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Full text of "Die Landpolitik in den australischen Kolonieen"

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Die Landpolitik 

iu den 

australischen Kolonieen. 



I, Teil. 

Neu- Sud -Wales 

unter enfflischer Verwaltung. 



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,03^ 



Als Dissertation aDgenommen uu 12. Kai 1898. 



Digimed by Google 



Herrn Eichard Halbach 

Bergerhof bei Kadevormwald 



In dnnkbarer Verehrimg 

Der Ver&sser 



256126 

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Einleitung. 



Xm Jahre 1787 landete an der Osttnlste Australiens 
eine unbedeutende britische Flotte. An Bord der 
Scbiäe befand sieb eine Anzahl Verbrecher, die anter 
militärischer Bedeckung an dieses entfernte Qestade 
gebracht wurden, tun hier, in einem Lande, von dem 
erst kurze Zeit vorher die erste Kunde in ihre Heimat 
gedrungen war, ihre Strafe zu verbüseen. 

Mit gemischten Gefühlen mag der den Trans- 
port kommandierende Kapitän, Phillip, die britische 
Flagge auf australischem Boden gehisst und für seinen 
König von dem Lande Besitz genommen haben. Kaum 
konnte er hoffen, dass das Land, als dessen Gouverneur 
er bestellt war, jemals etwas anderes werde, als ein 
Deportationsplatz; kaum durfte er erwarten, dass sich 
hier einmal ein geordnetes Staatswesen entwickeln 
könne, wenn er seiuen Blick über die baut zusammen- 
gewürfelte Menge schweifen liess, an deren Spitze er 
stand. 

Etwa hundert Jahre spftter. — Wie hat sich das 
Bild verändert! Der australische Kontinent zerfallt in 
fünf blühende Kolonieen, zu denen sich noch die be- 
nachbarten Inseln Tasmanien und Neuseeland gesellen. 
Die Verbrecher - Niederlassungen von ehedem haben 
Staatswesen Platz gemacht, die zwar immer noch unter 



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britiBcher Oberhoheit stehen, sich aber eigener, selb- 
stäadiget Verwaltung erfrenen. Handel und Industrie 
sind in stetigem Wachstum begriffen nnd schon ist 
Australien bei den handelspolitischen Erwägungen nnä 
Massnahmen der europäischen Staaten darchaus nicht 
mehr als eine qaantit^ negligeable zu behandeln. Auf 
dem Gebiete der Wirtechafts- und Sozialpolitik bietet 
es des Interessanten und Nachahmenswerten genug, 
nnd die Bedeutung und die Machtstellung des Landes 
werden noch zunehmen, wenn sich in absehbarer Zeit 
der Plan, die fünf Kolonieeu zu eiuem Staatenbunde 
zu vereinigen, Terwirklicht haben wird. Alle diese 
Thatsachen sind zu allgemein bekannt, als daas es 
nötig wiu-fl, das Emporbläben des Erdteils zifferomässig 



Ein solch staunenerregender Fortschritt eines 
Landes, das vor einem Jahrhundert noch ein Nichts 
war, muss dazu herausfordern, den Momenten nach- 
zugehen, die ihn bedingt nnd unterstützt haben, und 
zu einer derartigen Untersuchung sollen die folgenden 
Blätter einen Beitrag liefern. Für Nen-SQd-Wales, die 
älteste und lange Zeit hindurch einzig anstraliscbe 
Kolonie soll einer der in Betracht kommenden Faktoren 
herausgegriffen werden, der, wie dies längst bekannt 
und anerkannt ist, zu den allerwichtigsten Bedin- 
gungen für die Entwickelung einer Ansiedelung gehört: 
die Landpolitik. Mit anderen Worten: der Zweck 
der folgenden DarstelluDg ist, das System zu verfolgen, 
das seitens der britischen Regierung bei der Veräu^serung 
der crown lands in Anwendui^ gebracht wurde. 

Vielleicht hat eine solche Arbeit auch ein ak- 
tuelles Interesse, es lassen sich möglicherweise aus den 
Erfolgen oder Miseerfolgen, die mit den verschiedenen 
Arten der Land veräusserung in Australien erzielt wTxrden, 
Nutzanwendungen für unsere deutschen Besitzungen 



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- 1 - 

ziehen, Ton denen, wie ich hier andeuten möchie, TOf 
allem Südwestafrika manche Aehnlichkeit mit Nen- 
Süd-AValeB aufweist. 

Was die anf ntiseren Gegenstand bezügliche Lit- 
teratar betrifft, so fehlt ea an einem die Frage im Zu- 
sammenhang behandelnden deutschsprachlichen Werke 
ToUstandig. Es finden sich nur einige kurze Notizen 
in Terschiedenen Zeitschriften. Ein Anfsatz, den Rah- 
land in der Tübinger Zeitschrift,^ veröffentlicht hat, be- 
schrankt sich im grossen und ganzen auf eine etwas 
lückenhafte Angabe der als Quellen in Betracht kom- 
menden Parlamentspapiere und eine oberflächliche Skiz- 
ziemng des Wakeiieldschen Systems. Von grösserem 
Werte war mir die in den i Schriften des Vereins für So- 
zialpolitik' enthaltene Arbeit Rathgens^, die zwar 
eigentlich die englische Answaudemngspolitik behandelt, 
die aber doch die damit imZosammeuhang stehende Land- 
frage nicht anberücksichtigt lässt. In englischer Sprache 
ist von einem australischen JonmaliBten, WilUam Bpps, 
ein Buch erschienen/ das den Gegenstand für alle 
australischen Kolonieen im Zusammenhang darstellt 
Doch fosst sich der Autor für die erste Periode aa- 
stralischer Crestdiichte, bis zur Einfiibmng des respon- 
sible g&vemment sehr kurz und ist teilweise ungenau. 
Im übrigen musste ich mich in erster Linie auf die 
englischen Parlamentspapiere und sodann auf Werke 
über Kolonisationspotitik im allgemeinen and solche 
über die Geschichte Australiens stutzen. Die englischen 
Blaubacher will ich hier nicht im einzelnen aufzählen) 

1 G. BuMand, Die aostraliseh ■ nordamerikaDiaolie Lud- 
geMtzgebnog L Tttbinger Zeitsohrifl für die gee. Staatairüsen- 
sohaften. 1892. 8. 47 S. 

* Karl Rathgmi, Engtisohe Aiuwtndening und Aoawan- 
deruDgapolitik im 19. Jahrhundert. Schriften dea Vereins für 
Sozialpolitik. Bd. 73. Leipiig 1696. 

s W. Eppi, Land Syatems of Anatralasia. London 1694. 



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es sind diejenigen Bände der Äccounts and Papers, die 
aicli mit den Kolonieen beschüftigen und ausserdem 
einige Kommissionsberichte. Von der übrigen Litte- 
rator nenne ich nur 
Soscher-Jannasch, Kolonieen, Kolonialpolitik nnd Äns- 

wanderong. 3. Aufl. Leipzig 1880. 
Leroy-Beatilieu, De la colonisation chez les penples mo- 
dernes. 4. Aufl. Paria 1891. 
Berm. Merivale, Lectnres on colonisation and colonies. 

1842. 
Süble-Schleiden, TJeberseeiache Politik, II. Band Harn. 

bürg 1883. 
K. Sasse, Artikel iKolonieen und Kolonialpolitik«: im 

fiandwörterbucli der Staatswissenschaftea. 1. Äufl, 

IV. 702 ff 
H. E, Egerton, A short hiatory of britiah colonial po- 

licy. London 1897. 
Alfred Zimmermann, Die Kolonialpolitik Grossbritanniens. 

IL TeU. Berlin 1899.^ 
Aifr. Caldecott, Engliah colonisation and empire. 

London 1882. 
DÜke, Problems of Greater Britain. London 1890. 
Earl Greif, Colonial PoUcy of Lord John Kussells ad. 

ministration. London 1853. 
Gneisi, Engliache Verfaeaungsgeschichte. 1892. 

— Das englische Verwaltungsrecht. 2, Aufl. 1867. 
G. Wendt, England, seine Geschichte, Verfassung und 

staatlichen Einrichtungen. Leipzig 1892. 

V. HoUzenäorff, Die Deportation als Strafmittel. Leip- 
zig 1859. 

Wakeßeld, A Letter from Sidney 1829. 

— A View on the art of colonisation. London, 1849. 



1 Das letztere Werk eTachien, aie die vorliegende Arbeit im 
grossen uild gKnieo vollendet war. 



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Eäw. Jenks, History of Äustralian Coloiiie». Cambridge 
1896. 

— The government of Victoria. London 1891. 

M. Kandt, Entwickelung der australischen Eisenbahn- 
politik. Berlin 1894. 
Sonwick, First twenty years of Anstrolia. 1891. 

— Romance of the wool trade. London 1887. 
J. D. Lang, History of New South Wales. 

W. Weslgarth, Half a Century of Anstralaaian progress. 
1841. 
The colony of Victoria. London 1864. 

S. Sidney, The tbree coloniea of Australia, New South 
Wales, Victoria and Sotith Australia. London. 
1853. 

F. Lancelott, Australia as it is. Bd. I. London 1852. 

Stieglitz, Ueber Landverteilung in Australien (Arbeiter- 
freund 1888). 

Verschiedene Jahrgänge der »Proeeedings of the Royal 
Golonial Institute«. 



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Erstes Kapitel. 



Nen-Stlil-Walea in den Anfangsatadien seiner Ent- 

wickelung. Die ersten Versuche auf dem Oebiet 

der Landpolitik. 

Der Abfall der Vereinigten Staaten von Amerika 
hatte im englischen Mntterlande ausserordentlich 
deprimiert. Schon glaubte man in den mass- 
gebeaden Kreisen, dasa es mit der britischen Kolonial- 
Politik zu Ende sei, und man gab dieser Meinung 
durch Auflösung des Council of Trade and Plantations 
und die Beseitigung des Amtes eines Staatssekretärs 
für die Kolonieen ge wisser massen einen offiziellen 
Ausdruck.* So hatte man auch kein Verständnis dafür, 
dass sich bereits fünf Jahre, nachdem im Frieden zu 
Versailles die Unabhängigkeit Kordamerikas anerkannt 
war, ein neues Kolonisationsgebiet erschloss, dass sich 
ein ganzer Erdteil dem englischen Einfluss öffnete, als 
am 26. Januar 1788 die Plötte Phillips in der Bucht 
des späteren Sydney landete. Man knüpfte an das 
Land keinerlei Erwartungen, die über seine Bestimmung 
als Deportationsplatz zu dienen, hinausgegangen wären.* 



1 Man hielt es für Reattgend, wenn tod Fall in Fall ein 
KomitM des Priv; Council EDsaiiiiiieD trete, am über ^e An- 
gelegenheiten der Uberseeiachea UesitmiigeD lo bersten. 
* cf. Barton, HUtory of New Sonth Wales. I. 79. 



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12 



Der UDg^Iückliche Ausgang des amerikanisclieQ 
Krieges hatte England der Mi^lichkeit beraabt, die 
Sträflinge, die die englischen Znclithäuser nicht fassen 
konnten, weiterhin in die amerikanischen Besitzungen 
zu transportieren und lauge hatte man hin und her 
erwogen, welchen Platz man nun zum Yerbannungsort 
wählen solle. Gribraltar und die Westküste von Afrika 
waren in Fra^e gekommen, bis man endgültig Australien 
den Vorzug gab. Ein Begleiter des Weltumseglera 
Cook, Joseph Banks und ein gewisser Matra hatten 
diesen Gedanken lebhaft befürwortet. Ungefähr 750 
Sträflinge (550 Männer und 200 Frauen) bildeten den 
ersten Transport, den ausser der militärischen Bedeckung 
nur eine geringe Anzahl freier Personen begleitete. 
Die Verbrecher gaben der neuen Ansiedelung ihr Ge- 
präge tmd es war selbstverständlich, dass die Regierang 
dem Gouverneur, der hier eine fast rein militärische 
Stellung bekleidete, eine Machtvollkommenheit ge- 
währte, wie sie niemals vorher oder nachher irgend 
einem Beamten in den britischen Besitzungen zur Ver- 
fügung stand.' In seiner Hand lag die Regelung des 
Handels und Qewerbfleisses, Preise und Löhne konnte 
er festsetzen, Monopole schaffen u. s. w. Allerdings 
blieb er der heimatlichen Behörde verantwortlich, doch 
diese war einmal zu weit entfernt, am sich ein Urteil 
über die Verhältnisse bilden zu können und dann 
fehlte ihr auch jedes Inter^se an der Niederlassmig. 
So hatte denn auch gleich in den ersten Jahren 
Phillip die volle Verfügungsfreiheit über alles unver, 
äusserte Land, das nach englischem Rechte in seinem 
ganzen Umfang im Eigentum der Krone staud, er- 
beten; es war ganz in sein Belieben gestellt, unter 
welchen Bedingungen und in welchem Umfange er es in 



1 cf. Edw. Jenks, History oi Aiutr. p. 148. 



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Privatbeeitz übergehen lassen woUte. Vorerst war eine 
derartige Verfügung allerdings ziemlicb gegenstandslos, 
da fast niemand in der Kolonie war, der auf irgend 
eine Landübenreisnng hätte Anspruch erheben können. 

Ursprünglich hatte man sich der Hoffnung hin- 
gegeben, dasB vielleicht die amerikanischen Loyalisten 
nach Australien übersiedeln und dort den Grundstock 
einer freien Berölkerung bilden würden. Man hatte 
sich darin getäuscht, und so blieb denn die junge An- 
siedlong T0rläu6g wirtschaftlich Tollkommen Tom Mutter- 
land abhängig. Die Lebensmittel mussten von England 
und teilweise aus der Kapkolonie nach Australien 
transportirt werden und mehr als einmal geriet die 
Bevölkerung infolge des Ausbleibens einer solchen Sen- 
dung in eine verzweifelte Lage. Phillip sah ein, dass 
eine freie Einwanderung unbedingt notwendig sei, wenn 
das Land nicht der grössten Gefahr ausgesetzt werden 
sollte und stellte dies ein über das andere Mal der 
englischen Behörde vor. Er machte Vorschläge, wie 
den Auswanderern die hohen Ueberfahrtskosfcen zu er- 
leichtem seien; er will jedem Ansiedler eine Anzahl 
von Sträflingen zur Verfügung stellen — vergebens, 
das Home Office antwortet ihm überhaupt nicht. Statt 
dessen klagt es immer aufs neue über die grosse finan- 
zielle Last, die ihm die Verbrecherkolonie anferlege 
und fordert den Gouverneur dringend auf, dafür Sorge 
zn tragen, dasa die Niederlassung bald der Unterstützung 
seitens des Mutterlandes entraten könne. 

Ohne jede ermunternde Beihülfe der Kegierung 
mochten aber die englischen Auswanderer wenig Neigung 
verspüren, ihre Schritte in ein Land zu lenken, von 
dem sie noch so gut wie garnichts wussten und das 
bei den damaligen Verkehrsverhältnissen in schier end- 
loser Feme lag. 



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— 14 — 

TJüter diesen Umständen machte der Gronvemenr 
von seiner Verfügungsfreiheit über die croivn landa 
den besten Gebrauch, indem er dazu überging, den 
Deportierten, die ihre Strafe abgebUsst hatten, Land 
kostenlos anzuweisen, um auf diese Weise wenigstens 
einen Teil des Bedarfs in der Kolonie selbst decken 
zu können. Jeder lemancipist« — so wurden die frei- 
gelassenen Sträflinge genannt — erhielt dreissig acres,' 
war er verehelicht, 50 acres und ausserdem für jedes 
zur Zeit der Anweisung lebende Kind 10 acres. Ferner 
wurde den Beamten auch Grund und Boden unter 
ähnlichen Bedingungen zur Verfügung gestellt, so dass 
im ganzen bis zum Ende des Jahres 1791 ca. 4200 
acres vom Staatsland veräussert waren. 

Doch nur ein geringer Teil dieses Komplexes be- 
fand sich um diese Zeit unter dem Pflng. Die meisten 
der Freigelassenen waren wenig geneigt, ihre Kraft 
auf die Urbarmachung und Bebauung des Bodens zu 
verwenden; sie fühlten sich in den Rumkneipen wohier 
und gar mancher veränsserte sein Besitztum bald wieder 
für Spirituosen. 

Es war daher mit Freuden zu begrnssen, dass sich 
die britische Eegieruug — offenbar unter dem per- 
sönlichen Einfluss des inzwischen in die Heimat zurück- 
gekehrten Phillip — endlich ein wenig aufraffte und 
eine Anzahl englischer Arbeiter zur Auswanderung 
nach Australien unterstützte. Im Jahre 1793 treffen 
die ersten freien Ansiedler in Neu-Süd- Wales ein und 
erhalten alsbald auch Land unter denselben Bedingungen 
wie die emancipists. 

Die ersten Kolonisten befanden sich durchaus nicht 
in einer beneidenswerten Lage, zumal es meist Leute 
waren, die vom Ackerbau wenig oder gar nichts ver- 

* 1 acre ^ 0,405 ha. 



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— 15 — 

standen, und die aich bud plötzltcli vor die Äuf^be 
gestellt sahen, Land nrbar zn machen und aus ihm 
einen Ertrag zu erzielen.^ Es var daher ein Gebot der 
Notwendigkeit, daaa die GouTemeure sie anch abgesehen 
von der freien Landanweisung auf jede Art unterstützten. 
Man versah die Ankömmlinge auf eine gewisse Zeit 
mit Lebensmitteln, man überliess ihnen kostenlos Acker- 
gerätschufteo und Saatgetreide und endlich gab man 
ihnen Sträflinge als Arbeiter mit, wobei allerdings zu 
beachten ist, daas diese letztere Massregel den Neben- 
zweck hatte, die ilegierun^ zu entlasten und dass in 
der Zukunft die Ansiedler gezwungen wnrden, De- 
portierte in ihren Dienst zu nehmen und die Unter- 
haltskosten für sie zu tr^en. 

Die Politik, die somit Phillip und auch sein Nach- 
folger in der Landfrage verfolgten, beruhte aiii einem 
durchaus gesunden Prinzip. Nur durch kostenlose oder 
wenigstens billige Anweisung von Grruud upd Boden 
konnte und kann noch heute der Auswandererstrom in 
eine Koloni«, wie es Neu-Süd-Wales damals war, ge- 
lenkt werden. Australien stand auf der untersten Stofe 
kolonialer Entwickelnng, und Landschenkungen 
waren unbedingt erforderlich, wenn eine wirtschaftliche 
Organisation geschaffen werden sollte. 

Doch das System trug bereits den Keim künftiger 
Fehler in sich. So wohlthätig die Anweisungen von 
kleinem Umfange wirkten, um so üblere Folgen mn^ite 
es haben, wenn man zu freigebig mit dem Boden um- 
ging und den Beflektanten Komplexe überwies, die sie 
nicht imstande waren, zu bebauen. Dahin musdte es 
aber bei der Gleichgültigkeit, mit der das llntterland 

• cf. den bei Bomoiek, First twent; years etc. p. 78 «b- 
eedniokteD Bericht des Ooaverneura fiantar. Er beteiohnet du 
Farmerlebea als »a life for which very tew oi ihem are avanted, 
either from ability ur inciinatioa. 



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der Angelegenheit gegenüber stand; notwendigerweiae 
kommen. Die massgebenden euglischen Kreiae hatten 
keinerlei Verständnis von der Wichtigkeit des Boden' 
faktors für die Entwickelnng der Kolonieen. Erst per- 
hültnismassig spät lernten sie von den Verpinigteu 
ätoaten, welche Bedeutung dieser Fn^e beizulegen sei, 
und dass auch für Australien st}te fttnds for fcrtilising 
populatiny and cuHlinng lie in Ute Crown lands of 
ihat colony.«-^ Vorlaufig lag, wie gesagt, die Land- 
veräusserungspolitik in der [fand der einzelnen Gou- 
verneure und von deren Einriebt und gutem Willen 
hing eine zweckentsprechende Lösung der Aufgabe ab. 
Es dauerte denn auch nicht gar lange, \Aä die 
Nachfolger des ersten Gouverneurs von der richtigen 
Praxis dieses verständigen Mannes abwichen und Land- 
. loose in einem Umfange vergaben, der jede rationelle 
Kultur ausschloss. Sie wurden allerdings in diesem 
planlo-en Vorgehen durch die englische Regierung 
unterstützt, insofern nb diese, unbekümmert um die 
Verffigungafreiheit, die sie den Gouverneuren gewährt 
hatte, auch in London Anweisungen auf übergrosse 
Flächen Landes in der Kolonie an Personen ausstellte, 
die sieh auf irgend eine AVeise ihre Gunst erworben 
hatten. Der grösste Teil der so Beschenkten dachte 
gar nicht daran, nach Australien auszuwandern; man 
sandt« höchstens einen Bevollmächtigten hin, der das 
Land übernahm, um es dann brachliegen xu lassen. 
Nun war zwar gleich zu Anfang der Besiedelnng die 
Bestimmung getroffen worden, dase jeder Grundbesitzer 
nach Ablauf einer gewissen Zeit eine bestimmte jilhr- 
liehe Grundsteuer, als Anerkennung (ackuowledgement) 
der Rechte der Krone über das Land zu zahlen hätte, 
doch auch diese Verordnung war nicht imstande, von 



> Sydney, Auatralian Handbook p. S, 



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— n — 

der Erwerbung zu umfangfreicher Komplexe abzuhalten, 
Sie blieb im grossen und ganzen ein toter Buchstabe. 
Man ging bei der Eintreibung der Steuer so wenig 
euergiBch vor, dass in Wirklichkeit fast alles Land 
abgabenfrei war. Nicht einmal eine bestimmte Kasse 
oder ein bestimmter Beamter war mit dem Einziehen 
der fälligen Beträge beauftragt, sondern wie es sich 
gerade traf, stellte man irgend einen Subalternbeamten 
des Vermessungsbureans hierfür an. Ein Bericht vom 
Januar 1832 besagt, dass um diese Zeit noch 16 552 £ 
an quU-renti rückständig waren* und man dachte noch 
immer nicht daran, irgendwie gegen die säumigen 
Zahler vorzugeben oder durch geeignete Massnahmen 
für die Zukunft solchen Missständen soweit als mög* 
lieh vorzabeugen. Erst in den vierziger Jahren wurde 
ein dahingehender Versuch gemacht, der aber auch 
an der lebhaften Opposition der Grundbesitzer scheiterte. 
Es kann nun nicht in unserer Absicht liegen, alle 
Verfügungen, die die einzelnen Gouverneure der au- 
stralischen Kolonie der Reihe nach in Bezug auf die 
Crown lands trafen, hier zu untersuchen. Um so 
weniger dürfte das angebracht sein, als die meisten 
Beetimmungen nur von überaus kurzer Dauer waren 
und bei der ersten besten Gelegenheit doch wieder 
vollständig unberücksichtigt blieben, mochte nun die 
englische Behörde oder auch der Gouvemear selbst 
sich einfach darüber hinwegsetzen. Genug, bis zum 
Jahre 1820 waren ungefähr 400 000 acres in Privat- 
besitz überg^angen nud zwar grösstenteils in über- 
mässigen Losen. Nor ein geringer Bruchteil war 
unter den Pflug gebracht,* zumal da für den Erwerber 

* VeI. den Keport des Committfe on düposal of Lands in 
the BritUh Voloni-» Ton 1836. qu. 1631. 

' Kandt, AnsCral. Eisen bahnpol ilik p. 59 spricbt von 33 000 
acres. 



jvCoogIc 



_ 18 — 

keinerlei Verpflichtung bestand, ii^end welche Arbeit 
oder irgend welches Kapital auf das empfangene Land 
zu verwenden. Unter dem Gonvemeur Macquaiie im 
zweiten Jalirzehnte unseres Jahrhunderts machte man 
Kwar den schwachen Versuch, dieser unwirtschaftlichen 
Landverschleuderang, die dem Landjobbertum die Wege 
ebnete, dadurch zu begegnen, dass mau von dem, der 
auf eine Landanweisung Anspruch erhob, den Nach- 
weis verlangte, dass er imstande sei, ein gewisses Ka- 
pital auf seinen »granl* zu verwenden. Aber wie alle 
Verordnungen jener Zeit wurde auch diese nicht ener- 
gisch genug durchgefiihrt. Die Behörden beachteten 
sie entweder gar nicht oder begnügten sich mit dsm 
Vorhandensein der verlangten Summe, ohne darauf zu 
dringen, dass sie nun auch in der Bodenkultur nngelegt 
wurde. Dadurch wurde natürlich der Absenteismus 
nur bestärkt. Auch die Mazimalgrenze von 2000 acres, 
die Macquarie für einen granl festgesetzt hatte, wurde 
nicht innegehalten, und so hatte die Forderung von 
Kapitalbesitz eher schlimme als gute Folgen. Ganz 
abgesehen von diesen wirtschaftlichen Alissständen übte 
das befolgte System weiterhin noch eine äusserst de- 
moralisierende Wirkung aus. Es fehlte bei den Ge- 
suchen um Land nicht an groben Betrügereien, die 
darin bestanden, dass der Auswanderer zu hohe An- 
gaben über sein Vermögen machte, um sich so einen 
grösseren Landbesitz zu sichern. Er boi^e sich ent- 
weder zeitweilig Geld bei einem guten Freunde oder 
er schreckte auch vor einem Meineid nicht zurück, 
wenn er seine Angaben beschwören mnsste.^ Später 
als man anfing, energischer vorzugehen, setzte man, 
um derartige Schwindeleien zu verhindern, in Nen- 
Süd- Wales ein Land Board ein, dessen Obliegenheit 



i(^f, den erwähnten Report der KommiesioD von 1636. (|u. 1949. 



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19 



darin bestand, sich über den tb»1»&chlicben Kapitalbeeitz 
der Gesuebsteller Klarheit zu verBcbaffen, aber auch diese 
Behörde, die ausserdem an einem büreankratiacb ver- 
wickelten Geschäftsgang laborierte, war nicht in der 
Lage, die eingerissenen Uebelatände zu beseitigen, nnd 
sie zog sich nur den Hass der Kolonisten zu, die ihr 
— allem Anscheine nach allerdings mit Unrecht — 
Parteilichkeit nnd Begünstigung vorwarfen. 

Dieses Odium der ungebührlichen Bevorzugung 
Einzelner lastete überhaupt auf der ganzen ersten 
Epoche der Landveräusserungspolitik in Australien. 
Immer wieder wurden die Gouverneure nnd auch die 
Unterbeamten der Ungerechtigkeit beschuldigt. In 
vielen Fällen entbehrten derartige Vorwürfe gewiss 
aller Berechtigung und entsprangen nnr dem Zorn der 
Kolonisten, die sich gegen irgend einen Nachbarn im 
Nachteil glaabten, häufig aber sind sie wohl auch sehr 
begründet gewesen. So fuhrt z. B. der Bericht einer 
Kommission, die 1812 tt^^te, an, dass ein abgehender 
Gouverneur seinem Nachfolger 1000 acres zum Ge- 
schenk gemacht habe, wofür sich dieser natürlich nach 
seinem Amtsantritt durch eine gleiche Zuweisung er- 
kenntlich zeigte ; auch sonst sind Beispiele solcher un* 
billigen und unbegründeten Landanweisungen in hin- 
reichender Menge bekannt, nm das ganze System als 
ein höchst verderbliches und verwerfliches erscheinen zu 
lassen.^ Esmusste auf solche Weise ein äusserst gespanntes 
Verhältnis zwischen der Regierung und den Ansiedlem 
entstehen, in dem die nicht seltenen Beibereien und 
anch eine Keihe oppositioneller Schriften ihren Grund 
hatten, nnd John Dunmore Lang erklärt nicht mit 
- Unrecht die guten Beziehungen, in denen Burke, der 

' Nicht hierhio sa rechueo sind natQrlicb die Salieokangeu 
an Bokhe PeTeonen, die sich um die Kolonie als Forscher oder 
auf andere Weise verdient gemacht hatten. 



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Grouvemenr, der sich an der Spitze der Kolonie befand, 
als die englische Begierong den Landverkauf an- 
ordnete, zu den Kolonisten stand, aus den güuatigen 
Umständen, in die dieser Mann in Bezug aaf die 
Kronländereien tod der Regievtaig versetzt war.' 

yorlänfig ialgte eine Beschwerde der anderen, 
und ungezählte Mengen von Petitionen und Klage- 
schriften gingen an die beimntliche Begiernnj ab. 
Eine geradezu nnglanbliche Korrespondenz wurde 
über diesen Gegenstand geführt.' Unter dem bereits 
erwähnten Macquarie spitzten sich die Streitia;keiten 
immer mehr zu. Ea kam noch in Betracht, iaaa dieser 
die Sträflinge und vor allem die Emanzipisten ausser- 
ordentiich b^^stigte und versuchte, die letzteren auf 
die gleiche gesellschaftliche Stufe mit den freien An- 
siedlern zu stellen. Er wies den Freigelassenen ohne 
Unterschied grosse Flärhen Landes zu, wahrend seine 
Vorgänger diese Vergünstigung nur solchen hatten an- 
gedeihen lassen, die sich während ihrer Strafzeit gut 
geführt hatten (meritorious). Dadurch erregte er 
natüilich den Zorn der übrigen Kolonisten immer 
mehr und es drohten eine Zeit lang die ernstesten 
Verwickelungen. 

So imzuträglich nun auch ein solcher Konflikt für 
die Entwickelung der Kolonie seiu musste, so gab er duch 
anderseits auch den Anlass, dass die Begierung und 
die öffentliche Meinung Alteuglands, ihre Aufiuerksam- 
keit mehr als das bisher geschehen war, auf das ferne 
Australien lenkte. Die einlaufenden Beschwerden riefen 
lebhafte Debatten im Parlament hervor und fahrten 
schliesslich dazu, dass im Jahre L819 ein Regierungs- 
kemmissar namens Bigge zusammen mit einem gewissen 

' J. J). Lang, An historicul and i-Unslical sccoutit of New 
South Wales. Loodon 1634. Bd. 1, p. äti7. 

* EiitI Grey, Colonial Folioy. Bd. I, p. 309. 



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_ 21 — 

Thomas Bobba auafifesandt wurde, nm die sostnvlisclien 
Angelegenheiten an Ort and Stelle einer PrOfong zu 
nnterziflhen. Nach längerem Änfeathalt in der Kolonie 
nberreichte Bigge im Jahre 1821 dem Tlnterhaase eine 
Denkschrift, die wieder daza beitrug, dass man rieh mehr 
für das bis dahin kaum beachtete Land interessierte. 
Einen weiteren Änstoss hiei^u gab der ümBtaud, 
dass sich um dieselbe Zeit in England die Malthus- 
acheu Theorieen einen immer grösseren Anhäogerkreis 
erworben hatten, und sich nun die Furcht Tor der 
UebervöIkeruDgsgefahr bemerkbar machte.^ Man richtete 
sein Augenmerk anf Austnüien, als ein Land, das im- 
stande sei, die überschüssige BeTöIkemng aufzunehmen 
und so kam es, dass auch für die freie seitens der 
B^erung nicht unterstützte Auswanderung Neu-Sud- 
Wales mehr in Bücknicht gezogen wurde. Allerdings 
währte es noch geraume Zeit, bis man anfing, sich 
eine richtige Ansicht von diesem Erdteil zu bilden, 
unter dem sich noch bis in die vierziger Jahre die 
meisten eine WOstenei vorstellten, in der Räuber and 
Uorder ihr Wesen trieben. 

Mit der Amtszeit Maoquaries läast Edw. Jenks* 
die Einderjahre der Kolonie enden. Man kann wohl 
noch weiter gehen und sagen, dass England in jenen 
Jahren überhaupt erst dazu überging, Australien, das 
bis dahin nur als Deportation splatz gegolten hatte, 
als Kolonialland anzusehen. Die Behörden in London 
begannen, weitergehende Yerfügungen zu treffen, und 
es schien, als ob ein grösseres Verständnis für 
die Bedeutung der LandTerteilnng bei ihnen Platz 
greife. Während man sich bisher in dieser Frage fast 
völlig passiv verhalten hatte, brachte das Jahr 1821 

> of. Rathgen. a. a. 0. p. B. 
* Histor:^ oi AoBtralian colonieB. 



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zum ersten Male positiTe, apezialisiurte Verordnuagen 
für diesen Zweig der Kolonisationspolitik. Sie sind 
enthalten in den Instruktionen, die das KolonialRmt 
dem nach Sydney abgehenden neuen Gourernenr Sir 
Thomas Brisbane erteilte und datieren vom 3. Fe- 
bruar des genannten JaJires. Im allgemeinen be- 
schränken sich die neuen Yorschriften gewissecmassen 
auf eine Kodifikation der von den verschiedenen <iou- 
vemeuren getroffenen Anordnungen. Naher gehen sie 
nur auf die Landanweisung an die Emanzipisten ein. 
Hierbei sollen die seinerzeit von Kapitän Fhillip auf* 
gestellten Grundsätze wieder in Geltung treten, während 
an freie Ansiedler bedeutend mehr Land vergeben 
werden kann (150 bis 200 acres durchschnittlioh). 
Auch wird die quü-rent für Deportierte viel höher 
angesetzt als für die übrigen Kolonisten. Kurz, man 
sieht, dass die Klagen aus der Kolonie im Mntterlande 
auf einen fruchtbaren Boden gefallen waren, und dass 
dieses non versucht«, das Versäumte nachzuholen. 
Die Zeit, die durch die Deportation ihr einziges 
Gepräge erhalten hatte, war eben verstrichen und 
machte einer Uebergangsperiode Platz, in der frische 
Kräfte der Ansiedlung zuströmten und deren späteres 
Bmporblühen vorbereiteten. 

Zum ersten Male zeigte sich hei den Instruktionen, 
die man Brisbane mitgab, der Einfluss des nordameri- 
kanischen Vorbildes, das später so bedeutungsvoll für 
die englische Kolonisationspolitik wurde. Man wollte in 
Australien wie in den Vereinigten Staaten alles Land 
in loamskips von je 100 Quadratmeilen Umfang ein- 
teilen; in jedem lotcnship sollen 200 acres für Schal- 
zwecke, 400 acres für die Kirche und ebensoviel für 
den Geistlichen reserviert werden. 

Die Anordnungen standen jedoch vorläufig nur 
auf dem Papier, wie denn überhaupt der Unterschied 



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zwischen dem Erlassen und der Ansfiihrnng von Ver- 
fügungen dieser Art ein grosser war. Ein ZnsBtz zu 
den Instmktioiien hatte ausserdem die in ihnen ent- 
haltenen Bestimmungen teilweise wieder illusorisch ge- 
macht. Es wurde nämlich den G-onvemenren freigestellt, 
grössere Komplexe, als eigentlich vorgesehen waren, 
zu vergeben, sofern sie nur nachträglich dem Staats- 
sekretär für die Kolonieen Gründe hierfür angeben 
könnten. Es konnte nun niemals allzu schwierig sein, 
solche Grunde beizubringen und dem Kolonialamte, 
das ja weit genug entfernt war, übermässige Landan- 
weisungen plausibel zu machen. 

Die Massregeln der EegieruDg bedeuten somit 
nicht viel anderes als einen Anlauf; es war nur ein 
dilettantisch tastender Versuch, den sie auf diesem ihr 
bis dabin unbekannten Gebiete anstellte. Der beste 
Beweis dafür, dass an die konsequente Durchführung 
eines Systems nicht gedacht wurde, liegt in der That- 
sache, dass Brisbane ganz kurz nach seiner Ankunft 
in seinem neuen Wirkungskreis dazu übei^ng, Land 
zu verkaufen. Es waren zwar Verkäufe zu einem 
ganz niedrigen Preise, der ausserdem noch in ßaten 
abgezahlt werden konnte, aber mit dem aufgestellten 
Prinzip war doch wieder gebrochen. Um noch mehr 
Verwirrung in die Sache zu bringen, erliess Brisbane 
bald darauf eine Bekanntmachung, dass jeder Ansiedler 
auf weitere hundert acres Anspruch erheben könne 
für jeden Sträfling, den er als Arbeiter übernehme. 
Mit einem Wort, es bestanden zu gleicher Zeit eine 
ganze Reihe von Verordnungen nebeneinander und 
auf die verschiedensten Arten konnte man in den 
Besitz von Land gelangen. 

Inzwischen begann sich in England auch die Spe- 
kulation mit der jungen Kolonie zu beschäftigen. Es 
bildete sich unter dem Direktorium der reichsten Kauf- 



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24 



leute der Londoner City die » Amtralian Agricuttural 
Company t. Ihr Grundkapital belief sich auf 1000000 & 
tiud Dachdem sie mit Zaatimmung des Parlaments Kor- 
porationsrechte empfangen hatte,* erhielt sie anf Grund 
ihres KapitalbesitzeB Tom Kolonialamte eine Anweiauog 
auf eine Million acres nnd zwar mit der Vergiinstigiuig, 
dass sie 5U0 000 acres g^en anderes Land eintaoschen 
könne, falls ihr das zuerst überwiesene Terrain nicht 
passe. So wurde eine ungeheuere Landmasse dem 
Verkehr entzogen und ging in die Hände von Speku- 
lanten über, die keinerlei oder nur geringfügige Ver- 
pflichtungen dagegen übernahmen. Bis znm Jahre 1035 
waren von dem ganzen Besitztum der Gesellschaft ca. 
500 acres landwirtschaftlich verwertet. Mit Recht 
weist Edw. Jents^ auf die politischen Folgen hin, 
die ein derartiges Landmonopol hätte zeitigen können, 
wenn nur der Einwandererstrom starker gewesen wftre. 
'Die Direktoren der Gesellschaft würden sich dann 
einen Reichtum und einen Einfluss erworben haben, 
der sie in die La^^ gesetzt hätte, der Regierung in 
Sydney nnd Hobart Town Hohn zu sprechen. 

Waren hierzu auch die Vorbedingungen nicht ge- 
geben, so blieb die Schenkung doch umsomehr ein 
grosser Fehler, als unmittelbar vorher seitens der Re- 
gierung neue den lAuderwerb betreffende Verfügungen 
erlassen waren, in denen das Verkaufsprinzip im Vor- 
dergrunde stand. Ueber dieses Reglement; in dem 
auch voi^eaehen war, dass kein Los grösser als drei 
Quadratmeilen sein dürfe, setzte man sich also wieder 
vollständig hinweg. Um die Anweisung an die Gesell- 
Bchaft noch wertvoller zu machen, erklärte der Staats- 
sekretär Lord Bathurst den Aktionären, da^s in Zu- 
kunft der Grund und Boden in Australien nur noch 
auf dem Wege des Ktiufs zu haben sein werde. 

' Geo. IV. c 86. 

* Tbe goverameot of Victoria, p. 35. 



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— 25 — 

Dahin k am es jedoch fürs erste noch nicht. Zwar 
hatte man, wie bereits erwähnt, im Jahre 1834 
neue ßegtilative aufgestellt, die den Landverkauf 
einzuführen bestimmt waren, aber auch sie lieesen noeh 
eine ganze Eeibe von Wegen offen, auf denen man 
in anderer Weise Grundbesitz erwerben konnte, und 
es war natürlich, dass diese letzteren häufiger be- 
schritten wurden. Dem Statut von 1824 folgten nun 
jährlich neue mit ähnlichem Inhalt, und meist mit 
demselben Schicksal daaa sie nicht konsequent durch- 
geführt wurden. Sie zeigen alle, ein wie geringes 
Verständnis man in England noch immer für die Ver- 
hältnisse der Kolonie hatte. Man versuchte, ohne 
weiteres die Institutionen Altenglands auf Nea-Süd- 
Wales zn übertragen, indem das ganze Land nach 
englischem Vorbilde in Kirchspiele [parishes), Gaue 
{hnndreds) und Kreise (eoiinties] eingeteilt werden sollte.^ 
Für jedes Kirchspiel aoUte dann nach vorhergegangener 
Taxierung ein Preis festgesetzt werden, zn dem der 
Boden in der Regel in Blocks von drei Quadratmeilen 
zu verkaufen sei. Der Kaufpreis war in vier viertel- 
'jährlichen Raten zu erlegen; fünfzehn Quadratmeilen 
(960U a^es) sollten das Maximum für einen Käufer 
hilden, doch — so wurde gleich wieder hinzugefügt — 
konnte der Staatssekretär auch umfangreichere An- 
weisungen zulassen. Wie wenig ernst es dem Kolonial- 
amte mit diesen Anordnungen war, geht, abgesehen 
von der Cession an die Ackerbangesellschaft, daraus her- 
vor, dass, wie schon angedeutet, dieselben Regulationen 
nach Aufstellung der Verkaufsbedingungen fortfahren: 
«Land kann ausser auf dem Wege des Kaufs noch 



' £dw. Jenk», Hiatory of tlie Austr. Ool. p. 61 charakteri- 
siert die Regulationen der zwanziger Jahre als >« »triking example 
of the folly of attempting to manage a dxstant poiseieion from 
a London office.' 



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unter anderen Bedingungen erworben werden«, und 
dann in erster Linie auf den Grunderwerb gegen Nach- 
weis Ton Kapitalbesitz eingeben. Der TJaterscbied ist 
nur der, dass im letzteren Falle eine Orundsteuer von 
fünf Prozent vom veranachlagten Werte des Bodens 
stipaüert wird, während für käuflich erstandeD'S Land 
nur eine nominelle fiente, eine sogenannte tpeppercom- 
rent', zu entrichten ist. Doch bei der Ussigen Ein- 
treibung der Steuer konnte eine derartige Bedingang 
nur wenig abschrecken. Der Umstand, dass die Ein- 
teilung der Kolonie nach englischem Schema auf 
mauGhee Hinderais stossen muaste, trug dann femer 
auch das seinige dazu bei, dass die im Laufe der zwanziger 
Jahre stets wiederholten Kegulationeu eigenÜicb gar 
nicht zur Durchführung gelangten. Um dieselbe Zeit 
versuchte man auch dem Absenteismus zu steuern, 
man wollte ferner dnrchsetzen, daa^ das Kapital auch 
auf den Boden verwendet werde, aber alle Anord- 
nnngen blieben nur unvollkommene Versnche, die 
sich in rascher Folge ablösten, und die von dem je- 
weiligen Gouvernenr fast immer wieder modifiziert 
worden. Seit dem Jahre 1822 waren bis zum Ende 
des Jahrzehnts über drei Millionen acres Kronländereien 
veränssert, ohne dass ein nnr halbwegs entsprechender 
wirtschaftlicher Fortschritt zu verzeichnen gewesen 
wäre. 

Es liegt auf der Hand, dass ein derartiger Zustand 
nicht mehr von langer Dauer sein durfte, wenn nicht 
die Kolonie ihrem Ruin entgegengefahrt werden sollte. 
Diese ITeberzeugting brach sich allmählich auch in 
England Bahn, die Vethältnisse in Neu-Süd-Wales 
forderten immer mehr die Öffentliche Kritik heraus, 
bis dann 1831 die Regulationen des Lord Ripon 
eine durchgreifende Veränderung auf dem Gebiete der 
Landpolitik brachten. 



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27 



Eine Periode trauriger Systemlosigkeit ward damit 
beendet. Nur wenigen Mannern war in dieser Zeit 
ein Verständais von der Wichtigkeit des Bodenfaktors 
fürdieEntwickelnngkolonialer Besitzungen aufgegangen. 
Auf die verschiedenste Art und Weise hatten sieh die 
Gouverneure mit dem Problem der Landverteilung ab- 
znfiaden gesucht, und nur in den seltensten Fällen 
hatten sie Einsicht und Willenskraft genng besessen, 
um unbeirrt einen einmal eingeschlagenen Weg zu 
verfolgen. Und als dann die Regierui^ des Mutter- 
landes sich langsam ans ihrer Gleicbgiltigkeit auf- 
rüttelte, da waren es zuerst auch nur unsichere 
Versuche, die sie anstellte, und die geeignet waren, 
bald genug die »Downing- Street legislature«, 
wie sie verächtlich nach dem Sitze des Koloaialamtes 
bezeichnet wurde, in der Kolonie und auch in den 
denkenden Kreisen Englands in Misskredit zu bringen. 
Nach- und nebeneinander hatte eine Menge von Ver- 
ordnungen bestanden, die sieb häufig direkt wider- 
sprachen. Jeder Regel folgte eine Anzahl von Aus- 
nahmen nnd oft genug richtete man sich weder nach 
diesen noch nach jener.' Man hat, wie dies z. B. 
HoltaendorfE* tbut, die Verfügungen der zwanziger 
Jahre auf finanzpolitische Motive zarückfnbren wollen, 
doch meiner Meinung waren nicht einmal solche vor- 
handen, wenigstens lässt si^h ein Nachweis hierfür 
kaum erbringen; mir will es scheinen, als ob die bri- 
tische Regierung nur dem dunkeln Bewusstsein, dass 
etwas auf diesem Gebiete gfeschehen müsse, gefolgt 



' Wukefield erklärt vor dem Komitee vod 183it (qu. 707j 
Nothing t» tnore common than Ihit in ditlant colonie» . , . fhe 
officert lotally Tfglect ihe ordert rtceivfd from home, at if suek 
ordert had never beert received. 

' Holtzendorff, Die Depoitatioa als Straf mittel. Leipzig 
1859. p. 388. 



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28 



sei, ohne dass sie aich jedoch klar darüber geworden 
wäre, welchen Weg sie dinzoschlagen habe. 

Man hat nicht selten Australien glücklich ge- 
priesen und seine Bläfce dem Umstände zugeschrieben, 
dass es 'keine Geschichte habe • . Wir sehen an 
unserem Beispiele, wie bedingt die Berechtigung dieses 
Satzes ist. Auch hier, wie so oft, ward das Land 
ohoe Geschichte der Schauplatz einer Beihe toa Ex- 
perimenten, die nicht dazu beitrugen, seine Entwicke- 
lung zu fördern. Da drängt sich uns nun die Fr^^ 
auf, wie es möglich war, dass trotz aller Fehler 
and trotz aller Misserfolge bei der Teränsserung 
der Kronländereien die Kolonie überhaupt noch im- 
stande war, sich über Wasser zu halten. Sehen wir 
vorläufig ab von der Bedeutung, zu der die Viehzucht 
gelangt war, so ist der Hauptgrund hierfür wohl in 
dem Deportationswesen zu suchen. Ohne dass wir 
näher darauf eingehen wollen, sei nur hervoi^hoben, 
wie die besseren Elemente unter den >Eaiancipistenf 
auf den ihneo zugewiesenen Landlosen den für den 
Bestand der jungen Kolonie so notwendigen Klein- 
baoom^and — wenn auch nar in geringem Umfange 
— bildeten, wie ferner die Sträflinge den Ansiedlern 
als Arbeiter überwiesen wurden. Man mag über die 
Deportation denken wie man will, für Australien war 
sie in den ersten Jahrzehnten zweifellos eine Existenz- 
bedingung und schuf die Grundlage, auf der sich das 
Land weiter entfalten konnte.^ 



' Vergl. F. V. HoUzevdorff', Die Deportation als Straf- 
mittel. Beaondorsdie Abschaitte ttträr die eaglisch&D Stnfs7Bt«m& 



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Zweites Kapitel. 



Die kolonisationstechnischen Bestrebungen 

Wakefields und aeiner Schale. 



Das InteresBe an den Kolonieen und an der Ko- 
lonisationspolitik war g^en. Ende der zwanziger Jahre 
in England anch bei solchen Leuten, die ausserhalb der 
oföziellen Eegierungskreise standen, rege geworden, 
und hatte schliesslich dazu geführt, dass sich im 
Jahre 1830 in London eine Anzahl Männer zu einer 
»Colouisation Society« zusauunenthaten, die für 
eine systematische Kolonisation an Stelle der planlosen 
Auswanderung wirken woUte.' Es war nur — wie 
Wakefield sagt — »a few people« meist junger Leute, 
die hier die Initiative der Regierung gegenüber er- 
griffen, und denen das grosse Publikum meist in- 
different gegenüberstand. Bekannter wurde die Geaell- 
achaft erst dadurch, dass sich eine litterarische Fehde 
entspann zwischen einigen ihrer Mitglieder und einer 
Reibe von bekannten Politikern, wie Torrens, Kob. 
Wilmot Harton, J. Hill und Malthus, die später- 
hin grosaenteils begeisterte ApMnger und Vorkämpfer 
der von der Vereinigung vertretenen Ideen wurden. 

> Wakeßeld, A view od the «rl. ,p. 40. 



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30 



Der geistig Mittelpnnkt der Colooiaation Society 
war ohne Zweifel Edward Gibbon Wakefield.' Jm 
Jahre 1829 war aus seiner Feder ein Buch erschienen, 
daa berechtii^tes Aofaeben erregte, nnd das wohl nicht 
zum geringsten Teile dazn heigetr^eo hatte, dass sich 
die kleine Gemeinde gebildet. Das Buch »A letier 
front Sydney t enthielt keine Angaben iiher den Verfasser, 
liess aber Titel and Inhalt nach vermuten, dass dieser 
sich als £olomst in Australien befinde, während er 
sich in Wirklichkeit um diese Zeit in England auf- 
hielt und Australien noch nicht gesehen hatte. Die 
Gedanken dieser Schrift im besonderen zu untersuchen 
thut nicht not, da wir das "Wakefieldsche System im 
Znsammenhang analysieren wollen, nnd ich weise des- 
halb sogleich auf die übrigen Abhandlungen hin, in 
denen der Kolonialpolitiker seine Gedanken nieder- 
gelegt hat. Es ist dies ausser dem in der Litteratur- 
nbersicht genannten tVicw of Um art of colonisation*,^ 
vor allem noch »England and America*^ und ausser- 
dem noch eine Anzahl von kleineren Publikationen. 
Eine reiche Fundgrube für seine Theorien ist ferner 
der Bericht des TJnterhauakomitees, das im Jahre 1836 
zur Untersuchung der Landverteilung in den britischen 
Kolonieen eingesetzt ward, und vor dem u. a. Wake- 
fieid sein kolonialpolitisches Glaubensbekenntnis ent- 
wickelte.* Gehen wir seinem Gedankengange im fol- 
genden nach. 

Das Ziel aller Kolonialpolitik ist nach Wakefield 
die concentraled colonisation, d. h. die kapitalistische 

> Näheres aber seiDe PersCoUchkeit siehe bei Salhgeo a. 
a. 0. p. va f. 

* Der vnllataodiKe Titel lautet : A Vieu> of tke Art of Co- 
lonüatWft with preteiit reference to the brilük empire ; in letter» 
beiiceen a statetman and a colonitt. 

* England and Ami-rtca. A comparUim of the i'icial and 
polüical Btale of botk notion». London 1833. 3 Bde, 

* Kep. qa. 608—1065. 



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31 



Nntzbarmachnng der natürlichen FroduktioQsfaktoren, 
vor allem dea Bodens. Nun wird sich aber das über- 
scbÜBsige Kapital aas den Ländern mit alter Kaltnr 
nnr dann den überseeischen Beeitznngen zuwenden, 
wenn es sicher ist, dort einen Arbeiterstand zu finden, 
den es seinen Interessen dienstbar machen kann. In 
vielen Fällen war es möglich, die Eingeborenen hierfür 
zu erziehen, in den meisten jedoch versuchte man auf 
andere Weise die Grundbedin^ng für die Kapital- 
investierang zu schaffen. So ist in Amerika die Neger- 
sklaverei entstanden, während in Neu-Süd- Wales die 
Deportierten, die »convid labour* in Betracht kämen, 
wenn nicht, wie der Verfasser des ^Leiter front Sydneys 
nachzuweisen sucht, mancherlei Hindernisse der Aus- 
nutzung dieser Arbeitskräfte im Wege ständen. Ab- 
gesehen davon könnten Sklaven sowohl wie Sträflinge 
niemals die Stelle eines freien Arbeiterstandes aus- 
füllen, beide Institutionen trügen den Keim der 
höchsten Gefahr fQr die Kolonie, die sich ihrer be- 
dienen müsse, in sich.^ — Alle Hoffnungen nun, einen 
Stand freier Arbeiter in den Kolonieen schaffen zu 
können, haben sich bis dahin als trügerisch erwiesen, 
und zwar, wie Wakefield ausführt, aus zwei Gründen : 
einmal fehlen den Arbeitern in den europäischen 
Ländern meist die Mittel zur Answandemng, und so- 
dann werden sie sich, selbst für den Fall, dass ihnen 
diese Mittel auf die eine oder die andere Art znr Ver- 
fügung gestellt werden, hei der Leichtigkeit, mit der 
man in der Kolonie Grundbesitz erwerben kann, bald 
selbständig machen und nicht zu bewegen sein, in 
den Dienst eines Kapitalisten zu treten. 

Ein willkommenes Beweismittel für den letzteren 



' >A public nuitance. a politieal dange/-, a »octal j 
Art ot colonisation. p. 181. 



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32 



Satz bot sieb in dem gäßzlichen MiasUngen des Yer- 
'^sacheii, an der Westküste Australiens eine Kolonie an- 
zulegen. Im Jahre 1829 war unter Mr. Peel eine 
Expedition nach dem Swan River aufgebrochen. Mr. 
Peel hatte von der Begierung 250000 acrea erhalteu 
mit der Yerpflichtaag, jedem Ansiedler 200 acres zu 
überweisen Als man am Ziele aagelangt war, mnsste 
man die Erfahrung machen, dass es an Arbeitskräften 
für die notwendigsten Verrichtungen fehlte. Die Folge 
war, dass jeder auf seine eigene Kraft angewiesen 
blieb, mit der er in dem nnzngänglichen Lande wenig 
ausrichten konnte. 

Mögen nun auch noch andere Faktoren zu dem 
Scheitern der Expedition beigetragen haben, Faktoren, 
die mit der Ungunst des Bodens und anderen miss- 
lichen Umständen zusammenhängen, Wakefield sieht 
den Grund für das Fehlschlagen des Unternehmens 
einzig und allein darin, dass die Einwanderer alle 
Landbesitzer werden konnten, und so keine Arbeiter 
mehr übrig blieben. 

Adam Smitb, der grosse Theoretiker der Arbeits- 
teilung ist seiner Ansicht nach nicht weit genug ge- 
gangen. Eine division of labour wird nur ermöglicht, 
wenn die combinalion, d. h. Vereinigung der Arbeits- 
kräfte an dem geeigneten Platz zu gemeinsamer Arbeit 
Torhei^egangen iat.^ Zur cotnbitiation hat dann noch 
die comtanetf, die Stetigkeit der Arbeit zu treten, 
wenn die Vorbedingungen zu einer gewinnbringenden 
Kapitalanlage gegeben sein sollen. So selbstverständ- 
lich ihr Vorhandensein in den Ländern mit alter Kultur 
ist, 80 sehr werden sie in den neuen Ansiedlungen, 
die meist durch Separation und inconstancy der Arbeit 

1 The hringiag together of lEorkmen and inducmg tkem to 
Citopenile, ü a combination of labour. 

View on the ut. p. 167. 



sdbvGoOgIc 



— 33 — 

geliennzeichnet sind, vennisst,' nnd es ist die Pflicht 
der Regierung, tier Wandel zu schaffen. 

Wie kann dies ober geschehen ? Die K r o n - 
läDdei'eien geben ELÜein die Möglichkeit zur Lösung 
der schwierigen Aufgabe an die Hand: ioder zweekmfla- 
sigen VeräusseiTing des Grund nnd Bodens in der Kolonie 
besteht d-s ganze Geheimnis. An die Stelle der »/ree- 
Uraii/s' und aller Spielarten derselben hat der bedin- 
gungslose Verkauf gegen Bar zu treten und zwar in 
grossen Komplexen und zu einem Preise, der es den 
einwandernden Arbeitern unmöglich macht, sogleich 
Gmndbesitz zu erwerben, und sie zwingt, sich zunächst 
eine Eeihe von Jahren um Lohn zu verdingen, wo- 
durch sie ausserdem noch in den Gelegenheit erhalten, 
sich Keuntniase ijuf dem Gebiet der Landwirtschaft 
zu erwerben, die ihnen für die Zukunft nur von Vor 
teil sein können. Dieses System hiit den weiteren 
Vorzug, doss es nnch Mittel gewährt, die andere 
Schwierigkeit zu beseitigen, die der Bildung eines 
Lohnarb ei terstnnd es in der Kolonie im Wege steht. 
Der Erlös nämlich, der aus dem Verkauf der croum 
lanth erzielt wird, ist zur Deckung der TJeberfuhrts- 
küsten für unbemittelte Arbeiter des Mutterlandes zu 
verwenden. 

Dies sind die Grundgedanken des Wakefieldschen 
ProgTiimme. Um sie gruppieren sich eine Reihe von 
weiteren Vorschlägen, die auf die Auswahl der so auf 
öffentliche Kosten zu transportierenden Auswanderer 
und ähnliche Dinge, die mit der Landverteilungspolitik 
in keinem uumittelbaren Zusammeohang stehen, Bezug 
haben und deshalb hier übergangen werden dürfen.* 

Es ist nicht gerade leicht, den Kern der Theorieen 

1 a. B. 0. p. 17» ff. 

* Vgl. Rathgen, a. a. 0. 1. Kapitel aod an anderen Stellen. 



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34 



des Klolomalpolitikers herauszoschälen. Die Abatrak- 
tionen, in denen er aicli g;efallt, verhüllen nicht selten 
das Wesentliche seiner Lehre. Gr ist zu sehr ein Kind 
seiner Zeit, er steht zu sehr unter dem Einfluss der 
Methode der orthodoxen britischen Nationalökonomik, 
als dfiBS er nicht {gleich ihr in den Fehler des Ab- 
. strahierens und Creneralisierens verfiele. Dieser Fehler, 
schon an und für sich verhängnisvoll genug, wiegt bei 
Wakefield um so schwerer, als dieser sich verleiten 
iässt, einer solchen haltlosen Abstraktion die klare 
Durchführnng seiner Grundidee zu opfern. £& ist sein 
Theorem vom »sufßcient prize^, das er geradezu zum 
Dogma erhebt, und dem er eine höhere Bedentnng 
beimisst als den Sätzen seines eigentlichen Systems. 
Man ist längst über die Forderung des tsufficient prize*, 
deren Erfüllung in der Praxis er als die conditio sine 
qua non bezeichnet, zur Tagesordonng überg^angen, 
und es hiesse offene Thüren einrennen, wollte man 
noch einmal ihre Unhaltbarkeit anaführlich nRchneisen. 
Es giebt, so führt Wakefield ans, für eine Kolonie 
nur einen einzigen Landpreis. Dieser Einheitspreis 
hat die . Eigenschaft, dass er zwischen dem Boden und 
denen, die ihn bebauen, das richtige Verhaltais herstellt, 
das in Ländern mit alter Knltnr durch einen 0eber- 
fluss an Arbeitskräften, in neuen Ländern durch einen 
Ueberfluss an im Privatbesitz befindlichen Grund und 
Boden gestört wird. Knr derjenige Preis, der so die 
Funktionen eines Kegnlators erfüllt, ist der richtige, 
alle anderen, auf welchem Wege sie auch immer ge- 
fniden sind , müssen als unbrauchbar, y'msafficientt 
bezeichnet werden. Jener ideale Zustand, in dem für 
jedes Stück Land die entsprechende Anzahl von Ar- 
beitern vorhanden ist, wird — immer nach der An- 
sieht Wakefields — erreicht, wenn der Preis des Bodens 
in der Höhe steht, dass der Einwanderer eine be- 



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stimmte Anzahl von Jahren um Lohn arbeiten muss, 
ehe er Eigentümer werden kann, tind dasa der nach 
Ablauf dieser Zeit aas dem Landverkauf erzielte Er- 
lös gerade genügt, um die wieder notwendig' gewor- 
denen Arbeitskräfte in entsprechender Menge aus dem 
Mutterlande in die Kolonie transportieren zu können. 
Zwei wichtige Konsequenzen ergeben sich aus der 
Idee des sufficient prize. Einmal kann das Land 
in allen Fällen nur gegen eine bestimmte, sich gleich 
bleibende Snmme veränssert werden, es ist also vor 
allem die Versteigerung des Bodens zu verwerfen. 
Femer muss Sas Kaufgeld in seiner Gesamtheit auf 
den Trunsport von Arbeitern verwendet werden, nicht 
die geringste Summe ist anderen kolonialen Zwecken 
zu widmen, wenn nicht die Relation gestört werden 
soll. 

Man muss Hübbe-Schleiden Recht geben, der es 
als auffallend bezeichnet, sdass so klar denkende 
Männer des praktischen Lebens wie Wakefield nnd 
Torrens von einem so wertlosen Hirngespinste, wie diese 
siifßcient ^me- Theorie, so vollständig eingenommen 
und auf so ungangbare Abwege geführt werden konnten. * 
Das Vermessene nnd Widersinnige des Versuches, den 
Landpreis auf dem Wege obrigkeitlicher Taxe ohne 
jede Rücksicht auf irgend welche Kombination und 
Konjnnktnr sowohl, wie auf die Verschiedenheit in der 
BonitütdesBodens festzusetzen, liegt so klar auf derHand, 
dass ihn schon in jener Zeit Männer, die wie z. B. 
der Oxforder Professor Merivale, im übrigen die neue Be- 
wegung mit Freuden begrüssten, auf das entschiedenste 
zurückgewiesen haben. ^ Nur in dem Kopfe eines reinen 
Theoretikers könnt« die Idee entstehen, dass es ein 

> Hahbe- Schieiden. Ueberseeische Folitik. II. 33. 
• Herrn. Merivale, Leciuree ob ooloDisation and ooloniea. 
U. ß2 ff. 



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36 



bestimmtes TerhältniB gebe zwischen dem Boden tini] 
den auf ibo zu verwendeudeii Arbeitskräften, dass ein 
Stück Land zur rationellen Bewirtschaftung eine ge- 
wisse Anzahl von Arbeitern erheische, über die nicht 
hinangegangen werden dürfe. Wnkefield selbst ist 
nicht imstande, für eine Kolonie den Normalpreis an- 
zugeben. Er versucht« es zwar, seinen Lesern die 
Kalkulationen darzulegen, auf Orund deren man ihn 
finden könne, aber bald verzweifelt er selbst an der 
Möglichkeit, auf diese Weise ans Ziel zu gelangen und 
mit einer gewissen Besignation verweist er die Re- 
gierung auf den W^ des Experimentes. Sie soll einen 
beliebigen Preis festsetzen und diesen dann solange 
verändern, bis der Erfolg zeige, dass die goldene Mitte 
erreicht sei, die aber Mr. George Poulett Scrope vor 
dem bereits erwähnten Unterhaus-Komitee von I83G 
für ebenso unerreichbar erklärt als das 'o xni-ii' und 
iri ÜQiojov der altgriechische D Ethiker. 

Die gegen Wakefield gerichtete Kritik ist vielfach 
zu einem schiefen Resultat gekommen, da sie — aller- 
dings durch ihn selbst dazu verführt — die Theorie 
vom sufficient price als den eigentlichen Kern seiner 
Lehre ansah. Zumal in jener Zeit, als die Ideen des 
Kolonial Politikers einen weitgehenden ^infloss auf die 
Massnahmen der englischen Regierung ausübten, und 
der Bodenpteis für Australien immer höher gesciraubt 
wtxrde, wandte sich die Opposition erbittert gegen seine 
Freislehre und verdammte mit ihr in Bausch und Bogen 
das ganze System Wakefields : die Leidenschaftlichkeit, 
mit der, wie wir noch sehen werden, damals die öffent- 
liche Diskussion geführt wurde, tmbte den Blick und 
machte eine gerechte Würdigung des kolonial politischen 
Programms unmöglich. Doch auch, wenn man un- 
befangen und ohne ii^endwelehe persönlichen Inter- 
essen die Leitsätze der von Wakefield und der Coloni- 



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— 37 — 

saäon Soci^y befürworteten Politik ins Auge fasst, 
mass man zn dem Schlüsse kommeD, dasB sie weder 
anf Nen-Süd-Wales noch auf irgend eine andere Kolonie 
mit ähnlichen Gnmdbedingimgen anzuwenden sind. 

Die ganze Lehre stellt sich dar als eine grosse 
Verallgemeinerung einer nur für ein beschränktes Ge- 
biet gültigen Voraussetzung. Der prinzipielle Fehler 
ist der, dass sie zwei verschiedene Brscheinmigsformen 
der überseeischen Politik nicht scharf von einander 
scheidet. Ee sind dies annähernd dieselben, die Hübbe^ 
Schieiden mit »Knitivation« und »Kolonisation im 
eigentlichen Sinne' bezeichnet. Am besten charak- 
terisiert sie wohl der Geograph Eatzel,^ indem er 
ihre Beziehungen zum Boden des Koloniallandes in 
den Vordergrund stellt. Beide haben im Gegensatz 
zn den nur auf Eroberungen gerichteten Unterneh- 
mungen ein wirtschaftliches Interesse an dem 
Landerwerb. Der Unterschied ist jedoch der, daas die 
Kultivation den Boden nur lals Mittel zum Gewinn« 
betrachtet, wührend der eigentlichen Kolonisation das 
Eigentum am Lande Selbstzweck ist. Jene will den 
Gmad und Boden kapitalistisch ausnutzen, sie will die 
Früchte geniessen, ohne dass es ihr dabei um ein 
Eigentumsrecht zu thun wäre, diese b^^hrt ein Gebiet, 
am die überschüssige Bevölkerung der Länder mit alter 
Kultur darauf ansiedeln zu können, um den Land- 
hunger der ärmeren Klassen, der in Europa nicht mehr 
befriedigt werden kann, im Neiiland zu stillen, Plan-' 
tagen- oder Pflanznngskolonien sind das Streben der 
einen, Besiedelnngs- oder Ackerbaukolonjeen vrill die 
andere schaffen. 

Die Prämisse, anf der Wakefield baut, stellt sich 
demnach als verfehlt heraus. Kur hei einem Teile der' 



', FrUdr. Ratxtl, Politische Oeographie. p, 1S8. 



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überseeischen BeBitzan^n iet die kapitalistiscbe Nutz- 
barmachuQg der Eodenkräfte, die er als das Ziel aller 
Koloniolpolitik hinstellt, Endzweck, und nur für die 
Plantagenkolonieen ist demnach auch ein Arbeiterstand 
Ton Tomherein erforderlich. Doch auch fiir sie ist die 
künsüiche Beschaffung eines solchen ein Uadii^. Der 
Natur der Sache nach befinden sie sich in den weitaas 
meisten Fällen in tropischen Klimaten, wo der Boden 
einen reicheren Ertrag verspricht. Dort sind die Lebens- 
bedingungen für den eoropftischen Arbeiter nicht vor- 
handen und nnch Abschaffung der Negersklaverei bleibt 
dem Pflanzer nichts anderes übrig, als entweder die 
Eingeborenen zur Arbeit heranzuziehen oder aber Kulis 
in seinen Dienst zu nehmen. So ist es denn auch zu 
erklären, daas die Sltdstasten der nordamerikanischen 
Union am längsten und zähesten an der Sklavenwirt- 
Bchaft festhielten. Die dortige Pflanzeraristofcratie 
glaubte ihrer nicht entraten zu können, wenn das 
Land ihnen nach wie vor seine reichen Zinsen tr^en 
sollte. 

Die kapitalistische Form der Kolonisation mag 
ihre Berechtigung haben, sie muss sich jedoch meiner 
Ansicht nach auf solche Gebiete beschränken, die eine 
Besiedelnng nicht zalagsen. Niemals darf sie im Vor- 
dergrund der Eolonialpolitik eines Landes stehen, nie 
und nimmer darf der Versuch gemacht werden, die 
kleinbäuerliche Ansiedelung zu ihren Gunsten zurncb- 
zudrängen. Einen derartigen Versuch stellt aber das 
Wakefieldsche System dar. Es will durch künstlich 
erhöhte Landpreise die ärmeren Klassen an der Nieder- 
lassung hindern, es will auch in Territorien, die 
für A ckerbankolonieen günstig sind, das Grosskapital 
dadurch bevorzogen, iaaa es ihm einen Arbeiterstand 
zur Verfügung stellt. Ans diesem Önmde ist seine 
Durcbfijhrung zu bekämpfen. Die Frage ist ferner die. 



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ob sich das von Wakefield erstrebte Ziel überhaapt 
attf dem geplanten Wege erreichen Hess. Es li^ auf 
der Hand, dass es ein grosser Irrtnin war, wenn er 
glaubte, dass supply of labottr allein genüge, mn 
Kapital in ein Land za ziehen. Wie viel Erwägiingen, 
die vor einer Kapitalinvestieruag angestellt werden, 
Hess er dabei ausser Acbtl Die Kombinationen des 
Weltmarkts, die Oute des Bodens und eine Beibe 
von anderen Faktoren, nicht zmn wenigsten auch die 
Mode, sind dabei mindestens in gleichem Masse ans- 
sohl^gebend als das Vorbandensein ansreicbender Ar- 
beitskräfte. Anderseits aber war es eine ebenso trü- 
gerische Hofifnung, da^s das voTges<^lagene System 
thatsächlich eine genügende Anzahl von Arbeitern für 
die Kolonie sichern werde. Die vielgepriesene com- 
hinaiion of labour ist nicht imstande, ein überseeisches 
Gebiet für den enropäischen Auswanderer, der keinen 
Kapitalbesitz bat, zn einem Eldorado zu machen, und 
ancb eine kostenlose Ueberfabrt wird ihn nur in den 
seltensten Fällen beatimmen, die Heimat zu verlassen, 
wenn ihn drubflu nichts anderes erwartet, als die Not- 
wendigkeit, für eine geraume Zeit um Lohn zu arbeiten. 
Um sft weniger wird er in eine solche Kolonie seine 
Schritte lenken, wenn ihm in anderen Teilen der 
Erde Golegenbeit geboten ist, seinen Landhunger, 
seinen Wunscb nach Selbständigkeit auf der eigenen 
Scholle besser zu befriedigen.^ Diejenigen, anf die der 
freie Transport eine Anziebungskraft atiszuüben im- 
stande ist, werden in erster Linie henmtei^konunene 
Existenzen sein, die nach diesem letzten üettnugsseüe 
greifen, Individuen, denen es nicht darum zu tbun ist, 



' 'Nicht der hoho Lohn, oioht der Mehrverdienst iet es, 
dsm die AuswuDdeier naohiagen, . . . vielmehr eretrebea sie clea 
Enrerb einer eigenen Scholle, einer eigenen Heimat im enteren 
SiDDO des Wortes', citiert bei Adolf Buchenberger, Agrarwesei) 
und Agarpolitik, Bd. I. JiOipEis ISVi. p. S97. 



bigilizedby Google. 



— 40 — 

durch eigene Arbeit ihr Brot zu verdienen, and die 
daher zamal für eine junge Kolonie eine Last and 
eine Gefahr bilden müaaen. Ea soll nicht behauptet 
werden, dass sich ausschliesslich solche ESemente 
nnter den erwähnten Bedingungen der Kolonie zt^wendeo, 
aber die Zahl der übrigen wird gering sein und nie- 
mals genügen, um den notwendigen Arbeiterstand zu 
bilden. Noch ein weiteres Moment zieht WsbeGeld 
nicht in den Kreis seiner Berechnung. Wenn auch 
Ton Seiten der Behörde Land nur in grossen Arealen 
vergeben wird, so wird um so schneller die Boden- 
spekulation hervortreten. Einzelne Kapitalisten werden 
Luid aufkaufen .nnd dies dann in kleineren Parzellen 
eventuell gegen Kredit an die Einwanderer veräussem. 
Das Landjobbertam, gegen das Wakefield durch sein 
System angehen zu können glaubte, wfirde so nur neue 
Nahrung erhalten. 

Für die junge Besiedelungskolonie ist demgeniBas 
die Forderung der wirtschaftlichen Konzentration, wie 
sie der britische Kolonialpolitiker und seine Schule 
aufstellt, zu verwerfen. Es wird für jede Kolonie, 
wenn sie auf einer höheren Stufe der Entwickelunfj^ 
angelangt ist, ein Zeitpunkt kommen, wo eine solche 
am Platze ist, aber auch dann kann sie nicht durch 
überhohe Landpreise und systematische Ausschliessung 
der ärmeren Ansiedler vom Boden verwirklicht werden. 
Ganz andere Mittel, die ich hier nur andeuten möchte, 
wie Anlage von Markten, Verbesserung derVerkehrs- und 
Transportverhältnisse sind dann die einzig zweckent- 
sprechenden^ ; hohe Bodenpreise sind nur ein Symptom, 
nicht aber die Ursache der wirtschaftlichen Blüte. 

So müssen wir also die >syBtematische Eolonisattonc 
Wakefields und seiner Anhäoger als ein nicht be- 



' cf. Eübbe-Schleideii, i. a. 0. p. 89 ff. 



sdbvGoOgIc 



_ 41 ~ 

reclitigtes Postulat, das auf einer Reihe von fulschen 
Voranssetznngen und Tnigschlüasen basiert, bezeichnen. 
Und doch hat sich der grosse Theoretiker und die 
Colonisation society, derea Spiritus redor er war, eine 
iteihe von nicht za unterschätzenden Verdiensten nm 
die KoloDisatioDSpolitik erworben. Zunächst hat er es 
durch seine Schriften und seine Propaganda verstanden, 
in Enghind das Interesse an den überseeischen Be- 
sitzungen in hohem Girade zu beleben und es in weitere 
Schichten zu tra|;en. Seine Werke haben den Anstoss 
zu einer (rnchtbaren Diskussion über die grundlegenden 
Fragen der Kolon isationspolitik gegeben. Seine epoche- 
machende Bedeutung besteht jedoch darin, dass er die 
Wichtigkeit des Bodens als eines der Hauptfaktoren für die 
koloniale EatwickeluDgerkauute, und daas er derjenige 
war, der zuerst dieser ErkeuHtnis den beredtesten Aus- 
druck verlieh. 

Mi^ die Theorie, die er hierauf aufgebaut hat, 
immerhin eine unhaltbare sein, soviel steht fest, dass 
es ihm zunächst zu verdanken war, wenn die englische 
Regierung zur Besinnung kam und sich endlich bewnsst 
wurde, in welch unverantwortlicher Weise sie bis dahin 
eins der wesentlichsten Instrumente der überseeischen 
Politik vernachlässigt hatte. Als ein weiteres Verdienst 
Wakefields iührt man wohl noch an, dass er den An- 
stoss zur Abschaffung des Deportationswesens in Neu- 
Süd-Wales gegeben habe. Nun müssen wir zwar be- 
merken, dass er in seiner Abneigung gegen die »convict 
laiourt und in der Furcht vor ihrem schädlichen Ein- 
fluss zu weit ging, dass sein Urteil über die Deportierten, 
die doch wie wir sahen, den Grund zu der weiteren 
Entfaltung der australischen Kolonieen legten, ein un- 
gerechtes war, aber die Deportation hatte nur eine 
relative Berechtigung, und dass sie nicht zu einer 
dauernden Institution wurde, die den wirtschaftlichea 



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— 42 — 

Fortschritt AtiBtraliens hemmen konnte, mag ihm 
immerhiD zam Yerdienat angerechnet werden.' 

Wenn es erlaabt ist, Kleines mit Grossem zu ver- 
gleichen, Bo möchte ich Wakefield wobl Adam Smith 
an die Seite stellen. Was dieser aof dem Gebiete der 
politischen Oekonomie Uberbaupt, das ist jener bis zn 
einem gewissen Grade auf dem der Kolonialpolitik im 
besonderen. Wie die Ideen des Altmeisters der 
Nationalökonomik, wenn sie auch noch so sehr anter 
der Einseitigkeit der «Klassizität*: leiden, epoche- 
machende gewesen sind nnd für die Entwickelung der 
ganzen Lehre ihre nnvergängUcbe Bedeutung haben, 
so stellen auch die Sätze Wakefields, die im einzelnen 
noch so verfehlt sein mögen, einen Markstein in dem 
Werdegang der Eolonisationstheorie dar, so haben 
auch sie einen Grmnd gelogt, auf dem die folgende 
Generation weiterbanen konnte. 



> etDilke, Probleme of GreatDrBriUin, Bü, I, TiondoD 1890. 
p. 378. 



sdbvGoOgle 



Drittes Kapitel. 



Die Erfolge der EoloDisationagesellschaft. 

Die Regulationen des Lord Ripon, 

die KommiBSioniTerhandltmgen über die Landtage 

nnd das Gesetz von 1842. 



Kehren wir zur Kolouiälpolitik der englischen Re- 
gierung zurück. Schon kurze Zeit nach dem Bekannt- 
werden ihrer Bestrebungen sollte die Kolonisationsgesell- 
schaft die Genugthuung erfahren, dasssich ein Umschwung 
in der von ihr gewünschten Richtung geltend machte. Im 
Jahre 1831 erliess der Staatssekretär für die Knlonieen, 
Lord Ripon, ein Regulativ, das für die wichtigsten 
überseeischen Besitzungen den Land verkauf einführte 
und mit allen bis dahin in Kraft gewesenen Verord- 
nungen, die sich auf die VerftnsseruDg der Kton- 
ländereien bezogen, aufräutnte. Alles Land soU zu- 
nächst genau vermesBen werden. Der Gouverneur stellt 
dann gewisse Landstriche, die er öffentlich zu bezeichnen 
hat, zum Verkauf. Nach Ablauf einer bestinunten 
Frist werden diese dann in Blocks von mindestens 
640 acres an den Meistbietenden versteigert wobei 
jedoch fünf SchiUiug pro acre als Mindestgebot fest- 
gesetzt ist. Der Käufer erhält das Land »in free and 
common socaget, d. h. als freies Eigentum und wird 
nur mit einer st^nannten Pfefferkorn-Rente belastet. 
Die Regierung behält sich eine Reihe von Reserrat- 



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— 44 — 

rechten über die bo veräuaserten Ländereien vor. Sie 
darf in üSeutlichem Interesse Wege and Brücken banen, 
und sich das hierzu notwendige Material an Ort und 
Stelle beschaffen, vor allem aber bleibt der Bergbau 
auf Edelmetall und Kohle Begal. Blocks, auf die bei 
der Auktion nicht geboten wurde, können unter der 
Hand zu dem Minimalpreise von fünf Schilling pro 
acre veränssert werden. Ein TTnterachied zwischen 
städtischen und ländlichen Grundstücken wird vor- 
läufig noch nicht gemacht, erst das Jahr 1833 bringt 
einige hierauf bezüglichen BestimmuDgen. Die Ver- 
fügung des Lord Bipon stellt femer den Grundsatz 
auf, daas der Erlös aus dem Landverkauf wenigstens 
zum Teil auf den Transport von Auswanderern ver- 
wendet werden soll, ohne dass allerdings dieses Prinzip 
fürs erste streng durchgeführt wurde. Als Termin für 
das Inkrafttreten der neuen Verordnungen war der 
1. August 1831 voi^psehen, doch man war liberal 
genug, eine Ausnahme von der allgemeinen Kt^el zu- 
zulassen, die darin bestand, dass solchen Leuten, die 
das Mutterland zu einer Zeit verlassen hatten, als noch 
die alten Regulative in Geltung waren, oder die aus- 
gewandert waren, ohne von der Aenderung der Be- 
stimmungen in Kenntnis gesetzt zn sein, Land noch 
unter den früheren Bedingangen, also meist auf dem 
Wege kostenloser üeberweisung gewährt wurde. Noch 
inmier aber suchte die britische Regierung sich der 
Kosten für die Sträflinge zu entledigen, indem den- 
jenigen das Kaufgeld für das Land zurückerstattet 
werden sollte, die zehn Jahre lang Deportierte be- 
schäftigt und unterhalten, und dabei eine Summe auf- 
gewendet hätten, die mindestens dem zehnfinchen Be-- 
trage des Kaufpreises entspreche. 

So bemerkenswert nun auch diese Wandlung in 
der Landverteilungspolitik an sich ist, so mnss man 



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— 45 — 

doch immer bedenken, dass sich die Begulationen dea 
Lord Bipon einzig und allein ^af dessen Aatorität als 
Staatssekretär stützten, dass sie nicht anf dem Weg;e 
der Greset^ebong entstanden ^'aren nnd demnach das 
Parlament nicht hinter sich hatten. Lord Ripon hatte 
sie geschaffen, nnd spioen Naclffolgem, die im schnellen 
Wechsel einander ablösten, v^e es unbenommen ge- 
wesen, kraft derselben Amtsbefugnis die Anordnangen 
ihres Vorgängers umzastossen und ganz entgegengesetzte 
an ihrer Stelle zu erlassen. Es war ein Glück znmal 
für Neu-Siid-Wales, dass sie das nicht thaten, dass sie 
nicht wieder jene nngewissen und zerfahrenen Verhält- 
nisse der zwanziger Jahre heranf beschworen, ein Glück, 
anch wenn wir die Neuregelung vor allem deswegen 
nicht als vollkommen ansehen können, weil das Mindest- 
areal Ton 640 acres zu umfangreich für den Einwanderer 
mit wenig Betriebskapital war. Dass die Slaatesekretäre 
für die Kolonieen der von Lord Ripon eingeschlagenen 
Politik treu blieben, ist sicherlich der wachsenden Be- 
deutung Wakefieldsund der EoloDisations-Gesellschaft zu 
verdanken, jedoch man geht wohl fehl, wenn man glaubt, 
dasfl ersteret bei dem Erlass vom Jahre 1831 persönlich die 
Hand im Spiele gehabt habe. Weit eher ist anzunehmen^ 
dass ein anderes hervorragendes MitgUed der Gesellsehaft, 
nämlich Roh. Torrens, bei den Regulationen Pathe ge- 
standen hat. Schon einige Jahre vorher hatte Torrens 
im Parlamente die Angel^euheit zur Sprache gebracht; 
er hatte bei der Diskussion über die von Sir Rob. 
Wilmot Harten beantragte Einsetzung eines Committee 
on Emigration die Aufmerksamkeit auf die gewaltigen 
Einkünfte gelenkt, die die Vereinigten Staaten durch 
den Landverkauf erzielten, und in Anregung gebracht, 
dass England in seinen £olonieeü ebenfalls das Prinzip 
des Verkanfs der Kronländereien anwenden solle, um 
Gelder für einen eniigration ßiud zu beschaffen. Man 



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■— in ~ 

scheint damals auf die Sache nicht näher eingegangen 
zn sein, bis Lord Huskisson als Kolonialataatssekretär 
im Jahre 1828 den Plan wieder aufnahm, wobei er 
sieh allerdings nur von finanziellen Erwä^ngen leiten 
liess, ohne die von Torrene vorgeschlagene Verwendung 
des Erlöses zu berücksichtigen. Das Projekt, das be- 
reits die BilligUEg des Lord Schatzmeisters gefunden 
hatte, blieb jedoch infolge des Rücktritts Hu^kissons 
unaosgeftihrt. 

Dass Lord ßipon die Idee zum mindesten im Ein- 
verständnis mit Torrens wieder aufnahm, lä^st sich 
auch schon deswegen vermuten, weil die Regulative 
in der Folge von diesem durchaus nicht die abfallige 
Kritik erfuhren, die ihnen sein Freund Wakefield zu 
Teil werden Hess. Wakefield verwahrt sich ganz ent- 
schieden dagegen, dass es seine Grundsätze seien, die 
hier ihre Anwendung gefunden, ja er geht sogar soweit, 
die Verordnungen als einen Rückschritt zu bezeichnen, 
da der Landerwerb gegen früher noch erleichtert sei, 
wie er auf Grund einer ausserordentlich künstlichen 
Schlussfolgerung nachzuweisen sucht. ^ Sie gründeten 
sich, so sagte er, auf einen Satz, der aus dem Zusammen- 
hang seines Systems gerissen sei, und erlussen ohne Zweck 
und Ziel stellten sie nur einen auf gut Glück unter, 
nommenen Versuch dar,^ dessen unvermeidlich üble 
Wirkungen geeignet seien, seine Theorie in Misskredit 
zu bringen. Diese Abneigung Wakefields ist ans ver- 
ständlich, wenn wir bedenken, dass einmal auf seinen 
sufficient price keine Rücksicht genommen war, und so- 
dann auch das von ibm so streng verurteilte Depor- 
tationswesen noch immer nicht beseitigt werden sollte. — 



' Beport from 1836. qa. 731 a 783. 

' Wilboat aay definite objecl, witliout haviog ao; view 
■ny stead; purposed aod defioed oSject, that t!ie; have beea 
framed bj* a eoit of baphazard, a Borl of cbance. qn. 601. 



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47 



Es darfte schwer fallen, die thntslichlichet) Wir- 
kuDgea der neuen Politik zn beurteilen. Allerdings 
Btehen Zahlen zur Verfügung, die eine Zunahme der 
Einwanderer, eine stetig steigejide Ziffer der veräusserten 
Landlose, überhaupt einen wirtschaftlichen Fortachritt 
der Kulonie erkennen lassen, aber es wird kaum zii 
ermitteln sein, welchen Anteil an dieser Entwickelnng; 
die Landgesetzgebung hitt; feststellen lässt sich nur, 
dass trotz des Yerkstufsprinzips kein Rückgang* in 
der VeräuBserung der Eronländereieu zu verzeichnen 
war. Die kleinbäuerliche Besiedelung war jedoch, wie 
bereits angedeutet, sehr erschwert; man muss bedenken, 
dass zum Ankauf des kleinsten Komplexes ein Kapital 
von allermindestens 640x5 Schilling = 85 £ gehörte, 
das den meisten wohl nicht zu Gebote stand. Der 
Ankümmling war also schon gezwungen, sich als Lohn- 
arbeiter das Kaufgeld zu verdienen. Wie weit daneben 
allerdings der private Handel mit Grundstuck'-n in 
Betracht kam, entzieht sich unserer Kenntnis. Sicher- 
lich trug der Umstand, dass Land nur in so umiung- 
reiehen Blocks zum Verkauf gestellt wurde, daüu bei, 
daas die Zahl der englischen Auswanderer nach Au- 
stralien im Vei^leicb zu denen nach anderen Ländern 
eine so verschwindend geringe blieb.* 



i El vanderleo aas: cf. Bathgm, e. ». 0. 


P- 


204. 


Jahr 


N«h den 


Nach Britfsch Nord- 
Arn wlktt 




1831 


28 418 


58 067 




1S61 


183a 


82 87a 


66 38» 




8 788 


1883 


39 100 


28 808 




iOti» 


1834 


88 074 


40 060 




aeoo 


1886 


3«7ao 


16 678 




1860 


1836 


37 774 


04 aas 




8 124 


1837 


86 770 


20 884 




5064 


1888 


14 333 


4 577 




U021 


£b 




Angaben 


selbst in den vers 


cbiedeoeii BlaobUch 


ra 


häufig uiQbt 



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Die Colonisntion Society, der die Regnlationen 
des Lord Ripon nicht genügten, strebte nach weiteren 
Brfolget). Der gröaate, den sie nach angestrengten 
Bemähnngen erreichte, war die Genehmjgang zcr 
Kolonisation von Süd - Australien nach ihren Qrand- 
satzen. Sie berahigte sich jedoch dabei nicht, sondern 
bot alles auf, um auch in den übrigen Kolonieen ihre 
Ideen verwirklicht zu sehen. Dass sie dabei in erster 
Reihe ihr Augenmerk auf Neu- Süd -Wales richtete, 
hatte den Grund, dass sie es für im Interesse Süd- 
Australiens liegend hielt, dass nicht in unmittelbarer 
Nähe dieser neuen Ansiedlung, in der der Laudpreis 
gleich anfangs auf 1 £, pro acre festgesetzt war, Grund 
und Boden billiger reräussert werde. 

Es gelang ihr durchzusetzen, dass im Jahre 1836 
die bereits mehrfach erwähnte Kommission des 
Unterhauses eingesetzt wurde zur Untersuchung der 
verschiedenen Wege, die bei der Verteilang des Landes 
in den britischen Kolonieen bisher eiogeachh^n worden 
seien, und zur AufsteUut)g von Grundsätzen, die die 
R^ernng in Zukunft beobachten aolle. Die Verhand- 
lungen dieses Komitees, das unter dem Vorsitze Mr. 
Wards im Juni und Juli de^ genannten Jahres tagte, 
bedeuteten einen Triumpf für Wakefield und seine An- 
bänger. Nicht nur er selbst und sein eifriger Mit- 
arbeiter Bob. Torrens konnten hier ihren Standpunkt 
vertreten, sondern auch alle die anderen Mftnner, die 
ihre Ansicht vor dem Aussehuas niederlegten, zeigten 
sich fdst durchweg von den Lehren der systematischen 
Kolonisation durchdrungen. Sie alle verurteilten die 
unheilvollen free grants, aber während sie die Verord- 
nungen von 1831 mit Freuden als einen Schritt auf 



uoerlieblich von eioander abweichen. Die Ziffern haben daher 
in eister Ijinie nur Wert für den Vetgleich. of. auch Zimmermann, 
K<>lonialpolitik Gmubritanniens, U. Einleitung. 



sdbvGoOgIc 



dem Wege zn einer zweekdienlieheren Art der Land- 
veräuseefong begrüasen, benutzte Wakefield diese Ge- 
legenheit, um über das Begulativ die volle Scbale 
seines Zornes anszugiessen. Er ist so vollständig über- 
zeugt TOn der alleineeligma«henden Kraft seines Systems, 
von der allein günstigen Wirkung des sufßcient prize, 
daas er jeden Versuch, ohne denselben zum Ziele zu 
gelangen, zurückweist und als im höchsten Grade ver- 
derblich bezeichnet. Seine Forderungen: Verkauf zu 
festem Preise an Stelle der Auktion und Verwendung 
des gesamten Erlöses auf die Zwecke der Einwanderung, 
vertrat er mit aller Schärfe und liess keinerlei Zweifel 
an ihrer praktischen Durchführbarkeit gelten. Aner- 
kennenswerter und von grösserer praktischer Bedeutung 
als die Sätze seines Systems sind sicherlich verschiedene 
andere Postulate, die Wakefield vor dieser Kommission 
aufstellt. Vor allen Dingen verlangt er energisch eine 
gesetzliche Begelung der ganzen Angelegenheit. 
Verordnungen einzelner Staatssekretäre, die heute er- 
lassen und morgen wieder nmgestossen werden können, 
vermögen keine Sicherheit zu gewahren. Der Kolonist 
wartet ängstlichst bei jedem Wechsel der massgebenden 
Persönlichkeiten, ob der neue Mann in die Fassstapfen 
seines Vorgängers treten oder ob er ein anderes Pro- 
gramm befolgen wird. Dieser Ungewissheit, die einer 
regelmässigen Entwickelang der Kolonie im Wege 
steht, kann einzig nnd allein durch einen Akt der 
Gesetzgebung ein Ende gemacht werden. Das Parla- 
ment soll durch eine Akte das Prinzip des Verkaufs 
ein für alle Mal festlegen und so eine Garantie für 
seine Beibehaltung bieten. Das Umsetzen dieses Prin- 
zips in die Pitixis — beantragt Wakefield dann weiter 
— die Bestimmung des Preises im einzelnen soll das 
Parlament einer besonderen Behörde überlassen, die 
nur mit dieser Aufgabe betraut, dieselbe zweckent- 



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— 50 — 

aprecbender wird lösen können, ala daa viebeschtlftigie 
Unterhaus. 

Die Besolntionen, zu denen das Komitee gelangte, 
lassen sich kurz folgendermaasen zusammenfassen. Die 
Organisation des Landverkaufs in den Vereinigten 
Staaten von Amerika kann im allgemeinen für die 
britischen Kolonieen zum Vorbild dienen. Was das eng- 
lische Mutterland bisher auf dem Gebiete der kolonialen 
Bodenpolitik geleistet hat, ist so gut wie gamichts. Vor 
1831 herrschte eine schadenbringende Verwirrung auf 
diesem G-ebiete und auch die Begulationen des Lord 
Bipon sind von geringem Werte, da ihnen die gesetz- 
liche Unterlage fehlt. Daher ist auf eine baldige 
Begelung der Angelegenheit durch das Purlament zu 
dringen. Einen Minimalpreis für die einzelnen Kolonieen 
anzugeben, sieht sich die Kommission ausser Stande 
.und schlaf vor, zu diesem Zwecke einen Central Land 
Board mit dem Sitz in London zu schaffen, dem ausser- 
dem die Aufgabe zufalle, die Auswanderung zu regeln 
und den Strom der Auswanderer dorthin zu lenken. 
wo die Nachfrage nach Arbeitskräften om gröasten sei. 
Endlich sollen die gesamten Einkünfte aus den Laud- 
verkäuf»n zur Bildung eines emigration /und, aus dem 
die Ueberfahrtskosten für unbemittelte Arbeit r zu be- 
streiten seien, verwendet werden.^ Bemerkenswert für 
die Wandlung in der englischen Anschauung über Ko- 
lonialpolitik ist dann der letzte Passus. Hatte man sich 
in der Vergangenheit bei allen kolonialen Massnahmen 
nur von dem Nutzen für das Mutterland leiten lassen, 
so hatte jetzt allmählich — und wohl auch unter dem 
Einäuss der jüngsten Bewegung eine andere Auffassung 



• Dieser letzte 8atr wurde nur durch die den Auasohlag 
jjiebende Stiwuie dee Voreilzeaden zuoi Iteschluas erhoben; iu«n 
sieht, wie sicli die Mitglieder der Kommission doch scheuten. 
Wiikefield auf daa Gebiet der Spekulation lu foUen. 



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„ 51 — 

platzgegrifEen. Die Kommission schliesst ihren Report 
nftmlicli mit .dem Ansdrucb der Ueberzengnng, dass 
die Durchführung ihrer Vorschläge nicht nur im Inter- 
esse Altengläiids, sondern auch in dem der Kolonieen 
lie^e, Man gelangt also allmählich zu der Erkenntnis, 
dasa andere als privatwirtschaftliehe Gresichtsponkte alle 
Kolonialpolitik beherrschen müssen. 

Die Resolutionen fanden innerhalb und ausserhalb 
des Parlameuts lebhaften Widerball. »Systematische 
Kolonisation" wurde geradezu zum Losungswort. 
Männer mit wohlklingenden Namen, wie John Stuart 
Mill, Herrn. Merivale, Charles Bull er traten für sie 
ein, eine Reihe von Zeitschriften, wie der *Spectaioft 
und die ^Cohnial Gazettet sorgten für die weitere Ver- 
breitung der Ideen. Die Agitation für eine Erhöhung 
des Bodenpreises in Neu-Süd-Wales wurde eine immer 
lebhaftere. Wakefield seibat und auch einige andere 
liessen sich dabei sicherlich nicht TOn persönlichen 
Interessen leiten, aber viele von denen, die auf seiner 
Seite standen, befürworteten seine Theorie vom suffi- 
cient price nur mit ßücksicht auf ihren Geldbeutel. Es 
waren dies in erster Linie dieÄktionftre der So«/A.4Ms/foiiaM 
Company^ die einsahen, dass Süd-Australien sich nicht 
werde entwickeln können, solange Land in der Nach- 
barkolonie billiger zu haben sei. Unter dem 12. Okto- 
ber 1836 richtete der Vorsitzende der sndaustralischen 
Kolonisations - Gesellschaft, Oberst Torrens, ein 
Schreiben an den Staatssekretftr Lord Glenelg, in 
dem er ausfuhrt, dass die Summen, die man nnter 
gesetzlicher Sanktion in die neue Kolonie gesteckt habe, 
verloren gehen würden, wenn die Bodenpreise in der 
Nachbarschaft niedrigere seien, als diejenigen, die sie 
in Süd- Australien eingeführt hä'ten, und auf denen ihr 
ganzer Kolon isationsplan basiere. Dieser Brief und 
eine Reihe ähnlicher Eingaben, die eigentlich den besten 



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BeweiB bieten, dass die Anstellt WabeBelds, der genügend 
hohe Landpreia werde auf jeden Fall Arbeiter in die 
Kolonie ziehen, eine irrige ist, hatten Bchliesalich den 
Erfolg, dass im Jahre 1839 das Mindestgebnt auf 
12 Schilling erhöht wurde. Einige Zeit später setzte 
man für den südlichen Distrikt von Neu-Süd-Walea, 
das spätere Victoria, anch einen Einheitspreis von 1 £ 
pro acre fest, doch ging man 1842 auch hier wieder 
zum Änktionsrerkaiif über. 

Das Ton dem Komitee ausgesprochene Verlangen 
nach einem ständigen Änsschuss für Land- und Aus- 
wandemugsfragen wurde im Jahre 1840 durch Lord 
BuBsell verwirklicht. Bereits 1837 war Mr. R, P. 
Elliot als AuBwandenmgsa geilt seitens der Begiemng 
bestellt worden, daneben hatte für die Regelung der 
Landverkäufe ein Board of Colonisation Commissionei-s 
bestanden, bis dann beide Behörden verschmolzen 
wurden. Das neue Kollegium, in dem ausser Elliot 
noch Edw. Villiers und Roh. Torrens saascn, erhielt 
folgende Obliegenheiten : Einmal hat es den Land- 
verkauf in den Kolonieen zn regeln, sodann die Aus- 
wanderung zu überwachen, und endlich dem Kolonial- 
amte periodische Berichte über den Stand der einzelnen 
Kolonieen einzureichen und es in speziellen Fällen 
durch Gutachten und statistische Informationen zu 
unterstützen.^ In Bezug auf den ersten Punkt weichen 
jedoch die Instruktionen, die Lord Russell den Kom- 
misseren gab, erheblich von den Beschlüssen des 1836er 
ÄusBchusBes ab. Allerdings habe man — so führt der 
Staatssekretär aus — die Kronlandereien in den Ko- 
lonieen, nicht als ein Gut, das den jeweiligen Kolonisten 



^ Die jahrlicheo Berichte der >Coloniol Land and Emi- 
gration CommünoneTt'y bildea tUr die iiüciisle Zeit eine der 
hauptsächlichsten Quellen für die Kenntnis der aus tra lisch en 
Volkswirtschaft, 



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Ö3 



zu gate kommen müsse, sondern als ein Domaniam der 
BeTöIkemng des gesamten britischen Reiches anzusehen ; 
jedoch dürfe nun nicht der gesamte "BirlÖB ans den 
Laudverkäufen auf den Transport der Änswanderer 
verwendet werden. In erster Linie müssten ans diesem 
f'ond die notwendigen Auslagen für die betreffende 
Kolonie selbst bestritten werden, und nur der Rest 
■sei dem emigration /und zuzuführen. 

Haas Torrens in das Kollegium berufen wurde, liess 
erkennen, doss die R^ierang geneigt war, den An- 
hängern der Wakefieldscheu Lehre manche Koozessionen 
zu machen, wenn sie sich auch nicht bestimmen Hess, 
den Grundsatz des Einheitspreises allgemein zur Dorch- 
führung zu bringen. Den strengen Wakefieldiauem ge- 
nügte das natürlich nicht, wie ihnen denn auch die 
Kompetenzen der Kommission nicht weit genng gingen. 
Noch im Jahre 1849 bezeichnet Wakeäeld den Board als 
eine tmoekery*, ein Gespött; er hatte offenbar bei seineu 
Yorscblftgen eine Behörde im Sinne gehabt, die unab- 
hängig vom Kolonialamte seine Forderungen rücksichtslos 
hätte durchführen können. Und doch ist der Einfluss der 
drei Männer nicht gering anzuschlagen, wenn man be- 
denkt, dasB fast alles, was in der nächsten Zeit auf 
dem Gebiete der Auswanderungs- und IiandTerteilnngs- 
politik geschah, sich auf ihre Gutachten und Vorsehläge 
stützte. 

Die Kommissare gingen nun zunächst darauf aus, 
den Bodenpreis noch höher zu schrauben, Tor allen 
Dingen aber Hessen sie es sich angelegen sein, die 
gesetzliche Kegelung der Landirage möglichst zu be- 
schleunigen, und nicht zum wenigsten ihrem Drfti^en 
War es zu verdanken, dass im Jahre 1842 endlich die 
Imperial Crown Land Sales Act (5 and 6 Vict. 
cap. 36) erging. 

Dieses Gesetz bestimmte für alle australischen Ko- 



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- M - 

lonleen. (es waren das ausser Nen-Süd- Wales und Süd* 
Anstralien noch Van Diemens I^nd, Westanstralien 
und Neoseeland), dass dos Land einheitlich auf dem 
Wege der Auktion nnd zwar in Blocks von wenigstens 
einer Qnadratmeile Üm&ng bei einem Mindes^ebot 
von 1 £ pro aore veränssert werden solle. Das Land, 
woranf niemand bietet, soll unter der Hand zn dem 
festen Preis von 1 £ verkauft werden; vor der Ver- 
steigerung sind die Blocks genau zu vermessen und 
nur wenn ein Käufer einen Landstreifen von mindestens 
20 000 acres erwerben will, braucht er nicht auf die 
Vermessung zu warten und er geniesst ebenfalls den 
Vorzug, nur den Ansatzpreis zahlen zn müssen. Man 
glaubte, in absehbarer Zeit diesen noch weiter erhöhen 
zu können und bestimmte deswegen, dass der Gou- 
verneur, wenn er es für angebracht halte, aus eigener 
Machtvollkommenheit das Mindest^bot höher ansetzen 
dürfe vorbehaltlich der Zustimmung der heimatlichen 
Behörde. Unter keinen Umständen aber solle er 
unter 1 £ heruntergehen. Der Erlös soll zur Hälfte 
auf den Transport der Auswanderer verwendet werden, 
während der Best zur Verfügung der betreffenden Ko- 
lonie gestellt wird. 

So sehr man es in Neu-Sud-Wales, wie in An- 
strahen überhaupt mit Freuden begrüsste, dass endlich 
ein Gesetz an die Stelle der verschiedenen Verord- 
nungen der Staatssekretäre getreten war, so wenig war 
man von der Art und Weise, wie die Aufgabe gelöst 
war, be&iedigt. Nur ein kleiner Kreis stimmte der 
Land-Akte zu, während die meisten höchst unzufrieden 
waren. .Auf der einen Seite klagten die strengen Wake- 
fieldianer, dass noch immer nicht das errreicbt sei, 
was sie erstrebten, dass das Parlament noch immer 
nicht ihren fast mathematisch genan formulierten 
Forderungen gerecht geworden sei. Sie sahen in diesem 



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— 65 — 

Gesetz nur eine halbe Massr^fel, die eber schädlicli 
als nützlich wirken werde. Auf der anderen Seite aber 
erhob sich voller Entrostung der grösste Teil der Ko- 
lonisten und lief förmlich Sturm gegen die abermalige 
Erhöhung des Landpreises : Kein vemünftiger Mensch 
werde solch ungeheure Summen für Boden zahlen, 
der in den meisten FäUen nicht einmal die Hälfte 
wert sei. Es sei eine lächerliche Behauptung, dass 
durch diesen übertriebenen Preis Kapitalisten und 
Arbeitskräfte in die Kolonie gezogen würden, im Q^egen- 
teil werde man wohl vergeblich auf Einwanderer warten 
können. — : Die nächste Zukunft schien diesen Stimmen 
ßecht zu geben. 

Die Landverkäufe nalunen von Jahr zu Jahr ab, 
der Einwandererstrom wurde spärlicher. Doch nichts- 
destoweniger blieb die ganze auf Herabsetzung des 
Preises gerichtete Agitation erfolglos. Downing-street, 
immer anfs beste unterstützt von dem (Joloniäl Land 
and Emigraiion Board blieb standhaft und wies jeden 
Angriff ab. Auch der damalige Gouverneur von Nen- 
Süd'Wales, Sir George G-ipps, war ein entschiedener 
Anhänger Wakefieldscber Ideen und alle Anfragen 
seitens seiner vorgesetzten Behörde beantwortete er 
dabin, dass man den eingeschlt^enen Weg weiter ver^ 
folgen und vor allem an dem aufgestellten Landpreise 
festhalten möese. Um so weniger war man bereit, 
diesen wieder aufzugeben, als vor dem Erlass des Ge- 
setzes thatsfichlich noch bedeutend höhere Preise ensielt 
worden waren. Man erkannte nicht, dass die Ursache 
hierfür eine kolossale tTeberspekulation gewesen, die 
gegen Ende der dreissiger und Anfang der vierziger 
Jahre za Tage getreten war. Es hatte eine förmliche 
Landmanie geherrscht, und das Landjobbertum war 
üppig empor geblüht. Alle Klassen der Bevölkerung 
hatteD sich unterschiedslos in diesen Strudel gestürzt. 



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56 



Wie überall, so folgte aber auch hier ^r bald die 
Krisis. An die Stelle des scheinbaren Aufschwungs 
trat eine allgemeine wirtschaftliche Depression. — Eine 
Beihe von ungünstigen Momenten verschlimmerte nur 
noch den Ernst der Lage. So hatte eine eifrige 
Agitation, an der auch Wakeäeld beteiligt war, zu- 
stande gebracht, dass im Jahre 1840 der Transport 
von Sträflingen nach Neu-Süd-Wales ganz eingestellt 
wurde. Dieser Schritt war jedenfalls übereilt: die 
Arbeitskräfte, die den Kolonisten bis dahin zur Ver- 
fügung gestanden hatten, wurden ihnen geraubt, ohne 
da^s ihnen ein Ersatz dafür geboten werden konnte. 
Die Krisis wurde verschärft durch den plötzlichen 
Wegfall der grossen Subvention des englischen Fiskus 
für die Strafanstalten in Neu-Sud-Wales.^ Das Unglück 
wollte es, dass dafilnkrafttreten des Gesetzes betr. die Land- 
verkänfe gerade mit der beginnenden Krisis zusammenfiel. 
Die Folge war, dass die Kolonisten der Akte allein die 
Schuld an dem plötzlichen Rückgang gaben, den sie nur 
beschleunigt hatte. Eine Zeit lang wnsste die Begiernng 
des Mutterlandes sich nicht zu verteidigen, bald aber 
betonte sie, dass die Krisis nur ein notwendiger Bück- 
achlag gewesen sei und zahlte eine Anzahl von Ur- 
sachen anf, durch die sie hervorgerufen worden sei. 
Das erlassene Qesetz biete die einzige Möglichkeit, 
wieder eine r^j^elmOsaige Entwickeltmg herbeizuführen. 
An dieser Auffassung hielt das Kolonialamt, die Aus- 
wandemngsbehörde und der Gouverneor Gipps auch dann 
noch fest, als nach einer Beihe von Jahren die Zustande 
noch immer keine besseren geworden waren. Die An- 
wendung des Wakefieldschen Systems wirkte in Neu- 
Süd-Wales so wie es zu erwarten stand, und ein voll- 
ständiges Stocken der Einwanderung wäre wohl un- 



■ J^nkt, a. a. O. p. 67. 



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— 57 — 

Tenueidlich gewesen, wenn eich die Regierung nicht 
gewlBsermaseen selbst betrogen nnd darch die Sank- 
tionierang des Sqnattertums ein neues Thor geöffnet 
hätte. Eine andere Frage ist es, ob das Squattertum 
einen Ersatz für die kleinbäuerliche Änsiedlong bieten 
konnte, und ob es eine berechtigte Politik war, die 
grossen Herdenbesitzer zu begünstigen, während man 
das Land gegen die eigentliche Besiedelung geradezu 
systematisch verschlosa. 



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Viertes Kapitel. 

Du Squatterttun. 

Ein australischer Publizist, William Westgartli, 
erkennt in der Qeachichte dee Erdteils seit der ersten 
Einwandenmg drei grosse Perioden. Die erste sei ge- 
kennzeichnet durch das Deportationswesen, die zweite 
hätten die Interesseakämpfe der Herdenbesitzer aus- 
gefüllt, während endlich die dritte durch die Goldfande 
ihr Gepräge erbalte.' Im grossen und ganzen hat eine 
derartige Einteilung eine gewisse Berechtigung, wenn sich 
natürlich auch nicht überall bestimmten Daten nennen 
lassen, an denen die eine dieser Epochen aufhört und 
die andere anhebt. Das Jahr 1840 beendete die Trans- 
portation der Verbrecher nach Neu-Süd- Wales und um 
dieselbe Zeit begannen die »Squatterst mehr als bisher 
TOD sich reden zu machen: Wakefield hatte eine com- 
bination of labotir herbeiführen wollen, statt dessen ab«r 
trug die Anwendung seiner Grundsätze zum Erstarken 
einer Klasse von Kolonisten bei, deren Bestrebungen 
auf das Gegenteil gerichtet waren. Die Herdenbesitzer 



I William Wegigarth, The colony of Victoria. 1864, p. 132. 



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erlan^n eine Machtstellang, die ihnen einen beatini- 
menden Einfluae auf die Landgesetz^ebung während 
der nächstfolgentlen Jahrzehnte gewährte. 

Es ist notwendig, a.a dieser Stelle etwas zurück- 
zugreifen und kurz einen Blick auf die Entwickelung 
der australi sehen SchafzQchterei zu werfen.^ 

Die englische Regierung, die der jungen Kolonie 
so wenig Interesse entgegengebracht hatte, hatte nicht 
daran gedacht, den Deportierten oder auch den freien 
Answanderem Weidevieh mitzugeben. Sie war viel zu 
ungehalten über die Kosten, die ihr die Strafkolonie 
verureaehte, als dass sie auch noch für diesen Zweck 
Geld aufgewandt hätte. Es blieb daher privater Thätig- 
keit überlassen, den Urnnd zn der Entwickelnng des 
fOr Australien so wichtigen Produktionszweiges, der 
Viehzucht zu legen. Es war ein gewisser Macarthur , 
der im Jahre 1796 eine Denkschrift nach England 
sandte, deren Auäfiihningen darin gipfelten, dasa man 
denjenigen, die sich der Viehzucht zuwenden wollten, 
jedwede Unterstützung {evert/ encouragetmmf) solle zu- 
teil werden lasaen. Was er unter diesem >eneoarage- 
menU verstand, wird aus einem späteren Schreiben 
klar: man soll die Kronländereien »erscbliesaeo', d.h. 
jedem flerdenbeaitzer »a sufficierU track of unoccupied 
lands* gewähren. Macarthur unternahm sogar eine 
Keise nach London, um die massgebenden Kreise 
seinem Plane günstig zu stimmen und zugleich die 
Londoner Geldmänner für die Gründung einer Pastorcd 
Association zu gewinnen. Dieser Plan, der eine Zeit 
lang Aussicht auf Verwirklichung za haben schien, 
scheiterte schliesslich, wohl aber gelang es Macarthur, 
im allgemeinen das Interesse an der australischen 



sdbvGoOgIc 



ßl 



Schafzucht rege za machen und aucb durclizaseizen, 
daas man die Weisung an den derzeitigen Gouverneur 
ergehen lieas, *dass es vielleicht angebracht sei, dem 
Petenten einen entsprechenden Komplex bedingungs- 
weise zu überlassen«. Dabei solle sich die Regierung 
der Kolonie vorbehalten, dieses Land eventuell wieder 
einziehen und an seiner Stelle ein gleich grosses Ge- 
biet in grösserer Entfernung vom bebauten Lande an- 
weisen zu können. Wir sehen, man drückte sich 
ausserordentlich vorsichtig aus und war bestrebt, sich 
m<^lichst weitgehende Verfügungsfreiheit über das 
Land zu bewahren. In die Kolonie zurückgekehrt, 
erhielt Macarthnr nach langwierigen Verhandlungen 
mit dem Gouverneur, der der Sache wenig Verständnis 
entgegenbrachte, eiue Anweisung auf ca. 5000 acres 
am Nepan. Hiermit war der Grund zu einer für die 
Zukunft bedeutsamen Entwickelung gelegt. 

Die BodenbeschafEenheit verschiedener Distrikte 
gab Veranlassung, dass ein immer grösserer Kreis von 
Ansiedlem seine Aufmerksamkeit der Schafzacht zu- 
wandte, und die Behörde musste auf Mittel sinnen, 
das notwendige Weideland zur Verfügung zu stellen. 
Im allgemeinen war die Praxis der folgenden Jahr- 
zehnte die, dass an Grundbesitzer in den ihrem Besitz- 
tum angrenzenden Distrikten unveränssertes Gebiet als 
Weidetrift auf Wiederrnf überlassen oder verpachtet 
wurde, wahrend im einzelnen, ähulich wie in der Land- 
gesetzgebung der damaligen Zeit überhaupt die Be- 
stimmungen mannigfach wechselten. Bei dem stetigen 
Anwachsen des Viehbestandes erwies sich bald das so 
verpachtete Terrain, das nebenbei dem Pächter ent- 
z<^n wurde, sobald sich ein Käufer dafür fand, als 
zu klein, and so kam es, dass die Herdenbesitzer, um 
genügendes Futter für ihr Vieh zu finden, ohne obrig- 
keitliche Genehmigung andere Weideplätze okkupierten. 



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War es schon schwierig, dies za verhindern, solange 
sich die Viehzüchter innerhalb der von der Regierung 
zur Ängiedlung bestimmten neunzehn Couuties hielten, 
so wurde es geradezu unmöglich, als sie über die 
Grenzen dieses Gebietes zogen und *heyon<l the boimd- 
aries', dort wohin weder der Arm einer Civil- noch 
einer Militärbehörde reichte, Land in Besitz nahmen. 
Ein fortgeaetzter Kampf zwischen der Regierung nnd 
diesen tSquaffers^ war die Folge. Alle Massregeln 
und DrohuEgen der Gouverneure waren nicht imstande, 
dem Treiben Einbalt zu thun, die Machtmittel der 
Behörde waren zu geringfügig und das in Betracht 
kommende Gebiet zu gross, als dass man mit Erfolg 
gegen den widerrechtlichen Weidegang auf den crovm 
lands hätte einschreiten können. Gouverneur Gipps 
hat sich in den vierziger Jabren einmal in einem Be- 
richt an den Staatssekretär dahin geäussert, daes man 
ebenso gut die Araber in der Wüste auf eine be- 
stimmte Fläche beschränken könne, deren Grenze man 
in den Sand zeichne, wie die Herdenbesitzer zwingen, 
auf einem ihnen ongewiesenen Areal zu verbleiben. 

Im Jahre J833 wurden sogar Commisutoners of 
Crown lands gew isser massen als Grenzaufseher ein- 
gesetzt,' aber auch sie richteten nichts aus und waren 
nicht imstande, den Squatters den Weg über die Blue 
Mountains zu versperren Lange Zeit hatte diese 
Gebirgskette eine Grenze für die gesetzwidrige Okku- 
pation gebildet, als aber einmal in kühnem Ansturm 
auch dieser Wall genommen war, sah sich die Re- 
gierung genötigt, den Kampf aufzugeben und zu ka- 
pitulieren. Durch eine Verfügung vom 1. Januar 1837 
erkannte sie die Rechte der Squatters an, und da sie 
nicht vermochte, die Besitznahme zu verhindern, ver- 

' Ao'. for prowciing the Crown laodB ot the colony from 
eocroachnieDt, iDtmsioa and trespass. 



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snclite sie es wenigstens, sie zu regulieren. Es wurden 
neun pastoral districts eingerichtet, an deren Spitze je 
ein Begiemngskommisaar mit Terwaltungsrecttlichen 
BefagnisBen stand. Jeder Viehzüchter mueste eine 
jährliche Lizenzgebühr von 10 £ entrichten, wenn er 
da.8 Recht erwerben wollte, auf dem von ihm besetzten 
ifun* seine Herde zu weiden. Die Zahlung einer der- 
artigen Gebühr, die für verschieden grosse Flächen in 
gleicher Höhe erhoben wurde, schuf, wie sich auf den 
ersten Blick ergiebt, eigentlich keinerki Besitztitel an 
einem bestimmten Stück Land, die Lizenz war rein 
persönlicher Natur, eine Thatsache, die die Squatters 
in der Folgezeit immer wieder za entstellen suchten. 
Diese Verordnung hatte die allergrösaten Un- 
gerechtigkeiten im Gefolge. Die Herdenhesitzer waren 
über die Grenze gezogen und hutten, jeder nach eigenem 
Belieben, die Hand auf ein ipöglichst grosses Terrain 
gelegt. Das beste und geeignetste Land nahmen die 
zuerst kommenden vorweg, und den Nachfolgern blieb 
nichts anderes übrig, als sich mit kleineren und minder- 
wertigen Weideplätzen zu begnügen. Ein Gebiet, das 
bei richtiger Verteilung den Bedarf vieler gedeckt hätte, 
ward ein Monopol in den Händen von einigen wenigen. 
Und nun verlangte die Begierung von jedem ohne 
Unterschied eine jährliche Zahlung von 10 £, mochte 
das von dem beireffeuden okkupierte Terrain grossen 
oder geringen Umfang haben. Wie die Dinge lagen, 
ei^iebt sich am besten aus der Enquete, die einige 
Jahre später der Gouverneur Gipps anstellen Hess, Es 
wurden damals in jedem der inzwischen auf fünfzehn 
vermehrten postural districts die Euns der vier grössten 
und der vier kleinsten Besitzer einander gegenüber 
gestellt. Abgesehen von einem Distrikt, in dem die 
ermittelten Ziffern offenbar upricbtige waren, besassen 
die übrig bleibenden sechenudfünfzig grossen Squatters 



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ZBsammen 7 750640 ocres, die eechsandfanfzig klemsten 
433460 acres, sodass also die ersteren durcbscluittlicli 
etwa 138850 acies, die letzteren gej^en Entrichtung 
der gleichen Gl«bühr etwi^ 7640 acres inne hattea. 

Der immense Landprcis, der durch das Qesetz von 
1842 normiert wurde, war geeignet, immer mehr Ko- 
lonisten dem Squattertum in die Arme zn treiben. 
Diejenigen, die im Besitz von einem Kapital waren, 
mochten dies lieber in Herden als in dem teueren 
G^rund und Boden anlegen und nahmen die ärmeren 
Einwanderer als Hirten mit in den »Busch«. Da sie 
imstande waren, höhere JJöhne zu zahlen, hatten sie 
den Nutzen von dem einiffralion /und, zu dem sie nichts 
oder nnr unverhältnism&ssig wenig beifa-ngeo. 

Ein wie grosser Fehler es war, dass die klein- 
Imuerliche Ansiedelung und der Ackerhau überhaupt 
in den Hintergrund gedrftugt und aufs höchste erschwert 
ward, wahrend die Intereseen der Herdenbesitzer aufs 
beste wahrgenommen wurden, ist der B^ierung kaum 
klar geworden. Von den Aufgaben, die ihr die Ent 
wickelimg des Squaltertums stellte, versuchte sie in der 
Folge eigenilicb nur die Lösung der einen, sie unter- 
nahm es Lur, die Besitzverhältniase der Squatters zu 
r^ulieren, nicht aber, durch eine allgemeine Erleich- 
terung des Lander w erb a dem Ackerbau wenigstens 
ebenso günstige Bedingungen zu gewähren wie den 
grossen Viehzüchlern. Abgesehen davon, daas sie in 
den doktiinären Anschauungen Wakefields befangen 
war, wurde ihre Politik offenbar auch noch beeinfluss* 
durch die lebhafte Agitation, die im Mutterlande wie 
in der Kolonie zu Gunsten der schafzüchteriachen 
Interessen ins Werk gesetzt ward. Man stellte immer 
wieder die Behauptung aiif, der Boden von Australien, 
zumal Ton Neu-Süd- Wales, sei zum Ackerbau völlig 
ungeeignet und könne nur als Weideland in Betracht 



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65 



kommen, es sei daber nnangebracht, anf andere Pro- 
duktionszweige, als die mit der Viehzucht im Zu- 
BummentiaDg stehendeii, Bücksicht zu nehmen. 

Der bei-eita mehrfach erwähnte Gouverneur Gippa 
machte zuerst den Teranch, der willkürlichen Okku- 
pierung beliebiger Komplexe und der sieh daraus er- 
gebenden ungerechten Besitzverteilung ein Ende zu 
machen. Natürlich erregte dieses Unternehmen bei 
den Herde nbesitzern, die sich in ihren Privilegien be- 
droht sahen, einen Sturm der EntriistuDg, und da sie 
durch die Umstände begünstigt, auch den ackerbau- 
treibenden Teil der Bevölkerung, der seine vrahren 
Interessen verkannte, in ihre Agitation hereinzuziehen 
verstanden, ward Gipps bald der best^hasste Mann 
der Kolonie, und manche wenig schmeichelhafte Be- 
zeichnung wird ihm in der Presse und der Litteratnr 
jeuer Zeit zu teil. Dass er imstande war, sich trotz- 
dem noch einige Jahre a,n der Spitze zu halten, ver- 
dankte er zunächst dem Umstände, dass der Eolonial- 
staatssekretär Lcird Stanley seinen Rücken deckte ; 
sodann aber hatte in England, nachdem man sich zu 
dem Gesetz von 1842 aufgerafft hatte, das Interesse 
an den kolonialen Angelegenheiten wieder nachgelassen, 
da andere Gegenstände wie die Komgesetze und die 
irische Frage in den Vordergrund der Diskussion ge- 
treten waren 

Das Regulativ, das Gipps mit Zustimmung des 
Execulive Council^ am 2. April 1844 erliess, grenzte 

' Im Jahre 1898 war dem Gouverneur das sogenannte 
Executive Council no die tieite ({estellt irorden, das aus den 
fünf obereteo üeamten der Kolonie, dem atellvertretendeo Gou- 
verneur, dem Oberrichter, dem Kolon ialsekreUr, dem Obemrat 
und ileuj oberattD VermesBuo^beamteD lusammeDgesetzl war. 
Späterhin wiiren auch IVivatiiersouen, die abar auoli von der 
englischen Bevierung ensnnt wurden, Mitelieder dieses Knts. 
Das Jahr 1842 braclile dann daneben die EinaetzunK eines Le- 
ffitlative Council, due aus 36 Mitgliedern bestand. Zwei Drittel 



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— 66 — 

das gegen Zahlung einer ßeböhr Ton 10 £ in Besite 
xa nehmende Grebiet nach oben hin ah. Zwanzig 
Quadratmeilen (12800 acrea) wurden ala Maximum für 
eine einfache Lizenz fest^setzt. Nur wenn der Re- 
gierungskommissar des betreffenden Distrikts erkläre, 
dass für eine Herde von viertausend Schafen resp. 
500 Stück Riudrieh die Bodenverhältnisse ein umfang- 
reicheres Areal notwendig machten, sollte ein grösseres 
Besitztum zulässig sein. Hat femer ein Squatter mehrere 
getrennte Weideplätze {stations), so mnss er für jeden 
eine besondere Lizenz erwerben, auch wenn der Ge- 
samtbesitz zwunzig Qnadratmeilen nicht übersteigt. 

Kaum waren diese Verordnungen des Gouverneurs 
in der Kolonie bekannt geworden, da brach allent- 
halben die lebhafteste Opposition der Squatters los. 
Ein Entrüstungsmeeting folgte dem anderen und die 
Sprache, die die Viehzüchter in diesen Versammlungen 
führten, war durchaus keine zahme. Sie verwerfen 
die Begnlationen auf das entschiedenste und, indem sie 
stets aufs neue hervorheben, dass nur die Scliafzucht 
für Australien in Betracht kommen könne, verlangen 
sie dringend die Gewährung einer langfristigen Pacht 
mit Vorkaufsrecht. Es würde zu weit führen , auf die 
Phasen des Kampfes im einzelnen einzugehen. Wie 
fast überall dieselben Agitatoren anftraten, so waren 
es auch in allen Versammlungen rings in der ganzen 
Kolonie dieselben Beschwerden, dieselben Klagen, die 
die Resolutionen einnahmen. Gleich zu Anfang der 
Bewegung gelang die Gründung einer PastoraX Asso- 
ciation zur Vertretung der Interessen der Viehzüchter. 
Das Legislative Council war fast vollständig in ihrer 



denelbeo sollten in der Kolonie selbst gewSblt werden, w&hrend 
die abritten von der Krone berufen wordeo. Die Zuhl der Mit- 
glieder konnte erhöht werden, doch musete dieses Verhältnis UO' 
verändert bleiben. 



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_ 67 — 

Hand, nnd eine von ihm eingesetzte Kommission,, die 
fast ausschliesslicb aus den grossen Besitzern bestand, 
gelangt zu den gleichen Ergebnissen, wie die ver- 
schiedenen Meetings. Sie fordert ausserdem, dass die 
Regelang der Angelegenheit dem Legislative Gouncü 
flbArlassen werde; dessen eilrigstes Bemühen werde 
dann sein, ein Puchtsjstem dnrchzafübren, das dem 
Sqoatter die erforderliche Sicherheit seines Bi^aitzes, 
ferner ein Vorkaufsrecht und eventuell Entschädigung 
für Meliorationen gewährleisten werde. Auch die am 
Wollhandel beteiligten englischen Grosskaufleute stiessen 
bald mit den Herdenbesitzem in dasselbe Hom und 
verlangten auch ihrerseits von der ßegierung, dass sie 
den Squatters das grösste Entgegenkommen zeige. 

Interessant ist an der ganzen Bewegung vor allem, 
dass die grossen Viehzüchter es fertig brachten, alle 
unzufriedenen Kreise der Kolonie um ihre Fahne zu. 
scharen und für ihre Bestrebungen zu gewinnen. Die 
wirtschaftliche Depression und vor allem der hohe 
Bodenpreis hatten genug solcher unzufriedenen Elemente 
geschnffen, und den Führern der Agitation, tmter denen 
sich geschickte Kedner befanden, war es zu verdanken, 
dass sie fast durchweg in das Lager der Pastoral Aaso- 
ciation übergingen. Einmal verlangten ja auch die 
Sqnatters Verminderung des Landpreises oder gar 
Wiedereinführung der free grants; jedoch d r Erfolg 
ist hauptsächlich daraus zu erklären, dass sie der ganzen 
Angelegenheit einen politischen Beigeschmack zu geben 
verstanden und die Sache so darstellten, als ob seitens 
des Gouverneurs xmd des Exeaäive Council ein ver- 
fassungswidriger Eingriff in die Rechte der Kolonisten 
gemacht worden sei. Gipps sei nimmermehr berechtigt 
gewesen, eine Verordnung wie die vom 2. April über 
den Kopf des Legislative Council hinweg, — in dem, 
wie gesagt, die grossen Herdenbesitzer die Majorität 



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— 68 — 

bildeten, — zu erlassen. Man' begründete diese Be- 
hauptung, da sich thatsächlich die englische ßegierung 
niemals des Verfügungsrechtes über die Kronländereien 
zu Gunsten des »gesetzgebenden Rates« eutäiissert 
hatte , damit, dass die Neur^elung der Lizenzgebtihren 
einer Besteaerang gleichznachten sei, und zu ein<^r 
solchen sei der Gouverneur nicht befugt. 

Wie gesucht und haltlos eine denirtige Deutung 
war, liegt auf der Hand,' aber sie verfehlte die beab- 
sichtigte Wirkung um so weniger, als sie den auf 
grössere Unabhängigkeit vom Mntterland gerichteten 
Bestrebungen entgegenkam, die sich in Neu- Süd- Wales 
wie in den australischen Kolonieen überhaupt in immer 
grössererem Umfange geltend machten. Der grösste 
Teil der Bevölkerung glaubte guten Grund zu haben, 
mit der britischen Verwaltung unzufrieden zu sein, und 
. eifrig griff man jede Gelegenheit auf, um für die Ein 
fübrung des ersehnten sdf-govemment Propaganda zu 
machen. 

Nur ganz vereinzelt Hessen sich Stimmen ver- 
nehmen, die in das Zetergeschrei der Squatters und 
ihrer Anhänger nicht mit einfielen, und die die 
anderen Bevölkerungsgruppen vor einem Zusammen- 
gehen mit dem Bund der Herdenbesitzer warnten. So 
führte z. B. ■alhe weekly regisfer of politics«, eine in 
Sydney erscheinende Zeitung unter dem 13. April 1844 
ans, dass es nur ein Beweis für die grossen Miasstände 
sei, die bis dahin geherrscht hätten, wenn in einer der 
Protest -Versammlungen von einem Eedner darüber 
£lage geführt worden sei, dass er nach dem neuen 
Begalativ lÖ Lizenzen erwerben müsse, während er 
zuvor deren nur 2 bedurft habe. Einige wenige, vom 
Zufull begünstigte Personen — führt dos Blatt fort — 

' Vgl. auch Edw. Jenkt, GoverDiuent of Victoria, p. 109. 



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seien auf Kosten der kleinen Ansiedler ufid des ganzen 
Gemeinwesens gefüttert worden. Die Politik der »e«- 
couragemenls' habe schon zu viele Schäden gezeitigt, 
a's dass omn sie den Sqnatters gegenüber noch weiter 
befolgen dürfe. 

Die Forderungen, die die Pastoral Associatüm 
anfstelUe, gipfelten in den sogenannten drei F'a — 
Fixed tenure, fixed renls, und free sdle of rights. ^ 
Mit anderen Worten: sie verlangte ein Pachtverhält- 
nisB, das sich bei einem möglichst geringen Pachtzins 
von dem Eigentum am Grund und Boden wohl nur 
durch den Namen unterschied. Einer der Hauptgründe, 
die sie ins Feld führte, war die Klage darüber, dass 
die Herdenbesitzer gezwungen seien , ein Nomaden- 
leben ohne Kirche und ohne Schule zu fuhren, so 
lange ihr Landbesitz kein gesicherter sei. Diese 
Klagen waren ohne Zweifel berechtigt, wenn man aber 
auf der anderen Seite die in jener Zeit entstandenen 
Spott- und Trutzlieder der Sqnatters liest, so will es 
nicht so recht glaubhaft erscheinen, dass sie in der 
That unter den bestehenden Zuständen allzu sehr ge- 
litten hätten.. Jedoch sie waren überzeugt, dass sie 
gerade mit derartigen Beschwerden den grössten .Bin-? 
druck auf die britischen Behörden machen, würden, 
und darin sahen sie sich nicht getäuscht. Man b^aun 
in London alsbald auf Mittel und Wege zu sinnen,- 
um den Squatters ihren Besitzstand mehr zu sichern 
und sie in höherem Gmäe als bisher an den Segnungen 
der Kultur teilnehmen zu lassen. 

Inzwischen hatte der GouTerneur Gipps bereits 
am Ta^e nach der Publikation seiner das Weideland 
betreffenden Verordnungen, dem Staatssekretär Vor- 
schläge für die endgültige Regelung der Squatterfr^;e 



> Epp», Land Systema p. 19i 



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70 



zur Begutachtung und Genehmigung übersandt Diese 
suchten sich mit dem Problem in der Weise abzufinden, 
dass sie den Squatters einen ungestörten Besitz auf 
die Dauer von acht Jahren gewahrten, wenn diese 
einen Teil ihres >Bans< — zum mindesten 330 acrea 
-^ als Heimstätte käuBich erworben hatten. Nach 
Ablauf dieser Frist sollten sie sich immer durch einen 
neuen Ankauf für weitere acht Jahre sichern können. 
Nur wenn es das öffentliche Interesse dringend er- 
heische, würde die Regierung, die sicherhch nicht 
unbillig oder chikanös verfahren werde, befugt sein, 
die Ländereien bereits in der Zwischenzeit einzuziehen. 
Alle Verkäufe sollen auf dem Wege der Versteigerung 
Tor sich gehen, und dabei ebenfalls der Ansatzpreis 
Ton 1 £ pro acre zu Grunde gelegt werden. 

Die Verordnungen, die Gipps am 2. April 1844 
erlassen hatte, kann man trotz der Anfeindungen, die 
ihm desw^en zu Teil wurden, als gerecht und billig 
bezeichnen. Zum Mindesten befand sich die Regierung 
mit ihnen auf dem richtigen Wege. Mit den neuen 
Vorschlägen aber, die doch im Girunde einen Ausbau 
jener Vei Ordnungen bezwecken sollten, in-te Gipps 
vollständig von der ursprünglich eingeschlagenen 
Richtung ab. Wären sie zum Gesetze erhoben worden 
80 wären damit der australischen Schafzüchterei die 
Lebensbedingungen genonunen gewesen, wenn sich 
nicht - und das ist wohl der wahrscheinlichere Fall 
— die Squatters ihrer Durchführung gewaltsam wider- 
setzt hätten. Ja noch mehr als das. Auch die Aus- 
wanderung nach Australien und die Kolonisation des 
Landes hatten einen empfindlichen Schlag erlitten. 
Man muss sich vei^egenwärtigen, dass in jenen Jahren 
die Landeskultur so gut wie gar keine Fortschritte 
machte, dass es also fast nur die Viehzucht war, die 
den Einwandererstrom anlockte. Mochte mau diesen 



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71 



ZüBtand aach bedauern, und auf eine Sesiedelnng 
mit Ackerbauern grösseren Werth legen, so war es 
doch nicht angängig, der Viehzucht den Boden zu 
entziehen, znmal wenn man den hohen Landpreis bei- 
behalten wollte. 

Es kann nicht Wunder nehmen, daas sich nach 
dem Bekanntwerden des neuen Projektes die Opposition 
g^^n den Gouvemeur und die Itegierong wesentlich 
verschärfte. Die Herdenbesitzer verwahrten sich nicht 
mit Unrecht dagegen, zu einem so hohen Preise Land 
zu kaufen und dabei noch Gefahr zu laufen, bei der 
"Versteigerung von einem EVemden überboten zu werden 
und das bis dahin beweidete Terrain verlassen zu 
müssen, Sie sahen es nur als einen geringen Trost 
an, daas sie in letzterem Falle für etwaige Meliorationen, 
aufgeführte Baulichkeiten u. s. w. einen Ersatzanspruch 
sollten geltend machen können. Die projektirte Neu- 
regelung war um so mehr verfehlt, als sie 
auch die letzte Gruppe, die der Politik der 
Regierung bisher mit einer gewissen Sympathie gegen- 
übergestanden hatte, der Gegenpartei in die Arme 
trieb. Die Besitiier kleinerer Herden, die mit der 
Regulierung der Lizenzgebühren im allgemeinen wohl 
einverstanden gewesen waren, sahen sich durch den 
neuen Entwurf in noch höherem Masse bedroht als 
ihre wohlhabenderen Genossen. Ihr Kapitalbesitz war 
zu klein, als dass sie mit einiger Aussicht auf Erfolg 
bei der Auktion etwa mit einem städtischen Land- 
spekulanten hätten konkurrieren können. P^ktisch 
mochte ja die Gefahr, auf diese Weise von dem Besitz- 
tum vertrieben zu werden, vorderhand nicht allzugross 
sein, falls nicht der betreffende Landstrich durch seine 
Lage oder BodenbeschafFenheit £Ur die Spekulation 
Begebrenswerther war , in der Theorie musste man 
jedoch mit der Möglichkeit immerhin rechnen. 



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X>ooh auch uochvon einem anderen Geaiclitsptmkte 
ans mnaate man den Gippa'scben Entwarf als buchst be- 
denklich bezeichnen. Da es dem Viehzüchter freistehen 
sollte, einen beliebigen Landstrich ohne Rücksiebt auf 
dessen Lage zur Heimstätte zu w&hlen, so würde er sich 
natürlich stets für den Platz entschieden haben, der 
ibm der beste schien, nnd es wäre nicht ausgeschlossen 
gewesen, dass er dabei den Rest seiner ^Station« für 
jeden anderen wertlos gemacht hätte, zumal wenn die 
Heimstätte am Ufer eines Flusses gelegen war, und so iaa 
ganze Hinterland von der Bewässerung ausgeschlossen 
werden konnte. Ein Käufer würde sich dann für dieses 
Gebiet nicht gefunden haben, und der Squatter wäre 
anch ohne weiteren Ankauf de facto Eigentümer 



Trotz aller dieser Bedenken erklarte sich der 
Staatssekretär Lord Stanley mit der Tendenz der ihm 
unterbreiteten Vorschläge im allgijmeiiien einverstanden 
nnd auch die um ihre Ansicht befragten Colonial 
and Emigration Cornmissioners äusserten sich im 
grossen und ganzen günstig. Es war überall dasselbe 
unklare Bestreben, die Squatters fester mit dem Boden 
zu verknüpfen, und wenn mau anch die mannigfachen 
Mangel der thomesleads* nicht verkannte, so glaubte 
man doch schlechterdings keine befriedigendere Lösung 
des Problems ünden zu können. Eis herrschte eine 
gewisse Ratlosigkeit , man wusste nicht recht , wie 
man sich mit einer Interessentengruppe abfinden sollte, 
die Wakeiield und seine Anhänger bei dem Aufbau 
ihres kolouisationstechnischen Systems nicht berück- 
sichtigt hatten, und die nun plötzlich einen so be- 
deutenden Faktor in der kolonialen Bevölkerung aus- 
machte. Vielleicht gab man sich auch der Hoffnung 
hin, die Herdenbesitzer durch die geplanten Heim- 
stätten zum Ackerbau zwingen uud auch bei ihnen 



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— 73 — 

die Grundsätze 'der »cohcentrAted cohmsaitöh* in Düroh- 
führang bringen zu können. Dabei Hess man jedodi 
einmal die Qualität des Bodens aoHser Acht, der an 
vielen Stellen eben nur für Weidezwecke geeignet 
war und ist, und femer beriloksichtigte man die Bolle 
nicht, die die Schafzucht in der Volkswirtschaft der 
anstmliBcben Kolonien berflit« spielte. ') Die eng- 
lischen Politiker waren vielfach geneigt, die Viehzucht 
in Australien als «ne blosse Entwickelungsstufe anzu- 
sehen, an deren Stelle möglichst bald die Landwirt- 
schaft treten müsse. Sie bedachten nicht, dass die 
Herdenbesitzer sich kaum bereit finden würden, ihren 
rentabeln Beruf au&nigeben, um ihn mit dem Acker- 
bau zu vertauschen, selbst wenn der Preis des Grund 
und Bodens niedriger normiert gewesen wl^e. 

Ein Wechsel in den leitenden Stellen der ko- 
lonialen Verwaltung verhinderte — man kann wohl 
sa^n glücklicher Weise — ' die Verwirklichung des 
Gipps'schen Projektes. Den Posten eines Kolonialataats- 
sekretftrs erhielt Earl Grey, während der Gouverneur 
von Neu-Süd- Wales durch Fitz Roy ersetzt wurde. 

]Cpps citirt zur Kennzeichnung des neuen Staats-. 
Sekretärs eine Stelle aus Busdens tHtstory of Australia*:^ 
»Entweder griff er. die Theorieen anderer auf, 'oder, ier 
war geneigt,. seine Grundsätze aus schlechten Quellen zu 
schöpfen.« Diese Obarakteristik trifft in 4er That das 
Richtige. Grey scheute sich nicht, fremde Ideen 
mit dem Brustton . der Ueberzeugung- vorzutragen, als 
ob es seine eigenen wären. So operiert er in seinem 
Werke *) grösstenteils mit Wakefield'schen Gedanken, 
ohne das3 er es für notwendig hielte, auch nur den 
Mamen dieses Mannes auszusprechen. .Auch das was 



') Vgl. die Tabelle im ADbane. 

*) Dem obeDgenaDDteD The colonial poHey of ' Lord John 
KvMbeli admiitittratiotl,' 



sdbvGoOgIc 



_ 74 — 

er tib^r die Vragen der Bodenpolitik an den Goaremenr 
Fitz Roy schreibt , ist augensclieiDlicb nicht seine 
woblbegründete' persönUcbe Auffassung, sondem mntet 
an wie ein Änszng ails den Terscbiedenea in den 
Blanbüchern niedeigele^n Gutachten, dem Brief- 
veohsel zwischen säinetn Amtsvot^nger und Gipps 
n. s. w. Dabei war Sari Grey nicht scharfeinnig 
genug, um einen Gedanken konsequent durchzuführen 
und so konnte es kommen, dass sein Versuch, das TOr- 
li^ende Problem zu \Oakn, eine einheithche Grundidee 
vollkommen vermissen Hess. 

Nachdem eine Parlamentsakte vom Jahre 1846 
im allgemeinen die Gmndzüge festgelegt hatte, nach 
denen bei der notwendig gewordenen Neoregelnng 
der die Landreränsserung betreffenden Geset^febuog 
zu verfahren sei, ordnete ein Order in Conncil vom 
9. März 1847 die Angelegenheit deBnitiv. 

Sein Inhalt war kurz der folgende: Die ganze Ko- 
lonie wurde in drei grosse Teile den settled, intermediaie 
und unsettled di^lrict zerlegt. Dem ersteren gehörte alles 
Land an, das innerhalb der ursprünglich zur Beaiedelung 
bestimmten neunzehn Ck>untie8 gelten war, ausserdem 
eine Anzahl besonders bezeichneter Territorien. Der 
intermediaie distnct umfasste eine weitere Reihe aus- 
drncklich namhaft gemachter Bezirke — in erster Linie 
Port Philipp, das spätere Victoria — während dem 
unsettled district der Best zufiel.^ In dem besiedelten 
Gebiete vrurde — so bestimmte die Verordnung — 
das Land nach den alten Bedingungen verkauft und 
eine Pacht für die Viehzüchter nur auf die Daner 
eines Jahres zugelassen. In den Zwischendistricten 
konnte Land auf höchstens acht Jahre verpachtet 
werden, und die ß^emng war berechtigt, nach Ablauf 



' Die Oienzen wurden späterhin verscliiedeDtliah versohobeD. 



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— 75 — 



eines jeden Jahres den Squatter mit zweimonatliolier 
KündignDg«frUt zu entfernen und das Land zom Ver- 
kauf UM stellen. Die Pachtfrist für das ganze äbri^ 
Gebiet belief sich aof vierzehn Jahre. — 

Es war ein od bestreitbarer Vorzog des neuen (Ge- 
setzes, dass es der natürlichen Beschaffenheit des Bodens 
□nd d«r wirtschaftlichen Bntwickelung des Landes 
Bechnnng trug nnd der Viehzucht und dem Ackerbau 
im Prinzip gesonderte Gebiete anwies. Allerdings war 
die Einführung des verhältnissmässig langfristigen Pacht- 
Yerhältnisses eine Massregel, gegen die sich allerlei 
Bedenken ins Feld führen Hessen. Schon Gipps hatt«, 
bevor er seine Vorschläge formulierte, die Kron- 
kommisaare in den verschiedenen Weidedistiikten er- 
sucht, sich über ein eventnelles Pachtverhältniss für 
die Herdenbesitzer zn äussern. Von den vierzehn ein- 
gelaufenen Antworten hatten sich nenn ganz entschieden 
gegen eine derartige Institution ausgesprochen, während 
sich fünf jedenfalls nicht zu ihren Gunsten geäussert 
hatten. Für ihre ablehnende Haltung führten sie eine 
Reihe von Gründen an : einmal würden die Sqnatters in 
den Stand gesetzt werden, Lajid an solche Leute in 
Afterpacht zu geben, denen die Regierung aus irgend 
irelcher Teranladsnng die Weidelizenz verweigert 
habe; weiter liege die Gefahr nahe, dass sie in 
einer Weise gegen die in ihrem Bezirk lebenden Ein- 
geborenen vorgehen würden, die den Inteutdonen 
Englands nicht entspreche. Eurznm man scheute sich, 
den Leuten einen besseren Besitztitel am Boden zu 
gewähren, als sie bis dahin gehabt. Gipps selbst be- 
fürchtete am meisten, dass es ungeheuer schwierig, 
wenn nicht unmi^Lich sein werde, den jährlichen 
Pachtzins von den nomadisierenden »hushmen« einzu- 
treiben, ßbenso wie die quit-rents, mit denen man so 
üble Erfahrungen gemacht habe, würden auch die 



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76 



Pachtgelder schliesalich nur auf dem Papiere stehen 
und eine Regierung, die versuchen wollte, strenger 
vorzugehen, würde auf den schärfsten Widerstand 
stossen. Dass diese Besorgnis« nicht unberechtigt ge- 
wesen war, zeigte eich späterhin. Bereits im Jahre 
1819 kl^t der Gouvemenr Fitz Boy, dass eine grosse 
Anzahl von Schsfzüchtem nie anzutreffen sei, wenn 
man den Zins einziehen wolle. 

Allen diesen Einwendungen gegen das Pachtsystem 
läsat eich entgegenhalteo, dass schliesslich kein anderer 
Weg zur Lösung der vorliegenden Frage mehr übrig 
blieb, und man hätte sich mit dieser Hegelung ein- 
verstanden erklären können, wenn nicht der nach 
Lage der Dinge schwere Fehler begangen worden 
wäre, da«s die Pacht nach der Grösse des Vieh- 
bestandes normiert wurde. Es liegt auf der Hand, 
dass diese Bestimmung die gröseteu Betrügereien und 
ünterschleife im Gefolge haben mnsste, da es einfach 
ein Ding der (Jnmi^Iichkeit war, den Viehbestand 
der einzelnen Squatters fortgesetzt zu kontroUiren. 

Wir bezeichneten es als einen Fortschritt, dass 
man im Prinzip der landwirthschaftlic^en Besiedelung 
und der Viehzucht gesonderte Territorien anwies ent- 
sprechend den natürlichen Verhältnissen des Landes. 
Leider wurde die günstige Wirkung, die diese Be- 
stimmungen auf die wirthschaftUche Entwickelung der 
Kolonie hätten ausüben können, zum Teil dadurch 
paralysiert, dass man den Squatters das Eindringen in 
die seUUd districts ermöglichte. Wie wir sahen, sollte 
auch in diesen Land — allerdings nur auf die Dauer 
eines Jahres — - an Herdenbesitzer verpachtet werden. 
Es war dies eine der kaum verständlichen Inkonsequenzen 
des Systems des Staatssekretärs Grey, deren not- 
wendigerweise ungünstige Polgen dadurch noch 
bedeutend verschärft wurden, dass diesen Pächtern die 



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77 



dauernde Seaahaftmachung viel leichter gemocht wurde, 
als den Kolonisten, die Ton voruehereinLand zu Acket- 
batzwecken erwaiben. Ea wurde den Pächtern zunächst 
gestattet, auf ihrem Run für den Eigenbedarf Acker- 
bau za treiben, und wob das wichtigste war, es wurde 
ihnen ein Vorkaufsrecht unter Voraugshedingungen 
gewahrt. Der Kaufpreis wurde auf 1 £ pro aci-e fest- 
gesetzt und Komplexe schon im Umfang von 160 acres 
vergeben. 

So war also auch durch dieses Uesetz kein ge- 
rechter Ausgleich für die beiden Intereseeuteugmppen 
geschaffen. Hatten die Gipps 'sehen Vorschlage die 
Viehzucht zu wenig berücksichtigt, bo wurde dieae jetzt 
vor der landwirthschaftlicheu Besiedelung ungebührlieh 
bevorzugt Das schlimmste jedoch war, dass auf diese 
Weise auch der Laudspekulation wieder die Wege ge- 
ebnet wurden, und die Folgen machten sich 
recht bald fühlbar. Das Anwachsen des Erlöses aus 
den Landverkäufan in den nächsten Jahren kann man 
ohne Zweifel zum grossen Teil darauf zurückführen, 
dass die Squatters Land unter den günstigen Be- 
dingungen erwarben und dies dann unter der Hand in 
kleineren Parzellen sn andere Kolonisten losschlugen. 

Die letzteren begannen nun auch einzusehen, dass 
sie nur für die Schafzüchter die Kastanien ans dem 
Feuer geholt hatten, als sie die Agitation der ^Pastoral 
Assoeialion* iinterstützteii. Ihren eigenen Wünschen 
war man in keiner Weise entgegengekommen. Eine 
Keihe von Petitionen an die Königin und an das 
Parlament legen von dieser Enttäuschnng Zeugniss ah. 
Man betont jetzt, dnss das Gedeihen von Neu-Süd- 
Wales mindestens ebenso sehr von dem Ackerbau wie 
von der Viehzucht abhänge und fordert dringend die 
Erleichterung des Grrundbesitzerwerbe iiir den kleinen 
Farmer. Sollte die Eegierung nicht geneigt sein, 



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— 7R — 

dieeem Verlaogen ?.u. enteprechen, so werde bald die 
Unzufriedeoheit der »Mittelklasse« in hellen Flammen 
emporlodern. Aach das Legishitire Coutictl beschäftigte 
sich erneut mit dieser Frage. Bine zur Beratung der 
Angelegenheit eingesetzte Commisaion erklärte jetzt nnter 
Hinweis auf die Abnahme d^ Landrertfinf e in den letzten 
Jahren den Preis von 1 £ fUr viel zu hoch nnd ver- 
langte, daaa der Mindestpreis auf 5 Schilling reduciert 
werde. Alle Gesuche und Eingaben blieben jedoch 
erfolglos. Downing-Street nahm keine Veranlassung, 
auf die Wunsche der Kolonisten einzugehen. Man 
hielt es in den folgenden Jahren im Mutterlande auch 
nicht mehr für notwendig, sich eingehender mit der 
Bodenpolitik zu befassen, da der Plan, den Kolonien 
das SelbstverwaltuDgsrecht und damit auch die 
Verfügungsfreibeit über die Kronländer zu gewähren, 
immer mehr Gestalt annahm. 

Inzwischen beeinflusste in Australien ein anderes 
Moment die Entwiekelung nnd lenkte die Aufmerk- 
samkeit für geraume Zeit von der Landfrage ab. Die 
ersten Goldfunde wurden gemacht und der Kolonie 
bemächtigte sich das Goldfieber. Ackerbau und Vieh- 
zucht traten in den Hintergrund, wer nach Aastralien 
auswanderte, that es in der Absicht, in den Öoldfeldern 
sein Glück zu machen. Erst nachdem die erste Auf- 
regung vorüber war, trat man auch den Fragen der 
Bodenpolitik wieder näher nnd im Jahre 1860 erliess 
die Kolonie von Neu - Snd - Wales, nachdem sie 185Ö 
dafl ersehnte sdf-governmetit erhalten hatte, selbst- 
ständig das erste Landveräueserung^esetz. 



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statistischer Nachveis der wirtschafl 

in dea Jabi 





BevölkeruDgs- 


Import 


Export 


Woll-Export 


Tals-Eiporr 




liEtr 


Werl in £ 


Wert io £ 


Wort io ü 


Wert ia £ 


1838 


97 912' 


1 579 277 


802 768 


406977 




1839 


114386 


2 236371 


948 776 


442504 




1840 


129463 


3014189 


1 399 692 


566112 


( 


1841 


149 669 


2627 988 


1023 397 


518627 




1842 


169 889 


1466069 


1067 411 


695 176 




1843 


165641 


1660644 


1172320 


685 647 


»039 


1844 


173 377 


780 198 


871268 


471300 


69 604 


184Ö 


181 656 


986561 


1 092 389 


612 705 


90 479 


1846 


196 704 


1314 951 


1 056 338 


668 644 


26 058 


1847 


206009 


1544327 


1 201 535 


706 313 


92 384 


1848 


220474 


1182874 


1555009 


683623 


102 681 


1849 


246299 


1313589 


1135 9J4 


663965 


149 071 


1850 


266503 


1333413 


1 357 784 


788061 


167 868 


1851 


197 168 


1 663 931 


1796 912 


828 302 


114 168 


1862 


208 264 


1900430 


4604034 


676 816 


146 811 


1853 


231 088 


6342 397 


4623 346 


999 896 


134 708 


1854 


251 316 


5981063 


4050126 


1 181 956 


164 256 


1866 













> Bis anf das Jahr 1838 gehen die Äureteüun^on io den jährlichen Berlchtea der •£» 
Von den Torhandenen statistischea Aoftabea sind diese wohl die zuverlassig^teo, trotzdem ^ 
werden. 

s Die Zahlen sind entnonjinen den •Stalütie» of New South- Wale» front 1837 to J5-W 



CfizoJ.vCtHX'^lc 



len Entwickelang von Neu-Süd-Wales 

L838— 1855. 



ö.-, ans den 

idverkwlen 

£ 


Erlös aas der Ver- 

pnclilUDg ete. vi>D 

WeiSeUnd 

£ 


Ijand unter dem 
V«U8 
acrea 


Viehbei 
Rindvieh 


tand in der E 
Schweine 


olonie! 
Schale 


116 875 


4780 


92912 








152 963 


6 345 


95312 








316 626 


12 735 


126 116 








90 388 


13 300 


115130 








14575 


15 831 


126 874 








9 820 


16185 


145653 


850160 


54607 


3 452539 


3031 


19423 


123406 


971559 


52196 


3 743 732 


14104 


29 414 


138 237 


1116420 


56022 


4 409504 


10998 


29 782 


151 034 


1 140297 


39 733 


4 909 819 


9182 


41534 


128598 


1 270 706 


57395 


5 673 266 


8 865 


32345 


123499 


1368164 


66 216 


6 530542 


22 740 


37 103 


135 806 


1463661 


52 902 


6 784494 


35261 


41437 


144 647 


1374968 


52371 


7 092209 


67 912 


45 327 


152057 


1376357 


65510 


7 396895 


56875 


40971 


130643 


1495984 


78559 


7 707 917 


251667 


44172 


138052 








272078 


52912 


130944 








269131 


50094 











atioH Commünoners* tarUck, deneo die foleendeo Ziffern JD der Hauptsache entnommeD eind. 
Dochtoala die alltseiueine UDBichorlieit der koloaüJeo Statistik in jeaen Jahren hervorgehohen 

mpiled from offidal recordi in tke cohnial tecretary'« ofßce'. Sydney 1835, 



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Lebenslauf. 

Geboren wurde ich, Eudolf Breitscheid, am 
2. November 1874 in Köln am Bbein als Sohn von 
Wilhelm Breitscheid und seiner Frau Wilhel- 
mine, geb. Tborwesten. Nachdem ich in meiner 
Vaterstadt das Friedrich- Wilhelmagymnasium absolviert 
hatte, bez<^ ich Ostern 1894 die üniTersitüt München, 
die ich im Herbst desselben Jahres mit Marburg ver- 
tanscbte. Auf beiden Universitäten war ich bei der 
juristischen Fakultät inskribiert, wandte mich aber in 
erster Linie dem Studium der Nationalökonomie zn. 
Am 8. Juni 1898 unterzog ich mich vor den Vertretern 
der philosophischen Fatnltät zu Marburg der münd- 
lichen Doktorprüfung. 

Allen meinen Lehrern bib ich zu lebhaftem Danke 
verpflichtet, besonders aber Herrn Prof. K. Kathgen- 
Marburg, der meine Studien auf das liebenswürdigste 
gefördert und mir auch die Anregung zu der vor- 
liegenden Arbeit gegeben hat. 



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