch-
steinmauerwerk errichtet, an den Ecken mit Hausteinquadern bekleidet und
mit einer Uhr sowie einer Sonnenuhr versehen. Gegenüber der Kirche wieder
ein großer Bau von vier Flügeln, die einen viereckigen Hof umgeben. Von
ihm wie von dem Konvent erstreckt sich eine lange Gebäudereihe nach vorne,
wo sie in Pavillons mit Dachreitern endigt. Zwischen diesen zieht sich eine
Säulenhalle hin, in der Mitte ein reich durchgebildetes Gebäude mit Mittel-
risalit, Giebel, Pilaster an den Ecken etc. Wenn irgend etwas auf dem Blatt,
so scheint mir diese Anlage der Halle mit dem Mittelbau zweifelhaft, und ich
halte es für sehr leicht möglich, daß derartiges vielleicht nur projektiert oder
überhaupt eine Ergänzung des Radierers ist. Der Bezirk war von einem Wasser-
graben umgeben, um ihn herum lagen eine Anzahl Gärten mit Springbrunnen.
Seite 133, Fig 72. Das Fragment befindet sich jetzt in den Großh. Sammlungen für
Altertums- und Völkerkunde in Karlsruhe.
GAISBACH
Seite 142. In der Kapelle wird noch aufbewahrt eine Holzstatue der h. Magdalena,
ganz hervorragende Holzschnitzerei vom Ende des 15. Jhs., künstlerisch wie
kostümlich nach der mir vorliegenden Photographie gleich interessant. Sie
war bei meinen Besuchen leider nicht zu sehen.
RUINE SCHAUENBURG
Seite 169, oben. In der Ostwand des Turmes ging, noch an der Auskragung der Mauer
kenntlich, eine Treppe vom vierten Stock auf den Wehrgang, worauf mich der
Kaiserl. Legationsrat R.Freiherr von Schauenburg aufmerksam zu machen die
Liebenswürdigkeit hat. Derselbe, der auch die so interessanten Ausgrabungen
700
KREIS OFFENBURG.
Geschichtliches
der letzten Jahre geleitet hat, teilt mir mit, daß er in diesem Sommer (1907)
eine Reittreppe aufgefunden hat sowie zwölf neue Steinmetzzeichen, die leider
hier nicht mehr nachgetragen werden können.
LAUTENBACH
Seite 213. Zur Gemeinde Lautenbach gehört der Weiler Hubacker (in der Hueb bey
Lauttenbach 1660), bei dem die
RUINE NEUENSTEIN
liegt.
Schreibweisen: Nuwenstein 1249; burgstall zu Nuwenstein 1363; daz
burgstadel zu dem alten Nuwenstein 1405 ; Nuwenstein 1415; Neuwenstein 1600.
Literatur: Ruppe rt, Regesten des Mortenauer Adels (Neuenstein),
Z. 37, S. 385— 411 ; 38, S. 130—156; 39, S. 181/82.
Geschichtliches : In der Geschichte der Burg wie den nach ihr sich
nennenden Herren haben wir zwei Perioden zu unterscheiden, die durch den
Zwischenraum von ein paar Jahrzehnten voneinander getrennt sind. Im
12. Jh. erscheint eine Familie von Neuenstein, und zwar sind es Ministerialen
der Herzoge von Zähringen. Als erster tritt ein Konrad von Nuwenstein auf,
der eine Schenkung des Herzogs Konrad bezeugt (1123). Mit dem Aus-
sterben der Zähringer gehörten sie zum Dienstadel ihrer Erben, am Ende des
13. Jhs. wird in erster Linie ein Johannes genannt, er starb in der Zeit von
1307 bis 1317, »nachdem er einen Sohn und zwei Töchter schon frühe hatte
ins Grab sinken sehen, und hinterließ nur eine Tochter, die unverehelicht als
Klosterfrau zu Oberndorf ihre Tage beschloß«. ') Mit ihr starb das Geschlecht aus.
Erst am Ende des 14. Jhs. nennt sich wieder eine Familie nach der Burg,
als erster Rufelin Schultheiss von Nuwenstein ein Edelknecht, der aus der
Familie der Rohart stammte, die im 13. und 14. Jh. in Offenburg ansässig
und im Rate der Stadt oft vertreten waren. »Ein Mitglied desselben, Kunze
Rohart, siedelte wahrscheinlich erst nach Erwerbung des Renchtales durch
den Bischof von Straßburg und nach der Erhebung Oberkirchs zur Stadt
dahin über, erhielt das Schultheißenamt und wurde, während zu Offenburg
die Rohart erloschen, der Stammvater der heutigen Freiherren von Neuen-
stein.« * 2) Als Lehensträger des Bischofs von Straßburg, der Grafen von
Freiburg und Eberstein, der Herren von Lupfen, der Edlen von Schauenburg
und von Staufenberg, dann durch Heirat der beiden Erbtöchter des 1320 im
Mannesstamme erloschenen Rittergeschlechtes von Schopfheim scheint die
Familie kurz nachher in den Stand der Edelknechte übergetreten zu sein.
Sie spaltete sich in zwei Linien, die Rohartsche, die diesen Namen beibehielt
und 1601 ausstarb, während bei der anderen der Amtsname Schultheiß nach
einigen Generationen zum völligen Geschlechtsnamen wird. Der obengenannte
Rufelin empfing 1381 von den Markgrafen Bernhard und Rudolf von Baden
die »guter, die sinre bruder und vettern gemeyn sind, dez ersten die bürg die
da heißet daz alte Nuwenstein«. Vielleicht mit erlangtem Anteil an der Burg
*) Ruppert, Z. 37, S. 387.
2) Ebenda S. 387.
NACHTRÄGE UND BERICHTIGUNGEN.
701
ging der Name auch auf die übrigen Familienmitglieder, selbst auf die Rohartsche
Linie über. Der Name Schultheiß verschwand mit der Zeit. Die Mitglieder
dieser Linie teilten sich in die Rodecksche und Hubackersche, welch letztere
sich nach dem Hubackerhof nannte, der als Surrogat für den Wiederaufbau
des alten Schlosses Neuenstein entstanden war. Denn dieses, das offenbar
nach dem Aussterben des älteren Geschlechtes verfallen war, wieder aufzubauen,
dazu wurden die Neuensteiner von ihrem Lehensherrn, dem Markgrafen von
Baden, immer wieder aufgefordert; so hören wir 1476 von der »bürg zu
Nuwenstein, die wir Melchior und Gebhart von Nuwenstein gevettem oder
unsere mannlehenerben buwen und wider uffrichten sollent«. Es scheint aber
nicht geschehen zu sein, wie 1509 aus der Bezeichnung »das burgstadel zu
+-H 1 I I I l-H 1 1 -I 1
/O 20 30 30 .S0 4n*
Fig. S91- Plan der Ruine Neuenstein.
dem alten Nuwenstein« herausklingt. An Stelle dessen legten sie eben jenen
Hof an, auf den alle Rechte und Verpflichtungen, die vordem auf der Burg
ruhten, übertragen wurden. Auch er hat in den Stürmen der Jahrhunderte
so gelitten, daß heute nichts Nennenswertes mehr steht.
Die Burg liegt auf einem Vorsprung des Schärtenkopfes über diesem Hof.
Nur sehr geringe, mit Gestrüpp verwachsene Mauerreste stehen noch
(Fig. 391). Es lassen sich die über 3 m starken Mauern der Hauptburg
noch nachweisen und man kann in A und B ein Wohngebäude mit einem
Turm erkennen. Eine mir vorliegende Bleistiftzeichnung Näher s gibt hier
noch die Mauern eines Obergeschosses mit flachbogigen Fenstern, scheint mir
aber, wie seine Grundrißskizze beweist, ganz unzuverlässig. Auch die Stelle
eines Brunnens D ist zu vermuten, desgleichen ein weiteres Wohngebäude
Lj und C2 sowie der Graben F. Gegen Norden sind zwei weitere Ab-
702
KREIS OFFENBURG.
plattungen des Berges zu konstatieren, wie unser Plan zeigt, auf denen wir
ebenfalls Befestigungen vermuten dürfen. Da die Burg offenbar seit dem
14. Jh. in Ruinen liegt, kann man sich nicht verwundern, daß so wenig
erhalten ist.
ALTENHEIM
Seite 298. Die Kirche ist 1759 bis 1761 vergrößert worden.
Der Grabstein eines Pfarrers Kölle, gest. 1635, ist an einem Haus als
Torpfosten verwendet.
Ein Gemarkungsstein mit verschiedenen Wappen und der Jahreszahl 1786.
BIBERACH
Seite 305. Die Kirche ist vergrößert und renoviert worden 1874. — Im Erdgeschoß des
Turmes Kreuzgratgewölbe, nach Osten und Süden spitzbogige Fenster mit
innerem Kleeblattbogen, in die Kirche führt rundbogige Tür mit hohlgekehlter
Laibung. — Drei Glocken aus der Edelschen Werkstätte in Straßburg, 18. Jh.,
am Glockenstuhl die Jahreszahl 1780.
Mariahilfkapelle, 1879 erbaut. In ihr eine Holzstatue der Maria mit dem
Kind auf dem Arm, ca. 1,40 m hoch; etwas oberflächliche, aber gute Arbeit
aus der ersten Hälfte des 16. Jhs.
Im Pfarrhaus Kelch, silbergetrieben, vergoldet, mit Rocailleornamenten,
Emailmedaillons und Topasen geziert, ohne Zeichen; reichere Arbeit aus
der Mitte des 18. Jhs.
DURBACH
Seite 318. Zorn von Bulachsches Schloß. Uber dem Eingang Stein mit dem Allianz-
wappen des Georg Zorn von Bulach und seiner Frau Ursula geb. von Landsberg
von 1556 mit sehr zerstörter Inschrift dieses Inhalts. Im Gebäude zwei
Ölgemälde, Porträts derselben, aus der zweiten Hälfte des 16. Jhs.
GENGENBACH
Seite 440. Am Gebäude des Weinhändlers Schnurmann eine Steinmaske (nach dem
Hofe zu).
MÜLLEN
Seite 451. Im Innern ein Hochaltar, Barock, mit Holzstatuen der Apostel Petrus und
Paulus, oben die Dreieinigkeit von Putten umgeben. Aus der gleichen Zeit,
der Mitte des 1 8. Jhs., die Kanzel, der kelchförmige Taufstein mit neuerem Deckel
sowie das schöne schmiedeeiserne Chorabschlußgeländer (ca. 65 cm hoch).
Vor der Kirche ein Kruzifix (Sandstein) mit der Jahreszahl 1753.
OFFENBURG
Seite 520. Judenbad. Wie ich nachträglich höre, wird von einer Seite die Deutung
bestritten; die Anlage soll mit den Vorschriften des Talmud nicht überein-
stimmen; man denkt an eine Brunnenanlage für die Zeiten der Belagerung,
was mir aber viel unwahrscheinlicher dünkt.
NACHTRÄGE UND BERICHTIGUNGEN.
703
UNTERENTERSBACH und OBERENTERSBACH
Seite 540, Zeile 14 von unten: Unterharmersbach Druckfehler, gemeint ist Unter-
entersbach. Die Kapelle hat einen Turm auf quadratischem Grundriß mit
Walmdach.
Eine Kapelle in Oberentersbach ist 1865, laut Jahreszahl über dem Portal,
erbaut, aber wohl mit Verwendung eines Barockbaues, wie indes nur noch
die Fensterformen andeuten.
ALPHABETISCHES
ORTSVERZEICHNIS
Allerheiligen .
Seite
214 — 265
Allmannsweier
3i
Altenheim .
297 u. 702
Antogast
265
Appenweier
299
Auenheim .
3
Bärenburg, Ruine,
und Bärenbach . 287
Berghaupten
3°3
Biberach
Bodersweier
4
Bohlsbach .
305
Bühl
Biihlweg
523
Burgheim
87 u. 696
Butschbach
i49
Dautenstein
i39
Diersburg .
.... 309—316
Diersheim .
5
Dinglingen .
32
Dundenheim .
34
Durbach
31611.702
Ebersweier .
333
Eckartsweier .
6
Einbach
575
Elgersweier
335
Erlach .
151
Fischerbach
575
Freistett
Friesenheim
34
Fürsteneck, Ruine
i49
Seite
Gaisbach
• ■ 1 55 u- 699
Gengenbach ....
335—445 u-7°2
Goldscheuer ....
.... 450
Gribernhöfe ....
.... 540
Griesbach
. ... 178
Griesheim
• • • • 445
Gutach
. . 576—586
Haigerach
• • • • 537
Halbmeil
.... 634
Haslach (Amt Oberkirch)
.... 179
Haslach (Amt Wolfach)
586 — 607
Harmersbach ....
.... 541
Hausach
607 — 620
Hausgereuth ....
.... 8
Heidburg
Herztal
.... 179
Hofstetten
Hofweier
.... 447
Hohengeroldseck . .
106 — 1 2 1 u. 699
Honau
.... 9
Hubacker
700
Hugsweier
• • 37 u. 695
Ichenheim
• • 38 u. 695
Ippichen
.... 634
Kaltbrunn
622
Kehl Dorf
I I
Kehl Stadt
Kinzigtal
Kirnbach
.... 636
Kittersburg ....
.... 450
Kork
.... 14
706
KREIS OFFENBURG.
Kuhbach . . .
Seite
4°
Kürzell
40
Lahr
. 42 — 92 u. 696
Langenbach
Lautenbach
. 181 — 214U.700
Legelshurst
17
Lehengericht .
666
Leutesheim
18
Lichtenau ....
l9
Lierbach ....
Linx
Maisach ....
Marlen
449
Meißenheim
92
Memprechtshofen
23
Mietersheim
96
Mühlenbach . . .
Müllen
Nesselried ....
Neuenstein
700
Neufreistett
Niederschopfheim
45 1
Nonnenweier .
Nordrach . . . .
455
Nußbach ....
Oberentersbach .
54°
Oberharmersbach
540
Oberkirch ....
Oberschopfheim .
98
Oberweier ....
100
Oberwolfach .
Odelshofen
23
Ödsbach ....
278
Offenburg ....
• 457 — 521 u. 702
Ohlsbach ....
521
Oppenau ....
. . . 279 — 285
Ortenberg ....
522
Ortenberg, Burg . .
• • • 527—536
Ottenheim ....
Seite
Peterstal 285
Prinzbach 103
Rammersweier 571
Ramsbach 287
Rankach 694
Reichenbach (Amt Lahr) . . . . 105
Reichenbach (Amt Offenburg) . . 536
Rheinbischofsheim 23
Ringelbach 288
Rippoldsau 644
Rohrburg 298
Roßberg 623
Sand
S. Roman
S. Wendel
Schapbach
Schauenburg, Ruine . .
Schenkenzell ....
Scherzheim ....
Schiltach
Schnellingen ....
Schönberg
Schlittern
Schuttertal
Schutterwald ....
Schutterzell ....
Seelbach
Stadelhofen ....
Staufenberg, Burg
Steinach
Sulz
Sulzbach (Amt Oberkirch)
22
157
657
— 134
25 u. 695
635
1 80
646
—179
648
657
— 666
667
106
u. 699
135
538
136
137
289
—332
667
142
289
318
Tiergarten
290
Ulm 291
Unterentersbach 540 u. 703
Unterharmersbach 541
Urioffen 549
ALPHABETISCHES ORTSVERZEICHNIS.
707
Seite
Waltersweier
• • 532
Weier
• • 553
Weierbach
• • 57°
Weiler bei Fischerbach
• • 575
Weingarten
• ■ 554
Welschensteinach ....
670
Wiedergrün
• ■ 333
Willstett
• • 27
Windschläg
• • 556
Wittelbach
• • 143
Seite
Wittenweier 145
Wittichen 624 — 633
Wolfach 672 — 694
Zell am Harmersbach . . . 557 — 570
Zell (Weierbach) 570
Zierolshofen 28
Zimmern 550
Zunsweier 571
Zusenhofen 333
VERZEICHNIS
DER
ILLUSTRATIONEN
AMT KEHL
1 Bodersweier. Rundbogenfenster und Portal der Kirche
2 Honau. Holzskulptur: Krönung Mariä in der Kirche
3 Kehl. Altarflügel in der Kirche, Vorderseite .
4 » Altarflügel in der Kirche, Vorderseite . • •
5 » Altarflügel in der Kirche, Rückseite ■ •
6 Linx. Kirche
7 » Wappen über dem Portal der Kirche . • •
8 Rheinbischofsheim. Bronzebeil
9 Sand. Inschrift an der Pfarrkirche
io Willstett. Ansicht nach Merian 1643
! t » Kanzel und Altar in der Kirche . • • •
•AMT LAHR
1 2
13
14
15
16
17
18
19
20
2 1
22
Dinglingen. Turm der evangel. Pfarrkirche
Friesenheim. Epitaph an der Kirche
» Steinerner Kellerladen am Haus Nr. 2 . . • •
Lahr. Wappen der Stadt . . • ■
» Plan der Stadt
» Ansicht der Tiefburg von Südosten
» Ansicht der Tiefburg von Nordwesten
» Versuchsweise Rekonstruktion der Tiefburg
» Tiefburg (sogen. Storchenturm)
» Bogenschießscharte im Storchenturm '
» Rippe mit Konsole aus dem IV. Stockwerk des Turmes er
bürg
23 » Doppelfenster im Storchenturm • ■
24 » Fenster in der Tiefburg
25 » Lahr im Jahre 1827 und Lahr vor 1643 • • •
26 » Vogtstor und Vogtsvorstadt am Ende des 18. Jhs. .
27 » Alte Straße
28 » Ansicht der Stiftskirche vor dem Jahre 1736 • ■
20 » Grundriß der Stiftskirche
7io
KREIS OFFENBURG.
Seite
Fig. 30 Lahr. Mittleres Chorfenster der Stiftskirche 68
31 » Kapitell und Kippenansatz in der Stiftskirche 69
32 » Pfeiler im Mittelschiff der Stiftskirche 70
33 » Steinmetzzeichen an der Stiftskirche 71
34 » Vom Mittelportal der Stiftskirche 71
35 » Querschnitt durch die östlichste Langhaustravee der Stiftskirche 72
36 » Längsschnitt durch die Ostteile der Stiftskirche 73
37 » Grabstein der Maria Rebsoeckin auf dem alten Friedhof ... 77
38 » Rathaus vor 1885 79
39 » Altan am Rathaus 80
40 » Stoessersches Haus 81
41 » Portal vom Hause Marktplatz Nr. 2 82
42 » Haus mit Holzgalerie 83
43 » Sturz eines ehemaligen Brunnens 84
44 » Hausanlage Marktstraße Nr. 53 85
45 Burgheim. Kirche Ostansicht 89
46 » Fenster am Turm der Kirche 90
47 » Portal der Kirche 91
48 » Gewändeprofil vom Portal der Kirche 92
49 » . Der h. Christophorus. Wandgemälde in der Kirche . . 91
50 Meißenheim. Vorgeschichtliches 93
5 1 » Rocaille-Kartusche in der Kirche 94
52 » Die Ruine Hohengeroldseck 106
53 » Die Hohengeroldseck 1,1 1
54 » Hohengeroldseck, Plan der Ruine 113
55 Hohengeroldseck. Der Südostpalas vor den Konservierungsarbeiten . 114
56 » Der Südostpalas nach den Konservierungsarbeiten . 115
57 » Fenster von dem Südostpalas 1 1 6
58 » Fenster im Südostpalas 117
59 » Ostgiebel vom Südostpalas 118
60 » Inschrift und Wappentafel 118
61 » Südliche Burghofecke 119
62 » Eingang in den Treppenturm des Südostpalas . . 120
63 » Turmkrönung und Helmansatz am Treppenturm des
Südostpalas 120
64 » Steinmetzzeichen vom Südostpalas und Treppenturm 1 2 1
65 Schlittern. Kirche 127
65a » Ansicht des Klosters vor seiner Zerstörung 127
66 » Turmfassade der Kirche 128
67 » Die unteren Turmgeschosse der Kirche 129
68 » Wappen über dem Portal der Kirche 129
69 » Kelch 13°
70 » Madonnenstatue am Pfarrhaus 131
71 » Ziehbrunnen von 1623 132
VERZEICHNIS DER ILLUSTRATIONEN. 7 j i
Seite
Fig. 72 Schlittern. Figurenfragment 133
73 » Türsturz 134
74 Dautenstein bei Seelbach. Plan des Schlosses 140
75 Wittelbach. Gewölberippe mit Konsole im Erdgeschoß des Turmes . 143
76 » Portal der Kirche 144
AMT OBERKIRCH
77 Butschbach. Bildstöckchen 150
78 Fürsteneck. Ruine 151
79 Erlach. Nördlicher Seitenaltar in der Kirche 152
80 » Südlicher Seitenaltar in der Kirche 153
81 Gaisbach. Holzsäule im Nebengebäude des Schlosses 155
82 » Türsturz 156
83 » Schlußstein 156
84 » Epitaph 157
85 » Türsturz von der Burg 157
86 Schauenburg. Plan der Ruine 164
87 » Ruine, Ansicht von der Westseite 165
88 » » nordwestlicher Wohnturm 167
89 » » Fenster im nordwestlichen Wohnturm . . . . 168
90 » » Tür in den nordwestlichen Wohnturm . . . 169
91 » » nordwestlicher Wohnturm, Nordostecke 170
92 » » Fenster der West- und Südseite 171
93 » » südöstlicher Wohnturm, Fenster im IV. Stock . 172
94 » » Reste der Kapelle 173
95 » » Eckausbildung an der südlichen Bastion . . . 175
96 » » Zugbrückentorbau 174
97 » » Ofenkachel 175
98 » » Ofenkachel 175
99 » » Ofenkachel 176
100a » » spätgotische Ofenkachel 176
100b » » spätgotische Ofenkachel 176
1 00 c » » spätgotische Ofenkachel 177
101 » » Renaissancekachel 177
102 Griesbach im Jahre 1645 (nach Merian) 178
103 S. Wendelin, Wallfahrtskapelle bei Oberkirch 180
104 Lautenbach. Grundriß der Kirche 183
105 » Ansicht der Kirche im Jahre 1486 185
106 » Madonna mit Kind vom Portal 187
107 » Lettner 188
108 » Hochaltar 191
109 » Darbringung im Tempel, Gemälde 192
1 1 o » Detail daraus 192
Band VII 46
7X2
KREIS OFFENBURG.
Seite
Fig. m Lautenbach. Detail daraus (Der Kerzenträger) 193
1 1 2 » Beschneidung Christi, Gemälde 194
113 » Detail daraus 194
1 1 4 » Anbetung der Könige, Gemälde 195
115 » Tod Mariä, Gemälde 197
116 » Rechter Seitenaltar, offen 197
117 » Ehemalige Rückflügelbilder vom rechten Seitenaltar . . 198
118 » Linker Seitenaltar, offen 197
119 » Holzstatuette der Madonna 199
120 » Glasgemälde 201
12 1 » Glasgemälde 203
122 » Glasgemälde 206
123 » Glasgemälde 209
124 » Madonenstatuette 211
125 Allerheiligen. Plan des Klosters und der Ruine von 1803 223
126 » Grundriß der Klosterkirche 224
126a » Plan der Ausgrabungen an der Klosterruine 1902 u. 1903 225
127 » Vierungspfeiler in der Klosterkirche 226
128 » Kämpfer der Vierung der Klosterkirche 227
129 » Wasserspeier vom Vierungsturm 228
130 » Blick in die Ostteile der Kirche 229
131 » Chor, Grundriß 230
132 » Blendarkaden der südlichen Chorwand 231
133 » Kapitelle und Säulenfüße der südlichen Chornische . . 232
134 » Nische im nördlichen Querschiff 233
135 » Fensterbank im nördlichen Querschiff 234
136 » Nordwand des nördlichen Querschiffs 235
137 » Säulenfuß der Chorpfeiler und Eingangstüre zum Treppen-
türmchen des nördlichen Querschiffs 236
138 » Wendeltreppe des nördlichen Querschiffs 237
139 » Kapelle im südlichen Querschiff 238
140 » Südliches Fenster der Querschiffkapelle 239
141 » Langhaus 240
142 » Romanisches Portal der westlichen Vorhalle 241
143 » Reste von dem nördlichen Seitenraum der Vorhalle . . 242
143a » Fenster der Vorhalle 242
144 » Gewölbeschlußsteine 243
145 » Schlußsteine 244
146 » Romanisches Ornamentfragment 244
147 » Schlußstein und Ornamentstücke 245
148 » Schiffenster 246
149 » Nach vorhandenen Resten rekonstruiertes Fenster . . . 247
. 150 » Klosterkirche, im Langhaus gefundener Steinsarkophag . 248
151 » » Tabelle der Steinmetzzeichen 249
VERZEICHNIS DER ILLUSTRATIONEN. 713
Seite
Fig. 152 Allerheiligen. Klosterkirche, der südwestliche Vierungspfeiler und die
in das Querschiff führende Arkade . . 250
153 » » Blick auf den südwestlichen Vierungspfeiler 252
154 » » Blick vom südlichen Querschiff auf den
südwestlichen Vierungspfeiler . . . . 253
155 » » Rekonstruktion: Nordseite 254
156 » » Querschnitt durch die
Vierung 255
157» » » Querschnitte . . 257
158 » » » Längsschnitt . 258
159» » » der Ostteile . . . . 259
160 » » Portal zum Kreuzgange und Rippen-
anfänger in demselben 260
161 » » im Jahre 1732 262
162 » » Docken der Einfassung des Klostergartens 263
163 Nußbach. Kirche, Wandgemälde: zwei Evangelistensymbole. . 267
164 Oberkirch. Straße mit Riegelhäusern 276
165 » Türablauf am Gasthaus »Zur Linde« 278
166 Oppenau. Wappen der Stadt . . 282
167 » Grundriß der Friedhofskapelle 283
168 » Gewölbe der Friedhofskapelle 284
169 » Schlußstein in der Friedhofskapelle 284
170 Peterstal. Bad, im Jahre 1644 286
1 7 1 Ramsbach. Plan der Bärenburg 288
AMT OFFENBURG
172 Appenweier. Katholische Pfarrkirche 300
173 » Haus 301
174 » Haus 302
175 Bohlsbach. Ehemaliger Altarflügel in der Kirche 306
176 » Holzstatue des h. Laurentius in der Kirche 307
177 Diersburg. Plan der Ruine 312
178 » Sockel von Bossenquadern an der Ruine 313
179 » Haupttor der Ruine 314
180 » Fenster von der Ruine 315
181 Staufenberg. Plan der Burg 321
182 » Wappensteine im Burghof .... .. ..322
183 » Türe in den Wohnbau 323
184 » Fenstersäule im Wohngebäude 324
185 » Glasgemälde 325
186 » Glasgemälde im Wohngebäude 330
187 Durbach. S. Anton 332
188 Gengenbach. Nach einem Aquarell .336
Band VII.
47
7i4
KREIS OFFENBURG.
Seite
Fig. 189 Gengenbach. Inschrift an der Mauer beim Prälatenturm 350
190 » Plan der Stadt mit eingezeichneter Mauer 351
19 1 » Stadtbefestigung im Südwesten 352
192 » Stadtmauer mit Rondell, sogen. Schwedenturm . . . 353
193 » Wehrmauer im Prälatengarten 354
194 » Niklasturm 355
195 » Vom Niklasturm 356
196 » Kinzigtorturm 357
197 » Kinzigtorturm, Erdgeschoß 359
198 » Obertor oder Haigeracher Tor-Turm 360
199 » Ansicht der Kirche von Osten 365
200 » Grundriß der Klosterkirche 374
201 » Längsschnitt durch die Klosterkirche 376
202 » Klosterkirche, Rankenornament des Gurtgesimses . . 375
203 » » Rankenornament an den Kämpfern der
Säulen und Pfeiler 376
204 » » Säulenkapitelle 377
205 » » Säule im Langhaus 378
206 » » Querschnitt 379
207 » » Ostteile 380
208 » » untere Dekoration 381
209 » » Westfassade 382
210 » » Westfassade, Kämpferstück am Hauptportal 383
21 1 » Fenstervorzeichnung an der Klosterkirche 383
212 » Adler, Relief an der Klosterkirche 384
213 » Fenster von der Fassade der Klosterkirche 385
214 » Romanische Madonna im Giebel der Klosterkirche . . 386
215 » Turm der Klosterkirche 386
216 » Eckausbildung an der Klosterkirche 387
217 » Steinmetzzeichen an der Klosterkirche, am Niklasturm
und an der Einbethenkapelle 388
218 » Der Chor der Klosterkirche vor der Restauration . . 390
219 » Ehemaliges Chorgestühl und Orgel in der Klosterkirche 392
220 » Mittelfeld am unteren Teil der ehemaligen Orgel der
Klosterkirche 393
221 » Ein Stück des alten Chorgestühls der Klosterkirche . . 394
222 » Heiliges Grab in der Klosterkirche 394
223 » Die Marien am Grabe, vom heiligen Grab in der Kloster-
kirche 396
224 » Giebel des Abteigebäudes und des südlichen Querschiffs 403
225 » Abteigebäude, Hofseite, Fensterummalung 404
226 » Klostergebäude, Treppenhaus 405
227 » » Tordurchgang 406
228 » » Blick in das Treppenhaus 407
VERZEICHNIS DER ILLUSTRATIONEN. 715
Seite
229 Gengenbach. Klostergebäude, Geländer der Treppe vom ersten zum
zweiten Geschoß 408
230 » Inschrift an der Martinskirche 410
231 » Grabmal des Peter Jüngel an der Martinskirche . . 414
232 » Epitaph des Stattmeisters Math. Arnold an der Martins-
kirche 417
233 » Epitaph der Eltern des Johann Kuhn an der Martinskirche 418
234 » Grabstein auf dem Friedhof 420
235 » Grundriß des Rathauses .... 423
236 » Ansicht des Rathauses 424
237 » Amtsschild der Bürgermeisterkette 425
238 » Bucheinband 426
239 » Portal der Gewerbehalle . . 427
240 » Marktplatz mit Brunnen 428
241 » Detail vom Marktbrunnen 429
242 » Ehemaliges Pfaffsches Haus .430
243 » Türvorbau desselben 431
244 » Details von demselben 432
245 » Weiteres Detail 433
246 » Holztür mit Oberlicht .... 434
247 » Tür am ehemals Rineckschen Hause 436
248 » Straße 437
249 » Fachwerkhaus auf dem Gänsebühl 438
250 » Ansicht desselben von anderer Seite 439
251 » Uberputztes Fachwerkhaus 440
252 » Giebel eines Fachwerkhauses 441
253 » Fachwerkgiebel 442
254 » Löwenbergscher Pavillon 444
255 Hofweier. Grundriß der Kirche „ 448
256 Niederschopfheim. Römische Funde 452
257 » Ansicht der Kirche 453
258 Offenburg. Ansicht, Holzschnitt vom Ende des 15. Jhs 457
259 » Ansicht der Stadt im Jahre 1644 468
260 » Sandsteintorso eines römischen Soldaten 477
261 » Griff eines zweischneidigen Schwertes 478
262 » mit seinen Befestigungen im Jahre 1645 478
263 » Plan mit eingezeichneten Befestigungslinien 478
264 » Reste der alten Stadtbefestigung 479
265 » Kath. Pfarrkirche, Grundriß 480
266 » » » Turm 481
267 » » » Inneres 482
268 » » » Kanzel 484
269 » » » Vortragskreuz, Detail der Rückseite . . 487
270 » » » Grabmal des Jörg von Bach .... 488
47
KREIS OEB'ENBURG.
7 1 6
Seite
Fig. 271 Offenburg. Kath. Pfarrkirche, Grabmal des Schultheißen Philipp Berger 489
272 » » » Grabmal des Caspar Wydt .... 491
273 » Kruzifix auf dem alten Friedhof 492
274 » Rest eines Portals, an der Rückseite des Ölbergs eingemauert 493
275 » Schmiedeeisernes Gitter 496
276 » Franziskanerkirche, Blick auf den Hochaltar 497
277 » Grundriß der alten Kapelle des ehemaligen Franziskaner-
klosters 498
278 » Innenansicht derselben 499
279 » Holzstatue der Madonna in der Kapelle des ehemaligen
Franziskanerklosters 500
280 » Portal des ehemaligen Andreasspitals 501
281 » Portal der Kirche des ehemaligen Andreasspitals . . . 502
282 » Grundriß des Rathauses .505
283 » Ansicht desselben 506
284 » Mittelstück der Fassade 508
285 » Kopf des Baumeisters im älteren Teil des Rathauses . 509
286 » Grundriß des Amtshauses 512
286a » Mittelstück der Fassade des Amtshauses 512
287 » Einhornapotheke 513
288 » Schmiedeeisernes Torgitter am Vincentiusgarten . . . 515
289 » Galerie am Hause Ritterstraße Nr. 12 516
290 » Haus Ritterstraße Nr. 14 518
291 » Details dieses Hauses 519
292 » Judenbad. Nach einer Aufnahme von 1882 ... 520
293 Ürtenberg. Altarbild in der Kapelle am Bühhveg 524
294 » Laurentiusbild in der Kapelle am Bühlweg 525
295 » Aus Schmalkalders Skizzenbuch von 1689 528
296 » um 1830 530
297 » » 1807 531
298 » Plan der Burg 532
299 » Der Bergfried der Burg 533
300 » Konsolen an der westlichen Umfassungsmauer, Tür in den
Jakobsturm und Steinmetzzeichen 535
301 Reichenbach. Romanischer Türsturz vom Portal der Kirche . . . 537
302 Schutterwald. Steinbeil aus der Gegend 539
303 Unterharmersbach. Plan der Wallfahrtskirche Maria in Ketten . . . 545
304 » Konsolen, Steinmetzzeichen und Sakristeianbau der
Wallfahrtskirche Maria zur Ketten 547
305 » Gnadenbrunnen vor der Wallfahrtskirche 549
306 Zimmern. Kirche, Grundriß und Ansicht 551
307 » Fenstermaßwerke von derselben 552
308 Weingarten. Grundriß der Kirche 555
309 Zell a. H. Plan der Stadt mit eingezeichneten Befestigungen . . 558
VERZEICHNIS DER ILLUSTRATIONEN. 717
Seite
.310 Zell a. H. Befestigung im Jahre 1689 .... 560
31 1 » Torturm 561
312 » Storchenturm 5^2
313 » Turm von der Südostecke der Befestigung 563
314 » Reste der ehemaligen Stadtbefestigung 564
315 » Reste der alten Stadtmauer 565
316 Gutach. Kirche 577
317 » Schmiede 57^
318 » Schwarzwaldhaus, Nr. 204 580
319 » Hof am Bergle, Grundriß 581
320 » Ansicht desselben 582
321 » Bachhof, Ansicht 583
322 » Grundriß desselben 584
323 » Haus, sogen. Schlößle, Ansicht 585
324 » Grundriß desselben 586
325 Haslach. Ansicht der Stadt im Jahre 1655 589
326 » Plan der Stadt im Jahre 1690 590
327 » Das Obertor am Anfänge des 19. Jhs 591
328 » Reste der ehemaligen Stadtbefestigung 592
329 » Plan der Stadt mit eingezeichneten Befestigungen . . . . 592
330 » Ansicht der Stadt nach einem Aquarell von 1804 .... 593
331 » Schießscharte in der äußeren Stadtmauer 594
332 » Relief im Turmerdgeschoß der Pfarrkirche 597
333 » Grabplatte der Anna von Fürstenberg 598
334 » Fenster mit gemalter Umrahmung am ehemaligen Zehnthaus 604
335 » Tür an einem Privathaus 605
336 » Marktbrunnen 606
337 Hausach. Grundriß der Stadt mit eingezeichneten Befestigungslinien . 608
338 » Ansicht der Stadt 609
339 » Ansicht der Ruine 610
340 » Grundriß derselben 611
341 » Ansicht der alten Kirche 613
342 » Grundriß derselben 614
343 » Sakristeitür in derselben 6x5
344 » Romanisches Tympanon an derselben 617
345 » Portal des Kaplaneihauses 619
346 Wittichen. Kanzel 627
347 » Casel 630
348 » Weitere Casel 631
349 » Gestickte Decke 632
350 » Portal des Abteigebäudes 633
351 Kirnbach. Aberlebauernhof, Grundriß 637
352 » Wohnstube desselben 637
353 » Konradsbauernhof, Ansicht 638
7i8
KREIS OFFENBURG.
Seite
Fig. 354 Kirnbach. Grundriß desselben 639
355 » Hof an der Molz, Ansicht 640
356 » Grundriß desselben 641
357 Mühlenbach. Turm der Kirche 643
358 Schenkenzell. Kirche 650
359 » Abgebrochenes Haus 652
360 » Plan der Burg 653
361 » Längsschnitt und Querschnitt durch dieselbe . . . . 654
362 » Lichtluke am Palas 655
363 » Palasfenster 655
364 » Innenansicht derselben 656
365 Schiltach. Ansicht nach Merian 658
366 » Plan der Burg 659
367 » Reste der alten Stadtmauer 660
368 » Plan der Stadt mit eingezeichneten Befestigungen .... 660
369 » Rathaus 661
370 » Fenstergruppe von demselben 662
371 » Tür am ehemaligen Jägerhaus ' 663
372 » Gasthaus »Zum Adler« 664
373 » Details von demselben 665
374 » Desgleichen 666
375 Steinach. Gasthaus »Zum Adler« 669
376 Wolfach. Ansicht der Stadt von 1655 677
377 » Plan der Stadt mit eingezeichneten Befestigungslinien . . . 678
378 » Grundriß des fiirstenbergischen Schlosses 679
379 » Eckturm desselben 680
380 » Tordurchgang 681
381 » Wappen von dem Schlosse 682
382 » Decke aus demselben 683
383 » Grundriß der Kirche 684
384 » Südportal derselben ...685
385 » Steinmetzzeichen und Schlußstein von derselben . . . . 686
386 » Schmiedeeisernes Kreuz 688
387 » Ansicht des alten Rathauses 689
388 » Haus mit Erker 690
389 » Konsole unter dem Erker 691
390 » Burgruine Oberwolfach, Plan 693
391 Hubacker-Lautenbach, Plan der Ruine Neuenstein 701
VERZEICHNIS
DER
TAFELN
Tafel I
» II
» III
» IV
V
VI
» Via
VII
» VIII
» IX
» X
» XI
» XII
» XIII
XIV
» XV
» XVI
» XVII
» XVIII
» XIX
» XX
» XXI
» XXII
» XXIII
» XXIV
Der Storchenturm in Lahr.
Pieta, Holzgruppe aus Kloster Schuttern.
Ruine Schauenburg, Ansicht von Südwesten.
Lautenbach. Portal der Kirche.
» Gnadenkapelle.
» Mittel schrein des Hochaltars.
» Rechter Seitenaltar, Außenseite.
» Linker Seitenaltar, Außenseite.
» Kruzifix.
Allerheiligen. Kapelle Allerheiligen.
Gasthaus »Zur Linde« in Oberkirch.
Ehemaliges Flügelgemälde eines Altars in der Kirche zu Bohlsbach.
Gengenbach. Klosterkirche, Blick in den Chor.
Gobelin in der Klosterkirche zu Gengenbach.
Offenburg. Grabstein eines römischen Kriegers.
» Vortragskreuz, Vorderseite.
» Vortragskreuz, Rückseite.
» ölberg.
» Amtshaus.
Haigerach. Casel.
Haslach. Grabstein des Götz von Fürstenberg.
Hausach. Blick in den Chor der alten Kirche.
» Sakramentshäuschen in der alten Kirche.
S. Roman. Sakramentshäuschen.
Schenkenzell. Palas der Burg vom Tal aus.
historische härte der ortenau
nach dem Zufland um die Mitle des 15 Jahrhunderts.
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)KENZINGEN
Mathematischer Grundriß der Fürstlich fürstcnhergischen Herrschaft Kinzigtal, von dem Baseler Bürger Jakob Mentzinger, JÖJS, kopiert durch August Eckhardt 179b.
( Aus dem Fürstlich Jiirstenbergischen Archiv.)
FOLDOUT BLANK
Müllersche Hofbuchdruckerei in Karlsruhe