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Full text of "Die macht Beethovens: Eine Erzählung aus dem Musikleben unserer Zeit"

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I Dr. seiftet C|tifllif( ftdif<|et. 




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Seeli« W. 35. 

Dr. 9. S^r. Jtaltf(|et Selfiftoerlag. 

1908. 



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SUle IR^d^ie DOtBel^altett. 



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^anen S3eetl)ODen0 



gettet^t. 







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(Srßed Aapitel. 

(Sin j^ongettabenb. 




3)ruttf le^rt ber Aic^tet, 
®elen!t f^ob* £>xp^i 9ftumr, gfelfen, giiiini, 
SBeil ni(|td fo ftddKfd^, ^art unb 90a oon 9But, 
^a9 nic^i Slufl! auf eine 3ett venoonbelt. 
2)er SRenf4 bet ntij^ SRuftf |at in fid^ feHfk, 
^eit nid^t Sie (SiniraAt fü|er Si^ne rü6tt, 
Saugt 9U Serrat, )u 9lftuberei unb Süaen; 
^U SReguna feineil 6innft iß bunq>f nHe 9iad^, 
Sein Srac^ten büfter n>ie ber (SrebuS. 
Srau feinem folc^en!*) 

S^afefpeare: ^er Kaufmann von Senebig. 

egeS £e6en l^errfd^te im l^ett erleud^teten fionjeitfaale 
einer betttfd^en 9te{tben}ftabt. SSSieber einmal ftanb 
eines ber ftonferDatorien-Stonserte bzvox, bie jiai^rauS jol^rein 
ben ftattlid^ften 3^^^^^!^^^^^^ l^erbeilodten. — @o mar eS 
aud^ l^eute abenb, mo eine gan} anfel^nlid^e 9iei]^e auSerlefener 
ftnnftjifinger unb ftunftj&ngerinnen ben @d^aupla^ ber £)ffent» 
Ud^!eit betreten foQte. 

Ob bie armen ftunftnot)i}en fel^r gu bemitleiben maren? 
äSemdd^tigte fi^ xooffl manä) eines garten llänftlerl^ergenS 
ber B^^tfel, bie 9lng{t, ober gar bange ^rd^t, meil eS l^eute 

'*') Therefore, the poet 

Did feign, that Orpheus drew trees, stones and floods 
Since nought so stockiBh, hard and fall of rage, 
Bat moBic for the time doth change his natore. 



— 2 - 

%(dt, ben erften Stampf gegen jene d^am&teonartige SRenfd^en« 
i^fte 3tt loagen, bie man ,^$ubli{um" nennt? 

Mjudngftlid^ n>erben bie jungen Seelen n^ol^l nid^t ba» 
gef effen l^aben : ftd^erlid^ totthtn äSerftanb, 9Bi^ unb Sl^nung 
eg t^nen berul^igenb eingef[d|t l^aben^ ba| bie 93efud^er ber» 
artiger Stonjerte j[a t)erfd^n>enberifd^ ntit ben Sonnenftral^len 
beS SSol^tooDenS, ber Siebe nnb beS SRitleibS auSgerüftet finb. 
SBer foQte xootjH fo graufant geartet fein, iungen, l^intmel« 
anftrebenben Sprößlingen ber 5lun{t — felbfl n)enn {ie l^ie 
nnb ba ftraud^eln — ittbefooQen ^if aE als 9[uf munterung 
jur bet)orfie]^enben fd^meren fiaufbal^n gu verfagen ober nur 
ju oeriftmmern? ^Begegnete gar irgenb einer ber 9(uSübenben 
ben n)te in einer SiebeSflut fd^mimmenben 9(ugen ber ge» 
liebten unb oere^rten ^BbxtUx, fo fd^öpfte er auS biefen 
S9lid(en l^eiligfter S^mpatl^ie gemiß SRut unb Straft jum 
(Skiingen. — ttnb ber ftille iBeobad^ter erfpäl^te mal^rlid^ 
nid^t menige liebet)o([e, 3&rtlid^e unb babei aud^ fo fromm« 
ergebene äRutteraugen. 

2)a8 ftonjertprogramm jeid^nete ftd^ bur^ eine red^t 
lange unb breite f^orm auS, l^atte eS |a neben bem fonft 
Üblid^en nod^ man^erlei anbereS funbgugeben: mer ber Sel^r« 
meifter jebeS einjelnen gemefen — gleid^oiel, ob biefer als 
auSübenber ober als fd^affenber Jtänftler auftrat — ober 
meld^eS Sanb, meldte (Stabt bereinft bie iemeiligen junger 
unb i^üngerinnen ber Stunfi erzeugte, mie nod^ mand^eS anbere. 

^ei meitem bie meiften ber lonjertierenben Bds't^^S^ 
gel^drten bem beutfd^en 93aterlanbe an. @in fremblänbifd^er 

The man that hath no music in himself , 
Nor is not moy'd with concord of sweet sonnds, 
Is fit for treasonSy stratagems and spofls: 
The motions of his spirit are dull as night, 
And his affections dark as Erebus. 
Let no such man be trüsted. 

Shakespeare: Merchant of Yenice; ActV, Scene I. 






— 8 — 

9lame iefonberS mu^te um fo ntel^v bie Xttfmeidtfaitileit ber 
£efetibeti feffeln, als er einem Sanbe oitgel^Srte, boS lool^I 
imr feiten einS feiner SKnber jur ntnfifalifd^en XuSbilbnng 
nad^ S)etttfd^Ianb entfenbet. — 

älttf bem ^ograntm ober flanb nnter anberem: 

Es-dur^Stonjert fftr ^anoforte nnb Ord^efler 

oon S. Don Seetl^ooen, oorgetrogen oon 
^rftnlein Slntl^entia ^alleuIoS aui 2>eIo8. 

(Seigrer: 2)er 3)tre!tor.) 

Sßie oerfc^iebenartig ntod^ten bie Oebanlen fein, bie 
barob nnter ben Sn\)itttn rege würben! SBeld^ ein ^od^« 
tdnenber 9lante! SEBie biefe Jungfrau beS ntobernen @rie(i^en' 
tnmS xüo^ ausfegen mod^te? 3nng ober alt, fd^dn ober 
ll&llid^, gro| ober Hein, fd^lan! ober formenooH? — baS 
n>aren l^ier bie fragen. — (Ein SRdbd^en anS bent 9Rntter« 
lanbe olleS ©d^önen fnd^t bie Itunft in 2>eutfd^Ianb auf, — 
wd6) ein SBunber am med^felooQen SCBebftnl^le ber 3^it! 
SBirb bie {^eUenentod^ter biefe munberbare Xonfd^öpfung be8 
germanifd^en £onfiirften 93eet^ooen in feinem (Seifte mieber* 
geftalten ober nid^t? 

3)ie (Snoartung mar l^od^ gefpannt: benn ba nid^t 
menige 3^^^^^^^ ^^^ SRufentod^ter ouS (Siried^enlanb als mu 
ouftoud^enbeS (Seftirn am Paniftenl^immel oerel^rten unb 
t>er!ünbeten, mar eS nur natürlid^, bag an aQen (Edten unb 
Snben il^r 9lame erflang, unb bag man fd^on |e^t mit ^ilfe 
ber Operngl&fer ben $la|( erforfd^te, ben jeneS 9n&bd^en auS 
ber ^rembe t^ieüeid^t fd^on eingenommen ^atte. 

Xrme Stntl^emia! 93ieler SBlidCe fd^auen nad^ bir auS, 

aber aDe auS eitel 9leugier. $i^ benn lein 9(uge ba, baS 

ffir bid^ ein ftummberebteS @ebet fprid^t? fiabt bid^ !ein 

9}httterbIidE, nod^ ber eines anbern teuren 93ermanbten? 

Ober oertrauft bu frol^gemut aQein bem l^olben @eniuS ber 

Äunft? — 

1* 



^ 4 — 

%o6) boS Q^rf^tnen beS {|)ueftorS bet Sllabetnie tittt|te 
ad biefen ä^orf^ielen einSnbe mad^en. SJlan mujite biefent 
feierli^ grwttAtifd^en Vlmnt unmüfätlid^ fettte Xufmerf* 
famfett mbmen unb babei t)on neuem an bie Sebentung beS 
9lbenb3 erinnert »erben, ^ente n>ar ber fonft fo gefirenge 
^err ganj 3rennblid^!ett unb SnUbe, fpenbete l^ier unb bort ein 
fr&ftig anfeuernbe^ ÜBort, ging mit feinem ^dnbebrud fd^ier 
freigebig um unb mar aud^ in anberen (Shtnftbemeifen gegen 
feine untergebenen Seigrer unb Sd^üler burd^au§ nid^t I&fftg. 
2Bie ein aUgeliebter ^errfd^er t)on ©otteg @naben tl^ronte 
er enblidf) ba mitten unter ben jal^Ireid^en Seinen, benen er 
als fidlerer, mol^Ierprobter fjül^rer ol^ne 9laft unb SRul^e bie 
aßege jum ^immelreid^e ber 3Äuflf mieS unb ebnete. — 

®in nod| fel^r jugenblidEier Äompofitiongfd^üler ber 3ln* 
ftalt, ber jugleid) ein fattel« unb bügelfefter Älamerfpieler 
mar, eröffnete baS Jtonjert. ^nbem er feine Dut)ertüre für 
großes Drd^efter red^t gefdEjidft unb umftd^tig birigierte, offen» 
barte er fi^ ber fl(^tlid| überrafd^ten S^l)bt^x^6)at als einen 
oiefoerl^ei^enben Romponiften unb Dirigenten. 3)tefer 3)oppeI* 
leiftung folgte benn aud^ fein geringer SeifaK. — $)arart 
reiften fid^ allerlei SSortrftge für ÄIat)ier, SSioIine, Oefang 
unb ®efIamation, an benen ftd^ in buntem SEBed^fel Qung« 
frauen unb Jünglinge beteiligten, ©elbftoerftanblidfi mürben 
aDe mit SeifaüSrufen unb öeifattSfafoen reidEiIid^ belol^nt; 

Snblid^ mar ber erfel^nte 3lugenbKdf ba. S)aS er« 
martungSootte Stubitorium fottte grdulein ^aüeufoS auS 
SJeloS feigen unb l^ören. Staunen unb Semunberung malten 
fidEi auf aUer ©efid^tSjügen, als jtd() l^ier eine ftattlid(>e ®r* 
f^einung auS bem ©ried^enlanbe mürbetJoH Derneigte. — 

S)od^ mar ba feine 3^^*/ ^^ ^^H^ ^^^ Bä^^^^^ V^ über* 
laffen, ber tjon biefer ©eftalt auSftral^Ite: benn fd^on lenfte 
bie. m&d()tige 3lrt il^reS JBeetl^ooenfpielS bie Sinne fort von 
iungfr&uli^er Sd^önl^eit auf ben ®eift ber 93eet]^ot)enfd^n 
anuftf l^in. 



— 5 — 

2)08 6(l^ioeIgen in ber {^ormonieen ^xa^U bie ftesen« 
filUd^ 2>arfte(Ittn8 ^roifd^er Straft unb etfeiiattlg fpielenber 
3art^it, ba| e< wie Slf^ntraum aus aBoIfen^dl^n bitrd^ bie 
@eiiiiUtr jiel^t: oQeS braute bie putge ftftnftlerin fnxt ooOett» 
betet ^rtigteit )ur (Bettung. 

2>ann bie fanfte, feiige Stulpe im H-dur-Sbogio, bof bie 
raufd^be SebenSfteubigleit beS erflen <Sa^Jber bef<l^* 
lid^en (iinfd^t entgegenfül^ct: loie »unberfam oennod^te eS 
Xntl^ntia, bie em|)f&ngli(l^en Seelen bamit ju rftl^ten. unb su 
l^eiligen ! 

iBnUxi) nad^ biefer furjen Geelenrafi baS feuettrunfene 
finale in Es-dur, boS in feinem bit^^rambifd^enl^Sluffd^munge 
eine f o fiegreid^ye äRad^t Dertünbet, mie etma bie ol9mpifd^en 
Siegtfgef&nge eines ^inbar! 

Xttd^ biefer in ^immlif c^er Suft ein^erbraufenben 9^fleS> 
froft mtt|te bie Jungfrau ben j^enlid^fien .SuSbrudt iu oer* 
lei^n. — SBie fte beim unmittelbaren Übergange ouS bem 
Xbagio inS feurige ^inal'XQegro bie fttii^pe, an ber felbft 
Itor^pl^&en beS ^ianiftentumS fo oft fd^eitem, mit unfel^l« 
barer Si^eri^eit il^rem fr&ftigen SBiKen unterwarf : ba flral^lte 
eS l^eHleud^tenb aus ben Olidfen vieler funbigerj^ul^Srer» 

Unermegli4ier OeifaQ folgte auf biefen glan)ootten Sor« 
trag. SReifterlid^er lönnte biefeS l^errlid^e SBerl {nid^t bar* 
geftellt werben. aHan mu§te fid^ felbfi ^agen: wer mod^te 
biefer ftlaoierffinjllerin ber SDtyftagog in bie Smhtxvoüt beS 
erl^abenfien @eniuS gewefen fein? dtt^>1i<^tl^^ ^^^ unfa§« 
bare ^d^ beS gdttlid^en StunfigeifteS felbft 2>enn oieleS 
vermag ja ein irbifd^er Se^rmeifter ifraft feines feuerbefeelten 
Sel^ramteS ju geben, aber nimmermel^r ben Oeift, burd^ 
meldten ein Stunftwert frei unb innig erfa|t werben lann. 

(tS war gut, ba§ nad^ Sntl^emiaS Jtlaoieroortrage eine 
ißaufe eintrat, bie eS aQen ermdglid^te, baS foeben in blä* 
l^nbfiem 3<^)tberglan)e vorgeführte SBunber ^eet^ooenfd^er 
Zonpo^xt innerlid^ auSllingen ju laffen. 



— 6 — 

2)en mad^tooQften Sinbrud ühtt bte fd^önl^eitftral^lenbe 
^[ntl^mta auf einen iungen fSflann ans, beffen jorteS^ geifieS« 
Domel^nteS Sntli^, oon bunlelblonbem ^aupt^aar nt&l^nen« 
atttg utnxodüi, unfeiner ben ftünftler gu erlennen gab. 

(Sin gänftigeS ©efd^idf l^atte il^n in bie 9l&]^e ber £on« 
l^elbin gefiil^rt. (&i famen glädfUd^e äRomente^ in benen ber 
innge 3Rann ftd^ in Slntl^entiaS n)ttnberfame8 SBefen Derfen!en 
!onnte. Med an il^r atmete QEigenatt. <S8 f^ien il^nt un« 
rniQÜi), aud^ nur baS blaffefte ätbbilb t)on ben Sd^önl^eiten 
biefer ]^o]^eitSt)oQen @rfd^einung gu entn^erfen. 

„E piir si muove'', trdftete er fid) unb ntalte foIgenbeS 
Silb in feine ^l^antaftewelt l^inein: 

@r malte ein marmorbleid^eg unb bod^ fo lebenSDoQeS 
älngeftd^t, bag in ieber freien, garten Slber eine SeibenS« 
gefd^id^te burd^fd^inunern I&^t; aber auf ber l^ol^en, l^immel» 
reinen ©tirn t)on plaftifdE^^antifer (Sd^dnl^eit offenbarte fid^ 
il^m baS übermunbene 9EBe|. @ie oerliel^ bem gangen SBefen 
eine mal^rl^afte geiftburd^tr&nlte SBeil^e. — (Sr betrad^tete bie 
ibeale gried^ifd^e 9lafe unb ein Jtinn, auf bem aQe brei 
®ragien il^ren 2:]^ron aufgefd^Iagen gu l^aben fd^ienen. — 3)a^ 
Slaublätigfeit fein leerer Sßal^n ift: baS prebigte Xtl^emiaS 
Slngeftd^t nid^t minber, als il^re garte ^anb. 3>id^teS, t)dllig 
fd^margeS ^aargefted^t umgab il^r f d^mergenerg&l^IenbeS Slntli^; 
aber langgegogene äBimpern 9on tieffter gel^eimnigbergenber 
@d^n)&rge t^erfünbeten von neuem. bie ibealfte Seelenrul^e unb 
fd^ienen el^rfurd^tSDoQe SBerel^rung gu gebieten. 3)ie bunflen^ 
DoQen äCugenbrauen maren von ber feltenften Sigenartigfeit« 
9lid^t ftanben fte in oermirrtem 3)tf<^^i><^n]^<^nge, aud^ mar 
feine beutlidie Seere gmifd^en beiben ftd^tbar: fonbern in gang 
aKmftligen 3(bftufungen liefen fie in einen $unft gufammen. 

3e^t trafen beS jungen SItanneS Slugen unermartet gmei 
leud^tenbe SHdCe unb fd^ienen feltfam oon feinen büfter« 
ernften 3^9^^ betroffen gu fein. (£x fal^ poefleoolle 9(ugen« 
^ßoefrepoß! — xoü6) ein armfeliger 3[u8brud( für fold^e 



— 7 — 

^mmelSaisgen, fflr Sugen, in beneit ftd^ bie ganje gro^e 
993elt ibeol abjttfpiegeln fd^ien! SSol^rli^, . fo badete tt, eist 
ooQec Stral^l aitS biefen toeltenbergenben 3(ugeti multe lebent 
fd^affenben (Skifte neue, ungeahnte @eftlbe erfd^Uegen. 

SBol^I l^atte feine ^l^antafie in ntonc^et aRu|e{htnbe ein 
ibeoIeS f^rauenbilb «erfolgt, baS er ntit gl&n}enb{len $^an» 
tafiefarben malte, bog il^m mit aUbejmingenbem Slngenglanje 
leud^tenb t)orf darnebte: allein ber Slblerflng ber ^l^antafte — 
l^ier mar er von ber lebenSooQfien Sßirllid^Ieit überboten. — 

9BaS SBunber, ba| ber junge StänfUer bem jmeiten Xeile 
beS unenblid^ langen ftonferoatorium«5ton}erte8 bnrd^au8 nid^t 
bie gleid^e an Slnbad^t grenjenbe 9nfmer!fam(eit fd^en!te, 
mie bem erften unb inSbefonbere bem ganberl^aften Spiele 
älntl^emiaS. äüod^te j[e|t vortragen, mer ba moQte — feine 
älugen unb @inne fd^meiften immer mieber gur Jungfrau 
aus @rie(^enlanb pvcüd. 

WiS baS Konjert beenbet mar, beeiferte ftd^ befonberS 
bie junge ^errenmelt, in bie 9l&^e äintl^emiaS )U gelangen, 
um beS Qavbtti i^rer perfdnlid^en (Erfd^einung nod^ einmal 
gang teilhaftig ju merben. — Slud^ jenem jungen Jtänfller 
glüd!te eg nod^, einen ^lidf auS il^ren m&rd^enfd^3nen Singen 
3U erlangen« SKl^nungSooIl burc^brangen il^n l^ier bie @d^auer 
ber J^dd^ften ©eligfeit fiange nod^ oermeilte er doQ jeneS 
fu^n ©innenS im ftonjertfaale. — 9luf bem ^eimmege glid^ 
er einem manbelnben 2:raum. SRitleibige Sternfeelen gaben 
il^m ein fun!elnbeS ®eleite. 




Sto^iteg ftapttel. 

@ine grted^ifd^e 2infeL 




9{ttt >te mi|verfianbene Iteligloit !anti und 
ooR bem 0d^önen entfernen unb ed ift ein 8e« 
»etö für bie wa^te, ffir bie tid^iig t>erftanbene 
ioa|te Sleliaiim, W€im fU unft ü5eraS auf b<id 
^(95ne lutvtf^rinat. 

äeffing: 9Bie bie Ktten ben Sob geMlbet. 

^ine geraume 3^^t toar nad^ bem foeien gefd^tlbetten 
ftonjettaBenb beS StonfertKitorittmS Derftoffen. 3)ie 
Honjertfftifon bet ^uptftabt ftanb je^t in tl^ter l^öd^jften Släte. 

SCud^ bet 9nu{ifer ©bgar SBittig — f o ]^ie| jener junge 
ffflawx, auf ben an jlenent SPbenb baS 3uf(^t»>nenn)tr!en eines 
(önfUerif^ feelenDoQen StlaoierDortragS unb einer gauber» 
fd^Snen ^rauengeftalt einen unauSldf^Iid^en (Sinbrud gemad^t 
gu ^aben fd^ien — , aud^ biefer befud^te it^t nod^ um fo 
eifriger bie l^eroorragenben ftongerte, alB er hoffen burfte, 
Sntl^mia ju fe^en unb oon Stxt gu Q^t einen SlidC auS 
il^ren n)unberfamen 3lugen gu erl^afi^en. 

SBSar eS ber fd^n)ermütige 3^8 ^^ <SbgarS äCntli^, ber 
feiner gangen n)ie auS ^oefte gen)ebten ßrfd^einung eine nod^ 
l^öl^ere Stünftlermeil^e oerliel^, ober n)ar eS bie gang eigene 
3lrt Don SSerfunfenl^eit, in meld^er er namentlid^ ^eetl^ooen« 
fd^en Zonfd^öpfungen laufd^te, fo ba^ n)&]^renb biefer Qtxt 
aCeS übrige in ber 3BeIt fär il^n gar nid^t ba gu fein fd^ien, 
ober n)ar eg fonft ein gel^eimeS (StvoaS im SBefen (SbgarS: 
genug^ nad^ geraumer 3^tt mieten Slntl^emiag gro^e, finnenbe 



~ y — 

Sugen, fobolb fie ftd^ unbeobad^tet glaubten, mit einem un* 
bef(^ceibli^n Xufbnttfe oon ^ingejogenbeit auf biefem 
SRanneSangefid^t. — 

tten toat benn nun biefe Sntbemia? Unb mer biefer dbgat? 

Xnt^mia ^QeutoS mar bie Zoster eines reidien ^an« 
bels^rrn in 2)eIo» ober 2>ili, ber (leinften ber S^ftaben* 
infein. DaS Silanb mirb um feiner ftleinbeit millen aud^ 
ftiein-3>elo8 (äRifra-SHIoS) genannt. SBon ber meltberfil^mten 
Seltfd^en ftunfll^Ii<i^Mt b<^t fUf freilid^ ni^t mel er* 
lolten. ^mmerl^in iebod^ laffen Zrfimmer be§ ätrtemistempels 
mib befonberS beS XpoQobeiligtumB — ber oielge^iriefenen 
Sd^Spfung be§ SffeifterS (Srifid^tl^on — ben einfhnoligen 
ar<l^iteftonif^n ®Ians beS OrteS al^nen. 

3He Sagen von ber munberbaren (Sntftebung biefeB <li< 
lonbeS, vom göttlid^en Sefd^mifterpaare SipoQon unb Srte* 
miS — , bie SR^tben, bie fid^ an ben @ranitfelfenberg St^nt^oS 
nnb an ben munter ba^ineilenben 9ac^ 3uopoS fnüpfen, 
beS weiteren bie l^iflorifd^n (Er}&blungen wn ben f^efifpieten, 
jtt meldten aQe fünf ;3labre bie ^Senenfd^oren aUer @kmen 
herbeigeeilt maren — enblid^ bie babingefd^^^^^i^^i^^ {^nbels« 
berrttd^Ieit ber einftmalS fo reid^ gefegneten 3nfel: adeS 
bat Ringt nod^ |e|}t lebenbig in belifd^en ®emütern nad^. 

Son 3^^» unb SBebmut mirb unfere Seele erffiHt, menn 
mir t)emebmen, bag bie Xbfömmlinge beS funftbegabtefien 
SolfeS felbft bie 9teliquien beS l^öd^fien ftunftbafeinS ge« 
ftiffentlid^ nernidbten. i^mmer mel^r fab man in ben iftngften 
Seiten aud^ auf ^eloB toflbare 9le{te b^Denifd^er ftunft Der« 
fd^minben. 3)er Stoff, auS bem einft fo blfib^nbeS ®eifteS« 
leben ftrablte, marb unb mirb nodb immer al8 gemeines 
Saumaterial oermenbet. 

i^nbeS ermad^t aucb bort -- baut bem immer meiter 
bringenben <Iinf[uffe unfereS ebelbegeifterten b^Q<^8trunfenen 
^einridb S^liemann — mebr unb me^r ber Sinn für 
@ried^enlanbf ftunftb^^^l^^^it. 9}ad| Sd^liemannS ungtaub«» 



— 10 - 

lid^ genialem SSorgange, ber }U ben erfolgretd^ften SluSgra«» 
bungen ber {^elbenft&tten :3[IioiS, äH^Ieni unb Ord^ontenoS 
ffil^rte, ift bie gefamte Stultuxwzlt Dom l^errlid^ften äluSgra« 
bungSeifer befeelt, ber nod^ QErftaunlid^eS sutage fdrbern mut- 

2)anl biefem auf ©id^ItetnannS @ei^ jurüd^ufäl^renben 
(Sntl^uftaSinuS beginnt man ie|)t aud^ in ^eloS auSjugraben 
unb fielet aud^ l^ier fd^önfieS Unterfangen wn fd^dnftem (&f 
folge gefrönt. ®d^on l^at man nid^t @ertngfägigeS Dom 
SlpoQotl^eater aufgebedCt unb barf immer l^errlid^ere SuSbeute 
erl^offen. — (So mirft Sd^Iiemanng äBunbergenie unabfel^« 
bar meiter fort, ^n SBal^rl^it bUbet er mit ftarl ^riebrid^ 
@d^infel unb ^arl Söttid^er bad glangenbe 2)reigeftirn, 
meld^eS ben ©eift l^eOenifd^er ftunft unb l^eQenif^en SefenS 
unferem ;3[a]^r]^unbert fd^dpferifd^ neu geboren l^at Unfterb« 
lid^e Sl^re fei il^rem 9[nben{en gemeil^t! — 

Svm Sflu^me ber Familie ^aUeufoS ift nun ju oer« 
melben, ba^ fte oon jel^er )u ben äBenigen gel^drte, in benen 
nod^ bie alte l^eUenifi^e ^rad^t unb ber einftige ®toI) ber 
93aterinfel einen l^eilfamen 9lad^l^aQ fanben. Unb bod^ mar 
nur ber SSater Slntl^emiaS ein ©ried^e, bie 3)'tutter mar eine 
3;od^ter ^eutfd^IanbS. 9luf einer feiner jal^lreid^en Steifen 
l^atte ber alte ^aKeufoS feine @attin !ennen unb lieben 
lernen. 9Bie fd^mer aud^ feiner StuSertorenen ber @ntfd^lu^ 
marb, baS geliebte 2)eutfd^lanb mit einer faft gang oerlom« 
menen gried^ifd^en 3nfel ju oertaufd^en — bie Siebe l^alf 
jaubeidEunbig aber aUe ^eben!en l^inmeg. Unb nod^ ju feiner 
@tunbe l^atte eS Slntl^emiaS SAutter gereut, il^rem ebell^er}igen 
9Ranne gefolgt ju fein. 

3)en f^önften ®d^mudE biefeS l^armonifd^en Sl^elebenS 
bilbeten jmei ^inber: Slnt^emia unb il^r um menige 3^^^^ 
älterer trüber ©opl^ron. 

^ie Altern l^atten i^ren Zubern eine planooSe, finn« 
reid^e, eble (Srgiel^ung angebeil^en laffen. 2)ie (Errungen« 
fd^aften ber mobernen, baS 9lltertum fiberbietenben i^been 



— 11 — 

l^aiten fte mit biefem oortrefflid^ su oerf^melgen i^erfianben. 
2)ie oltgried^ifci^e Stteratur lourbe in il^rem ^aufe DOtjugS^ 
loeife gepflegt. S)ie unfterblic^en ®ef&nge beS bltnben^ 
m&ontfc^en (Steif eS blieben ein unantaftboreS ^eiligtum^ 
bie jioeite ^auSbibel fär ben erlend^teten ^odetttoS unb fein 
^lid^eS 9Beib. 

SÜld^fi bent (Sried^entunt war eS — unb barin offen« 
barte fi(^ junteift ber (Sinfitt| ber annnstigen {^audfroit — 
bie beutfd^e ftnnft unb SSSiffenfcl^aft, bie fid^ aUnia^Iid^ bent 
enq^f&ngtid^en @inne Sop^onS unb Sntl^entiaS erfd^Ioffen 
^atte. Unb l^ierbei wx allem biejenige itunft, in ber 3>etttf^> 
lonb mit fouDerfinet @emalt über bie moberne Shtltnrmelt 
gebietet: bie Wlnf^. ^fir biefe itunft lieg votnt^mliif %x* 
tl^emia feit il^rer fräl^eften Jhnbl^eit eine l^erDorragenbe 9lei< 
gung unb Begabung erfennen. 

3)aS ]^erangen)ad^fene Oefd^n^ifietpaar ermedtte ungeteilte 
äSemunberung auf ber 3nfet. 93ergegenn^&rtigte man fid^ 
il^re ^ol^en 0eftaIten, il^re untabelig antifen fjformen, ba» 
neben bie innere ®Ieid^artigleit beiber^ bann marb man unmiQ« 
lürlid^ an bie alten Sd^u^götter be8 je^t t)er!ommenen (Silan« 
be8, an ben fernl^intreffenben SRufageten 9(poDon unb an 
beffen jagbfrol^e (Sd^mefter XrtemiS erinnert. SCntl^emia l^atte 
ftd^ in baS Sßefen biefer feufd^en ®öttin fo l^ineingdlebt, 
^atte beren freies ;9[ungfrauenbafein fo tiebgemonnen, ba| 
fte bei fld^ befd^Io^^ ber ®dttin il^rer ®eburtBinfeI aud^ 
l^ierin nad^juftreben: fid^ niemals einem SRanne ju i)erm&]^> 
len. — 2)ie flurenliebenbe ätrtemiS irgenbmie mit bem monb* 
füd^tigen (Enb^mion in Serbinbung su bringen, galt al8 eitel 
fte^erei in Sntl^emiaS SKugen. Sie ®öttin ber i^agb unb 
beS gefegneten ^lurenlebenS blieb i^r nun einmal bie 93er« 
förperung Dolßommener Jteufd^l^eit. 

(£i mar aber au(^ gar )u l^errlid^, frei unb ungebunben 
in ber belifd^en ®ebirgSlanbfd^aft gu fd^m&rmen, el^rmfirbige 
2^nq>elntinen aufsufud^en unb bort l^ingelagert ju tr&umen. 



— 12 — 

Stnt^miad SiebltngSpIol mar eine äUtarruine beS bor« 
tigen 9bpofhttmp^U. 2kiS mar ber Ste^ beS l^dd^ft benl« 
TDärbigen ädtarS, ber gatt} unb gor ani Stterl^örnern^ ben 
Symbolen beS göttlU^eS Sid^tS, gebilbet loor. Staust fontite 
für ein 2)anaergemüt auf ber iej^t f o nacften ^^ü ein trau« 
lid^erer Ort gefunben werben, an bent man, unbel^eUigt oon 
3ubringli(i^n SRenfd^en, ben feligften ^^antafieen an bie 
untergegangene ]^ellenif<i^e Gdtterprad^t nad^l^gen founte. 
Sfloä) immer lad^t an fd^dneu Xagen ber ^imntel l^ier in 
l^eiterftem ©lange. SCKeS ift bans Stulpe unb gel^eimniSsoQed 
Sd^meigen. 3älan ift jeben Hugenblicf gem&rtig, ätpoKon mit 
feinem mufifd^en befolge erfd^einen pt f^^u, um ieben 
3(ugen6HdE eine neue, mei^mutSrei^e (Snttäufd^ung gu erleben. 
-^ $ier unb unter fo fonnig lad^enbem ^immel erfd^eint e3 
begreiflid^, mie ber ^id^ter ftallimad^uS fingen tonnte, bieS 
Cilanb fei einem blinfenben Sterne gleid^ oom ^immel 
l^erabgefaHen. — 

3)ie fd^öne Qtxt, in ber Slntl^emia im trauten 9unbe 
mit il^rem fo innig geliebten iSruber bie (Srjiel^ung im elter« 
tid^en ^aufe genojl, mu§te, mie alleS ®d^öne, ein flSnbe 
nel^men. 3Bie fel^r eS fld| aud^ bie unermüblid^en (Eltern 
biefeS ®efd^mifterpaare8 angelegen fein liefen, il^ren ^inbern 
burd^ eigene Set&tigung unb burd^ Sltitl^ilfe anberer l^eroor» 
ragenber Sel^rf rftfte bie melfeitigfte äluSbUbung ju oerf d^affen : 
enblid^ mu|te ftd^ bennod^ bie fefte Überzeugung aufbr&ngen, 
ba^ ber Sol^n l^inauS in bie ^eme muffe, um mitten unter 
tud^tig aufftrebenben SUterSgenoffen einen georbneten Stubien« 
gang in f)fiegen. — (Sop^ron foKte an ber Unioerfit&t ju 
Stilen $]^Uofop^ie unb SDtatJ^ematit ftubieren — unb fo 
mu^te feine Trennung oon (Eltern unb @d^mefter ben erfien 
fdimeren Sraucrflang bilben, ber biefe friebenoollfte f^amilien» 
l^armonie trabte. 

3>ie (Eltern maren nad^ @op]^ron8 Slbreife meit meniger 
bebrüdtt unb beffimmert als Slntl^emia, bie fid^ pjeiten 



- 13 — 

«Die iDeltnerlaffen voxtam, fo fel^r mir il^r ber tnntgfte 9kr* 
fel^ mit i^rein über oQeS geliebten SSruber )u einem mabren 
^immelSelement gemorben. f^reilid^ entftanb ein lebhafter 
^riefmed^fel jmif d^en il^nen : allein Slntl^emia empf anb eS ju 
flar, ba| and^ ber regfte fd^riftlid^e SSerlel^r im SSergleid^ 
ium lebendDollen mänblid^en ^httn» unb ©efäl^lSQuStanfd^ 
immerbar etmaS XoteS an ftd^ trdgt. 

93alb follte baS $allenIo8fd^e (Sl^epaar eine jmeite^ 
nod^ fd^merslid^ere 3:rennung erfal^ren. Slntl^emia l^atte 
ou^erorhentlt^e ^ortfd^ritte im Panofortefpiel gemad^t. 
^^xt angeborene f^einfäl^ligfeit, il^r tiefeS Jhtnftempftnben 
liegen fte bie Originolf^önl^eiten ber üafftfd^en beutf^en 
äionmeifter ftd^er l^erauSfäl^len. (Sinen fel^r mefentli^en 
älnieil an ber (Sntmictelung i^reS reinen ä^ftlempftnbenS 
l^atten bie beutfd^en SSolfSlieber nnb bie S^oräle, bie ii^re 
9Rntter mit unenblid^er Stül^rnng unb ^erjenSeinfalt Dor» 
jutragen Derftanb. 3)a8 maren Samenförner in älntl^emiaS 
lauterer ©eele, bie fpdterl^in ju maleren {^immelSfräd^ten 
aufbläl^ten. 

Unter ben Ilaffifd^en Xonmeiftern nal^m allm&l^lid^ 
Seet]^ox)en il^r ganjeS DolleS ^erg gefangen. SDlit bemunbernS» 
merter Eingabe lonnte fte ben t)on il^r erful^lten unb ge» 
al^nten poetifd^en 3been SBeetl^ooenfd^er Xonfäiöpfungen nad^« 
ftnnen; j|a fte marb mel^r unb mel^r t)on einer unftillbaren 
Sel^fud^t nad^ bem 93aterlanbe SBeet^ot)en8 unb bamit nad^ 
bem Sßunberlanbe ber reinen flaffifd^en 9Ruftf ergriffen. 
3)ort allein l^offte fte bie Sd^üffel gu vizUn tonbid^terifd^en 
9lätfeln ju finben. 

SBSie fd^n>er eS aud^ älntl^emiaS (Sltztn mürbe, ftd^ auf 
fo ungemig lange S^xt t)on il^rem Slugentroft ju trennen; 
mie bange unb mie forgent)oll il^nen aud) jumute marb: 
fle maren befonnen unb oernünftig genug, enblid^ gern unb 
miliig ben bered^tigten Sffiunfd^ i|rer t)on fo melen ©eniea 
gefegneten Sod^ter ju erfüllen. 




^ritted jlapitel. 

Eigenartige (Sntoitfelnng eined Mettd. 




^en t)iel6eioegten Steig bet 9Beli |u «eiben, 
^aiB ®inet(ei bet (^famleit }u loäl^len, 
äBirb fid^'d bet 9Ratm erlauben, ber fi($ oft 
SBol^ltfttiger 3erftreuung überaob, 
äBenn Uneriräalid^ed, mit Bf^Ifenlaft 
$er5ei fx^ Ȋ[)enb^ il^n bebro^enb, fc^Iic^. 

®oetbe: S^ie natütli^e Sod^ier. 
Unb Suft unb Stebe fmb bie f^ittige 
3u großen Säten. 

(Boet^e: Sp^igenie auf Siaurid. 

)nb ^ntl^emia betrat beutfd^en SBoben, eine ^auptftabt 
beutfd^n SßuftflebenS. 

®d^neQ genug n)urbe fte im Jlonferoatorium ber ®egen« 
ftanb aufrid^tiger Sen^unberung. ^l^r SBefen l^atte etwaS 
berortig ©ebietenbeS unb babei fo ^reunblid^eS^ ^erjgeiDin« 
fienbeS^ ba| fte felbft bie in ftonferoatorien mit befonberer 
93orIiebe l^aufenben J)dmonen beS 9leibeS, ber ältij^gunft unb 
ber 9le6enbu]^Ierfd^aft t)dKig übermanb. 9Ran l^ulbigte nid^t 
allein il^rem l^en^orragenben muftlalifd^en Ingenium, fonbem 
aud^ ber aUbeiaubernben 9(nmut, ^ol^eit unb SiebeiSfäQe 
il^rer perfönlid^en (Srfd^einung. 

Unter ben t)ielen n)eiblid^en Sefannten im Aonfer* 
oatorium ermarb Slntl^emia ftd^ aud^ balb eine treue ^reunbin 
in (Bmma ^ilbebranbt, ber Zod^ter eine? @el^eimratg ber 
.Stejtbenj. 



— 15 — 

1hx%tttS me inneres SSBefen biefer beiben :3un9frauen 
btibeten einen ftarlen ®egenfat(. S>ort bie bunfle, grog« 
ittgige, ernfte 9(ntl^emia, in il^rem ganjen SCuftreten einet 
Olpmpierin oerglei^bar: l^ier bie l^eUblonbe, lebl^afte, ftetö 
f)txUtt, elfenjatte Q^ntnta. Sber eine gleid^e treue ^^ner« 
Ud^feit htäpfte biefe beiben gerabe infolge biefer l^eilfanten 
0egenfd|lid^!eit nur um f o inniger, fefter aneinanber. S)a« 
bttr<i^ n^arb il^re Orteunbfd^aft t)or ertdtenber (Sinfdrmigteit 
ben>a]^rt; fte entpfanben eS beutli^, ba| einer ben anbem 
erg&njte. 

2)ie ^reunbinnen fallen ftd^ faft t&gttd^. 3>er <Skbanfen« 
ouStaufd^ fanb jumeift in (Smmai (Slternl^aufe ftatt in bem 
bie SDtufU eine leibenfd^aftli^e ^ege fanb. @o oft eS l^ier 
anging, gogen fle fld^ in QmmaS ^el^eimjimmerdien iut&d, 
n>o fx^ bie SR&bd^enfeelen ganj aQein angel^Srten. 2)a n)arb 
benn auS ber tiefinnerften {^erjenStrul^e dIeS l^eroorgefud^t 
unb bem gegenfeitigen (Smpftnben, ^ul^Ien, SB&nfd^en unb 
Urteilen anoertraut. 

SEBer mit ber geiftigen Xarnloppe begabt ift, vermag 
baS ^nnerfte beS Snenfdienl^erseng gu erfp&l^en; felbft bie 
garteften, feft oerfd^lojfenen 9^egungen einer jungfraulid^en 
(Seele erlaufd^t bann fein ®eift, alle8 entpQt ftd^ il^m, un« 
oerfd^Ieiert liegt ein gangeS SRenfd^enfein oor feinen Sid^ter» 
äugen. — @oQte e8 einem fold^en nun nid^t möglid^ fein, 
eine jener traulid^en Unterrebungen gmifd^en Xntl^emia unb 
(£mma iDiebergugeben? — 

(Es mar einige SBod^en nad^ jenem fär Slntl^emia fo 
e^renooUen Jlongertabenb, als fld^ biefe mieber einmal bei 
il^rer ^reunbin in beren ^rioatgimmer befanb. ^ie 9n&bd^en 
l^otten foeben meifterlid^ 93eet]^ooenS Sd^idCfalSf^mpl^onie 
(bie fünfte in C-moU) merl^dnbig gefpielt. Slntl^emia fal^ 
feierlid^ ernft auS. S)a fprad^ (Smma gu i^r: 

— Slber id^ begreife nid^t, liebfte Slntl^emia, mie bid^ 
ber geredete, ftolge S^riumpl^ einer ^elbenfeele nod^ ernfter 



— 16 — 

aUi getoöl^nlid^ ftimmen !ann! 3" bir mu^ etooS ganj 
@onberbare8 Dorgel^en, bu bift jje^t faft beftdttbig in 9lad^« 
beulen verloren. Unb in fold^en SRomenten fpridit tnid^ 
bein fd^marjeg ^drgefled^t fo eigentämli^ an. 

— 93ieQeid^t^ ern)iberte Slntl^emia, erinnerft bu bid^ beüf 
fd^dnen (SebantenS auS 99eet]^ot>en8 Briefen an Bettina pon 
älrnitn: ,,raufd^enbe ^reube treibt mid^ oft gen>aUt&tig loieber 
in mx6) felbft aurild". — 3(^ ^aU bie Ziefe biefejS Slug^ 
f prüdes oft an ntir felbft erfal^ren, Unb foS ber 9Renfd^ 
nad) ben faft äbernt&d^tigen 3ubel!l&ngen, n)ie fte ber gelben* 
feele int finale ber C-moll^S^mpl^onie entftrdmen^ nid^t an» 
b&d^tig in fid^ gelten? 3<^ n>enigftenS bin ftetS barob t)er« 
n>nnbert^ ba^ unfer ftongertpublifum nad^ einer SBeetl^ooenfd^en 
®9nt|)]^onie fofort in baS gen^d^nlid^fte ©eplapper oerf&llt. — 
^6) begreife aun^eilen euer SSol! nid^t. 91m nteiften beneibe 
id^ bie ^eutfd^en barum, ba| fte einen SBeetl^oven il^r eigen 
nennen — unb wie unwörbig bel^anbeln fte il^n unb feine 
SBerfe fo oft! 

— 2)a3 glaube id^ n^ol^l, verfemte (Smnta, obfd^on id^ 
93eet]^ooenS n)unberbare ©rdge ntd^t fo erfaffe, n)ie bu mit 
beinem l^ol^en Jtänftlergeifte. $u barfft aber aud^ nid^t ju 
fd^roff aburteilen, nid[|t bag ^inb mit bem $abe auiSfd^ätten. 
(SS gibt mal^rlid^ nid^t n)enige, bie Seet^ooenS 2;onn>elt mit 
jener ®emätganbad[|t in ftd^ aufnehmen, mie fle bir, meine 
Xeure, fo n^ol^l aufteilt, ^a f&Qt mir jur redeten 3^it ein 
mir fel^r befreunbeter iunger 9)luftfer ein, gemi^ ha§ l^öd^fte 
SRufter eineg SSeetl^ooenoerel^rerg. äBunberbinge {dnnte idd 
bir oon beffen ^egeifterung unb unenblid^er SSerel^rung für 
biefen 3;on^erog er^dl^len. ^aS ift (Sbgar SBittig. 2)u l^aft 
il^n gemig fd^on bemerft, benn fd^merlid^ oerf&umt er ein 
Bongert, in bem eine gro^e Seetl^ooenfd^e 3;onfd^dpfung jur 
Slupi^rung gelangt, ©ein bleid^eS, fttl^erifd^eS Mnftler» 
geftd^t mit im langen paaren prägt fid^ leidet ben ©innen 
ein. — aiber, befte Slntl^emia, bein eigenes ®eftd^t überjiel^t 



— 17 — 

ftd^ ja pVMili^ mit htm lieblid^ften ^jhtrptttrot SBSie btt tnir 
btmxt le&enbig ein Sefftngf^eS ^ort aitf 9laÜfm beut 
SSeifesi Deranfd^aulid^ft! 

drrdten maö^t bie ^ft^lic^en fo f(^: 

Uab foHte cid^dne nid^ no^ fd^öner mad^en? 

3<i^ loeif eS ia, ba^ Stolj auf toteren Gti^dnl^ettSglcm^ 
meitab doh bir Hegt; borum geftel^ id^ btv'S offen: in fold^en 
äbtgenbltden ftral^t ein ^intmelSjauber von beinern %xüi^ 
aus. 2)od^ nun erfiftre ntir fd^neS nertrouenSooIl biefen fät 
mid^ fo r&tfelnonen ^rpurfd^ein. S)aj^ id^ bie 93erfd^n)iegen» 
i^eit felbft bin, — baS ift bir ja nottonf befannt. 

— 9lun n)o]^I, fprad^ Sntl^eniia mit faft trauecumftorter 
€ttnnne nad^ einem !ttr}en ®tiQfd^n)eigen, bu l^aft ted^t: 
jenes bleid^e, oerfd^loffene Slngeftd^t l^at fld^ mir, mie id^ 
fordeten mug, nur ju tief eingepr&gt. äBie ftarf l^atte td^ 
mid^ gem&l^nt, mie mar xäf fo feiig in meinem mdnner« 
oerad^tenben SCro^, bo^ niemals eine SRanneSgeftttlt meine 
@eele auS il^rem @Ieid^gemid^te §n bringen nermftd^te! Unb 
foS id^ biefen @toI} fo fd^neU bal^ingeben? f&t^, mir SKrmenl 
id^ mujite bamolS unmilKürlid^ nad^ bem ^rjen fill^len, fo^ 
unrul^ig pod^te eS gleid^ in nrir, als id^ baS erfte 9RaI Don 
ber tiefftnnigen SRelan^olie feiner älugen getroffen marb. 
2)iefeS mir gan} frembe, ntat (Sefül^l nerurfad^te mir viele 
Unrul^e, oft aud^ fd^Iaflofe 9l&d^te, gu älnfang infolge ber 
togftli^en 9(ufregung, bolb barouf aber oor freubiger <Sel^» 
fud^t. S>enn, la^ mid^'S bit befennen, id^ al^nte I&ngfl, ba^ 
er ein e!ftatifd^ erregter ftänftler, ooS non ber ©ottl^ieit ber 
Jtunft fein muffe. Unb ba id^ nun auS beinem treuen SOtunbe, 
meine i^ergenSliebe @mma, t)erne]^me, ba| er ben erl^abenften 
ber Sonmeifter f o abfolut verehrt, überlommt eS mein ol^nen» 
beS ®emilt mie l^ol^e @elig!eit. S>enn mer feinen Seetl^ooen 
nal^l^aft liebt unb el^rt, mu^ ein ebler SDtenfd^ fein. 

— ©iel^ft bu, Kcbe Slntl^emia, beine ^erjenSentl^üIIungen 
äberrafd^en mid^ nid^t fo, mie bu oieQeid^t benfen magft. 

AaUfd^er, Sie 9Ra<9t SBeetl^ot)«n8. 2 



— 18 — 

SHefer SEBtttig übt nun einmal auf mele eine munberfame 
älnjiel^ungSlraft auS, n)&]^renb er felbfl ft<i^ gar nid^t fonber» 
lid^ um unfer ©efd^led^t ju fümmem fd^eint. 3)ie aUejeit 
gefd^dftige Offa miQ freili^ miffen, ba^ er {td^ nad^ einer 
erften menig glücflic^en Siebe nid^t ben ©efal^ren eineS }meiten 
jberartigen ©eelenfd^merjeS ausfegen miQ. — SBSer mei^, ob 
td^ felbft nid^t mel^r als ^reunbfd^aft fär i^n liegen märbe^ 
loenn mid^ nid^t l&ngft baS biebere, m&nnli(^e Sßefen meines 
Aarl gefeffelt l^&tte. 

— S)u barfft um fo ftolser auf betne SBal^l fein^ fagte 
^ntl^emia, als eS faft einem SEBunber fil^nlid^ {tel^t^ ba^ ein 
länger beS raul^en 9b:eS einen fo mal^rl^aft freien^ objeltioen 
®eifl beft^t n)ie bein ftarl Don @id(ingen, biefer aüerliebfie 
Seutnant. — Slber je^t erf&Se mir eine grofe 9)itte. @pnd^ 
mir bod^ ©enauereS über aQeS, maS bu t)on jjenem jungen 
ftünftler mei^t. ®enug^ ba| fein ganjeS SBefen meine Zeil« 
nal^me in unerllarlid^em SRa^e mad^gerufen l^at. 

— @e]^r gern, enoiberte (Smma, ergdl^le id^ bir oon 
biefem ftngularen SRenfd^en, ber einen burd^auS eigenartigen 
®ang burd^S Seben genommen l^at. — iSittig, biefer j[e^t 
gan) in 3:5nen lebenbe unb mebenbe Stünftler, ^at ftd^ in 
feiner i^genb gar nid^t mit SRuft! bef d^äftigt. ^reilid^ trug 
er l^ei^eS 93erlangen, baS $ianofortefpiel gu erlernen; aber 
feine Altern, bie feine ^reube an ®efang, Sl^eater unb fton» 
jerten fannten, befürd^teten, ba| er bann bie SBiffenfd^aften, 
für bie er f d^on frül^jeitig ein entfd^iebeneS Talent be!unbete, 
Dernad^ldffigen mürbe« S)arum erprten fte biefen SBunfd^ 
beS geliebten ©ol^neS nid^t. 

— 3fft i>ß8 bein @rnft, (Smma? rief Änt^emia oer» 
munbert auS. SBie foQte eS mol^l möglid^ fein, ba^ jemanb 
Mnftler mürbe, ber in feiner ganjen i^ugenbjeit niemals bie 
Äunftalt&re felbfttätig gepflegt, ber fte nie mit ben eigenften 
Opfern bebad^t l^&tte! 

— Snein oöQiger (Srnft, mie aud^ aQeS, maS id^ bir 



— 19 — 

nod^ äßunberioreS wn biefem ältanne erjällen iDerhe, ver« 
fe^te (&mma, loobei fie in einem leidsten 9(nf[uge beg ®^mo|(f 
Ien8 i^u gl&njenben, meerblonben 8^P\^ iut&dmax^^ ZnnU 
hu in aQer ©etnütSriitl^e beinen itaffee nnb l^dre mx^ auf« 
nterifam an, bn liebefelige . Slntl^emia. — Wm f^ou' bod^ 
nid^t gleid^ fo jornig barein, bu w^x^t, ber (Sd^oCE ft^ mir 
einmal im Sfladen nnb l^nfd^t biSmeUen anS 3:ageSKc^t. — 
äBittig alfo, in einer ^ittelflabt nnfereS SanbeS geboren, 
j^atte in feiner ;3[ugenb äberl^anpt nid^t mel @elegen]^eit, 
gnte SD'htfif ju l^dren. 3m nennjel^nten SebenSfal^re begog 
er bie Unitierfttdt unb ftnbierte aSerlei @prad^en neben ber 
Sel^errfd^erin aSer SBiffenfd^aften, ber $]^Uofo|)]^ie. 3mmer 
faft g&nglid^ anf fid^ felbft gefteQt, nerfolgte er nid^töbefto« 
meniger mit etferner SS3iQen8ftär!e feine ibeolen Seftrebnngen 
in lieber nod^ f o f d^mierigen Lebenslage. Ol^ne irgenb meldte 
Kenntnis Don ber ^rajciS ber SVhtfü jn l^aben, marb il^m 
bennod^ in nnferer Steftbenjftabt ber Sefnd^ ber Oper, 
namentlid^ ber S^mpl^onielongerte jn einer OueUe eineS 
bisher faum geal^nten ^od^genuffeS. S)a lernte er in feinem 
einunbjmanjigften Qafyu eine gereifte @d^ülerin nnfereS fton« 
feroatorinmS !ennen, bie il^m baS Snerbieten mad^te, er foQe 
bei il^r baS ftlaoierfpiel erlernen nnb baffir il^r Sel^rmeifter 
in ber italienifd^en @prad^e merben. SBittig ging mit 
^renben anf biefen 93orfd^Iag ein unb untergog ftd^ in 
biefem t)er]^&ltni§m&gig fpdten SUter ber unerquidHid^en 
9Rä]^e, bie Slotenf^fteme nnb bie aOererften 9iubünente beS 
AlaDierfpiefö gu erlernen. ®iefe @tubien gerieten j[ebod^ fel^r 
balb ins ®todten, l^auptfäd^Iid^ rüoi)l beSl^alb, meil eS bem 
bamaligen ©elel^rten, ber fidd in bürftigen SSerl^&Itniffen be« 
fanb, 3U umpnblid^ erfd^einen mugte, in ben SBol^nräumen 
anberer bie unumgängU^ notmenbigen Alaoierübungen t)or« 
jnnel^men. (£r ful^r barum fort, fid^ mie e^ebem mit ben 
pafftoen Annftfreuben ju begnägen. 3>u ft^eft ia aber ganj 
teiinal^mSloS ba, Hebe älntl^emia! 

2* 



— 20 — 

— 2)aS tfl meine Oigetitfiiitlid^eit, entgegnete biefe, 
meine ganje Oebanfentraft auf etmaS gerid^tet jn |atteti, 
n>dl^enb i^ bem SBeobad^ter ganj nnem;)finblid^^ fafi apa< 
m^^ä) erf^efoie. ^al^re nur f^neO fori^ xi) bin unenblid^ be« 
gietig, baS ißeitere px etfal^ren. 

— (So fei es benn, fagte Smma. — Salb baranf trat 
ein SteigniS ein, baS id^, ba i<^ je^t SlftdMicCe auf baS f d^ier 
f^l^nomenale Seben biefeS äHanneS n>ei:fe, als ben entfc^ei« 
benben 9ßenbepun!t feines ganjen 2)afeinS bettad^ten mu|, 
— ein SebenSmoment, Don beffen Sebeutung bamalS meber 
er felbfl, nod^ irgenb ein anbetet bie getingfte S^nung l^aben 
lonnte. — VLm feinet mij^Iid^en SebenSftettnng eine Dorteil« 
lüftete Sßenbung an geben, entfd^Io^ et ftd^, eine il^m um 
biefe 3^^t angettagene ^auittel^tetfteQe in einet Keinen Stabt 
unfeteS SSatetlanbeS anjnnel^men. Qn einem SKnfluge fluben« 
üfd^ genialen ÜbetmutS l^atte et fld^ and^ beteit etflftrt, 
feinen {mei 3^^^g^n ^^^ ^^f^^^ Untettid^t im Jtlotoietfinel jn 
etteilen. — Qn feinet neuen ^eimat platte et nun an^ nid^tS 
(SiligeteS ju tun, als ftd^ einem ftlaoietlel^tet als htnftbegie» 
tigen (Sd^filet anjuoetttauen. Sßie et fid^ nun neben bet 
gemiffenl^afteften <StfüEung feinet |)&bagogifd^en unb lel^t» 
meijtetifd^en ^flid^ten t&glid[f ftunbenlang mit bem l^Sd^ften 
Q^fet aKen Sttten von ftlaoierftubien l^ingab, baS ettegte bie 
ftaunenbe 93emunbetung aOet, bie ftille Seobad^tet obet nn^^ 
fteimiOige S^^^ötet einet fo beifpiellofen ®ebulb maten. — 
(St l^atte, nebenbei bemet(t, eines bet feltenen $&ufet be« 
tteten, in benen man ben Stjiel^et in SEBal^tl^eit als @ol^ 
beS ^aufeS bettad^tet. — tBebenfe alfo, Slntl^emia: in einem 
SebenSftabium, in bem l^iet unb übetaQ ;9!ünget bet S'htflt 
fettige ^lat)ietfpielet, faft vüVixQ auSgebtlbete ftAnftlet ftnb, 
begann unfet SQSittig bie 3:onfunft ab ovo ju ftubieten. 
äBeld^ einen 9liefent)0tfptung galt eS ba ein^ul^olen! 

— SButben benn nun feine eigentlid^en @tubien gang 
beifeite gef droben? f tagte Slnt^emia. 



— 21 — 

— O, nid^t bo(^ ! onttDortete ühama. SHe frill^en Snot« 
gjenfhmben unb bie SKbenbseit ge|5rien hn iDiffetifd^aftli^ti 
2&tigfeit cot. (2Kne fold^e bveifa^e S9e{^ftftigung^ olS: Ost* 
%vä^n, SBSiffenf^aft unb SRtt^ pflegen, nnir nur bei einer 
sft^ofen Xcbeittfraft mdgli^, wie {ie toenigen befd^iebett «ifi 
nnb iDte »ir gi^aiten fie unS laum oorfteQen !5niteti. 

— <Stst 0lä(f mul id^ ed mnnen, fogte Xnt^emia in 
eteaS gereistem Zone, ba| nid^t etile Sfi^atien bein leicht« 
UätigeS Zentperament befi^en. Od^ barf wn mir {elbft be« 
ienncn, feit 3<^'^i^n lebe id^ fa{i ben ganjen Zag rein 
geifhgen Sefirebungen — , bin in ber Jtunft unb ftfil^tifd^n 
Siterotur anl^tenb fleißig. $i^ laffe auf ben grauen tds 
fold^en nid^t fo leidet einen IBonourf lüften, — « id^ — 

— {kilt ein! nmrf (Smma lod^enb bnjmifd^en, id^ n>iG( 
mid^ ia um aQeS in ber IBklt nid^t mit bir auf boS bi«> 
kftifd^e AompfgefUbe begeben; hierin bilbe i^ bie PottfUln« 
bige Dtefignation. S)a »iU id^ bod^ eiligipt in meiner 
(Srj&^lung fortfahren, ^dre meiter. (Ein abgegrengteS 3al^r 
beSeibete SEBittig fein (Srgiel^ramt Slaum glanblid^ maren 
bie Sortfd^ritte, bie er m&l^renb biefer hirsen Spannt Qtit 
in ber Shtnft beS ftlaoierfpielS ^mege brod^te. Sr gelangte 
in biefem einen Solare bis ju fd^ereren Sonaten oon ^a^bn, 
Stogart, (Elementi unb fogar — abgefel^ wn ben )mei 
deinen, leichten Sonaten Seet^o^enS in O-dur unb G-moll 
(op. 49) — gu einem ber n)unberbaren großen SbagioS bief eS 
9Rei|lerS; id^ meine ben meil^eDoQen EHtur-@a| ber Sonate 
in C (op. 2). 

— Qä) faQe auS einem Staunen inS anbere, fogte l^ier 
Ktitlemia. Übertreibft bu i^xm aud^ mttü^ ni^t? ^6f 
lann'8 nid^t faffen. 9Bie foUte iemanb in einem ;3[al^re bis 
^aOSerfen oom ed^ten, sollen Seetl^oen vorbringen fdnnen! 
Überl^anpt mn| ja bie SSerlndd^erung g&nglid^i ungeübter 
Sfittger ein (oum uberminblid^eS ^inbemiS für bie ^ertigfeit 
ber $&nbe fein. 



— 22 — 

— 3)tefer $unf t toirb unS nodfe 6ef d^dfttgen, entgegnete 
(Smma. ^reiltd^ n)oQte eS il^m l^ter nad^ feinet SlücKel^v 
faft niemanb glauben, ba^ er in feiner Sfugenb nie ntufijiert 
]^&tte. 3)aS ift nun einmal feftftel^enb^ 2::atfad^e, bu ntuf t 
eS*alfo ebenfaKS als SEBal^rl^eit O^innel^men. hierbei f&Qtmit 
nodd aus ber 3^^t feiner älnn&l^erung an ben eigentlid^en 
^eetl^ooen ein d^ara!teriftifd^er 3^9 ^tn, ben id^ bir nid^t 
Dorentl^ alten möd^te. ®o fel^r eS aud^ ^6)on bamalS fein 
Seltnen xoai, etn^ag ed§it Seetl^ODenfd^eg ben)&ltigen ju (dnnen, 
böntte eS il^n bod^ einer (Sntn)ei]^una gleid^, bag ftd^ feine 
@täntper]^&nbe an f o l^od^poetifd^en SBer(en t)ergreifen f oQten. 
Uhb erft, na^j^bem fein Seigrer biefe ©en^iffenSbebenfen be« 
fd^wid^tigt l^atte, fing er an, ftd^ ein großes älbagio 
biefeg 9)leiflerS einjuprAgen. 3n unferer ®tabt nun nal^nt 
ber junge ©tubio fofort njieber feine ^auptnjiffenfd^äft, bie 
^l^ilologie, auf unb betrieb baneben unter Seituhg eineS 
SÄufttlel^reirg baS Älamerfpiel. ©d^on itn erften Qal^re feinet 
SnufUjeit unb in immer fteigenbem 9)ta^e n^&l^renb ber $oIge« 
jeit fe^te er feine Seigrer burd^ baS ganj felbftSnbige ®rf äffen 
ber muftfalifd^en Sl^eorie in ©rftaunen: benn ol^ne jebe Sin» 
leitung dbflral^ierte er fld^ Don felbft burd) energif d^eS Sin* 
fd^auen auS ben äJteiftermerfen ber S^onfunft bie mefetttUd^fte 
ÄenntniS ber 3lff orbe unb ber SÄobulation. daneben fam 
frül^jeitig bie SCnlage jum 93orfd^ein, t)oQftänbige ©onaten 
au8 bem Kopfe ju fpielen. — (Sr mod^te etma mieber einen 
Zeitraum t)on breimertel ^föl^J^en in unferer ©tabt burd^* 
{logen l^aben, als er jum l^öd^ften (Srftaunen aller gange 
©onaten Don ^eetl^ooen, barunter bie Sonate pathetique 
(op. 18), auSmenbig tjortrug, natürlid^ in ben feurigften 
3eitma§en. ©eitlen iJel^rern — er wed^felte jiemlid^ ^&ufig 
— imponierte feine @igenartigfeit, bie il^n, abgefel^en DOtt 
ben notmenbigen (Stuben, • lebiglid^ bei flafftfd^en ©onaten 
unb, fdE|on bamalg, in übermiegenbem 9)ta^e bei SBeetl^ooen« 
fd)en SBerfen bulbete. SBenn aud^ bie ©teifl^eit ber ginger 



— 28 — 

hm f)t>^en, leibenfd^aftlid^en .Sluffd^iDunge feine? @eifteS 
i^ortn&dig (Sinl^olt gel^ot: er moUtt nid^t raften, hxS fem 
ftai^rer f^ngertro^ gebrod^en n)&re. 

— Überfam il^n benn in biefer ©tubienjeit nid)t fd^on 
eine ac^nung, ba§ bie 3Wuftf bcreinft fein 93ereid^ werbe» 
muffe? fiel jje^t Slntl^emia ein. @o natärlid^ eS äbrigenS 
erfd^eint, ba^ bie ^^inger n)eber befienb nod^ gefd^meibig fein 
fönnen, wenn fte nid^t von ^ugenb auf gefd^uU unb abge«» 
rid^tet loerben, f o mag biefent funfteifrigen ganger eine f ol^e 
UngelenKgfeit bod^ wof)l großen Kummer bereitet l^aben. 

— 0/ barüber werbe id^ leiber nod^ traurige Sntl^fil^ 
lungen gu ntadEien l^aben, antwortete (&mma, 3)a^ aber bie 
ältuft! bereinft fein SebenSelement fein werbe, ftanb bantalS 
fd^wertid^ in feinem ^ewugtfein, obgleid^ man feinem mufi« 
falifd^en Stalente uberm&gig mel fiobeSerl^ebungen fpenbete« 
©lei^fctm al§ geflügeltes SBort lief htrj, nad^bem feine 
3Rentorfd^aft il^r @nbe erreid^t l^atte, l^ier ber l^umoriftifd^e 
^[uSfprud^ eines feiner Itommilitonen bu^di aQ feine ?dt» 
fanntenfreife. 3)iefer fprad^'S, nad(|bem er jum erften SKale 
einen i^lamerDortrc^g (Sbgar SßittigS angel^drt l^atte, in ur« 
wüd^ftgem ^umor auä: „yia, wenn er ad^tjig i^al^re alt 
wirb, bann fann tr nod^ ein jweiter öeetl^pDen werben." 

älntl^emia mn^U l^erjlid^ baräber lad^en. 9lad^bem fte 
wieber jur Stul^ gefommen war, fragte fte il^re ^reunbin:. 

— SQSol^er !ennft bu benn fo genau aQe Sinjell^eiten 
aus bem frül^eren 2tbzn biefeS jungen ^unftlerS? 

— ffiaS SÄeifte, Tjerfetjte @mma^ wei§ id^ auS feinem 
eigenen 3Runbe. ffir uerfel^rt feit mel^rercn ^fci^i^^n itt un» 
ferem ^aufe, fo bat ^ ^^^ aQmäl^lid^ fein DoQeS SSertrauen 
erworben l^abe. Offen geftel^e id^'8 bir, id^ bin red^t ftpl$ 
auf feine ^reunbfd^aft. 3^ fann'S nid^t auSbrädCen, wie 
fel^r id^ midj^ freuen wfirbe, wenn il^m ein gütiges ©efd^id^ 
ein ebleS SBeib .fd^enien woQte, baS fo gang feine ftolge 
Sfinftlerf eele begreifen lönnte. ®u, Slntl^emia, unb Gbgar 



~ 24 — 

IBiitig: baB iD&re fo ein ^aax, tote tS bie SiebeSgenien ni^t 
in ^onen J^tntonif^ DoUtommener sufammenfägen I&nnten. 
— 3)u errdteft unb fd^I&gft bie atugen nieber. @Icmbe mit 
bo<l^ aufrid^tig, eine fo eble, feurige, geifteS^ol^e 9)t&nner> 
natur ift beiner gemi^ wärbig, n)ie fel^r bu an^ aQe 
^rmten, bie id^ irgenbn^ie lenne, an %hü ber (Ikfialt unb 
be< (Veiftef fibertagft. 

— SBenn bu ntid^ nid^t emftlid^ böfe mad^en wiOfi, 
fogte barauf Xntl^mia rul^ooD, aber mit einem Xnfd^ein von 
©ereistl^eit bann oerfd^one bod^ mein ^ei^ mit foCd^Iei 
Sieben, ^i) befd^n»5re bid^ bei aDem, maS l^ig x% ®laubft 
bu meOeidbt, ba| fid^ ein SiebeSbrama fo l^erunterfpielen 
ia|t, wie ein anufiffifidt? SHt fd^nft e< äbrigenS alS felbfl« 
oerfi&nbKd^ anjunel^men, ba^ idl^ t^neS ftänftterS Xufmerf^ 
famleit in befonberem @rabe ern^edtt l^be. SoQte er beinem 
^erjen oieOeid^t irgenb etmaS baräber anvertraut l^aben? 
aBenn bu burd^ fein IBerfpred^n ju fd^meigen gebunben 
bift, bann bift bu eS unferer ^reunbfd^aft fd^ulbig, ju 
reben. 

— (Sntfd^leiert ^at er mir nid^tS, beeilte fid^iSmma 
ju bemerten. 9>n mürbejl aud^ gar nid^t auf biefe 93er« 
mutung f ommen, menn bu feinen unb&nbigen l^ol^en 9tanneS« 
ftolj fenntefi. S)arin ifl er bir ein leibl^aftiger (Bofyx ber 
atn^tonifd^en ^aOaS ^t^e. ®r mid frei Don aQer Sflaven« 
laftigfeit fein, aud^ mo baS fd^öne @efd^Ied^t in Setrad^t 
f ommt. S>arum wappnet er fid^ jumeilen mit mel^r Suxüä* 
l^altung, als il^m mol^ltuenb fein fann. (St fprad^ mir atfo 
nad^ jenem Slonjerte freilid^ in fel^r begeifterten 3(ugbrft<(en 
aber bein munberbareS (Spiel; er meinte unter anbetem: 
bu fpielteft ben 93eet]^ot)en bod^ gar ju ^errlid^. SQSeiterl^in 
mugte er auf meine fragen ber Sßal^rl^eit gem&| einr&umen, 
baf bu il^m immer äberauS fd^dn Dorgefommen m&reft, aber 
am aüerfd^önfien, al8 bu baS SSeetl^ODenfd^e ftonjert fpielteft. 
Unb babei umfpielte feinen SRunb ein gans eigentfimlid^eS 



— 25 - 

Uif^, heS xif ntir bann mu^ meine« ®nne beute. Hier« 
bieS ^«Ae td^ n)o]^I bemerlt, ba| er inSf in ben fton^erten 
fsft unauSgefe^t beobo^tet. Sfatn »ei| er, ba§ rair befrem« 
bet {inb: eS ift il^m j[ebo^ nod^ ntemtfö eingefallen, an micb 
bie Sitte jn richten, baf id^ i^nt bie »eSanntfii^ft mU btc 
«snr!en nid^te. (Sr »id oSeS fl^ felbft oerbanfen. tlnb 
benno^ fel^e i^ Sterin ganj flar, offenbare bir ober meine 
9e^^ nid^t, um bid^ nid^t on^ neue )tt retjen. Gott 
\4i ben ^oben meiner (Ei^l^Iung mieber aufnehmen? 

äbitl^emia fd^ien nrie onS einem Zraume gn ttwai^. 
Sie fofte fld^ fd^eQ unb fagte mit leidster Unruhe: 

— ßi gemif! liebe <l^ma. ^^eber eigenartige ZAent* 
vxvoM i^t fär mid^ ttmai ^effelnbeS. Sa lönnte id^ bir 
Ms fp&t in ben Sbenb hinein unermfibet gu§9ren. 

— fßoiflan benn ! ^^r (Smma fort. Qm jmeiten i^oi^re 

«ad^ SBieberaufna^e ber Univerfit&tSfhtbien f onnte ffiittig 

feiner £ieBIing8fnnft nur ganj geringe S^xt mibmen, benn 

ie^t galt eS, bie notmenbigen Storle^rungen givax formeSen 

9bf d^luffe ber Stubien jn treffen. Sm Snbe thtn ieneS ^al^reS 

lomite ber junge @elti^rte feinem Stubentum ooO 3ttoerftd^t 

ben Widm menben. Seine ^rofefforen fprad^en feinen 

vnffenfd^ftlid^n fieiftungen i§re oofle Bufrieben^it auS unb 

liegten nid^t geringe (Srmartungen oon feiner miffenfd^aftlid^en 

dtthmft. aSol^I m5gttd^, ba^ folc^e {Hoffnungen fiä) erfüllt 

Ratten! — aber bie SRad^t be< Seet^ooenf^n ZongeifleS 

jbig feit an, i^r Übergemid^t fiber bie SRdd^te ber SBiffen* 

{t|aft geltenb ju mad^en. 3)em Stiefengeifte Seetl^ooenS 

aOeiit, ber auf biefen SJtenfd^ einen gemi^ einzig baflel^iMben 

Sinflul auSftbte, ifl eS ps^fd^eiben, ba^ feine SBiffeufd^aft 

Wi ber VhtfX oerbrftngt marb unb biefer ftunft fa^ wrnm^ 

t<|rfta!te XQeinl^errfd^aft in feinem Oeifte gem&l^ren mnl^tB. 

^4 bie Xonierrlid^feit biefeS SteifterS morb ber in i^m 

j^bnimembe ftunflfunfe jur l^od^bernben %lammt an* 

gefat^t. — »alb nad^ bem äbfd^Iujfe feiner (Stubien befud^te 



— 26 — 

er feine SItem, bie er feit mel^reren i^fal^en nid^t gefe^en 
ffaiit. 3ur 3eit> als er boS le^te SRal feine ißaterfiabt Be« 
fud^t l^atte, lannte er nid^t eimnol bie SRuftlnoten — unb; 
jle^t !onnte ix {td^ ber überraf d^ten ^antHie olS jiemlid^ 
fertigen JltaDierfpieler DorfteQen. Sber fein 93ater, ein burd^ 
tiefe ©otteggelel^rfamfeit unb ma\)xz ^röntmigieit onSgeseid^« 
lieter SRann, nal^m balb ein Ärgernis dn btefer lob^alen 
9Ruft!Ieibenf d^af t , bie gerabe je^t anfing, aUeS 9lid^tnmft» 
falifd^e auf bie aQerentfd^iebenfte 9Beife auS feinem ®eftd^tS« 
fteife 3u bannen. @e]^r lebl^aft fann id^ mid^ nod^ beS er« 
greifenben 9RontenteS erinnern, als SBittig erj&l^lte, mit fein 
93ater einmal roi1)xtnb biefer anl^altenben ftla))ierübungen 
heftig erregt in fein dimmer trat unb bie jornigen SBorte 
l^erDorftieg: „fBixVi^ 2>tt benn enblid^ aufl^dren? SBenn id^ 
bid^ fo ftunbenlang nid^tS als ba^ eitle ftlamerfpiel be* 
treiben l^öre, bann ift mif S gerabe, als ginge mir ein ®üd^ 
mitten burd^S ^erg''. 2)aS mar benn freilid^ fär Gbgar ein 
Sturj aus ad feinen Fimmeln. S)od^ bie SRutter l^atte i^re 
ftiUe Sreube an biefem Talente t^reS älugapfelS. 

— 3ft biefe SRutter muflfaltfd^? fragte »nt^emia. 
Ober gel^ört fte ju ben an unb fär fid^ l^eiligen 9Rflttern, 
benen beS @efd^id(eS SRäd^te bie a^nenbe 9^egung, baS fein» 
finnige @eful^lSleben verliel^en l^aben? 

— S)aS le^tere trifft ^ier meit mel^r ju alS baS erftere, 
erll&rte &mm(L Seine SÄutter l^atte mol^l als 9R&bd^en red^t 
brat) ftlamer gefpielt, aber mit i^rer SBerl^eiratung mu^te beS 
©atten jirenge 9lrt, bie aOeS S^onfpiel — eS fei benn, ba^ 
eS 3U &)xzn ©otteS erflang — als eitlen Sanb Dermarf, 
bem 9Rufi!treiben feiner ®attin ein f d^neQeS <Snbe bereiten, 
@enttg, ba^ biefe SDlutter, ol^ne eigentlid^ mufifoerfi&nbig ju 
fein, auf bie gute, begnabete (Seele il^reS ,,golbenen Sol^neS"" 
baut. 3)aS ift überl^aupt eine von ben feltenen 9)tättern, 
bie il^re ©dl^ne inftin!tio anbeten mflffen. ^5re nur biefen 
einen ''^ug ilireS SBefenS. @ie liebt il^n \m feiner guten- 



— 27 — 

@eele toifien, loie fie ftd^ gern auSbrödt. O^ne irgenbtoie 
l|5^ere SUbung ju beftien, al^nt fte baS ©roge in unb at& 
x^m. SBenn er ntanid^mal n)6]^renb feiner 93efud^e im elterlichen 
^aufe bei ©efeQfd^aften baS Sßort jn SSortrfigen^ Xoaften ober 
berglei<l^en ergreift, bann fd^neQt biefe SRutter, xou t)on l^öl^erer 
Straft befeelt, empor, um ftel^enb ooQer 9{nbad^t ben SBorten 
beS angebeteten ©ol^neS jn lanfd^en. Unb oft genug t&j^t fle 
il^m bie ^anb. — a)od^ l^ftre mid^ weiter an. S)rei Qal^re; 
einige 2Men abgered^net, ^tte SBSittig nunmel^r 3Ruft!unter« 
rid^t genommen unb fld^ im bntten ^a\)xt bereite in fleinen 
ftompofitionen Derfud^t. :3e^t fing er aud| an, ftd^ um bie 
muftfalifd^e Siteratur ju f Ammern unb SBädier aber aUge* 
meine SWupHel^re ju ftubieren. — 3)ie SBefud^gjeit in ber. 
^eimat erreid^te i^r (Snbe unb unfere äRufenftabt n)urbe 
auf§ neue }u feinem SebenSft^e auSerforen. 2)amit beginnt 
nun bie bittere SeibenS^eit beS auffeimenben ftänftlerS. @r. 
ftanb ganj aQein ba: oon dltern ober anberen mod^te unb 
f onnte er feine ©siftenjmittel erwarten — an eine fefte SÄn« 
ftettung, mie fie i^m fein miffenfd^aftlid^er ©eruf ermöglid^en 
fonnie, gab er jeben ®ebanlen auf — , e8 leud^tet ein, ba^ 
er einer f orgenf d^roeren B^funft entgegenpilgern mu^te. — 
3)ie bel^aglid^e Stulpe in feinem elterlid^en ^aufe, ber innige 
93er!e]^r mit einer um einige Qdf)x^ jüngeren @d^n)efter, 
ftral^Ienb in bejaubernber ä(nmut unb ©eifteSfd^önl^eit, l^atten 
il^m reid^Iid^e @elegen]^eit oerfd^afft, fein :Ö»nnerfteS iu er» 
fennen unb ju begreifen. . ©ang leife l^atte oft, mäl^renb er 
in Seetl^ODeng 2;onftr5men baS l^eitige SBab mufifd^er S9e» 
geifiemng empfing, eine (Stimme in il^m geflüftert: bie Son*^ 
mufe ruft, in i^ren rettenben, befeligenben armen minit bir 
bie l^eif erfel^nte S3efriebigung beS ®eifte8. @o mar er ooQ 
t)on 6nt]^ufla8mu8 för bie Slonf unft, ober — nad^ feiner 
SBeife ju reben, ba für fein fubjef tineä ffimpfinben Sonfunft 
unb 99ect^ot)en ju einer ffiinl^eit oerfd^moljen finb — erfüllt 
üon 93egeifterung für biefen Xongeift in bie SRefibenj jurücf« 



-- 28 — 

geleiert. — 2)ie Sßtffenfii^ft warb immec mt^t pernaiJ^I&ff^t 
a litt i^n ntm einmal nid^t babei SaS tonnte ü)m ber 
tro<Iene, pl^ologif d^e Sftd^erlcant im fBergleid^ gu Seet^opent 
Id^Strdftigen Xonfd^ftpfitngen bieten? 

— SRir nrin e8 (feinen, unterbrad^ fie l^iec Slntl^mia^ 
ba| biefe ouSfd^tiegli^e Hinneigung gu Seetl^ODen bo^ 19<^ 
im d^arattermefen beS jungen St&n^Uti begr&nbet fein muS- 
9EBei|t im oud^ l^eroon fo httereffant }U ers&I^Ien? 

— SDoräber^ meine Zeure, tdnnte id^ bir meite unb breite 
Xbl^anblungen Mrtragen, bie mid^ jebod^ mett vm meinem 
Xl^ma entfernen mürben, ttberlaffen mir biefen merEmftrbigen 
^nlt einer anberen Selegenl^eit. ^dre olfo meiter. 9htn* 
mel^r fe|te Sßittig aE feine mufUatif d^en @tubien ol^e Seigrer 
fort. Unb nun ben!e bir'S: nad^ einiger Seit fe|t er fid^ l^in 
unb fomponiert, o^ne jemals ftompofitionSflubien betrieben 
3U ^aben, eine gro|e $^antafte*<Sonate. ^d^ fenne bie Hom« 
pofttion . nid^t, fann bal^er aud^ ntd^t über ben äSert ober 
Unmort berfelben reben. 

— S^ft bu nid^t im »efi|e biefer Sonate?, fiel Sn« 
^emia mit unruhiger ^aft bajmifd^en. Oor ju gern mSd^te 
id^ f old^ eine urmüd^flg naturoliflif d^e ltom|)ofttion f ennen 
lernen, ^d^ moSltz, biefer junge Itünfiler lieferte ein SeitenfifidE 
ium äktter unferer Zragöbie, 3U 9lif d^^loS, oon bem erj&l^t 
mirb, ba§ il^m nad^ feinem eigenen Sefenntniffe baS Xolmt 
mel^r t)on SBa!d^o3 übernatürlid^er SBSeife gefd^entt als burd^ 
eigene ftraft ermorben 9U fein fd^ien. W^6)^loS l^atte bie 
tragif d^ $oefle nid^t ftubiert, f onbern mar in feiner @d[Kiffend« 
luft bem m&d^tigen, unmiberftel^lid^n £riebe feines <ikniu3 
gefolgt. 

— 2)tefer ^araQeliSmuS^ oerfe^e (Bmma, mad^t nid^t 
meniger beinern ^ettenentume als beiner l^ol^en SKeinung 
oon llBittigS jtünftlerberuf aQe (Sl^re. 2)ie betreffet^e ftom» 
pofltion befi^e id^ felbft jmar nid^t, aOein — fu|r <Smma 
fd^iaHl^aft Idd^elnb fort — bir fann gel^olfen werben. — 



— 29 — 

3<^ XDtx^ nur bog eine, ba^ l^attptf&il^ttd^ bie forto&l^renben 
@tubien SBeet^ODenfd^er Sonaten il^n ju biefent toOIül^nen 
(SrfttingSt)erfud^e begeiftert l^aben. ätber biefer äßurf brad^te 
bie enbgültige SernfSentfd^eibung. — ^oi) tb^n f&Qt mir 
ein, ba^ iä) oon i^m ein Heines ®ebi^t befi^e, n)orin bem 
Sbfd^iebe t)on ber fo lange gel^egten unb gepflegten SEBiffen« 
fd^aft ipaffenber 9(u8brudt oerliel^n »irb. 

— ^id^tet er benn and^?, fragte Slntl^emia ^enonnbert. 

— 9lun, antoortete (Bmma, l^entjutage ntad^t ia faft 
ieber SRenfd^ ®ebid^te: foQte er e$, ald ein ent^rfinbungS' 
DoOer ^nfller, nid^t Derntdgen! 

(Sntnta l^atte ntitilem)eile baS enoftl^nte ®ebid^t l^eroor« 
gefitzt nnb fagte bann ju il^rer f^reunbin: 

— ^ier tft SbgarS Sieb, liebe Stntl^entia, ertaube, ba^ 
id^'S bir torlefe: 

(Seftidte eel^nfud^i 

Sd^ fill^It' eilt feiges Seinen, 
^od mit bie £ebendtu§' 6ena|m, 
34 nu^e nid^t, loo^er eS !am — 
Xad ^(^icEfal fd^ien ju l^öl^nen. 

92id^ l^alfeit mir bie Reiftet, 
Xie mid^ feit früher Seit genäl^rt, 
^ie etoig greifen mid^ gelehrt 
^e^ ©eißed l^^re SReifler. 

Halt tiefen mt(^ bie grauen, 
S)er fjreunbe luftige ScbcnSart — 
5Det SSiffenfd^ftften greifet S3art 
©rfüUte mid^ mit ®rauen. 

@d sogen äffe fBelten 
SuS meinem bumsen Geiftedfd^t^, 
sag fd^afften einer SSklt fte $(at 
aRit l^immelfd^önen Selten. 

Unb in bie (eere @täUe 
Sog je^t bie Sonfunft iubelnb ein 
3R\t tf^xtm gülbnen @onnenfd^ein 
Unb 5rad^ ber Dualen Hette. 



— 80 - 

Bit 5radite iteued 2e(en 
^>em f(^on erfcl^(affteit ^er^endfc^lag: 
Unb nunberfam nun in mir lag 
^n fd^mered, §al$ed 6tteben. 

^a lel^tt bie SHu^ loieber — 
Unb ungeahnter ®d^affendbrang 
Sefeelt nun meinen £e5endgang — 
^d ii^ bie S^elt ber fiieber. 

• 

— älllerUebft, red^t flie^enb^ fagte freubtg Slntl^etnia. 

— Unb fiel^ft bu, erfd^ott eä auS bcr grcünbin SRunbe, 
biefeS @ebid^t entftanb gerabe in ber Qtxt, alg eg bei xi)m 
fefter SßiQe gen)orben^ fein £eben ganj ber gdttlid^en fSnufxt 
px n)ibmen. S>iefen feften @ntfd^Iu| fajste er j|ebod^ nid^t, 
ol^ne fx^ voif)tt mit ^ad^m&nnern über bie geeigneten äSege 
oerft&nbigt ju l^aben^ bie gur @rn)er6ung ber DoQen Jtänftler« 
fd^aft notoenbig ftnb. 

— aber oorl^in, liebfte (Smma, tateft bu ja feiner bit* 
teren SeibenSjeit @rn)&]^nung^ bie l^ierbei il^ren älnfang 
genommen l^&tte. Originelle Seiben, Seiben, bie ber not' 
n)enbige 3(uäflu^ einer f eft geprägten 9latur ftnb, ermedten 
immer in fo reid^em 3!fla%^ mein SRitgefül^I. S)erartigeS 
gel^ört nun einmal ftetS }U ben (Srl^abenl^eiten in unferem 
Srbenbafein. 3ft beine Suft ju er}&]^len nod^ nid^t erfd^öpft, 
bann bitte id^ bid^ fo innig mie mdglid^, je^t gerabe baoon 
JU fpred^en. 

— ©el^r gern, meine Slntl^emia. ®od^ baS miH id^ bir 
DoraitSfagen, beine großen ©tral^lenaugen merben babei mel^r 
als einmal in einem S^r&nenfee fd^mimmen. 93i§]^er nun 
l^atte SBittig bie Äunft mel^r ober weniger bilettantifd^ be« 
trieben: je^t mu^te bie praftifd^e unb tl^eoretifd^e ®eite ber 
SÄufif lünftlerifd^ angefaßt merben. 3Äe]^r al8 ein Qal^r 
l^inburd^ mar er im Älaoierfpiel unb in ber Äompoption 
fein alleiniger ßel^rmeifter gemefen, nun aber mu^te er fid^ 
auf ben SÄat einfid^tSooUer SWdnner feiner Äunft in biefen 



• — 31 — 

beiben Sw^xQtn bem&l^rten Sel^rftftften ber Zoniunft anntt» 
trauen; Sbgar foQte aufl^ören, Stutobibalt ju fein. 3)a8 xoac 
notürlici^ ein teures Unterfangen. Qu biefen nid^t geringen 
Soften fant, nad^ n^ie oor, bie filamemtiete unb boS ium 
9lotenan{auf erforberlid^ ®elb. 3)u begreifft wol^I 9oQ« 
lomnten^ ba^ boS neue aRufU^bium feinen ^auSl^alt fel^r 
belaften ntu^te. 93ergegenn)&rtige bir augerbem nod^ aOe 
notn)enbigen SuSgaben, bie ju einer nod^ fo befd^eibenen 
Sjnfteng in unferer ©tabt gel^dren — unb bu n)irft bie Kare 
Überzeugung gen)innen, ba| eä ein grofeS äBagniS bebeutet, 
ol^ne jebe frentbe^ilfe lebigUd^ ber eigenen £atfraft eine fo 
genioltige £aft au^ubflrben. älber bie Segeifterung für bie 
ftunfi^ bie (Srl^ebung, meldte feine @eele t&glid^ auS ^eet^o« 
oenS 9Berfen einfog, liefen il^n ^elben!u]^n allen (Sefal^ren 
ber @egenn)art unb ^utunft 2:ro^ bieten. 2>en erforberlid^en 
SebenSunterl^alt unb bie Soften fär bie SRuflfftubien fud^te 
er fx6) burd^ $rioatftunben in n)iffenfd^aftlid^en Sel^rgegen» 
ftänben ju ern)erben. 3^ 9lnfang ging aQeS reci^t gut. 2>enn 
ba er bie. 5tinber ntel^rerer f^amilien fel^r erfolgreiti^ fürS 
@9mnaflum t^orbereitet l^atte, fel^lte eS il^nt aud^ je^t feiten 
an eintrdglid^er 93efd^&ftigung. — (Sinem reid^en ältanne 
foQte er eine ed^t bramatifd^e Peripetie feines SebenS oer« 
ban!en — ben eigentlid^en, leiber frud^treid^en Seim 3U feiner 
S)ornenbal^n. — SBittig l^atte bantatö bie äBal^l )n)ifd^en 
einer fel^r günftigen ^auSlel^rerf d^aft unb einer mel^rftänbigen 
t&glid^en ^efd^&ftigung afö $rit)atle]^rer — le^tereS int 
$aufe jenes reid^en äßanneS. 3)tefer nun fd^ilberte unferent 
oufftrebenben Sflnftler mit lebl^aften färben baS ä^i^Hd^e 
beS ^auSlel^rerftanbeS unb fanb in SSSittigS freil^eitbärften« 
ber @eele ben enounfd^ten ^nllang. 9ladl^bem jener 9ieid^e 
unferem Sänftter auf beffen auSbrüdHid^en 9Bunfd^ bie feier« 
Kd^e 3i^fl^^^^9 g^S^ben l^atte, ba| biefe $rit)atftellung oon 
langer S)auer fein foQte, ging berfelbe auf ben SSorfd^lag 
ein. S)er werbenbe Sfinftler f onnte nun mit . f noppefter Slot 



— 82 — • 

feilt bopi^elfeitiged 3>afein friflen. 8bt ben Jltnbern ieiitt 
^nm *** ^tte bereits eine betoU^id^e 9[n}a]^I 90« Selbem 
Devgeblid^ ii^te pdbagogifd^en S&l^tgfeiten netf^j^mettbet ^err 
*** fd^ien voller d^friebenl^eit mit SBittigS ^i^ngen. SUtein 
na<| einiger Qtxt, am (Snbe eineS SRimatiS^ erl^t SSKitttg, 
ol^ne irgenbn)ie barauf vorbereitet ju fein^ ein ^Qet^ worin 
il^nt biefer 9ieid^e htnbtat, ba^ er fi^ loegen emer ttnpft^ 
Ud^feit feines &Iteften (Sohnes genötigt fel^^ äßittigS Unter» 
ri^t gona QUfsttgeben. (SS mürben aber von unferent ^rennbe 
ber ftinber brei unterrichtet. 93on irgenb einer CEntfC^nlbi^ 
png ober (Sntfd^&bigung n>ax nUfyt bie letfefte Slnbeutimg 
bentertbor. @o würbe nrpld^lid^ ber orglofe^ oertronenS' 
felige SBittig burd^ bie Sflüdtftd^tStoftgleit eineS angefel^eittn, 
gebilbeten, reid^en SRanneS faft um feine gonge S)afeinS» 
ntdgUd^teit gebrad^t. — ^tf) wunbere ntid^ burd^anS nid^t 
über bie UnmutSwoIIen^ bie fld^ auf beiner (Stirn anfotn^ 
mein, liebe Slntl^ia. @e]^t e§ mir bod^ l^ente nod^ immer 
fo, menn id^ baran erinnert merbe. 

— Unb mie nal^m bein ^rennb biefeS bittere Ereignis 
auf? fragte Slntl^mia, ben Slidt ooQ 9lngft auf <£mma ge« 
rid^tet. 

— S^^^i maQte fein 93lut m&d^tig auf, ermiberte bie 
(Gefragte, benn fein SDSefen l^atte ftd^ bomolS npd^ nid^t bie 
nnerfd^ütterlid^e @eelenru]^e angeeignet, bie il^m je^t eigen« 
tümli^ ift. (Es verlangte il^n, itntm SRanne in fd^arfen 
ätuSbrftden beffen arge @emiffenIoftg{eit oorgnl^alten: oQein 
balb folgte er feinem ebleren ^6} nnb fud^te fid^ biefe oer« 
l^ängniSvoQe SBegebenl^eit ganj avS ben Sinnen jn fd^lagen. 
(&S l^ielt freilid^ f d^mer, benn er f anb anbermeitig nur einen 
l^dd^ft geringen @rfa^ für ben iBerluft |ener ^rioatfteSung. 
Skt^ man in fold^en f^&Qen bod^ aud^ bie ^ilfe ber ©taotS» 
gefe^e anrufen fönne, banon l^atte unfer SBittig bamalS frei» 
lid^ leine äll^nung. ®old^ ein ®eban!e m&re il^m nid^t im 
S^raume eingefallen. — i^e^t aber jeigte ^d^ feinen S3lidCen 



— 33 — 

ein trofUofer Sbgntnb. S)te gro^e SRetifd^etiinel^^eit in' 
il^rer Il&gli^en Xotl^eit unb Sd^waid^^eit i^ gtt glauben ge«^ 
neigt, ba^ ein Ränget ber äBiffenfd^aft, ber fte oli Berufs« 
oBieÜ oufgibt unb ftd^ ber Stunft n^ibmet, bantit jugleid^ bie 
S&i^igleit verliert, miffenf<!^aftlid^en Unterrid^t gu erteilen«. 
2)a8 äSertranen ju Sittigg Sel^rtäd^tigfeit in ben wiffen» 
f(|QftU<i^en 2>iS)ipIinen »arb jufel^enbS gefd^n>&(i^t, — bie 
Über^ugung x>on feiner ntufüalifd^en iSel^rbef&l^igttng mac 
aber burd^auS nod^ nid^t norl^anben* @o tarn er in bie 
furd^tbarfte SebenSnot. (Sr ntu|te elenber barben als ber< 
geringfte S^agelöl^ner. ;^dre baS Unglanblid^e : faft ein ganjeS. 
^ai)x l^inburd^ beftanb fein 9nittag8« unb Sbenbntal^I lebig«' 
lid^ ans SBrot. Unb bod^ n)nrbe bie ältuftf mit rafenber 
Segeifterung gepflegt — unb iebeS nod^ f o l^ol^e Opfer n)urbe 
i^r leidsten ^ergenS bargebrad^t. — 3>u n)einft, Sintl^entia. 
^ TDU%U eS to6f)l, ba^ ftd^ beine älugen mit 2;r&nen ati« 
füllen märben, gutes, ebleS ^erj. 2>tt mei^t jebod^ noc^^ 
nid^t aQeS. -^ S)ie mad^tnoQfte £riebfeber ju biefer l^eroi« 
fd^en älufopferung mar ber Sliefengeift beS unfterblid^en 
Seetl^ooen. S)em 9lufe biefeS (Sinnigen mu^te unter aÖen 
Umft&nben ^olge geleiftet merben, mod^te bie 9lot nod^ fo 
gro^ fein. 9BaS äBunber, bag au^er ben ©elbopfern, bie 
feine eigentlid^en SRuftfftubien erl^eifd^ten, bie ftonjerte fein 
geringes Cluantum t^erfd^Iangen. SBol^l nod^ nie l^at jemanb 
fo in ^eetl^onenfd^en S^mpl^onieen gefd^melgt, mie biefer jjunge 
9)tu{t!er. Unb mol^I nie ^at jemanb biefem ^od^genu^ fo 
fd^mere Opfer gebrad^t, mie er. 9lid^t nur, ba| er unbe». 
benflid^ ben legten ^eQer fortgab, menn eS galt, eine ber 
unnergleid^Iid^en f^mpl^onifd^en (Sd^öpfungen biefeS 2;on» 
meifterS anjul^ören, er oerduf^erte biSmeilen fogar SBert» 
fad^en vm biefeS einzigen 3wedfeS miUen. — ^tUn biefer 
^auptleibenfd^aft marb er balb Don einer @pegiaQeibenfd^aft 
ffir a5eet]^05)enS fiebente ©^mpl^onie in Ä-dur bel^errfd^t. 3)a 
mod^te nun fd^led^terbingS aOeS SRöglid^e unb UnmSglidEie 



— 84 — 

9orf(dbii: baS Salden biefer S^mpl^mte touxh^ niemals 
900 i^ 9ercübf&innt, gleid^iel, lodM^eS Oi^^ftec fle sut Xuf » 
^ntiig brad^te. 3)aS mmj^tta aik^ bolb t^ide feiner 99e* 
ionnten unb ^reunbe, ba^ fein ^(fy Don bet Xufffii^nmg ber 
A-cbir«Sqmp]^onie nn}ertre«idid^ fti. ^ l^e eS felbft er» 
fobt, ba^ er bei unS an ber SonntogStafet »on^ ein per* 
wS^niti %t0axt!umf^i verleite, wvku bie eine ober bie anbere 
ebenfo htacöA ciS vergeblid^ bitten wß%U, er ntdc^te baS 
beoorftel^be S^nqil^onie'ftonsert bod^ einmal il^ juliebe 
opfern, ^ie A-dar-S^mpl^ome l^tte größere SDtad^t Aber 
il^n als ber liebreijenb^e ^anenmunb. ftannft bn btr baS 
jnfammenreimen? 

— 9Hd^t voIUomwen, antn)ortete Sntl^emia, m&l^enb 
ein fd^mer}en8reid^er 3i^S il^em SEBefen etmaS bef onberS Ot^ 
l^obeneS Derliei^. — SBie fel^r xi) m^ bie erften brei @&|e 
biefer 2;onbi(i^tnng benmnbere unb liebe: id^ fann mir ben 
nierten ®a| bod^ gar nid^t in pf^d^ologifd^en 3ttf<^^^^^' 
l^ang mit ben anberen @&|en bringen. Slber biefer ftfinftler 
l^änft mir SBnnber auf SEBunber. <lin fold^er 0rab Don 
^eeti^ovenbegeifierung mürbe mir t)5Uig ungloublid^ er^ 
fd^einen, menn bn, iSinjige, mir nic^t för bie t^oQe Sßa^rl^eit 
börgteft. 

— 3)en färben, mit benen id^ bir biefeS SebenSbilb 
entmerfe^ teure älntl^emia, fönnte man mai^rlid^ el^r ben 
ä^ormurf maä^m, fte feien ju matt, eis ben, bag fte gn gred 
fuib« ^ fann gerabejn fogen, ba^ fein Seben fett langer 
3eit viUx% in ^eetl^ooen aufgellt. Sen S^og beginnt unb 
befd^Iie^ er mit biefem (Steifte, ^at er in ber f^äl^e auS 
einer ^t|ot)enfd^en ®onate ftttlid^e @t&r!ttng gemonnen, 
bann beginnt fein XageSftnbinm. ^Betritt man feine ^&nS« 
ß^!eit, fo ftnbet man il^n entmeber an einer 93eet]^enfd^n 
@onate übenb, ober eine Partitur biefeS SlteifterS ftubierenb 
ober Sudler lefenb, bie baS 2zbtn biefeS l^ol^en @eifte8 be» 
l^ahbebi. ^ier l^abe id^ nod^ eine (Sonett auf SBeetl^ooen, 



— 35 — 

haS ix eittft wä^renb eineS &impfforik^Smi^ei betete: 
to mttl xi) bir bo^ siod^ Dodefen. ^n: 

9eei^09eitd SBei^e. 

©onett. 

Serfunfeit in gor nmnbevfamed Srüit'm^n; ' 
^1 nmd^en eitiaeS Oe^Mtt, ber Jtnobe; 
(5r trftumt iH)n ungeahnter ^immeUgaSer 
®r ^l^nt ein 9iei4 pon unJ^egrenaien Siftumen. 

^ foiifil^t eS iUJ^er ncgeioatt'gen Oftnmen, 
(Sd fliegt mit äeud' untlcftnatem S>onnerftabe, 
^amit 9)%u{t! nun einen jtönig "fyaU, 
§er6ei ber ?5ögel §enrf(^er o^ne @ttumen. 

®anft f(^Iunimert längfi bad Jtinb 9om (Sötterftamme; 
^er 9Car (erfil^rt beg jhiaben SBunberfc^eitel 
9Kit jenem golb'nen Sce|yter fd^ell unb lange: 

Unb $o(9l^9mnia mit 3auber!Iange 
^httfemt t)on IBeet^ooen, roaS C95ttem eitel, 
Unb «eiltet i^n §u l^el^rem @ottel(amme. 

— 3)iefeg ®ebid^t bemerfte borauf älntl^ia, tidinte 
midi) 3U aderl^anb @ebati!en ani:egen. 3un&d^t hin ii), bie 
<9rieii^entod^ter^ fy>ä)zx\tmt, umtter iDieber ju erfenn^n, im 
tief in ^erxn Sßittig bie ^leigung f&x ^eQog lourjelt. %m 
intereffatUeften mar mir ber @d|Itt| mit feiner meif mürbigett 
äJerfii^meliung ontil^l^ibnifd^r ^pfterien unb c^riftlid^er 
©^mbolif. 

— Sia, ein begeifterter ^eUenift ift er, Xntl^emia, hoS 
meil ber ^tnraiel; i^ benle mir aud^ onS biefem @efi<i^tlS« 
f>un!te feine ^frenbe unenbli^, wtnn er 'mit bir feinftnnige 
(Sit^pxU)t i&tx bie göttlid^en ^eEenen unb feinen unfterblid^en 
äSeetl^en filieren fSnnte. ^ä) l^be nur btefe iatx £eiben« 
f^ofien^ fagie er nnS vor einiger 3^it* SSeetl^oven nnb bie 
(&xkd^en, voxniäjmlii) bie %tl^ener. — SBie bu bod^ aber^ 
VMii fD lie&Iid^ errdteft! 

~ 2)n kift bDd^ nnnermüftlid^ in beinen fd^elimfd^en 

^ 3* 



— 36 — 

9ledemen^ (Smma. Sage mir aber tiod^: i^at er bir benn aud^ 
felbft Don feiner bejammemStoerten SebenStoeife gefprod^en? 
3)te 9itgen Slntl^emioS brüdten babei räl^renbfle, in« 
nigfte Xeilnal^me auS. 

— 2)aS nun gerabe nid^t, fprad^ (Smma. <Sr ift fd^on 
im allgemeinen nerfd^Ioffener 9latur; am aUermenigjlen {ommt 
fo ol^ne weiteres eine ftlage über feinen äftunb. Über fein 
bfiftereS SuSfel^en, bie feftgefd^Ioffenen Sippen, bie ftd^ nie« 
molS bem Sad^en px dffnen fd^ienen, fäl^rten eine Sprad^e 
trüber 99erebtfamfeit. 3)od^ bis vot furjer 3^it l^atte td^ 
felbft feine Stbnung t)on einer berartigen Ziefe beS SlenbS« 
(Sin S^^^"^^ entl^fiSte mir boS (Sd^redHid^e. :^d^ erful^r eS 
x)on einem feiner ^reunbe, ber fid^ einmal bei unS eine baranf 
l^injielenbe ^u^emng entfd^Ifipfen lie^, fo bag aQeS ju meiner 
AenntniS gelangte. Slber SQSittig l^at leine Sll^nnng bapon, 
ba{^ id^ eS mei^, mie fel^r er gebarbt l^at unb nod^ barbt. 
Unb er brandete Slörper unb ®eift nid^t gu martern, menn er 
bie SRnftSoften befeitigen moQte. 3)od^ baS burfte um feinen 
$reiS gefd^e^en, foQte er aud^ g&nglid^ babei gugrunbe gelten. 

— 3)ann t)erfänbe id^'8 in beine ©eele: a)iefer SRann mit 
feiner unerfd^fttterlid^en Opferfreubigfeit mn$ ein (Sd^ü^Iing 
beS lorbeerfpenbenben ®otte3 fein!, rief ätntl^emia begeiftert 
aus, aus ben Singen leud^tenb, mie bie propl^etifd^e SibpUe. 

— Slud^ id^ ermarte ®ro^eS pon biefem l^ol^en ®ei{le, 
bemerfte (Smma, aber x)iel(eid^t auf einem anberen olS 
mufifalifd^en f^elbe. — Übrigens gefeilten fid^ gu feinem 
freimiQigen Stunftmdrt^rertum aud^ anbere uuQorl^ergefel^ene 
Seiben mand^erlei ä(rt, befonberS ber qu&Ienbe unb nagenbe 
@ebanfe, ba^ eS mit ben muftfalifd^en ^ortfd^ritten fo mfil^* 
feiig fd^leid^enb ginge, gumal inbegug auf bie 5tlamerted^nit. 
3)er ^ingertro^ mar oieSeid^t natürlid^er als fein SBiQenS« 
tro^. 2)a}U fam aud^ nod^ baS aQfeitige, l&ftige, obgleid^ 
burd^auS mol^lgemeinte 3lbraten von einer Itunft, in meld^er 
il^m nad^ bem Urteile ber SReiften feine Stofen erbläl^en 



— 87 — 

Idnnten. Slu^ id^ fonnte mid^ erft fel^r ^pUt mit bem 0e» 
bonlen loertrattt mad^en^ baf er feinen fo oietoetfpred^enben 
mffenfd^aftlid^en SSentf mit bem problematif^en eines 
äHuftlerS Dertaufd^t l^abe. 93on allen Seiten regnete eS 9$or« 
mürfe, Sitten, Srmal^nnngen, Selel^rnngen, bentlid^e 3^^^<^ 
9on Unsttfriebenl^eit, )q t)on ernftem OroQ aber biefen mnn« 
berlid^en, unfaßbaren SEBed^fel ber SebenSbeftrebungen ; mand^e 
mürben fogor an feinem Serftanbe irre: aQein aOe ^ile 
prallten wn bem felfeni^arten ^anjer feineS Haren, fefien 
SßiUenS mad^tloS jurüdC. — f^rül^er mar man entjudCt oon 
feinem StlaDierfpiel, obmo^l eS bod^ gans bilettantenl^aft mar; 
ie^t aber, mo eS anfing, lünfUerifd^e (Seftalt ju geminnen, 
mad^te man abfld^tlid^ nid^t vxü 9(uf|eben8 baoon. Seine 
ftänftlermürbe fä^tt fld^ ^eilid^ ob fold^en UnmefenS tief 
gefrdnit, bal^er jiel^t er ftd^ immer fd^euer von ber @efell' 
fd(faft surüdt. Snd^ bei unS ift er je^t ein fel^r feltener ®a{i. 

— äBer meiß. Hebe dmma, ob e8 gnt ifi, baf id^ fo 
tiefe (Sinblid(e in baS ®eifle8maUen biefeS 9Ranne8 tun burfte. 
Sd^, mißbeute mein Seufgen nid^t. — ^at er benn je|t nad^ 
fo qualooQen dtiUn nod^ !eine 9[u8{id^t, baß ftd^ il^m 
irgenbmie bie rettenben ^ilfSpf orten auftun? 

— 9(d^ ia, entgegnete (Smma, bem ^immel fei banf; 
il^n ermartet j[e^t mieber eine lol^nenbere ^oattdtigleit. ^d^ 
felbfi l^abe il^n mel^reren Familien angelegentlid^ft empfol^len. 
— älud^ foIgenbeS ift fär fein eigenartige^ Seben d^aralte^ 
riftifd^. (SS ift unS beiben nur aViiVi einleud^tenb, baß ein 
fo flberm&ßig betriebenes SRufifftubium, oerbunben mit ber 
eUnbeften @rn&^rungSmeife, baS fdrperlid^e (Sebeil^en unter« 
graben mußte. SSerfd^iebene 2trxtt feiner Selanntfd^aft, bie 
!eine X^nung oon feinem 3)oppeQeiben l^atten unb fein franf « 
lafteS, abgel^ftrmteS, leibenSooQeS SluSfel^en beobad^teten, 
jagten fld^ mol^l, baß Sßittig ie^t ein red^t m&fteS, fd^mel« 
geiifd^eS Seben ooQer Suft unb XuSgelaffenl^eit ffll^ren m&ffe. 
9Bte foaten fte ftd^ fonft fein abgegei^rteS, blaffeS 0efi(|t 



— 38 — 

lienten? ^KSnmilen wm\m il^m f old^e änutmafmigen Hat uitl 
offeniftttr; bebenfe, i9te ein btrartigeS 93erfennen beS rtinfleii 
&t»tb^iS auf fftiii &tmüt einmtrf en wfü%U. (Er ttüvS cmd| 
bkfett ä^ro^n »iltg cotS bem Aeld^ feiner Seiben. 

— 2Bie l^ilfam Ühinte bod^ oft mond^ unnA^ vet^ 
\^mttt^^ ®«tt üenoenbet «werben, bemerfte ^ntl^emia tvei^ 
nttttö9oII. äEBie fd^ioer mnf aQeS biefeS auf feinem &tV^ 
laften? Unb bod| ift er nod^ gang mtgebeugt? 

9lid^t aDein ungebeit^, fonbecn mdnnlid^ ftoljet ben« 
jietttalS, beleihte fte (Smma. @eine erlangte ^ttlid^e SB&rbe 
vmb nor aOem ^t^oxmi, ber Sftenfd^ unb ftänftler, leiten 
ii^n iti aQen 3)rangfalen feines £ebenS oufreci^t. Sin biefem 
l^ci^en £eitftem rafft er ftci^ ftetä n)ieber auf, mog er aud^ 
nö4 f^ baniebergebeugt fein. 

— 3fd^ bin bir wal^rl^aften S)onf fd^ulbig, fpratl^ Sin* 
t^emia mit faft l^aftiger Unral^e, inbent fte fid^ erl^ob. ^ute 
gel^ id^ n)o]^I einer traumreid^en 9lad^t entgegen. 3Bie 
mtU9 l^at jje^t mein armeS ^m ju eno&gen unb ju ner« 
arbeiten, id^. bin ganj voU uon biefen (Sinbräden. ^6) l^&tte 
eS nid^t für möglid^ gel^alten, bafi eg in unferer fd^redfl^aft 
näd^ternen, materiellen ^dt einen f old^en rabilalen :^bealiften 
g&be! — 2)od^ nun, l^erjenStraute Smma, mu§ gefd^ieben 
merben. SSkinn feigen mir unS benn mieber? 

— 3^benfaQ8 n&d^ften Sonntag bei uni ^n einem Keinen 
OfamUienma|Ie, antwortete ®mma, m&l^renb il^ren 9Runb 
mieber jenes fd^alfl^afte S&d^eln umf:ptelte. — 3^ i^^^ ^tt 
Seftimmt^eit auf bid^. 9lid^t mal^r, bu fommft, Slntl^emiat 

— ®ttox% gemi^, liebe (Smma, von ^erjen gern; aber 
id^ l^offe, bid^ jlebenfallS nod| oorl^er bei mir ju feigen. 2to 
moQen balb mieber bei mir nad^ ^rjenSluft mufljieren; mer 
meif , ob id^ bir nid^t nod^ aQerlei ju erjäl^Ien l^aben merbe. 
3)od^ nun Slbieu, ^erjen§«®mma! 

2)ie ^reunbinnen umarmten unb fügten fid^. 
^ntl^emia ful^r unter feiigem Sinnen nad^ $aufe. 




^ierted Aopitet. 

^at äSunbet ber SSeet^toenfd^en ^onma^t 



Soll bcm ^ finbeiw ben man ^(^juf^äten 

Unb bod^ fo ange^taen »ctben! Sraun, 
^a muffen $et} uno 5topf ftd^ lange janftn, 
£)b HRenfc^en^oB, oh @(!^roennut ftegen foS. 
Dft flegt auc^ leineft: unb bie ^l^antaflt, 
^ie in ben Streit {tc§ »engt, mac^t ^ä^xo&cmttr 
9et »eichen balb ber Jtopf bad ^er^, unb balb 
^aiS f^ ben ibpf mu6 fiHekn. 

I^effing: 92at^an ber äßeife. 

^u mu^t glauben, bu mu^t magen, 
2)enn bie ®dttet lei^n Sein $fanb; 
9{ur ein äßunber lann bi4 tragen 
3n baS fd^öne SBunberCanb. 

Schiller: @e|nfu($i. 

;bgar äBittig l^atte baS erfte 3a^r feinet SRuftfftnbium» 
leintet fii). ^aS @ningen ber notiDenbigeit 2)oppel« 
ted^nil für bie auSuf^nbe unb felbftfd^Spferifci^e Jhtnft !oftete 
förperlid^ unb geiftigen @<d^n)ei^. 993ie oft rm^U er an bie 
Sgal^rl^it beS ^efiobeifd^en 3lu8fprud^ed erinnert n)erben, 
bag bie ®ötter ben @d^n>ei| t)or bie 2:üd^tigfeit gefteHt l^aben 

äSiel e^er gelang eS il^m mittlenDeile^ bie @<i^n)ierigfeiten 
ber jtompofttionSteiJ^nif^ al§ biejenigen ber flat^ieriftifd^en 
t^rtigteit }u ubemoinben. 2)ie in ber O^S^nbjeit med^anifd^ 
gar nid^t gefd^ulten ^^inger fpotteten felbft feiner SRiefen^ 




— 40 — 

anftrenguttgen: bie Sringerttatttt lie^ ffd^ nun einmal nx<fyt 
ummohtln. 

SEBenn SEBittig ^ianifien unb ^ianiftinnen l^örte, bie ^um 
großen 2:eile leinerlei SSerftdnbniS, gar leinen offenen Sinn 
fftr bie ^eiligfeit ber Stunji l^atten unb bie bod^ mit gl&n« 
jenber ^^ertigfeit fpielten unb pmniten, bann brol^te i^n 
^erna^ bie äJerjmeiflung ju übermannen. 

Sßarum mar eS i^m mit ber unenblid^en Siebe, 9e« 
geifterung unb älufopferunggf&l^igfeit für bie 2;on!unft oer« 
fagt, in ii^rem Xempel al8 ein ed^ter ^riefter su fd^alten? 
SEBoju in eine ®eele bie gtä^enbfie SBerel^rung fär ben 9BeIt» 
geift ^eetl^ooen pflansen, ol^ne il^rem ftörper bie ailad^t )u 
Derleil^n, bie innerli^ mol^nenben ^been t)on ber eigenartigen 
Sunberl^errlici^feit eben biefeS ®eniuiS aud^ nad^ au^en l^in 
lebenSDoO gu geftalten? ^ei^t ba8 nid^t untilgbaren Sd^merj 
in ein überftrdmenbeS ®^m&t legen? 

(£8 gel^drte )u (SbgarS 2:roftmitteIn, feine Seelenleiben 
in 93riefen an feine geliebte, treue, gleid^artige Sd^mefler 
auStdnen gu laffen. S)iefe Sd^mefter aQein nerftanb il^n, 
liebte i^n, glaubte an i^n unb l^offte auf i^n. 

(Einige ^rieffragmente auS biefer Qdt merben baS 9Ub 
biefeS merbenben ftfinftlerS in feinen 3)oppeIbe}ie]^ungen 
gum 2thtn unb gur Stunft x)eroo(lft&nbigen. 

3)en . . . 

a)u munberfl Äi^, ba| id^ nid^t auSfftl^rltd^ 

genug meine Sage fd^ilbere. 3^ mag'S aber nid^t tun. 
ilBo}u meine 2:rofUofig!eit bis in bie Üeinften ^afern l^inein 
malen! SDlein SoS ift fd^redCenerregenb. :g[d^ fiaune, ba| 
meine ffinf Sinne nod^ in Orbnung finb. ^[mmer biefe 
3)oppeIquaI ber SRufifleiben unb ber SebenSarmut. SReine 
Shaft — mirb fte nid^t balb gebrod^en fein? — SBie fd^abe, 
ba§ ®u nid^t muflfalifd^ bift. 3>ann f önnteft a)u empflnben, 
mie 3)ir au8 mand^er Seetl^otjenfd^en Sonate ber eigenfte 
Sd^merj l^erauSjutreten fd^eint, wie ber Sroft einfe^rt, wenn 



— 41 — 

bie mUb woQtnhtn, fd^mergenSooHen Zonfbiten unfer gram» 
erffiQteS ^j tiod^ mtffx burd^tDÜl^len. SRag fo boS ^ei^ 
»m atnb um gerfittelt »erben — gebetifen wir bann bod^ 
xeii^t ber falten SRenf^en! — 

a)en • • . 

93ei mir foC bie ftunfl nie nad^ SJrot gelten, 

bafär ntu^ bie ^l^lologie f orgen. Unb id^ bin mit mfi^igem 
Srot ganj jufrieben. 3)aS 9teale mtt| nod^ immer mel^r bei 
mir nerfd^minben, menn id^ im Xempel ber Jlunft metten 
miQ. ^6) fomme mir felbft fo r&tfell^aft mit meiner ^nft 
vtyc, meil id^ mei^, ba^ id^ an feiner eingebilbeten 9leigttng 
leibe. ^ merbe bamm and^ emig mit meinem @efd^id( 
groOen, baS mid^ fo fonberbar fp&t 9on bem ®lorienfd^eine 
ber SRufenfunft beftral^Ien lieg, menn eS mir nid^t gelingen 
foK, gan) in il^r l^eimifd^ jn werben. — 3)a ftel^e id^ ^mif^en 
gmei 9)&monenfd^aren eingerammt: bie eine Sd^ar frol^lodtt 
fd^on Aber meinen un^ermeiblid^en Sturj, bie anbere um» 
fpinnt mid^ mit ben fügefien Hoffnungen, ^d^ aber mug 
taub gegen cdd biefe (Sinfläfterungen fein, ber Stunftftimme 
aflein miK id^ folgen. SAateriell gipfeln bie Sd^mierigfeiten 
3U erfd^red^lii^er ^öl^e an. 2)o^ eS mirb fein (Sinmanb 
mel^r frud^ten; alfo oerfd^one mid^ bamit, geliebte (Sd^mefler. 
3^ l^abe ben Stampf mit f o melen feinblid^en 9R&d^ten unter» 
nommen: flegen miS id^, ober el^renooO unterliegen, nimmer» 
mel^r mid^ in ^eigl^eit juräd^giel^en. 

S)en . . . 

3f<!^ teöjie mid^ atterbingS: unb e8 ift ein 

erl^bener £roft, menn id^ an bie Seiben mal^rl^aft groger 
®eifter benfe, bei benen ftd^ mit wenigen äluSnal^men baS 
SBSort bemal^rl^eitet l^at: ,,^er ungefd^unbene SRenfd^ mirb 

nid^t ergOgen" ^0 [i.{] Sapsl? av&poiTroc o& icaiSeaexoct). ^a» 

nad^ mü^tt xä) nun bolb bie $alme ber (Srjiel^ung baoon» 
tragen. — — ©er (Srnft be8 Sd^idtfalg l^at mid^ fd^nell jum 
SÄanne gereift. 3fd^ bin feit langer 3eit in ber f^önften 



— 42 — 

S&ttterttng begriffen. 9(m glücffeligften Mn id^ je^t, loenit 
^ in meiner ftiQen 3^^ meinen ®dttern Sßeil^aud^ fhreKen 
Icntn. — 9lo^ eine 9emer!ung Aber boS ®enie. Sßeim i^ 
mir ein ma^rl^aft l^ol^eS @enie bente, bann tonn id^ ni^ 
anberg, al8 il^m bie DoQfte ^ol^eit beS (£l^arafter8 bei' 
legen. 9[l8 unerreid^teS ^^^eal im Sfleic^e beS @eifie8 unb 
S^arafterS ^ufammengenommen, ftel^ Seetl^ooen ba — in 
ben 99Ber!en mie im Seben mrgemoltig, unerfd^fltterlid^, itn« 
geb&nbigt wie ^OaS. 3Sunberfk %u ^xi) meUeid^t ba| ec 
mir in ber 9)lufif ber aKoerfünbenbe QtuS x% bag er meinet 
^^antafie mie ber buntelumlodte ftronibe Dorfd^ioebt? Unb 
n)enn3)uiene ber&l^mten ^omerifd^en Sßorte, t)on meldten 
bie Seele beä $^ibiag erfüQt mar, als fein deniuS bie 3eu»» 
ftattte fd^uf^ ing 9nuftfalifd)e Aberfel^eft, bann fannft 3>u er» 
meffen, meldte erhabene Xroftgemäl^rung mir auS iBeetl^openS 
Xonfd^dpfungen entgegenftral^t: 

^Sllfo \pvaä) unb toinfte mit fc^iofttjüd^n Brauen üronion: 

Unb bie amfooftfd^en iSoden beS 5löni(|ft »oOten il^m DonodttS 

$on bem unfierblid^en $aupt; ed erl^eBten bie $5]^'n bed Dipmpod/'*) 

S)iefe l^ol^eitäDoQe 9)tenfd^engeftalt mirb mir ftetg oocan« 
ieud^ten unb mir ^raft unb SluSbauer uerleil^en. — Sie 
le^te Qdt mar mieberum befonberg geeignet, bie Sefriebigung 
in ber jtunft bei mir }ur l^öd^ften SSoUIraft )u treiben, ^d^ 
l^ab' eS mol^I mand^mal gemaltfam oerfud^t, an bie SBiffen« 
fd^aften ju gelten, aber vergebens : eS litt mid^ nid^t babei. 
@S ift ein mal^rer ®ebanfe be§ ^oraj: 

Naturam expellas fiirca, tarnen usque recurret, 
Et mala perrumpet furtim fastidia victrix 

(Epistolarum I, 10, ». 24—25); 

meine muftfalifd^e 9latur l&^t ^6) nid^t mel^r au8 bem ©etfte 
jagen. Strb jte aber aud^ ^tegreid^ bleiben? — 

*) ^, xol xuavirjmv itz 6?ppüai veOae KpovUuv 
dpißpooiat y apa x^^'^^'^ ircpptuoavTo dfvoxTOc 
xpttToc dir* ddovoTOW [ji^av B'4XAi5ev 'OXüfxTTOv. 

§omer, SKaä I, ^. 528-530. 



— 43 — 

3)cn • . . 

— @eftern war toieber einmal ein ongftooQtr 

Zag für mid^. 2)u l^aft eS nHol^l nod^ nid^t erfal^ren^ ba^ 
bie uberjettgitng, in ber man ein Unglü^ l^eronnal^en ftel^, 
niel setftörenber n>ir!t, ali baS eingetretene SH^gefd^tdE 
felbft. 9lad^ einem Dergeblid^en Stenntn non $ontinS pt, 
Pilatus an biefem %a%t htoiftt bäfterer Unmut mir lebe 
Seben§luft gu nel^men. 3)a rettete miä) abermatö auf ber 
Strafe eine SBeetl^oDenfci^ tragifdfie £onibee, bie pld^Ud^ in 
meinem (S^mütt fang. 9Bie oft l^at mir urplö^lid^ btefer 
®eniuS bie S^ul^e mieber gegeben! @oId^eS vermag nur ein 
gdttlid^er SDtenf^. 3^ i^tQ S)ir ou^ ben Umfianb nid^t 
Derl^l^Ien, ber babei mefentlid^ mitmirft. ftein ^elb bei» 
@eifte$ ftel^t fo !lar üdr meiner ^l^antafie, mie 9eet|onen 
mit bem reingeiftigen^ von bem tiefften (Sd^merje bnrc^» 
jogenen, göttergleid^en Slngefid^te. ®o nerldrpert fld^ in 
meiner @eban!enn)elt unerwartet 93eetl^ooen8 @eftaU mit 
feiner Xonfd^öpfung — unb bie Stulpe jiel^t in meine ©eele ein, 

3)en . . . 

3)ein iüngfter, fd^öner mel^mutSooHer 95rief mnfite not« 
menbig bie nal^uermanbten SRoQfaiten meines Innern mftd^tig 
anfd^Iagen. (Bi^f), mie fxä) bie ©leid^l^eit unfereS finfteren 
©ef^idCeS geigt! S)ie ©eligfeit^ für nt^eld^e S)u uhenbUd^ 
®ntbel^rttngen ertrogen fönnteft, bleibt S)ir nerfagt! — Steine 
l^öd^fte ©eliebte, bie Äunft, biefe feufd^e Qf^ngfrau, meldte 
id^ mit ber @Iut gägellofefter, unioergIetdE)Iid^er Siebe liebe, 
ber i^ tdglid^ geiftige unb leiblid^e Opfer bringe, bie mid^ 
ol^ne einen Saut ber ^lage bie grSf eften ftafteiungen ertragen 
leiert, fte miß mx6) immer nod^ nid^t erl^ören. ftaum, ba| 
fte mir bie ^anb reid^t — unb id^ möd^te in il^ren göttlid^n 
pfiffen fd^melgen, id^ mii)tt i^ren l^immlifd^en altem in 
mein funftnerliebteä ;^erg ol^ne 9laft l^ineinftrömen laffen. 
3d^ fel^ne mid^ l^eij^, baj3 fie mid^ mit il^ren überirbifd^en 
armen an i^re l^immlifdEie SBruft jöge — bod^ fie l^at ni^t§ 



— 44 — 

als falte f&lidt fär mid^, bie meinen @eift mel^r martern 
als mal^rl^aft erlöfen. ^^ ringe unb arbeite, mir ed^te 
01üd(felig(eit }u erjf&mpfen: id^ merbe fie l^aben, menn mid^ 
bie SiebeSarme ber Stunfi gan) umfd^lungen leiten merben. 
SfnbeS rufe id^ 3)ir mie mir 9)tut 3U — unb id^ bebarf 
auf meiner flippenreid^en SebenSfal^rt bod^ nod^ meit mel^r 
beS 9Rute8 als 3)u. — 3>er S^raum, ber mir oor einiger 
3eit aufs neue Wut einl^aud^te, ift biefer. Qä) txinmU 
munberbarermeife vom @eneral oon Steinme^, um fo 
munberbarer, als id^ mid^ gar nid^t mit fo fteberl^after Srregt« 
l^eit um bie ftriegSereigniff e beS tierfloffenen dal^reS gefümmert 
l^atte, mie bie anberen alle. 2)a3U mar id^ )u doU von 
meiner äJtuftf, ober beffer gefagt, t)on Seetl^ooenleibenfd^aft. 
2)u mirft mir l^offentlid^ barum feinen 3)tangel an ^atrio» 
tiSmuS 3um 93ormurf mad^en. ^öre alfo: 3>u mei|t eS, 
@teinme^ ift ber eiferne ^elbl^err mit bem eifernen 3finU. 
(St liege ^d^ el^er in Städte l^auen, bet)or er nur einen 3^0 
Jbreit rödCmdrtS mid^e. Siegen ober el^renooS fterben — in 
feinem fielet biefe SRajrime unerfd^ätterltd^er feft als in 
(Steinmei* ^t trdumte alfo, bag id^ bie SBol^nung beS 
greifen, franfen @eneralS betr&te unb oon bem bal^infterbenben 
gelben empfangen märbe. ^6f mar il^m jmar unbefannt, 
aber fein (Sd^arfblidF mollte an mir unb&nbigen Wbxt mal^r« 
genommen l^aben. (£r minfte fd^meigenb — unb als id^ 
bid^t oor bem 9)tanne mit ber eifernen Stirn ftanb, prebigte 
er mir gemaltige SSSorte Don gewaltigem SRute. „SRut! 
mein Sol^n", erflang eS unter anberen Sieben, ,,lag 3>ir 
mein tapferes 2thtn ein Snufter beS ungerftdrbaren SRuteS 
fein, mo eS gilt, bem 93efe]^le eineS ^dl^eren ju folgen. SBiffe, 
bag 9Rut bie ^5(^fte ftraft ifi.'' 9lac^ folc^en unb a^nli(^en 
i^eroifd^en SBorten legte ber ®eneral feine ^elbenl^dnbe auf 
mein ^aupt unb {leiste fegnenb fär mid^ Unjerftdrbarfeit beS 
SRuteS l^erab. — ^^ ermad^te munberfam berfll^rt unb an» 
gefpornt. Unb menn id^ eS aud^ txo^ oielen 9lad^benfenS 



— 45 — 

nid^t erf äffen !onnte, obiool^I id^ ben ^^een-Bufammenl^ang 
ol^tie, loie mir ber alte ®eneral Steinme^ in meine Xraum* 
loelt fommt, fo fanb id^ mid^ nad^ biefen Xranmgebilben 
bod^ munberfam geft&rft em;>orge]^oben unb aufS nene mit 
frifd^er Kraft befeelt, allen weiteren ©efal^ren meines bornen« 
vollen SebenS mutig entgegen^ufd^anen. Unb bie allgemeine 
Seigre, loeld^e biefer 2:raum in ftd^ birgt, mirb mol^l and^ 
S)ir ^erjcnSftdrfung bringen. Slid^t fo, liebfte ©d^mefter? — 

3)en . . . 

— 3f<^ ^^^^ immer mel^r ein, ba| Slmaltl^eaS 

^orn feinen 93orrat für mid^ birgt. äBenn id^ einmal aber 
bie gegenm&rtige gro|e 9lot meineiS äußeren fiebenS nad^* 
ben!e, bann ftberfaUen mid^ mol^l bittere @ebanfen aber jenen 
Steid^en, ber mid^ fo fd^nöbe bal^in gebrad^t ^at. ©old^ üble 
SebenSart an einem äRenfd^en mal^rgunel^men, ber ben Flamen 
eines ©ebilbeten entfd^ieben in älnfprud^ nimmt, baS fd^merjt 
mid^ tiefer, als id^ 2)ir auSbrüdten lann. SlnfangS mar id^ 
fo erbittert, ba§ id^ mir etmaS t)on ber bei|enben @d^drfe 
eines 9[rd^ilod^uS ober ^ipponajr münfd^te: eS l^ätteil^m 
bann mie bem Splambibengefd^led^te ergel^en muffen, er 
l^&tte mie jene ^ret^ler burd^ ben SoxmSf)au^ meiner 93erfe 
jttgrunbe gerid^tet werben muffen. — 3»e|jt bin id^ gefaßter, 
obgleid^ bie Sürftigfeit meiner Sage in ftetem SBad^fen be» 
griffen ift. S)od^ brüdtt mid^ meine Snuftfnot weit mel^r. 
SS ift bod^ ein red^t miberlid^eS 2)afein. 3n ber letiten 3eit 
fUib wenige Slbenbe vergangen, an benen id^ nid^t mit bem 
äßunf^e 3ur SRul^e ging, baß bie beoorftel^enbe 9lad^t aud^ 
meine letzte fein mö^te. — SÄir fel^lt mel^r benn je l^ier ein 
weiblid^eS 3Befen, in beffen ^erj id^ meinen Sd^merj auS> 
gießen, — eine @eele, mit ber id^ meine l^eftige ©einSfranf« 
l^eit ausweinen Iflnnte. äBarum bift 3)u nid|t l^ier? 

3)en ... 

^^ntz f d^reibe id^ wieber an 3)id^. 3d^ f ü^le 

nun einmal baS SöebürfniS, ®i(^ immer tiefere ©inblidte in 



— 46 - 

\m Stfttte imfägU<i^en @d^ttter}e8 tun }tt laffen. SBBunbecft 
Xn S)id^ barftber? (ES ift fielen fo ergangen, wie mt. 
9Bir aR&nnec n)iffen eS itnS io#]^l felbft !attm re^ au er« 
Q&ren, roacam mt unfere ge^mften ®ebiinfen am tiebften 
einem Sßeibe anDertcoiten. @enug, ba§ au<i^ ein Wbmn 
rm Seffing, nad^em i^ boS tieffte £eib im Serlufte feiner 
l^ei^geliebten ®attin betroffen, fi^ mit feinen mfinnli^ 
ftlagen nur ber lieben f^eunbin (Elife 9teimaru8 nal^te. 
— 9)tein muflfd^er @d^merg mirb immer unbftnbiger. SEßoS 
l^ft aQ mein Sftingen, mein SRut, mein f^Iei^? id^ fel^e 
mi^ bem SRufenmnnberlanbe nod^ fel^r fern — meit, 
meitab vom l^ol^en ßi^le. ^^ ^erjelre mid^ faß in l^i^em 
Sel^tien nad^ einem SRnfenmnnber. — 9(ber oft, xotnn id^ 
an mein gänglic^eS (SrfäQtfein Don ber ^errlic^feit unb 
(Srl^abenl^eit 99eetl^OEDenS benle, bann loiK bie Hoffnung in 
mir 9laum geminnen, ba§ ber 9eet]^o9»ifd^e ®eniu8 moffl 
enblid^ fold^ ein 2Bunber in mir ]^ectM)rgaubem merbe. ^, 
menn eg ftd^ bereinft erfäQt, o bann moQt' id^ ben golbenen 
SRorgen greifen, ben mir bie $d^idEfal8göttinnen erfd^einen 
liefen. — 

3)en . . . 

I^ente ermad^te td^ mnnberfam gefr&fttgt unb gel^oben. 
äBol^r biefeg plö^Ud^e Sßol^tbeftnben ber (Seele? @oIl i(^ 
bieg ben faftalifd^en (Sd^meftem jufd^reiben, bie ben luftigften 
Steigen in meinem Sranmfaale tankten unb mir mit il^ren 
l^immlifd^en 3Bolfenfd^Ieiern ben l^ei^en SebenSfd^merj Cftl^Iten? 
Ober banfe id^ eS SBeetl^ooenS Xonfd^^pfungen, bie in unge« 
al^nter (Sigenarttgfeit mein träumenbeS (Semüt burd^gogen? 
^eute fann id^ nid^t anberS, als glauben, bag id^ balb auf» 
l^bren merbe, ber blo^e SpielbaU beS SBhtteg ju fein, baj| 
id^ nid^i nod^ oft ben j|&]^en ^oK t)on l^immel^rmenber 
^l^nl^ett jur lebenuntermfil^Ienben Stieinmätigfeit erlebe. @in 
berartig unentrinnbarer 3^g ju Seetl^ooen l^in mv^ burd^« 
auä etmaS ju bleuten l^aben. SIber mit nid^ten lannft 



— 47 — 

S)tt es S>ir DorfieQen, loie fväf meine Itanftflippen immer 
brol^ber itab gefa^n>etter geftalten. 

2)en . . . 

2)ie tr&ume flnb bo^ malere nedtifd^e (SIbe 

fftr irnS arme SRenfci^enfmber. SBie feiten trfiuml ein SRenftä^ 
baS^ maS er am fel^nlid^ften ju träumen münfii^t. 9Reine 
Srtnnenmg mei| mtr von einer einzigen (Srfd^einitng eineS 
erfel^ten SIraumbilbeS }n ei^ftl^Ien. 9[l8 Sd^üler ging mir 
einft ber l^ei^e Sßunf^ in SrfuDung^ Don meinen ^liabifd^n 
leiben px tr&nmen. 3(^ mei^, mie jid^ ba in nftc^tlic^er 
Stulpe bie alten l^omerifd^eu ^eroen, ber $elibe unb Xela« 
monS €o]^ an ber Spt^e, in tl|rer überm&Itigenben ®rdge 
barftefften; id^ fal^, mie bie grö^eften SW&nner ber i^e^tgeit 
^gm&en ju ben Xr&gem ber bamaligen 9liefenftftrfe maren. 
3^ trfinmte ^eftorS Xoh nnb Dbgffcug' Sieg fiber ben 
riefigen 3ljla8 nnb anbereS. — Qe^t münfd^e i^ nid^tg fel^n« 
lx6)ex, als einmal t)on 99eet]^dt)en jn tr&umen: aber immer 
nod^ ifk mir biefer 9Bnnf^ unerfüllt. ^ glaube, ein fold^er 
Xraum mü^te in mir eine Sd^merjftiQung t)on na({|]^altenber 
ftroft erzeugen. ^aS mü^tt bann eine l^errlid^e ä^raum« 
befd^reibung werben — fo unmittelbar t)or meinem böd^fi^n 
(Benins ju ftei^en ! — 

Sen ... 

flotto: Srftume, n^td M fCüd^i'^e IrAume • 
@penben wA We Sßeftenräunte; 
Xod^ eil fc^lummert tDoi^l »erborgen 
$Dft ^arin bed Sic^teg a^lorgen. 

93ar'S nid^t ein to0er Zroism, ber 2^raum r>om fd^uMirgen 
^nbe, ber in entfel^id^r Stranfi^aftigfeit fein eigenes &t' 
bei» Derfel^rt? SSHe bann bem fafl aufgejel^rten ^unbe, hem 
l^be, ber fid^ fetbft gefreffen^ ein munberlieblid^eS fiinb 
^tfpringt nxA munter ^&p% als beginne eS ben fd^önftoi 
SebeitStan}! Sber, o (Sntfe|en! »ad^ einem flüd^tigen 2:ttm« 
mein ei^fd^t bie neue SebenSfadtel — unb maxt fx^t fd^au» 



— 48 — 

bernb ein frifd^S Slofenünb l^inioelfen. (Srinnert jener 
Xraum md^t an ein ftd^ felbft oerjel^renbeS Snenfd^engentftt^ 
bem meQeid^t oud^, n^enn eS jid^ faft aufgerieben l^at^ ein 
glfldlid^er ®eifte8bU|( entfpringt, ein 93Ii^, bec su ben ^öd^ften, 
xeinften SebenSgenüjfen ein {^offnungSmeer erfd^Iieft? Unb 
gel^t bann nid^t ebenfo oft ein fold^er g^nfe fd^neQ, n>ie er 
gefommen, ooräber^ bie gel^offte Stettung in ben äBinb 
n)e]^enb? SQSie mel gro^e i^been fd^Iuntmern nid^t.in biefem 
ftd^ felbft oerge^renben ^unbe beS 2;raunteS! Sber id^ Der» 
laffe biefen 9t&tfelpun!t, nm SHr eine mertn^ürbige Sotfd^aft 
3U x>erl&nben. 

3Jt\x VDoth in ber iüngft oerfloffenen 9lad^t nun enblidEi 
baiS l^ol^e ®lnd }UteiI, in einem Xraumgemad^ ntit bem er» 
l^abenften ®eniu8 ber SRenf d^l^eit }U meilen. — (£8 mar nad^ 
einem Slbenb, an bem mid^ von neuem bie äBelt ber SBeetl^o« 
Denfd^en A-dur«@9mp]^onie in unerH&rlid^e 9(ufregung 
Derfe^t l^atte. ^6) m&Ijte mid^ auf meinem n&d^tlid^en Säger 
unb lie^ bie oerfd^iebenartigen (Elemente jener rätfefooOen 
äBelt an mir norüberjiel^en. 3^ fcinn unb fann aber mand^e 
beinal^e groteSfe ®eftalten jener Xonbid^tung nad^ — unb^ 
flel^e ba! jene fd^einbar groteSfen ^Silber ftanben balb al$ 
plaftifd^ flare Zr&ger l^ol^er SBeltibeen feft. Unb fo fd^Iief 
ic^ ein. SBaS äBunber, ba| mein fortarbeitenbeS ^irn gang 
in fSJbxfxt mebte unb f^mebte unb fonberbar p^antaftifd^e$ 
3eug ans n&d^tlid^e XagedUd^t förberte. — 9(uf einmal aber 
rii5 ber ©d^leier ber UnKarl^eit, — ein leud^tenbeS ®eifte8« 
bilb ftanb oor bem SntjAdtten. SJteine fterblid^en 9lugen 
tonnten ben überirbifd^ ftral^lenben @lan3, ber auS ben Sugen 
beS oor mir ftel^enben ®eniuS entgegenleud^tete, nid^t er» 
tragen. Unb lonnt' id^ biefe gl&ngenbe ®eifte8fonne nid^t 
gleid^ mit ben 3(ugen mal^rnel^men^ fo !onnte id^ mid^ bod^ 
t)on il^ren erl^ebenben Stral^Ien befd^einen laffen unb im &e^ 
nuffe eines jauberifd^en @eifte8glüd(eS fd^melgen. (Snblid^ 
liefen bie ©tral^Ien nad^ — unb id^ !onnte in ba8 tief«' 



— 49 — 

9eiftige'9lntli|( Seetl^pDenS voU feiiger ^»uiibetdng Uicfert 
^! loie M(^ ein WMid beS gdttliti^ett 0eifte3 oHe JQualen 
beS SebenS augenblitflid^ in ben Sßinb wel^t! SDer S^dpfer 
ber reinflen Sffinl^ri^eit flanb wx mir, befleibet ntit fd^wai^ent^ 
antifem g^eplo? -- ein 9ilb ber ibealften (»eiftedf<l^an^ett 
2)ie 99irf(i^feit »ar uergeffen, fo vie fein SBIitf auf mir 
ntl^te. @ein ebleS @kifle8antli|( mar von innerer lieiligfier 
Stulpe gefftttigt: oOeS SEBel^ mar ilbermnnben; nur ein feier<^ 
lid^er (Krnft mar jurädtgeblieben. 3)ie Unterl^oltung l^at 
fcmm mel^r oÜS einen permorrenen Slad^l^aU in mir aurüif ^ 
gelaffen; barum fd^meige id^ haoon, (Sine ^emerfung^ fo« 
viel ift mir erinnerliii^, jauberte onf feinem nerfl&rten 9(n« 
geftd^te ein l^immlifd^eS S&d^eln l^emor. — 5i^ etmad^te 
nad^ biefem SironmbUbe mnnberfam gefrdftigt; fälble id^ bod^ 
meinen ganzen SebenS}medt banod^ gemad^fen* 

SBoS fd^reibft 2)u mir vpn ®dnnern, bie mid^ m» 
meiner £ebenSnot reiben foQen? 3^ ^^i ^^^ feinem 
0dnner miffen. SaS S^dcenatentum fftl^rt mel^r ober meniger 
einen 93erlttft an ftttlid^er gfreil^it l^erbei. 3d^ miQ felb« 
^finbig fiegen ober unterliegen. 

Unb nun gar Sein anem^fol^Iener ItritifuS SS., bem 
id^ mid^ n&l^ern foK! 3)tefer SB. ift gerabe ein ed^ter 
%qifta f&r baS Strebertum unferer Q^t Sr gel^Krt ju jener 
©ptifti, von ber man fagt, ba$ fie e$ nid^t ndtig laben — 
unb bod^ rm fo nStiger su brausen fd^einen. Sie fing e» 
biefer fl&. an? (Srft fud^te er burd^ d^itttngSannoneen ber 
gabte Sd^äler beiberlei ®efd^Ied^tS, benen er unentgeltlid^ 
Unterrid^t erteilt: benn er l^at a ia nid^t nötig. 3)a| er 
onberen, bie eS ,,nfitig l^aben", bamit einen Stnüpptl Aber 
ben Sßeg mirft, ba$ bebentt fold^ ein ebleS 6ubieltum nid^t. 
3ft baS nun leiblid^ gelungen, bann lauft man — meil 
mon'S ia baju l^at — ein irgenbmie renommiertes ^t^ftitut 
an, fauft fld^i fo mol^Ifeil ben SHreftortitel. Sann br&ngt 
ber @trebergeift oorm&rtS, unb menn unfer Sd^iller fagt. 



— 50 — 

ba^ ber äRenfd^ ttttt feinen l^öl^eren 3n)eden w&ä)^ — fo 
beleihten nn8 ^rfd^en a la SB., ba^ Strebermenfd^en an^ 
mit il^ren nteberen Srotäen n^ad^fen !dnnen! (So tut eS 
benn ein i^Fnftitut unb Sireftortitel nid^t aOein. Man mujs 
Aunftrid^ter toerben. 3)a mtn ein fo nnbebeutenbeS, nnht^ 
(anntes :3fnbit)ibuum k la SB. auf orbentlid^em Sßege nid^t 
als Jtritifer anfonnnen lann: erbietet man ^ä), bei-^anj 
imtergeorbneten 3^^to^0^n/ ^^ ^^^^i dfonomtfd^ fd^alten 
mfiffen, als unentgeltlichen St^enfenten an. SffiaS Derf^I&gt'S, 
ob ba irgenb ein tüd^tiger SRufitfritifer — ber eS nötig l^at 
— aufg ^after gemorfen wirb — (Selb tötet \a fo oft ba8 
äRenfd^enl^er}. Unb fo mirb man ÜAuflfreferent in partibus 
infidelium. Scanner a la SB. fönnen eS ja als unbefolbete 
Ihtnftrid^ter leiblid^ lange auSl^alten. Unb fiel^ ba: bag 3(n« 
lagefapital rentiert fld^ Dortrefflid^. SRan gelangt — freilid^ 
ol^ne eS nötig ju |aben — an beffer fltuierte 3^itungen mit 
SJefoIbung. Unb fo l^at {td^ benn unfer 9B. na^ unb nad^ 
bis %um ftritüer einer unferer angefel^enften 3^itotigen 
emporgeftrebert. 9latürttd^ lönnen berartige 9Renfd^n, bie 
offenbar an einem moralifd^en 3)efeft leiben, in Singen ber 
ftunftmoral bie unmärbigften unb unlauterften S)inge Der« 
teibigen. — Habeant sibil 

3)er ÜKaterialiSmuS ift je^t l^ier f o eingef[eifd^t, ba^ bie 
meiften SUenfd^en fd^led^terbingS nid^t begreifen !önnen, mie 
nod^ änige SBenige p ben Xempeln reiner itunft unb äBiffen« 
fc^aft mallfal^rten fönnen. 

3)en ... 

@eftern mar ein glöl^enb l^ei^er :3umtag. ®ie 

@onne fd^ien il^r lange ftolj jurädFgel^alteneS ©lutenmeer 
:plö^lid^ mit l^i^er SoQuft auf unfere !&ltegemo]^nten $&u^ter 
auS^uftrömen. 3)ie 9)tenfd^]^eit fann nun einmal nid^t mel 
t)on bem ^rad^tglanje ber lid^ten, emigen ©onnenllarl^eit 
vertragen. 9Bie id^ an biefem tropif(^en ^unitage mit eigenen 
3lugen 9Renfd^en por ben fd^redflid^ fd^önen ©tral^len ber 



— 51 — 

@oiiJie in il)t elenbeS 9lid^tS l^inf4|iDinben f al^« mit|te id^ 
an Sefd^ipfe benfen, bie, geblenbet Don ber Sonne ubif<l^er 
9Iii(fBgttter, geiftig oerfinten, gut entarteten ®eifte8fra^e 
SDerbeti, n)&]^renb il^r Stivftt geiftloS fortlebt, ^d^ ntu|te 
OK bie Sinfterlinge ben{en, benen l^Qftrol^lenbe Sonnenma^r» 
l^it Surd^t unb ®4ire<fen in ben fonnenlofen ^ift iogt. — 
— liier meine Sel^nfud^t nad^ einem n>eiblid^en SSBefen, bad 
mein innerstes @ein begreifen Unntt, borfft S)n mid^ nic^t 
fd^elten. 9Bo^I nod^ nie l^abe id^ ein fol^eS SiebeSfeldinen 
em|>fttnben, n>ie gerabe )e^t. 3)ie Siebe bleibt bod^ emig bie 
einfbitreid^fte ®dttin ber Slnnft. 3<^ glaube, ie|t nur noc^ 

{unfUenfd^ Heben au fönnen. 

Den ... 

@ans unb&nbiger 2^itanengroU fd^eint l^eute su n^ieber» 
l^oUen 9)talen Mmutter Statur )u bel^errfc^en; mir iff S, als 
ifiit id^ unouf^örlid^ Seet^ooen bie oerberbte SRenfd^l^eit 
anbonnern. ^u! n>ie hcS bUt(t unb furd^tbar frad^t! — 3)i)^ 
empfdngft 3)onnergrü|e. Sßarum toft benn l^eute bie 9latur» 
haft fo fd^redtenSooQ erl^aben? äBirb i^r förd^terli^er äBed(« 
ruf bie SOtenfd^en auS il^rem fünbenooQen @d^Iummer rütteln? 
Berben fle nod^ immer nid^t erlennen — fle mögen f^ürften 
ober ^ttler fein — , ba| fie oon ber ^errfd^erin ©otteS« 
notur n^ie ein 9lid^t$ jermalmt n)erben !önnen? unb merben 
fte noc^ immer nid^t ftreben, fid^ il^r l^inf &Qigeg Seben rein 
unb fd^.5n in geftolten? 2)aS finb fold^e @otteSmomente, 
»ie fie ber ^falmift erfd^aute, olS er bie fönigUc^en SBorte 
fang: „Seigre unS beben!en, ba| mir fterben m&ffen, auf 
bal mir flug werben" (^falm 90, 12). — SBie fd^abe, ba§ 
bie Urmutter ftc^, nur nod^ leife groQenb, in il^re gel^eimniä» 
ooQe Kkufe jurädtsiel^t! Si^ J^dre {ie fo gern, menn fte fic^ 
in rafenbem S^i^ue &ber bie Sltenfd^enl^&upter ergießt; aber 
bie gro^e SDtenfd^enmaffe ift gu oerftodCt : fie ]^5ren bie 2)on« 
nerftimme ber 9latur unb oerftel^en i^re furd^tbare 3)eutlid^« 
feit nid^t. äBenn bie äSeetl^ooenfd^e ^itanennatur in fd^recf« 

4* 



— 52 — 

Itd^em 3)onnerganse einl^ersiel^t, fU^en fie ba unb I&d^tln 
uitb foreffteren ft<l^. 

Sel^r oft fielet mxif jel^t bie XBett iDie ein nedCifd^er 
2:raitm an; i^ tr&ume t)on latl^nben Oefid^tern unb tragt 
einen (ScI^mersenSfturm im Uutenben ^evien. ^abe i^'S 
bod^ felbfi nid^t geglaubt, bajs ber langgendl^rte Sd^merj ju 
fo nantenlofer |^l^e in mir angenmd^fen fei, mie id^'8 nun« 
me^r ertennen mv^it. SHenStog mar'8, loo x^, von leibenS' 
oottfter ttnrul^ gepeinigt^ bie xi) nid^t jn beuten oermod^t«;, 
mid^ iVL meinem ^rgenSerleid^terer flAd^tete. <SS gibt in ber 
A-dur-S^mpl^onie einen 2^ouerfa|( oon ber ergreifenbften 
tragifd^en 3Rad|t, übeno&ltigenb ffir ben n)a]^r]^ft ffil^nben 
äTlenf d^en. 3)iefen @a^ fpielte id^ ba unauf ^örlid^ : ba mad^te 
ftd^ ber lange jufammengepre^te Sd^merg unauf^Ufam £uft 
— unb bie 2;r&nen quoQen reid^Iid^ aui meinen Stugen l^er* 
oor. Qn fold^en ibeolen, fc^merjlid^ ergreifenben äRomenten 
offenbart fl^ mir ^eet^ooeng unfterblid^er Sc^merj: eS ^nb 
bie l^iligen Zr&nen, n)eld^e ber @eniu8 meint, wmn er bie 
SRenfd^l^eit im SSerberben fd^aut. 9limmer ^&tte id^'S ge- 
glaubt, ba| in mir ein fo reid^lid^er Xr&nenqueK |»erlt. 
3)u mei|t eä, id^ gel^dre 3U ben ftreng gepr&gten Staturen, 
benen ber bitterfft|e 2:r&nenftrom nid^t oerliel^en ift. Unb 
bod^! n)ie erleid^terten mid^ biefe mir oon SBeetl^ooenS 2^n« 
feele erpreßten Zoranen! mie ^eri^ob mid^ banad^ bie feelen« 
ooKe 9lul^e unb gab neue Jlraft )um (Srtragen neuer, unf&g« 
(id^r Seiben! 3)a erlannte id^ benn mieber, mie tief bie 
lange einfam geborgenen Seiben in mir SEBurjel gefaxt l^aben 
mäffen. — 

a)en . . . 

3d^ f ann ®ir fd^led^terbingS leine 3torßeSung 

oon ber ßerfal^renl^eit geben, in ber fld^ mein armeS ^6) 
ie|t l^erumm&Ijt. ^i) gleid^e bem Sd^iffer, beffen 99oot oom 
mUbeften Sturme auf ber empörten @ee gleid^ einem fd^nmu« 
ienben Siol^re l^in unb l^er getrieben mirb. ^n meiter ^erne 



^ 5» — 

roxntt U^m gaubertfd^ Id^elnb baS l^eigerfel^nte Sanb: bod^ 
bieS sottberl^fte S&d^ela oergrd^ett nttr feine XobeSqnaleti; 
beiitt fein Untecgang fd^eint umertneiblid^. (So toinft ond^ 
mit aus loeiteßer l^immelSfente ein rettenbeS ^beol unb oec« 
grA^ert bie SRartern beS Unterganges auf bem ftucmbsaufen« 
ben SebenSmeere. %ie mnfi nun DoQenbf einem @d^iffer ju« 
mute fein^ ber feine Itraft fibemtenfd^Hd^ anfteengen ntu§, 
um gegen ben tofenben Sturm ju f&mpfen, unb ber fiäf oer« 
^blid^ nad^ @t&rlung für ben tummergemeil^ten Stdrper um' 
fielet? 3d^ al^ne jle^t tUooS oon ber refignierenben 93er • 
^meiflung eined fold^en (Sd^ifferS. — S>a8 Unnatfirttd^e meiner 
materieEen £e6enS»eife ift bei mir leiber fd^on fo Statur 
geworben, ba| id^ immer gu trftumen glaube, menn mid^ 
|in unb mieber femanb fragt: „SBo binieren Sie? mein 
^rr"* 3>ie SebenSort fann mid^ olfo faum no^ be^Qigen. 
Slber haS Ung^uerlid^e lommt nun ffin^u, ba$ felbft bie 
SRittel sum Sltufllftubium unerfd^mingbar erfd^inen. Sold^ 
Sorgen mad^en matter als aEeS anbere, )te Idiomen bie 
SebenSfraft auf erfd^redtenbe SCBeife. Sonft oerglid^ id^ mid^ 
in meinem Sei^&ItniS ium ftlaoierfpiel mit ben Segiel^ungen 
beS 9liefen Xnt&uS sur aHutter (Erbe. Mt ienem bie ftraft 
unbdnbig auf d^moO, fomie er feine SRutter (Irbe berfil^rte : alf o 
belebte fM^ ftets meine ermattete Straft, mtnn id| burd^ bie Mafien 
fttl^r — unb id^ lonnte mid^ mit SuSbauer auf bem Sd^lod^t» 
roffe ber Xonfunft tummeln. Sßie ftrdmte mir erfi ber Straft* 
l^ud^ entgegen, rotnn mid^ ber (Seift meines SMberlunbigen 
Sbnftriefen beraufd^te! mie ft&rfte Seetl^ooen meine fd^mad^e 
Straft! Unb it^t ift eS anberS. 3d| flt|e gmar ftunbenlang am 
SUaoier, aber matt — matt — fterbenSmatt. ^ier l^ben mir'S: 
„ber Oeift ift miOig, aber baS ^leifd^ ift fd^ma^''. ^ eS 
fomeit mit mir ge!ommen? Ober nur teilpeife? ^^d^ glaube 
Ie|tereS ; benn mein (Beift ift mol^l etmaS unmiUtg gemorben. 
S>aoor emp^nbe id^ jebod^ (ein befonbereS (grauen: biefe Straft 
gibt mir Oeetl^ooen immer mieber. 



— H — 

3)cn ... 

3>etnen J^eOen Qoxn äbet baS groge dffenttici^e ^tgerniS, 
baS Üttd^arb äBagner unb ^anS t)on SAIoidS fjfnitt 
(Sofinta ber Sßelt gegeben l^ben, begreife id^ fel^r tool^L 
3)tefe flttlic^e (Sntrüfhtng getetd^t 3Hr jitr 3ierbe. SBte foHeit 
n>it ältftttnet itnS aber iu btefer Zat — ober mUntfyc Vintat 
fteOen? 2)tt femtft mxdf px gut, um nid^t ju iDiffen, ba| id^ 
in erotifd^en Stngelegenl^eiten fo nad^jid^tig bin tok nur irgenb 
einer. 8ßie fe^r id^ aud^ allerorten ffir eine einl^eitlid^e 
aOe unb aOeS vetbinbenbe äRoral eintrete: fo meine id^ bo^, 
baf man in @ad^en ber Siebe ben JlünfUer mit etn)aS an> 
berem SRa^e meffen barf öIS ben 9Hd(|t!änftIer. SQein l^ier 

— in biefem ^tte — Fommt ein 9Roment l^ingu, ba8 
bem ©anjen ben Stempel beg Gemeinen aufbrfidCt. Stid^arb 
Sagner l^at fo unb fo gegen ben äRann gel^nbett, ber fein 
ergebenfter ^freunb mar, ein fjreunb, ber jugunften feiner — 
ber SBagnerfd^en — Jhtnfl bte aQerl^dd^ften Opfer gebracht 
l^at. 3>aS mujite nod^ fo exaltierter fieibenf(!^aft ein euer« 
gifd^eS ^alt gebieten. — 9)a^ ber ^auSfriebe unb bie ^anS» 
el^re eineg fold^en 9Ranne8 ffir nid^tS erad^tet marb — baS 
bleibt nun einmal ffir aOe Qtxt ein ^Ud auf bem Cl^a« 
rafter 9lid^arb 9Bagner8 unb feiner nunmel^rigen <Soflma. 
3)a^ ber artige 3R&nner, bie il^ren Seibenfd^aften gar feine 
3figel anlegen lönnon, nid^t geeignet finb, Srjiel^er ber 
3nenfd^]^eit ju fein: baS liegt fo fel^r auf ber^anb, ba^ id^ 
nid^tS weiter l^injujuffigen bräud^e. — Unb nun, meine Siebe 

— fo 1^5re id^ 2)id^ fragen — , toaS mfirbe 3)eitt Seetl^ooen. 
in fold^em ^aOe gefagt l^aben? 3d^ glaube, meit härteres, 
als id^ es eben getan l^abe. @erabe in iöngfter 3^tt ifi ein 
Srief SJeetl^oöenS an feine S^^wnbin, bie $ianiftin SRarie 
Sigot, burd^ bie ,,@ren)boten" belannt gemorben, morin er 
@elegen]^eit nimmt, fld^ fiber feine SBejie^ungen ju ben 
grauen anberer auSjufpred^en. 2)arin ftel^en biefe beidmfir« 
bigen 9Borte: „@ie mfiffen mid^ fel^r eitel unb fleinlid(| glauben^. 



— 55 - 

iDenn fte t)orauSfe|en, ba| baS 3u^^^'0W>><^n f^lbfi einer 
fo Qortrefflid^en ^erfott^ toie @te flnb, tnid^ glauben ntad^en 
foQte, ba^ xdf QUxä) il^re Steigung gen>onnen — ^l^nebem 
tft eS einer meiner erften @runbf&$e^ nie in einem 
anberen als freunbfci^aftlid^en 93er^dItniS mit ber 
@attin eines anberen }u fielen, nid^t miöfU x^ burd^ 
fo ein fßtx^ldtnxi meine ^ruft mit äRigtrauen gegen bie« 
jenige, meldte meUei^t mein @efd^id( einfl mit mir teilen 
n)irb, anfuQen — unb fo baS fd^önfte reinfte Seben mir 
felbft Derberben." — SSeetl^ooen mar bem merjigften fiebenS* 
ial^e nötige, als er f o f ^rieb. Unb nun nimm baS äRoment 
beS fd^merften ^reunbfd^aftSperrateS ^inju: unb 2)u lann^ 
3)ir bann fo ungefdl^r ben ^eiligenjorn t)or{teQen, in ben 
ein Seetl^ODen ob fold^er ^nblung auSgebrod^en m&re -. 

3>en ... 

^eute mu| id^ 3)ir enblid^ oon meiner in« 

nerften ftunftlerliebe fpred^en. Steine $]^antafte ift feit 
l&ngerer Stit t)on einer mufif alif ^en @d^dn^eit8geftalt mun« 
berbarfter (Sigenart angefAQt. @ine Jungfrau auS bem ed^ten 
Sanbe ^eetl^ODenS ift mir mie baS munberfame „SD'l&bd^en 
aus bet grembe** erfd^ienen. — ©erniffe digenfd^aften an il^r 
fd^einen mir gu t)er!dnben, bajs fte fär mid^ mie gefd^affen 
fei — eine mal^rl^aft pr&ftabilierte Harmonie fär mid^ --' 
um einen Seibni^fd^en 9luSbrud( gu gebraud^en. ®ie ift eine 
@ried^in unb gibt burd^ il^r <5piel ^eetl^ooen in einer SQSeife 
mieber, ba^ bie laufd^enben bergen gauberl^aft ergriffen 
merben. ©ie entfaltet babei l^eroifd^e Jtraft unb meiblid^fte 
3(nmut. @elbft für ein SBeetl^ooenfd^eS Slbagio beftt)t fte bie 
meil^eDoQe @röge unb feelenerffiUte SHad^t beS 2;oneS — 
ftunfttugenben, bie htm i^rauengeifte gemöl^nlid^ oerfagt finb. 
aßaS SBunber, ba| fte mid^ im ©turmfd^ritt il^reS äSeetl^oDen* 
fpieleS erobert l^at! 9ßenn fte mir begegnet uub mi^ ein« 
mal mit il^ren großen 9lugen anf^aut^ bann fälble id^ mein 
;3[nnereS t)on namenlofer @eligfeit burd^jogen unb aOe £eiben 



- 56 — 

im^ fol^ eitiM 8Iid ber 8tt«eti in Setl^ ftilfe Stuten 
btgtoften* ttenn id^ bo^ lenmnb loft^te, bec mi<l^ in bie 
Umgebung ber l^trlid^en 9inÜftmxa -^ baS ift il^r Somame 
~ bcingen Mnnt^! Oft taud^t bie iDunberfdl^fitte Oeftalt ist 
meinen @ebanfen unb 2:tftnmen glei<l^ einem gUnjenben 
dtembttbe auf nnb ptt^ mir baS l^erj vor nie )u ftiSenbet 
<Se^nftt^t aufammen. 

3)ett . . . 

. Oeftem mar ii) in taufenb dtngfien. 3>ie 

A-dur«S9mp]^anie flanb auf bem Jtongertprogramm — i^ 
aber mar tt\6)6p^t Mtt iebem, aud^ bem fleinften, tlingenben 
aXittel. fteine b^fteunbete 6eeCe lieB {i<^ erblicfen. ÜnbUi^ 
fiel mir no4f ber rettenbe <Skbanfe ein, bem 5laffenmart ein 
Unterpfanb bis sum n&d^ften ftonjerte ju l^tnterlaffen. 3)iefe 
(S^mpl^onie giel^t mid^ nun einmal ebenfo magifd^ an, mie 
bie ftrone aOer OeifteSfci^Spfung, bie neunte Spmpl^onie. 

9(nt]^emia tr&gt jje^t oft ben fd^dnflen (Blanj in meine 
Zraummelten hinein, ^n ber lel)ten 3^t ifl ^e mir oft 
erft^ienen. 5Cie |>oetifd^en 2;rattmfeelen flftfierten 9B^e 
ungeal^nter SiebeSmonne. 3n manchen SRomenten ift il^r 
ganaeS SBefen oon äberirbifd^er ^ol^eit umfhal^^t. ttittmol 
l^aben mir unS in lUdem 93eifammenfein l^ol^ ^nge über 
9liefenfd^5^fungen Seetl^ooent erj&l^lt. ®ie mit unS ba fo 
nermanbt in ber tiefflen Serel^rung fftr biefen Urmeifler Dor« 
lomen? — ^6) mar aud^ im 2;raume (rant: ba umf darnebte 
fle mid^ engelgleid^, m&l^renb id^ auf bem Sd^mei^enSlager 
fd^tummerte, unb meldte meiner l^eijlen Stirn mol^ltfttige 
Jtül^lung ju. — ttnb ein anbetmal moQten fid^ bie fingen 
gegenfeitig ergrünben unb bis inS Xieffte, ätllerl^eiligfle bef 
;3nnem fd^auen. — SoQ ad biefeS leerer 2;raum bUiben? 
2^ mid mir nid^t in ben Sinn. Unb bod^ fomme id^ tm 
feinen Sd^ritt meiter, xo^nn id^ fle aud^ oft in ben Jlonserten 
etblide unb mid^ an il^rem SBunberblidE beraufd^. S^tl^erea 
unb il^r fd^K^afteS Sdl^nd^n fd^einen te|t gang oon mir 



~ 57 — 

getok^tt au fein. 9Rein mdnnU^ec ®toIs l^ctt je^t feine 
fc^werfte ^räfttngSjeit. ^ä^ fpred^e nic^t toenige, bie fo 
gMid^ {tnb, il^re (SefeOfd^aft teilen au lönnen^ id^ tfinnte 
älfo ben eintn ober ben airi^eren bitten^ mx6) biefent l^olbeu 
WAiftn ooranfleSen. 6ie tttUf^tt Diel im ^ilbebvanbtfd^en 
|)mtfe: fott ii) bott iel^t dftet als fonfl meine ^efud^e 
»ad^en? Stola unb £iebe leiten mic^ baoon autfidt. SciS 
btttt id^ biefem SBefen fein? Sie ift eine ooQenbete tt&np 
ferin, bie detteid^t gar nid^t an mid^ ben!t, bie fibtigenS 
attdl in anberen Singen fd^n)er(id^ Selel^rung mon mir er« 
langen (ann. ^d^ bin il^r gegenüber nod^ nid^tS; eS t^ftre 
olfo Xnmagung, wtnn id^ mid^ i^ mit Hoffnungen n&^ern 
MKte. 3>er Mnnlid^e Stola l^at feinen ttrgmnb in ber 
iiitin ^fd^eibenl^eit, bie auf Sßa^rl^aftigleit berul^t. Sd^ter 
Stola unb ed^te Slefd^ibenl^it mäffen immer gepaart 
in bemfelben 4(inaelmefen erfd^einen. 2)ag id^ fo oiel an 
bkfe fd^öne (Sried^in benfen mu^, ^t aud^ au^er ber 
f^meraerfäQten Seligfeit einfamer Siebe boS 9ute im @eleite, 
ba| id^ ffir Xugenblidfe oon meinem anberen, immerm&l^renben 
Seiben abgeaogen merbe unb nid^t feiten einen Sd^immer 
{l&rtenber Hoffnung Iblinfen fel^e. hingegen ifl mir 9)eet]^ooen8 
^nbermad^t reid^lid^ 9ärge, ba| mid^ SiebeSleibenfd^aft 
ie|t nid^t oerael^ren lann. Seetl^oenS Straft fiberminbet bei 
init felbfl ben ftObefleger (tt^i. ~ SBenn id^ aud^ im Sinne 
bts l^erainnigen 2:roubabour8 lOernart oon SSentaborn 
fft^Ie, baH biefe äÜ&bd^enerfd^einuttg mid^ in einen Sauber« 
fvitgel blidfen liejt, ber mein |^era gefangen ^&lt, fo ftimme 
^ bed^ nid^t gana in biefen Xon beS lieblid^en S&ngerS ein: 

^u Spiegel, feit i^ in bid^ fal^, 
Setjd^rie mid^ ber Seufser ®lut. 
<iefc$ie^ mit bmm, tooS eiitfl gefd^a^ 
9taxdt% bem ®^dnen an ber f^tttt.*) 



*) Miraflis! pois me mirel en te Qu^aissi m perdei, cum perdat se 
tt'aa mort li sospir de preon. Lo bels Karcezis en la fon. 



— 58 — 

SCbec Wxt^mia ift h<a erfte 9Bei6, hcS mit (S^rfüc^t 
gebietet! — 

2)e« ... . 

r— 3)tt mugt burd^auS ®^umanni (Sd^riftcn. 

aber 9Ru{U lefen, benn aud^ iebem gebilbeten Saien ftnb fle 
nerftdnblid^. @eitbem id^ loei^, tote unenblid^ @d^tttnann bett 
^d^ttteifter ^etl^ooen oerel^rt, äbt er^ als @rö^efter ber 
(Spigdnen, immn grdgere Sttstel^ungStraft auf tnid^ au8^ 
(E§ ift erl^ebenb, ju lefeti, n)ie Sd^umann feine SSerel^ntn^ 
funbgibt. ^aS ift freilid^ !ein äBunber, bajl i^, bet ti)in>> 
Sigften mufifalifd^en $9gm&en einer aui>< nyeltftävmenben 
Sliefen bemnnbernb, voü l^eiliger (S^rfurd^t auffd^aue. 3lber 
eine Sltertoärbigfeit bleibt'S intmerl^in, bajl felbft ein fp 
großer S^onbi^ter^ n)ie fRobert @d^uniann, fo unbegrenzte 
äJerel^rung t)or bem Xonmeifter 3eet]^ot)en jur poeftei[>ol[en 
3)arftellung bringt. Unfere 9Ruft{er fummern fid^ leibec 
all3un)enig um @d^umannS @d^riften — unb !önnten bod^ 
faji au8 ieber Seite l^eilfante SSelel^rung fd^öpfen. 

3)en Flamen ^eetl^o^en foKteft 3)u immer unt}er!firat 
fd^reiben; er ift iu })tf)x, voaifx^a^ l^eilig, er blidEt un§ fo 
n)eUoer]^ei^enb an. Sßarum lann id^ nid^t mie niele anbere 
länger beS l^el^ren 3JteifterS su feinem ®rabe maQf alerten? 
mii) unfterblic^eS @ebein birgt bie Jtaiferftabt Sßien? 
3d^ m66)U, nad^ 3lrt beg ^rienerS ^iaS^ mein ganjeS ^ab' 
unb @ut, ba§ l^eigt mid^ perfdnlid^ ju SBeetl^ooeng @rabe 
tragen unb mid^ bort ganj bem l^ol^en ^ienfte feiner SEBelten 
meil^en! — Slber bag fann id^ ©ir freubig brennen: feit* 
bem id^ mid^ immer mel^r mit bem ©tubium meineg ^od^« 
meifterS unb anberer SSornel^men im ®eifte befaffe, bin id^ 
Don feinem äBunfd^e mel^r befeelt, eis ba^ mir ein noQ» 
!ommen bef d^eibeneS ®emut juteil merbe, unb ba| id^ immer 
mel^r ^Befreiung joon j|ebem el^rgeijigen Streben erlange. — 

3)ag rein älu^erlid^e l^at nur SiraurigeS fär mid^, eg 
wirb immer l^drter. 9Äein ^erj ift ooQ t)on Unmut. Sag» 



— 59 — 

lid^ mn^ i^ meinen (Seift 9on neuem im SSerfd^merjen ä&en. 
SBenn id^ eS nun aud^ in biefer Jtunft fd^on ftatüid^ mett 
gebiad^t l^abe, fo l^oi bod^ aud^ hoS 93erfd^mex)en feine 
^renjen, bie fd^n)er ober gar ntd^t gu fiberminbenbe Stlippen- 
toerben. Unb bod^ xoitb mein Sl^aralter burd^ baS Über» 
mal beS SeibenS immer fefter geftdl^lt; ed^ter Stolj l^&tt 
mid^ tro% aOer 3)onnerfd^I&ge, Dom ®efd^id( auf mein ^aapt 
gefci^Ieubert, aufredet unb gugleid^ ergeben, ißergel^t mir 
bod^ fein Zag ol^ne malere (Srl^ebung burd| bie i^been 
SBeetl^ooenS. 

®en • . • 

— Qu mand^n S^i^^ überf^Ieid^t mid^ felbft 

ber eiftge ®eban!e, ba| eS XoIQü^n^it x% in fo fpdten 
^al^ren ben ungel^euren ©toff ber äRuft! bem&Itigen gu 
xDoUtn. SBSenn id^ t)on Doml^erein bie faft enblofe Steige 
fd^mer gu befteigenber 93ergmaffen lebenbig oor mir gefeiten 
\fHU, mer mei^, ob id| bie gefal^nooDe ®ebirgSreife untere 
nommen ^tte. 9hin bin id^ einmal untermegS — ba mv^ 
bie Straft mit ben ®efal^ren mad^fen. Überl^aupt !ennft S>u 
meine leitenbe (Brunbibee. 9(Qe8 miQ id^ gur SBerl^errli^ung 
9eet]^ot)enS, aUeS im ^inblidt auf fein l^eiligeS/ bornen« 
gefd^müdtteg SrbenmaQen tun unb erleiben. Unb id^ l^abe 
S)ir ben göttlid^en @eniuS oft genug Dorgefäl^rt. Slber um 
ein 9(pofieI beS Snuftfl^eilanbeS ^eetl^ooen gu fein, mu^ man 
ftd^ madter räften; id^ tue eS. — ^aj| aDe auf mic^ ergärnt 
jtnb, meil id^ eine bargebotene, gl&ngenbe ^auSlel^rerfteQe 
in einer mingigen @tabt ^olenS Don mir meife, ift etmaS, 
baS id^ begreife, meil bie SJlenfd^en meinen Sifer für bie 
ftunft gn Derfpotten gemol^nt ftnb. ®enug! id^ merbe nie« 
malS meinen ®eift lebenbig begraben, um meinen Seib gu 
pflegen. Unb menn man mid^ an fold^ einem Orte au^ 
gang mit ®oIb äberf&en mollte — i^ märbe mit l^S^fter 
@emätSru]^e banfen. Seiber mug id^ annel^men, bag 2)ir 
unb ben anberen SRitmiffern in ber gamilie meine SebenS== 



— 60 — 

toetfe ito^ tiefer in bie Seele fd^eibet, als nttr felbfl; 
x^i, oB vo&ct tt galt} fo in ber Orbnung. 9teine eigenfte 
SrfW^ntng fagt eS mir: je größer mein nnverfd^nlbeieB Uit« 
gifttf, befto manneSftoIaer nnb nnbengfamer id^! — 

3)en ... 

^eute etf&l^rft 2)» eine angenei^me 9lad^ri<l^t 

fie mirb 2)ir gen)i| ^freubenir&nen entlodCen; id^ !enne ^in 
liebes Oemftt. äReinem SebenSlaufe jeigt ftd^ iet^t enblid^ 
ein menig Sonnenlid^t; id^ beginne frifd^ anzuatmen. 3d^ 
l^abe nun enblid^ n>ieber anSreid^enbe Sefd^&ftignng olS 
^rioatlel^rer gefunben, fo bag id^ mieber menfd^Iid^ leben 
fann. ^a fold^e £eiben nnn non mir Slbfd^ieb nel^men 
moSen, barf id^ mol^I fagen: id^ ^abe mid^ faft ein oolIeS 
3a]^r gefd^nnben, mie feiten ein SRenfd^. ^ffentlid^ fel^t 
mir fülii^e 3^it beS 3)arbenS nid^t mieber. — ^e^t fnnge 
id^ QUd^ an ju i^offen, bag bie (Sonne ^omerS mir bolb im 
^bdbranbtfd^en ^oufe I&d^n mirb. SSieOeid^t ^abe id^ 
bolb baS ®l&d, 9ntfftmxa, meinen ätugentroft, ju fd^, fu 
l^dren nnb jn ffnret^n. ^ ai^ne eS nnn einmal unb ffilf^e 
mä) glAtffelig im Sorgeffil^te fold^er ^ersenSerleid^ternng^ 
biefer enblid^ gefKEten Se^nfnd^t. 




Pnfte« ftopitet. 

©tc Ci8-moll*@onate- 



3m ^eik !ann bi^ Me Biene tneiftetn, 
3n bev vef4i(Ki(i^it ein IBitrm bein Seigrer feto, 
$ein 9Bi|[en teileft Xu mit oordejiognen (8ei{leni, 
t)ie Stnn\t, o 9tenfd^, ^aft bu auein. 
ec^iller: S)ie i«ln{to. 

Xie unbegveiflid^ (ol^en Sßer!e /#y 
6inb ^ertlic^, mie am ev^ %H'Uf 
(Soetl^e: ^attft. 

S>et menfd^enfcettnbliAe, oottvermanbte ^Mfin ent» 

fü§rt ung ber Sd^werfraft ber (Srbe, trägt und auf feine 
feurigen SKÜgel l|inauf 5id in ben Rreid bed $immetö, 
bann fenrt er ^±, aud^ feine anberen Jtinber }u ^eben; 
und aber ^te^t bte 6onne an. 

Sdtne: 9lu8 meinem ^lagebud^. 



\XL äBittigS ^mmtt l^errfd^te ber (Seift ber Orbnung unb 
@(mber!eü. (SS loor bort nid^tS Don jlenem bobenlofen 
S>itrd^eiiiastber iDal^rpnel^inett, boS man gemeinl^in fftr ein 
d^arafteriftifdieS SJlerIntal ber !ünftlerif(i^en (Senialit&t an» 
fielet. SteQt baS geflfigelte SSort „geniale Unorbnung'' 
nid^t f(i^<m m unb fär ftd^, n)enn auti^ nici^t einen 9B3iber« 
fprud^, fo bod^ ein $arabo;on bar? 2He ftnnft l^at ti ntit 
bent (Seifte beg @eorbneten, beS AoSmifd^en }u tun: beS* 
j^olb m&re ber XnSbmdt »rgeniale Orbnung" ebenfo fo n^al^r 
als tief unb ftnnreid^^ n}&]^renb ber 9lu8bmdt „geniale IXn* 
orbnung" einen ftftl^etifd^en Sßiberfinn in fi^ begreift. 




— 62 — 

S>ie fd^önfte 3i^^t^^ fetneS 3iwi><^i^S ^^^^ Sbgar in einem 
9ortreffIid(ien ^ttbniffe ^eetl^onenS — nac^ iSd^imonS ÖU 
gem&lbe — baS aber feinem ^iono l^ing. @o l^atte er beim 
ftlat)ierf;nelen ftetS bie olQmpifd^e Snad^tl^errlid^feit feines 
SReifterS unmittelbar vor ftd^. — Über bem @d^reibtifd^e be» 
fanb fld^ ein 93ilb auS bem iOtUgenbleben biefeS Unfterbttd^n. 
3)er Jtünftler i)at ben äUoment aufgefaßt, in bem ber l^imm» 
lifd^e SRojart, munberbar ergriffen non ben ^l^antafteen beS 
Dor il^m ft^enben, !aum ftebje^njl&l^rigen Seetl^ooen^ ben an» 
beren S^i)butn beffen juffinftige SßeltgrSße nerfänbet. ®er 
@eniu8 SJtojart l^atte ba8 merbenbe ®enie 99eet]^ot)en 
geiftig erfd^aut. — 

3U8 (Sbgar eines abenbS nad^ ^aufe !am, fanb er ein 
freunblid^eS SiEet nom ©el^eimrat ^ilbebranbt vox, morin 
il^m biefer für ben n&d^ften (Sonntag }u einem ,,2;eQer @uppe" 
im Greife feiner Familie einlub. 

(SbgarS ®eele marb t)on biefer (Sinlabung mit frenbigen 
fSl^nungen erfäUt. 9Bar eS nid^t leidet ben!bar^ ba^ er bort 
mit Slnt^emia snfammentreffen mürbe? 3)ie Zoster beS 
^aufeS lannte il^n unb feine mnfüalifd^e 93egeifterung; mie 
leidet fonnte fle nid^t baran benfen, il^n mit il^rer funftleri« 
fd^en f^reunbin belannt )U mad^en! (Sr marb fo red^t feelen« 
fro^. ©omol^I m&l^renb beS ^l^antafterenS als aud^ beim 
(Stubium Seetl^ODenfd^er Sionmerfe fd^mebten je^t bie lieb» 
Ud^iften^ rofigften S9iiber Dor feinem ®eifte. 9[uS ben mannig» 
faltigften Siongebilben trat ^artn&dtig bie äS^unbergeftolt 9(n« 
tl^emiaS ]^en>or. 

2>er junge SRufifer l^atte feine liebe SRu^e, biefen Sonn» 
tag in Slul^e ju ermarten. (SnbUd^i mar nid^t aQein ber Xa% 
ba^ fonbern aud^ bie ©tunbe, bie il^n in baS $auS beS @e» 
l^eimratS fül^ren foUte. 

$ier erf annte (Sbgar fd^neQ ju feiner unenblid^ien Sreube^ 
ba| il^m bieSmal bie ^offnungSfÜmme nid^t gelogen l^atte. 
9lad^ ben üblidEien SSormurfen ob feines fo feltenen @r» 



— 68 — 

f^emenS würbe SBSittig ^r&ttlein Slntl^emia ^aOeufoS oor« 
gefteHt. äCntl^emioS grof e Stugen f onnten bem offenen, freien, 
!Iaren 9Hd(e (SbgarS nid^t re<l^t ftonbl^alten, fie fenften fid^ 
— unb leidstes ^rpurrot äberjog bie jatten SBangen ber 
Jungfrau. 

5bie (Familie beS ©el^etntrats beftanb anS i^nt felbft, 
ttttS feiner (S^gattin unb feiner 2;od^ter &mma. 9[ü§er Xn« 
tl^emict unb (Sbgar war nod^ SntmaS SBerlobter, Seutnant 
Jtorl TDon @i((ingen, anwefenb. 3)amit war bie ®efeQfd^aft 
t^oOj&^Iig. 

^Al^renb ber Xafel fajsen bie beiben ^reunbinnen neben«^ 
einanber, (Sntma red^tS, 9(nt§emia lintS. (Sntnta woQte iebod^ 
oud^ il^ren Jtart in unmittelbarer 9l&]^e l^aben, weSl^alb biefer 
feinen $la^ 3U i^rer Siebten einnahm. (Sbgar war fo glädCIid^, 
)ur Sinlen ^nt^^miaS gu fi^en, w&l^renb xf)m felbft jur Sin!en 
bie ftattli^e, liebenSwflrbige ^rau ©el^eintr&tin fag. 

9Ran l^atte bereite ein langes unb breites über bie 
wid^tigften SageSereigniffe gefprod^ien; ber rebebegabte, beut 
@otte 9RomuS ergebene ^auSl^err l^atte gewanbten @eifteS 
aKe babei jutage tretenben SSerfel^rtl^eiten gegeigelt. 9lad^« 
bem faft aQe erben! lid^en Unterl^altungSgebiete bur^ftöbert 
waren, Ien!te t)on SidCingen baS ®efpr&d^ auf bie Siteratur 
ber (Gegenwart. 

— Sie wiffen, meine ^rrfd^aften, fagte er, baj5 id^ Don 
iel^er beftrebt war, aQe (£rfd^einungen ber 5lun{i unb £iie^ 
ratur, foweit meine bilettantifd^en ftr&fte auSreid^en, ge« 
wiffenl^aft prüfenb px verfolgen. 9le]^me id^ bie bilbenbe 
ftunft aus, bann lönnte id^ von leiner @d^5|)fung ber 9leu« 
seit beliaitpten, bag fie mir ooQe äftl^etifd^e 93efriebtgung ge* 
wdifrte. 3flxt wiQ !eineS Don aU ben in Unmaffe l^rauS^ 
gegebenen unb thtn erfd^einenben 9Ber!en bie ^ä^igfeit in 
fid) tragen, bie SJlenfd^enfeele wal^rl^aft ju l&utern — unb boS 
t^erlange id^ burd^auS oom ed^ten ftunftwerfe. ^d^ vxhl^ be« 
lennen, ba^ id^ ba oor einem mir unlösbaren 9l&tfel ftel^e. 



— 64 — 

— 34 Bl^ttbe, beeilte ftd^ bet Qkifdtntat su bemet!eii^ 
bie Siteratur, übtx^anpt aKe Jtunfte unb SBiffenf^aften 
tftiinen ftd^ nietnolS }» einer e|)o^mad^enben Öläte ent* 
falten, VHnn bet Staat biefen eigentltii^en $f[an)ftdtten bec 
SDlenfd^enerjiel^ung leine energifdie Sorgfalt n)ibmet. Unb 
in SnUitftrftoaten fd^eint baS fßoVt in feiner Oefamtl^eit ja oor 
aQen 3)ingen ba)tt Dorl^onben p fein, nnt baB militArif^ 
heftige in feiner aQerbingS bebeutttngSnoSen ftraft, Abert» 
ifoxcpt ben Solbatenflanb in feinem ^ad^tglange iu erholten. 
9Ba8 Sßunber, ba| babei bie eigentli^e ^ege beS ftftl^tifd^n 
(BeifleS aiemtid^ leer anSgel^t! ^a, ja, lieber ^err ®^mt%zx* 
fo^, eS iji fd^Iintm, aber barunt ni^t n»eniger »al^r. 

— (2i nnn, nerfe^te biefer, bent SSoOe gef&Qt eS juft fo, 
baS SBoIf ift uns oon ^ei^en gugetan, ja wir ftnb in fS^x* 
l^eit fein <Snt}fld(en; fold^e StaatSeinrid^tnngen mäffen alfo 
n)o]^I bem eigentlid^n SQoItSgeifte entfpred^en. 

— @an3 red^t, Heber @o]^n, il^r bel^altet euren berfidCen« 
ben 3<^itber, bleibt bie flegreid^ften SBelt« unb l^rsenS* 
eroberer, niie vieles man oud^ an tai) au8sufe|en l^oben mag. 

— i^l^rer Slnfld^t, ^nx Oel^imrat, — nai^m Vntl^emia 
ba8 äBort, t>ermag au^ id^ nid^t gonj beisupflic^ten, obn^ol^l 
id^ biefe ^inge von einem anberen ®efld^t8punfte aui be^ 
txaä)U, als eS (SmmaS SBr&utigam tut. 3^^^ (Errettung 9on 
f f d^merer Slnflage mag l^ier, gleid^ ber ftiQ verborgenen 
gfttigen %tt im SRArd^en vom 2)ornröSd^en, bie l^immeU«» 
to4lter SPtufil ^eroorf4ilüpfen unb iebe 93eno&nfd^ung ober 
SBerbammung, bie auf baS^aupt ber armen ^rinjeffin Stunft 
l^erabflel, in ben gnabenooQften Segen ummanbeln. 2)enleii 
Sie an bie glansvoUfte 3eit ber SRufU, bie fld^ an baS S>rei« 
geftim ^a^bn, Snogart unb lOeetl^ooen in SBien (näpft. 
äBaS l^at bie faiferlid^e ^Regierung getan, um bie irbifc^en 
9Bege ber im SBerei^e beS :3bealen manbelnben Zonl^roen 
iU ebnen? Ungef&l^r nx^ti. Unb bo^ l^aben fle bie er* 
ftaunlid^ l^ol^en @ipfel il^rer göttlid^en 5tunft erftiegen* 



— 65 — 

^ S)a8 finbe td^ oortreffUd^, gn&bigeS ^r&uletn, fpra<i^ 
je^t (BbQßt, ba^ ®ie ber @elbftpife ht mfei^r ^nft ein be«» 
rebteS S93ort gefpenbet l^aben. iQfd^ mS^te mir l^injusufftgen 
erlauben, ba^ ftd^ um bie SBitffantfeit beS gro^artigflen 
biefer @enien, bag ftd(| nm ^eetl^ooen ber ftaiferftaot nientalS 
emftti^ ge!ömmert l^at. 93Ubet nid^t ber Stogfeuf^er biefeS 
SSeifterS: „SS^ie fteUt man ein parvum talentum com ego an 
ben laiferlid^en ^of" eine bleibenbe 3lnHage gegen benfelben? 
— Slber^ mein lieber ©idingen, bie Urfad^e für ben größeren 
ober geringen @rab t)on £eere unb ^raftlofigfeit, bie un^ 
ans ber übermiegenben 3}lzf)Xiaf)l ber mobernen $robu!te ent» 
gegenftarren, finbe id^ ganj befonberg in ber beifpiellofen 
6^arafterIojtg!cit ber 3ßit. 3)er nngel^eure Sluffd^mung ber 
;3[nbuftrie ^t ben ©emütern fd^neQ bie jerfe^enben @d^atten- 
feiten eingeimpft. SBenige ©l^araftere ermeifen ftd^ alS ge* 
ftnnungSDoH, ober feft nnb unjerftßrbar mie ^elfengebilbe. 
SBeil fid^ nun biefeg allgemeine ®runbübel ber ^txi I&ngft 
auf 3)id^ter, Äünftler, ©elcl^rte unb auf &]^nKd^e]|Rategorieen 
erftredtt m^ fann un§ aud^ au8 ben ©d^6pfungen fold^er 
aM&nner fein ed^teS, feft geprftgteS (B^arafterroefen entgegen«^ 
fd^auen^ baS imftanbe ro&re, unfere ©eele mit jenem ^zu 
ienben SBorgefül^le ber unbefledtten Sfteinl^eit ju überjiel^en. 
9lur eine burd(auS reine SWenfd^enfeele fann eine roal^re 
ßunftfeele ergeugen. 

— ®aS ift mir auS ber ©eele gefprod^en, fagte barauf 
Slntl^emia leud^tenben ^lidCeS. ^i) l^alte j|ebeg ed^te ®enie 
für eine neue perfonifigierte SReligion, für ein eigenartige« 
©nangelium ber äjlenfd^l^eit. 3)en Unterfd^ieb gmifd^en ber 
eigentlid^en Sleligion unb ber ®eniereligian finbe id^ l^aupt- 
fftd^Hd^ barin, ba^ bie erftere bei aK il^ret innerften ^eilig« 
feit non gar }U melen ^^^tl^en umfponnen ift, mfil^renb bie 
anbere bei faft ebenfo tiefer ^eiligfeit bie ftrengfte reale ©runb* 
läge l^at. ^^ menigftetiS befenne mid^ sur @eniereIigion. 

— Sie fprcd^en ja aber gerabe tme ein at^iftif^er 



— 66 — 

^l^Uofop]^, meine Siebe! fagte fd^einbar betroffen bte freunb« 
K^e Sßirtin be8 l^oufeS. — Übrigen? »irb bie Unterl^altung 
fo ansiel^enb, ba^ oQe vergeffen, fld^ t)on ber SSortrefflid^feit 
meine? ^afenbratenS gu fibei^eugen. 

— 9Hd^t8 ffir ungut liebe 9Rama, bemerlte (Smma. 
Sßir Idolen fd^neQ genug baS SBerfdumte nac^. 9S3ir aQe lieben 
eS jja, fo red^ lange an ber Xafel gu ft|en^ aud^ bann nod^, 
menn bein Jtfid^enjettel bereits erfd^öpft ift. 

— (Selben Sie l^eute nid^t inS Sqmpl^onie^ftongert, ^err 
äBittig? fragte mit einemmale ber (Sei^eimrat. 

— ^tnU prangt ja ber 9lame Seetl^ooen nid^t auf bem 
$rogramm^ beeilte ftd^ (Smma ftatt beS (Gefragten ein menig 
ironifc^ 2U antworten; ba merben mir enblid^ einmal mieber 
baS 93ergnfigen ^ah^n, $errn SEBittig ben gangen weiteren 
@onntag bei unS ju l^aben. 9tid^t ma^r^ mein ^err? 

— ®ie 3>ronie gefeilt fid^ gar nid(|t übel )U ^f)xtt 
SiebenSmürbigfeit, perfekte Sbgar. 2lber @ie miffen eS ia, 
mein gnäbige? $r&ulein, meber SBi^, nod^ i^h^onie^ nod^ @ar« 
laSmuS, nod^ irgenb etmaä anbereg fann mid^ von meiner 
überfd^menglid^ großen äJorliebe fär 9eet]^ot)en3 2:on^ 
fd^öpfungen abfpenftig mad^en. 

— (SS freut mid^^ nal^m l^ier Slnt^emia baS 9Bort^ bag 
je^t gerabe bie 9lebe t)on SBeet^ooen ift. ^6) möd^te mir 
etmaS Don ^^mn erbitten, ^err SDSittig. SBoßen ©ie mir 
gem&l^ren? 

Unb babei fal^ fte (Sbgar fo j&rtlid^ bittenb an, bajs 
biefer !aum red^t mu|te, mie il^m gef^al^. 

— ®en)i§, entgegnete er nid^täbeftomeniger mit gefaxter 
@timme; menn e? irgenbmie in meiner SRad^t liegt, merbe 
id^ mid^ unenblid^ freuen, i^l^nen einen 9Bunfd^ ju erfüllen. 

— 9lun mol^l benn! ful^r Slntl^emia fort. iQfd^ l^abe 
bereit? oiel äRerfmürbige? aber il^re SSeetl^ooenoerel^rung Der» 
nommen. ^6) geftel^e felbft au? DoQfter Überjeugung, bag 



— 67 — 

td| am lie&ften im Zonuiöft biefeS (KeniuS fc^melge: aber 
ic^ Dcmaci^I&fftge barum tit^t Xonmeifter mie |^&nbel, 9ait, 
(Sind, ^a^bn, aRojart, äBeber, Sd^ubert, aRenbelS' 
fol^n, ®d^umann, SBagner, £i§3t unb anbere, obfd^on 
ott^ mir 99eet]^ooen als ^errfd^er unter ben $errf d^ern baftel^t. 
SEBie gel^t tS nun }u^ ba§ ®ie ftd^ aUein ju bem einen 
99eet]^ot)en fo t)SUig l^ingejogen füllten, bag biefer @eniu§ 
aQein ^l^re Seele befriebigt? 

— älud^ id^, fiel non Sidtingen ein, n^oUte (Sie I&ngft 
nm bie (Sntfd^Ieierung biefeS ^l^reS eigenften ^roblemS er» 
fud^en. ^6) mdd^te mir bal^er ben SSorfd^Iag erlauben, bajl 
mir uns in ben aJtufilfaal begeben, wo unS f^reunb SBittig 
oUm&l^Iid^ 3um äSertrauten feines (Seelengel^eimniffeS mad^en 
fann. 

— SRed^t gern, oerfe^te biefer, miU id^ ben SSerfud^ 
mad^en, meine verehrten 3)amen unb Ferren, mofern @ie 
mir in Siebe unb ©ebulb jul^dren moQen. 

9lad^bem nun fo, mie eS fd^ien nad^ aUer SEBunf^e, baS 
Signal pxm älufbrud^ gegeben mar, l^ob $rau ^Ubebranbt 
aud^ offisieQ bie S^afel auf. :3[]^r (Sl^egemal^I 30g fic^ ju einer 
htrjen Siefta juräd. 2)ie äbrigen begaben ftd^ in ben elegant 
eingeri^teten @aal unb nal^men il^re ®i^e in ber 9l&^e beS 
prad^tDoQen f^lägelS ein. 

^ier l^ub CEbgar alfo bie (Sntrdtfelung an: 

— ^6f bringe 3^nen gundd^ft eine kxt ©leid^niS vox. 

Slejcanber ber ©roge mürbe einft gefragt, mie eS benn ju« 

ginge, ba^ er burd^ bie 9Ber!e beS einen ^orner aQein er« 

gö^t märbe, biejjenigen ber anberen 3)id^ter aber oernad^« 

Idffigte? — aBeil bie 9BerIe ^omerS aOein ma^r^aft f öniglii^ 

ftnb, antmortete 9lle;anber. — ^^ nun merbe beSl^alb t)on 

ben Sd^dpfungen beS einzigen 3eet]^ot)en fo öbermd^tig er« 

griffen, meil biefe aQein ben ®eift beS mal^rl^aft @ittlid^en 

in ftd^ bergen. Sllejranber liebte baS Aöniglid^e, ic^ liebe 

baS !rdftig (St^ifc^e. 

5* 



— 68 — 

— i^latntnt beim iriii^t au<l^ oitS Sftd^, «tS ^ittbei, 
aus 9lni ^r ^^uerftrom echter ©ittetthoft? ftogte ^bB^ffmäa 
i^en^itiibert. 

— @e]^r woijH, mein oerel^ei» $t&ttleu. Unb vatUt bitfeti 
am gemoltigften auS ^dnbel. ^ot eS bod^ 9eetl^0Deii 
im ^bff^pnxdU feines S^affeng auSgefpro^en : „^nbel \)ft 
ber gröf te äReifter, ber je gelebt l^ot", unb bann bagu feiet» 
lid^ bemerft, ba| eS bie 3^^^^^^ ^^ l^eiligen (Sd^onem 
tieffter (Sl^rd^t erfaßte: „SGBal^rlid^, id^ mörbe mein ^aupt 
entbtd^en unb auf feinem ®rabe Inieen!" (Sie mdgen and^ 
l^ierin miebev ertennen, n^ie baä ed^te ®enie eine innige ^ac* 
monie non ^fd^eibenl^eit unb ftolgem ^Ibftbemu^tfein bilbet. 
3)er 9lad^melt bleibt eS Dorbel^alten^ ben geredeten SRid^tfprud^ 
ju fällen. — @8 mu§ barum einmal bel^auptet werben, ba^ 
ein fo tief einbringenber et]^ifd^»ftoI}er ®eift bei attet SeibenS« 
tiefe nur ouS Seetl^ooen fprid^t. @o nad^l^altig mirfen jene 
anberen Heroen feineSmegS. Aeiner Derfd^afft unä fo baS^ 
ed^te bornengefrönte Silb ber ouS ber @ittlid^feit geborenen 
^elbenmad^t im @d^affen, mie ^eetl^ooen. 3^ möd^te alfi> 
nod^ beutlid^er f agen : Seetl^onen gibt unS baS 3)t&nnlid^e im 
Sid^te ber Heiligung. — 9tud^ ift baS ^ropl^etentum ber 
anberen ^elbengeifter nid^t felbft&nbig genug, eg ift in feiner 
Sefenl^eit an baS SBort gebunben. ^^ liebe bie äl^htflf ciSt 
reine, DöQig burd^ ftd^ aQein mirfenbe ftraft. 2)iefe abfo» 
lute <Seite ber Sonlunft bilbet bag 3nftrumentalreid^, beffen 
l^dd^fter SReifter ^eetl^ooen ift. <Sr aQein fd^uf auS bem 
2:onftoffe eine Sßelt, bie burd^ biefe felbft ebenfo flar, beut«^ 
Ixä), erl^aben, pf^d^ologifd^ mal^r erfd^eint, mie irgenb eine 
^oefiemeli Unb biefe Xonpoefte ift eine 3BeIt, bie meit energie« 
ooUer unb einf d^neibenber erg&^t, belel^rt, erfd^üttert, reinigt, 
\a meldte bie Sd^Ieufen beS Sffieltl^ersenS !r&ftiger aufrei|t, 
als bie SSSelt ber äSortpoefte. 

— 3d^ glaube, ©ie unterfd^^en bie ^aft ^aijbne unii 
3Ro3artg, n)arf @mma ein. ^iS ju 3:r&nen räl^rt mid^ bie 



— 69 - 

^»itbige 9laii>et&t ^a^bnS ebenf o> wie boS B^^te, S9Be|mtttS« 
twQe^ Gottergebene SRojartS in i^ren inftrutnentalen^on» 
nietien. 

— 9hd^t ba§ Sieblid^e, 3<^cte bel^ettfd^t ben SebenSetnft 
ber ftmifl, fonbem ba§ e^ern ^e&enl^fte. d^nen, gr^dnlein 
^oOeitfoS, ift gewi^ ber erfle aSogelliebling ber »eiS^eitS« 
gSttin 9[t]^ene befannt: id^ meine bie in eine ftrftl^e inenmin» 
bette ftoronis. ®ie t^ j[ung, l^übfd^, Iieben3n)ärb^> aber su 
f(|in)a|]^aft, nid^t getragen 9on ^o]^itSt)oIlem ^nfle, wie 
$dIIaS Stl^ene eS mfinfd^en mu%. 2)e$l^alb wirb fle auS il^r 
ä^rbe eines Götterlieblings burd^ bie ernfte, iHitl^etifc^e 
Qtttenlungfrau nerbrftngt. 3)er (Sd^ilbtr&ger ber SBeiSl^it 
mttl bie Stufen unb ^dl^en beS 3)afeittS erfd^oüt l^aben. @o 
nrirb ber tiefernfte, majeft&tifd^ geartete ^eetl^ooen ^rrfd^er 
an a^ojartS SteOe. 

— 3^ ^<^be meine befonbere ^renbe baran, fprad^ Sn« 
t^entia, wie @ie aQeS mdglid^e l^emorfud^en, um nette (S^ren* 
fr&n}e fftr baS ^anpt beS nnfterblid^en ^eetl^ooen pt winben. 
SEBenn er baS bod^ l^dren f dnnte ! — 3d^ wenigftenS beginne 
nnnmel^r il^ren ^beengang }n würbigen. 3ebod^> wie er» 
H&ren ®ie eS nnS, bat ^^^ 993er!e SBeetl^doenS unS auif be» 
lehren foEen? 

— ^dren @ie mid^ an! rief (Sbgar enrpl^atrfdE) auS. 
SBir wiffen eS aUe, ba| baS Gebiet ber SRufil ein engereS 
ift, als baSjlenige ber $oefie, ber mit i^r am meiften oer« 
wanbten ftunft. 9(ber in il^rem engen 9laume fd^attet bie 
Zontnnft mit einer berebten Gewalt, (Sinbringlid^feit, ©d^drfe 
nnb Unmittelbarfeit, wie feine il^rer Jtttnftfd^weftern. Unb 
Veet^onen l^at juerft mit bem gl&nsenbften (Erfolge bie 
Zonfnnft in baS 9ieid^ ber ftd^ felbfl genägenben :9^b^e 
getragen. SlleS, waS fid^ im i^nnerft^ b^r aitenfd^enfeele 
regt, ffil^rt nnS biefer Geift in wnnberbarfter Gigenattigfeit 
tmb in ergreif enber Gnergie beS SluSbrudS )u Gemilte. Gs 
ift, als wenn jebeS befonbere Gefft^l mit aQen ©Wattierungen 



— 70 — 

l^ier feinen eigenften 2:onfdt|>er gefunben l^at. äln 9eet« 
l^ovenS Xonfprad^e lann man in SBal^rl^ett ^f^d^otogie 
ftubieren; benn er ifi ber groge feelenfunbige Sel^er^ ber in 
Zonen )U unS fprid^t. — 9Bir Dernel^nten — gunftti^ft allge« 
mein genommen — bie ^eiterfeit, bie ^teube am Seien mie 
an ber 9latur^ bie 2n% ben ^^bel, bie Siebe in il^rer unenb« 
liAen SRannigfaltigf eit -- aUeS auS einem ebenfo reinen^ mie 
mdnnlid^en ®eifte geboren. — Verebt erflingt bie ©prad^e 
be8 ©d^ergeS, beS tieffinnigen ^umorS^ ber Sd^alfl^aftigleit, 
beS ^ol^neS ttnb SpotteS. — 993ie nimmt anbererfeitS ba8 
^eunblid^e^ S^roftreid^e, baS ^offnungSooSe^ ^eierlidie, $rieb< 
Hd^e, baS ©innige unb unmutige itnfer gangeS SBefen ge^ 
fangen 1 — Sßie feufgt unfere 6eele unter feinen S^önen ber 
äBel^mut, ber Xraurigfeit^ ber 9)teland^oIie, ber 3)äfter!eit, 
ber (Seelenangft, ber 9itter!eit, ber 2:roftlofigfeit^ ber Qtt» 
riffenl^eit, beS SSSeltfd^mergeS, — mdl^renb bod^ oft burd^ ba§ 
gange fd^mere S^rdnenrei^ ein l^immlifd^eS Sdd^eln burd^« 
brid^t^ gldngenb itnb oerüdrenb mie baS tiefe Himmelsblau? 

— SBir erföl^Ien auS feiner Z^onfprad^e bie ©ebulb, bie ®r* 
gebung^ baS (Srfterben, bie S)emut, bie Slnbad^t^ bie ®lau' 
benSfroft, baS 3>an!gefäl^l in ben med^felooUften ^egiel^ungen. 

— SBir l^ören ben ®onner, ben rafenben ©turm^ baS @e» 
xoxtttx unb anbereS 9BaIten ber 9laturelemente^ — freilid^ 
ftetS als ©piegelbilber ber ftürmifd^ mogenben SRenfd^enbruft* 

— SBir laufd^en ben 2;önen ber S)rol^ttng, ber ^eftigleit^ 
beS 3orne§, %xo^t^, UngeftömS, . ber SuSgelaffenl^eit unb 
ber rafenben SBut. — 9Bir merben gefidrf t unb innig be« 
räl^rt burd^ bie Zone ber Slul^e, ber Sanftmut^ ber Unfd^ulb 
unb ©el^nfud^t. — ^ir verfolgen gefpannt baS Sßerben^ baS 
2)afein^ bie SebenSfüCe, bie Zatfoaft^ bie SBiKenSftdrfe^ bie 
^e^arrlid^feit, @rogartigIeit unb Sr^benl^eit^ baS $at]^a8, 
baS l^elbenl^afte $euer ber SBegeifterung, ben ©tolg itnb bie 
SBärbe, ben fraftooQen Stuffd^mung ber ©eele nad^ %tti* 
^txt, ben l^elbenmätigen äBiberftanb unb bie ©iegedfreubig« 



— 71 - 

feit — ben ^^xmap^ beS ringenbett {tttlic^en (SeifM. (Snblid^ 
ttinf&ngt unfer (Stmüt nad^ aU ben ^etüifd^en ftdmpfen unb 
£etben ber d^^^^^fc^^^tn reinfter Olflcffeligleit, ber SoSldfung 
oon aOer Seibenfd^aft, bie Maä^t ber l^dci^ften iDlenfcl^enliebe, 
bie äC^nung beS Überirbifc^en. ^ 

— WitS fel^r fd^ön, meinte bie ®e]^eimr&tin, ülg l^ier 
(Sbgar ein SBeild^en Don feiner (Sjrftafe raften gu tooUtn 
fd^ien. 92ur i^obe id^ auS biefent ^uerftrom ^^^rer Stebe 
no^ nid^t erfaffen Idnnen, wenn id^ mir bie gonje reid^e 
@efü]^l3melt t)ergegenn)drtige^ morin benn ^etl^o^enS IXr* 
element murjelt. 

— 2)aS eigentlid^fte (Element Seetl^ooenS, ful^r Gbgar 
fort, ift bie feelengroge mdnnlid^e Zugenbfraft in l^fl^fter 
SRad^tentfoItung. Sw^^^^ fi^^flt ^^i^ ®eban!e in unfern 
@eift, ha^ ein foldier älnbrang ber ^elbenfraft bie ganje 
anf&mpfenbe feinbfelige SBelt oernid^ten m&ffe. 9Ber für 
ä3eet]^ot)en3 SRuftf mal^rl^aft empf&nglid^ ift, fäl^lt, n)ie fid^ 
n)ä]^renb ber Offenbarung feiner Xon^errlid^teit bie @eele 
mit eben bem !ü]^nen ;^elbengeifte anfällt, mie er au8 bem 
3nftrumentend^ore in fo granbiofer äJtad^tfuUe erfd^aUt; er 
füljlt, mie SBeetl^ooenS Sionfprad^e feinen ®eift !r&ftigt unb 
fu^n über aCeg j^^rbifd^e ^inmegfü^rt. 9US lebengftarfe 9la^» 
mirfung trdgt bie gelduterte ®eele be8 $örerg baS ^ol^eitS« 
ooQe ber SRenfd^enmürbe in ftc^. 

— 9Bie ®ie t>oU (Slüctfeligfeit ftra^len, menn Sie bie 
^errlid^feit Oeetl^OQenS oer!ünben, bemerfte (Smma. (Sine 
fo l^ol^e Sebeutung, mie fte uns t)on :3^nen bargelegt mirb, 
ifabe id^ meber ber anuftf an ftd^, nod^ biefem SReifter bei« 
}umeffen Derftanben. 

— äluc^ id^, fagte t)on @id(ingen, em)>flnbe jmar immer 
bie munberooOe QmiUtmai)t ber SSeetl^ooenf^en 9Ru{t(, id^ 
fül^Ie bie l^dd^fte Seligfeit babei: aSein an einen weiteren 
(Einfluß berfelben auf unfer geifHgeS Seben mürbe id^ nie» 
malS erinnert. 



— 73 — 

Mntfftmxa aber fptad^, ju @bgat geioenbet, alfo: 

— 3^ ]^^ :3[]^tten ben bereit S5emet8 ju geben, bafe 
id^ iQf^e ^een Aber Seetl^ooen red^t oerflel^e, toenn td^ eS 
in ^f)ttm Shtne an einem ä3eif:ptele auS einer SBeetl^ooenfd^en 
Sonbid^tung erläutere, ^ä) greife bte C-moIKSgntpl^onte 
l^eraud. @8 ift befannt, ba^ btefe @(j^ö|)fung ba§ !r&fttge 
9Hngen itnb Jt&ntpfen beS tragifd^en 9tenfd^en gegen bte 
feinbfeligen, böfen SBeltbämonen in feinen ergreifenbften 
3figen jur ©arftettxtng bringt. Sffier foBte e8 nid^t in tieffter 
Seele empfunben l^aben, roxt l^ier ein ebler ^elbengeift aud^ 
ba nid^t unterliegt, roo jebe Hoffnung verloren f^eint, mo 
ein büfter bangeS Serjroeifeln feinen ganjen SebenSl^orijont 
3U umnad^ten brol^t, n)0 fd^on ber SebenSatem ftodEen n^iQ? 
wie bann bie Urgewalt einer roal^rl^aft reinen SRenf^enbruft 
mit il^rem eblen greil^eitSftolje baS ganje f d^mere SSoHmerf 
ber ]^eimtäd(ifd^en @^id^alSm&d^te in unmiberjftel^lid^ föl^nem 
Änbrange fiegreid^ über ben Raufen wirft unb ftolj wie 
ein ©Ott fiber ben böfen @eift triumpl^iert. — SBoKte man 
nun bie a;ongebanfen, bie in biefer ©gmpl^onie fo reid^lid^ 
blül^en, in poetifd^e %otm f leiben, fo bürfte man getroft 
©oetl^eS SBort au8 „0auft" gugrunbe legen: 

„Q^xn guter äßenfd^ in feinem bun!Un orange 
3ft ftd^ bed redeten 9Bege§ voo^l 5en)u^t." 

^ier leud^tet ber Unterfd^ieb }mifd^en poetifd^er unb muftfa« 
lifd^er Eigenart befonberS ein. 3)ie 3RuftI pr&gt un3 eine 
aibee, für meldte fie ®arfteaungSfa][iigfeit befi^t, weit tiefer 
ins ®emüt als bie ^oefte. S>ie abftrafte ©ebanfeneffenj 
wirb in lebenSDoQeS 3)afein umgemanbelt. Unfer ©eful^l 
wirb burd^ ^eetl^ODen fo red^t geban!ent)oII. 

— ffia? ift ia fiber bie 3)la|en fd^ön! rief Sbgar doQ 
@nt9fid(en au3. ®ie ermedCen unfere tieffte äSewunberung, 
mein fy>6)io^n1)xt^ ^r&ulein. 9Bie gl^dlid^ fd^d^ id^ mid^> 
bag meine 2lnregung fo fd^neß bie l^errlid^ften IJrö^te ge« 



— 73 - 

aeit^t 1)at. yiat&tli6f fttmme ic^ tiSaig mit 3^nen fiberein. 
^ bin nur no<i^ fo frei^ folgenbe 9ht|ann>enbttng p mad^en. 
@k ]^en eS rid^tig ertannt^ tok fxi^ ^etl^ooen aber bie 
fttbfdCttDe ChnpfinbmigSwelt meit l^inauS }ur obiehioen SEBal^r* 
l^eit erlebt. S)erarttge8 Ujlt ft^ auS faft aQ feinen ®9m^ 
pl^nieen flar enoeifen. 3^ bleibe nod^ bei ber fänften 
S^mp^onie. SSenn ti nun ber SReufd^^eit in biefer Sid^tung 
fo einbringlid^ anS ^erj gelegt n)irb, mie ein ed^ter SDIann 
in feiner @eifteSl^dl^e aU baS ftleinlid^e, (Sel^&ffige, $em« 
menbe, 93ern>unbenbe, aQe 93erfoIgung oonfeiten nieberer 
Slenfd^enfeelen, biefen SEBerfjeugen beS ^öQengeifteä, tüf)n 
Derad^tet, — ton er tro^bem, aUtS 9öfe gu Soben nierfenb, 
unbeirrt fein reineS SAeufd^enbafein n^etterlebt: worum gelten 
benn bie SRenfd^en banad^ nid^t in fid^ unb bemül^en fid^, 
il^re Seele non ben in il^r niftenben (Sd^adCen }u reinigen? 
@ie Dernel^men ben Xrium;)]^ beS @uten unb oerl^arren in 
i^rer unfeligen ä^erftodttl^eit. 9Bie oft xoxxh il^rem Sßefen bie 
99efd^dmung suteil, gu erfennen^ ba^ freigeborene, frafterfüHte 
reine @eelen tro^ oller UnterbrädhtngSgelüfte beS böfen j^einbeS 
in ftrol^lenber ®läd(feligfeit triumpl^ieren ! 

— 3e|t erft fogte Smmo, bie n)ie plö^lid^ erleud^tet 
erfd^ien, begreife id^ ooQfommen, bo^ @ie bei ^fft^x @runb» 
anfid^t vom Seben, n)onod^ bog i^fnnere beS Slenfd^en ftd^ gu 
^erebeln l^obe unb biefer bemgem&| gu immer ooQfommnerer 
ftttli^«religiöfer ^rei^eit l^inongufft^ren fei — bog ©ie 
gerobe borin in biefem einen Seetl^oven ^l^re ^ouptbefriebi« 
gnng finben. ^Mn nod^ ^l^rer Sluffaffung üon Seetl^ooend 
SRiffton mu^ biefer ®eift ^J^mn mol^l bie reid^fte 9lo]^rung 
ffir S^re 3fbee gewahren. Sft eä ni^t fo? 

— @ong unb gar, gn&bigeS ^&ulein. 3^ oerfpred^ 
mir oud^ lein geringes ^eil fAr bie Wl^n\6ji^xt, menn biefe 
aOm&l^lid^ ^erongebilbet mürbe, iBeetl^ooen in feiner etl^ifd^en 
Xiefe gang gu erfoffen. ^ogu reiche id^ $(Sfmn l^ier ein 
äRittet bar, bog ft^ on mir felbfi in fi^önfter S^ortrepd^^ 



— u — 

feit betod^rt ^at. — 3» ben erften Stabien meinet SRufU« 
lebenS tnar mir btefe SRa^t Seetl^ODeng auf meine gange 
geiftige SSerfaffung jiemlid^ r&tfell^aft. XlS id^ biefem ®e« 
l^eimniffe mel^r unb me^r nad^fann, mu|te id^ mir erfennt« 
niSooQ fagen: fo feelenl&uternb, fo erl^ebenb, burd^geiftigenb 
unb burd^ftttlid^enb fann nur ein t)on ber (Sottl^eit ganj er« 
fäSter 3)tenfd^ mirlen. 3^ em;)fanb ein l^ei^eS 93erlangen, 
mid^ mit htm fiebenSgange biefeS SBunbermanneS vertraut 
ju mad^en. Unb afö i^ biefe Sel^nfud^t ftiQte, ba erfc^lo^ 
jtd^ mir eine neue ftette ber geiftigften f^reuben. ®o gro§« 
m&d^tig mir ber Xonfd^Spfer erfc^ienen roat, fo oere^rungS« 
märbigr DoUfommen etl^ifdi erfd(|ien mir je^t ^eetl^ODen, ber 
äßenfd^. 3^ märbe in SSerlegenl^eit geraten, mollte t)ott mir 
jemanb bie ^^age beantwortet l^aben, ob mir ein l^öl^erer 
®enuj3 au8 ben Zonbid^tungen Seetl^ooenS ober auS bem 
S3erfen!en in fein eigenartiges SebenSmefen erm&d^ft. 

— 2lc^, lieber ^err SBittig !, bat (Stnma, entwerfen ©ie 
uns boc^ fd^neU ein Silb t)on Seetl^ooeng (£]^ara!tergrdge. 

— (SS tut mir au|erorbent(id^ leib, mein aQergnäbigfteS 
f^r&ulein, bag id) ^f)mn biefe 3itte ^eute nid^t erfüllen 
fann. Sefd^dftigen mir unS lieber nod^ ein wenig mit bem 
Xongeifte unfereS SÄeifterS- aber id^ ©erfpred^e Ql^nen feier» 
lid^ft, bie näd^fte @unft beS 9(ugenbUdES feftgul^alten, um 
eS ^^^nen einleud^tenb ju mad^en, ba| ein fo grojsartiger 
®eniuS wie Seetl^ODen, in bem jid^ l^ol^e äRenfd^enwfirbe mit 
ber unDergleid^lid^ften @d^d:pferlraft ju fo inniger Harmonie 
oerbunben, niemals t)or il^m unb niemals nad^ il^m gelebt 
l^at. — Slber waS fel^e id^? 3Bill mid^'s nid^t gar bebänien, 
als fd)ättelten @ie ein wenig ungl&ubig baS ^aupt, gn&bige 
f^rau? Unb bod^ begegnete id^ nid^t feiten w&l^renb meiner 
Sieben ^'^ren fo liebeooQ juftimmenben unb aufmunternben 
«liefen. 

— nein, ba irren ©ie jtd^, ^err SBittig, erwiberte 
f^rau {^ilbebranbt. 3^ bin 3!^re ganj gelel^rige ©d^ülerin. 



- 75 - 

Überl^aupt erinnert ntid^ fein ältenfci^ auf (Srben fo n^ie @ie 
an baS ttefftnnige äBort beS l^eiligen SergprebtgerS: „^c3 
Sttge tfi beS £eibe8 Sid^t. SBenn 3>etn Suge etnf&ltig x% 
fa wirb 3)etn ganaer £et6 lid^t fein." Sie braud^e id^ nur 
an}ttfe]^en, um 3^nen aOeS gu glauben, fo fel^r ifi ^^^r 9(uge 
ber Spiegel 3^rer inneren Slnfd^auungen. 

— 3)urd^ biefe SBorte l^aben Sie mid) ^od^geel^rt, 
gn&btge ^rau, fagte (Sbgar, inbem er fxi) tief verneigte. 

— 3)od^ nun, meine werten ^errfd^aften^ ful^r bie ®e» 
l^eimr&tin fort, mrx^ iäf 3^nen bo^ aQen (SrnfteS ind (Be« 
miffen reben. Sie t)ergeffen mir über fo intereffanten 
®efpr&d^en gang unb gar ben Staffee. (Sine fleine (Srfrifd^ung 
mirb i^l^ren Stellen, gumal ^errn SBittigS Sprad^organen, 
gemil roo1)ltnn. 

— 9efte Snama, fagte barauf Smma, 3)u fönnteft 
3)einer SiebenSmürbigleit eine fd^dne Strone auffegen, u)enn 
3)u uns ben Jtaffee l^ierl^er bringen lie^eft. Sßir oerne^men 
ja l^ier fo l^errlid^e, funftpldilofopl^ifd^e ^inge, bag mir un8 
nid^t gern unterbred^en laffen. SBaS meinft 2)u? Xntl^emia. 

— C, id^ bin ganj 3)einer Sneinung, oerfe^te biefe. 3f^ 
merbe gerni^ nid^t mübe, begeifterten Sieben aber SBeetl^ooen 
3U laufd^en. 

— Unb felbft f geiftooQe 9(nfid^ten ein}uftreuen, gndbigfteS 
Srdulein — bemerfte oon SidCingen. Sod^ ba irebenjt man 
ia bereits ben Jtaffee. 3d^ merbe mal^rlid^, biefeS Sabfal 
fd^lürfenb, ber eifrigfte 3^^^^^^^ f^^n- 

— a)iefe Xaffe Äaffee, lieber ^err ffiittig, möffen Sie 
mit IBerftanb trinten^ fptad(| mol^Igemut ber eben n&l^er 
fommenbe (Bel^eimrat. ^f)mn ju (S^ren gibt eg ^zuU Jta^ee 
a Ia Seetl^ooen. 

— Sie foQen ^^xt greube an mir erleben, ^err ®e* 
^eimrat, fagte 9Bittig l&^elnb. Sie miffen eS ja, id^ leifte 
®ro|eS im Jtaffeetrinfen. 



~ 76 — 

— 9Bad Gebeutet benn eine %a^i^ ftaffee ä la ^eet^ooen? 
fragte 9(nt§emta. 

— S)aS iPiU xä) Si^n^n ottSeinanbecfe^eit, KebeS ^täulein, 
Ueg ftd^ ber ©el^eitnrat oernel^men. (Srfal^ren @ie pn&d^fi, 
bai bet Jtaffee gu 93eetl^DoenS unentbel^rlid^ften ^loJ^rungS« 
mittein gel^örte. iBietteid^t tcinit ^erc äBittig auc^ blo| 
beSl^alb fo gern ftaffee. 

Sei biefen äBorten brad) bie ©efellfd^aft in ein maJ^x^ 
i)a\t l^omerifd^eS @el&d^ter auS, n)orin felbft @bgar einftintntte. 

— 9lun weiter! ful^r ber ©e^eimrat fort, nad^bem bie 
Sad^muSfeln f\6) berul^tgt l^atten. 3)er £ön)e Seet^ooen n>ar 
jujeiten aud), wie er ju fagen pflegte, red^t „aufgefnöpft". 
2)ann war ni^tS Don bem bäfteren Unmute wal^rgunel^men, 
ber fonft auf feinem ©efid^te lagerte. Qn fo roftger, ^umorf 
DoQer Stimmung mürbe mol^I aud^ eine Keine JtaffeegefeQ» 
fc^aft t)eranftaltet. Unb für jebe einzelne £affe i&l^Ite babei 
Seet^ooen l^öd^ft eigenl^&nbig fed^sig Sol^nen ab. Sold^en 
jtaffee ä la Seetl^ouen trinfen mir ^eute, meine ^errfd^aften. 
^er fed^}igbo]^ntge Kaffee fd^med^t aQen @rnfteS nid^t übel. 

— S^ banfe oielmalS für bie gütige 9luffl&rung, fagte 
Slntl^emia jum ©el^eimrat. Saffen ®ie unS iebod^ mieber 
gum ernften Seetl^ODen gurüdßel^ren. ^6^ möd^te mol^I 
miffen, ^err SEBittig, ob @ie baS @tubium beg Seetl^ooenfd^en 
SebenS aud^ bef&l^igt l^at, bie poetifd^en ^been feiner 2:on« 
merfe ju erfennen unb barauS ^eilfame Seigren fürS Seben 
SU fd^öpfen. 

— @anj gemig, mein t)ere]^rte8 ^rdulein, oerfe^te (Sbgar. 
^rum mSd^te id^ zi aud^ 3^nen bringenb anempfel^len, baS 
&zh^n beS SReifterS mit Sifer gu ftubieren. -- Ser baS 
2eUn S9eet]^09enj^ nidjt orbentlid^ gu mürbigen t^ermag, ber 
mäl^ne nid^t, beffen ^onfprad^e in SBal^rl^eit gu begreifen^ 
— 3^ gemiffem @inne freilid^ gilt l^ier mie beim gangen 
Seet^otten baS tiefe ;3[o]^anneifd^e SBort: ,,9Kemanb !ann 
gu mir fommen, eS fei il^m benn t)on meinem SBater gege^en.'^ 



— 77 — 

(@t). 3fo^. 6,66).*) — aus ia^lrel<|en «eifpielen greift td^ 
no(i^ eines l^erduS, um 3|nen bie f<i^5ne, weife Seigre p t)et* 
f^fitffeit, mie baS fkre i0en)u|tfein vom (lt)angelittnt SBee« 
tl^ooenS unfercm &tmüU fxtilxi)t ©tdrfuttfl oerleil^t. 3d^ 
erinnere @ie an bie vierte (S^mpl^onie be§ SReifterS in B-dur, 
roeid^er Slo^bert ©d^umann baS fifjöne ©pitl^eton „bie grie» 
^ifrf) f^lanfe" gegeben l^at. ®iefe Sonbid^tung fd^f biefer 
erl^abene ®eifl nid^t lange nad^bem feine unfterMid^e Oper 
„ffibclio" ol^ne Erfolg, Derfpottct unb Derfe^crt über bie 
Sül^ne gegangen n>ar. 9lad^ beut $aQe biefer einzigen Oper, in 
ber uns baS 3>beal beS liebenben SSeibeS rül^renb, erfd^ütternb 
unb l^intntelanl^ebenb üorgefü^rt wirb — antwortet ber ®e« 
niuS t)on feiner ätl^erreinen ^dl^e l^erab wörbeDoH, ntitunter 
aud^ l^ol^nläd^elnb, bann aber in Derfldrter @eelenfreube unb 
in fafl ingrimmiger SebcnSfraft ben fleinlid^en 3f<^mmer« 
geftolten ber irbifd^en SBelt S)aS ift bie fgmpl^onifd^e Slnt«^ 
mort beS SWeifterS. SJergegenmftrtige ic^ mir genau biefeS 
3ufammenn)irfen, fo fdE(öpfe id^ inbireft barauS bie fiel^re, 
ba| ein UnglädC, meld^eS ber 99tenfd^ nid^t nur ganj o^ne 
fein 5Berfd^ulben, fonbern üielmel^r aßein burd^ baS fd^nöbe, 
armfeüge, gci^fiffige ©etriebe fdimarjer 9lebenfeelen erf&l^rl, 
mit nid^ten ben l^ol^n @ebanfenf[ug beS SDflenfd^engeifteS 
lal^men fann. SSielmel^r mirb ein fold(|eS 9Jli^gefdC|id( ben 
®eift ftArfen unb bie Xatfraft ju ungeahnter SRad^tentfaltung 
anfpornen. 

— Sluf biefe SBeife, ergdnjte t)on ©idfingen, ift See* 
tl^m^en aderbingS geeignet, unfere SebenSpl^ilofopl^ie p uer> 
cbeln. 

— @oId^eS vermag er in l^ol^em @rabe, uerfe^te @bgar, 
— unb nid)t allein burd^ bie Don il^m auSftral^Ienbe Sed^fel* 
mirfung feiner Äunft unb feines SebenSgangeS, fonbern aud^ 
nod^ burdi birefte SWajimen feines meiSl^eitSooUcn ©eifleS. 

*) o^SeU S'jvoxai IX^civ Tipo; Ifii idv p.?] iq SsSofxevov aOxu^ Itl tov> 
TraTpfJc 



- 78 -^ 

So nne bie etften ^x^ttt, fo ifl Seetl^ooen adein burd^ bie 
Straft energif^en @d^auen8, burd^ i^ntuition, ein l^eQfel^enber 
^l^Uofopl^. Unter feinen 2>entf|)rä(l^en finb befonberS tmi 
geeignet, ber ganjen 9Belt baS ftngulare SEBefen ^omo^l ber 
fc^ftpferifd^en Straft als aud^ ber reinen l^eiligen 9latur biefeiS 
StdnigS unter ben ©eifteSl^eroen beS Unit)erfum8 ju offen« 
boren. (SS flnb bieS gn)ei 3been, bie ni^t blog ieber ^t« 
fUer, aud^ nid^t aQein jeber @enoffe irgenb welcher Stunft, 
fonbem überl^aupt jeber ftrebenbe ÜDlenfd^ mit um)erge§lid^en 
Settern in feinen ®eift graben ntug. 93eet]^ooen leiert olfo: 
„9ia8 9leue unb Originelle gebiert fid^ oon felbft, 
ol^ne ba| man baran benft/' — 3>ie anbere 3^ee, S^' 
eignet, einen befonberS bentoärbigen Olanj auf ben SDten« 
fd^en Seetl^ooen ju merfen, ift biefe: „9)emut beS SRen« 
f^en gegen ben SRenfd^en — fie f^merjt mid^, unb 
menn id^ mid^ im Qn^amm^nffanQ beS Unioerfumg betrad^te, 
toaS bin id^ unb mag ift ber, ben man ben @rd|ten nennt? 
unb bod^ ift mieber l^ierin baS (Söttlid^e im SReufd^en." 

— 3^ <£rnfte, bemerlte ber &tf)txmxat, l^olte id^ beibe 
älugfpräd^e eineS ed^ten SBelt- unb Stunftmeifen fär doü* 
fommen mfirbig. (Sie l^aben etmaS burd^auS S^reffenbeS an 
fid^ unb !dnnen unferem 3)en!en reid^e, befrud^tenbe 9la]^rung 
gemdbren. 

— Unb oertiefen @ie ftd^ nur einmal, ful^r äBittig fort, 
mit ganjer ^raft in biefe eigenartigen ©ebanfen, jerlegen 
@ie biefelben nad^ aDen Seiten. Sie gleid^en |^immel8blit(en 
mit einer SBelt oon @e]^eimniffen unb 9l&tfeln, bereu man 
nid^t fo leidet ^err wirb. 

2)er @e^eimrat banfte <Sbgar nod^ re^t l^erjlid^, empfahl 
fid^ aDerfeitS unb 30g ftd^ in fein älrbeitSsimmer jurüif. 
©eine @attin folgte il^m balb nad^, fo bag bie oier jungen 
Seute aQein jurüdCblieben. 

— ^eute, fagte barauf oon Stdfingen, mirb unS in 
SBal^rl^eit ein red^t aparteS @onntag§oergnägen befd^eert, ein 



— 79 — 

rein geiftiger (Stunf^. 9ef(i^&ftigt unS bo^ l^eute foft niid^tä 
anbetet olS bie ®eifteStiefe ^eetl^ooenS. 

— Sber mit meiner f orgloS l^eiteren Stimmung, bemertte 
@mma, ift eS freilid^ für biefen ZaQ fo jiemlid^ vorbei. @ie 
ftnb ©d^ulb baran, $err SSittig; Sie bringen mi^ uberl^aupt 
ba^in, ba^ ic^ öfter als gemBl^nlic^ an bie (Sitelleit ber Seit 
getnal^nt merbe. 

— (Sine berartige Srl^ebung inS ^od^menfd^lid^e, erflang 
e§ aus ätntl^emiaS 3)tunbe, mirb mal^rlid^ ni^t ermangeln, 
einen 93er!l&rung8fd^immer auf 2)ein ganjeS 3)afein su merfen, 
gute (Smma. 9B&rben @ie, ^err SBittig, im ®egenfat(e ju 
meiner fjreunbin, ^^t ^erj oon Qtxt ju ^txt ben dugeren 
£ebenSfreuben jumenben: mer meig, ob ftd^ baburd^ Qi)xt 
red^t bäftere, pefftmiftifd^e SebenSanfd^auung nid^t ein menig 
milbern mürbe. SEBei^ man'8 boc^, ba| felbft ber büfterfte 
ber ^l^ilofopl^en, ber ®ro|meifter beS ^efftmiSmuS, Slrtl^ur 
©d^openl^auer befannt l^at: beim Slnl^ören beS Allegretto 
scherzando auS ^eetl^ooeng liebenSmürbig l^umoriftifd^er 
©gmpl^onie in F-dur (9lr. 8) oergeffe er, ba§ bie SSSelt ootter 
6lenb fei! — S3eiläufig bemerft, ift bieg jener jauberfd^öne 
@a^, ben ^e!tor ^erlio} „ein Dom $immel gefallenes 
Sunber" nennt. — Sllfo ^HeS lad^t unb freut fld^ bod^ ein« 
mal, aud^ ©eifter, bie gleid^ 3^nen ben in!arnierten (Srnft 
vertreten. SQSarum benn nun bei 3^nen immer bie tieffte 
äßeland^olie unb äBelt^erad^tung? 

— 3^ bin Sinnen für biefe 95emerfung fel^r banfbar, 
Derfe^te ÖSbgar. ®ben meil mir bie SBelt fo oerdd^tlid(^ er« 
fd^eint, l^abe id^ bie ftetS brennenbe Segierbe, immer unb 
immer mieber ^eetl^ooen ju l^ören, nm bie Sßelt jeitmeilig 
ganj 3U Dergeffen. 3n SSeetl^ooen ift meine ($reube unb 
Sßonne. — ftann man eS nun glauben, ober oon mir oer« 
langen, ba^ id^, ber id^ mid^ t&glid^ in baS reine Seben 
biefeS SBeltgeifteS oertiefe, ber id^ feine ©d^öpfungen t&glidi 



— 80 — 

einfcmge, ^ttnaä) ®efaQen am eitlen S^reiben unferer todfft» 
f)aft erb&rntlid^en, !IeinIi<§*ettg]^er5tgen 9Renfd^enfinber ftttbe? 
3(nt]^etnia fenfte ben $BItd! unb tierflel in tiefeg 9lad^« 
ftnnen. 

— Slber 3>]^nen ern>ä(ä^ft eine anbete ©efal^r, fagte 
@i(fingen^ menn @ie ftd^ in ber 3Slufil faft augfd^lieglid(^ ben 
3)td^tungen biefeg einen äJleifterS l^ingeben. @ie t>er!ennen 
bie ®rö§e ber anberen ^eroen, Sie bleiben in einer gefal^r« 
brol^enben (Sinfeitigfeit befangen, ja ©ie entjiel^en ^l^rem 
©eifte baburd^ ntand^ einen mal^ri^aften ^ddigenn^. 

— SSSenn man fiä) in ber aRujtf, roiberfprad^ @bgar, 
aud^ n^irflid^ auSfd^lie^lid^ ben (Stral^len ber ^eetl^ooenfd^en 
©onne anäfe^en wollte, man liefe nimmermel^r ©efal^r, un* 
empf&nglid^ für bie anberen Slongeftirne ju werben. 3>ft ^? 
bod^ wal^rlid^, als f)&tit ftd^ ber Srbenmeifter baS Qid ge« 
ftedtt, in Seetl^Oüen einen ©eniuS ju fd^affen, ber bie Xon^ 
ma6)t aßcr ®ro§en beg neuen 9)Tujtfreid()e8 in ftd^ vereinigen 
foHe: bie wunberbare ^armonieenfüQe unb 3»beengr5§e beS 
Uroaterg Sad^, bann ^änbelg gewaltige @d^lagfertigfeit unb 
feurige fiebengfraft, ferner ©ludtg rl^gtl^mifd^e SEBißengftarfe 
unb ntartige ä^atfraft, ^agbng inftrumentaleg ©prad^leben^ 
aud^ feine feinjinnige Oebanfenjerglieberung unb ®ebanfen« 
entwidCelung, enblid^ ben Jtlangjauber unb bie feeleuDoQe 
SRelobieen^errlid^feit beg g5ttlt(^en 9Ro}art. Unb ju aQ 
biefen ©injeKr&ften in geftcigerter ^otenj erfüllte il^n bie gStt* 
lid^e SSorfel^ung nod^ mit bem unbänbtgen @eifte eineg feurig 
erglül^enben greibeitg», ffial^rl^eitg«, ßiebeg« unb ®ered^tig!eitg« 
l^elben, moburdf) aKeg ein Originalgepr&ge gewann. <So et« 
l^ielt bie SReufd^l^eit eine unfterblid^e fieudite in bem ftoljen 
9lamen SBeetl^ODen. 

^e^t fiel aug Sbgarg 9lugen ein ^^euerftral^l auf Xn^ 
tl^emiag wunbergleidieg äntli^, ba^ fle big ing Sfnnet^e ber 
©eele l^inein etbebte. 

— S)ag laffe id) mit gefaOen, fagte tjon @idKngen, wenn 



— Si- 
te^ mir aud^ nid^t vtx^tffU, ba| Sie ^^u Segeiftening fär 
Seetl^ODen in mand^en ^nften }U loeit fäl^rt. 

— ^i) glaube bod^ nid^t bajs id^ 311 loeit gel^e, t)er» 
teibigte ftd^ Sbgar. (SS giebt nun einmal feinen @eift n)ic 
S5eet]^ot)en, in bem fx^ bie t)oKft&nbige ©eelenreinigung nid^t 
nur DoOjogen l^at, fonbern in bem aud^ bie .Straft gelegen, 
{te ber SRenfd^l^eit fo Demel^mlid^ jn offenbaren. 3)arum 
greifen n)ir in biefem @inne als Seetl^ooenS t)oQIommenfte 
Sonfd^öpfung feine neunte (S^mpl^onie mit Sl^dren. — (S^ 
fann !aum etmaS SQSürbigereS erfonnen n)erben, um im au« 
gemeinen bie erbrudCenbe ®ro|artig!eit ber l^ier gebotenen 
2:onibeen in baS bemühte 3Bort ju fleiben, al8 bie fteben 
l^errlid^en @trop]^en, in benen S^ron Don bem mdd^tigen 
@inbrud(e jeugt, ben bie $ e t e r S f i r d^ e in 9lom auf feinen 
(Seift ausübte, ^m oierten ®efange feiner oergmeifbingSooU 
erl^abenen 3)id^tung ,,Child Harolds Pilgrimage" ftnben Sie 
biefe ®d^ilberung. 3)arin mirb gun&d^ft 9er!änbet, ba^ bie 
$eterS!ird^e alle anberen Jtunftoerfe n)eit überragt, ba§ {te 
einjig, unoergleid^lid^ in il^rer S^mpelprad^t fei. äRaieftftt, 
ibeale ®ero(dt, ©lang. Straft, ^urbe unb Sd^dnl^eit entfalten 
]^ier bie auSgebreitetften Slägel. 3>aS Übern)ältigenbe tritt 
3urädC, n)eil allm&l^lid^ ber SReufd^engeift, burd^ ben ©eniui^ 
beS SBerfeS emporgel^oben, ju loloffalifd^er ^öl^e ange» 
road^fen ift: 

„^u f^reiieffc x>ox — ed fteigt im ^ortfd^ritt ^od^ empor, 

9Bie ftd^ Me l^ol^e 911p, bie man erflimmt, 

9to(^ ^U, Devleitenb burd^ ben rief gen 9Bunberflor: 

Unenbli(^!eit, bie »öc^ft unb mu1t|(^ fktmmt — 

3m tlnerme^Iid^en nod^ Harmonie.'' 

(«Thou movest — bat increasing with the advance 

Idke climbing some great Alp, which still doth lise^ 

Deceived by its gigantic elegance, 

Yastness which grows — but grows to harmonize — 

All mnsical in its ImmensitieB.'') 



— 8-2 -- 

9Kd^t gleid^ nimmt ber äßenf^ bag M einer fold)en 
Sliefenfd^öpfung wal^r. drfi im mÄd^tigen SBormSttSfd^reiten 
entroKt ftd^ nad^ unb nad^ bie ganje ^errlid^feit : 

„SßeU {htfenweife ntct bet ftu^e 6iitn 

^en (Segenftanb erfaßt; alfo ent^tel^t 

@{(!^ ftets bem ft^toad^en 9Cudbru<f bad, Toad in 

^er ^rufl am üefften, innerlid^ften gtü^t; 

Unb fo ber Wid ftü^ erfi Dergeblic^ mül^t 

3n biefem ^owe, ber bewait'genb l^el^t, 

^tx&^iUI^ erft auf unfre jtlein^eit fte^t; 

^od^ mit i^m mad^fenb bel^nt fid^ mel^r unb me^r 

^et (Seift, bis bonn gleich gro| mit bem Sefd^auten er." 

(Not by its fault — but thine: Onr ontward sense 

Is but of gradnal grasp — and as it is 

That what we hare of feeling most intense, 

Outshrips our falnt expression; even so this 

Outshining and o'erwhelmiug edifice 

Fools our fond gaze, and greatest of the great, 

Defies at first our Natures litüeness, 

Till growing with the growth, we thus delate 

Our spirits to the size of that they contemplate.) 

@o uermcile, o SRenfd^, in biefem Äunftbau unb merbe 
erleud^tet. ^ier mirb nid)! aQein ber &u|ere @inn be^ 

f riebigt: ^^^.^^ j^^^ ©r^obenbeit ii^r ©olb erfpäl^n 

SCuf i^rem tiefften ®runb; in Diefem ©d^at^t 

9erei(^re fid( ber ®eift an ber 3been 3Rad^t." 

(The fountain of sublimity displays 

Its depth and thence may draw the mind of man 

Its golden sands, and leam what great conception can.) 

3)amit fd^lie^en biefe SBunberftropl^en, meldte ber @eniu§ 
ber ^eterSfird^c in einem tieffinnigen ©id^tergeifte SKbionS 
ermedfte. 

— SQ3ie ^errlid^! rief Slntl^emia auS. SRit mie unenb* 
lid^em ^od^gefäl^I erfäQt mid^ biefe poetifd^e @d^ilberung. 
SKir erfd)eint fte faft wie eine geniale ?ßrop]^egeiung auf ben 
gigantifd^en ®ombau Seet^ooenS. 5lun werbe id) erft red^t 
bewogen, t)on 3>^ren geifteStrunfenen Sippen etmag über ben 



— 83 — 

i^fbeeenfci^a^ ber neunten S^mpl^onie 3U t)erne]^ttten. Sie ge» 
n)a]^ren mir bod^ meine innige, t>ere]^runggoo(ie Sitte, ^err 
SBittig, nic^t ma^r? 

— SEBie fönnte id^ folgen Sitten einer fo rounberbaren 
33eetl^ot)enfpieIertn miberfie^en ! entgegnete ffibgar. greilid^ 
fann id| l^eute nur mel^r anbeutungSmeife wiQfa^ren. — 
S)iefe 2:onf(i(öpfung entrollt unS in rül^renben, tief ergreifen« 
ben unb l^od^befeligcnben 308^" i^^S gonje, fd^mere £eiben8= 
btib einer großen, bem ©belften ergebenen ©eele. ®ie 
bumpfen, fd^meren ©diidge beS grotlenben ©efd^idS l^aben 
ntd^tS anbereS oermodit, alS baS SBefen biefeS fgmpl^onif^en 
gelben ju t)ert)oIIf ommnen unb na6) langen, fd^meren A&mpfen 
ganj mit l^eiliger 3Renfd^enIiebe anjufütlen. 2)er f^mpl^onifd^e 
aWenfd) mirb l^eilig. 3)iefe8 ^eiligmerben bringt oorne^mlid^ 
au3 itm (Sublimften in biefem ^ol^en ©eiftegoerm&d^tniffe, 
au§ bem Slbagio ber S^mpl^onie doQ unnad^al^mlidien ^im« 
melgauberS in unfere ©emuter ein. 3ebe§ unfetige fBtX' 
langen, jebe irbifd^e fieibenfd^aft l^at biefe bem ^immlifd^en 
Urlid^te entgegenpilgernbe @eele abgeftreift, ni^tS Sßeltlid^eS 
mel^r l^aftet il^r an, üöttig entlaftet erf^eint fie oon allem 
Grüben, ©toffUd^en, nid^tS als lautere, l^eilige Siebe für bie 
ganje einige SÄenfd^l^eit ^at in i^r Sftaum. SBeld^er muftf= 
«mpfdngUd^e aWcnfd^ ^tte nid^t irgenb einmal biefe lid^t* 
üertlarte ©eelenfeier miterlebt, menn in biefem üon ber 
aÄajeftdt beS ^immelS abfolut gemeinten 2lbagio beim Über» 
gange auS h^m ^auptfeptimenafforbe von B-dur (baS ift: 
f-a-c-es) in ben ^ur^Seftafforb auf Fis (baS ift: fis-a-d) 
Toie mit einem QavA^x\ä)laQt ber ©djleier irbifd^er befangen = 
l^eit rci^t, bag fi(^ bie Pforten beS ^immelS mcit auftun 
unb nun liditftral^Ienb in D-dur ber ®efang ber allumfaffcn= 
ben Siebe mie oon ©ngeln angcftimmt mirb! . ®ie gange 
SBelt foH baS Sid^t ber l^e^ren, l^eiligen Siebe l^aben. 

— 3f^fet fl^^t ^wd^ mir ein Sid^t auf, rief @mma freu= 
Jbigen SoneS auS. SWir ift biefeS 2lbagio mo^I immer eigen= 

6* 



— 84 - 

tümlid^ f^dn, aber \>o6) immer giemlid^ unt)erfldnbli(i^ oor» 
gefommen. 

— Unb, ful^r ©bgar fort, — looju fxä) bie ©eelc im 
Slbagto üorbereitet, jur reinen, unoerfärbten, l^eiligen äßenf d^en» 
liebe, ba8 mirb t)oQ freubeftral^lenben ©lanjeS im finale 
gen)&]^rt. — ®o mel mdd^te x(f) 3l^nen nod^ oon mir funb« 
tun: ff&tU ber Unmut, ber Qotn ober irgenb eine Seibenfd^aft 
fonft mid^ je übermannt^ fo bärfte in meiner ®eele nur bog 
jmeite ^ema oug bem 3(bagio ber neunten ©^mpl^onie 
auftaud^en, ober ein anberer brandete eS nur oorsuftngen 
ober üorjufpielen, um meinem SBefen jauberfd^neK baS ©teid^» 
gemid^t eineS SEBeifen }U t)erlei]^en. @old^e aQbefeligenbe unb 
aQbefd^miditigenbe SOtad^t birgt biefe§ foftbare SonÜeinob 
in ftd^» 

— O, @ie l^aben gut reben, fiel ber Seutnant ein, id^ 
l^abe @ie überl^aupt nod^ niemals jornig gefeiten, @ie finb 
\a bereits bie SRul^e felbft. 

— ©ie finb gar ju liebenSmürbig, teurer greunb, oer* 
fe^te (Sbgar. @ie ^aben mid^ iebenfaQS meift in Stugen^ 
blidEen beobad^tet, mo id^ ooÖ mar oon ber ^eiligfeit ber 
:3[bee. ä(ber eS gibt aud^ bei mir ber Q^iUn genug, in benen 
id^ biefer ^eiligfeit beraubt bin. 93ei oielen äßenfd^en ftnbet 
biefe ibeale ©abbatftitte niemals ffiinfel^r — baS finb bie 
cigentlid^en geiftlid^ 3lrmen — , in anberen ^t fie oft il^re 
äBol^nft&tte, in ben aUermenigften, gottbegnabigten 9Renfd^en>^ 
mefen l^at fie il^ren l^immlifd^ien ^errfd^erfi^ auf gef dalagen. 

— Seiber fel^r mal^r, fagte SKntl^emia. ®aran mag e* 
benn aud^ jumeift liegen, ba^ ben 2:onIänftIern ber ®egen« 
mart fo feiten ein meil^eooIIeS SSbagio gelingen miO. ^m 
^bagio aber fd^Iummert bie eigentlid^e SRufiffeele. 2)a nun 
^eetl^ooen unbeftritten bie malere Sendete be§ Slbagio ift, fo 
möd^te id^ il^n aud^ baS ®efd^ nennen, ba§ fid^ bie fiS^zlU 
muftffeele ju i^rem SebenSfi^e auSerforen l^at. ©eben @ie 
mir nid^t red^t, $err 3Bittig? 



— 85 - 

— SBeld^e ^rage! antwortete berfelbe. SBenn eS fxöf 
um bie SSerl^errlid^ung Seet^oüenS l^anbelt, ba fann mir 
fd^Ied^terbingS lein Sob l^od^ genug fein. Stuft bod^ (Sicero 
einmal empl^atifd^ über ben oon il^m oergdtterten ^l^tlofopl^en 
$Iaton auS: ,,3)en $Iato f5nnte man vothtx jlemalS gu fel^r 
nod^ 3U oft loben" (Tu Platonem"^) nee nimis valde unquam, 
nee nimis saepe laudaverisl). @oll bad nid^t in nod^ l^dl^erem 
9ßa^e auf Seetl^ooen feine ätnmenbung finben? 

— ^^[ebenfaQS, bemerfte Sntl^emia, freubeoerfidrt t&^elnb. 
9Ber foQte aber ^l^re fc^öne Unermüblid^feit nid^t babei be« 
n)unbern! Übrigens l^at gerabe bie neunte (Spmpl^onie noc^ 
ein befonbereS 9idtfel für mid^, beffen SSfung id^ juoerftd^t» 
lid^ oon ^l^rer n)ol^terprobten (Sinftd^t in Sad^en 99eetl^ot)enS 
ermarten barf. SBdl^renb in ben anberen (S^mpl^onieen baS 
@d^er}o nad^ bem Slbagio ober nad^ bem ein foIc^eS Der- 
tretenben @a^e erfd^eint, gemdl^rt unS bie Sd^lu^f^mpl^onie 
beS 3Reifter§ l^ierin eine (SonberfteQung. 2)a8 @d^er}o ertönt 
^ier Dor bem 9[bagio. @oQte barin nid^tS n^eiter als eine 
formelle @igentümlid^Ieit ju fud^en fein? ^aS möchte i^ 
Don !einem Steile biefer Zonbid^tung annel^men, bie ben @eift 
mit ben Sd^auern l^eiligfter @elig!eit anfällt. 

— 3)enfen ®ie bod^, ermiberte (Sbgar, an ben golbenen 
SuSfprud^ SBeetl^ooenS: ®a8 9leue unb Originelle gebiert 
ftd^ felbft, ol^ne ba^ man baran benft. (Sin tiefer @inn 
fprid^t aus ber 9lufeinanberfoIge ber einzelnen ®d^e in ber 
neunten 93eet]^ot)enfd^en 9Rufe. SBergegenmdrtigen @ie fid^ 
nod^ einmal bie x>on fd^merem Seiben burd^trdn!te gro^e 
@eele, bie am Slbenb eineS reid^en fiebenS il^re eingefogenen 
l^eiligen ©d^mergen auStönt. 2)en ^auptfdmpfen im tief« 
bemegten Seben folgt l^ier naturgemd^ bie 9läd(erinnerung 
an aQ bie Derftedtten Cludlereien unb ^Verunglimpfungen, an 

*) (Senau genommen: Tu vero enm nee nimis etc. — , mie tu im 
dufammen^ange in (Sicecod „De legibus«* (in, 1, 1) ^ei^t' mo SKaccttft «nb 
XtttcuS bie (grdrterung führen. 



— 8G — 

a\i bie (Stad^eln einer böfen, se^&ffigen äBelt, bie nid^tS als 
auSgelaffene @d^abenfreube aber bie ^erjengtounben beS 
Seibenben empftnben fann. 2)enfen @ie an ben lujligen 
Starren in ©^afefpeareS Äönig Sear. ©pottenb ber Seiben 
unb i^reuben^ aQeS fo unfäglid^ l^umorooQ in baS SJleer ber 
©iteßeit fd^leubernb, tanjt man ben SebenStanj weiter: — 
aber ber ^oben ift rei^l mit 9labeln gefpicf t. (Srft nad^bem 
aud^ aQ biefer ©d^merj ber äJergmeiflung, ber peitfd^enbe 
^umor t)öQig äbermunben ift, fann in ber l^eilig großen 
@eele bie Siebe aUein tl^ronen. ^e^t fann ftd^ bie ©eele 
^od| in bie ^tl^erregionen be§ reinen, endigen Sid^tS empor» 
fd^mingen. — ©ie begreifen nun mol^I, ba| ein ©d^erjo 
nad^ biefem SCBunberabagio in ber neunten ©qmp^onie eine 
pf^^ologifd^e ober überl^aupt eine religionSpl^ilofopl^ifd^e Uxi' 
möglid^feit mare. 

— %6), nun roirb mir'S fonnenflar, fagte Slntl^emia, 
i^ren großen ©lidf in UebeooKem S)anfe auf ®bgar rid^tenb. 
Unb menn moberne Äomponiften fo miUfurlid^ biefe erftaun« 
lidie Originalität nad^al^men, bann mirb meiftenS bei il^nen 
}ur Unnatur, xoaS bort als ^o^zS, feelenfunbigeS Saiten 
crfrfieint. 

— ®a8 ift nun einmal ber glud^ gebanfenlofer 9lac^» 
a^mung, bemerfte @bgar. älber mie freubig gerül^rt erfenne 
x6)'S an, baß @ie mic^ fo munberfam ju ergänjen perftel^en. 

— 2Bir l^aben bereits fo x)iel beS SobeS über SBeetl^ooen 
gel^ört, rief je^t üon ©idtingen auS, baß id^ einen orbent» 
lid^en ©eifteSl^unger oerfpäre, mieber einmal eine Xonbid^tung 
biefeS Unfterblidien in mid^ aufsunel^men. 9Bie mare eS 
benn, menn ©ie, lieber SBittig, ober ©ie, mein aUergnäbigfteS 
grdulein, unS eine ©onate biefeS SKeifterS oortrügen? ©ie 
mürben mid^ bamit }u mal^rl^aftem 3)anfe oerbinben. 

— ^ä) mürbe Q^nen oon ^erjen gern miHfa^ren, ant» 
mortete Slntl^emia; aKein id^ empfinbe eine fonberbare, faft 
unfaßbare ©c^eu, oor einem' fo geftrengen SRiditer, al8 meld^er 



— 87 — 

mir ^err Sittig ol^ne 3n)etfel in &aäftn 8eet^ot)enS bo^* 
ft^en fd^eint, eine @onate biefeS 9ReifterS oorjutrogen. 

— ändgen Sie baS nun im CSrnfte ober im Sd^i^e ge« 
fprodien l^aben, lautete (SbgarS @egenrebe, — iebenfoUS, 
gnabigeS ^raulein, be}euge 16) 3^nen avß ooUem ^ergen, 
ba^ @ie äberl^aupt feinen ^ritifer }u f dienen l^aben. %ud(| 
ic| oerbinbe meine ^tte mit ber meineg ^reunbeS von 
@id(ingen. — 2>a§ Sammerlid^t jiel^t herein, ^n einer fold^en 
Überganggp^afe, mo ben SSac^enben fo oft fu^eg 3;rftumen 
überfommt, ftnbet ftd^ mol^I bie geeignete Stimmung, ber 
fd^mergengreid^en Cis-moil-Sonate ein txaaLxä)^^ ^eim in 
unferer Seele )u bereiten. Siefe Xonbid^tung möd^te id^ gar 
}u gern non ^i)mn l^ören. 

S(nt]^emia minite ©emdl^rung unb er^ob ftd^. ^aft 
geifter^aft ergl&njte ü^r ätngeftd^t im ^albbun!el. S)ae 
Stauf^en il^reg feibenen (SemanbeS unterbrad^ oUein bie ge« 
^eimniSooQe Stille, ^en nectifd^en ßobolben ber ^mmt» 
rungSmelt blieb jjebod^ nid^t lange 3^^^' ^^^ (Semäter ju 
f^redCen unb }U ftngftigen. $aum erüang ber erfte Cis-molU 
9(!forb ber Sonata quasi una Fantasia, — ba mar ber ®eifter- 
fpuf t)erf(^munben. 

3>er ®eift 93eet]^onenS fprad^ auS bem feelenooQen Spiel 
ber anmutSreid^en ^ünftlerin. ältemlofeS Sd^meigen l^errfd^te 
mdl^renb il^reg SSortrageS, ber bie Seele ber Saufd^enben 
gan) gefangen nal^m. S)aö älbagio fpielte fte nid^t, nein! 
fte fang tS munberfam rül^renb auf bem ^lägel, ba| e§ tief« 
innerlid^ in ben @emätern nad^l^aUte. — 2)a8 SUlegretto 
marb in feinfinniger altm&l^lidier Steigerung beS Q^itmaSßiiS 
aus bem bal^infterbenben älbagio berauSgebid^tet. 2)er le^te 
©a^, baS ,Prcsto agitato'', bot ein 93ilb rafenber, feffellofer 
Seibenfd^aftlid^feit, big inS innerfte 3Slaxl l^inein erfd^ätterte 
e§ bie 3^^^^^^- 

3>a§ 3^u^^^fpi^I ^^^ beenbet. Slnti^mia nal^m i^^^en 
Pa^ neben (Sbgar ein, beffen l^od^begeifterter ^Ixd i^r mel)r 



— 88 — 

fagte, als ed taufenb 9Borte l^&tten tun fönnen. 3)abei 
ftreiften fld^ tl^re ^4«be. SÄntl^emia warb wie von $urpur= 
rot übcrgogen, — (Sbgar fül^Ite fein ganjeS SBefen rote tjon 
fonniger SebenSrodrnte burd^roel^t; bod^ feine dunere $üQe 
beroal^rte DoQe Stulpe unb ©leid^mut; nur int Innern roogte 
eS l^in unb l^er. 

SHlm&l^Hd^ nur fonnte man fid^ t)on bent tiefen @in^ 
brudte erl^olen, ben bie Sonate auf baS ®tmüt ber änroefen* 
ben l^erporgerufen l^atte. (Srft ber fterjenglanj rüttelte aUeä 
aus beut fUQen ^inbrfiten. 

(Snblid^ fprad^ ßbgar ju älntl^emia: 

— Sie bilben roal^rlid^ eine rül^müd^e äuSnal^me unter 
ben 93irtuofen. ^aft niemals !ann ntid^ ein SSirtuofe mit 
bem 93ortrage einer Seetl^ooenfd^en Sonate jufriebenfteOen. 
3)ie weiften ^ßianiften fpielen ja in il^ren ftonjerten eine 
berartige Sonate lebiglid^, um bem Jtlaffifd^en ben fd^ulbigen 
SDtobetribut barjubringen, ol^ne fonft im geringsten oom reinen 
©eifte SJeetl^ooenS befeelt ju fein. ®enn ba8 entartete SJir= 
tuofentum — baS 9lffentum ber Äunft — ift ungefäl^r fold^ 
eine 5lunft, roie bie jeneS ®rie(ä^en, ber au8 ber gerne immer« 
roftl^renb @rbfenfdrner gegen eine 9label roarf unb fte, ol^ne 
jemals ju feilten, an biefelbe anfpie^te. 9lad^bem biefer 
^ej^enmeifter aud^ t)or ädejranber bem @ro^en feine 5lunft» 
fertigfeit beroiefen l^atte, erl^ielt er Don biefem einen Sd^eff el 
berfelben ^ülfenfrud^t ium ®efd^enl. 3)aS mar eine fdnig« 
lid^e Satire. — SEBenn eS möglid^ rodre, fottte man feelen= 
leeren SHrtuofen nid^tS al8 geftod^ene Dftaoengdnge, oer* 
jroidtte Slerjen», Seytenldufe, Äfforbfprünge, S^riQerfetten unb 
bergleid^en als SBelol^nung für il^re Seiltdnjerfunft auf bem 
?Pianoforte oerel^ren. — VLm fo lebenSfreubiger roirb man 
barum berül^rt, roenn man einer ed^ten Stünftlematur unter 
ben Sßirtuofen begegnet. 2)aS Sd^meid^eln ift mir oerl^agt, 
mein oerel^rteS g^&ttl^itt. Q6) fage barum in offenl^erjiger 
Äflrje unb SBünbigfeit: Sie l^aben biefe Sonate fo meifter»» 



— 89 — 

l^aft 9ef;)telt ba^ i6) mein langgendl^rteS 3beal oon ber 
;g[]tterpretatton btcfcr Sonbid^tung enbltd^ einmal cermirf« 
Ii*t fanb. 

— Sie werben mid^ nod^ eitel mad^en, entgegnete 

l&^rtnb bie tief errötenbe 2lnt^emia. (SS gemdl^rt mir frei« 

ft^ feine geringe Genugtuung, 3'^nen, ber fi^ fo tief in 

baS "^ol^e SBefen Seet^ooeng ju t)erfenfen gemol^nt ift, Stxi)^n 

1o uneingef^rdn!ten 95eifatt8 abjugeminnen. 

3)arauf bemerfte non (Sidingen: 

— Sie l^aben unS, attergndbigfteS grdulein, biefe Silon^ 
M^tung fo JU ^erjen gefäl^rt, ba^ eS Sinnen gemi^ leidet 
faEen n)irb, unS bie ganje (Sonate il^rem ^oeftege^alte nad^ 
in Sorten barjuftellen. 

— 2)a8 überfteigt nid^tSbeftomeniger meine ftraft, t)er« 
fe^te bie Slngerebete. Q6) beft^e mol^l ein du^erft empfdng* 
lid^eS ©eful^l ffir SSeetl^ooenS l^errlii^e (Sd^dnl^eiten bis in 
oK il^re jarten 3Ibftufungen l^inein; id^ ^nbe iebod^, Dor« 
nel^mlid^ burd^ natfirlid^eS ©efdl^l geleitet, baS iffial^re, ol^ne 
ben 3beeengang eines ^nftmerfeS in 9Borten entmidCeln ju 
!5nnen. ^eute aber l^abe id^ burd^ ba§ fd^dne Seifpiel 
meines ^errn 9lad^barS fo reid^e 9(nregung gemonnen, ba^ 
i(i^ fortan beftrebt fein miQ, oon biefer ©runblage auS meiter 
JU bauen. 

— 2)ann l^ilft S^nen ni^tS, ^err SBittig, Sie muffen 
uns bie CiS'fnoll»@onate il^rem poetifd^en ©el^alte nad^ nal^e 
^^iugen, fagte (Smma. 

— 3nu^ xä) mirflid^? lautete bie etmaS ironifd^e 9lnt« 
n)ort ISbgarS. ^6) mug jmar nid^t, aber id^ miQ. 

— ©ie bleiben nun einmal ber alte SBiberfprud^Sgeift, 
f<i^moQte @mma bagegen. 

— Sli^tSbefloroeniger, ful^r @bgar fort, erfülle id^ 3»^ren 
SBunfc^. 

3)cr junge 3)lufenfo^n fd^lug ben S^ejt ber Cis-moll- 
Sonate auf unb begann alfo: 



- 90 — 

^iefe unfterblid^e (Sonate, fo einl^eitöooU in il^rer @e> 
^\)lStntxoxdd\xnQ, tpie n)enig anbete berartige ^id^tungen, 
fül^rt ein ©entüt Dor unfere ©eele, baS t)on einem tief ein» 
fd^neibenben SCBel^ belaftet ift. 

3m Cis-molU2lbagio fprid^t ber in feinem unnenn« 
baren @d^mer}e ftd^ faft Derjel^renbe, flagenbe ^Renfd^ 2U unS. 
^ie ftete Unrul^e be§ ^erjeng fpiegelt bie immermal^renbe 
2;riolenben)egung ber begleitenben (Stimmen malerifdi mieber. 
3)em einfam in ftc^ gefeierten ®emüte entfprid^t bie monoton- 
melobifd^e SSSel^flage. SSSol^I mb6)tt ber ®eift in feinem 
liberfd^menglii^en Seib auS ber t)er!Iärenben (Sc^merjenSluft 
ben feelent)ern)anbten Sroft fd^öpfen. 3lber meld^ ein furjer 
©dieintroft ertönt l^ier auS E-durI Qrx fd^neU erneut fid^ bie 
Älage über ben l^ei^ brennenben (Seelenfd^merj, bie nun« 
mel^r, einen ^offnungSfc^immer (C-dur) oerfd^mdl^enb, fdfiaurig 
unb immer fdeauert)o([er au§ aQen x)ern)anbten SRoQtSnen 
angeftimmt mirb. 2)er ©eift erfd^eint jefet faft umnad^tet in 
feinem unfdglid^en ©d^merje unb möd^te i^n bod^ mieber mit 
(Seelenmad^t nieberfdmpfen. SBä^renb bie fd^mer^DoKe fleine 
31one in ber 3ReIobie fo l^erjjerrei^cnb fingt, fd^reiten bie 
mad^tooUen S3äffe in brol^enber Äraft einiger. Unb mieber 
fdttt baS ©emut bem troftloS ftitten Klagelieb an^eim. — 
SD3ie ein töblid) oermunbeter Seu fidf) pon Qtxt ju Qdt nod^ 
aufrafft unb gegen fein feinbfeligeg ©efd^idt anbringt, um 
immer nur fraftlofer unb matter jurüdEiufinfen, ol^nmäd^tig 
feinem (Sd^merje überlaffen: fo ftrebt l^ier ha^ tief üermun* 
bete SJlenfc^engemüt immer roieber empor, um fd^nett baS 
SBergeblid^e biefeS SlingenS ju empfinben. @ine fold^e 93e* 
beutung Hingt auS ben furjen ©reScenboS biefeS (Sa^eS. — 
9lade bem erften eitlen 2lufraffen roirb baS ©emut beS 2^u 
benben oon unnennbarer Slngft befaQen. 3Bie ba bie Unrul^e 
auf ben Seibengmenfdien einbringt! 9Bie er flagt unb fid^ 
t)or (Seelenpein minbet, ol^ne einen rettenben 2lu8meg ju 
finben! 2)er ©eift füf)It jtd^ nad^ unb nad| fo bebrüdft, ba§ 



— gi- 
er lange Derge6en§ naä) freiem Sltem ringt: bie Slngft toiü 
unb roiVi nid^t n^ei^en; fetbft ber reine SlttSbruct ber Stiage, 
bie ajlelobie, ift üerloren. Snblid^ tommi ani) nad^ biefer 
^erjenSqual bie ©eele roieber ju jtd): aber immer tiefer, oer« 
jroeiflungSxioIIer tönen unS bie meIobifd(en ©eufger entgegen. 
Unb immer nod) ftorft ber S3ag auf bem Orgclpunfte Gis. 
ps^Iid^ miU ftd^ je^t htm ©eifte ein rettenbeS Sieid^ er« 
fd^Iie^en; toä) alfjufc^nell ermeift eg feinen trflgerifd^en 
©d^ein, fo ba§ bie ©eele ol^nmdd^tig in bie alten ©d^merj» 
gebantcn jurüdffdUt. SBie fel^r aud^ baS leibenbe $erj Mutet 
unb leife feuf jt, nod^ fül^lt e§ ftd^ jumeilen Don einem ^aud^e 
be§ ftd^ aufbaumenben SflBiberftanbeS erfaßt. Slber immer 
troftlofer finft ber ©eift nieber. 9lod^ einmal, gleid^ bem 
legten äuffladfern beS Sid^tfunfenS üor bem ganjlid^en @r* 
Idfdien, leud^tet ein an!dm):)fenbeS ^Beginnen auf, el^e ber 
®eift ganj in 9larf)t oerftnlt. SBon Sangigfeit, Sraurigfeit 
unb ^unbert anberen dualen baniebergebeugt, fd^eint ber 
9Jlenfd^ ba l^injuwelf en : leifer unb immer fd^m&d^er l^aHt 
baS fS&ef) nad^. 9lur ber tieffte ©eelengrunb l^aud^t nod^ ab 
unb jU bie elegifd^en, monotonen ©eufjer auS, big bie ganje 
äBelt ftd^ il^m in mefenlofe 9lad^t DerpQt. 

2>od^ i^or^l! 2)er fd^merjDoQ brutenben äSersmeiflung, 
ber l^öd^ften ©eelennot ertönt je^t leife etne troftfpenbenbe 
©timme auS liditen ^öl^en. SBie fd^Iummert nod^ fo tief 
verborgen baS fd^mere Seib im troftreid^en ©ange beg SHle« 
gretto! SBie miß fi^ l^ier in Des-dur eine eble ©eele fo 
\)o6) erl^aben über bag tieffte Seib ftellen! ^mmer jutjer- 
jtd^tUd^er erfäQen ©ebanfen ber SRul^e unb ber feierlid^e^ 
©dimerjengftiQung bie ©eele beg fd^mer ©epruften. f^reilid^ 
crfd^attt l^ier nid^t bag Siroftegmort einer ©eele, ber bie 
Hoffnung auf ©lüdteggenxiß lebengooöere ©d^mungfraft per* 
leil^t: nein! l^ier ertönt ber S^roft, ben eine große ©eele in 
ber mißengftarfen 9teftgnation auf ein l^eiß erfel^ntcg Sebeng» 
gifirf empfinbet. Unb ein fold^eg Sieb beg 2:rofteg muß t)on 



— 92 — 

aßel^mut umflort fein. 3Rxt SBel^mut ergibt ftd^ ^ier ein 
@eift in fein unfeligeS ®efd^ict, xotü eS bie einem lauteren 
^ergen entfiammenbe 9lotmenbigfeit alfo erl^eifd^t: eS mujs 
fein! ®aS (BIM empf&ngt unter Xrdnen feinen Sd^eibebrief. 
Unb n)eld^ gegenfd|(Iid^eS Silb in ben beiben Xeilen bei 
£rio8! 

9Bie moQte meine @eele fid^ in lebenSfrifd^em i^bel 
emporfd^mingen, menn bie neibifc^en äJldd^te meinem £eben 
nid^t eine fo traurige dntfagung gefponnen l^dtten! — fo 
fingt ber erfte Z:eil. 3(Qein, mein ^erj foQ nun einmal ein 
auSerlefeneS Selb fär baS l^eimtüdKfd^ einl^erfd^leid^enbe Un« 
l^eil fein! — fo i)erfünbet, ganj leife flagenb unb meinenb, 
bie leibenSgetr dufte @eele im jmeiten S^rioteile. 

2)od^ oon neuem mirb in htm ©emüte beä Seibenben 
bie troftooUe Stimme laut, aber ni(^t mel^r mit ber fräl^eren 
Buoerftd^t. 3)ie SBe^mut mirft iel(t me^r unb mel^r il^re 
bunflen Sd^atten in bie§ ^ilb ber (Sntfagung.*) 

9)tit bem Presto agitato biefer 3)id^tung tritt ber 
©eelenjuftanb beS gelben in eine neue $]^afe. ^ort mit 
allen 9leftgnation8gebanf en ! Shtnmel^r mad^t fld^ ber auf« 
bdumenbe 2:ro^ gegen baS ftnfiere Sd^idtfal in feiner titanif ^en 
Seibenfd^aft geltenb. 9Bie bie milb fd^dumenben SDleereS« 

*) ^et ä^otirog biefeiS fleinen Sa^eiS bietet laum benlbare @(J^toiertgs 
fetten, namentlich inbetreff bed gar nid^t oorgeseic^neten Sem|)on)e4feId. 
S)er 9(nfang mu^ ftd^ unmittelbar nad^ bem ^bagio in gan} rul^igem 3^it* 
ma^e ergeben, ^er jroeite Seil merbe tixoa^ fc^neUer in ber Bewegung; bei 
ber SBieber^olung entfprid^t ber 3bee abermals eine etmaS grb^ere Beb« 
l^aftigfeit, bie aud^ nod^ ber erfke Seit bed SrioS bel^aupten barf. Slber ber 
§meite $ei( oerftnie mieber in ru§ig leibenbe Semegung. 3)ie SBieber» 
^olung bed SlUegrettoiS atme im erften Seile mieber bad eimaiS lebhafte 
aufleuchten ber troftreid^en 9tettung. ^r ameite Seil l^ingegen, welcher ben 
@a4 befd^lie^t, ertbne in burc^auilgemeffener Bewegung; ^ier bei bem erfken 
tottifc^en £^artfesta!!orbe auf As (As-des-f) mufe jebenfalld ein Slul^epunft 
ftattfinben, am Iftngfken im @d^lu^teile: benn bamit fc^eint erft in bet€^eele 
beg d^ntfagenben ber @ntfc^lu( jur DoIlen 9ieife 3U gelangen. 



— 93 — 

n>ogen mit einer ftc^ latDtnenartig überftärjenben ftraft gegen 
^Ifenmaffen loSftürjen, nm fte ber 3^^dntng pretggugeben, 
n)ie fte bann in o^nnt&d^tiger 3(nfirengung jurudtprallen : fo 
f^Ieubert l^ier bie tro^ige SRenfcl^enfeele il^re roQenben 2:on» 
wogen mit furd^tbarer @en)alt gegen bie felfenl^arte @d^ict» 
folsfefte, biefe §u jerberften ftrebenb. aber l^ier ein fort» 
todl^renb ntad|tIofer StüiffaU t)on ben beiben tro^igften 
äfforbfd^ldgen — unb l^ier ein immer erneuter Sliefenfturm. 
@nblid^ mu^ ber tro^ige ®eift fein eitleS Semfll^en, ftnfter 
groQenb, einfel^en. ^ie l^eroortau^enbe, grauenooQ fd^dne 
Melobie in Gis-moll t)er!änbet unS biefen b&monifd^en 
Sd^merj, ber ftd^ big in bie innerften ^erjenSfafern l^inein 
^tgmeigt l^at. Offenbart er juerft nod^ ein getoiffeS l^erj» 
rül^renbeS, melobifd^eg fOla^, xolÜ)xznh aQein in ben $B&ffen 
bie fieberl^aft xoxlht Slufregung ber Seele pulftert: fo fd^n)illt 
er fd^neQ genug }ur entfe^Iid^en Seibenfd^aft an, geberbet ftd^ 
immer rafenber in feiner 3^3criffen^eit, big pd) bie gefolterte 
Seele in einem furd^tbaren SKuffd^rei Suft mad^t. — 3)a um« 
fd^mint munberfameS ©eifteSgeffüfter baS in Sangigleit 
fd^mad^tenbe ®emät beS unaugfpred^Ud^ fieibenben. ' 9lun 
pd^tet ber ®eift in ben @d^og milben ^umorS. ;3ft eS nid^t 
eine milbe Suft, fein ^erg 9on taufenb 2)ämonen umlagert 
}U feigen? SBie fie nid^t mübe merben, an einem ^erjen 
i^etumjuserren, eS mit il^ren jerfteifd^enben Firmen immer 
ftdrfer unb l^öl^nifd^er ju pad(en! — 3)ie ^meite SRelobie in 
Gis-moll gibt bie l^umoriftifd^e Slad^e. Slber ber votltotu 
ad^tenbe $umor mirb von bem nimmer raftenben S^ro^geifte 
oerbr&ngt, ber aufS neue !ampfbegierig gegen ben ganzen 
feinbfeligen Zro^ loSftürmt. 9Bie fe^r bie ftolge @eele ft^ 
aud^ b&umt unb bem @d^idtfal feine SBiOenSfraft entgegen« 
fd^Ieubert: beS (Kefd^idEeS 3n&d^te bel^aupten abermals bag 
©d^Iad^tfelb. SBol^l mäl^U t)on neuem ber leibenfd^aftUdie 
Sd^merg im &tmixt; jebod^ bieSmal nid^t fo ftärmifd^ l^eig: 
bie frül^ere roübe SWelobie l^at nunmel^r eine etmag reflgnierte 



— 94 — 

gätbung in Fis-moll, mcl^r no(^ in G-dur angenommen. 
%xtUx6) ift in biefen Slugenblirfen bie oerjid^tenbe Äraft nur 
ftä^ma^. 93alb überlast jidf) ber ©eift mieber ber fejfellofen 
Seibenfd^aft, in feinem SWiggefd^idt aber auc^ gro§ einiger« 
f^reitenb. %nx einen furzen bangen SRoment fd^einen bann 
bie @ei[te§fd^n)ingen ganj ju erlal^men. ^oä) haS n)ar nur 
bie ©rl^olung ber ©eele, bie neue Ärdfte fammelt, um baS 
graufame SSerl^ängniS gu 93oben ju werfen, ©o fe^t ftd^ ber 
l^ei§e Äampf nod^ lange fort. 2)ie $51^e be§ UnglücJg ftürjt 
ben ®eift in einen maleren 2;aumel ber milbeften Seiben* 
fd^aft. 3)er ©d^merj mül^It tiefer unb immer tiefer. 3>e^t 
^um üierten SKale erbröl^nen bie fül^nen fteulenfd^ldge gegen 
ba§ nimmer manfenbe @dt)id(fal§]^aupt. ®ieSmaI entfielet 
mal^rl^aft gigantifd^e§ Slingen; ber ^elb möd^te feinem ®e= 
fi^id mit fdft übermenfd^li^er Slnftrengung in ben 9lad^en 
fal^ren unb i^m bie fd^redlid^en ©iftjdl^ne ausreißen — e§ 
ift aHeS eitles SWül^en. 3)ie ^elbenfeele mu^ vom Äampfe 
abftelien unb fid^ jur ©rgebung in baS unerbittlid(e ©d^irffal 
ruften. ®ie frül^ere leibenfdiaftKd^e jorneSmutige SJlelobie 
«rflingt nod^ einmal in Cis-moll leifer, gefaßter unb ergebe* 
ner benn je juüor. ©d^eint aud^ ber 2;ro^ gebrod^en, fo 
ftürjt bod^ mieber bie ^ö^^terlid^feit ber ©^mergenSleiben* 
fdt)aft in lid^terlol^en fjlammen l^erüor. 3)ie SBerjmeiffung 
treibt ben Oeift raftloS l^in unb l^er^ er led^get na^ enblid^em 
©iege, nad| Befreiung au8 biefer unfdglid^en Dual unb fül^It 
feine Äraft immer mel^r babei ermatten, ©rftorben fdieint 
il^m alles Seben. 3)od^ aud^ auS biefem ©dieintobe rafft 
fid^ bie Seibenfdf)aft aflimdl^Iid^ gu neuer ©emalt auf. 3)er 
©dfimerj, ben biefe §elbenfeetc empfinbet, ift fo riefengroß, 
baß er nid^t gu cernid^ten ift, unauf^örlid^ ift feine ^ein. 
3lber bie ftolge, tro^ige SeibenSfraft fteHt fid) immer fül^ner 
<iud^ biefem ©diredtenSbilbe entgegen, ©dfieibenb nod^ prdgt 
uns ber Slonmeifter baS 95en)ußtfein t)on feinem im Orunbe 
:i)er ©eele bennod) ungebrodE)enen ©tolge ein. 



— 95 — 

— ©0 fül^Ie -id^ bcn Qnl^alt btefcr ipunbcrbaren ©onate, 
fd|Io| (Sbgar feine 3)arfteQung. 

— O, toie banfbar bin id^ i^^l^nen! fagte (Smma mit 
freubig geräl^rter ©timme. 

— O^^t n>erbe id^ mand^eä barin bod^ nod^ ganj anberS 
oortrogen !dnnen, benterfte Slntl^emia, n)obei fte einen i&tU 
lid^ banfbaren SBItdt auf (Sbgar n^arf. 

— S)anf, oiel ^erjIidEien 3)anf für Qffxt überaus freunb« 
lid^e älnerfennung. 3)od^ unt eineS ^nfteS n)tl(en mu§ id^ 
mid^ mol^l noi) fafoieren. ^6^ möd^te mit biefet @fi}ie um 
adeS in ber SEBelt nid^t ben irrtümtid^en ©tauben in Ö^nen 
ermed^cn, al8 l^abe fid^ ber Xonfd^öpfer bei ber ftonjeption 
biefer ^l^antafie » @onate gerabe ben pfpd^ologifi^en ^been« 
gang fo DorgefteDt, mie id^ il^n foeben vorgetragen l^abe. 
Samit fodten @ie, meine fo gebulbigen unb liebenSmürbig 
fgmpatl^ifd^en Qväfbt^x, nur in Unbefangenl^eit bie Überjeu» 
gung geroinnen, roie geroiffe @d)öpfungen Seetl^ooenS auf emp= 
fdngUd^e, feelent)erroanbte ©emüter einguroirfen vermögen. 
Aber gerabe auS fold^en poptiven SBorFommniffen — unb 
baS l^alle id^ für befonberä bel^erjigenSroert — fönncn ©ie 
roieber ben merfroürbigen ®egenfa^ erfaffen, in bem ftd^ ein 
Seetl^ODen ju ben fogenannten $rogramm«9)'hiflfern befinbet. 
SB&l^renb ber eigentlid^e ^rogrammatift jtd^ unb feinem 9lu= 
bitorium eine ootKommen burd^gefül^rte poetifdie ©fijge ju« 
red^tlegt, beren (Sinjeljüge man meiftenteilS aud^ beim beften 
SiQen nid)t au8 ber betreff enben SJ'hiftf IierauSfinben fann: 
roirft SBeetl^ouenS Xonfprad^e oft umgefel^rt fo, ba§ fte — 
ol^ne nad^ einem beftimmten Programm gefdfiaffen ju fein — 
bennod^ poetifd^e ©eelen ju ben auSfül^rlid^ften ^oefte=?ßro= 
grammen begeiftert. 2)a8 ift bcnn aud^ ber l^öd^fte Xriumpl^, 
ben bie aWuflf al8 fold^e burd^ ben-l^ol^en ®eift SBeetl^ooenS 
bauongetragen ^at Qn freier, pl^antafte« unb funftDoHer 
Siarfteßung gebiert fie Heine SOBelten, von fo faßlid^^einbring* 



— 96 — 

lid^er Stlarl^eit^ ba^ ber ^Berufene ftd^ Deranla^t feigen mu^, 
Jette 9Beltett burd^ baS beutlid^ rebenbe SEßort^ fefljubanttett. 

— SBieber eiti gattj tteuer ©ebattfettgang, fprad^ freubig 
erftaunt ältttl^etnia. 93teIIeid^t l^abe id^ ®ie tttd^t t)oQ{ottttnen 
t:»erftanbett. Sie tDoQteti bo^ batttit ttid^t bel^auptett, ba^ bte 
$rogratntn'9Rttfif, oIS bereit eigentlid^en IBatet mix $e!tor 
93erHo} anjufel^ett ^aben, gar feilte pofltbe Sebeutung für 
bte orgatttfd^'gettettf^e (Stttoictelung ber SRuftf 6eftl(t? 

— 3)aS burd^auS xtiä^t, Derfe^te (Sbgar. (S8 liegt eitt 
bebeutfatner ftertt bariit, ber itt S^^u^ft nod^ frud^tbrittgettb 
tDerbett ntu^. ^e!tor Serlio} freilid^ gleid^t mit $ratt} 
Sigjt unb anberett ttur iettett l^erDorragettben fül^ttett 3Rditttertt^ 
bie t)or ftoIutttbuS bett neuett unbelatttttett SeetDeg auSftnbig 
titad^ett tDoQten. ^erliog jutnal ift tDie ha8 infarnierte 9[^nett 
eitter tteuen Offenbarung§n)eIt ber 3Slufxt, beren ettblid^e @r« 
füUuttg erft einent fp&terett ©ettiug x»orbel^aUett bleibt. ®e» 
rabe auS ^eet]^ot)en l^&tte er lernen fönnen, ba§ eine ber« 
artige, wirflid^ organifd^e ©rweiterung ber reinen Qnftru« 
ntentalmufif nur burd^ Doniommeneg (Srfaffen ber t)or]^anbenen 
SRufiffornten möglid^ mirb. @inft xoxxh j|a ber 2)ag fommen^ 
an bent ein großer Originalgeift auftreten n)irb, bef&^igt, 
bie burd^ bie grö^eften 9)tuftfgenien entn)id(elten formen 
organifd^ n)eiter}ubUben. @in fold^er ©eift ntu^ bann aud^ 
bie ganje utufifaKfd^e Slnfd^auungSwelt t)oru)drt8 bringen. — 
3)od^ i^ utu^ furd^ten, ntid^ gu verlieren, mu^ bal^er fd^neE 
abbred^en, fo tjerlodenb aud^ biefeg 3;^enta ift. — 3>^ m&6)te 
Dielntel^r nod^ einmal auf ben Siortrag ber Cis-moll-@onate 
guräd(!ommen. 3^r @piel, gnäbigeg f^r&ulein, gab einer t)on 
mir feit lange gendl^rten älnfld^t toieber neue ^eftätigung. ^^ 
bin ber SJleinung, ba^ gerabe jum SSortrage Seetl^ot)enfd^er 
2)id^tungen bie $rad^t beS p^pfifd^en 3lnfd^lage8 aKein 
burd^aug nid^t auSreid^t. Um ben eckten ®eift unfereS 
SDIeifterS ertönen gu laffen, mu^ man ben pf^d^ifc^en ä(n» 
fd^Iag, inf onberl^eit beim älbagio, jur t)oQften @eltun bringen. 



— 97 — 

2)ie SRufUfeele muj^, loenn ber SuSbrucf geftaltet x% in bie 
^nger l^inubergeleitet loerben, um fo ben 9Beg in bie l^erjen 
ber 3u^drer gu finben. älnfd^Iag unb Scjent — \>cS ftnb 
bie xodffxtn älngetpunfte fflnftlerifd^er 93ortrag§n)eife, bem 
ftd^ als britteS 9)loment bog ^j^rafleren ober Sbgrenjen 
jugefeßt. 

— 93ortreffUd^ ! rief älntl^emia auS. @g gibt aber mol^l 
aud^ fd^n)erlid^ etmag, baS Körper unb @eift sugleid^ ntel^r 
anftrengt al8 ber SSortrag einer ber tiefentpfunbenen Sonaten 
$eet]^ot)eng. 

— ^^uU mu^ nun einmal aud^ bei mir aUeS l^erauS^ 
roaS xä) aber Seetl^ooen nod^ auf bem ^er}en l^abe, liej^ 
ftd^ barauf von @id(ingen vernel^men. 9)lir erfd^eint ei^ 
immer nod^ unfagbar^ bajs eg ju Sebjeiten SSeetl^ooenS oor^ 
nel^mlid^ jmei grauen maren, bie aQein ben äReifter su- 
lauten SeifaUSbeieigungen aber ben genialen 93ortrag feiner 
KIaoiern)er!e l^inrei^en tonnten. Jtonnte il^m ia lein 93ir» 
tuofe irgenb eine feiner 2:onbid^tungen gu ooUem 3)an!e 
loiebergeben. Siefe CSI^renbamen par excellence ftnb bie 
Freifrau 2)orot]^ea t)on @rtmann, oon 93eet^ooen feine 
„2)orot]^ea»(£dciIia" genannt, unb bie®r&fin@ibonieoon 
% r u n 3 m i d. 3Ber auS unf er em Keinen geifteSerlaud^ten Streife 
Hart mir biefeS 3Wu|lf-aK9fterium auf? 

3^m antwortete feine ^raut in fd^erjl^after 9Beife: 

,,SSUlft ^u isnmev »etter fd^toeifen? 
@ie^V bad ®ute Hegt fo na^'." 

@ebulb, mein lieber ftarl, ic^ löfe bir biefeS Sfldtfel. 
@rft aber la^ bir gefagt fein, ba^ bu nod^ mand^e anbere 
ftünfUerin neben jenen beiben 3)amen au^er ad^t gelaffen 
l^aft. 3)a m&re bie ebenfo oon SBeetl^ooen alS aud^ oon 
$a9bn]^od^gefeierte$ianiftinSrau3)tarie9igot,geb.^iene 
p nennen, bie namentUd^ au§ ber fogenannten Appassionata 
(op. 57) baS SBunberbarfte ju geftalten mugte; ferner äßabame 
Sibbini, eine Softer beg gu Seetl^ooend Q^xUn fel^r ge^^ 

italifd^er, ^ic SRac^t »eet^ooens. 7 



— 98 — 

fd^&^ten ftomponiften fto^elud^. äUS n>unben)ol(e 3)arfteQerin 
tBeet^ODenfd^er ^oeflegebilbe, juglei^l als ^reunbin beS 
SReiftetS, ift ober gang befonberS itod^ ^rau SDtarie ^aifUt^ 
ftofd^a! I^eroorgul^eben. 9Rir f&Qt eg eben ein, in einer an« 
jiel^enben ©(i^rtft beS ©ol^neS biefer n)urbigen 9Ratrone,: 
n)orin bie ^egiel^ungen Seetl^o^enS ju Dr. $ addier g SItotter 
auSeinanbergefe^t n)erben , einen aQerUebften SBrief beS 
SneifierS an biefe SRarie gelefen }u l^aben, ber fogat f olgenbeS 
Urteil entölt: „^^ ^abe niemanb gefunben, ber meine ftom« 
pofttionen fo gut vorträgt, als @ie, bie großen ^aniften 
nid^t aufgenommen; fte l^aben nur 3)ted^anit ober 9[ffeftation. 
@ie flnb bie n^al^re Pflegerin meiner ®eifte8finber." (5s 
I&j^t ^ä) benfen, bemerft ba}u ber (Sol^n, mit metd^em (Stolj 
unb mit meld^er $iet&t meine Silutter biefeS foftbare (S^ren« 
jeugniS aufben)a]^rte! 

— Unb @ie l^tte »eet^ooen ftii^erUci^ s»«^ gürftin feines 
©eifteSftaateS auSerloren, fagte (Sbgar freubeftral^lenb gu 
^ntl^emia. ^ä) bilbe mir'S ein, ba^ @ie eS fo mand^mal 
träumerifd^ fd^mergl^aft empftnben, ^eetl^ooen nid^t gefel^n 
gu l^aben. 

— ©ie werben eS oerftel^en, entgegnete Slnt^emia, wie 
id^ S^r&nen oergie^en fonnte, oIS id^ t)on @ d^ um an n einen 
berartigen ©d^mergenSfd^rei laS. @o ruft eS biefer Sionbid^ter 
aus: „ZxaQ^ id^ benn xnä)t ani) ben @d^merg in mir, ^ee« 
t]^ot)en nie gefeiten, bie brennenbe @tirn nie in feine ^anb 
gebrüd^t gu ^aben, unb eine gro^e Spanne meines SebenS 
mottte id^ barum l^ingeben." — ^i) bin übergeugt, ba§ Ql^re 
©eele oftmals von einem fold^en f^mergl^ften ©eignen ^eim« 
gefud^t mirb. 9Bie bod^ in fd^einbar törid^ten ®eban!en ber 
Snenfd^en oft fo tiefer Sinn jledft! 

— ®aS ift ein ©d^merg, ber ©ie l^od^ e^rt, bemerkte @bgar 
in feierlid^em Xone. ®on mir miH id^ lieber gang fd^meigen. 

— aCber nur nid^t gu me^mut3t)oU, fud^te ^mma gu 
fd^ergen. Um inbeffen auf bie fl^auen gurädCgufommen, bie 



- 99 - 

fo reine ^riefterinnen beS SBeetl^ODettfcl^en ftunfttempelS 

iDaren, fei mir bie Setnerhtng geftattet, ba| mir biefe (Er« 

f(|einung burd^ouS ni^t fo unfaßbar unb munberbar erf^eint, 

me bir, lieber Starl. ^iS^ti l^ot fid^ in ber gefamten fEdüt* 

entQ>uteIung, jumal in ber ®ef(^id(|te beS ®eifteg, bie SRiffton 

itx grauen al8 eine rein pafftoe ermiefen. 2)ie menigen 

SluSnal^men in ber (Kefd^id^te fönnen biefe äBal^rl^eit nid^t 

mnfto^en. Ob mir bereinft im aftiven Elemente einl^eimifd^ 

jein werben, baS fann erft bie fommenbe 3^it entl^fitten. Qn 

imferer $af1tmt&t beftl^en mir bie reinfte (Smpf&nglid^feit fär 

cSki e^t beifüge, fftr aUe gro|en :3[been. Sir l^aben 

ni^t ben (Sl^rgeij, überall unfer dd^ auf ben ©d^ilb }u er* 

leben. äBir geben itn8 mit ber unermübUd^ften ®ebttlb unb 

^uSbauer allen fd^öpferifd^en ^hezn ber 9H&nner l^in; mir 

Ibeftreben un8, unterftül^t burd| bie unS eigentämlid^e S^^t« 

]^eit unb al^nenbe ItDlad^t beS &t^^i, in ben oerborgenften 

@inn, in baS feinfte ®edber ber l^el^ren ®ebanfenmelten ein- 

pbringen. Unfere @enbung berul^t oornel^mlid^ barin, baS 

m&nnlid^e Zun mie ber (Sngel ber ^rtl&rung }u umfd^meben 

unb baburd^ auf und felbft ben ^ötterftral^l reinfter (BIM» 

feligfeit jurüdCfaUen gu laffen. — 2)ie Slnmenbung auf bie 

iDhtjit ift einfad^. 2)ie aOermeiften 93irtuofen unb ftompo* 

Jiiften ftnb fo looQ oon il^rer eigenen fc^dpferifd^en ®röge, 

ba| bie @]^rfurd^t vox ben mal^r^aften ^eroen il^rer Jtunft, 

iefonberS, menn fie il^nen nod^ als 3^itg^noffen gegenüber« 

ftel^en, feine mirflid^e Cluelle in il^rem @emäte l^at. 9Bie 

^nberS baS f ünftlerif d^ begabte SEBeib ! 3n ben meiften 

^Üen tritt eS mit einer fo feufd^en, eblen SBegeifterung an 

ein fiunftmer! ^eron, ba^ beffen !unftooQeS S^onleben aQ* 

mdl^lid^ gang bem meiblid^en (lleifte )tt eigen mirb, um bann 

aus ber innig nad^empfinbenben Seele l^erauS aud^ bie auf* 

i^ord^enben ®emüter ju befeligen, gu entgüd(en, gu erleben 

ttnb in alle ^immel gu tragen. @o l^ol^eS äBalten ift bem 

Sraucngeifte befdf|ieben. 



— 100 — 

— (Sriaube, meine (Bmma, fprad^ il^r ganj entg&ctter 
Sr&utigatn, ba^ i6) anbetenb t)or beinern ©eifieSreid^tum 
nieberfoHe. ^nn e8 fo mit bir t)orm&rt8 gel^t, mirft bu 
mi^ gang in ben @(i^atten fteQen. 

— SEBarte, bu (Spötter! fd^moQte (&mma in besaubern» 
ber 9[nmut. 

— Unb x6) fä^Ie mid^ im DoQften @rnfte l^ierin t)dUig 
mit bir Dermanbt, fagte älntl^emia mit (Smpl^afe. 

916er immer mieber mu^ 16) bie ©eifteSfraft meiner 
l^eQenifd^en 9Utt)orbem bemunbern, bie fo viü feinftnnige 
3been, fo oiel SSorfommniffe beS Seben8, ber 9latur mie 
beS ®eifteS, in bag fd^önfte Öemanb ber %ahü unb anberer 
2)id^tungSart ju Ileiben Derftanben l^aben. 3)er energifd^ 
@4iauenbe mirb leberjeit reid^e 9la^rung fär ben ®eift auS 
bem ^eOenentum fd^öpfen. ^6) bin fo frei^ ein mit unferem 
^rauentl^ema jufammenl^&ngenbeS Seifpiel oorjutragen. ^ie 
unumftd^Iid^e S^atfad^e, ba^ gerabe grauen von feineSmegS 
]^en)orragenber mufiftl^eoretif^er Silbung am reinften unb 
fd^önften hcS l^eilige Xonmort Seetl^ooeng oerfünben, ba^ 
biefe inftin!tartig am üarften aug biefer 9RufenqueIIe ge« 
fd^öpft l^aben — bag erinnert mid^ an baS alte Orafel be§ 
flarifd^en Slpollo. ©iefeS 

— @in Orafel beä üarifd^en SlpoQo? unterbrad^ fte 
@mma erftaunten iBIid(eS. ^6) fenne nur ein betpl^ifd^eS 
Orafel. 

— O, ermiberte äntl^emia, e8 gibt au^er bem belpl^i» 
fd^en nod^ verfd^iebene anbere apoQinifd^e Orafel^ barunter 
baS )U ftlarog, einem Orte unmeit t)on ^olopl^on^ ber ^nfel^ 
bie ftd^ ia ebenfalls rül^mt, ben unfterblid^en ^omer erzeugt 
3U f)aitn. ^ören @ie bod^ einmal, $err SBittig, mie flingt 
aus meiner ftel^Ie ber barauf bejäglid^e beräl^mte gried^ifd^e 
^ejameter? 



— 101 — 

„®mr)xna, 9ll^obo8, Stolop^on, Solamin, Cl^ioS, 9(t0o8, 

at^ene."*) 

— ^onigffi^, loärbe unfer @9mnafiaIprofeffor gefagt 
l^aben, antoottete ber Seutnant ftatt beS (Gefragten. 

— @e^r angenel^m, fu^r Sbttl^etma fort, ^oif jiträd 
3um flarifd^en Orafel. ^ie ^öl^le beS flarifd^en SÜpoHo 
^atte einen @untpf, n^eld^er ben barauS Xrinlenben einen 
n)unberfamen $rop]^etengei{l einfldf te. So fingt ber l^eitere, 
en)ig liebe« unb n)eintrttn{ene 9(nafreon: 

„(ES rafen no<l^ unb ^len, 
IDie baS (evebte äBoffer 
3m ^aine Stlaxoi ttrinfen." 
(Ol ^ KXoEpou irap' ox^ai« 
8a^pvT}^poto <I>o(ßou 
XdEXov iHovrec u^p 

3)aiS nterfn)ärbig Sparte biefeS OraieltebenS lag aber 
barin, ba^ nid^t, wie anberSmo, günftlerifd^ Oen^eil^te baS 
Sßort beS ®otte8 oerlünbeten, fonbern irgenb ein 9(u8» 
eno&^Iter, ber in bie ^öl^le l^inabftieg, bad Harifd^e SBaffer 
tranf unb l^ierauf feine ®otte8oerlilnbigungen fogleid^ in ge« 
bunbener Sftebe oon fid^ gab, ob er gleid^ QtmSffnlxä) nid^tS 
oon ber 2>i(i^t(unft oerftanb. 3)er ®eift aUein mad^t lebenbig. 
— @o Der^olten fld^ bie grauen gunt l^o^en @eifie Seet^ooenS. 
Obniol^l fie ber SEBiffenfd^aft ber Xonlunft fernftel^en, oer* 
fftnben fie bod^ bie gdttlid^en ®eban(en ^eetl^ot>en8, biefeS 
anberen 9[poUo, weil bie ^eiligfeit beS OeifteS in il^nen 
thront, weU fie wal^rl^aft begeiftert finb. 

— ^ä) ioVi^ 3^rer 9lebe allen SeifaK, lie^ fid^ barauf 
oon ®idtingen Dernel^men. äbrigenS war aud^ meine ber 



*) (Sin a(ted (Spigramm betid^tet: 

*£irrd icdXitc iccpiCouotv ictpl ^iZon *Ofx.f^pGu, 
Sf&t&pya, T^Soc KoXo^tiiVy SaXafjiic, 'loc, 'Apyoc, 'A^vsi. 
iBie l^iev 3od ftatt S^ioS fielet, fo gibt eS noc^ oerfd^iebene anbete Sed« 
orten für biefe fteben @tftbte. 



— 102 — 

Königin meines ^cjenS 0eff)enbete Snerfennung !etnegn)egS 
ironifd^ genteint. 3)iefe eble Eingebung ber f^rauen an bie 
Sd^öpfungen ber Oenien erföUt unS int (Srnfte mit tieffter 
@]^rfurd^t oor ber l^l^ren Sflrbe ber ^auen, aber — ner* 
geffen mir nie^ ba^ ben eigentli^ien StuSfc^Iag in ber (BnU 
midelung beS SRenfd^engeifteS bod^ erft bie a!tit)e SSegeifte» 
mng beS (Selbftfd^affenben gibt. 

— 9)arüber fann mol^t fein ßmeifel obmalten, fprad^ 
@bgar; baS mirb l^offentlii^ aud^ unferen 2>amen 9oIlf ommen 
flar fein. Saffet nwr oiele fd^öf)ferifd^e @eifter erfteljen, — 
unb ber ^aud^ einer neuen Sd^ftpfung mirb fd^neQ feinen 
3Beg in begeifterte ^i^auenfeelcn finbcn! SBirb aber, mie 
fd^on $lato miQ, bie (Srjie^ung beiber ©efd^Ied^ter eine 
immer gleichartigere, bann fann in 3^^nft ^^^ ^ultnrbilb 
aud) ein anbereg SuSfel^en geminnen. Unb felbft ber gro|e 
StagiriteSriftoteleS fann f d^Iie^Iid^ Unred^t befommen, menn 
er in feinem äBerfe aber ®taat8lel)re bel^auptet: „^a8 
aR&nnlid^e ift oon Statur gur ^rfi^tung geeigneter al3 ba8 

SSeiblid^e" (t6 te 7dp app&v 9693t toö {>^Xsoc rjYSfiovixcdtepov. 
Politicoruoi über I, Cap. V). 

^ SBol^I gefprod^en, $err 9Q3ittig! Heg ftd^ Slnt^emiaS 
meid^ glodenl^eUe Stimme t}erne^men. ^offentlid^ fteden 
Sie uns felbf} red^t balb auf bie ^robe. — 9lun liegt mir 
nod^ eine JBeetl^ot^enbitte am bergen, ^tf) l^abe fo tneleS 
ocm :3]^rer gemijs eingigen 93orliebe fär bie A-dur^S^mpJ^onie 
gel^drt, ba| id^ dugerft begierig bin, ben inneren 0runb 
bafär ju erfal^ren. SBaS treibt (Sie fo unb&nbig gerabe }U 
biefer Sqmpl^oniebid^tung unfereS ®ro@meifterS l)in? ^6) 
l^ege ben feften @lauben, ba§ Sie gang munberbare ^bc^en« 
entbedhtngen barin gemad^t l^aben. 

— 3)iefer ©laube taufest Sie aud^ nid^t, entgegnete 
Sbgar. Slid^tS in aDer S33elt l^armoniert feit langer 3^it fo 
mit ber gangen @runbftimmung meines 993efenS, mie biefe 
ftimpl^onifd^e ftongeption beS äJleifterS. Wx ift mand^mal 



— 108 — 

fo/ alä iDäre biefe Qx)mpf)onk eigenS für mii) gefd^xieben^ 
^S fdnnte fte fein anbetet fo Detftel^en, fo in ben innetften 
9lett) xf)uS @eifteS flauen, n)ie id). diwaxttn @ie iebocf^ 
ni^t, ba^ id^ l^eute nod^ einmal meinen SRebefItom Aber 
3^te lammfrommen Rauptet auSgiege. ®ie finb bie ge^ 
bulbigften ^ötet, bie mit jemals DOtgefommen ftnb. i^l^re 
2)ulber!raft ift fogar ft&rfet oli meine fiungenfraft. Sber 
id^ bin gemiUt, meine ®eban!en über biefe äBunberfqmpl^onie 
fd^tiftüd^ niebetjulegen. ©obalb x6) bamit fettig bin, übet«^ 
bringe id| bie ©fisge unferem teuren ^taulein ^ilbebtanbt, 
bie in i^tet SiebenSmätbigfeit mal^tlid^ nid^t etmangeln mitb, 
and^ @ie, mein nerel^rteg gndbiged f^r&ulein, gur äJlitmifferin 
biefer ^been ju mad^en. Sie merben l^ier ^eetl^ooen olä 
n)eltenrid^tenben ®eniuS fennen lernen. 

— ©ie fpannen meine (Srmartung feljt i)o6), htxmxtt^ 
älntl^emia. 9[n 3^nen mitb e§ nunmel^t liegen, biefe nid^t 
au& i^ten ^immcln ju ftütjen. 

^^^t etfd()ien bie ®ame be§ ^aufeS unb mad^te allen 
weiteten QStöttetungen übet baS fdjiet unetfd(öpflid^e 93ee* 
tl^ooentl^ema babutd) ein @nbe, ba§ fie bie Heine ©efeUfd^aft 
an ben Seetijdf) lab. 

^iet bot namentlid) miebet bie l^eitete, topge @mma 
i^t ganzes Untetl^altungStalent auf, um bie 9Bel)mutSn)olfen 
oon 3lnt]^emia§ unb ©bgarg Stirn l^inmegjubannen, momit 
fte meit mel^t ®ludE bei bet Jji^cwnbin als beim ^J^eunbe 
l^atte. @bgat oetlot faft feinen äugenblidf feinen eigentum« 
lid| f^metmütigen @efi(^t35ug. 

9^ad^ ben teid^en ^teuben bet Slbenbtafel beluftigte man 
fid) an imptooifietten Sfteimeteicn, mobei bet Seutnant in 
feinem Elemente mat unb fomol^l in bet @tfinbungSfd)neDig= 
feit als aud^ in btaftifdien 2lnfpielungen jebmebet 2ltt bie 
^ö^fte 3Reiftetfd^aft entfaltete. 

©pfttetl^in ttug @bgat nod^ auf ben btingenben SBunfcl^ 
3lnt]^emia§ einen ©onatenfa^ oot. @t l^atte ba§ gto|attigc 



Satgo bei iDteland^oIie in D-molt tax» bec D-dur-Sonate 
(op. 10) Qtm&ffU, eine ber tieffinnigften, onginenften Stoti' 
geptionen SeeÜiooenS. (Sbgar mac iteute fo in ber ie<i^ten 
<Stimtnung, biefeS färben« unb fi^attieiungSteic^e Bilb eines 
tnelan^olift^en SHenf^en ant Jllaoiec ju getanen. — 3>er 
ISinbiud mat ein fo tiefge^enbet, ba§ eS tietna^ mit bec 
^iteten Stimmung ffic ben 9le^ beS Sbenbä Docbei mat. 

<SnbIi^ mu^te au(^ ^iec bie Stunbe bec Xtennung 
fc^Iogen. 

S)ec @Iö(föftern Iddielte unfecem SnuftFec. (Si %atu 
bie befeligenbe j^ceube, SIntliemia na^ ^aufe geleiten ji 
bßrfen. — 3BeI<^e (Sdiauet nie empfunbenec ®eligteit buccEi< 
brangen fein ganjeS Sefen, als et ant^emiaS fd)n)ellenbm 
SIrm in bem feinen ffititte. Sie fi(^ Don biefem äppigtn 
acme fo matmtS, jugenbfiift^eS Seben in fein eigenes et' 
gog! — Sbgat empfanb eS niiebet einmal, bag bie SBelt 
au$ neben flunft unb Siffenf^aft not^ anbete $immels< 
roonnen in flt^ fa^t. 



@ed^M Aapitel. 

@tn Ite&enbed SBetb. 




^ev in bie Geele [(^lägt unb trifft unb attnbet, 
93enn |14 SetmanbM sum Senoanbten finbet, 
^a ift !an 9Biberftonb unb leine SBo^I. 
(S8 löfk ber SRenfc^ nidftt, »aft ber i^immtl Mnbet 
et^ilUr: 2)ie !6raut von SReffina. 

^o(^ $offRun({ §auÄt ^eben bem fd^veSenben ^erxen 
Unb Jlfiftert: «uf äBieberfe^n, »od au^ %t\Ätfy — 

Unb ber Sraum biefer Sftuf^ung oerfü|et bie ^cpmerjen 
Unb bad nagenbe ®ift in bem leiten 9(be. 

»9ron: ^er Siebe left SKbt*) 

^ad^bem (Sb%at einmal, angeregt burd^ Slntl^emiag mit« 
begetfternbe ©egenmart, angefangen ^atte, auS feiner 
einfamen SSerfd^Ioffen^eit l^erauSgutreten, trieb eS il^n öfter 
als el^ebem jur Sel^aufung ber ©el^eimratsfamilie. 

Xntl^emia befonberS mu^te aQ feine ©ebanfen über 
93eet]^ot)en erfal)ren. Unb maS er nod^ t)or ben anberen ge« 
l^eim ^ielt, weil fte mi) nid^t reif für bie ÜRgfterien biefeS 
Orpl^euS maren, baS mürbe Dor ber l^errlid^en ©riec^in ent> 
fd^leiert, fobalb ftd^ il^m ein unbelaufd^ter SlugenblidC barbot. 
Slntl^emia l^örte bann in anbac^tSDoUer 93emunberung ju. 

*) Süil Hope, breathing peace through the grlefswollen breast 
Will wMsper: Our meeting we yet may renew: 
With this dream of deceit half our sorrow^s repressM, 
Nor taste we the poison of love^s last adiea! 

Byron: LoTe*s last adieu. 



— 106 — 

9laturgem&g mußten fo geiftedoevn^anbte Staturen fd^neC 
genug iene gel^eimniSooEe Xnsiel^Uugdftaft aufeinanber auS« 
üben, bie berufen fd^eint, ein gemeinfanteS S)afetn für aKe 
Sebenggeit l^eroorfeimen )u laffen. 

3(ber bie ^age fo reiner, al^nunggreid^er ^^reubetrunfen« 
l^eit foQten balb einem j[a^en (Snbe entgegengefül^rt n>erben. 
3)ie 3^it U)eld^e älntl^emia t)on i^ren Altern für i^re fünft« 
lerifd^e äluSbilbung in 2)eutfd^Ianb gemalert n)ar, erfüUte ftd^ 
mel^r unb niel^r — unb bie bittere ©tunbe ber 2;rennung 
ftanb nal^e beoor. 

@o ntannigfad^ aud^ (SbgarS fieiben n^aren, in biefem 
n>ed^felfeitigen 3)rangfal xoax er bennod^ ber n)eniger ^e» 
flagenSmerte. (£r n)ar }u ooQ vom @eifte ber 9Ruftf, befon» 
ber§ T)on Seetl^ODen^ ®eniu§, als ba^ ber er^ebenbe unb 
berauf d^enbe Sanhtt ber Siebe bag Sllpl^a unb Ontega feines 
@innen§, SBebenS unb %taä)Un9 bilben fonnte. Sern* unb 
i^d^affenSeifer beuteten il^n gnabeuDoQ vox ben nieber« 
fd^metternben (Sd^lAgen ber Sie6eSgen)alten. 

SlnberS Slntl^emia. @bgarS trauerumflorteg äBefen l^atte 
eS il^r nun einmal fo angetan, ba§ fein (Jntrinnen mel^r 
möglid^ mar. ®ie ®emi§^eit beS beoorftcl^enben Sttbfd^iebS 
marb il^r jur unenblid^en ^erjenSqual. ^n xf)xtm ;3nnern 
mogte eS in unbefd^reiblid^er Unrul^e. 3^r §erj fd^ien ein 
unerme^lidier Xummelpla^ gu fein, auf bem ber l^ei|e ftampf 
ber Seibenfd^aften jum erften SKale fein rounben» unb 
fd^merjenSreid^eS panier aufgepflanst l^atte. 

2lnt]^emiag öriefe unb Erinnerungen, bie aHefamt — 
menn aud^ nid^t in SBirflid^feit, fo bocf) im ©eifte — an 
i^ren 93ruber gerid^tet maren, fpred^en b.erebter alä ba8 er* 
j&l^lenbe SBort t)on ben ^ümmerniffen i^rer eblen Seele. 

3folgenbe8 fdirieb unb mibmete Slntl^emia i^rem teuren, 
innigft geliebten S3ruber Sop^ron: 

„®u mirft in großer Slngft leben, meil 3)u fo lange 
nid^tS Don mir gel^ört l;aft. 9ld^ ! menn 3)u fo redE)t mü^teft. 



— 107 — 

tute unfäglid^ elenb unb träbfelig eS um mein ®emät8n)efen 
ftel^t — 3)u märbeft fd^ncß aufböten, über mein ©tißfd^meigen 
Dermnnbert ju fein. 3)u n)ei^t eS, bo@ id^ bann am liebften 
fd^reibe, menn x^ ber geber ben t)otten ^reubenflrom anver« 
trauen !ann: bann empftnbe id^ bie erquid(enbe Hoffnung, 
ba| ^reubenbotfd^aft auS bem £eben 3)einer einzigen ©d^mefter 
aud^ über 2)ein S)afein einen erfreuenben ©lanj t)erbreiten 
mu^. ^abe id^ 2)ir iebo^ t)on beS £ebenS 9lot unb Oual 
^unbe }U geben, bann mu^ ii) befürd^ten, aud^ 3>einen 
augenbUdHid^ üielleid^t froren unb anmutigen fiebeniStraum 
mit bem @d^Ieier ber SDrübfeligfeit gu überjiel^en. 9lQein 
auf bie 2)auer fd^meigen, menn bie @eele fd^mermutgooQ ift, 
mürbe fd^üej^Iid^ in faum oerseil^lid^eg Unred^t ausarten. 
©0 fei benn bie SBerfd^miegenl^eit S)ir, bem geliebten ©ruber, 
gegenüber meit t)on mir gemiefen. 

£a^ 2)ir benn meine ftiQ verborgenen Seiben flagen, 
menn aud^ 2)etn lebengfreubigeS äBefen barob t)on SBel^mut 
befd^attet mirb. (SrfüQt aud^ bie Xeilnal^me an ben Reiben 
einer treu ergebenen t^reunbeSbruft baS @emüt mit unmerf' 
lid^ nagenbem Kummer, fo geniest eS bod^ ben Derflftrenben 
Sroft ber l^armonifd^en 3^f<^^i"^n9^'^dn9'^^it mit einem an« 
bereu äBefen. 

3luS lürgeren Einbeulungen meiner früheren ©riefe mei^t 
S)u eg ia I&ngft, mer bie unfc^ulbige Urfad^e meiner fieiben 
ift. ^ä) l^abe 2)ir fd^on oft Don bem jungen Aünftler ge«' 
fprod^en, ben fid^ ber Siebeggott ju einem Oued unoerfteg« 
baren SBel^S für mid^ auSerlefen ju l^aben fd^eint. 

äBie I&nblid^ l^eiter flo^ mir bie ^^genb bal^tn! Suft 
am Seben, l^immlifd^e ^^reube an ber 9latur, Siebe gu ben 
äJleinen, ber @{orienfd^ein ber fiunft: aUeg $oIbe, Siebe, 
®ViU, Sd^bne unb f^^eubenDoOe leud^tet auS meinem ganjen 
Sugenbleuje ^eruor. ©al^in finb nun aß biefe 3ö^wber 
für mid^! SHIeg, maS id^ biSl^er liebte, roaS mid^ er» 
gö^te, erquidtte unb mol^l aud^ betrübte, f^eint ein fanft 



— 108 — 

Derflungenec ättforb für mid^ ju fein. 911 bie l^olben Silber 
ber i^ugenb, aü i^xt trauten (Sinbräde fd^einen fort inS 
9lebeUanb ^ntxox6)tn gu fein: als gelbe eS nur ein einjigeS 
gl&ngenbeS 9Ub ffir mid^ auf beut ganjen, n)eiten Srbenrunb. 
i^e^t l^at in meiner Seele nur ein einjigeS, unenblid^eS @efül^I 
9laum, baS alle» anbere Derfd^Iingt — bie Siebe, grengcnlofe 
Siebe ju ßbgar fflittig ! 2)a — nun ift e8 enblid^ l^erauä! — 
2)u n)irft mid^ auSlad^en. SBol^l mag 3)ein SBruberl^ers 
in biefem 9(ugenbttd(e triumpl^ieren, bag i^ vom Strafgerid^te 
beS fräl^er oerlad^ten (SroS fd^mer l^eimgefud^t merbe. $ia\ 
graufam räd^t fid^ ber <Bpott, mit bem id^ mid^ ober 2)eine 
eigene, tieffinnige SSerliebtl^eit luftig mad^te — über baS 
brütenbe StiQfd^meigen, befter Sopl^ron, baS nur von dtxt 
in 3^tt burd^ einen auS ber tiefften Seele emportaud^enben 
Sel^nfud^tSruf nad^ ber heißgeliebten unterbro^en marb. — 
9nit einem SRale tritt mir ein Ereignis unfereS gefd^mifter« 
lid^en 3ufammenfeinS lebenSooU vox bie Seele. (SineS XageS 
mar 2)eine brüberlid^e Sangmut mit mir }u (Snbe: ba fd^Ieu» 
berte mir 3>ein gefr&nfter @eift mit eumenibif^em ^atl^oS 
eine bange ^ropl^egeiung entgegen. 3)ent an ben p^tl^if^en 
@ott! 9(nt^emia; riefft 2)u in begeiftertem 3<>i^neSeifer au3. 
9(ud^ er oerfpottete ben Keinen, aber aQgemaltigen (SroS. 
S)er beleibigte, Heine 0ott nal^m grimme 9la^e an ^l^obuS 
älpolto. 2)ag verfielt ftd^ alfo — mie eS ja OüibiuS 9lafo 
fo reigooQ in feinen 9)tetamorp]^ofen befingt. äUS ber fd^ön» 
gelodtte 3)lufaget t)on feinem Siege über ben 2)rad^en ^^t^on in 
götttid^em Stolje l^eimfel^rte, begegnete er bem fleinen, f^aU» 
l^aften SiebeSfo^ne ber anmutftral^lenben Slpl^robite. 2)iefer 
mar mit $feil unb 93ogen ftattlid^ auSgerfiftet. ^o^nlad^enb 
uerfpottete ber ftolje 3)elier ben Meinen, unnü^en Waffenträger. 
aRag 3)ein Sogen, t)erfe||te (SroS, aQeS, maS fterblid^ ift, 
nieberfd^mettern: mir allein unterliegt ©öttlid^eS unb 3)tenfd^» 
li(^e8 — mein SBogen mirb aud^ 3>id^ befiegen. — 3)amit 
mad^te er ft^ eilenbg fort unb nal^m au8 feinem Äöd^er 



— 109 - 

imi Derfd^iebenartifle Pfeile. 3)ie eine ärt ift bie ber Der» 
golbeten, fpi^en Pfeile, iDeld^e Siebe enneden, wo fle ein 
^erj burd^bol^ren; bie anbete 9lrt ift bie ber ftumpfen^ bleier« 
nen Pfeile, bie ben betroffenen liebeSunf&^ig ntaci^en. XpoQo 
warb von einem golbenen Pfeile getroffen^ n^&l^renb ber 
rad^eftnnenbe (SroS ber vom äRufengotte geliebten Sl^mpl^e 
2)ap]^ne einen bleiernen ^feil inS ^erj fd^o^. Unb fo 
blieben SfpoQonS fiiebeSfeufser unerl^Srt. ftMn SiegeSlorbeer 
enoud^g bem lorbeerfpenbenben @otte au8 biefem Jtantpfe. 
— @oId^er Städte, SKntl^emia, — fo f dE>lo§ 2)eine feuerglfil^enbe 
Siebe, muft aud^ 2)u verfallen, toenn 3)u fortf&l^rft, bie 
^raft beS aQbe3n)ingenben ®ro8 ju fd^m&^en. 

f$ürn)a]^r! id^ fftl^Ie eS nur )U beutlid^, ba| id^ felbft 
Don einem golbenen, ganj fpi^en Pfeile getroffen bin: benn 
id^ liebe mit ber gangen @Iut meiner Seele. 3)ie ©el^nfuc^t, 
biefen einzigen 3Jlann ju feigen, feinen reinen Obeen kufd^en 
ju fdnnen, mirb immer unbftnbiger, l^erj^erje^renber in mir. 
2:ag unb 9lad^t, auf Sd^ritt unb Xritt Derfolgt mid^ biefeg 
bleibe Stönftlerbilb mit nal^eju b&monifd^er ©emalt. (Seine 
unfaglid^en Seiben, fein (Sbelmut, fein Stolg unb feine ben* 
nod^ fo milbe $reunblid^!eit: alleS an il^m entsäd(t mid^ unb 
Ia{3t mid^ aU bie uns&l^Ugen ^ulbtgungen, bie mir oon aUen 
Seiten entgegenftrömen, gleid^ einem leeren 9Ud^tS in alle 
9Binbe iagen. 9ld^! maS gäbe id^ nid^t um einen ftu^ Don 
feinen fd^mergenSreid^en Sippen! — iBegreifft 3)u'§, mie id^ 
feu^en unb l^inmelfen mujs, mie idE) all meinen @tols tapfer 
gebraud^en mu^, um nad^ au|en ^in meinen ©leid^mut ju 
beu)a]^ren! Släl^me fi^ bod^ fein äBeib il^reS @tol}e8, 
menn biefer nid^t unoerfel^rt burd^S $euer ber Siebe ge« 
!ommen ift! 

Qn rul^igen älugenblid(en erinnere id^ mx6) mol^l mieber 
jener golbenen 3^^t ^^f ^eimatlid^en Fluren, mo id^ 2)id^ 
aug 3)einem @euf}erbafein px erretten oermeinte, n)ie id^ 2)ir 
nid^t feiten entgegenrief: id^ märbe mid^ mal^rli^ oor mir 



— 110 — 

felber fd^ämen, toenn id^ mir gefte^en mu^te, eineS üRanneS 
S3Ub l^ätte eine fo gauberooQe SRad^t auf mein Sßefen auS^ 
geubt^ ba{3 mein gangeS Seben mir ol^ne il^n nuQ unb nid^tig 
erfd^iene! 9Q3ie forberte id^ bamalä fäl^nen Zxo^ti ba§ 
©d^idffal l^erauS — nie foKte e8 einem SRanne gelingen, 
mein &tmüt fo }U umftrid(en, bajs er unb bie 9BeIt mir 
eing m&re! @o l^od^ fonnte ftd^ bamalg mein ^^ngfrauen^ 
ftol} emporb&umen. Unb mie fo ganj anberS ftel^t eg nun« 
mel^r mit mir! — 

3)er fräl^ere titanenl^afte Übermut mirb })att t)on ben 
£iebe3gdttern gejüd^tigt. ^dtte id^ bod^ nimmer gebadet, 
ba| bie Siebe f o urgemaltig fein f flnnte ! 3fft benn aber bie 
Siebe nid^t eine gro^e, er^bene (Sd^öpfung, bie, mie auS 
bem 9lid^t§ entftanben, baä gefamte M umfd^Ueft? <Sin 
Slid^tS mar mir jener bleid^e, f^mermütig-ernfte SHann — 
unb ie^t ift er ba§ SeltaK meines ^ä)S, 

2)u mei^t zS, teurer @op]^ron, mie eä mid^ feit langer 
3eit erl^ebt, menn mid^ balb bie poetifd^en, balb bie mufifa« 
lifd^en i^ungfrauen beS $arnaffo$ in beglädCenbfter älbmed)« 
feiung fo gärtlid) IadE)eInb anblirfen, ober mid^ gar in i^re 
ambroftabuftenben ©emanbe l^öCen. 

3&k preife id^ mid^ in meiner ^erjenSpein nod^ glüdf« 
lid^, ba§ bie göttlidie ^nft mir geitmeilig (Srlöfung bringt. 
93in id^, mie bie meiften f^rauen, aud^ mel^r empfangenb, aU 
fdiaffenb: fo l^at ber graufame SiebeSgott bennod^ meine 
fd^Iummernbe ^robuftiongfraft täd^tig aufgerüttelt. @Iegieen 
ol^ne (£nbe könnte id^ 3)ir mitteilen. 2)üfier mie meine @eele 
ift meine ?ßoefie. — ©o oft id^ mieber bie unoerge^lidfien 
3üge jenes einzigen SRanneS in midEi aufnel^me, fo oft fül^lt 
ftd^ l^ernadE) mein ganjeg S93efen mit 9)lad)t auf bag mebu« 
fäifd(|e 9lo^ getragen; in eitler ^ral^Ierei m&^nenb, fül^nen 
^lugeg in ben ^immel ju fteigen unb ben 9lettunggftra]^l gu 
rauben« älug meinem tiefen Seibe quiQt mir bann ber SBorn 
ber ^oefie l^eroor. 



— 111 — 

(SineS biefer ®ebtc^te, baS in einer befonber^ gram» 
DoQen @tunbe erzeugt wath, empfel^Ie id^ l^ier 2)einem ftiUen 
Seileib. 2)u n)irft eS oerfte^en unb bel^erjigen, toeil aud^ 
2)u fil^nlid^e $ein erleiben tttu|teft. @o unauSgefe^t in ber 
unmittelbarften 9l&]^e be3 (beliebten ju leben, fietS mit ben 
Sugen an i^m 31t l^angen, felbft feinen (öftlid^en Sttem }u 
Derfpfiren — unb alle Siebe in ftd^ feft uerfc^Ioffen Italien 
ju möffen, ob aucfi ba§ ganje 9S3efen ftd^ ju il^m l^ingetrieben 
fül^It, fo ba| man il^n wmarmen, liebfofen, l^erjen, fflffen, 
ja unau8gefe§t an feinem ^alfe l^ongen mSd^te — bag flnb 
üualen, beren graufame liefen unb Untiefen nur ber er» 
meffen, erfaffen unb ganj mitempfinben fann, ber felbft ein« 
mal foI(i^ einem ®efd^ic! anl^eimgefaQen mar. 3)a ft^t ^ir 
einer fo rul^ig, ftiQ, milb unb ftetS freunblidi jur (Seite, 
faft Äuge an Sluge — unb bie Sippe barf e8 nid^t tjerffinben, 
mie l^eig feine Siebe begel^rt mirb, mie baS ganje SEBefen 
i^m aQein fär alle (Smigfeit angel^Srt, mie man mit unb in 
il^m lebt, mit i^m leibet unb mit il^m aQein {td^ erfreut, 
mie man alleS $eil ber ®elt üon il^m erwartet, — aß ba« 
fohlen unb fd^meigen muffen! 9(ber unenblid^ lieben unb 
emig fd^meigen mäffen, baS ertrage auf bie 3)auer, mer ba 
!ann! ^ möd^te balb Derjmeifeln. — ^m ift ba8 @ebid^t: 

(Sxfnm gtd^'ve @eeleiu|ual, 
Sld fd^toeigenb ooQer ©lutoerlangen 
S(m ®lan)e feiner ^erjengtoa^I, 
%n fetner 3auberluft ju fangen. 

@rben!e grauf're !^6endlaft, 
SCU in geliebteni^olber mf)t 
3u bulben o^ne 9lu§' unb 9laft 
Ibtx 8ie5e ftiSoerbotg'ned SBe^e. 

©rbid^te tiefern ^\ä\al9^^VMVi, 
^IS unabmenbbar. leiben muffen, 
9Bie fü^ed ©ift Z)ein $ers 
Setnagt gCeitJ^ @(^(angenbiffen. 



- 114 — 

SBir ftimmten barin überein^ ba^ eä bag Qtxi)tn eineS 
«d^t mdnnKd^en Sl^arafterS fei, aud^ baS fd^merfte Unglädt 
ju ertragen^ folange nod^ ein 9[tont SebenSfraft im 9Ren« 
fd^en fd^lummert. 3)er ^Ibftntorb }eigt immer ein @emifd^ 
tton p^9fifd^em SRute unb moralifd^er ^eigl^ersigfeit, morin 
le^tere ilbermiegt. 3m Unglädt, befonberg, menn eS unt)er« 
fd^ulbet ift in ber SeibenSiraft bemd^rt ftd^ erft bie malere 
3)tenfd^engrö|e unb ^elbenft&rfe. 3>iefer ^elbenmut SBittigg 
mirft benn aud^ feine erleud^tenben Stral^Ien auf mid^ juräct. 
äBenn baS Übermag meiner £eiben mid^ nieberbrüdCen, menn 
nid^tS mel^r frud^ten miQ, meber Seben, Jtunft nod^ 9leIigion: 
bann erfüQt mid^ bod^ enblid^ ber 0eban!e an feine unenb« 
lid^e 3)itlber!raft, an feine mal^rl^aft imponierenbe SRul^e mit 
frifd^em SebenSmute. @etroft fd^aue id^ ber ß^'^nft ben« 
nod^ ind äluge. Homo homini deus! . . . 

^egreifft 3)tt'8 nun, mie eS mid^ martert, bag id^ ben 
ganzen Slbgrunb beg ©d^idtfafö eines SRanneS t)or ^ugen 
l^abe, bem meine ®eele fid^ fo unenblid^ Dermanbt ffil^lt, unb 
bag id^ bennod^ mad^tloS bin, l^Ufreid^ einjugreifen ? O, 
menn id^ bod^ ber Sid^tfiral^l märe, auSermdl^It, bie bflftere 
9la^t biefer 9)tenfd^enbru{t ju erl^eQen, mie moDte id^ il^n 
unb mid^ glüdtlid^ preifen! 

älber ba tritt mir fein unt)ergleid^lid[|er @tol} als faft 
unaerftdrbare @d^eibemanb entgegen. ®Iaubft 2)u,. bajs er 
eS jemals aber fid^ geminnen mirb, eine loertraulid^e 9ln« 
ndl^erung angubal^nen? 9limmerme]^r. ^^ ^abt eS oft auS 
feinem ä^unbe t)ernommen, bag ber ed^te, malere 9Renfd^en» 
ftol}, ber auf l^öd^fter @ittlidE|feit beruht, bie SBefen ffi^n 
aber aQe 2;ori^eiten unb SBirren beS 3)afeinS l^inmegfül^ren 
!ann. 3ft ciber einmal ber Stol) bie ^auptftü^e feineS 
SebenS: mie mirb er fid^ px einem @d^ritte entf daliegen, ber 
il^n mdglid^ermeife in feinem Heiligtum tief t)erle^en fönnte! 
@r qudlt ftd^ t)ielleid^t gar mit ber SRöglid^Ieit beS 93er» 
fd^mdl^tmerbenS. 3)er Ungläd(f elige ! menn er al^nen Idnnte, 



— 115 — 

mit loeld^er ntagifd^en SlOgetoQlt xä) mid^ an il^n gefettet 
ffi^Ie, er tDürbe nid^t fo Xörid^teS w&ffntn, ältand^mal regetr 
fid^ letfe SBeQen be8 VLnroiUtnS in meinem ^erjen, wenn id^ 
an meine ^al^IIofen Sn6eter benle. SBie ba aUeS — mögen 
fte nun Offigiere, Jtünftler, ^Beamte, ©elel^rte, ^inangbarone 
nnb n>er meil maS fein — l^od^beglädt ift, menn i^i nur 
freunblic^ blide, — mie fte aSe nad^ meiner 9l&]^e feufgen 
nnb ledigen, unb mie mid^ aU i^r fabeS SiebeSgefd^mä^ fo 
nnenbli^ !alt I&^t. (Ein freunblid^er ^Ixi au8 (SbgarS 
fd^m&rmerifd^en 9lugen unterl^&It, labt unb befeligt mid^ 
mel^r, als ftunbenlangeS ^öfteren eineS biefer feinen ^rren 
nnb ^rrd^en. Unb biefer (Eine^ bem id^ mein gangeS {^erg 
öffnen mdd^te — er bleibt ftetS rul^ig unb befonnen. ?Sfbx^ 
id^ ba nic^t mand^mal auffal^ren? 

S)od^ mein @toIg liegt in ber SBeiblid^feit. Flimmer« 
me^r n)erbe id^ meiner meiblid^en Stürbe baS @eringfte t)er« 
geben, mie fel^r mir auc^ baS ^erg blutet. 3)arum muS id^ 
gurücfl^altenb erfd^einen, ob aud^ mein gangeS äBefen ftdd faft 
nnmiberfte^lid^ gu il^m l^ingegogen fäl^It 

2)u mirft mid^ eine Slörin fc^elten, menn i^ 3)ir mit« 
teile, ba^ mir au8 feinem fä^n maQenben SodCenl^aar oft fo 
beraufd^enbeS ^lüftern entgegentönt, ba| id^ meiner Sinne 
laum m&d^tig bleibe. @8 mu^ bod^ etmaS rätfelooQ (Sigen* 
tümlid^eS im ^auptl^aar mand^er ^änftler fd^lummern. 
ftannft 3)u 3)ir 93eetl^ot)en ol^ne bie gemaltige Sömenmäl^ne 
ben!en? SSielleic^t ift in ben Jtänftlerl^aaren ein Seil beS 
funftlerifd^en Qngeniumä ocrborgen. SBurgelt eine berartige 
3bee nid^t aud^ in ber aWitteilung t)on ber SRiefenfraft, bie 
im langen, üppigen ^aupt^aare beg gottbegeifterten gelben 
@imfon ru^te? Unb nid^t allein bie ^eilige @d^rift meig 
fold^e 2)inge gu ergäl^len. 3)u l^aft eS bod^ ma^rlid^ nod^ 
nid^t oergeffen, ba| ftd^ aud^ in ben ÜJlptl^en beS alt^eQe« 
nifd^en SSolfeS eine berartige ©ebanfenfpur entbedCen Id^t 
3d^ erinnere S)i(^ an ben ^flegeoater be§ ^erafleg, an 

8* 



— 116 — 

flmpffitttfo, ber gegen ben Zopl^ierffirften $terelao8 
f&ntpft 2>iefet tDirb etft bann im Stampfe übermunben, naci^« 
bem er l^eimtüdCif d^ermeife — ftl^nlid^ n)te @imf on — feines 
golbenen {^auptl^aareB beraubt morben, moran feine Unfterb» 
Itc^teit l^ing. Xlfo auc^ unfere bid^tenben SSorfal^ren mftffen 
bem ^upt^aar einen bef onberen (3i^ ber Straft beigemeff en 
^aben. — Unb bief eS jungen ftfinftlerS l^aarummaQteS ^oitpt 
bringt mi(^ ebenfalls auf biefe SDlutma^ung. .... 

a)en . . . 

9htnme]^r fenne id^ aud^ mani) eine Jtompofition wn 
93ittig. ^ä) üerftel^e nid^t geleiert gu fritifieren; aber ein 
origineller dieift tritt mir barauS entgegen, baS em|>finbe id^ 
flar. Unb baS erfüQt mid^ mit froher B^^erflc^t fär baS 
l^ei^efte Sxtl feines £eben6. — Stlamerunterrid^t l^at er l&ngft 
nid^t mel^r, nad^bem er ein ^al^r l^inburd^ einen Jtönftler 
als Seigrer gel^abt l^at. (Sr ift barin je^t fein eigener Sel^r«^ 
meifter unb fhtbiert unermüblid^ Seetl^ooenfd^ Sonaten. — 
dberl^aupt ift Seetl^ooen feine eigentlid^e 9leligion. 3)a 
n)ürbeft eS 3)ir oergeblid^ oorsufteQen oerfud^en, mie n)eit 
feine äSerel^rung fär biefen 9tiefengeniuS gel^t. ^a^ er nid^t 
WlufxUx gemorben mftre, menn eS feinen Seetl^ooen g&be, ift 
felbftoerft&nblid^. ^d^ l^abe oft bie 8eobad^tung gemad^t^ 
ba^ baS blo|e 9lennen beS 9lamen8 S3eet]^ooen il^n mie ein 
»li^ral^l trifft. — 

9Bie lebhaft mürbe ift geftern mieberum an biefe Sigen« 
l^eit jenes mir fo teuren ÄünftlerS erinnert, als id^ Sef fingS 
Slbl^anblungen Aber @op]^ofle8 laS! (Sine @te([e barauS 
mu^ \6) ®ir oorfül^ren. Sefftng fd^reibt: „©eitbem id^ e8 be« 
bauere, bie 3>id^tfun{t beS SlriftoteleS el^er ftubiert ju l^aben^ 
als bie 9Rufter, auS meldten er {te abftral^ierte, merbe ic^ bei 
bem Flamen Sopl^ofleS, id^ mag il^n ftnben, mo id^ miQ, auf» 
merffamer, als bei meinem eigenen. Unb mie Dielf&ltig l^abe 
id^ il^n mit SBorfa^ gefud^t! Sie t>iel Unnü^eS l^abe id^ 
feinctmegen gelefen!" — ^n nod^ oiel l^ö^erem ®rabe ift 



- 117 — 

WtS bei SBittig mit htm Stallten IBeet^ooen ber SfoO- Seiber 
^ er um biefeS Eiligen SlamenS loillesi oiel VinnB^ nid^t 
aOein gelefen, fonbent QU<i^ !&uftt(^ enoorben. — 

^ freilid^ lantt gegeniD&vtig nid^tS mel^r lefen, ol^ne 
bobei an iSbgar )u benlen. 9QIe meine 3n>^M/ <^^ ^^^"^ 
^agen rid^te i^ im @eifte babei an il^n. WUi (Schöne, 
Isolde unb Srl^bene, mooon bie Derfd^iebenften Sd^riften oer« 
melben, entbedte id^ an ii^m ober bid^te eS il^m an. Unb fo 
allein in ftetem ^inblidt auf meine SebenSfonne — tann i(^ 
mid^ fort auS meiner ^in, fort auS meiner Unrul^e gum 
Sefen bringen. — 

2)en . . . 

— SEBie anberS oerftel^e id^ bod^ ietjt ben erl^a« 

benen Seift Seetl^ovenS, feit id^ mid^ ber 9ele^mng jenes 
Sinjigen erfreue! Xuf bie^rage, marum er benn SSeet^ooen 
ben oberften ®i|( unter aQen SEBeltgeiflern einrdume, ant> 
mortete er mir einmal biefeS: id^ ^abe mid^ lange in ben 
9ßer!en unb SBegen ber großen Oeifter umgefe^en unb id^ 
l^abe nid^t gefunben, ba^ fi^ ^^ <Stnem eine mad^ttioDe (8e* 
nialit&t mit einem burd^l^eiligten fi^aratter fo l^armonif^ 
oerbunben l^be, mie in bem einjigen SBeetl^ooen. — 

^iir il^n gibt e8 ba^er im $iaffxt eigentlid^ nur einen 
^iertag^ baS ift bie OeburtSjeit SBeetl^ooenS. tiefer gange 
Zag mirb odUig bem Anbeuten biefeS ^od^meifterS gemeil^t ; 
oUeS anbere gilt baneben alS profan an biefem ^r^fttage. 
S)ann mirb Seetl^ooen nad^ allen 93e)iel^ungen feineB reid^en 
OeifteS gefeiert. — 

(Sbgar ijl im DoUften Sinne beS SSorteS (Entl^ufiaft. 
SHe Seutfd^en gebraud^en jmar bie SBörter ..(Sntl^uflaft'' unb 
ifCEntl^uftoBmuS" fel^r l^&ufig, aOein in ben menigften ^dOen 
gebenlen {te babei i^rer meil^eooQen Urbebeutung. SBir, bie 
^eUenenfinber^ miffen, bag unter „(Entl^ufiaften" 9Befen be« 
griffen merben, bie mal^rl^ft oon ber ®ott^it erfällt finb 
(ivftooataotof), bie ganj in i^r leben. 3n biefem Sinne, 



— 118 — 

metne ii), ift biefet J^änfUer ein ent^ufiaftifd^er Serel^ret 
99eet]^ODen8, Toeil fein ganjeS (Sinnen nnb Xra^ten fojii* 
fagen in ber „(Sott^tH" 8eet]^ot)enS aufgellt. 2)ai:ttin fann 
er fid^ aud^ mit 9(u8bauer unb intenftt)fter @e^erfraft in baS 
ätntli^ biefeS @eninS Dertiefen. ^a, g&be eS t)on SBeetl^ODen 
eine @tatue, in ber Srt tioUenbet, n)ie biejenige beg Ol^nt« 
pif^en S^ViS t)on ^l^ibiaS: i^r fHnblid !önnte il^nt vodf^tli^ 
ebenfo eine ^Befreiung wn ben @eelenteiben (baS Slepentl^eS) 
gewft^ren, xoit nnferen SSorfal^ren bad Slnfd^auen ber ntftd^^ 
tigen B^^Sli^tue. 

®en . . . 

Sebe xä) au6f f)Xti aniftt in einem äBed^fel r)on 

tiefem SBel^ unb l^ol^er Suft^ ia — geminnt baS Seib oud^ bie 
Oberl^errfd^aft in meiner @eele: fo fel^e id^ bem 2;age meiner 
9(breife t)on l^ier bennod^ mit mal^rem @d^red(en entgegen« 
SKmmermel^r — aud^ nid^t in S)einer unb ber teuren Altern 
trautefter Umgebung — merbe id^ fein ebleS Slntli^, yuie ben 
^auberllang feiner (Stimme^ nod^ bie berüdCenbe 9(rt feiner 
geifterfäKten Sfebe Dergeffen. :3ft mein gegenm&rtigeS 2)afein 
fd^on troftloS genug^ mie mirb ftd^ erft bie^^tunft geftalten? 
Ob eS unferen ftiQen, traulid^en 2BaIbf[uren nod^ gelingen 
mirb, meiner Seele ben fo l^ei^ erftel^ten ^rieben gu oer^ 
teilten — baS fann id^ laum red^t l^offen. (SineS mei^ id^ 
iebenfaUS: mar meine äBalbeSfel^nfud^t fd^on t)ormalS gro|, 
fo mirb fte nad^ meiner 9iäd(Ie]^r in bie ^eimat unerme|Kd^ 
merben. 3)enn menn aud^ alle l^ol^en Stufen aug unferem l^ol^en 
Sanbe geflol^en ju fein fd^einen, fo treiben bie SlQmpl^en ber 
'^^t%^, t^lüffe^ Sßdiber unb ©rotten^ bie Oreaben^ 9laiaben 
unb 3)r9aben bei unS ja nad^ mie t)or nod^ il^r gei^eimniS« 
Doß l^olbeS SJBefen. — 

9lun ein anbereg, ^f'^r xsi!^^\ mid^ nid^t fo in bi^ 
Öffentlid^feit brängen. f^aft möd^te vi^ \^%i mie er, ber mein 
ganjeS ®ein erfäUt, mein W^tix ganj in SSeetl^ODenS SRuftI 



— 119 — 

Dertr&ttmen. Qi) färbte mii) vox bent giftigen ©taci^el ber 
Seit; eS ift fo n>emg SBol^rl^eit unb Oerec^tigleit barin« — 

®en . . • 

SIngeregt burd^ biefe iunge, l^od^flrebenbe ftünftlet'^ 

natur, l^abe id^ mit inniger ^reube unb Sewnnbentng ©c^u« 
manng ©d^riften über SRuftl gelefen« 9Bie ^errlid^eS fd^reibt 
er befonberS aber bog gro^e 3)0|)pel»93e ber Tbxfxt, aber 9ad^ 
unb 9eet]^ot)en! 3^^^ Stellen aber ben le^teren ntu^t 
3)u 3)ir burd^aug nter!en. 3)ie eine (9anb I, p. 221) lautet: 
„99S&r' id^ ein ^ürft, einen Xempel im ^llabioftil toüxht 
id^ il^m bauen: barin (teilen }e^n Statuen; X^ormalbfen unb 
2)anned(er !önnten fte nid^t alle fd^affen, aber fie unter i^ren 
3lugen arbeiten laffen; unter neun ber Statuen, meine id^^ 
mie bie S^f)l ber SRufen, fo bie feiner Sqmpl^onieen : Stli^ 
fei bie l^eroifd^e, Xl^alia bie vierte, (Suterpe bie paftorale, er 
felbjt ber gdttlid^e SRufaget. 3)ort mügte t)on 3eit }U Seit 
baS beutft^e ©efangSool! jufammenfommen, bort müßten 
Settfdmpfe, f^efie gel^alten, bort feine äSerfe in le^ter 
äSollenbung bargefteQt merben. Ober anberS: nel^met ^unbert 
^unbertjläl^rige ®id)en unb fd^reibt mit fold^er ©igantenfd^rift 
feinen 9lamen auf eine $lä^e £anbe§. Ober bilbet i^n in 
riefenl^after l^orm, mie ben l^eiligen SBorrom&uS am Sago 
äRaggiore, bamit, mie er fd^on im Seben tat, er aber 93erg 
unb 93erg fd^auen f önne — unb menn bie Sll^einfd^iffe norbei* 
fliegen unb bie ^remblinge fragen: maS ber 9liefe bebeute^ 
fo fann iebeS Ainb antworten: SBeetl^ODen ift baS — unb 
jte merben meinen, e8 fei ein beutfd^er Slaifer/' — 

^n biefer erl^ebenben Sd^dnl^eit gel^t e8 nod^ meiter. 
$alb nal^t bie l^unbertjldl^rige ®eburt8feier biefed 9liefen. 
Ob mol^l jlemanb an einen fold^en Siempelbau beuten mag? 
i^reili^, ber ©d^entempel merben viele aufgerid^tet. SRir 
efelfS oor biefer SWenfd^^eit! — 

2)ie anbere Stelle (Q9anb III, p. 133) lautet alfo : ,,9Benn 
ber S)eutfd^e oon Sgmp^onieen fprid^t, f o fpridjt er von 



— 118 — 

metne i^, ift biefer Jtänftler ein entl^ufiaftifd^er Sere^rer 
Seetl^oDenS, loeil fein ganjeS (Sinnen nnb Sirad^ten fojit« 
fagen in ber „@otti^eit'' Seetl^ooenS aufgellt. S)arttm lann 
er flci^ and^ mit 9(uSbaner nnb inten{tt){ier Sel^erlraft in bog 
S(ntli^ biefeS @enin8 vertiefen. 3q, g&be eS t)on Seetl^oven 
eine Statne, in ber Srt t^oUenbet, xok biejienige beS Dl^m* 
pifd^en S^ni t)on ^l^ibiaS: i^r fKnblid fönnte il^nt wafftliit 
ebenfo eine ^e^eiung t)on ben (Seelenleiben (baS Slepentl^eS) 
Qtxoilfxtn, xoxt nnferen SSorfal^ren baS 9lnfd^auen ber nt&d^^ 
tigen B^^^f^^tne. 

©en . . . 

Sebe i^ aud^ l^ier ani^t in einem SBed^fel von 

tiefem äBel^ nnb l^ol^er £uft^ j[a — geminnt baiS Seib aud^ bie 
Oberl^errfd^aft in meiner @eele: fo fel^e id^ bem 2:age meiner 
9[6retfe x>on l^ier bennod^ mit mal^rem @d^red(en entgegen« 
9limmerme^r — and^ nid^t in S)einer nnb ber teuren (SUern 
trautefter Umgebung — merbe id^ fein ebleg älntli|(, \nie ben 
Banberflang feiner Stimme^ nod^ bie berüd(enbe 9(rt feiner 
geifterföHten 9iebe oergeffen. 3ft utein gegenwärtiges ^afein 
fd^on tr oftlog genug, mie mirb ftd^ erft bie^ufunft geftalten? 
Ob eS nnferen ftiQen, traulid^en Sßalbf[uren nod^ gelingen 
mirb, meiner (Seele ben fo ]^ei| erftel^ten ^rieben }u oer^ 
leil^en — baS fann id^ laum red^t l^offen. @ineS mei^ id^ 
lebenfaQg: mar meine äBolbeSfel^nfud^t fd^on DormalS gro|, 
fo mirb fte nad^ meiner Stüdßel^r in bie ^eimat unerme^lid^ 
merben. 3)enn menn aud^ alle l^ol^en STlufen au3 unferem l^ol^en 
Sanbe geflol^en ju fein fd^einen, fo treiben bie Sl^mpl^en ber 
^^tge, t^läffe, S93&lber nnb ©rotten, bie Oreaben, Slajaben 
unb 3)r9aben bei unS ia nad^ mie uor nod^ il^r geldeimniS« 
ooß l^olbeä ffiefen. — 

9lun ein anbereS. ^ffx mü^t mid^ nid^t fo in bi^ 
öffentlid^feit brftngen. f^aft möd^te id^ ie^t mie er, ber mein 
ganseS (Sein erfäUt, mein &tUn gau) in SBeetl^ooenS SRuftf 



oetznnmBL " y^ 

Seil: es * ir : 

Jten . . . 

tuum, liok nr m 
ttonns i Sifa-iiiex. 
Q bnonbas i3er 

.Sör' idi nc |r±=: 




Jkanetfa I 

Sngen EEfenei . 

itrie te ^nji; (y— ■qr<-;~r--» — — 

in int ieamÖK., "Z~'*'*~ "»^ 

ielbft litt p ftnitTT» - 

fcUentnim Uta 
biaiimjiiieuB i 




tttli'ä not tiincr .^'•.csi < 



— 122 — 

» 

fteinen losreißen fonnte. ä^erfd^ioanb einer, fo leud^tete all« 
fogleid^ eilt anbetet in nod^ ^elletem ©lan^e auf. Unb ba}tt 
xoQX bie Sttft fo tein unb ftiebenSftiQ, bet ajurUaue ^immel 
n)oIfenlo3, bet f^tül^lingSmotgen fang fein eu)ig l^eiteteS 
^genbUeb — mu^te id^ ba nici^t l^eilige iRul^e empftnben? 
9Rit n)at'g batin, als l^&tte id^ nie ein fo melftimmigeS 
fton^ett gel^ött, n)ie eS an biefem ältotgen ga^Iteid^e 99aum«^ 
bemol^net oetanftalteten. SBie boä ol^ne ^itigenten unauf« 
^ötlid^ Toon ftatten gel^t unb bod^ nie eine ^iffonanj inS 
©el^öt, aud^ nid)t in baS feinfül^Iigfte — l^ineinwitft, bag 
bleibt en)ig neu unb ben)unbetnSn>ett. f^teilid^ übettagte 
aUe geflügelten ©äuget n)eit an butd^btingenbet fttaft unb 
bejaubetubem äBo^lflange bie A&nigin beS ®efanged, bie 
fd^metjengoolle 3)ulbetin 9lad^tigall. 9Q3ad mag bie 9lac^ti« 
gall n)o]^l fo unenblid^ }u f lagen l^aben? €), 9ladE)tigaIl, voiz 
tül^tt mid^ bein ndmenlofeS 9Be^, n)ie leibe id^ mit biti 
^aben ftd^ oielleid^t bie batm^et)igen ©öttet einmal eineS 
unglädHid^ Siebenben etbatmt unb il^n in ben Seinen bunfeln 
93ogel oetmanbelt, bet fo fäjs mie ttautig als 9lad^tigaS bet 
SBelt feine Seiben ootfingt, bamit et ftd^ unb anbete ttdfte 
unb etquid(e? bleibe mit benn emig gegtfigt, bu gnaben« 
ooQet @änget, bet bu mit beinem ©^merjenSlieb mie $im« 

melStau auf meine munbe Seele f&Ilft. 

9lad^bem id^ mid^ fattfam an jenem l^ettlid^en ©onnen«^ 
@taS« unb S3l&ttetf^iel gemeibet l^atte, oetlieg id^ fd^meten 
^etjenS unb boc^ geft&tft biefen ttauten Ott. 9Bet befd^teibt 
mein Staunen unb SntjädEen, als id^ bann auf bet Sanb^ 
ftta^e nid^t aUjumeit oot mit (Sbgat etblidCte, bet fo ftol} 
unb matüg bal^infd^titt, als follte bet (Stbboben untet feinen 
t^ü^en gufammenbted^en. . SÄid^ äbet!am'S utpld^lic^, als 
^tte id^ einen f^affenben ®eniuS im @tutmfd^titte bet Se« 
geiftetung leibl^aftig t)Ot mit ge^en feigen. ^(^ nun eilte 
tafd^ voxto&ciS, nm xf)n momdglid^ einjul^olen. 9)lit gtoget 
SSnfttengung gelang eS mit aud^ enblid^ fo gut, ba^ mein 



— 123 ~ 

feiger 9(tem fein bunfleS ^aupt^aar berul^rte. 2)en!e SHc'S, 
fo bid^t iDar td^ üfm an ben Werfen! 06 er tpol^l eine SCl^«» 
nnng bauon empfanb^ wxz l^ier bie gläl^enbfte ältemluft fein 
bid^teS ^auptl^aar nm ein kleines noneinanber blieS? ^i) 
mu| eS be}n>eifeln. 9htn moUte i^ trogen unb meine fo 
oft gepriefene ntagifd^e ®en)alt erproben. Unj&l^Ug flnb bte 
©onette, in benen meine SSere^rer bie Qaub^tmaäit meiner 
Singen Derl^errlid^ten nnb in allen S^onarten nerfunbeten. 
Unb l^ier ern)eifen fld^ biefe armfeligen 2)inger — t)on einigen 
fogar ©dtteraugen genannt — fo ol^nm&c^tig, ba^ fte meinen 
Sinjigen^ Slngebeteten, heißgeliebten ni^t einmal anS feiner 
tiefen 93erfunfen]^eit reißen f önnen. @r fal^ fid^ nid^t um. 2)a 
l^att^ id^ allen SD^nt nnb alle Sraft verloren, il^n jn begr&ßen 
nnb ließ il^n nnangefod^ten fortgel^en nnb fortfinnen. — 

3n ber l^eftigften Srregtl^eit tarn xi) nad^ ^anfe. 9Ul 
meinen ©roll, meinen Unmut, meinen ©d^merg, ja — mie 
iä) mir einrebete — meine @d^mad^, benn mein @tol) fanb 
ftd^ nnenbli^ beleibigt: alles Üble mollte id^ l^ier mit aller 
$euer!raft burd^ bie 3fla6)t meines 5tlamerfpielS oon mir 
m&ljen. ®en)iß l^abe id^ nod^ nie fo rafenb fd^ön gefpielt, 
mie nad^ ber Slufregung biefeS äRorgenS. ^d^ tobte in fo 
unfinniger, äberfr&ftiger Seibenfd^aft auf meinem f^lägel 
uml^er, baß idd mie auS ben Sßolfen fiel, als meine SBSirtS» 
frau in mein ßimmer trat unb — l^alb erfd^redtt, I)alb er» 
ftaunt ausrief: „aiber, ^err 3[efuS, ^err 3fefuS! SffiaS ift 
^^Mn benn l^eute, ^r&ulein ^alleufoS? Sie bonnern j|a 
förmlich auf ben haften. 3)aS Hingt ja grabe, als ftunbe 
baS iängfte ®erid^t bevor!" 3>a mn^tt x6) l^ell auflad^en — 
unb bamit mar bem ®ram bie @pi^e abgebrod^en. 3lber 
nad^bem mid^ meine gutl^ergige äBirtin eben oerlaffen l^atte, 
äber!am eS mid^ mie ein ä^nber auS ^immelSl^ö^n. 3Bie 
munberbar finb bod^ bie SQBege ber göttlid^en SSorfel^ung! 
(Sben mollte meine @eele oor Unmut vergeben, felbft Stegungen 
beS paffes gegen bie unfd^ulbige Urfad^e meiner ferneren 



— 124 — 

Reiben fäl^lte id^ in mir auffteigen — ba brad^ ftij^ burd^ 
oll bieS n&d^tli^e Seelenbuntel urpld^ti^ ein l^intmlifd^cr 
Sid^tfunfe fSaf^n. (Sine vod^twlU, feierlid^e ffiu^t, toofyc* 
l^afte ^ebenSftiUe burd^l^eiligte mein gonseS Sßefen. $^n 
biefem gotteifüllten Slugenbliife ging mir bie befeligenbe 
ätl^nung ouf^ ba^ alle malere Siebe bod^ nur einen unb ben« 
felben Urquell l^aben !dnne. 3>n ^öd^ften, l^Uigften Sinne 
mu% bie Siebe jmifd^en äßann unb SEBeib mit ber ^immelS« 
liebe }ufammenfallen. Sßer eine Seele mit ganger ftraft, in 
oller SBal^rl^aftigfeit Hebt, ber mn^ il^r }u allen Beiten bie 
Siebe bemal^ren, aud^ menn er biefe Seele nid^t fein be« 
gläd(enbeS Eigentum nennen fann. S)a8 mögte eine Siebe 
fein, bie @eift unb ftdrper umfpannt. (Sine t)ollIommene 
Siebe !ann aud^ gar {eine (ä^emeinfd^aft mit ber Siferfud^t 
l^aben. — SSSie id^ mir ba feft gelobte, (Sbgar immerbar Der» 
bunben gu bleiben, felbft menn er meine l^ei^e Siebe uner* 
mibert liege — baS mar mo^l ber befeligenbfte Slugenblid! 
meines äthtnS. (Sine Dollfommen ^immlifd^e Stille gog in 
mein ^rj ein. 3)ie ^eiligfeit ®otte8 l^atte fär biefen äugen» 
blirf feine SBo^nft&tte barinnen. 

äBie e§ jle|t aud^ !ommen mag, teurer SBruber, 3)u f ollft 
mid^ nid^t fleinlid^ fd^elten. Seitbem mit einem 9Rale alle 93er< 
gagtl^eit t>on meiner Seele gemid^en ift, fälble id^ meine Siebe 
unenblid^ gel&utert, mid^ felbft aber voü t^affung, Stulpe unb 
^immefögebulb. äRein (SiHid mie mein Unglüd merbe xi) 
fortan mit ber l^öd^ften (Ergebung em;)fangen unb tragen* S^ie 
Siebe fud^t allein baS ^eil beg anbem; immer merbe ii) 
(Sbgarg befteS mänf d^en unb fud^en — felbft menn id^, ad^ ! f o 
unglädHid^ fein m&jste, il^n am Slrme eines anberen SßeibeS )u 
feigen, fdtte fär mid^, vmn Oruber, bag ber l^immlifd^e äkiter 
mir 3U fo l^ol^em, l^eiligen 9lingen feinen Segen uerleil^e! — 

Unb ntm ein l^erjlid^eS Sebemol^l, mein Sop^ron! 
^pfange mel taufenb ®ru|e unb ftäffe oon 3)einer 3>id^ 
l^erjinnig liebenben Sd^mefter älntl^emia. 



Siebented JtapiteL 

S)tc A-dur-@9mi()^ottie- — «a8 ©bgar SBttttg« 




2)ie äßeltgefd^id^te ifk baS aSBettgecid^t! 

@(j|i(ler: ^ie 9le{tgnation. 
92ur bem ®mft, ben feine Dtü^e ((eid^et, 
9tauj4t ber 9Ba§t^eit tief oerfiedKer 9orR. 

Schiller: ^aS 3^eal utib bad Seben. 

^od^ einmal lur) t)or il^ier 9(6retfc nad^ ®ried^enlanb 
traf ätntl^emia mit (Sbgar im ^ilbebranbtfd^en ^aufe 
Sufammen. 

3)ie Sßolfen fd^auten trabe herein auf bie l^ier 9)er« 
fammelten. 9lu§ ^bgarS $]^antafteen am ^lamer erflang eS 
me unftiQbare, leibenfd^aftlid^e äßel^flage. 9BaS l^alf eS^ ba| 
iro^ige S^onmeUen ftd^ bem bitteren ®efd^id( entgegenn>arfen? 
— 2)a8 (Snbe blieb eine troftlofe Seere. 

@rft ber gtüdUid^e @ebanfe Slntl^emiaf, ein 93eet]^ot)en» 
fd^eS Slbagio Dorjutragen, geeignet, ber l^eute obmaltenben 
(Stimmung bie SÖieil^e beS ©eniuS ju Derleil^en, Derfd^affte 
ben jagenben ®emätern £inberung. 

älntl^emia fpielte baS tiefftnnige ätbagio ber erften 
B-dur-@onate (op. 22), baS, n)ie faum ein anbereS Sßerf 
biefeS 2:onbid^ter§, ein 93ilb ungeftiUter Sel^nfud^t barfteSt^ 
ein namenlofeS ©e^nen nad^ einem bunflen &txoai, baS ben 



— 126 — 

^rjengfrieben bringen foQ. 3)arum nennt eS aud^ ber treff« 
lid^e 99eet]^ot)entrun!ene Stöbert ©riepenferl in feiner 
SldneHe „3)a8 3Jluflf f eft ober bie 93eet^ot)ener" f el^r ftnnreid^ : 
„2)ie (B6)xo&m, baS n)unberbare ^ilb aQer ®e^nfud^t auf 
erben." 

SRan voax nx6)t n)enig erftaunt, atö nad^ beut fünft« 
ooQenbeten, einbrudSooQen 93ortrage biefeS SlbagioS @bgar 
bie 9RitteiIung mad^te, ba^ gerabe biefe ^ompofition in fo 
geringer 2ld^tung bei oielen aÄuftfern — forool^I auSübenben, 
als !omponierenben unb äftl^etifierenben ®d(|IageS ftfinbe. 
S)em einen ift'8 ju lang, bent anbern nid^t oom Seetl^ooen^ 
fd^en ©ptteSfunfen befeelt, bem britten flingt'S gar italienifd^. 
^a bleibt benn ntd^tS anbereS äbrig, als aQ biefe Ferren 
il^rent eigenen fänftlerifd^en @en)iffen ju überlaffen. $reilid^ 
ift gerabe biefeS 2:onftäd( eine§ t)on ben ed^ten ^röffteinen 
für ben ^eetl^ooenfinn unter ben Mnftlern. 

@S ift l^iftorifd^, ful^rte @bgar beS n)eiteren au8, bag 
SBeetl^ooenS erfte unb nteift einzige t^rage nad^ Stongertauf« 
fül^rungen, benen er nid^t bein)o]^nen fonnte, biefe toax: 
„SBie waren bie Tempi?" 3)aS gefd^al^ voxnzf)mlx(S), wenn 
ein SBerf oon iffm jur äluffül^rung !am. f^iel bie ^ntxooxt 
nad^ feinem Sinne auS, bann n)ar il^m aQeS Abrige von 
nebenf&d^lid^er Srl^eblid^feit. Unb in SBal^rl^eit ift eS taum 
^laublid), n)ie ber (Sffaxattex ^eet^ooenfd^er Slonbid^tungen 
j|e nad^ bem peinlid^en Slbm&gen beS 3^^tma^eS fld) al8 red^t 
Derfd^iebenartig ermeift. SÄan nel^me jum ©eifpiel baS Xempo 
im $reubenl^9QtnuS ber neunten ©qmp^onie um 
loenigeS übereilt, mie man e8 leiber faft immer ju l^ören 
befommt, unb baä genügt t)oQIommen, ber 3Jlelobie ,,9reube, 
fd^öner @ötterfunfen" einen etmaS trivialen Slnl^aud^ p 
t)erlei]^en, mä^renb il^r ed^ter S^l^arafter, n)ie er ftd^ fraft 
feinflnnigen S^empogefül^lS ergeben mu§, eine ^immelSfreube 
Derfünbet, bie aQein in einer erl^abenen Seele nad^ langen, 
fd^meren Kämpfen JRaum gewinnen fann. 



— 127 - 

^u6f unfer Slbagio (Es-dur) gel^ört ju ben Xongebtiben, 
bie burd^ allgemeine SBefd^Ieuntgung be§ 3^ttma^eS il^re er« 
l^abene Stulpe unb SBärbe fd^Ied^terbingS einbauen mäffen.- 

9lo^ manche berarttge ^emerfungen mad^te (Sbgar an 
biefem 9tbenb. 

älntl^etttia, voU t)on ben empfangenen (Sinbrüden, ge» 
badete in tiefftem Seibmefen ber @d^eibeftunbe. 

Unb fie fam, bie l^erjenbetrfibenbe 3^^t- — ®bgar 
mn^te t)erfpred^en, Stntl^emia feine n)eiteren ^ompofttionen 
nad^ ©ried^enlanb ju fenben. 9(ud^ bie (Süjse aber bie 
A-dur-@9mp]^onie foQte nad^ SeloS beförbert werben. 

aWit einem innigen ^änbebrudf ©erabfd^iebeten fld^ SKn» 
tl^emia unb ®bgar. — 9lod^ einmal verloren fid^ bie SBIidfe 
ineinanber, al8 foHten jte auf alle Smigfeit ein Silb für bie 
©eele auffangen. 

$alb nad^bem Slnt^emia 2)eutfd^lanb oerlaffen l^atte, 
erhielt (Smma t)on Sbgar ben ©ebanfengang über biefiebente 
@9mp]^onie t)on 9eet]^ot)en in A-dur, op. 92^ fomponiert 
im ^a})u 1812 unb bem SReid^Sgrafen SDlori^ t)on %xuS 
gemibmet. 

@mma Ia§ foIgenbeS:*) 

@inleitenbeg: 

Über feine anbere ^onbid^tung Seetl^oueniS ift ber 
äftl^etifd^e B^^i^fP^^t ober melmel^r SSielfpalt fd^on bem 
@runbgebanfen nad^ fo erftaitnlid^ gro|, mie über bie ftebente 
@9mp]^oniefd^dpfung. 

Stile biSl^erigen 2)eutunggt)erfud^e eines Qt^n, d. %t. 
eberS-Sftob. (Sd^umann, dtx6). SBagner, 21. SB. aRarj, 
9B.t)on£en3, 91. Sllberti unb anberer fd^einen bie Sßürbe 

*) ^ie l^ier folgenbe 9lb§anb(ung loarb im äßefentlid^en bereite im 
3a§re 1873 in ber „3lcuen »crlincr aKufUfteitung" (Sa^rgang XXVII, 
9h:. 51 unb 52, lefie SRummern) jum ^bbtudE gebrad^i. 



— 128 - 

unb 0to^arttg!eit ber geiftigen Stonjtption mitnid^ten ffxn^ 
I&nglid^ iu ermeffen, viü loeniger nody bie ibeelle (Sinl^it 
il^xier 2:eUe. ^^ ^atte feine Sfhi^e, hx8 tc^ ffir biefe S^m« 
pifonit eine neue, erfd^öpfenbe Suffaffung ge^nben l^atte. 

Sänge nad^bem bie ^ier beigegebene @!i}(e gefd^cieben 
xoat, lernte i^ ben ^ol^en (Seift älrt^ur Sd^o^^enl^auerS 
fennen unb verehren. Unter ben mannigfad^fien älnfd^auun» 
gen, bie id^ barau8 }U n)a][|rfter {^erjenSerquidCung empfing, 
erf^ien mir im fpegiell muft!alifd^en Steile feines ^aupt« 
merfeS baS folgenbe Sort ganj befonberS mie auiS ber @eele 
gefprod^en: „fo mirb, n>er mir gefolgt unb in meine 3)en* 
fungSart eingegangen ift, eS nid|t fo fel^r paraboj finben, 
menn id^ f age, ba^, gefegt tS gelänge, eine DoUf ommen rid^« 
tige, Dollft&nbige unb in baS Singelne gel^enbe @r!lärung ber 
SRuft!, alfo eine auSfäl^rlid^e SEBieberl^olung beffen, voaS fie 
auSbrüd(t, in Segriffen ju geben, biefe fofort aud^ eine ge» 
nägenbe SSSieberl^olung unb (Sril&rung ber 9Belt in Segriffen^ 
ober einer fold^en ganj gleid^lautenb, alfo bie malere ^l^ilo» 
fopl^ie fein mürbe." (®ie SJBclt al8 SQSille unb SSorftellung, 
crfter Sanb, III. 95ud^ : vom Dbjef t ber Äunft.) greilid^ barf 
ein berartigeS @j:periment nur an ben mentgen auSerforenen 
S^onmerfen vorgenommen merben, bie ein ®enie in DoUer 
®lorie vom l^eiligen ©eifte empfangen l^at. 3^ fold^en 
Sßunbermerfen gel^ört mir nun, mie @ie l&ngft miffen, gan} 
befonberS bie A-dur-Spmpl^onie, bie ic^ al§ bie objleltiofte 
unter allen @9mpl^onte«@d^0pfungen Seetl^ovenS bejeid^nen 
möd^te. 

Sollte, mein Derel^rteg, gndbigeS grdulein, biefe ©fijse 
einem fpejififd^en SAuftfer in bie ^änbe geraten, bann ^aben 
@ie mo^l bie ©emogenl^eit, jenem ju bemerfen, bag biefer 
aSerfud^, ben ®eifte8ge^alt ber Ä-dur-Sgmpl^onie barjuftellen^ 
ftd^ anwerft getreu bem tl^ematifd^^muftfalifd^en Organismus 
ber ^Partitur anfd^lie|t. 



— 129 — 

3)te A-dur-S^mpl^onic ftellt eine Slrt SBBelt«* 

gerid^t bar. 

2)te jiemKd^ loeit auSgefponnene CSinleitung beS elften 
©a^eS, Poco sostenuto, fdjilbert baS ©wad^en ber 3Jlenfd^en 
gur lebenStJolIen SHegfamfett. 

®anj einfam I&§t eine Oboe il^ren gauberifd^ ibgllif^en 
©efang erfd^allen, frdftig gibt l^ier unb bort ber ganje 3>n* 
ftrumentald^or Don feinem ® afein Äunbe; alleS rül^rt fld^, 
feimt unb fpro^t ba in unfd^uIbSooUfter Sflatürlid^feit. 
@elbftdnbig regen ftd^ aud^ bie üppigen Klarinetten, bie 
natnrfrif^en ^örner «üb bie fd^alfl^aften ^Jagotte. Qn faum 
hörbarer Sebenbigfeit fliegt l^ier alleS SQSefen bem freubooll 
n)infenben ©ein entgegen: fo ba8 ganje ©treid^ord()efter in 
l^ajiig leifem ?ßulgf^lag. Slöl^riger unb ft4r!er fallen alle 
S3ldfer in biefen Sluffd^wung ein: alleS ruftet fxä) }ur 
fr&ftigften, eifrigften Sleilnal^nte am Seben. alle ^d^ig'^iten 
fd^einen in biefem fü^nen SBefen ju walten. 3ebe einzelne 
2;onfeele befennt e8 fo überaus freubig, ba| fle ftd) fampf* 
luftig an^6)xdt, bie lid^te ^tl^erpl^e beg SAeufd^entumg bnrd^ 
" alle erbenflid^en ?ßfabe ^inburd() ju ertlimmen. ©ro^eS oer* 
fprid^t freubigen 3WuteS jeglid^er 3;onförper. — SBunberbar 
feftlid^ ertönt je^t in C-dur ber l^immlifi^e 3Äorgengefang 
ber SJlenfd^l^eit in i^rer ©eelenunfd^ulb, xok il^n ber ©eniuft 
ber 3Belt empftnbet. SBieber umfängt ung ber Saut ber 
jarten Oboe, bie befonberS oon il^rer ©d^mefter, bann von 
Klarinetten unb Fagotten l^armonifd^ getragen mirb. ^alb 
nel^men aud) bie Sßiolinen an ber melobifd^en SQSeife biefeS 
l^erjrül^renben Äinbl^citStraumeg ben innigften SKnteil. 

Unb roenn baS ^erj ganj erftarrt ift: bei folc^en Qan^ 
bertönen ber reinften SWenfd^lid^feit mu§ e8 auftauen; benn 
au8 biefer SJlelobie flingt bie ma^re (Söttlid^feit beS aWenfd^en. 

SBie biefer SEBonnefang alle Xonroefen roieber gur ftdrfften 
Segeifterung anfeuert, vou ^06) allen baS ^erj anfd^millt, 
mie alles von neuem mad^tooll anftrebt unb ftd| anl^eifd^ig 

italifd^er, IDie SRad^t tOeetl^ooenS. 9 



— 130 — 

mad^t, burd^ bte toeiteften Snobulationen beS Sebeng bic 
Unfd^ttlb beS @etfte§ ju betoal^ren! 

ytoif einmal ertönt jenes n)unbetfame Sieb, ^bag t)or 
l^immelSl^eiliger Unfd^ulb äberqueüen möcj^te. SSerfl&renber 
nod^ Derfünbet biefen Zxanm bieSmal in F-dur bie ^^Idte, 
l^armonifd^ unb rl^^tl^mifd^ t)on Oboen, Klarinetten, Fagotten 
unb äJiolen geftü^t, n)&l^renb bie ähoUnen mit ber 3^^^ 
abermals melobif^ eingreifen. 

3)ie l^armlofe 93otfd^aft brid^t mit einem mäd^tigen 3(nf= 
fd^mung nad^ E, bem 2)ominanttone oon A-dur, ah: nod^ 
gittert in ben pfiffen ber lebl^afte ^ulgfd^Iag nad^. ^eoor 
bie Sßefen in baS eigenttid^e SebenSgetriebe entlaffen merben, 
geben il^nen bie S3laSinftrnmente nod^ einen freubig mel^« 
mötigen ®^eibegru| auf ben fd^meren SBeg mit. ^ann 
fd^eint alleS }U Derfc^minben. 9lur ber einzige %on E er« 
flingt in mgftifd^er ffiinfamfeit. ^od^ fpannt er bie ©rmar» 
tung auf baS, mag nun fommen foQ. 

3m ^auptfa^e, bem ä^ivace, beobad^ten mir bie SAen» 
fd^en, mie fte ftd^ in ber DoIIen (Entfaltung ber il^nen t)er= 
tiel^enen Kräfte geberben, ob fte baS, maS fte in jiugenblidiem 
^egeifterungSraufd^e fo feierlid^ gelobt, nunmel^r im großen 
SebenSfampfe gu l^alten gemillt unb befal^igt finb. 

3)a§ gefd^äftig Sireibenbe, baS unauf^altfam S3emegenbe 
unb ^emegte, baS raftlofe SBogen ber äBelt d^arafterifiert 
in biefem fed^Sad^teltaftigen @a^e ftaunenSmert genug fd^on 
ben 9ll^9t]^muS. 

S)ie ^löte allein ftimmt in jarter älnmut bie erft rul^ig 
bemegte SRelobie an. SBie fd^ön unb frieblid) lebt eS ftd^ 
bod^ in ber SBelt — fo fingen ^löte unb Oboe — , mie 
fäl^Ien fie ftd^ fo namenlos glüdCfelig in il^rer parabieftfd^en 
SebenSfreube! Unb ber gefamte Sl^oruS ber ©treid^inftru* 
mente ruft eS ftiHuergnügt unb feelenfrol^ nad^. SQSie tapfer 
ruftet ftd^ biefe mad(ere ®d^ar aber aud^ balb ju immer 
l^öl^eren SebenSftrömungen. Zimmer ftdrfer mäd^ft bie Äraft 



- 131 - 

an, le^enbiger unb immer lebenbiger regt ftd^'g im (Srben« 
reid^e: unb bie l^öd^fte Snad^tföUe befledt ftd^ nod^ burd^ 
feine afigellofe Seibenfd^aft. 3)ie trompeten, Raufen unb 
oUe Säffe malen je^t t)ortrefflid^ ben unerf&ttlid^en 3)rang 
jur Sätigfeit, ben unftillbaren 3)urft nad^ l^öd^fter ftraft^ 
entfaltung, mobei Sratfd^en unb jmeite 93ioIinen t)on bem 
l^aftigen Siaufd^en be§ SebenSftromeS geugen, m&l^renb aus 
ber erften SSioIine, auS S^gott unb l^orn ber melobifd^e 
ScbenSreigen erfd^allt. 

9(Uein balb ftellt [id^ ber Überbru| an ber gemol^nten 
SebenSfreube ein. @d^on regt fid^ bei aller Xatenluft bie 
@ud^t nad^ bleuem, ^n einem gemaltigen äluffd^rei ber 
äBefengefamtl^eit brid^t ftd^ ber @d^mer} Suft, mie il^n bie 
Sangmeiligfeit beg mi^oerftanbenen ^Einerleis erzeugt. 3)ie 
Teufel beg Unmutg niften ftd^ in bie (Seelen. SSSeld^ ein 
gelangmeilter, lebenSunluftiger 3uftanb flingt ba inCis-moll 
aus ben alten feelenfreubigen SKotiDen, gefteigert nod^ an 
ßebenSmübigfeit in As-moll (Gis-moll)! 

2>od^ biefer UnmutSfd^ein Derflüd^tigt fx6) fd^nell. 991an 
rafft fxä) auf in feiner ftoljen SBSillenStraft. ^n mdd^tigen, 
t)ollfaftigen Slfforben beS gefamten 2:0nDolfeS fprid^t ftd^ 
biefe 9lüftigfeit auS. 3)er monnefame ^au^ beS einftmaligen 
®eelenfriebenS ftrömt mieber auS bem @eifte ber Oboen, 
Klarinetten unb g^^fiötte. 

®a8 alte gefunbe ^^ol^lodEen fd^eint miebererrungen : 
ba fommt mit einem SÄale bie t)ößige SSermanblung ber ®c= 
mütec jum SBorfd^ein. ®aS mar ein j&l^er Sffiurf t)on E- 
nad| C-dur. MeS atmet jje^t Unrul^e. ©el^eimniSt^oQ juerft 
beginnt l^ie unb ba baS klingen nad^ einem neuen, feften 
©tanbpuntte beS ©trebenS. ®ie 33äffe bringen immer ft&rfer 
unb unaufl^altfamer empor, bis fie baS ©efamtmefen jur 
l^öd^ften ©iegeSfreubigfeit anfeuern. 3>^fet brauft ber gange 
ßl^or mieber im ^^uermeer beS SebenSjubelS, ftolj unb l^od^ 

9* 



— 132 — 

emporgetragcn, in feiner alten ÄraftfüUe halber. @tne faft 
unb&nbige 3)afein§freube befeelt aUe J^ongentüter. 

3)0^ fclion brid^t ber 3wiefpalt auS. 3)ie einen moßen 
ben fräl^eren trauli^en 3^^^^^^^^^ bel^aupten^ bie anbeten 
bringen ungeberbig unb unbefriebigt t)orn)&rtS. ffla6) einem 
l^erjenäbangen ®tillfd^n)eigen fud^t ein @injeln)efen au§ bem 
alten SebenSftamme ein neueg 2)afein ]^erauf3ubef(j^n)dren; 
anbere erftreben anbereS. SRaft» unb friebloS wogt e8 l^in 
unb l^er^ x)on einem Qxtl jum anberen; n)ad^fenb erneut ftd^ 
bie flnftere 9Wad|t ber Uneinigfeit, bie S3egierben in il^rer 
Unerf&ttliti^feit werben road^, ber übermütigfte, uerjel^renbfte 
Slufrul^r ber Seibenfd^aften nimmt fd^redHid^ fiberl^anb. 

SBSie t)on oben l^erab fdDt in biefeS mirre ©eelen« 
getümmel befd^mid^tigenb ein jaubermelobifd^er ftlang, t)on 
einer ^löte, einer Oboe unb einem Fagotte Derfünbet. ©old^e 
2;flne muffen l^ier, faum au^geflungen, roirfungSloS t^erl^aßen; 
3mmer feffeUofer, fieberl^after, glutenbefeelter tro^t ber mirre 
Unftnn beS SebenS, meldten bie entartenbe SWenf^l^eit felbft 
l^erbeifd^afft. SSBeld^ ein unaufl^örlid^eS Snxtn unb Steigen 
aus einem ©egmeige inS anbere! Kaum fd^eint eine unfelige 
Seibenfd^aft fid^ erfd^dpft unb ausgetobt )U l^aben, ba tritt 
gleid^ eine anbere mit il^rem milb t)er}e]^renben ^euer auf. 
SEBaS äBunber, ba^ bie äBefen fo ben ^tl^erglanj be8 reinen 
fiebenSlid^teS eingebüßt l^aben! 

Slber nod^ fted(t oiel gefunbeS fiebenSmar! in il^nen. 
SWit l^eroifd^em Slufmanbe aßer ftttUdien Äraft gelangen fie 
nod^ einmal jur frül^eren Seben8l^errli(^feit, bie in lauterer 
Suft an bem naturgemäßen 3)id^ten, S^rad^ten unb äBanbeln, 
in reiner S^eube erglänjt. S>en bitl^grambifd^en ©eelenauf» 
fd^mung betätigt namentlid^ mieberum baS ganje, fäl^n an« 
bringenbe @trei^ord^efter. ^ier regt ft^ auf§ neue baS 
^Balten ber feelenl^ol^en S^atf räftigf eit : unb bie anberen 
Xonmefen joUen biefer Kd^tflaren Seben§mad)t ben lauteften 
SBeifaH. 



— 183 - 

2)od^ bte qudlenben, nimmer raftenben Teufel beginnen 
bolb mieber il^r jerfe^enbeg ®ift in bie fd^mad^en ©emftter 
gu träufeln. 9Bie unfdglid^en Sd^merjeS t)oQ erflingen ba 
bie frül^eren, l^eiteren SebenSmotitje ! SBie ein Xraum au8 
Idngft entfd^munbenen feiigen 3^^^^^ burd^fluten fte ie^t bie 
(Seelen in D-moIl mit ber m&rii^enl^aft fd^Snen SRobulation 
burd^ bie nal^et^ermanbten Ouintenafforbe G-moll, D-moll, 
B-dur, F-dur, D-moü. 

Unb peinlid^er unb immer angftooQer geftaltet fld) ber 
SebenSblidC nunmel^r in A-moll. 9Beld^ ein neueS, nagenbeg, 
unftiUbareS ©eignen offenbart ftc^ l^ier! mie fd^miUt eS 9on 
h^n leifeften älnflängen pr gemaltigften 9Rad^t ber Seiben« 
fd^aft an, big ber fiebermilb oerfengenbe ©arungSftral^l ben 
gangen ®eift um unb um rüttelt! — (Sine au^erorbentlid^e 
9Birfung äbt l^ier ber Orgelpun!t auf A auS, beffen @d^mer» 
!raft in ber rl^ptl^mifd^en 3^^nung ber ^aufe liegt. 9(ud^ 
biegmal finbet baä fel^nfud^tgooKe (Smporbringen nic^t bie fo 
j^ei^ erftrebte @rlöfung. ^er Sd^merg ber unerf&ttlid^en 
^egierbe nad^ neuen SebenSgenüffen, nad^ f^neQ l^intoellen» 
bem @rbenf d^ein bel^auptet bie Oberl^errf d^af t, obgleid^ im^er 
mieber ed^te SebenSfäQe unb ftolge Sleinl^eit burd^bli^en. 
jtaum pflangt mit ben m&d^tigen, meitl^infd^aQenben A'dur|> 
9(fforben bie glodCenreine ®eelen!raft ilj^r panier auf^ ba 
merben bie 3Befen jläl^lingg mieber von ben bdmohifd^en @e^ 
malten neuen Seelenqu&Iereien entgegengefd^Ieubert. ^lad^ 
einem fremben S^onreid^e mirb aQeS unmiberftel^Ud^ Der=> 
f dalagen. 

@o gel^t bag treiben biefer S^onmefen fort, ^aum 
l^aben fte baä rettenbe @ilanb miebererobert, f o ftärgen fte 
in il^rer unoerbejferlid^en Slorl^eit immerbar in neue 3^^* 
ruttungen. Unrettbar t)erf aQen fte immer mel^r bem grauftgeri 
SBirbeltange ber gügeUofen Seibenfd^aften. 

S)er ©eniug biefeS 93oI!eg mirb oon böfeti Sl^nuhgett 
bur^gogen, weil fold^ ein 3Renfd^entreiben in fein Sinneri 



~ 134 — 

ftetgt. greUtd^ raffen fic fxä) ietjt nod^ ftctS jum @blcrcn 
auf. 9l6er tDte ipirb bte al^nung§t)oQe ^id^terfeele Beläflet, 
ba^ fie bte ÜRenf^l^eit il^rem ünt)ermeibltd^en 93erberben ent« 
gegenmallen fielet! 

2)er 3;onfd^6pfer fann tdox bem ©(ä^Iuffe biefeS SebenS« 
bilbeg bag loal^rl^aft finnbebrürfenbe ' 95a§motiü faum t)on 
fi^ iDäI}en. @IfmaI erbröl^nt eS auS tieffiem @rbenfd[|ad)te 
I^erDor, tote eine ungludEt)er]^et§enbe SRal^nung an baS O^r 
ber 9Renfd^]^ett. 3tninern)&]^renb laftet eS auf bem ^aupt» 
@efunbaf!orb in ben 8&ffen unb 93ioIen^ xD&f)unh bie ^örner 
in nddifier 9lad)barfd^aft biefer grauenl^aften 2;onfeelen 
(neben D) jweiunbjujanjig ^afte l^intereinanber il^r tiefeS E 
blafen^ ba^ eS bie @eelen burd^fc^auert. Unb bie Fagotte 
t)erme]^ren mit t^rem bunflen Kolorit biefe§ 93Ub ber 
fd^redEenbrol^enben ^ropl^ejeiung. 

SRad^bem biefer Slip t)on ben geängftigten ®emütern ge= 
nommen ift, brdngt aßeS in l^öd^fter ©iegeSfreubigfeit empor. 
Saft ingrimmige greube ftral^It auS bem SGBefen aller. Un» 
geartet ber Doraufgegangenen unfeligen Stl^nungen ftro^t 
ie^t ber ganje breite @d^Iu^ im ^errfd^erglanje unb im 
ftol}eften ©iegeSgeprdge, als menn bie 3)ämonenfd^aren DÖQig 
Derni^tet maren. ©iegreid^, maci^tuoQ unb l^elbenfäl^n fd^lie^t 
biefer SEBunberfa^ ah, 

^er jmeite ®a^, ba3 SlUegretto ober einbaute 
in A-moIl. — 3)er ®eniuS f^aut mit SBel^mut auf baS 
törid^te Streiften ber SBelt; er fielet, mie fie blinblingS in bie 
oerberblid^en Sle^e rennt. Qn biefem ©a^e trauert ber 
@eniuS über ben i^aQ ber 9Jlenfd^^eit. 

(Sin unbefriebigenber 2lfforb (ber tonifd^e Duartfejt« 
afforb) bereitet feltfam genug auf ©eltfameS Dor. SllS foltte 
ein Seid^nam betrauert merben, in fold^ einem bfifter gleid^» 
förmigen SR^gtl^muS beginnt biefe munberfame ©legie. 3)ie 
35ioIen in il^rer tiefften Sage tragen bie leitenbe SKelobie^ 
bie faft gan} in ober ®intönigfeit auftritt: bie SBioloncelle 



- 185 - 

unb S&ffe, rtiQtl^mifd^ ber SRelobie folgenb, ertfinen in 
trauett)oQen ^artnonieen. 93erg&nglid^ tDte ein ^aud^ geigt 
fxd) ein leidster ^offnungSfci^immer in C-dur. Qnunter» 
Brod^en fet)t ft^ bie SBel^Üage fort; anS ber änf&ngtid^eh 
äBeife fpinnen 93ioIen unb iBioIoncelle ein neues Srauerlieb, 
vs)&i)xtnh bie jmeiten 93ioIen baS alte, eintönige Seib fort» 
flagen. @o folgen fpSterl^in bie erflen 93ioUnen, immer baS« 
feibe ftiQe 9Bel^ l^inauStdnenb. Unb bann in erf^fitternbfter 
2;ragif bie gefamte @d^ar bet 33Ia8inflrumente, m&^renb bie 
erften SBioIinen ben barauS gefponnenen 2!rauergefang fort« 
fül^ren. S)a§ ©ange l^at ein fugenartigeS ©eprfige. — 

Überf^menglid^ in ber @eelenpein erflingt inSbefonbere 
ba§ augenblicflid^e ^inflberf eignen nad^ C-dur infolge ber 
Ilinjutretenbcn SJorl^altSnote Dis. — 95iermal nadieinanber 
erflingt baSfelbe bange gmeiteilige ^lagelieb, breimal baS 
9lebenn)e]^. i^mmer fd^ro&d^er mirb }ule^t baS itlagegetöne. 
SSergeblid^ erfdieint je^t in A-dur ein unauäfpred^Iid^eg aSer» 
langen nad^ ^rieben. 5!BeId^ eine munberfame SÄalerel 
biefeS ©eelenjuftanbeS umfängt l^ier unf ere ®emüter ! SOSieber 
ift'g ein OrgeIpun!t auf A, ben bie 95fiffe fo unl^eimlid^ be« 
l^aupten; feinblid^ ftellen fic fld^ ber l^offnungSfeligen 3JleIobie 
entgegen, bie j[et(t Klarinette unb ^agott fo rfll^renb fd^5n 
ertönen laffen, ba§ ber balfamift^e |^aud^ be8 ©eelenfriebeng 
in ben ®eift ftrömen möd^te, — mftl^renb bie melobifd^* 
l^armonifd^e S^riolenbemegung ber erften 93ioIinen baS namen« 
lofe Sogen ber Ud^tbebfirftigen Seele oerfünbet. 3Äit eiferner 
^alSflarrig!eit, mie bie böfe ©eifterfd^ar, miberfe^en fid^ bie 
S&ffe ber inbrünftig begel^rten (Sriöfung. — Äaum ^aben 
ft^ aße in E-dur l^armonif^ Dereinigt, ba trogen bie SBdffe 
mieber unoenüdft auf il^rem Stanbpunfte E unb balb bar« 
auf ftören fte baS SlettungSmerf ftarrftnnig auf C. ®a§ 
unenblid^e SSerlangen nad^ einem rettenben SluSmege mirb 
nid^t erl^ört. aWit m&d^tigen ©d^ritten gel^t alleS oon oben 
]^cr mieber ber nad^tumflorten S^icfe ju. 



— 136 — 

3>ie 9&ffe laffen, \mmpf abgeriffen, baS alte Alagelteb 
Dernel^men, lo&l^renb eine ^Idte, eine Oboe unb ein ^agott 
bod smeite @<i^mer}enSlieb bajn anftimmen. (SnbloS giel^t 
fxä) ber Xr&nenfang l^in. @euf}enb fterben faft aQe %on^ 
wefen ab. 

Sa erörtern in einem fugenartigen @&^(j^en bie Streid^« 
inftruntente nod^ einmal bie iDel^eooQe Saft beS Sd^id^falS. 
fteine Hoffnung erblfil^t l^ier biefen Hagenben (Seelen: unb 
non ber ^öd^ften S^mersenSmut befallen, gel^t ber l^erj* 
erfd^ätternbe @d^rei ber Siroftloftgleit burd^ bie gefamten 
Xonmaffen. 93ergeben8, ba§ no^ einmal mie in meiter 
^immelgferne Streiflichter beS rettenben ^eil§ auffladern. 
2)a8 bdfe ©efd^id, t)on ber SRenfd^il^eit in il^rer SSerblenbung 
l^eraufbefd^moren, mu^ fid^ erfüllen. 3)ie lid^tflaren @p]^&ren» 
tdne Dertlingen, baS büftere SBel^ bel^auptet fx6) mit allen 
(Schattierungen. 

Unaufgelöft ftirbt biefer tiefe Sd^mer} in bem biffonie» 
renben Keinen, traben £luartfej:tatforbe l^in« ®leid^fam in 
einen unermeglid^en Sbgrunb ftarrt bie @eele beS Sd^au* 
enben. 

dritter @a|>: ^refto in F-dur. — ^e^t entrottt f4 
und baS reinfte i^reubenbilb. 

Söldner feiigen i^reuben, fold^ ungetrübter Sßonne !3nnten 
bie Snenf^en teill^aftig merben, toznn fte eS Derftdnben, bie 
il^nen oerliel^ene (SeifteSfraft in ftral^lenber Sleinl^eit au ge« 
braud^en; menn fte fid^ beeiferten, bie jügellofen Seibenf ^aften 
in il^rem Sufen gu bemeiftern, bie beS SebenS golbenen Senj 
befubeln. 

^ier maltet ber üt^erifd^e 3)uft unb 9tei} beS göttlid^en 
l^reubefunlenS, ber gang nur bie feufd^e ®eele gu erfüQen 
vermag. 3)a l^errfd^t eitel {^immelSluft unb äßonne, fein 
bitterer (Stad^el bleibt }urüd(; !eine @d^red(en8geftalt ber 
aSilb^eit, gfeffeUoftgfeit unb 3emffen^eit mirft feine trüben 
@d[|atten auf biefen feelenl^eiteren ^reubenl^^mnuä. 3)er 



— 137 — 

S^onbid^ter !ann {td| nid^t genug an biefer $od^feter ber 
©ecle erlaben. 

Unb bann erft bie feiigen folgen für bie SKenf^l^eit, 
n)enn fte fx6) ben erlaubten SebenSgenfiffen ergibt! @S ift, 
als n)enn fxi) ber ^imntel auftut unb ben erquidCenbften 
grieben in bie ©emfiter giegt, bie mit ber fittlid^ reinen SebenS« 
tätigfeit bie unfd|ulbgt)oQften S)afeingfreuben t^erfnäpfen. 
@an3 ibeal, burd^wel^t tdoxi göttlid^er SSerfl&rtl^eit ertönt ber 
gauberfd^öne ®efang in D-dur, befonberS Don Klarinetten, 
Fagotten, Römern unb 93iolinen angeftimmt: n)ie ein 3)an!« 
gebet aus liebeDoQem ©ernät. ^ebeutfam l^&lt im jmeiten 
Seile biefeS ,^Assai meno presto" ein ^orn unaufl^örlid^ 
baS feierlid()e @runbmotix) beS erften ZeileS feft, bis ftd^ 
unter ber 93eteiligung aUer Sonmefen ber @a^ 3um glor» 
reid^ften ^efttriumpl^ mit Xrompetenfd^aQ unb ^aulenmirbel 
geftaltet. 

®ef&ttigt Don biefer l^od^erl^abenen Seelenfeier rul^t ie^t 
ber ^id^tergeift menige 9lugenblid(e auf reinen Slfforbfldngen, 
m&l^renb allein ba§ ^orn nod^ leifer unb immer leifer baS 
erfte feierlid^e SRotiu burd^blinfen lägt, ^ann nad^ einer 
rafd^en gel^eimniSDoUen mobulatorifd^en SEBenbung lägt er 
aufg neue in F-dur bie l^eiterfte greube einl^ertanjen. 

©d^mer nur fann fld^ ber Sonmeifter t)on fo monnigen 
SebenSbilbern loSreigen. 9lod^ einmal ertönt alSbann jener 
l^eilige 3)anf]^9mnu8 nad^ fo feelenooQen ^reubenfeften unb 
bann mieberum ber emig junge ©lanj ber fonnenflaren 
SebenSluft. (Snblid^ nod^ ein lurjer monnetrunfener ^Ixd 
auf jenen ^od^gefang, mie er auS ibealfter ©pl^äre ertönt: 
unb in DoDfter $aft ftiebt aQeS auSeinanber. 

SBierter @a^, ginale: Allegro con brio in 
A-dur. — S33enn bie aJlenfd^en energifd^ wollten, fie fönnten 
3U ma^rl^aft befeligenben Sebenggenäffen gelangen, auf bie 
ber @eift ol^ne (Srröten jurüdtfd^auen fann. — Slllein fie 
geben ber gel^eim roarnenben JBernunftftimme fein ®el|ör, fie 



— 138 — 

ergoßen ftd^ an ber äluSgelaffenl^eit unb ^lu^tDürbigfett ber 
^egierben unb Seibenfd^aften. 

3)icfcr ©a^ fü^rt un§ bic ÜWenfd^l^cit in i^rer t)oncn 
Entartung t)or. @in bacd^analifd^eS ^eftgelage ift ber @d^QU^ 
pla§ btefcr 3)td^tung. — ^nti^ihat f^wclgerifd), auSgelaffcn, 
Ifirntcnb brauft bie übermütige Suft bal^er. SBilber Xani, 
tolle ätufjüge roürjen baS üppige ©elagc. @o feffcUoS 
rafenb ijl ber ^vAzl, ba§ ftd^ bereits ber Sdimerj ber über» 
triebenen Suft ber ausgearteten SÄenge einprägt, ©^merj* 
l^aft auSgelajfen erfd^allt nunmel^r ber ©puf in Fis-moll unb 
in Cis-moll. — ^ter üerfd^roinbet balb alle ©itte, alle 
©d^eu; baS ^eilige xoxth Derl^öl^nt, ber augenblidlid^e @e=^ 
nu^taumel pftanjt allein feine fd^rerflid^e SÄadit auf. 9BaS 
fümntert unS 2^ugenb, vooS fd^ert unS ®lürff eligf eit ? ®en 
©egierben allein la^t unS frönen! fo ruft'S ber eine in 
trunfner Serblenbung bem anbern ju: unb n)aS ber eine no<^ 
an ©ntl^altfanifeit beft^t, üernid^tet l^öl^nenb unb grinfenb 
bie ©efellenfd^aft. ®aS ©ef^rei wirb balb fo n)üft unb be= 
t&ubenb, alles tobt in fo unftnniger ©d^roelgerei unb Üppig» 
feit bur^einanber, ba§ feine üernünftige ©timme burrf(bringen 
fönnte, wenn fle aud^ roollte. 

©0 gel^t eS in unaufl^örlid^er SluSgelaffenl^eit fort. 
SBol^l t)erfudE)t eS nod^ l^ie unb ba eine ©timme, fobalb baS 
Sdrmen nad^lä^t, einen SBarnungSruf ertönen ju laffen. 
93alb ftu^en bie Sßiolinen, balb bie 93ratfd)en, balb bie SSffe. 
SKber milbeS ^ol^ngeldd^ter tfl bie 3lntmort barauf. — 3>»^mer 
feffellofer Id^t bie fredie ©d^ar bie 3Ö9^I fd^ie^en. Äaum 
ba§ ein einziger al^nt, mie nal^e baS fdjmere SJerl^ängniS über 
il^ren ^üuptern fdimebt. 

9Jlan mirb bei biefem tollen ^^bellärm unb rud^lofen 
SebenSfpiel unmißfürlid^ an bie entartete ^^^^i^^f^^^ ^^ 
Römers Dbgffee erinnert, ^ier mie bort ertönt feine ge« 
funbe Suft mel^r. SltleS erfd^aHt l^ier in milber SBerjerrtl^eit 
ber ©efü^le. 



— 139 — 

„6o fprac^ iener, ba lie^ ein unauSlöfd^Iid^eS Sad^en 
^aUa^ int Areife ber S^eier entftel^n unb oetioirrte bie @inne, 
IXttb nun ladeten fte auf mit mtlboerjerrten ©efid^tern 
Unb oerfd^Iangen baä ^Uifd^ no(^ blutbefubelt, bie Hugen 
{^üQten mit krönen ftd^ an, bie @eele gebadete beS klagend. 
Unb Dor i^nen begann SJ^eoH^menog, ä^nlid^ ben @)öttern: 

^d^, i§t Firmen, mag bro^t für Seib eud^? ®uere ^u|>ier 
0inb umgeben t)on 9{ad^t, bie @eftd^ter unb unten bie Itniee, 
äammetgeminfel ertönt, betränt finb euere fangen. 
Ünb bie äB&nbe befpri^t mit ^(ut unb bie prächtigen 92ifd^en. 
^d^attenbilber ummimmeln bie luv, burd^mimmeln ben Sßorl^of, 
^le ind ^unlet l^inab gum @reboS eilen^ bie 6onne 
^d^manb Dom ^immel §inmeg unb herauf jte^t grauftge ^üftre. 
@^ad^'d, fie aUegefamt oerlad^ten inbeffen i§n J^er^Iid^."*) 

^n fo toQem S^d)QtlaQ^ lebt aud^ biefe SRenfd^enfd^ar 
l^ier, fo ba^ ferne eble Slegung mel^r in ber @eete feimen 
!ann, ;G>^ber prop^etifd^ iDarnenben @timme antn)ortet er» 
neute SluSgelaffenl^eit. SlUel SDtag unb 3^^^ überfd^reitet 
biefe fred^e, lafterl^afte SÄenfd^l^eit. %o\ü)txt, ßögellofigfeit 
unb fein @nbe! @elbft ber @d^mer} beS unmäßigen ®e« 
nuffeS voixh burd^ n)ilbere äluSgelaffen^eit gen)altfam aber» 
t&ubt. ^ie Unfeligen, fte al^nen nod^ immer nid^t, mit 
fd^neUgeflugelt ba§ SSerberben nal^t! Wiz8 rennt unb jed^t 
burd^einanber. 

ofoßeOTOv 'fÜMi u>p9e, Tzapiizki-fity ^k vÖT}fxa. 
ol 8* ^j8t] TvadpLoiöi YeXoluiv dXXotpioiaiv, 
alfjiocpfSpuxTa II hi^ xpia ^ot^iov* oaat o' apa ocp^cuv 
oaxpuö^tv TrlfxirXavTO, ydov 5' (wieto dufxfS;. 
Totoi hi xoX yjExitvKt BeoxXuiACvo; deoctSVjc* 

^A SstXoi, ti xaxov xöSe TroiCT^ETe; vuxtI fUv (ifA^iuv 
e^uaTai xe^aXai xe i7pÖ9«j7:d xe v^p^e x£ 70uva, 
ofp.cu'jf^ §^ hih^z, SsSdxpuvxai $k Tiapeiat, 
aTpiaxi 5' £ppd$axai xol^^oi xaXai x£ (jL£9Öd(i.ai. 
et$u)Xtt>v oi 7:X£ov irpöOupov, TtXeir] ^1 xal a{)Xi^, 
(Epivwv 'Ep£ß<$o5c 1)7:0 C<^cpov y^Ovioc $^ 
oupavoO ifanöXuiXe, xocxi^ $'^iri5^dpofAev d^Xu;. 
'ÖC §cpa^', ot odpa trdvxec iir* oixip f^§v) Y^Xaooav. 

Homer: Ödyssea Hb. XX, v. 345—358. 



— 140 — 

S)a erfd^aUt urpIö^Ud) ein loal^rl^aft tnarlerfd^ätternber 
Xrompetenf^rei auf G (g**), jtDei DoQe 2:a!te im fff auSge« 
Italien, Der felbft ben lauteften Speftalel ber freoeC^aften 
®d^ar übertönt, bie Raufen bonnern unb n^ettern il^ren 
3)ominantton Abaju (2;rompeten-G ift ©eptinte baju): — bie 
äSergeltung rädt l^eran! 

®ie ^aben aQe (Stimmen ber SSernunft l^ol^nlad^enb Der» 
fc^m&l^t, ie^t äberf&Qt fte ber 9tad^e oernid^tenber (Stral^I. 
3u fp&t gelangen fte jur (SrfenntniS il^reS fänbl^aften Sebeni^. 

— 3Bie nun aQed mirr, träbfelig unb blei^, in fd^merj« 
ooQfter Aufregung ^erumirrt unb flüd^tet, um einen rettenben 
$fab gu entbedten! 3)urd^ aQe, felbft bie entlegenften Zon- 
geiftlbe mtrb nun ba8 SRotit) ber ätuSgelaffenl^eit gel^e^t; 
nirgenbS ift fd^fi^enbe 9lul^e. SQe 9lu8mege finb Derrammt. 

— 2)a8 ^ör^terlid^e beS g&l^nenben ^öQenfpaltS d^arafteri:» 
fieren befonberS bie SB&ffe mit il^rem emig unerbittlid^en E 
unb Dis, mobei ber jmeite 2on in einer am greQften biffo* 
nierenben ^egiel^ung }U ben übrigen Sönen ftel^t. 2)aS ge^t 
in biefem grauftgen fttang unjäl^Iige 9RaI fort. 93on namen« 
lofem ^ntfe^en ift bie unfelige @d^ar ergriffen: 

//Seto tx^oh Xt^enfta bie menf^enoertilgenbe Segid 
^0^ von ber Tkdt, ba fa|t' ®ntfe|en bie ^erjen ber Steier 
Unb fie burd^ftoben ben ^ol nie Siinber, ge^drenb |ttr $erbe, 
SBeld^e bie rüstige Ovemfe beftürmt unb »ütenb uml^erfd^uc^t, 
SBenit erfd^ienen ber Sen) unb länger ft4 be^nen bie Sloge."*) 

9BiQ nid^tS an biefer 9Renfd^]^eit frud^ten, fo foQ fie ber 
furc^tbarfte 3)onner!eU zermalmen, auf ba| fte einem befferen 
(Sefd^lec^te meid^en. 



*) h-q TOT* 'A^vaiij cp&tot(i^poTOv aljiV dv^o/ev 

ot 6'ef ^povTO xiTd {ji^apov ßöcc &i djeXaiii 

dop^ ^Y tiapiviQ, ^Tc TV^fxat« (jiaxpd itlXovrat. 

Homer: Odyssea IIb. XXII t. 297—301. 



- 141 — 

3loi) Dcrnid^tcnbcr bröl^nt j|e^t ber \ä)xtdlx6)t Sluffd^rci 
ber S^rompeten; ©gflopcnblt^e fallen bonnernb auf bie t)er» 
rud^ten Häupter. S^riumpl^ierenb sielet ber ^^ox ber 9l&d^er 
mit aQ ben erbeuteten Sropl^äen einiger, nad^bem bie gen)al« 
tigften S)onnerfd^I&ge aQeS ber verbienten SSernid^tung unb 
3ermalntung preisgegeben l^aben. 

3)ie Derberbte ${BeU fielet gerid^tet ba! 



2Bie mu^ bie ©eele 93eetl^ot)en8 wäl^renb biefer fgm* 
pl^onifd^en ©d^öpfung geblutet l^aben! 

9lad| bem (Irfd^einen biefer ©gmpl^onie foD ber Äom= 
ponift Äarl SÄaria t)on SBeber ben Äontponiften Subwig 
von 95eet]^ot)en reif fürs 2;oß]^auS erfl&rt l^aben. 

Seffing aber I&§t in feiner 2;rag8bie @niüia ®aIotti bie 
©rftfin Drfina alfo fpredien: SBer über geroiffe S)inge ben 
SBerftanb nid^t t)erliert, ber ^at feinen ju verlieren. — 

S)od^ tiefe, wal^r empfunbene SReue befreit bie Seele 
n)ie mit ^immelSaügemalt Don aller @d|ulb. Unb fo voU» 
}og fidti'S aud| l^ierin in fp&terer 3^^* wit bem im ®runbe 
ebelmütigen ^onbid^ter Jtarl SJtaria t)on SBeber. 



aus @bgar SBittigS ©eet^ooen-Südjern. 

9Benn man biSmeilen nod^ ganj embryonale ftomponiften 
über ^eet]^ot)en fo fpred^en l^ört, als m&re er bereits t)öllig 
übermunben unb abgetan, menn bei mand) einem baS Urteil 
über biefen Unfterblid^en in bem SluSfprud^e gipfelt: „c'est un 
Saint, qu'on ne chöme plus" — baS ift eine l^albmegS über* 
munbene ®rö§e — , menn man ferner nid^t wenige finbet, bie 
gemiffe Seetl^ooenfd^e ©teilen furjerl^anb fo ober fo oerbeffert 
l^fttten: bann geminnen fold^e 3>«bit)ibuen unSfreilid^ mand^eS 
Sdd^eln beS SWitleibS unb ber SBerfic^tlic^feit ab. @in fon^ 
berbareS ftünftlergef d^led^t ! ©leid^en fte barin nidt)t bem 
^eripatetifer ^l^ormion, ber nid^t übel fiuft l^atte, ben 



— 142 — 

l^etoifd^en ^annibal in ber ^riegStunft }u beleihten? @in 
^l^ormion einen l^annibal bele]^ren! Unb bie ntobernen 
^unftler einen 99eet]^ot)en ! ^an xo^x% nun ho^, ba^ ber 
alte ^l^ormion ft^ ein unfterbli^ I&d^erlid^eS $]^ormionen» 
^efd^Ie^t erzeugt fiat. 

ftein 2:onbi^ter lebte unb n)ebte fo gang in feiner ftunft, 
max fo erfüQt Don il^rer äBefenl^eit n)ie ^eetl^ouen. 9Bar 
ber Sräeifter bod^ jur 3^^t als fein @eniu8 bie groge äReffe 
fd^uf, fo !unftt)ertieft, fo uberirbifd^^ ba^ er tDo})l länger als 
merunb)n)an}ig @tunben l^inburd^ fein l^ol^eS ^riefteramt 
Denoalten !onnte, ol^ne baS 93eburfniS nad^ ©peife unb Xranf 
)u föl^len. 3a! rodl^renb fein ®eift unter ben Selben ber 
neunten @gmp]^onie !reifte^ fal^ man il^n oft bei graufigftem 
Ungen)itter ol^ne ^ut l^eimfel^ren. äBann l^at baS je feines« 
gleid^en gel^abt? ^n jener Q^xt fd^ien ^eetl^ooen vom l^öd^ften 
©eifte n)a]^rl^aft befeffen gu fein. S)ie fleinen äßefen, SDtenf^en 
genannt, hielten il^n für einen Starren: freilidi — ein gött« 
lid^er Slarr! — Überl^aupt ma^te il^n, wie fd^on fein 
©dualer |$erbinanb9tieS benter!t, feine ä3egeifterung gegen 
äußere @inbrüd(e burd^auS unempfinblid^. 

3lud^ in fold^en S)ingen erinnert ber SReifter an ntand^ 
einen l^ettcnifd^en SBeifen, j. 93. an @of rateS, oon beut erj&l^lt 
wirb, ba§ er ben gangen Sag an einer ©teile feft ftel^en 
bleiben fonnte, wenn il^n ein großer ®ebanfe erfaßt l^atte; 
ober an ÄarneabeS, ber oft fo in ®eban!en oerfunfen voax, 
ba§ er eS oerga§, bie ^anb nad^ bem neben il|m fte^enben 
SRal^le auSguftredten. 

Slud^ Dr. SBarorud), ein 2lrgt, ben öeetl^ooen in ber 
legten 3^it feines SrbenroaUenS l^atte, berid^tet: „Seetl^ooen 
fc^rieb oft mit feltener HuSbauer am Slbl^ange eines SBalb« 
pgelS an feinen SDSerfen unb lief bann nad^ beenbigter 2lr* 
beit, oom 9lad^benfen nod^ glöl^enb unb oft jeber SBitterung 



- 143 - 

trolienb, nid^t feiten felbft im raul^en (Sd^neegeftöber ftunben« 
latiQ in ben unmirtbarften ©egenben untrer." 

9Q3eld^ ttner!larli(l^e^ beifpiellofe, faum faßbare ^egeifte« 
rung! S)ie8 ift fürroal^r bie ©rfd^einung be8 JReingeiftigen, 
beS UrgeifteS, ber gar nid^tS @toffIid^eS me^r beräctftd^tigen 
fann. 

3)ie Äunft in il^rcr l^öd^ften %oxm ift SReligion. 3[n 
ber Äraft, ber l^öd^ften ÜWenfd^Iid^feit bie religiöfe Äunft« 
n)eil^e ju v^xUif)^n, fielet Seetl^ooen obenan ba, n)eil er, jum 
2:eil aud^ infolge feines @efd^id(eS, getrieben ift, ftetS im 
9(Qer]^eiIigften ber ^unft gu meilen. Unb n)er fi^ Döllig in 
bie ^eiligfeit ber Seetl^ooenf^en ftunft oerfenft, ber muß 
ein fittlid^ reiner unb freier 3Äenfd^ werben. $ier mu^ 
man'S erfüllen, wie Runft unb SReligion bemfelben l^imm« 
Uferen Urqueß entfpringen. 



2>en Seffingfd^en 9(u3fprud^: ,,ftein SRenfd^ mu^ 
mäffen", bin id^ oft miOenS, bis in feine &u§erften S^Ig^^ 
rungen l^inein ju vertreten, menn man nur baS 9(bfoIute babei 
aus bem Spiele l&gt. 3)aS ift einer ber äluSfprüd^e, bie aQein 
einem mit unbeugsamer Sl^arafterft&rCe begabten (Seifte ent« 
{tammt fein fönnen. 3)ie arme Sefftngfd^e SRitmelt! 9BaS 
foQte fie mit einer 3^ee beginnen, bie mie ein leud^tenbeS 
Sonnenbilb d^arafterernfte @emäter befd^einen mu§! äRit 
feinen reinen, meit DorauSfd^auenben :9!beeen ftanb ber gro^e 
fiefftng ganj t)ereinfamt ba. ^lagt er bod) felbft: 

,,9d^, ba id^ irrte, f)aü* i^ viel (Sefptelen, 
^a i^ bie 9Bal^r§eit i9ei(, bin id^ atteiit.'' 

©0 lebte ber ^errlid^e tjerfannt, üerfd^rieen, oerfe^ert. 
9)tan fann ftd^'S lebl^aft ben!en, ba§ £efftng gerabe um ber 
reinften, tiefflnnigften Sbeen miHen tjon ben meiften feiner 
3eitgenojfen für mal^nfinnig erflärt morben fein mag, ebenfo 



— 144 — 

ipie 93eet]^ot)en in SBirfU^feit, nad^bent er bte gro^artigften 
fgmpl^onifd^en Äolojfe in bie SBelt gefdiicubert l^attc, felbft 
oott bcbcutenben Äünfticrn reif fürS S^renl^auS crHärt 
njurbe. — 

35er um lange 3^tten ju fcixf) erfiä^ienene ©eiftegl^elb 
Seffing xon^U wol^I, ba| feine ®ebanlen von feinen Q^iU 
genoffen nid^t begriffen werben fonnten: il^re aUntSl^Iid^e SBer« 
bauung war ber Siad^roelt aufbel^alten, — bie ein ^f)t^ 
l^unbert nad^ SefftngS Sobe noi) fo gebred^eni^aft baftel^t^ 
ba| feine 3Jlanen tjergeblid^ bie l^eigerfel^nte Sftul^e finben 
!önnen. 

SDenn eg gel^t bie alte ©eifterfage, ba§ bie SBeltibee^ 
für bie ein ebler SWenfd^ gelebt, geftrebt, geftritten, für bie 
er fein ganjeS ® afein l^inburd^ geiftig geblutet, — ba§ fie 
bem l^errlid^en S^orfämpfer aud| bie ©rabeSrul^e raube. 3)enn 
bie 3>bee folgt il^ni nimmer, fle erfüllt bie nad^meltlid^e Suft 
unb fud^t fte fort unb fort gu reinigen. Unb big bie Suft 
oon ber großen Qit^ nid^t fo burd^brungen ift, ba^ ein neuer 
^aud^ baS @eifte3leben erfäQt, ned(en unb peinigen unauf* 
l^drlid^ biefe mit ^ergblut getr&n!ten ;3[beengeftalten ben armen 
£oten. @ie umfd^mirren fein ®rab, mie nedKfd^e Jtobolbe> 
unb raunen il^m inS Ol^r: bu armer (Srbenfol^n! 2)eine ;3bee 
flattert l^in unb l^er — unerfüllt. SBie lange mirb ber 
Sefftngfd^e (Seift nod^ fd^mad^ten muffen, bi§ il^m bie ned(ifd^en 
(Stimmen baS fd^dne SrlöfungSmort jufläftern merben: bu 
ebler äJlann, ^erforderter ^umanigmuS, bie äßelt atmet freier 
— fanft rul^e je^t beine 3lfdt)e! 

@o ftel^t eä um ben ®eift Sefftngg, fo um ben SBeet^ooenö, 
{eineg größeren ®eiftegbruberg. ^ä) mei^ nid^t, ob au^er 
Seetl^ooen nod^ ein ©eiftegl^elb bie Seigre: ,,fein äRenfd^ mu^ 
muffen" fo bel^erjigt unb erfüllt l^at, mie Seffmg. (58 ift ein 
eiserner @runbfa^ ; nur eiserne Sil^araftere fönnen il^n lebenbig 
mad^en. 



— 145 — 

SSiete gefaEen {Id^ in ber SBorfteEung, ba| jleber l^o^e 
dkift feine fd^dpferifd^e OriginaKraft ben Säften jur 3lufbe« 
niol^rung übergebe. 93on ba fliege fie nad^ ^onen in eine 
DenDanbte (Seele, bie (Srbin hti l^ol^en (SeifteS. — 2)er cq« 
üifd^e 3)id^ter Stttop^^loS foU bie epifd^e ftraft 9on ferner 
felbft geerbt l^aben. — SHefer unb jener, ber eine gewiffe 
Hinneigung 3U einem großen ®eifte oerfpärt, ift gleid^ ge* 
neigt, ftd^ olS feinen (Srben angufel^en. 3)ie meiften 9en)erber 
g&]^It unbeftritten bie ^etl^ODenfd^e Sd^öpferfraft. ä^oufenb 
unb aber toufenb ftred(en gierig bie H&nbe auS, bie? golbene 
@rbe in Sntpfang ju nel^men. 



@in Wlann, bem in ber SJeetl^ooenliteratur eine ]^en)or» 
ragenbe @teQe gebäl^rt, ift ©riepenferl. ÜRertoürbig ge« 
nng n)irb er von ben nteiften Siogropl^en SBeetl^onenS ntit 
@tiQfd^n)eigen übergangen; — bie rül^mlid^fte äluSnai^me freilid^ 
mad^t Sßil^elm von fienj. Unb bod^ liegen in ©riepenlerl» 
9lot)eIle „%aS Mufiffeft ober bie SBeetl^onener'' wo^ bie 
diteften ©puren für eine rid^tige SBürbigung ber l^eroifd^en 
unb ber neunten S^mpl^onie. ^olgenbe 93enterlung über 
bie D-molU®9mp!^onie gef&Qt mir auSnel^menb gut (a.a. O. 
p. 180): 

^^IS bu biefen Jtolo^ auS beinern 9liefengeifte in bie 
äBelt l^inaugmarfft, o bu über aQeä geliebter, erflaunlid^er 
SReifter, mer lie^ bi^ bamalS in bem faufenben ^^ittid^ ber 
3eit ben }Ud(enben 9lert) al^nen, ber fp&ter gu nod^ nie ge» 
fel^enem $Iug l^inaugri^, fo bag bu biefe l^eilige Äranfl^eit 
]^ineinbi(^teteft in bem 9Ber! unb bamit ben Jlnäuel n)arfft, 
monad^ le^t aUeg rennt im Sabgrintl^ ber ÄunftI 

9BaS ift ber 9liefenbau beiner ad^t S^mpl^onieen, biefer 
präd^tig gleid^ ben äJlufen aufgerid^teten @tanbf&ulen, maS 
ift er gegen bie neunte, biefe Urania il^rer ©^mefiern!" 



italifd^er, 2He Vta^t »eetl^ODenft. 10 



— 146 — 

QSine 2:age6ud^nott} 99eet^0DenS auS bem 3^l^i^^ 1816, 

— ©d^inbler, ber treue ©efftl^rte beS SWetflerS, teilt fle nttt 

— lautet alfo: ,,®ott, l^elfe, bu ftel^ft mxä) von ber ganzen 
9Renf^]^eit Derlaffen, benn Ünred^teS toxVi td^ nid^tS begel^en, 
erl^dre mein f^lel^en bod^ ffir bte ß^^unft nur, mit meinem 
Staxl jufammen ju fein, ba nirgenbg j[e^t ftd^ eine 9RSgIid^feit 
baju seigt — o ^rteS (Sefd^id, o graufameS- SSerl^dngniS, 
nein, nein, mein unglüdHicfeer 3wftanb enbet nie.'* 

9Benn ein SBeetl^ooen im B^^itl^ feines Slul^meS fid^ fo 
menfd^enT)erIaffen, fo DöQig ungtüdHid^ fäl^U, foOen fid^ ba 
nid^t fleine ©eifter meiner 2lrt tröften, menn eS il^nen äu§er« 
lid^ mie innerlid^ no6) trauriger ergel^t? — SBeld^ ein t)er« 
flärenber Qtxdf)l fäQt au§ ben Seiben eines l^ol^en SBelten« 
geifteS auf bie Dualen armer 9Äenfd^enfinber, bie bemül^t 
ftnb, in einem fo erl^abenen Sßefen gu leben! 



®ine ajlgtl^e, bie id^ bei ^ßlutard^ im Seben beS SRo« 
muluä lefe, bringt mir abermals lebhaft ben urmüd^ftgen 
^au ber Seetl^ooenfd^en ©^mp^onieen in bie Erinnerung. 

SRomuIuS fd^Ieuberte einft, feine Jtrdfte ju t)erfud)en, eine 
Sanje, beren @d^aft Don ^orneQenl^oIs mar, von bem Sloen« 
tinifd^en $ügel l^erab. ®ie ©pi^e brang fo tief in ben 93oben, 
ba§ nicmanb, fo mele aud^ ben SBerfud^ madE|ten, fie ]^erau§= 
jujiel^en oermod^te. 9lun fagte baS ^olg in ber frud^tbaren 
@rbe äBurgel, trieb ßi^^ig^ ^^^ mud^S ;u einem au^er» 
orbentlii^ großen ÄorneHenbaum (Äornelfirfd^e) auf. 3)iefen 
oerel^rten bie 9lad()foIger beS SlomuIuS als eineS ber e]^r= 
märbigften Heiligtümer unb bauten }U feinem ©d^u^e eine 
aRauer ringS um il^n. (@ie^e ?ßIutard)S SRomuIuS, Aap. 20). — 

©0 l^at öeet^ooen einen mäd^tigen, fgmpl^onifd^en ^rad^t* 
ftamm tief in baS äßeltenl^eri l^ineingefd^Ieubert. SSergeblid^ 
rüttelt i^r baran, il^n auS bem SBeltl^erjen ju reiben. 5)ie 
frud^tbare ffirbe aber finb bie gemütSooBen SSölfer ber SQSelt, 
in benen ber ©tamm feine pr&d^tigen, untjergleid^lid^ !oft= 



— 147 — 

baren l^rud^te l^etDorfproffen I&^t, en)ige f^rü^te beS ^eils 
fflr baS anenfd^engefd^Ied^t. Sarum la^t und fortan unb 
imnterbar biefe e]^rn)ürbigen f^mpl^onifd^en ^eiligtfimer 
S3eetl^ooen8 offenen Sinnes pflegen, bamtt barauS fittlu^e 
firaft unb ber 3:rieb ium (Sblen, SSoQf ommenen in bie Seelen 
einf el^re. 

99örne fd^reibt einmal in feinen ^agebü^ern: „^6) voiH 
S^mpl^onieen von ^eet^open ober ein 3)onnern)etter." 

Unb in ben $arifer Briefen: 

,,®o l^at bie oorige SBod^e ein junger SRenfci^, 9lamen3 
Serlioj, ben erften $reiS ber muftfalifd^en ftompofttion er« 
Italien. 3<^ Unm il^n, er fielet auS n)ie ein @enie. @ef^iel^t 
fo etoaS bei unS? 3)enfen ®ie an Seetl^ooen. O! x6) l^abe 
eine SBut!" 

SBie el^renb finb fold^e 3lugbrüd^e ebler ^oxmiUihtn^ 
f(^aft! - 

Qn beut Sßerfe oon 2B. t)on Senj: Beethoven et ses 
trois styles flnbet ber 93ere!^rer beg 9)teifter8 oiel beS S^reff» 
lid^en; barunter aud^ folgenbe erl^ebenbe 3ttitteilung (Seng II, 
p. 161)! 

y^Fidelio a eu son tour pendant Texposition de Londres 
{juillet 1851). Le public se leva pour ecouter debout 
l'^Ouverture (mi majeur), la reine d'Angleterre donnant 
fexemple. 

La 2^^ Ouvertüre (en ut) fut jou6e pendant Tentreacte; 
on couronna la huste de Beethoven, en jouant TOuverture 
d'Eg^mont dont le caractere triomphant allait au triomphe 
posthume du genie/' 

Aber^upt l^at fi^ bie englifd^e 9lation um Xonl^eroen, 
mit $&nbel, ^aqbn, SSeetl^oDen unb anbere, uuDerg&ng» 
lid^e 93erbienfte errungen, ^öd^ft el^ren^oQ bleibt bem älnbenlen 
aUer ^eell^jooenoerel^rer bie gro^mätige ^anblungSmeife ber 

10* 



— 148 — 

Sonboner pl^ill^armonifd^en (Kefellfd^aft gegen biefett 
Zonmeiflet. 9lur mit feiiger Stfil^rung lann man batan benfen. 
— Unb SRofd^eleS fd^rieb im ^a^xt 1823 md^renb feine« 
Seetl^ODenbefud^eS auf r"^) ,,3)er 9flame Sdeet^o^en ift ben (Sng» 
I&nbern bie ^eseid^nung beS l^dd^ften ig^bealS.*" 

Sliel^I fd^reibt in feinen fel^r roertooHen „muftfalifd^en 
e^arafterfflpfen" (II, p. 356): 

„(&S gel^ört Energie unb @:i^arafter baju, ein fd^roffer 
^ad^ianer gu n)erben. ®erabe folc^e Seute ftnben aber in 
bem SSerf^Ioffenen, jteiml^aften feiner SJlufe einen i^rer eige« 
nen 9latur mel uerwanbteren Steig alS in ber SBoIIblüte 
SKojartS unb a5eet]^ot)en8." 

9US ob nid^t bie l^dd^fte (Energie unb gerabegu ein ge> 
fi&l^Iter G^l^arafter erforberlid^ n)aren^ um 93eet]^ot)en auS bem 
Ziefften ju genießen. SBeetl^ODen f)at bie ^raft^ burd^ haS 
9)tebium feiner Sd^öpfungen einen ®l^aralter gu t)en)oQ» 
fommnen, il^m eine unerfd^ütterlid^e $elfenfeftig!eit gu Der^ 
teilten. 2)aS fann feiner auj^er il^m. 

(SS ift gegenm&rtig nid^tS 9leue8 mel^r, Seute Aber 
^et]^OT)enfd^e SBerle, bie fte nun fd^Ied^terbingS nid^t gu faffen 
Dermdgen, mit aQer 5{altblutigfeit tabelnb reben gu l^dren. 
^a, bie l^dd^ften 9)teifterfd^öpfungen beS gröjseften ®eniu§ 
merben Derunglimpft. 

SBie mürbe mol^I bei fold^em ©ebaren @d^umann8 Qoxn 
auflobern, ber fogar oiele tapfer geißelt, bie unmert erfd^einea 
muffen, einen 9eet]^ot)en gu loben. SDlan lefe baräber in 
@d^umannS ©d^riften Sanb I, p. 67: 

„Unten im Saternenbunfel fagte (Sufebiug mie oor ftd^ 
l^in: ©eetl^ooen — mag liegt in biefem SBort! fd^on ber 
tiefe fitang ber @ilben, mie in eine @mig{eit l^ineintdnenb. 
(SS ift, als {önne eg fein anbereS ©d^riftgeid^en für biefen 
9lamen geben. — 

*) Honoetfationllleft oom 9tor>mUt 1823 (6ign. D. €6, JBIati 28 a^ 



— 149 — 

(£ufe6tuS, fagte td^ xoixUxi) vx^xq, unterftel^ft bu bid^ 
an^, 8eetl^ot)en ju loben? 9Bie ein Sdn>e würbe er ftc^ 
nor euc^ aufgerid^tet l^aben unb gefragt l^aben: »er feib il^r 

benn, bie il^r baS wagt? ' — nitt§ benn aber ein gro^r 

Snann immer taufenb Bi^^^g^ tm (Befolge l^aben? Q^n, ber 
fo ftrebte, ber fo rang unter unjdl^Iigen Jlftmpfen, glauben 
fie SU oerflel^en, wenn fie I&d^eln unb Matfd^en?** — 

9Bie foU SDlenfd^engeftein geeignet fein, Seben ]^n>or« 
Surufen? 9Bie foQen geiftlofe 93irtuofen in ben tiefen 
@eifteSfd^ad^t ^eti^ooenS 3U fteigen oermdgen, nm biefe 
@d^ä|e unter baS geifteSbebflrftige fBolt gu ftreuen? 

9(riftippu3 gebrandet non unmiffenben aßenfd^en, meldte 
bie fteinernen 23^eaterfi§e brüdten, ben 3lu8brudf: „3)a fl^t 
ein @tein auf bem anbern." SBetrad^tet man ftd^ j^eute fo 
mand^en muftfd^en Stlo^, bann mdd^te man mol^l ausrufen: 
a)a ft^t ^olj auf ^olg! 

Snand^e 93ere^rer ^eetl^ooenS lieben biefen @eift barum 
mit ber innigften (Seelenfraft, meil fie il^n fo red^t auB bem 
^erjen gu oerftel^en glauben, älud^ l^ierbei entfd^eibet ber 
®laube oiel unb oerleil^t ©eligfeit. — Qm allgemeinen, unb 
befonberd unter ben g^^auen, ift eine Settina oon Xrnim 
l^ierfär baS aQerrul^mooQfte 93eifpiel. Straft il^reS (SlaubenS 
an Seetl^ooen l^at fte bie aUertiefftnnigften Offenbarungen 
Aber biefen ®eniuS burd^ baS berebte 9B3ort vortragen (Annen. 

iCBer einen befonberS tiefen Sd^merj befd^nrid^tigen min, 
fpiele baS tKnbante ber großen F-moli*®onate, ber foge» 
nannten Appassionata (op. 57). (Sin 2:roft mirb il^m barauS 
entgegentönen, mie fie il^m (eine Sfteligion ber SEBelt fd^dner 
gem&l^ren fann. 9)ie l^öl^ere $otens baoon quiOt auS bem 
Adagio sostenuto ber 9liefenfonate in B-dur (op. 106). 3)emt 
bie l^öd^fte Straft ber ed^ten 5tunft-9teltgion ift burd^ SBeetl^oiien 
offenbart. 



~ 150 — 

2)er 29. 9looember 1814 ift als einer ber benftourbtgften 
(SUansta^e im StünjUerleben Seetl^ooenS ju 9er)ei(i^nen. 3)er 
Xonl^errfd^er gerul^te, t)or ber oerfammeltenfürftlid^en 5tongre|« 
gefeQfd^aft eine gro§e ntufilalifd^e 9ltabentie ju Deranftolten. 
2)er Stdnig ber ®eifter fäl^rte ben irbifd^en ^errfd^ern einige 
unoerg&ngUd^e @d^0pfungen vox: bie A-dur>®9mp]^onie, bie 
5tantate ,,ber glorreid^e 9lugen6Ud", bie @d^Iad^tfgmp]^onie 
unb bie ©gmpl^onie in F-dur (SJlr. 8). 

9Bie ]()errlid| ber %aQ, an bem ft(^ aQe ge frönten 
^ftupter vor bem JRiefengeifte Seetl^ODenS beugen mußten! 
Seld^ ein munberbarer ®Ian) mvi% von biefem erl^abenen 
Raupte gefhal^U ^ben! @elbftm&(^tig fäl^rte ber SReifter 
feine ^eerfd^aren an. 

3)iefer 9lot)embertag l^at ebenfomenig feineSgleid^en 
in ber (Befd^id^te ber grofen ®eifter, mie ber 7. !SWai 1824^ 
mo fid^ bem SSSiener 93oIfe bie SCBelten ber 9. (Sgmp Ironie 
erfd^Ioffen. 

9lad^bem bie faft beifpiellofe $affionggefd^id^te einer 
groj^en ^elbenfeele in ungeal^nter Xonl^errlid^feit T)oräber« 
geraufd^t wax, mirfte mit eleftrifd^er Überm&ltigung plö^lid^ 
bie (Srfd^einung ber gramt)oQen, fd^mer^belabenen, l^eiligen 
@eftalt biefeg ®otteSmenfd^en. 

Unb ber irbifd^e Sol^n? (Sin üäglid^er ©eminn ermud^S 
bem unfterblid^en ^eetl^ooen barauS. 3)er gemaltige Sömen« 
mann brad^ nad| bem @rfennen beS fo traurigen @rgebniffe3 
in fxd) gttfammen. Ol^ne ©peife unb 3;ranf lag ber fd^mer 
geprüfte @eniuS lange teilnal^mloS ba, bis ber (54llaf ftd^ 
feiner erbarmte. 

(So gleid^ft bu bem l^ol^en äBefen bed bid^tenben 9Renfd^en« 
geifteS: bu fpenbeft ben SRenfd^enünbern unenblid^en ^od^« 
genug, mdl^renb bu felbft ben £eib abmarterft: — fo er« 
fd^einft bu ber SDtenfd^l^eit als magrer Slbglanj beS ^eilanbeS! 



- 151 - 

^6) lefe foIgenbeS im Seb^enSgange beS figfurg bei | 
$lutard^ (Aap« 31): ,,anan erjäl^It ani), als feine fterblid^en . 
Überrefte (Xst^ava) in8 SBaterlanb gebrad^t toorben, fei ein 
Slit^ftral^l auf feinen ®rabpgel gefallen. 3)ie3 fei nid^t 
Ui^t einer anbeten Serül^mtl^eit gefci^e^en, au^er in ber ■ 
fp&teren 3^^^ ^^^ (SnripibeS ju Slretl^ufa in äJtacebonien, 
n)o er fein Seben enbete unb begraben iDurbe: ein n)id^tiger . 
Umftanb jur 9led^tfertigung unb jum S^^gniS fär bie 93er» 
el^rer htS @uripibe3, ba il^m aQein na^ feinem Xobe miber* 1 
ful^r, mag Dorl^er bent l^eiligften 3)tanne unb bem grö^eften 
Sieblinge ber (Sötter roiberfal^ren mar." (t<|X beo^filzardzff 

xal 6oi(OTaT((>.) ^ 

@o ift benn ^eetl^ooen ber 2)ritte in biefem ru!^mrei(j^en 
@enienbunbe; ja il^m gefii^al^, alg er feine gro^e, göttlid^e 
@eele auSl^oud^te, boS nod^ 9Bunberbarere, baj^ pld^Iid^ ge» 
maltiger 3)onner unb ^li^ baS bebenbe f^irmament burd^» 
indte, gleid^fam al3 moQte aud^ bie ^el^re 9latur biefer un« 
gel^euren 9nenf<^en!raft bie märbige ^ulbigung barbringen. 

^a, ^eet^oDenS 2:obeSart barf fogor an bie 9latur» 
erfd^einungen gemahnen, bie nad| bem @t)angeliften bem $in« 
fd^eiben beS ^eilanbeg folgten: ,,Unb bie@rbe 
bie Reifen jerriffen, unb bie ®r&ber taten fi^ 
ftanben auf mele Seiber ber ^eiligen, bie ba fd^lief 
((2b. aWattl^. 27, 5L 52.)*) 



g barbringen. 
% bie Statur» V 
ften bem ^in» j 
)e erbebte, unb , A 
|t^ auf, unb \j 
ba fdbliefen." \ 



d»e<tt^07joav xil iroXXd ov&fAaTa töv xExoiuiT^fjivwv d|(iüv y^^ip^attv." 





Sld^teS llapttel. 




S)ad 2e5en i{t fo fd^al, toie'n olteS 9Rar4en, 
S)em 6(^Iäfr{gett ind butn^fe D|v geleiert; 
Unb ^d^mad^ verbarb bed (üfien SBortö (Sefd^mad, 
^a^ ed nur e^ma^ unb Sttterlelt oemä^rt. 
®9alefpeare: Itönig Sol^n. 

3)0^ no bie grd^'re Itranl^eit @i| gefaxt, 
gü^Ct man bie tninbre !aum. 

S^alefpeare: St^nt% 8eac.*) 

^rft ttad^ älnt^emiaS 9l6reife trat eS flar in (SbgarS %e« 
lou^tfein, bajl er auä bem gangen ^ol^en äBefen biefer 
l^Qenifd^en i^ungfrau bie fru^treid^fte SKnregung gefd^Spft 
l^atte. (Sine !aunt auSfäQbare fieere mad^te fid^ in feinem 
;3nnern f&fjiibat. 3biS ben ibealften 9Relobieen ^etl^ooenS 
taud^te n)unberfant genug Sntl^emiaS l^el^re @(eftalt n)ie bie 
lid^te 93erfl&rung l^eroor. 

^reilid^^ n)enn biefeS ®eniuä gonge ^errlid^feit in i^rer 
unn)iberfte]^lid^en SRad^tfälle an feinem ©eifte Dorübergog, 

*) Life is as tedioas as a twice-told tale, 

Yexing the doli ear of a drowsy man; 
And bitter shame hath spoil^d the sweet word's taste, 
That it yields nonght but shame and bittemess. 

Shakespeare: King John. 
But where the greater malady is fix'd, 
The lesser is scarce feit. 

Shakespeare: King Lear. 



— 153 — 

ha mu|te jeber anbete, no6} fo l^eQe ®lang er&leid^en. 
(Sifriger no^ als fonft ftät^te ftd| Sbgai: in bie läuternben 
f^mpl^onifd^ien SB&ber, bie auS bem unenblid^en 2;onftrome 
^eetl^openS il^ren UrqueQ l^erleiteten. S)iefe reine Sid^tflut 
go§ auö) i^m immer t)on neuem 2:roft unb ^eHigfeit in bie 
empfdnglid^e @eele. 

SSar i^m gegenm&rtig bie materieUe 9lot geUnbert^ ba 
fingen fd^neQ genug bie ibeeUen Seiben mieber an^ il^re t>er« 
l^eerenbe SBirfung in feinem ©emütSleben anjurid^ten. SBie 
lange l^atte er {mifd^en ben beiben ^^ungfrauen gefd^manlt, 
bie feinem geiftigen Seben entgegengetreten maren. 3)ie eine 
in plaftifd^er Stulpe, gel^oben Dom Prüfte beS fiebenS, aber 
nid^t l^inaufgetragen Dom l^o^en Slblerfluge ber Segeifterung : 
bie anbete, nid^t minber l^el^ren @rnftei^ t)oU, mit Slugen ge^ 
fegnet, bie t)on äberirbifd^em ©lanje ftral^lten, ba§ jlebem, 
ben ein fold^er ^immelSftral^I trifft, baS leibenfd^aftli^e ^^euer 
l^immelanftrebenber ^egeifterung fär bie ^rl^abene auä ben 
älugen f^ie^t. Sänge l^atten ftd^ biefe beiben ®efialten in 
feinem Innern ben 9lang ftreitig gemad^t, bis baS Äunft« 
mefen bie anbere Jungfrau ganj auS feinem ®eiftc Der« 
fd^eud^t l^atte. 

Unb biefe 93egeifterung üerjel^rte i^n je^t um fo mel^r, 
als er bie reinen f^ortfd^ritte mit bem unenblid^ l^ol^en ©rabe 
ber 9)tuftnu{l letneSmegS in @inflang gu bringen T)ermod^te. 
Qmmer aufS neue mu^te frifd^e SebenSfraft unb feuriger 
3Rut aus 93eet^ot)enS Slonf^dpfungen gefogen merben. 2)em 
fül^nften Sttuffd^mung ber ©eele folgte ftetS mieber ber jÄl^e 
©tura ins SÄeer ber ^offnungSlofigfeit. 

9BeiI bie 9RitteI jur ©giftenj nun abermals fo aujier* 
orbentlid^ mel !oftbare Qtxt unb 9[nftrengung verlangten, 
mürbe bem Körper baS Unmdglid^e jugemutet. 93om fräl^eften 
SRorgengrau bis in bie tieffte 9lad^t l^inein mußten ftdrper 
unb ®eift madi erl^alten merben. Unb (Sbgar in feiner mal^r^ 
^aft rafenben öegeifterung verfpürte feine Slbnal^me ber 



— 154 — 

Gräfte. 9lur bte ftetige X&tigleit tonnte i^n von bem qu^ 
reibenben ®ebanlen an feine fonberbaren Seiben abbringen. 

2)en SRitmenfd^en ntujste er fid^ ntel^r unb mel^r ent» 
frembet fül^Icn. 3HIe8 größte bem Slpoftaten ber aßiffenfd^aft. 
9Ran gab fx6) ade erbenflid^e Wlü})^, x^m bie unenbli^en 
@d^n)ierigfeiten red^t greQ auSjuntalen, mit meldten felbft 
fold^e ^nftler ju I&mpfen l^ätten, benen eS oon ber Sünb^ 
iftit an gegeben ift, il^r 2:alent auSjnbilben. äl'lan fud^te 
il^m bie Unmdglid^feit barjutun, baj^ ein 9Renfd^, ber in fo 
jp&ten Qöl^'^en erft muftfalifd^ ju lallen anf&ngt, nod^ ein 
tJoHgüItiger 2;onbid^ter werben fönne. — ?Wid^tS frud^tete. 
(Sbgar f anb aQeS redE|t teilnel^menb, pra!tif d^ nnb oerft&nbig : 
allein bie ^i^eenoernunft oerfd^Io^ fid^ nnerfd^ötterlid^ allen 
praftifd^en 3w^wtungen. 

3Bie ein 3Renfd| ftd^ um einer ^bee miUen bie ganje 
praÜifd^e SebenSfteHung au8 bem Äopfe fd^Iagen fonnte, baS 
oermod^te leiner 3U begreifen. ®ein Streben mürbe faft oon 
jebermann oerurteiU. SBar eS ba ju t)ermunbern, ba| @bgar, 
um fold^en anl^altenben^ unerquidHid^en Sieben auS bem Sege 
3U gelten, ftd^ immer mel^r t)on aQer SBelt iurädCjog, ober im 
anberen ^aQe fein 9Befen nod^ mel^r mit ernfter SSerfd^loffen« 
^eit umpanjerte? 

2)ie el^emaligen gefeQfd^aftlid^en SUterSgenoffen fingen 
bereits an^ aQerlei oerlel^rte 3)eutungen über fein oerfd^Ioffen 
tr&nmerifd^eS 9Befen l^eroorjubringen. 3)er Strubel rein 
finnlic^er SebenSgenäffe ^atte il^rem ^erjen ieben ©lanj ber 
ibealen 9BeU entriffen. (Sbgar mu§te i^nen mit feinem 
elegifd^en ^beenleben^ bag taum etmaS anbereS neben fx6) 
bulbete, als ein $]^&nomen auS 3]ldrd^enmelten bafiel^en. 
(Sollte er fo ibeaUofen Staturen ober Dielmel^r Unnaturen — 
benn jebe mal^r^afte Slaturgeburt birgt eine ^bee in ftd^ — 
foEte er fold^en QEpl^emeriben beS 3)afeinS feine l^e^ren ^eilig» 
tämer preisgeben? 



— 155 — 

(BS tDar beS @rftauneng fein (Snbe, bag (Sbgar fx6) mit un« 
jetftörbarer SSßtQengfraft betn Denoirrenben %om ber f^reuben> 
luft entjog. @etne 3ui^ä<^9^3^9^n'^^^t l^aufte nun in il^ren 
fidpfen gleid^ einer ©p^inj: mit unlösbarem 9l&tfel. SllS 
man nun enblid^ bie fiöfung gefunben l^aben moQte, mn%U 
fidi biefe £dn)enjungfrau von il^ren ^opfbergen l^erabftürgen 
unb fern von xf)nm an Älippen jerfd^eHen. @bgar marb alfo 
als vzxloxtn aufgegeben. 

2)er merbenbe ftänftler empfanb einen immer l^eftigeren 
9BibermiIlen gegen eine fo g&njttd^ materieSe äBelt^ ber eg 
t)5Qig unfaßbar erfdieint, mie jemanb allein feiner für mal^r 
er!annten @eelenerldfung leben fdnne, ol^ne fx6) irgenbmie um 
ben materiellen 9ht^n ju fümmern. 

(Sbgar fal^ ftd^ gesmungen, mie ein @inftebler ju leben. 
S)a§ ^raftifd^e foQte nad^ mie vox nur infomeit eine 9lolte 
in feinem Seben fpielen, alg eS il^m bie äJlittel jur reinen, 
f d^lid^ten Sjriften) Derfd^affen mu|te. 2)aS mar feiner innerften 
9latur gemd^. @ine ä^eufd^ennatur aber Idgt fld(| nid^t 
mobein unb formen mie falteS @eftein. — 

2)od| balb fing baS @d^id(fal an, mieber auf @bgar 
l^erumjul^&mmern. ^er fd^mad^e Stimmer äugerlid^en @Iäd(eS 
erlofd^ jufel^enbS. ^aS alte ©efpenft ber unenblid^en SebenS« 
not umfd^mebte mieber fein ^aupt. @bgar l^atte eS f onberbarer» 
meife meift mit unjarten, rüdtftd^tSlofen Seuten ju tun, 

3Ran l^atte leidstes @piel mit il^m. ^enn er mar ju 
ftol}, aud^ nur ben leifeften @inmanb gegen eine fd^einbar 
notmenbig geworbene ^nberung su erl^eben. — 3)en l^öd^ften 
Unban! erntete er immer t)on fel^r reid^en Seuten, t)on fold^en 
gemeinl^in, beren duj^erer 9iei(^tum ju bem beS ^erjenS im 
fd^reienbften aJtij^oer^&ltniffe ftanb. SQS&l^renb fte iu allen 
Seiten feine faft übertriebene @en)iffen!^aftig!eit im Unter« 
rid^ten priefen, gelang eS il^nen tro^bem gemiffenloS leidet, 
o^ne jjeben 2)anf unb ol^ne j[ebe (Sntfd^ulbigung ben Unter» 
ri^t (dS eingefteQt gu betrachten. 3)ie SBabefaifon tat aUeg 



— 156 — 

für fte. 3un)eilen ging tl^re fd^ndbe 2:a!tlofigfeit fb xo^xt, 
ba^ @bgarS vollauf gerechtfertigte Stnfragen of)m jjebe 99e» 
anttoortung blieben. 

3umeift firgerte eS fte, bag @bgar trot^ feiner Slrmut 
ftetS fo Dornel^m felbflben)U$t, gleid^fam atö ^errfd^er t)on 
@otte§ ©naben auftrat, ber äbergeugt n^ar, mel^r ju geben, 
benn ju empfangen. 

3n)ctr l^atte @bgar fid^ längft ium Seigrer ber nmfilaK« 
fd^en 3:i^eorie emporgearbeitet; aber il^m fel^tte ber 9Umbn§ 
ber Slutorit&t. 2)aS alte 3)oppeneiben trat mieber in feiner 
jerftSrenben Straft auf. 

3lu6) je^t mar eS allein bie ftd^ immer gauberooller ent» 
faltenbe ^a6)t ^eetl^openS, bie feinen Jtdrper haS Unge« 
l^euerfte^ menn aud^ immer fd^merer, ertragen lie|. 

SQSol^l ein l^albeS ^a^r mieber mu§te ba§ malere 9rot 
beS @lenbS gegeffen merben. Ser Jtdrper marb immer 
fd^mftd^er. Qfn biefer Stxt gerabe forberte fein ©l^arafter bie 
^dd^ften Opfer. 9lud^ nunmel^r l^ielt il^n ber Stolj aufredet, 
menngleid^ il^m baS Seben eine entfe^lid^e Saft mar. iBefud^e 
3U mad^en, bie aug bem reinen abriebe nai^ augenblidlid^em 
9ht^en unternommen erfd^einen, maren feiner (Seele oflQig 
gumiber. Unb fo0te er g&njlid^ )U grunbe gelten, er l^&tte eS 
nid^t Dermod^t. @$ mar boc^ ^menigftenS baS reine 93rot 
i^orl^anben. 

Jtonnte er fid^ nun aud^ feine Stellung erringen, meil er 
eS fd^led^terbingS nid^t oerftanb, ju l^eud^eln unb ju mebeln, 
fo l^atte er bod^ bie trübe (Genugtuung, ba^ aUerl^anb bleiche, 
grie^gr&mige ®eifter bei il^m eine um fo feftere (SteQung be» 
l^aupteten. — Zro^bem ober oieQeid^t gerabe beSmegen fonnte 
@bgar von feiner ^öl^e l^erab mit l^erjlic^fter ®eringfd(|&^ung 
auf bie armen SRenfd^en^upter fd^auen, ol^ne 9leib ober gar 
^a§ ju t)erfpftren. — 

<Sinige SSriefe unb Siagebud^fragmente mdgen baS SBilb 
aus biefer ^zxt erg&nsen: 



— 157 — 

3)en . . . 

^6) übertreibe nid^t. ^\t c8 ho6) mand^mal 

t)orgefommen, ba| iäf l^ungrig ju 93ette gelten mu^te. 3)er 
treuefte ®ef&^rte meines SebenS, ber @d^laf, oerl&jst mid^ 
aud^ in fol(i^en 9löten nid^t. ^er fd^on lange leimenbe 
SEBunfd^^ biefer gered^teften aQer ®öttergeftalten ein ftiUeiS 
Opfer beS 3)anleg bargubringen, l^at enbUd^ feine poetifd^e 
Erfüllung gefunben, bie id^ 2)ir l^ier mitteile: 

9Ber %ab, o &6jlial Mr fo erl^abeneiS äBalten, 
^bu freitnblid^ mint^er 6o§n ber fd^ioaraen ^lad^t? 
S^ie tl^tonft bu ftol) in reid^er iSettiedprad^t 
Unb gIStieffc iDunberfam bed jlummerd tJfalten. 

;^u l&ffeft 9htl^ nad^ fd^ivecem Selbe f galten; 
Du Siabegtoinger l^ttltft gewaltig SSad^ 
9(uf 5tönig, SBettler, ftetö mit gleid^er äRad^t, 
StonnV 3eud mo^I beiner 5h:aft bie SBage galten? 

Unb nenn auS beiner bunüen, ftiUen ®rotte 

^bu l^eitre Sräume fenbeft, fd^neUbeflügelt, 

^ie (inbemb Salfam tr&ufeln fd^weren SBunben — 

Sergi^t ber SRenfc^ ber )DuaIen graufe äHotte, 
^ed a^enfc^en^affed 98üten ift gejügeU — 
Unb en)*gen ^anf wirb bir bad Sieb belunben. 



3)en . . . 

aae« f (^lagt fe^I. @8 ift ein fo fJuc^mürbigeS 

^afein, bag bie !ü]^nfte ^l^antafte aJlä^e ^at, fid^ ba^inein 
ju Derfe^en. SBarum flnb benn aud^ iene l^errlid^en QtxUn 
@ried^enlanb3 ^erf^munben, wo ein @terblid^er freimiQig für 
ben anberen in ben Xoh gelten fonnte! SBie oft taud^t in 
meiner @eele ber eitle SSSunfd^ auf, für einen guten Sieben« 
menfd^en ju fterben, n^enn mein %ob V)m baS Seben erl^alten 
fönnte. 2)ann f önnte id^ bod^ ben Sroft inS ®rab nel^men^ 
mit einer guten 2:at auS bem Z^Un ju fd^eiben. 2)er 2iob 
l^at !eine @d^red(en für mid^, ben eigentlid^ nid^tg als 



— 158 - 

ber ®eban!e an bie greifen @Itern anS i^eben fettet. — 
^ier gebe id^ 9)ir einen fernigen äluSfprud^ beg ^aupt« 
cpniferd Diogenes x>on ©inope: „SBenn id| bieSRegenten beS 
SebenS, bie ^rjte unb ^^ilofopl^en betrad^te, fo bünft mx6) 
ber 9Renf(i^ baS n)eifefte t)on aEenSßefen; n)enn id^ aber bie 
Zraumbeuter, bie ^riefter mit il^rem 3[nl^ang, ober bie nad^ 
^eic^tum unb SRul^m i^fagenben fel^e, fo erfd^eint mir nichts 
2)ummereS olS berSRenfäi." — 93ergi| nidE^t, ba| 3)iogene§ 
an bie meifen Siegenten feinet 93aterIanbeS badete, oon ben 
l^eutigen märbe er im allgemeinen mol^l nid^t fo fpred^en. — 

S)en . . . 

®u begreifft eg faum, mag in mir vorging, alg 

id) ang ben SBud^ern ber3)at)ibgbänbler bie @efd^id^te oom 
„alten Hauptmann'' lag (@d^umann II, p. 116 ff.). SEBie fann 
eg ein treffenbereg 9(bbilb meineg @trebeng geben, alg id^ eg 
in jenem ^auptmanne finbe? 

(Sin äJlann mit unerfättlidfer Siebe unb £uft }ur fSRufxt, 
befeelt oom l^Sc^ften Opfermut — ber Jhinftlergefellfd^aft 
felbft fpielt er niemalg t)or unb ruft il^nen bod^ burd^ SBort 
unb (Srfd^einung fo red^t bie äBurbe ber ^nft oor bie @eele. 
3)ie f^reunbe fönnen ftd^ nid^tg @d^dnereg benfen, alg il^n 
äRuflf anl^ören ju fe^en. 3m SSerlaufe ber Sr^dl^lung l^ei^t 
eg alfo: „Unb natürlid^ genug, ba§ il^m alle fidlere Sied^nif 
fel^lte. ®enn mie fein tiefpoetifd^eg äluge alle ©rünbe unb 
^d^en ber Seet^ooenfd^en Snufif gu errei(^en oermod^te, fo 
l^atte er feine mufifalifd^en @tubien nid^t etma mit einem 
Se^rer unb mit S^onleitern begonnen, fonbern gleid^ mit bem 
@pol^rfd^en ^onjert, bie ©efanggfsene gel^ei^en, unb ber 
großen B-dur*©onate oon öeetl^ooen (op. 106). SKan oer« 
ftd^erte, ba§ er an biefen beiben @töden fd^on gegen jel^n 
Salute lang ftubiert. Oft fam er aud^ freubig unb melbete, 
mie eg nun balb ginge, mie il^m bie (Sonate gel^ord^en lernte, 
unb mie mir fie balb ju l^ören befommen foUten; — mand^» 
mal aber aud^ niebergefd^lagen, ba§ er, oft fc^on auf bem 



— 159 — 

®ipfel, toieber l^erunterftörge, unb ba^ er bod^ nx6)t ablaffen 
fönne^ t)on neuem gu üerfud^en." — 

^d^ begreife am beften, mie tief unglädHid^ fid^ biefer 
eble Hauptmann f&l^Ien mu^te. — SBBie oft fprid^t'S in mir, 
btt lannft bein Sx^^ ^^t erreici^en, ftel^e ab, törid^ter @rben* 
fol^n! Unb id^ !ann nid^t aufhören, baS Unftberminblid^e 
immer mieber ju verfud^en, aQe 93eet]^ot)enfd^en Sonaten in 
meinen ®eift wie in meine giwfl^J^ P gmängen, obgleid^ — 

Slber mir fagf 8 ber ®eift, id^ merbe, mie f o oiele 

anbete @onaten, enblid^ aud^ ^eetl^ooenS Sliefenfonate DöEig 
aus bem fiopfe f))ielen. 

3)en ... 

— ®aj3 id^ l^ier fo tjereinfamt mit meinen Qbeen 

baftel^e, mirb mir aUerbingS jumeilen fd^auerlid^. ^ä) fel^ne 
mid^ gang unf&glid^ nad^ einer gleid^geftnnten Sruft, nac^ 
einer !r&ftigen, burd^auS mal^rl^eitSoollen SRanneSfeele. älud^ 
bieS ®IM fd^eint mir nid^t befd^ieben gu fein, ^^räl^er l^atte 
id^ ^reunbe im Überfluß. Unb e§ ift gemi^ fd^mer, fo gang 
ol^ne Sreunb burd^S Seben ju manbern. 9(ber e8 mn^ fein, 
i^ fel^e immer mel^r ein, ba^ man gegen fein innerfteS ^ä) 
nid^t felbftjerftörenb auftreten fann. — ^i) mu§ meine SBe* 
l^auptung aufredet l^alten, bajs l^ier menig ©inn fär e^te 
Öbealität oorl^anben ift, nid^tS cdi ber bare äßaterialigmuS, 
ber ben S^l^araf ter oerf umpft unb mit $&ulni8 übergießt. 

3)ie t)oIIe Siebe Slntl^emtaS !önnte mid^ mol^I au§ meiner 
buftern SSergmeiffung retten. fH&üd) ^zx^tS äJerlangen Der» 
fpüre id^ gumeilen, an il^rem ^ergen ben l^ei^en @d^merg 
meines SebenS auSgumeinen. Unb mie l^offnungSloS ift biefe 
ftürmifd^e ©el^nfud^t! — aWit i^r, bie fo tief in SBeetl^ooen 
lebt, mü6)tz xi) bann biefen ©eift in ©emeinfd^aft pflegen. 
Sßir mähten unS gegenfeitig erg&ngen, id^ trage nun einmal 
biefe 3uoerfid^t in mir. SSBenn fte bodf) l^ier märe! SBer 
mei|, ob id^ nid|t meinem @toIg ein Opfer br&dC)te. Übrigeng 
meif id^, bag il^r (Smma ^ilbebranbt fleißig fd^reibt unb 



— 160 — 

ani) aber tntd^. @ie erl^&U j[ebe neue Aotnpofition von 
mir. — 3^ '<^nn aber n>o]^I Dor Unrul^e unb ©el^nfitd^t Der« 
gelten, bis bie ^errlid^e loieber in unferen SRauern n>eilen 
»irb. Sßenn x6) x^t l^ier gans meine (Kebanfen vertrauen 
unb baffir ben Üarften QSinblidC in il^r gel^eimfteS iBebenS» 
malten geminnen fdnnte, mai^rlid^, ber ^iebe mftrbe mein 
9emllii nmarmen unb f&ffen. — 

®ett ... 

— — 9Reine Xraummelt mirb ie^t x>bUxQ oon ber 
9Raieft&t SBeetl^ODenS unb oom Atl^erifd^en (Slanje älntl^emiaS 
bel^errfd^t. 3)ie Slugen biefeS SBeibeS fd^ouen bann fo eigen« 
artig in bie Sßelt, mal^r^aft äberirbifd^. ®tetS fül^ren fte 
mir ben SugenauSbrud ber belpl^ifd^en Sibylle, beS utm&ö)^ 
tigen äHid^el Slngelo wx bie ®eele. 9Benn x^ bod^ aQe 
bie fd^önen Zraumfeligfeiten bel^alten fSnnte! 9Rand^mal 
fel^e id^ 93eet]^ooen mie ben roQenben 2>onner jur $erfon 
gemeißelt am ftlamer [teilen. $od^tdnenb erüingt feine 
Stimme. — 

2)en . . . 

Seit einiger Qtxt bin i^ aud^ tdrperlid^ leibenb. 

2)er ftdrper miC anfangen, fid^ gegen biefe unliebfame 9e« 
l^anblung au^ulel^nen. ^mmer nur SBrot unb ^rot unb 
^ot! ^^ merbe am @nbe felbft nod^ }U SBrot. — 3)er 
Snagen fd^merjt unb bod^ mn^ e§ beim lieben 9rot bleiben. — 

@o meit l^abe id^ eS nun gebrad^t, bajs id^ fiberl^aupt 
niemanb mel^r eine Sitte von SBebeutung Dortragen tonn. 

2)en . . . 

Snel^rere Xage mar id^ gtoglid^ frani, dou ^eber» 

anf&Qen ^eimgefud^t ftein teilnel^menber f^reunb jur ©eite^ 
feine «uäl^ftlfe al8 »rot. — 

äBarum lebe id^ in biefer fo arg materiellen Qtxt unb 
oerftel^e nid^t im geringften, nad^ einer (Sjriften) p rennen, 
in einer Qtxt, mo ba§ Sort „Sjriften}" aQeS übrige ju Der« 
fd^Iingen brol^t? — Ob mol^l nod^ ein 3n>eiter in meinem 



— 161 — 

@tanbe fo anl^oltenb 9lot gelitten ober leibet? 0^ ivotVHt 
baran. . . &S ift balb nid^t ntel^r ju ertragen. 

^a! wenn id^ ht>6) einmal aQ ben bittern ®ram unb 
^mnter, aEe fd^were Unbill be§ @d^id(falg in gen)altigen 
2:onntafFen t)on ntir fd^leubern fönnte! SBBel^e bann ben 
elenben SD^enfd^enl^&uptern! @ie foQten beben, wenn fie bie 
fd^werbüftern 2:rilte be§ UnglödCd Dern&l^men, wie 3)onner< 
ftimmen, — 

®en ... 

@§ wiQ nun einmal mit ber Slunft bei mir nid^t vou 
märtg. 2)a3U baS quafooKfte 3)afein. 3e|)t ift eS fo öbe, 
auSgeftorben in meinem @emäte, bajs mir felbft ber ®ebanfe 
an 93eet]^ot)en unb feine fd^meren fieiben feine Sinberung 
t)erfd^afft. £eiblid^e Dual ol^ne @nbe unb nid^t ein ^ünfd^en 
geiftigen @rfa^! — 2;ob! Sob! 2;ob! fomm enblid^ l^erbei 
unb erldfe mid^ au3 meinem (Slenb ! id^ fel^e feinen rettenben 
$fab mel^r! — 

S)en . . . 

^a, wenn id^ fortmdl^renb in Seetl^ouenS Sonmeeren 
fd^melgen fdnnte, bann l^&tte id^ bie @eligfeit auf @rben. 
SBeld^ eine l^eilenbe 3!lla6)t liegt bod^ in ben S^m^l^onieen 
Seetl^onenS! SBarum fann man nid)t unauf^örlid^ in biefer 
©öttlid^feit leben? £ro^ beS unermejsli^en UnglädCS nel^me 
i^ ju an ftoljem SBemu^tfein. — 

S)en . . . 

— dg wirb 3;ag in meinem näd^tigen S)afein» 

®nblid^ fange id^ an, al8 SÄuflflel^rer feften gug ju fajfen. 
3d^ fül^le mi^ in meinem Elemente. SefonberS bin id^ ber 
Familie ^ilbebranbt ju großem 3)anfe t)erpflidE)tet, weil man 
ba, ol^ne irgenbmie von mir aufgeforbert ju fein, ftetS be« 
fliffen ift, mein ^efteg mal^rjunel^men. 3)enn id^ bitte nie» 
manb mel^r um etmag ; 3)u ftel^ft alf o, wie molf enl^od^ mein 
SRanneSftolj angemad^fen ift. 2>iefe perfönlid^e äBürbe ift 
l^auptf&d^lid^ meine Sebengerl^alterin, weil mein innerfter 



— 162 — 

(Sloube an baS ®ute in ber Seit unD^tmüfÜxif) ift. Ülber 
ber n)a]^r]^aft @nU, boS ift ber 9(IUiebenbe, woxUt nid^t 
ah, bis er nm etn)aS gebeten n)irb: benn haS liebeooEe 
@emftt empftnbet im tieffien i^fnnern bie 93efd^&mung beS 
SRenfd^en mit, ber nm ^ülfe in ber 9lot flel^en mu^. SBiel« 
mel^r l^at il^m ber ©eift ber Siebe bie Sugen gedffnet: unb 
äberaQ fielet er boä @tenb itnb Unglfid flar nnb offen!unbig 
auf ben @affen. SBer fo lebt unb liebt, fann ed lebmeben 
2^00/ i^ iebmebe @tunbe offenbar mad^en, ba^ er 3ur ©emein* 
fd^aft ber maleren ^eiligen gel^drt. — (SS mirb mir mol^l 
au6) einmal eine 3^^t bläl^en, in ber id^ bemeifen fann, bajs 
bie älugenb ber 3)anfbarleit mir nid^t verfagt ift. — 3)ie 
3lot l^atte freilid^ il^ren ^öl^epunft erreid^t. 

^6) l^abe geprt, ba^ Slntl^emia in ättl^en ein großes 
ftonjert oeranftaltet l^at. Unermejslid^er ^nbtl folgte il^ren 
93ortr&gen. 2)ie l^errlid^e Aünftlerin l^atte eS befonberd barauf 
abgefel^en, il^rem 93olfe bie 3!fla6)t ber beutfd^en SRuftI in 
bie ^er^en ju zaubern. Unb eS gelang ber 3^^^^^ aber 
bie 9)ta^en. @ie trug ZonxotxU von 9ad^, ^anbel, ^a^bn, 
ä^ogart, Seet]^ooen,@d^ubert, SBeber, aJtenbelSfol^n, 
(Sl^opin, ©d^umann unb Äiel oor. — 

9lo^ eine anbere angenel^me Sla^rid^t fann id^ 3>ir 
l^eute auftifd^en. ^6) fenne jlet^t enblid^ einige junge SRanner, 
bie id^ als ©eftnnungSgenoffen }u fd^d^en l^abe. 9Bir f ommen 
mand^mal in einer beftimmten SeSd^e, alias: SBirtSl^auS, }U« 
fammen, mo mir beim @d^oppen unfere ;3been auStaufd^en. 
S>em 93erufe nad^ ftnb eS @d^riftfteQer unb SJhtftfer. 9lud^ 
Seutnant von @id(ingen finbet {i^ ein. @inige von il^nen 
merben gemi^ meine ^reunbe merben. S)ie Hoffnung, enblid^ 
einmal 9)tenfd^en, baS l^eigt äRenfd^en im ooQen, fd^önen 
@inne beS SBorteS ju entbed(en, erfuQt mid^ mit l^ol^er 
greube. — 

3^ t)ermag 3)ir'S faum ju fd^ilbern, mit meld^ Der« 
längter ftraft i^ ie^t meine muftfalifd^en ©tubien betreibe. 



— 168 — 

3^ bel^erBerge fd^on red^t mel von ^tztffovtni SRuft! in 
meinem ftopfe. — 

fie6en8n)ei§]^eit. 
Obeale Menfd^ennaturen l^aBen etmag 2)rafontfd^e8 an 
ftd^. SBie jener blutige SKtl^ener felbft ffir baS geringfte SBer- 
gel^en ben %oh oIS ©trafmittel l^infteQte, fo oerbammen ed^te 
SbealSnaturen jeben 3Ritmenfd^en, an bem fle eine Heine 
€]^arafterfd^n)ä(^e n)a]^rne]^men, leidet inm moralifd^en 2;obe; 
{te n)eifen il^n in il^rer ftttlidjen @nträftung mo^I gar aug 
bem 2:empel ber SRenfd^l^eit l^inauä. @in fold^er ^öl^epunft 
be§ :3beaIigmnS r&d^t fid^ aud^ jumeift an bem Innern ber 
Urteitgooöftredfer felbft: i^r innere« franft faft beft&nbig ob 
ber SSSeltfd^m&d^e« — ÜBiQ man nun bag fd^öpferifd^e 
@enie als eine kranfl^eit begeid^nen, fo ift baS @enie, in« 
fonberl^eit baS etl^if d^e @enie, bie einzige munberfame Stranf« 
l^eit^ bie ben 9)tenfd^en n)a]^r^afte Teilung bringt 

95ei ben feierlid^en ©aftm&l^Iern ber SRömer erfd^ien eine 
fiaroe, um jum fiebenggenuffe aufjuforbern. ©erabe biefeS 
3eid^en fdEieint aud^ in ber ©egenmart gu liegen. @in un« 
ftd^tbarer @m|)or!ömmlingggeift, nad() 9lrt beS bekannten 
2:rimaId^io in ben fatirifd^en SBäd^ern beS $etroniug, 
flüftert fd)n)ebenb bie SBorte: 

„^t^ und elenber Qrut, ein 9li(§tö finb bie SRetifd^engeripf^e, 

^Ue erfd^einen toir fo, nac^bem und ber Drfud oevfd^Iungen, 

2ait tinS Ie6en fürtDa^r, »eil baS Beben no($ hli^^t" 

(Heu, heu, nos miseros, quam totus homuncio nil est! 
Sic erimus cnncti, postquam nos auferet Orcus; 
Ergo vivamuB, dum licet esse bene.) 

Unb baS San)engefpenft n)inft fo mit eiflgem ®ru^e fort. 



S)ie 9fteid^en gleid)en oft bem eitlen $fau ber :3[uno, 

ber bie Sla^tigaQ um ben fd^dnen ©efang beneibet. 9lud^ 

fte motten fingen unb fpielen, jeid^nen, malen unb meißeln, 

11* 



— 164 — 

bieten unb fomponieren — unb looEen gefallen: aOein bie 
Seele fann fein 9leid^tum fci^affen. Sßenn e8 nid^t Qtf)t, 
n)erben fte — n)te ber ^fau über bie unanfel^nlid^e 9lad^tigaS 
— unwittig Ober ben bfltftigen $oeten^ ber mit feinem metatt» 
reinen Sone bie ^erjen ber 9)tenfd^en erqnidt. SBoKt i^r 
aOeS ^aben^ meine lieben 9leid^en? SEBenn eS ^t^ui mit 
9ie^t Der!änbet : ,,9Ba]^rlid^, id^ f age eud^, ein 9leid^er mirb 
f^roerlid^ inS ^immelreid^ !ommen" (ajiriv U^to 6ji.iv 5tt 

icXo6oioc 8uoxoXtt>c etoeXeüoetat zlq ty)V ßaatXetav tcov oupavcuv. 

(Sü. anatt)^. 19, 23), fo gilt baS in nod^ l^fll^erem ®rabe 
vom ^immelreid^e ber 5tunft. 

^n Snciang ®dttergefpr&d^en fpri(i^t 3^^^ nad^ ber 
^l^aetl^on^fiataftropl^e alfo sum @onnengotte l^elioS: „f&a» 
l^aft btt angeri(i^tet, bu l^eiQofefter aller 2;itanen? Sltteg auf 
ber (Srbe ift jufc^anben gegangen, meil bu einem bummen 
jungen beinen 9Bagen anvertraut l^aft, mit bem er ber (Srbe 
ju nal^e fam unb fie jumteil Derbrannte." (XXV, 1.)*) 

SBeld^ ein öilb ffir mand^ einen unumfd^rSnften ^errfd^er* 
fol^n! S)ie S^i^^ ^^^ ^errfd^aft merben in feine ^anb ge» 
geben: in feiner ol^nmäd^tigen S^orl^eit mirb er gar ju balb 
t)on ber ^errfd^erfonne geblenbet — unb bie verjel^renbcn 
©tral^len bringen fd^nell in bie fersen beS bejammernämerten 
fBolUS. 

^l^aetl^on freilid^ mirb vom SBli^ftral^l beS S^n^ g^* 
troffen. Slber pl^aetl^ontif^ Derblenbete S^egenten bleiben 
meift ungeftraft, menn fte aud^ ba§ 93olf fo oft mit $ä^en 
treten unb beffen loftbarfteS ^erjblut t)ernidE|ten. 



@d^on oft l^aben %mt, milbe unb gej&l^mte, Dom 3n« 
ftin!te getrieben, ber @age nad^ gro^e ®eifter erlogen unb 

*) „Ola 7re7roCi}xac J) TiTdvutv xGtxtore; diroXwXtxac Td ^ rg 7^ dicavra, 
(ittpax((p dvoi^Tip irtOTe6o«c '?^ ^Pf^t» ^C ^d fxb xati^Xe^c Tcpdoyetoc ht^n^tli,** 
-^ Ai6c xal mCou 1. 



— 165 — 

fie ber SRenfd^i^eit erl^olten. SRomuIuS unb 9lemuS toerben 
Don einer äBdlftn gen&l^rt S^nS felbft in ftreta von einer 
Siege; Selepl^oS, ber äR^fterfdnig, non einer ^irfd^htl^, 
@entirantiS oon Zauben^ (S^rnS Don einer ^ünbin. SEBiber 
SBiUen atfo n^erben Xiere t)on ber gottbefeelten 9latnr ge« 
)n)ttngen, il^ren SieblingSgefd^dpfen, ben 9Renfd^en, 2)ienfie 
ju leiften. 

@o ntäffen a\x6) Zliemtenfd^en n^iber SBoQen unb 9Biffen 
grojsen @eiftern bienen. 

9lad^ ber ä(rt, n)ie fxä) bei ben SRenfd^en ®ei{l unb 
S^l^arafter ter^Iten, fann man füglid^ mer klaffen unter« 
f d^eiben : @rften8 gibt eg Staturen, bie mit einem l^ol^en @eifte 
h^n bebeutenbften G^l^arafter perbinben; jmeitenS SRenfd^en, 
beren @eifte§grö^e einen f leinen @^]^arafter im @efolge l^at; 
brittenS aSSefen, bie bei geringerer ©eifteSfraft ein ebleS, fefteg 
®cmfit beft^en; enblid^ ^nbioibuen, bie ebenfo Hein an ®eifl 
mic an Sl^arafter jtnb. 

S)a§ ®enie ifl ber ^amlet, melii^er bie Sßelt gured^« 
jufe^en berufen fd^eint. Sie Saft eineS fold^en SEBeltberufeS 
brol^t feinen @eift gu jerfprengen. (£r n>inbet ftd^ burd^ bie 
3eit l^in unb fangt ben fd^led^ten d^^tftoff ein, um il^n bann 
gel&utert ben fDtenfd^en mieberjugebdren. S)ie ÜberfftQe ber 
]^öd|ften ©ebanfenmeiSl^eit erfd^eint bem lursftd^tigen ältenf d^en« 
gefd^led^te olS SBal^nftnn. @g erfolgt aber bod^ einmal bie 
menfd^enerlöfenbe %at Unb menn er aud^ an feiner l^eüigen 
©enbung }ugrunbe gel^t — mit feinem Untergange befiegelt 
er bennod^ bie SRorgenröte ber neuen, reinen S^^^^ft- 

3eber neue 9BeItenf>rop]^et fd^eint feine 9)org&nger loer» 
bunfeln ju moQen. @d^on in ber 9Qten SEBelt mujste ber 
Zeftoribe Aald^aS, ber Selber beS Std^demoIIeS, fterben, als 
il^n 9RopfuS, ein ©prSfling beS älpoQon, burd^ feine meiS* 
fagerifd^e Araft äbermunben l^atte. 



— 166 — 

9kn nieten ffinfüerif^en (nrnftf^n) @e^em loiberf&^ct 
eilt Sfyüi^tS S^UtfoI. — ättor oon 3ett 31t Qtit tonnen in 
htx Stunft ^op^eten von f unenblii^er OeifteStiefe auf, bog 
il^e nnfterbli^ ^a^nbe Stroft iDol^l mntmer oecbimfelt loecben 
fann. S)ttrd^ Jlioneti »ixten fte in nngefd^w&^tem 01ange 
fort. &oU^ ^opl^eten ftnb oonie^nili<l^ @\)aU^ptatt nnb 
Seetl^ooen. 3>iefe gunteiß bemi^ren in ber jhtnfl nne im 
Seben boS ^o^e 9Bort beS SBelterlSferS: „OUeid^niie beS 
9Renfd^en Sol^n ift nid^t gef omnten, ba| er i^nt bientn laffe, 
fonbem bog er biene nnb gebe fein Seben su einer ^Ufung 

f&r Diele'' (fioirep 6 M^ xou dvftpc&icoo o5x ^Xdev Siaxovi]d7jvat 
dXka fiiaxov^oai xal Soüvai tijv ^o^ijv a&xoö Xotpov dvri koXXodv. 

So. anattl^. 20, 28; A^nlic^ (£0. SRarc. 10, 45). 



SEBenn bie üRenfd^en bid^ au^ nod^ fo fel^r il^re blinbe 
üngered^tigteit ffil^Ien laffen, xotnn {te boS reinfle — allein 
ber SBal^rl^eit ^ulbigenbe — Streben in il^rent £orenn)a][|ne 
Derl^öl^nen, oerlennen unb Derfe^ern, xotnn fte aud^ aQe bi^ 
in f^amlofer ®elbftfftd^tig!eit auSjubenten tratl^ten, n>enn fte 
Slenfd^enliebe ntit fd^worsent Unbanf nnb felbft mit SBer^ 
lenmbttng lol^nen — : la^ bie Sitteiieit nid^t in beinern @e< 
m&lt onff ommen, befdmpfe rafttoS in bir ade bdfen ®eifier 
beS Joffes ttnb ber 9lad^e. 2)aS Sernnftfein eines in l^dd^jter 
^flid^terffiOnng Uebenben SRenf^en erl^ebe bid^ l^ol^en SRnteS 
ftber alles ftleinlid^e unb umlend^te bein (Srbenleben mit 
ber <5onne l^immlifd^er ^iter!eit. — 9lid^t Raffen, nid^t ner« 
folgen. 

üRand^e bebentenbe 9latur finbet im leiblid^en 93ater 
nimmermel^r jngleid^ ben geiftigen @rgenger. $eQ iand^gt bie 
@eele bann anf, menn fie enbltd^ i^ren @ei{ieSoater nnter ben 
ÜReiftem im (Seifte gefunben l^at. — @o ^nbet man ftd^ am 
loo^ttgfien in ben (Srgeugntffen feineS geiftigen SBaterS. 



— 167 — 

(Sl^rgei^iger äRenf d^enftnn ! f&ume nid^t, btd^ unauf^drlid^ 
in ber ®ebulb }U üh^n, auf ba^ bie ©emalt beS (Sl^rgeijeS 
nid^t bie Derberblid^en S)dnionen auS bem gel^eitnniSooUen 
©d^ad^te beiner Seele l^erauf bef d^n^dre. S)ie l^ol^e fiuft an 
l^eiliger ^vmrmlSwa'^ti)txt, n)ie an ber eifenfeften SRann* 
l^afttgleit n>irb ber äluSartung beS @]^rgeijeS ben fräftigften 
3ögel anlegen. 

D 9)lenfd^, roaS ftd^t ber äugere SebenSglan) bid^ an! 
SBag DerlodCt bid^ bie @irenenftimme beS 9lu]^meS! £a^ bid^ 
nid^t vom ©lanje, nid^t vom Sftul^me beftridten, — Ia§ fie 
nimmer einen trüben %Uä auf beine 9Ba]^r]^eit alS jt&nftler 
unb fSfltn^ä) n)erfen. @trengfte Sßal^rl^eit fei beine unum» 
fd^ränfte ^errfdEierin. ^Bleiben trol^bem ©lan), äußerer ^nf)m 
unb äußere Sl^ren beinern Senje fern, bann begnftge bid^ 
feelenftols mit bem fd^öneren Slul^me eineg reinen SÄeufd^en, 
ber innere @]^re beft^t. 

Seiftungen, ©ebanfenarbeiten, bie ben (Stempel beS 
Ungemöl^nlid^en, ®igenartigen an jidE» tragen, liebt bie 
Ungal^l berer, fo auf gleid^em Oebiete mirfen, aber rul^mloä, 
fd^ablonenl^aft, — mit voxn^^mtm ©tittfd^meigen abjulel^nen. 
fjreilid^ fpri^t m6)tS berebter für bie l^ol^e Sebeutung fold^er 
©eifteStaten als eben biefeS 9fiid^tSfagen, Xobfd^meigen. 



aSie fd^ma^ ift bod^ ber aWenfd^engeift! Äann er mobl 
je ganj bem SD3atten feiner 3bee nadtifinnen, il^r allein in 
eifriger Siebe bie gel^eimen ^^rdnen tieffter ©eelenfreube unb 
tieffter ©eelenpein nad^meinen? Sodft il^n nid^t ber 3^«^^''^ 
fdinett l^inmelfenben ©rbengenuffeS fort auS feinem l^eiligen 
$aine? SBelaftet er nid^t ben in Sleinl^eit aufftrebenben ©inn 
mit bem fteten ^ang nad^ irbifd^er Suft unb ^errlid^feit? 
Sonnt er fxä) mol^l je allein in ber Sfttl^erl^öl^e feines felbft* 
erfd^affenen ^immelSlid^teS? SBaS für golbene ^ütteu' jaubert 



— 168 — 

bie fletS gefd^&fttge ^l^antafie feinem ®eifle load^! SBie bie 
eitle $rad^t bec fiutmeSioiU) Dernici^tenbe Sronb ber 9ht^» 
fttd^t fein ^arf l^eintfud^t, in l^fe @&rttng bringt, fo bag 
lange Qtiitn vergelten mäffen, tf)^ ber f^ebenual^n, bie un« 
f&gli(j^ nagenbe ©el^nfud^t nad^ ^errfd^aft int 9leid^e ber 
@eifter oor ber reinen ^reube an (Sebantenarbeit geroid^en 
ift! ©p&t genug, mand^mol xod^l gu fp&t, gen^al^rt ber @eift 
ben 9(bgrunb, in ben ein nid^tig @d^atten6ilb l^öl^nifd^ grin« 
fenb il^n ftflrgen n)oQte. (Belangt bie @eele n)ieber jur fKKen, 
friebnoOen ^infel^r, bann fd^ilt fte il^r eigenes tdrid^teS 9e« 
ginnen/ bag unt ^ol^le (Sd^eingebilbe bem SEBeben unb Sinnen 
im reinen i^fbeal, bem l^öd^ften, n)eltubern)inbenben @ein auf 
lange 3^^*^« entfrembet warb, — auf 3^it^i^/ bie ftd^ ol^ne 
i^rud^t für bag (Seelenl^eil im flä^tigen SebenSraufd^e gar ju 
fel^r gefallen l^aben. 

gür ben fd^affenben ©eift ift ftiHe Burfidtgegogenl^eit, 
©infamfeit — ber mirffamfte ^ebel i\xx 9Sert)oIlfommnung. 
2)ie Sauterfeit ber @eele ful^It ftd^ im SebenSmeere nur aK« 
juoft gereist, Derle^t. 3art empftnbenbe ©emüter oermunben 
fld^ oft unl^eilfam an fieben§Dorg&ngen, oon benen anbere 
^erjen burd^aug feinen ftörenben ©inbrudt empfangen, ^t 
einfamer, bem erl^abenen ©ebanfenfluge ergebener fld^ ein 
ÜJlenfc^ entfaltet, befto fc^öner l^aQt ber ®lod(enton ber ©enien« 
l^armonie in feinem @eifte mieber. 3)er ^aud^ feierlid^en 
griebenS umfangt fein bid^tenbeä ©emfit, ber dtl^erifd^e ®uft 
göttlid^er SiebeSaQmad^t erffiOt ben einfam 93egiadtten. 



arbeite emftg baran, ba& bein ©inn, m&l^renb bu fd^af» 
fenb bag ©eifteSaU in bir geftalteft, nid^t an ben ©rfotg oon 
au^en l^er gemannt mirb. 3)ag fann bem äluffd^munge 
ber freien ©eele nur l^inberlid^ fein. £ebe allein in ber 
funftlerifd^spoetifd^en Qbee, in ben Dbieften beiner S)ar» 

fteUung. 



— 169 — 

@o n)ie ben SRenfd^en eine felbftdnbige (Srfd^etnung 
fiegenäbertritt werben fte in il^rer inneren @d^n)dd^e ange« 
fagt. Slul^ige 9Bärbe erf^eint il^nen al8 9(nma^ung; fefte, 
!Iare UrteilSfraft al8 Stx6)zn ber Überl^ebung, n)eU fte felbft 
ja ftetS gemol^nt ftnb, ftd^ gegenüber bem Urteile ber 9[uto« 
ritäten als gebanfenlofe Papageien )u oerl^alten. 



3[n ber 3fugenbblüte ber geiftigen Xdtigfeit jtnb wir 
no^ in }U l^ol^ent 3Sla^t ber @ud^t, bem S^'^i^fi^ber Untertan, 
ba^ bie 3Belt wn unferen SQSerfen erfal^re, ba^ fte un3 be» 
n)unbere unb ro6f)l gar ben)unbernb ju unferen trägen liege. 
3e üarer ftd^ bag STtenfd^enbafein in unferen Jtöpfen ge» 
fialtet, je tiefer xoxx t)on ber n)a]^ren 9BelteiteI!eit burd^» 
brungen ftnb, befto mel^r unb immer mel^r mirb ftd^ aQ unfer 
Streben, S)enfen, ^ul^len, (Smpfinben allein ben emigen ^htzn 
ber 9Renfd^]^eit l^ingeben, bie gu il^rer fteten 93en)oUfomm« 
nung bienen muffen. — @inb bann bie äu^erlid^en aWi|« 
Derl^&ltniffe aud^ nod^ fo tief gu beflagen: baS 3Beben in ber 
ibealen 9Belt mirb fx6) in un3 immer großartiger, begläcten» 
ber unb befeligenber geftalten. 9lid^t aQein bie Sel^nfud^t 
na^ einer anberen, l^dl^eren SEBelt, fonbern aud^ bie gut^er« 
fi^tlid^e (Srmartung einer fold^en mirb fo in ftetem SBad^S» 
tum begriffen fein. 




3UmU& Stapttd. 




Unob^ngigfeit obclt bie 6eele imb er^ ben Oeift 

9eet|ooeit: SeoenSmasime.*) 

3^ ii>ar nie ju oeroleid^en ein 9Rann oon ben ®rbe5e»o^em. 

$omev: SK««.**) 
6el^tt mir ben (Brokern tragen unfern Gd^ers, 
itaunt rü^ bad eigne Seib no4 unfer ^erj. 

6^a!efpeare: Itdnig Seor.***) 

93ad nnflerblic^ int (Sefang foS leben, 
SRuB int £eben unteraebn. 

eqiller: 2)ie ®dtter (Sriec^anbd. 

In einem eleganten, Dielbefud^ten SEBeinlofoIe ber 9leftben} 
fa^en etneS älbenbS meistere ^reunbe (Sbgar SßttttgS^ 
bie Seutnant non Sidingen ju einem 9(benbfd^maufe einge« 
laben l^atte. Slujser bem ©ajigeber befanben ftd^ bafelbfi nod^ 
brei geiftooQ auSfe^enbe junge SDldnner: ber ^^ilofopl^ %ttU 
mann, ber Sd^riftfteEer ^onratl^ nnb ber aßuftfer ShtlpiuS 
— atte etma bem brei^igjien SebenSjal^r nal^e- — (Sbgar 
aEein fel^lte nod^ immer. 

*) %(. 9(. @(^inb(er: Siogropl^te von 2. oan 9eetl^onen U, 32. 

Homeri Ilias II, 553. 
***) When we our betters see bearing our woes 

We scarcely think our miseries, our foes. 

Shakespeare: King Lear. 



— 171 - 

Sie iStimtnung ber jungen @eifter xoax bie roftgfte t)on 
ber SBelt. 3lo6) befanben fte ftd^ ja aKe in itmm beglüdten 
@tabiuin beS S)afeinS, in bem ein jeglid^er ftd^ mit ein 
titanifd^er 9(tla3 Dottommt, ber baS gan^e SBeltaQ auf feinen 
urlräftigen ©eifteSfd^uItern leidsten fSRnttS forttragen lann. 
^fyc fauftifd^er 9Bi^ fprnbelte in unoerfleglid^er ÜRad^t. MeS 
n)ttrbe Dor baS ^id^tbeil beS ©ebanlenS gebrad^t — unb 
n^al^rlid^ blutmenig blieb in ftunft unb Sßiffenf^aft r>on ber 
^inrid^tung Derf^ont. 

(Snblid^ rief t)on ©idKngen ungebulbig aitS: 

— ä(ber wo in aller Seit mag SBittig benn l^eute 
fied(en ? 

— S)iefe S^^Ö^ fönnten (Sie fic^ xoofjH fel^r gut felbft 
beantworten^ antn)ortete ^reimann lad^enb. SBiffen @ie 
benn nid^t, bajs l^eute abenb (S^mp^onielonjert ift? S)a 
fd^n)elgt ^reunb SBittig n)ieber einmal in A-dur«®enäffen. 

— 3<^ münfd^te, id^ bef&^e feinen unoenoäftlid^en (Sntl^u« 
ftaSmuS, fagte 93ulpiu3 mit einem Slnl^au^e oon SBel^mut. 
Senn id^ ben Sag l^inburd^ Snuftt getrieben l^abe, bann mag 
id^ beS älbenbS leine Xöne mel^r. 

— 3>a mäffen @ie ftd^ SittigS ajtuftimagen anfd^affen, 
bemerfte ^onratl^ ironifd^. 3)ie muftfburd^mürite 3;age8}eit 
mad^t il^n erft red^t fär f^mpl^onifd^e f^reuben empf&nglid^. 

— Sei mir freilid^, entgegnete SulpiuS, ift bie Qtxt 
I&ngft Derfd^oQen, in ber id^ fftr meine Jtunft aQeS l^inju* 
opfern bereit mar. Sie ber 3Renfd^ nun einmal fo gern 
geneigt ift, ftd^ wx feinem eigenften @emiffen rein ju baben: 
fo fud^te aud^ id^ mand^ emporbringenben SOlal^nruf beS oer> 
nel^mlid^ flüfternben ©emiffenS burd^ ben ftiQen ©egenruf gu 
betduben, bajs l^eutjutage bem ganjen 3^it0^ift^ uad^, ber j[a 
mit materiellen SRoleffilen überm&jsig burd^fdimdngert ift, 
eine reine, odQig uneigennAt^ige Slufopferung fär bie ftunft 
)ur Unmöglid^teit geworben ift. — Unb fo begleitete ii) an« 
fangS biefe beifpieQofe SlufopferungSfreubigfeit unfereS f^reun» 



— 172 — 

beS SlBtttig mit argtodl^nifd^en 93Itden. ^^d^ glaubte, meine 
eigene ©d^mad^l^eit gered^tfertigt ju feigen, xoznn i^ feinen 
^eftrebungen bie (Sigenfd^aften ber älffeftation, ber QHUIUH, 
©elbftgef&aigiteit unb OriginalitdtSfu^t beilegte. SßenigftenS 
bid^tete id^ il^m gern berartige ^nge an. — Mein meine 
gegenm&rtig fefte Übei^eugung von biefer butd^auS nnge« 
funftelten äJhtftfluft, in ber er am liebften bie gan^e äRuftf, 
ben 99eet]^ot)en obenan, verfd^lingen mSd^te, l^at nid^t verfel^lt, 
mid^ jum rnl^igen, objeftiDen SBefd^auen meines i^nnern an« 
jufpornen. Unb aud^ i^^l^nen geftel^e id^'8 offen, mie id^ e§ 
i^m felbft einmal freubig belannt l^abe: fein mufterl^afteS 
^eifpiel reinen ftunftlermaQenS l^at oerebelnb auf mid^ felbft 
aurüdCgemirft. 

— Unb wenn Sie mit il^m barßber reben, fagte ber 
£eutnant fo bemeift er'S ^})mn ^arfd^arf, ba^ er biefe 
äluSbauer l^auptf&dEilid^ h^m unauSgefe^ten Stubium 9Jee« 
tl^ooenS oerbanfe. — %o^ enblid^ !ommt er an, freubeftral^« 
lenben älngeftd^tg. 

(Sbgar n&l^erte ftd^ in freubiger ^aft ben f^reunben. 
9lad^ ben üblid^en Segru^ungSformeln unb (SinleitungS« 
fragen, bie er l^eiter gelaunt beantwortete, nal^m er feinen 
$la^ neben l^reimann ein. 

— SBie l^aben ©ie fid^ benn im Äongert erbaut? fragte 
^onratl^. 

— ^m ganjen äberaug fd^ön, lautete bie SKntmort. SBer» 
]^ie| ja ba§ l^eutige Programm oon SBeetl^ooen nid^t n)eniger 
als bie A-dur«@9mp]^onie, baS @eptuor unb bie übermäd^tige 
Seonoren^Ouoerture, bie gro^e britte. Unb bod^ l^abe id^ 
meine älugen vergebens angeftrengt, einen t)on ^^mn ju er« 
fpäl^en. @ie ftnb mir eine faubere SBeetl^ooengefeEfd^aft. 
9[ber über bie S^emponal^me beim gmeiten @a^e ber Br^mp^onit 
mn^te id^ mid^ mieber einmal meiblid^ ärgern. S)ie Ferren 
^opeQmeifter bebenfen ober miffen eS nid^t, bajs biefer @a^ 
itrfpränglid^ mit 5;Andante'' begeid^net mar. (Srft bei ber ^erauS« 



— 178 — 

gäbe ber Q^mpffonit tarn bie Segetd^nung ».AUegretto'' ivm 
SSorfd^ein. SBeil aber baburd^ t)ielfad^e äRijsoerftdttbniffe 
sunt 9lad^tetle beS ^^atatUxS biefeS ;)^&nomenaIen @a^eS 
^etDorgerufen tDurben, empfal^l fp&terl^in ^eetl^ooen felbft 
toieber bie erfte 93enennung ,, Andante''. @o ifi eS in @d^inb« 
UtS Seetl^ODenbiogropl^ie ju lefen, ift aud^ burd^auS 
fein @runb t)or]^anben, an ber äBal^rl^aftigfeit biefer fSHxU 
teilung ju 3n)eifeln. Unb ber @a^ mujs feiner ganzen ^b^^ 
nad^ in feierlid^ genteffenem ftotl^urnengange einl^erfd^reiten. 
@inb @ie nid^t oud^ biefer 9)teinung, SBulpiuä? 

— @en)i§, baS fd^eint mir gang feft jn (teilen, ant^» 
n)ortete biefer. ^oä) nun eine anbere ^rage, bie mir am 
bergen liegt. 9Bie n)urbe benn @d^Iad(eg fleine ftom|)ofttion 
aufgenommen? 

— @ie mürbe na^ SBerbienft föl^I gu ®rabe getragen; 
Derfe^te @bgar. SBogu fom:poniert benn aud^ fold^ ein muft!» 
lofer aWenfd^? aSon innerem ©d^affengbrange fann ja bei 
btefem feine Sftebe fein. SBie id^ l^öre, l^at jid^ biefer 3Äenf(^, 
ber ja überl^aitpt baS infarnierte Strebertum in ber SRufif 
barfteQt, nunmel^r ber fogenannten 3Jluftf«$äbagogif ergeben, 
momit jla am nad^brüdHid^ften unb ungeftrafteften 2)unft unb 
9lebel gu Derbreiten ift. ^it feinem Klaoierfpiel ftel^t eS ja 
erb&rmtid^ genug, fd^ier unglaublid^. ^tnn, ob il^r'S glauben 
moQt ober nid^t, bag bleibt mal^r: Sa^t eud^ oon äRonfieur 
©d^ladte bie fleinfte ber f leinen @onatinen oon Clementi 
ober Äul^Iau Dorfpielen — er wirb fl&glid^ beftel^en unb in 
jebem fleinften @a^e minbefteng gel^n 3Slal ftedCen bleiben. 
Slber er ift ein großer .^honourable'' SÄufifp&bagoge, ber 
meifterl^aft bef&l^igt ift, aUen il^m anvertrauten B^S^ingen 
iebe ®pur von 3Ruftf l^erauSgubringen, furg unb gut: bie 
BBs'^inge im eigentlid^en @inne muftflo§ gu mad^en. 

— 3)a8 mögen bie Oötter roiffen! fiel fjreimann mit 
feiner marfigen Stimme ein. Sßenn id^ an ben Klaoierlel^rer 
Sd^lad(e, namentlid^ an fein l^öd^ft ftäncperl^afteg ftlaoierfpiel 



— 174 — 

ben!e, ba toirb mir'S greuli^ fc^Ittnm sumitte, unb immer 
iDieber fdQt mir babei ber gried^ifd^e 9Ru|Uer SamproS ein, 
ber einen ftlagegefang (einen Xl^renod) anf SK6i%e fomponiert 
l^at. (Sin alter l^eUenif^er ftomöbienbi^ter gibt ii^m benn 
and^ folgenbe (Ehrentitel: ber !I&gIid^e äKrtuofe, baS @e« 
rippe ber SRufen, baS ^eber ber Slad^tigoEen, boS ftlagelieb 
ber ^SQe. 

(Sin f d^aOenbeS 9raoo erfolgte anf biefe bei^enbe ^araOele. 

— äBenn biefer S^Iade, nal^m ^onrat^ baS SBort, 
nnr nid^t bie oerfdrperte ätnmajsung nnb 9leflame»9But 
m&re, bann ginge e8 nod^. 01aubt ber mal^rl^aftig, meil er, 
jnft fo mie fein ftoQege ^ornmann, ein paar S&d^eld^en auS 
^loSleln mol^lbefannter SDleiftermerle elenbiglid^ gufammen« 
geftoppelt l^at, er l^dtte bie ganje ftlat)ier« nnb SRufthoeiSl^eit 
gegeffen. Über baS gerippenl^afte ätuSfel^en moQte id^ mid^ 
ja leidet l^inmegfe^en, wznn nnr fein inneres einen reinen 
Xon anfd^Iagen !dnnte. ^e^t l^at er ftd^ äbrigenS mit 
aSel^emenj anf bie Orbenäjagb gefturat. — (88 ifl x)ielleid^t 
feine Isabel, menn er^äl^It mirb, ber ^od^gefd^&l^te gried^ifd^e 
£iebe8bid^ter ^l^iletag m&re fo fd^m&^lid^, fo lufttörper« 
lid^ t)on ©eftalt gemefen, ba^ er 99leift&dCe in ben ©d^nl^en 
tragen mn^te, nm nid^t Dom SEBinbe fortgemel^t gu merben. 
älber er mar ein tiefempfinbenber, nad^tigaQenartiger @&nger. 
— Sttfo fd|minbfü(^tigeS SÄnSfel^en Derfc^Iägt ni(^t8. »ei 
©d^Iadte jebod^ ift eS bie feelifd^e ©emeinl^eit unb SBermorfen« 
l^eit, bie feiner änderen ^&§Hd^fcit erft ben (Stempel anf* 
brfid(en. Unb bamit moQen mir ben jldmmerlid^en @d^Iad(e 
mit bem flainSgeid^en in bem l^dd^ft nneblen ®eftd^t ein fär 
aQemal ad acta legen. 

— 3)iefe SBIeigefd^id^te ift fürmal^r l^Sd^ft fd^nnrrig, fagte 
t)on @id(ingen; bie mnjs id^ mir ad notam nel^men, bamit 
meine SBraut fte erf&l^rt. 

— A proposi — fiel (Sbgar lebl^aft ein, mie gel^t eS 
benn S'^rer liebenSmärbigen @mma? 



— 175 — 

— äJottrefflid^. @te ift äbngenS tti^t loenig oetiounbett, 
ba§ @ie aud^ i^r gegenftber ftetS ber feltene SSogel bleiben; 
meine @d^n)iegereUern tun beSgleic^en. 

— Sieber ©idtingen^ entf d^ulbigen Sie mx6), f o gut Sie 
fönnen. ^if l^abe ben l^erjUd^ften SEßiQen, l^injugel^en, aber 
leiber gar ju n)enig Qzxt ®ibt eS benn fonft nichts 9leue§ 
bei gi^rer öraut? 

— ©al^inter, antwortete ber ©efragte, fterft bod^ wol^I 
nur ber gel^eime, tiefe Sinn, ob grdulein Slntl^emia ^ßaHeufoS 
nid^tS üon fx6) ^ören Id^t! @ie ntüffen'S ndmlid^ alle wiffen, 
meine Ferren, ba§ $reunb SBittig mir unfterblid^ verliebt 
Dorfommt. ^reilid), fein ©efd^macf mad^t feinem ftünftler> 
tum aHe ©l^re. Übrigens fann id^ ^l^nen bie frol^e Sotfd^aft 
Derffinben, ba§ grdulein Slntl^emia bie Sltl^ener ganj au§er« 
gemdl^nlic^ burd^ il^r fünftlerif^ DoQenbeteS filaoierfpiel be» 
geiftert, gerabeju l^inrei^t, 

— O, ba8 ift du^erft l^errlid^! rief ®bgar freubig er» 
regt auS. 

— 9Hfo bie fdf|8ne ©ried^in unb munberbare ^ßianiftin 
l^at aQen @rnfte§ ^'^r ^erj gefangen genommen? fragte 
SJuIpiuS. ^6) badete immer, ^i)t SOSefen ginge fo ganj in 
ber 9Äufif auf, ba§ in Ql^rem ^erjen gar feine Stegungen 
für baS fd^öne ©efd^led^t mel^r auftaud^en !önnten. 

— (&t mürbe j[a gar fein SiebeSfeuer gefangen l^aben, 
bemerfte ^onratl^, menn fx6) nid^t }U il^rer bejaubernben 
tSnmut als ^auptreij für il^n bie Sigenl^eit gefeQt l^dtte, ba§ 
fte ben Seetl^o^en fo munberbar fpielt. 

— Unb Sie laffen baS aUeS fo forgloS Reiter über 
{td^ ergel^en? fragte ^reimann. 

— Saffen mir baS, antwortete (Sbgar. ®o mel aber 
barf id^ i^l^nen fagen: 9Ber bie ed^te ^eiligfeit ber Siebe 
^mifd^en SDtann unb SBeib nid^t fennt, ber vermag aud^ nid^t 
t)oIlfrdftig in baS gel^eimfte SiebeSmalten ber jtunft einsu« 



— 176 — 

bringen, ^reilid^ foQ beim t^Un Jtftnftler bie 9Vhtfe immer 
bie Obetgemolt über aUe anberen SiebeSgefioIten bel^anpten. 

— 3)aS mvi% mal^r fein, bemertte ^i^eimann. Selbft 
von Seetl^ooen, bem munberbarften @enittS ber äRenfd^l^eit, 
l^ei^t t8, ba§ er fel^r l^&ufig verliebt unb meiftenS in l^ol^em 
®rabe t)i)n ber Siebe ergriffen mar. 

— 2lnd^ ©ie, ein ^l^ilofopl^, Italien Seetl^oven für ben 
bebeutungSDoQften ®eniu3 ber SJtenfd^l^eit? fragte ber Seutnant 
mit Srftaunen. 

— @ang gemi§, ermiberte oott QwD^xfxiS)t Jreimann. 
JEein ®eifl übt eine gleid^e äJlad^t auf mein ganzes ^ä) au§. 
^iefer eine SBeetl^ooen ftel^t bei mir l^öl^er alg ^omer, ^inbar^ 
tfd^^IoS, ©opl^oIIeS, l^öl^er als aUe 3)id^ter, ^l^Uofopl^en 
unb Jtünftler be§ SlltertumS; er erfaßt nod^ tiefer al§ bie 
©ro^en Italiens, f^ranfreidiS, (Spanien^ unb (£nglanb§, felbft 
al§ ber göttlid^e 9tapl^ael unb al3 bie ©emaltigen 3)ante, 
9Rid^el älngelo unb ©l^alefpeare: j[a! er ftel^t mir aud^ 
l^öl^er als unfere eigenen grö^eften S)enfer, SÄufifer, ®id^ter 
unb bilbenben ftünftler, mögen biefe aud^ bie aUerglorreictiften 
Flamen tragen. 

— ®ann finb ©ie mein ed^ter ^J^eunb! rief ®bgar 
freubeftral^lenb auS. 2)afür mu§ id^ ©ie umarmen. Um 
fo mel^r entjüdtt mid^% als eine fold^e mir oöQig fpmpa^ 
tl^ifd^e ©enieanfd^auung einem ^l^ilofopl^enfopfe entfpringt. 

— Unb id^ erHäre ^^mn, marf ^onratl^ firgerlid^ ba* 
jmifd^en, ba^ ©ie bann meinen ©l^alefpeare nid^t orbentlid^ 
Derftel^en. @r bleibt ber l^öd^fte SReifter unter aQen ©terb» 
lid^en. 

— Sieber ^onratl^, cerfe^te greimann, id^ fpred^e ber* 
gleid^en meiner eigenften @mpflnbung unb Überzeugung ge* 
mä§ aus. 9luf mid^, mie erft rec^t .auf äBittig, mirft nun 
einmal {ein @eniuS fo nad^l^altig, fo unmiberftel^lid^ jum 
©Uten l^in, mie biefer eine, einsige SBeetl^onen. 3^n aOein 
oerel^re id^ abfolut. 



— 177 — 

— ;3d^ !ann 99eet]^i)9en burti^auS nt^t abfolut oerel^ren, 
platte j|e|(t SSulptuS l^erauS, v^ü fein Sl^araltenoefen mir 
ietneSioegS bie gleid^e ^dl^e toie fein Sd^affen 6e]^au|)tet. 

— Sie! rief (Sbgar unmutig aus, SBeetl^o^enS SebenS» 
ort ft&nbe nid^t auf gleid^er {^dl^e be8 Stenfd^entumS, mie 
feine f^öpferifd^e Äraft! So fprid^t ein iWupfer? 

— ®a8 fönnen (Sie nid^t aufredet ^alten^ befter 9SuI' 
piuS, fagte aud^ ^onratl^. 3)er S:^ara!ter Seetl^ovenS ift 
gro^, mie feine £onfd|Spfung, obgleid^ er mir in mand^en 
^ßunften beg fiebenS ju meit gegangen ju fein fd^eint. 

— XaS finbe id^ aud^, ftimmte t)on ©idtingen bei. 

— %x^ id^ teile ^onratl^S Hnfid^t, bemerfte ^reimann. 

— J)ann Derfünbe id^'8 3^nen, meine ^enen, rief 
@bgar empl^atifd^ auä, ba§ ®ie famt unb fonberS bie SebenS« 
l^ol^eit biefeS mäd^tigen @eifte8 nid^t DoOIommen mürbigen. 
^^ !ann eS S'^nen jur Jtlarl^eit bringen, ba^ unter allen 
fd^öpferifd^en @eiftern aud^ al8 etl^ifd^er SReufd^ ftd^ feiner 
f ber SSoIÜommenl^eit gen&l^iert l^at, mie biefer eine ^eetl^ooen. 

— S)arauf m&re id^ bod^ Anwerft begierig, fagte 93ul« 
piuS. SBer mir baS jur ftlarl^eit bringt — magnus mihi 
erit Apollo I 

— Sßol^Ian benn! ful^r (Sbgar fort, fiaffen Sie unfer 
Seifammenfein 9on biefem SRomente an ein S^mpofion ju 
(Sl^ren 93eetl^ot)en8 merben. Me foQen @elegenl^eit nel^men, 
baS oorjutragen, xoai fle an SSeetl^oüenS <S^ara!ter etioa ju 
tabeln l^aben: id^ übemel^me bie ooQe 9Inn>altfd^aft. 

— eingenommen! rief ähilpiuS. ^ beginne uner« 
f d^rodfen mein 9lAgeIieb. — SRir bleibt eS in äBal^rl^eit r&tfel« 
l^aft^ mie ein Zonbid^ter, bem baS ®en)altige, mie baS 3^^^ 
in fo Aberreid^em äßage ju @ebote ftanb, im Seben felbft 
fo l^Auflg einen großen aitangel an SatÜfdt, cot ^inl^eit jur 
Sd^au tragen tonnte. 9eet]^09en mar Anwerft fd^roff, tol^, 
grob gegen feine Umgebung, Abermfltig, t^rannifd^ gegen 



— 178 — 

fold^, bie nutet i^m ftostben — unb meleS anbete nod^. 
Sott id^ boS nieOeic^t loben? 

— ®ie l^oben ba in einem Stent niele gewid^tige 9e^ 
fd^nlbignngen auf 99eetl^onenS ^oupt ge»&Iit, enoiberte 
(Sbgar in fefter Stnl^e. Sie feigen, bag id^ baburd^ nid^t 
an^er Raffung gerate; benn berartige SSonoürfe {inb mir 
leiber nid^t nen! fSRan begegnet il^nen gerabe nnter 9)luftlern 
am l^&nftgften. 3d^ be!enne 3^nen frenbig, bag id^ ni(!^t 
allein bie 9Änftf liebe, fonbem and^ bie SRnfifer. S)tefe 
ganje ÜJtenfd^engefeEfd^aft enoedCt meine Xeilnal^me in ^ol^em 
SRa^e. Unb eS fd^merjt mid^ tief, bag id^ gerabe in biefem 
©tanbe fo t)iele treffe, benen ebenfo baS ^eilige Sßefen i^rer 
Stnnfl an ftd^, mie bie l^ol^e @enbnng Seetl^ODenS nfldig un» 
begriffen bafte^t. @ie finb mir bod^ ber SBeften einer, ^rennb 
ähtIpiuS, nnb and^ ®ie ftedFen im tiefflen i^rrmal^n über baS 
etgenttid^e, l^ol^e SSSefen ^eetl^ooenS. SBeSl^alb mol^I? Sßeil 
aud^ Sie mal^rfd^einlid^ ^l^re 9(n{td^ten aber beS 9ReiflerS 
<S^ara!ter mel^r anS ber trabitioneQen (Srbfd^aft fd^öpfen, 
mie fle ftd^ nnter ben 9nu{t!ern leiber eingebärgert l^at, al8 
ans bem emftgen ©tnbinm ber nielen CneQen, bie nom 
Seelenleben biefeS @eifteS erj&^len. 

— ®a8 trifft bei mir nnr teilmeife jn, nerteibigte ftd^ 
ähtIpiuS. ^6) !enne baS StUn Seetl^ovenS leibtid^ gnt nad^ 
ben gangbaren OueQen. 3d^ l^abe gefunben, ba| bie meiften 
Siograpl^en bie t)on mir erm&l^nten 9lnItageobj|ef te faft unisono 
vorbringen, am menigften freilid^ älnton Sd^inbler. 

— aber gerabe biefer, ber lebenSootte 3^wge be8 StrebenS 
nnb SeibenS nnfereS äJleifterS — nerfet^te ®bgar — , J)at im 
mefentlid^en bie ftngulare ©ro^artigfeit beS Seetl^onenfd^en 
Sl^arafterS rid^tig er!annt. ^ntfd^iebene ftlarl^eit fSnnen 
mir 9lad^geborenen jebod^ erft gewinnen, menn mir unS 
mit ganzer £iebe, von ganjem ^erjen in bie (Eigenl^eit 
feines SBefenS oerfenfen. 3)iefeS Stnbinm gelingt am beften 
an ber UrqneQe felbft. 



— 179 — 

— 9Ba8 Derftel^en Sie benn l^ter untet Urquelle? fragte 
Don @i(fingen. 

— darunter tjerftel^e x6) bie S)ofuinettte^ bie nni ber 
SOteifter fel&ft über feinen (El^arafter l^interlaffen l^at Saju 
gel^dren in erfter Sinie feine SSriefe unb S^agebud^notigen. 
äluS il^nen lann man fid^ bie ^auptibeen iufantmenfud^en, 
bie Seetl^ODenS SBeltanfid^t bebingen. IXnfer SReifier n)ar im 
ganjen mortlarger Slatur; aber gerabe barum l^aben bie l^ie 
unb ba auftaud^enben aQgemeinen ©entengen bie l^öd^fte S3e« 
beutung fär bie (Sr!enntni§ feines S^^aralterS. 9ln unS liegt 
eS bann, berartige S^l^arafteribeen nad^ alten Seiten ^in ju 
gergliebern unb bie logifd^^etl^ifdEien @rgebniffe barquS ju 
jiel^en- 

— 0^ begreife aber nod^ gar nid^t, mo baS ^inauS 
mid, fagte ^onratl^ — , bie 9ln!Iagen unfere§ ^reunbeS ähtl» 
piuS finb bamit bod^ feineSmegS miberlegt. 

— ©ebulb, @ebulb, lieber ^onratl^! Sie f ollen gleid^ 
befriebigt werben. 9lod^ eine %ta%t, greunb S3ulpiu8. 
Äennen Sie bie SSriefe beS SWeifterS an feine fjreunbe unb 
fjreunbinnen? 

— 9lur infoweit, antwortete biefer, afö bie befannteften 
^iograpl^ieen 99rud^ftudCe entl^alten. 

— O bann, fprad^ ®bgar, munbere id^ mid^ frellid^ 
nod^ weniger, ba^ ftd^ x>erle]^rte 3lnfd(|auungen in ^l^nen 
feflfei^en. 3)enn ba gemeinl^in aQe, bie aber SBeetl^ot)enS 
@i^aralter reben, entmeber gar feine ober nur eine oberft&d^» 
K^e ftenntniS Don feinem SSriefmed^fel, von feinen SDage« 
bÜd^ern unb Äon^erfationSl^eften beji^en, tjererben fte in 
leid^tf ertiger SBeife bie Vorurteile, bie nun einmal über bief en 
(Sl^arafter im Sd^mange finb, f o weiter fort. Einigermaßen 
entfd^ulbige td^ Sie: benn bie Sriefe SBeetl^OüenS, bie wir 
bem Sammelf[eiße S. 9lo^lS oerbanfen, finb erjt t)or furger 
3«it in jwei ^&nben t)eröffenttid^t worben. — $ören Sie mid^ 
benn alfo aufmerffam an. 3^ tierfud^e eS nunmel^r, inbetn 

12» 



— 180 — 

t(^ mtd^ in oDent ^cmptfftcl^id^ auf Seet^ooenS eigene 
SbtSfprfld^e p|e, Q^ntn haS SEBefen feines (E^ottetS oitS« 
eittanberpfelen. 

3)aS Ibnoefen Seet^ooenS Befte^t in DoIBomntener 0e« 
red^tigfeit, 9Ba^r]^eit, Sftei^eit unb Sleligiofitftt — 
Xttgenbfomten, Me alle bei il^nt wn ber ^dt^fhn SRenf c^en« 
iiebe nmjiral^It waren. 9DK biefe ^ol^en SDtenfc^ntngenben 
l^at ber SReifter mit eiferner 9BiQeni^aft, SuSbauer unb 
tapftttt Ü&er}engttngStreue tro^ aller Seiben burci^ fein ganjeS 
Seben toerpflon}!. 

— 3^ bitte um Semeife au8 bem Urquell, fagte Don 
(SicKngen, bamit mir einmal t)5(Iig überjeugt merben, ober 
anberS auf unferer äReinung bel^arren bürfen. 

— ^eunrul^igen ®ie ft(^ nid^t unnötig, teurer ^reunb, 
id^ laffe Sinnen nid^tS unbemiefen. — 93eet]^ooen gel^drte ju 
ber auSerlefenen ®eifterf^ar, für bie eS als bie mefentlid^fte 
älufgabe beS SRenfd^en gUt, ba§ er fein i^m vom Sßelten« 
fd^dpfer x>erUe]^eneS äRenfd^entum fort unb fort Idutern muffe, 
nm biefeS immer mel^r beS @otte3fun!enS mürbig gu mad^en^ 
ber in ieber 3)lenfd^enbruft oerborgen ift. @o — \m ein 
DueQenbeifpiel gu geben — fd^reibt ber SReifter in feinem 
brei^igften Sebengjlal^re auä 3Bien an feinen ^reunb, ben 
^rofeffor unb äRebiginoIrat Dr. 3Be geler in Sonn, biefeS 
l^errlid^e äBort : „®o oiel miQ id^ dnä) fagen, ha% ^f)x mid^ 
red^t grog mieberfel^en werbet; nid^t als fiunftler foQt 3^r 
mid^ größer, fonbern aud^ aUSRenfd^ foQt 3^r mid^ beffer 
unb oodommener ftnben, unb ift bann ber SBol^lftanb etmoS 
beffer in unferem SBaterlanbe, bann f oQ meine Jtunft ftd^ nur 
^m heften ber Firmen aeigen. O glüdtlid^er Slugenblid!, mie 
glädKid^ l^alte id^ mid^, ba^ id^ bid^ l^erbeif klaffen, bid^ 
felbft fd^affen fann." — 

■ 

— ^ S)aS ift in äBai^rl^eit f#5n! rief ^eimann aü8. 
hierin offenbart ftd^ olfo baS boppette SBeftreben beS SRei^etS 



- 181 - 

u^i bentlid^. 9lud^ fpi^i<^t e8 mit glänjettber ^erebfatnfett 
t9on feinem eblen ^ergen unb von feiner SBaterlanbSliebe. 

— Unb biefe ffiin^eit ber 3fbeen in Ännfk nnb Seben^ 
er!I&rte (Sbgar meitet, fd^n)e6te bem 9Rei{ier fd^on red^t fräl^« 
geitig als Obeal vor. 908 fed^8unbgn)an)igj[d^riger 3Rann 
fd^rieb er feinem ^reunbe £en} oon Oreuning bie Schiller« 
fd^en 93erfe tnS @tammbud^: 

„^ie SBal^l^it i^ oov§anl»ett ffiv ben Skifen, 
3>ie ed^dn^eit ffir ein ffi^letib f^. 
Sie beibe gehören für einanbev.^ 

^e innige Harmonie von SEBal^rl^eit unb Sc^önl^eit mar 
alfo baS unx)errüd!te 3^^! ^W^i^ unmgleid^Iid^en äRanneS 
t)on ber 3^it ber beginnenben @eifte8reife bis an fein 
SebenSenbe. 

— 9lber bamit merben bie ä^erlel^rSfünben Seeti^ooenS 
immer nod^ nid^t Dertilgt bemerfte SSnlpiuS. äSie moQett 
Sie baS Übermaß beS ^eetl^onenfd^en 6eIb^benm^tfeinS i>er' 
teibigen, auS bem aUein feine gange @d^roffl^eit^ fein l^errifd^eS 
SBefen entf prang? 

— SßaS man bpd^ immer vom oermeintlid^en Übermaß 
beS 9eet]^ot)enf ^en ®elbftbemu§tfein8 rebet enoiberte C^bgar, 
mdl^renb tith biefer SReifter in fd^dnjier Sßeife nur t)a8 
©etbftbemu^tfein vertritt, baS auf ber bebingten — bof ^ei^t 
potengieEen — 9laturgleid^l^eit aUer vox. aSen berul^t. SBie 
menig lehnen @ie bod^ SBeetl^ooenS bie liefen unb ^öl^en 
ber 9EBelt mie im ^luge berä^renben @ered^tig!eit8finne8 ! 
3)a8 ®e]^eimni8 biefeS Sinnes murgelt in feinem emig benf« 
mftrbigen SluSfprud^: „^tmxt beS ällenfd^en gegen ben 
Snenfd^en — fte fd^mergt mid^.'^ 

— 3)aS ift ein SBeetl^ooenfd^er StuSfprud^? fragten ooQ 
SSermunberung ^onratl^ unb ^reimann gugleid^. 

— ^reilid^^ antwortete (£bgar. ^a8 ift inbeS nur ber 
intereffantefte, rdtfefooOfte £eU eineS (lteban!engangeS, ber im 
gangen fo lautet: „3)emut beS 3)tenf^en gegen ben SRenf^en 



— 182 — 

fle f^tnei^t mxi), unb wenn id^ ntid^ im B^farnntenl^ang beS 
UniDerfumS bettad^te^ vooS bin id^ unb tocA ift ber, ben ntan 
bM ®rd^ten nennt? nnb bod^ — ift n)ieber hierin baS @5tt« 
lid^e beS ältenfd^en." Sie finberi biefe bod^ n^al^rlid^ nid^tS 
ipeniger olS ^od^mut atmenben SEBorte in bem berftl^ntten 
Liebesbriefe an bie „unfterblid^e beliebte''. — 

— 3>Qmit faQen mir felbft Sd^uppen x)on ben 9(ugen, 
fagte aud^ ähtl^oiuS. ^^d^ ^&tte nie geglaubt, ba^ ein äJlann, 
mie SBeetl^ooen, @d^met} empfinben !dnnte, menn fid^ il^m bie 
ältenfd^en in 2)emut nal^ten. 

— ^ab id^'8 nid^t DorauSgemu^t, rief (Sbgar trium^ 
pl^ierenb aaS, ba^ (Sie baS mirflid^e äBefen biefeS ureigenen 
(SeifteS 9er!ennen? 3>urd^ j[eneS tiefftnnige äßort, beffen ®eift 
fid^ in feinem ganjen SBefen abfpiegelt, l^at eS benn 99eet]^ot)en 
aud^ offenbar gemad^t, mie fid^ bie unfterblid^e 9Raieftdt beS 
®eifle8 t)on ber rein ftu^erlid^en irbifdEien SRaieftdt unter* 
fd^eibet. i^ene bur^bringt ben (Sd^Ieier Derg&nglid^er Se« 
fangenl^it, mirb fid^ ber eigenen Ol^nmad^t im ^inblidC aufS 
9Beltgan}e bemüht unb mirb fd^merjlid^ betroffen, menn fld^ 
il^r, ber felbft l^älfSbebürftigen (Srbengeftalt, bie SBefen in 
^emut beugen ; bie irbif d^e a)taj[eft&t l^ingegen, ber gemetnl^in 
ein fold^er @ebanfenflug fern liegt, ftnbet jumeift ein natür« 
lid^eS äBol^tgefaQen baran, aUeS ju il^ren ^§en 3U erblidCen. 

— 93ortreffIid^ , befr&ftigte oon ©idRngen. S)onad^ 
muffen j[a aUe äJteinungen über 99eet]^ooenS ^od^mut in nid^tg 
jerfaEen. 

— 9htn fel^e man bod^ biefen le^erifd^en i^ünger beS SRarS! 
fagte ^reimann. 9Benn man in oberen Itreifen $(f)x SSel^agen 
an fo t6fUn ^reil^eitSibeen mal^mimmt, bann bürfte eS um 
^l^re milit&rifd^e Saufbal^n gef^el^en fein. 

— 3)arum mürbe id^ mid^ menig gr&men> oerfe^te 
@id(ingen, benn in feinem @tanbe ber 3BeIt vm^ man oft 
fo unmürbige Sflaoerei üben, mie in bem meinigen. S)er 
(Solbat mvL% bie 2)emütigung unb Untert&nigleit bis jur ^efe^ 



— 188 — 

irinfen, nid^t nur im n>ir{Ud^en 2)ienfte, fonbern ani) ba, 
Too anbete il^re freien Ferren ftnb. Unb bann beft&nbig t)on 
biefem SDfloberbuft ber Sefd^r&nftl^eit umgeben ju fein, baS 
l^alte xi) nid^t au8. — 

— SBraDo! fiel Sbgar ein. 2)a8 ift red^t; ein ed^ter 
93eet]^ot)ener mu^ ein freier SOtann fein. Übrigens l^at ^ee« 
t]^ot)en felbft in biefem @inne fein lapibareg Urteil aber ben 
@oIbatenftanb abgegeben. (Sinmal ging ^eetl^ooen, alS er 
feine le^te £eben3n)o]^nung im (Bd^marjfpanier^^aufe inne 
l^atte, mit feiner oerel^rten Familie oonSreuning f parieren. 
Wlan mad^te eine ^u^partie nad^ @d^önbrunn. S)er Heine 
„älrier 93eet]^ODenS, ©erl^arb x). ^reuning, mar aud^ von 
ber Partie unb l^at eS unS überliefert. S)a ging iuft ein Qn^ 
fanteriefolbat an il^nen Doräber. Unb alfogleid^ rief SSeetl^o^en 
farfaftifd^ aaS: „(Sin @flat)e, ber um täglid^e ffinf ftreujer 
feine greil^eit verlauft l^at." 

©idKngen unb alle anbern ladE^ten l^ier l^eQ auf. 

SRun, greimann — nal^m @bgar, als Stulpe eingetreten 
mar, mieber baS SQSort, ©ie ftarren ja fo unaufl^altfam t)or 
ftd^ l^in, mag foll'8 ba geben? 

— Sei allen guten ©ciftern ! antmortete ber auS tiefem 
SRad^finnen 2lufgerüttelte, jener SBeetl^oüenfd^e S)emut8»2luS« 
fprud^ ift einer von ben Dermetterten ©ebanfen, bie eS einem 
antun, ol^ne ba^ man ftd^ fo o^ne meitereS beS KaufalnejruS 
bemüht mirb, — man fommt nid^t loS bat)on. ^6) fel^e eS 
fd^on fommen, ^reunb äBittig mad^t unS nad) unb nad^ nod^ 
alle 3U ed^ten Spopten in Seetl^ooen. 

— JBraDO, 95rat)iffimo! fagte ®bgar unb ladete l^erjlid^ 
babei. — S)od^ nun laffen Sie mid^ in altgemol^ntem ßmfte 
nod^ einige weiteren Folgerungen auS SBeetl^o^enS @ered^« 
tigfeitSliebe 3ie^en. Seetl^ooen mar nid^t nur ganj von ber 
^htt burd^brungen, ba| aCe SDlenfd^en von 9latur gleid^« 
bered^tigt ftnb, ba^ bemnad^ allein bie e$&^ig!eiten beS @eifteS 
unb ber Seele baS (Sntf d^eibenbe fein mähten : oielmel^r mar 



— 184 — 

eS Qttd^ fein fd^toereS, l^etgeS 93emfil^en, biefe ^Ut, fomeit 
eS in feiner ÜRad^t lag, tpft^renb feineS gangen SebenS ju 
energifd^er ©eltung ju bringen. Xl^eoretifd^, meine ^ennbe, 
beft^en n)ir bie erl^abenften ^b^n, n)a^re 9Rnfter»eIten: aber 
bie aUenoenigften (Sterblid^en befl^en bie fittlid^e ftraft^ bie 
n^al^r^eitöt^oQen @ebanlen in bie ^ra^iS l^inüberjuleiten. Xritt 
bann einmal ein fold^er fSRtn^6) mit ber SSoQIraft feiner 
^beenl^errlid^Ieit inS Seben, meidet er leinen ®d^ritt wm 
$fabe ber mdnnlid^ften 2;)tgenben ab, — gleid^ mirb bie 
SBelt bereit fein, i^n, ber fx6f h^m altl^ergebrad^ten SebenS« 
f dEflenbrian bemüht entgegenftemmt, für einen @onberUng ober 
gar fär einen 2:oren ju er!I&ren. ^a, eS ftel^t mit ber SRenfd^« 
l^eit ber ©egenmart no^ j|uft fo, mie in vergangenen 3^it^n, 
ba^ fle eine iegUd^e 3ni>i^ii>ualit&t, bie im l^öd^ften, l^eilig^en 
@inne beS SBorteS 9)tenfd^ fein n>iQ, fär unjured^nungSf&l^ig 
ober gar fär mal^nftnnig erll&rt. 9S3er aber einmal unbeirrt 
fär feine innerften Heiligtümer leibet, ber l^at bemu|t ober 
unbemugt am SSSelt» ober S^l^riftfreuje feinen Anteil, meld^er 
religiöfen ®enoffenfd^aft er im übrigen aud^ angehören mag. 

— &S mu^ aber aUeS 3Ra§ unb Qxü l^aben, eiferte 
IButpiuS. ^aS ©emol^n^eitSred^t I&^t ftd^ ni^t mit einem 
SJlale über ben Raufen merfen. 

— ^eetl^ooenS SRitmelt, fprad^ @bgar bagegen, miU id^ 
aud^ bafür nid^t meiter verantmortli^ mad^en: aber an nnS 
liegt es, eingemurgelte SSorurteile über biefen SJleifter gänglid^ 
abjuftreifen. SJlan nennt il^n grob, ^reilid^ erfd^eint tS 
Dielen olS ©robl^eit, menn il^nen in unoerfdrbter 9tebe eitel 
äOßa^rl^eit geprebigt mirb. ^reilid^ finben eS bie SBertreter 
verrotteter 93orred^te fd^roff unb ungebü^rlid^, menn ein 
Snenfd^, um geredet gu fein, fte mie aUe anberen bel^anbelt, 
lebiglid^ mie eS il^rem inbioibueUen SSerbienfte angemeffen 
mar. Unb freilid^ galt unferem SBeetl^ooen bie l^od^geborene 
SDumml^eit nid^tS, mie fte aud^ feinem ed^ten 9)tenfd^en etmaS 
gelten foH — Sßenn man aber anbererfeitS no^ nid^t auf« 



— 185 — 

^bvt, uon ber l^od^mütigen ^anblitngSmeife btefeS SneifterS 
gegen niebriger @te^enbe )u fabeln, bann nrn^ man um f o un« 
n)iatger n^erben, als nid^t aQein 99eet]^09enfd^e SluSfprfld^e, 
fonbem aud^ ntannigfad^e Zatfad^en bagegen geugen. 

— @ie ereifern fx6f, lieber äBittig, bemerlte greimann. 
J^fd^ beflnbe mid^ ja faft oSKig im (Sint)erft&nbmffe mit 
3^nen; l^offentlid^ mad^e id^ l^eute nod^ ^\)xt 9lnfld^t t)on biefen 
fingen ganj gur meinigen. 9(ber mag fär Xatfad^en l^aben 
<Sie benn babei im Sinne? 

— @elbftrebenb tatf&^ßd^e iBorg&nge auS iBeet^ooenS 
Seben. (SS ift belannt, bag ber äßeifter fel^r l^&u^g bie 
SEBol^nnng med^felte, oft aus l^dd^ft eigentfimlii^en @rftnben. 
Dflun^ and feiner @ommermo^nung in ^e^enborf bei SBien im 
j^al^re 1823 vertrieben il^n oüSein bie tie^n StompUmente beiJ 
^aronS «on^rona^. 3)ief e menf d^lid^e 2)emut gegen einen 
IDtitmenfd^en fd^mergte ja gerabe ben unflerblid^en 9Reifter. 
9Bie miU i^l^re 9ln{id^t bax^or beftel^en, ^reunb 93utpiuS? 

— 3^ begreife mal^rlid^ nid^t, antwortete biefer, mie 
Sn&nner mit gutem 9lamenSf lange in ber ajtufthoelt, nad^« 
htm fle berartige SebenSgüge gur fienntniS genommen l^atten, 
itnS fo fd^iefe Urteile aber biefen SReifter oorfäl^ren lönnen. 

— SBenn biefe ält&nner, meinte ^onratl^, aud^ einen 
guten Flamen in ber ftunfhoelt tragen, fte merben ftd^ nimmer 
ben 9lang feelengro^er SRenfd^en ermerben. Äennen Sie 
nod^ anbere fo eigentämlid^e 3^0^ ^^^ bem Seben beS bonner« 
frol^en aÄeifierS? 

— 3^ beeile mid^, ^onrat^S SBunfd^ gu erfäKen, fagte 
<£bgar, inbem id^ l^infi^tlid^ ber $emut unb il^reS ^el^rbilbeS 
nod^ einige Slatfad^en auS Seetl^ooenS £eben anfül^re. ®erabe 
biejenigen äßenf d^en, bie unferem äUeifter in f d^üd^ternfter 
^emut nal^eten, fanben ^dd^ft unliebfame ätufnal^me bei il^m. 
Sd^inbler berid^tet unS anbererfeitS angiel^enbe (Singell^eiten 
über bie 9lrt, mie ber bagumal junge Maler @d^imon fein 
x)ortreffIid^eS Ölgem&Ibe oom SReifter entmarf unb bann auS^ 



— 186 — 

fäl^rte. 3uft boS freie, offene, natunoftd^jige Sßefen beS |ungen 
StünftlerS, fein feffellofeS 99ene^men lentte Qeetl^ooenS 9(uf» 
merffamleit auf il^n l^in. 993te fel^r bann baSb ber junge 
9Rann gefiel, erl^eQt auS bem Umftanbe, ba^ er naäf einiger 
3eit wm SReifter jum Staffee eingelaben n>urbe — eine gang 
befonbere (Sl^re! — 3)iefe Aaffeejeiten ntugte übrigens ber 
SRaler benu^n, \m baS ebenfo n)unberbare als ganj eigen« 
artige Suge beS SDteifterS wiebergugeben. 2)ie (Einlabungen 
n)teber]^oIten ftd^ ju gegenfeitiger 3ufrieben^eii, bis boS 93Ub 
ganj DoQenbet n)ar. — 9lod^ mel^r besagte bem 9Reifter baS 
frif^e, ungebunbene Sßefen beS SS^nd^ener SRalerS Stieler, 
ber i^n fogar }U Dielen jeitfpieligen @i^ungen }U bewegen 
n)U^te. Unb in Sirtlid^feit jtnb bie SSeetl^ooenbilbniffe non 
@tieler unb ©d^imon bie n)o]^lgelungen{len t)on aDen. 

— Wln^ ii) nun aud^ einfel^en, fagte ähtlpittS mit etmaS 
reftgnierter (Stimme, ba§ eS Seetl^ooen Abel oermerlte, menn 
ft^ il^m iemanb gar ju bemutSDoQ geberbete — mu^ id^ 
bemnad^ aud^ fiobeS S9eetl^0DenfeinblidE|e ^u^erungen, ium 
Seifpiel, ba^ ber SReifler ,,biejlenigen, meldte bürgerlid^ i^m 
gleid^ ober gar unter il^m ftanben, t^rannifterte", für bobenloS 
oerfel^rt l^alten: fo foQte id^ bod^ meinen, eS I&me ben @terb« 
lid^en ju, gegen bie l^öd^ften äBürbentr&ger beS @taateS unb nod^ 
mel^r gegen bie ^errfdl^er eineS SanbeS unb beren Slngel^drige 
eine gemiffe el^rfurd^tSooQe 3>emut ju beobad^ten, Seetl^ooen 
aber bel^anbelte aOe mie feineSgleid^en, felbft fürftlid^e $&upter. 

— ^6) fcl^e, oerfe^te ffibgar, ba§ auS 3^nen immer 
nod^ Sobefd^e :6been reben, mie fie in beffen ^Äonfonangen 
unb 2)iffonan3en", in ben ,,muflfalifd^en 93riefen eines SBo^l» 
befannten" unb in oielen meitoerbreiteten iQfournalartileln 
unfeligermeife ju ftnben ftnb. — %oä) id^ fd^id(e mid^ an,. 
S^rem neuen Sinmanbe ju begegnen. — älfo gegen bie 
^Regenten ber Staaten foQte ftd^ ein SRenfd^ oon ber ^ol^eit 
eines 93eet]^ooen gur 3)emut veranlagt füllen? 3^ lann'S 
nid^t faffen, unb — maS boS fiomif^e an ber ®a^e ift — 



— 187 — 

Seetl^ooen nxtr eigetitltd^ fel^t oft tief bemätig gegen f&rftltd^e 
^&is))tet^ oft untertäniger, als man eS i^nt zutrauen unb ald 
man e« an il^m gern feigen fottte. — ^eetl^ooen ging — ba8 
fei jundd^ft J^eroorge^oben — mie aOe geifteSfreien äR&nner 
Don ber mol^lbered^tigten Slnfd^auung uuS, ba^ voix aKe le* 
biglid^ älngel^drige beS ©taatSganjen unb nid^t Untertanen 
eines ^rfd^erS ftnb. ^btx mu^ fxäf ben ®efe^en beS 
Staates, mie fle einmal feftfte^en, unterorbnen — unb je 
{ittlid^r ber SRenfd^ ift, befto bereitwilliger fägt er ^6) ber 
@taatSorbnung, ol^ne ftd^ babei jemals feineS auf benfelben 
®efe^en berul^enben SteformierungSred^teS px begeben: aber 
niemals gel^ord^t er auS freiem älntriebe ben oberften Staats« 
bienern als fold^en, er gel^ord^t bem ®angen, ber ^eiligfeit 
beS ©efe^eS, baS burd^ (ä^njelmefen mit reprdfentiert mirb, 
nie ber einjelnen ^erfdnlid^feit felbft* S3iele Potentaten — 
fo lel^rt bie @efd^i(i^te — maren oerad^tenSmerte ©efd^dpfe. 
9Bie foQ ba ein d^arafterftar!er Sllenfd^ oor einem ^ärften, 
ben er auS tiefftem @runbe oerad^ten mu^, in S>emut er^ 
fd^einen; er m&re bann ja nur ein $eud|ler. Sen!e id^ mir 
nun einen mal^rl^aft Derel^rungSmärbigen Slegenten — unb 
felbft bie beften 9^egenten !ennen im ®runbe ber Seele nur 
il^re bgnaftifd^en Sntereffen —, mfi^te fic^ benn fo ol^ne mei* 
tereS bie SSerel^rung ed^ter reiner 3Äenf d^en ba in ber Semut 
gegen baS Oberl^aupt funbgeben? 9Bie foltte mol^l ein mal^reS 
SRanneSl^erj fo gang allgemein oon S)emut gegen einen 
9lebenmenfd^en befeelt fein, ba bod^ in feinem ©eifte bie äln« 
fid^t feftftel^en mu% ba§ jeber ältenfd^ oon 9latur bie poten« 
}iale Sered^tigung beft^t, traft feiner Talente, ^d^igfeiten, 
feiner ®eifteS« unb Seelenftdrfe ben l^dd^ften StaatSrang ein« 
sunel^men — mie eS ja bie freien Staaten alter unb neuer 
3eit fo erl^benb leieren! 3>aS barf freilid^ nie bie ^od^« 
ad^tung, bie SSerel^rung oor bem geiftig ober ftttlid^ l^dl^er 
Stel^enben auSf^lie^en ober oer!ümmem. — ^eetl^ooen mar 
freilid^ !ein f^ftematifd^ gefd^ulter 2)en!er: aber baS tief in 



— 188 — 

iffm wnxiüvht dkred^tigleitSgeffil^l trieb U^ottig jit deittn 
waffxt Sßttnber von äBeltiueiS^t auS feinem OeifteSfd^ad^te 
l^roor. Soit biefem Sefi^töpttttlte oitS fiitb oOe brannten 
3uge feiner vermeintli^n dd^roffl^t jn belend^ten. 

— ^ ganjen, bemerfte t^ntann baju, teile id^ 31^ 
älnfid^t, mie id^ benn and^ glaube^ ba| eine berattige ^ei* 
l^eitdibee ftd^ in einet Stepnblit freier Seiftet wol^I bntd^« 
fähren l&^t: oQein bie 9Ronard^ie nntgl&njt ein gel^intniS« 
voUtx ®lorienf(^ein, bet n)ie aOeS Don 0otte8 ®naben nun 
einmal bie S>enmt an fid^ bannt. 

-- 3)ie 3^ee bet Sr^ei^rit, entgegnete Sbgat, !ann {id^ 
bod^ vot>fjl, menn and^ fd^met, in SSoIffommenl^eit mit bet 
^htt bet SRonotd^ie oetttagen. 

<£in lend^tenbeS Sßott :gfefn gilt mit gemiffetma^en als 
OffenbatnngSfd^Iftffel sut Sdfung all betattiget SSetl^&ltniffe. 
^m (Svangelium 9latci (2, 27) ift alfo in lefen: „3>et Sab* 
batl^ ift nm beS äRenfd^en miSen gemad^t, nnb nid^t bet 
ältenfd^ nm beS Sabbat^S mitten."*) 3)atan8 l&^t fld^ fel^t 
einf ad^ bie ptaltif d^e Ülnmenbung auf 9legietungen unb Staats« 
obetl^dupter mad^en. @o mie eS Diele gegeben l^at nnb nod^ 
gibt, bie ben Sabbat)^ als eine Sltt ^l^antom obet $etifd^ 
Detel^ten, fo gefd^iel^t eS bei melen mit ben Stegietnngen unb 
mit ben (StaatSobetl^&uptetn: 2)iefe gelten fold^en gemiffet« 
ma^en olS etmaS, baS ganj nm feinet felbft mitten ootl^anben 
}u fein fd^eint. 

3)0^ baS äSoaSgange ift nid^t um bet jlemeiligen Süegie« 
tung mitten, obet nm beS jemeiligen l^ettfd^etS mitten ba: 
fonbetn bie 9tegietung, bet jemeilige ^otentat ift nm beS 
äiolfeS mitten ba. Unb getabe oon biefem fittlid^ teligiöfen 
@tanbpuntte auS mdd^te id^ beS meiteten behaupten, ba| 
aud^ in einet SRonatd^ie bet mal^tl^aftige SRenfd^ ol^ne alten 



lOPTOV. 



— 189 — 

3>emutöfd^ein bie (Staffeln gutn ^Sd^ften ernimtnen fann, 
loenn er ftd^ eine l^o^e Ihtnft }tt eigen gemad^t l^at: bie un« 
fd^fttibare ftunft beS (Sntbe|rren8. — 9ßag l^eigt benn aber« 
l^aupt 2)emttt? 3>ie S)emut bebentet in i^rent ®runbferne 
nid^tS anbereS als eine @eIbfteidFenntnii$ wn nnferer 9lid^tig« 
!eit unb ^inf&lUg!ett. (Sx^ä^ant ber n^al^rl^aftige SKenfd^ an 
anberen SSorjäge beS ©eifteS ober bed ^ergenS, bie er felbft 
nici^t befi^t, fo toith x^m biefeS (Srtennen eine gen)iffe ®l^r» 
furd^t ober @d^en oor biefen anberen einflößen ; er voxtb fid^ 
i^rem |öl^eren Sßefen gern unb wiQig beugen. — Qm M« 
ben)U$tfein ber Sltenfd^l^eit tl^ront ed feft unb !Iar^ ba^ bie 
©eelenreinl^eit bie ®eifte8ft&rle nod^ äberragt. @o ift ber 
befte äßenfd^ jugleid^ ber n)eifefte unb in äBa^rl^eit ber @ott 
feiner äBelt. — ®o ift e8 aud^ 8^ Derftel^en, ba^ felbfl gro§e 
®eifter il^re ^ulbigung unb SSerel^rung bereitn>iSig ben 
grauen barbringen, xoM biefe int aQgenteinen reineren, ebleren 
<^er)enS ftnb afö bie Sn&nner. Slber n^ol^I jeber 9Renfd^ ntu| 
einmal im SSergleid^ ju anberen feine @d[iranfe na^ ber 
@eite be8 (SeifteS, ober nad^ berjenigen be8 ^rgenS, ober gar 
nad^ beiben ©eiten l^in n^al^rnel^men; @runb genug sur ^tmnt 
fär il^n. Unb mer'iS an feinem 9)^tlebenben erfaffen !ann, 
ben len!t feine SBefonnenl^eit auf oerüdrte ®eifter ^in. äBer 
feinen Slid nad^ oben te^rt, ber mirb ftd^ fd^neQ genug 
feiner Ol^nmad^t, @d^n)ad^]^eit, ia feiner Sänbl^aftigteit 
bemüht. 3^ fittlid^er ber 9nenfd^ xoxxi, befto bemütiger mirb 
er in feinem 3>nnern, mftl^renb pd^ ber pl^arif&ifd^e SDlenfd^ 
gern fftr ein a»ufterbUb aOer 2;ugenb l^&It. Unb treibt eg 
enblid^ gar einen tieffinnig ftttlid^en ®eift mit äRad^t an, 
bie ®&nben anberer auf fld^ ju nel^men, bann gelangt er 
ooQenbg jur innerlid^ften 3)emut. 

-< 2)a8 ^&tte id^ bod^ ma^rlid^ nid^t gebadet, rief ^nU 
piuS in einem Slnfluge iooialen ^morS auS, bag bie 93ee« 
tl^ooeufd^en SD^fterien ^ffutn noc^ ben ®inn fär bie d^rifl» 
lid^en SVlpfterien offen gelaffen l^aben. 



~ 190 — 

— 9Q8 Seiner) toiQ i^ biefe Semerfutig xoofjl l^nnel^men, 
entgegnete (Sbgar, benn 3^rem (Srnfte traue xi) bie (Srfennt« 
nis }u, ba^ bie 93eet]^ot)enfd^en Sl^fterten mit benen beS 
(Sl^ri^ntuntS in innigem B^f^^i^inenl^nge (teilen, mie ja aud^ 
vooffi. laam ein anbetet äRuftfgeift in fo ^ol^em 9Ra§e bie 
innigfie Setfd^ioiftetung bet fSfbxfil unb bet 9leIigion offen» 
batt l^at, wie 93eet]^ooen. — 

Unb nun no6) einmal bie 3)emut8ibee. 2)ie meiften 
iDteufd^en bemeifen fd^on bamit baS ^alfd^e il^tet 3>emut, 
ba^ fie ftd^ felbft t)ot unmetten^ unfaubeten äRenfc^en be« 
mutigen, menn fle babutd^ matetieSe SSotteile etmatten 
!önnen. 3lbet ein fcttlid^ fteiet anenfd^, bet mit ^o^et Jttaft« 
anftrengung bie ftunft beS Gntbel^tenS ettungen l^at, fäl^lt aud^ 
ben 9Rut unb bie @tdtfe in fid^, j|ebe Sput von unpaffen« 
ber 2)emut gegen feine SRitmenf^en auS feinem £ebenS!teife 
3U bannen. Qn biefem @inne fptid^t benn aud^ @d^inbter 
baS tteffenbe SSSott übet 9)eet]^ot)en8 eigenattig freien @;^atafter 
auä: ,,^bfolute ^reil^eit im Xun unb Saffen nad^ jeglid^er Seite, 
menngleid^ von jammern unb SEBe^flagen begleitet, einjig unb 
allein eingefd^r&nft burd^ baS (Sittengefe^ — barin beftanb 
bie SebenSnorm biefeS ejrseptioneQen ۤarafter8." 

äBie foEte alfo mol^l ^eetl^ooen, ein SRann riefengro^ 
an @eift unb Seele, gegen &u§erlid^ ^od^ftel^enbe befonbere 
%tmut empfinben ! Unb nimmermel^r t)erfagte er ben @ro^en 
beg iReid^eS, mofem fte nur 9(bel ber (Seele ober beS ®eifte§ 
befagen, feine tiefempfunbene <Sl^rfurd^t. 

— ®egen men benn ium Seifpiel? fragte ber immer 
nod^ ffeptifd^e 93ulpiu8. ^6) l^abe immer gel^ört unb ge« 
lefen, ba^ ^eetl^ooen aQe ®ro^en mie feineSgleid^en be« 
l^anbelt ^abe. 

— ^aben Sie einmal einen (SinblidC in SBeet^ooenS 
iBriefe an feinen l^od^oerel^rten ^reunb unb Sd^üler, ben (Sr)* 
^erjog 9lubolp]^ Don Öfterreid^, getan, bie Dr. Submig 
9titter oon ftöd^el l^rauSgegeben, bie bann aud^ S. 9lo]^l 



— 191 — 

htm II. Sanbe feiner SBeell^ODenbriefe einverleibt l^at? fragte 
@bgar. 

— Seiber nein, lautete bie Stnn^ort. 

— 9lttn, ful^r (Sbgar fort, id^ glaube jUDerfid^tlid^, ba^ 
@ie unb leber anbere, ber bieS einmal unternintmt, fid^ f opf « 
fd^ättelnb fragen roixb: bin id^'g ober bin id^'S nid^t? @inb 
baS in äßal^r^eit briefliche SrgAffe beS unS äberaO als älu3» 
bunb oon ^o^mut unb @d^roff^eit beleumunbeten Seetl^ooen? 
SSielmel^r n)irb banad^ ein fiefer, ber etnia ein befonbereS 
^0% oon ^reil^eitSfto^ befi^t, befennen muffen: id^ ^nbe mit 
nid^ten ben feuerftolgen ^eetl^ooen barin, mol^l aber einen 
ganj bemutSooQ ergebenen SRenfd^en. Unb ad benienigen, 
fo gegen ^eetl^ooen ben fteten äJormurf erl^eben, il^m l^abe 
baS „^lämlein 3)emut" gefel^lt, mirb er jornglül^enb ent« 
gegen^alten: il^r ^abt entmeber Ud bie Unmal^rl^eit gerebet, 
ober il^r feib inbejug auf ^ttti)ot>tni Sl^arafter bobenlofe 
J^gnoranten. ^n SQSirflid^eit atmen alle Briefe Seetl^ooenS an 
ben @r)]^er}og unb fpäteren ftarbinal^lSrjbifd^of Slubolpl^ 
tieffteS (Sl^rfurd^tSgefül^l; mand^e gemal^nen entfdifieben baran, 
bai aud^ ber unabl^dngigfte aQer großen ®eifter htm ätb« 
l^angigfeitSflttd^ feinen Slribut jal^len mu^te. — 3d^ er« 
laube mir ^i^mn jmei groben auS biefer ftorrefponbenj 
mitzuteilen. @nbe beS 3^^i^^ 1818 l^atte biefer „er» 
^bene @d^üler unb SRufengönftling", Srjl^ergog 9^ubolpl^, 
feinem Sel^rmeifter felbft fomponierte SSariationen bebijiert. 
Unterm 1. ^^i^^^i^ ^^^^ fd^reibt nun ^eetl^ooen an feinen 
erjl^ergöglid^en @d^äler: ,,SReinen S)an! fär biefe Überrafd^ung 
unb ®nabe, momit id^ beel^rt morben bin, mage id^ meber 
mänblid^ nod^ fd^riftlid^ auSjubrädCen, ba id^ ju tief ftel^e, 
aud^ menn id^ moUte ober eS nod^ fo l^ei^ münfd^te, @leid^eS 
mit Oleld^em ju vergelten." fjerner im 3»ci^^^ 1823: 
,,nnter bem @d^atten eines gränenben, 'l^rrlid^e ^räd^te 
tragenben Raumes ebenfalls grönen )U bärfen, ift ein Sabfal 
fär äl'tenfd^en, meldte baS ^öl^ere fäl^len unb gu beuten oer» 



— 192 — 

mSgen. 60 ift mir aud^ unter her ilgibe O^rer Jtaiferlid^en 
^o^eit." 

— $ii) bin ]^od^ erftaunt, fagte 93ulpiu8; bod^ hcß ftnb 
wol^lsumei^ Briefe auS ben fp&teren SebenSjol^ren beS SReifterS. 
^n ber Sülle feiner ftraft wirb Seetl^oven votlffl nid^t fo 
beoot gef^rieben l^aben. 

— SHefe SBriefe^ belel^rte (Sbgor, beginnen mit bem 
i^al^re 1812, alfo mit SBeetl^oi^nS 42. SebenSjol^re; ber Zon 
tieffter (Srgebenl^ieit ift Don Anfang bis ju (Snbe berfelbe. — 
t^eiliii^ lann man aufS neue barauS erfennen, mie gef&l^r« 
Ud^ es ift, aus einigen ^ugerungen unb Sikgitn auS ber 
f,®turm» unb 2)rangperiobe" gleid^ ein t)oQpnbigeS (El^aratter« 
bilb entn)erfen )u nroQen. — Übrigens fdnnte id^ i^l^rer 
Kenntnis nod^ mele 3%^ ^^^ Seeti^onenS mirflid^ bef^ei^ 
benem @emäte vorlegen; id^ erm&^ne nur nod^ eine SteQe 
eines SBriefeS an feinen $reunb ben 9)aron Smtitall Don 
S)omanonec3 (t)om 3)tH 1810): ,,id^ bin l^alb in Sd^ön» 
brunn, l^alb l^ier, jeben £ag tommen neue S^ad^fragen t)on 
^remben, nmt 9e!anntfd^aften, neue äterl^&Itniffe, felbft aud^ 
in 9läd({td^t ber Jtunft, mand^mal mdd^te id^ balb toU merben 
über meinen unnerbienten Stul^m, baS ®lädt \nä)t mid^ unb 
id^ fordete mid^ faft beSmegen t)or einem neuen Unglüdf." — 
Unb mie Hingt 3^nen benn ber folgenbe ©a^ auS einem 
»riefe an bie @r&ftn SKarie t)on (Srböb^ (aus bem^al^re 
1816): ,,a3on mir nichts, baS ^ei^t^on nid^tS nichts?'' ^ft 
baS fo befonberS l^od^mutSnoU? 

— 9lid^tS weniger als baS, fagten ähtlpiuS unb ^onratl^ 
SUgleid^. 9[ber, fügte letzterer l^inju, um fo einleud^tenber 
mirb eS mir, ba^ eS fürma^r bie fd^mierigfte Slufgabe beS 
SJlenfd^en bleibt, x)oaiommen mal^r unb geredet burd^S Seben 
gu gelten. Unb bod^ mvi% man eS l^eig erftreben. 

— aber »eld^ eine ibeole SJefriebigung — lieg fid^ 
(Sbgar oemel^men — , meldte eine l^eilige ®eelenrul^e empfinbet 
ber äRenfd^, ber ftd^ bemüht ift, unauSgefet^t in biefem Sinne 



— 193 — 

an feinem 0etfte, ja an feinem ganjen Snenfd^entnm ju 
arbeiten! VLnh bann baS innere, unoergleid^Iid^e ^od^geffil^I, 
ein mal^teS ®ottfd^atten, menn eine fo l^ol^ Stufe ber 
®ittlid^!eit errungen ift! 

— 3^ftt erft, bemer!te Don SidRngen, begreife id^ ben 
fd^önen änenfd^enflol) beS ©partanerfönigS SgefitaoS, ber 
ftber ben gepriefenen <9ro$!dnig ber Werfer auSruft: „Sie 
ift iener benn größer afö xö), menn er nid^t aud^ geredeter 
ift?"*) — Unb xjon bemfelben SÄanne fü^rt berfelbe ®e* 
w&f)x8mann furj juüor folgenben ^^mnuS Aber bie @ered^» 
tigfeit an: bei aQen delegenl^eiten l^abe SKgefUaoS bel^auptet, 
„ba| bie @ered^tigleit unter aQen Xugenben bie erfte unb 
oornel^mfte fei, ba^ bie Z^apferleit ol^ne @ere^tigfeit gar 
leinen 9ht^en f)aht, unb menn aOe geredet m&ren, man bie 
2;apferfeit ganj entbel^ren fönne."**) 

— ®aS ift burd^auS rid^tig, fprad^ greimann. SEBer bie 
noQ!ommene @ere^tigfett; in beren (Sefolge bie SiQigfeit 
voalUn mug, auf feine SebenSfal^ne gefd^rieben l^at unb un« 
beirrt t)on allerlei l^emmenben (Sinflöffen biefer Saline folgt, 
— wer Äraft genug befi^t, gebulbig bie Seiben ju ertragen, 
bie fid^ im ®ebiete ber t^ttn ®ered^tigfeit beflnben, ber mu| 
naturgemäß feine SRenfd^enmürbe f o angemad^fen fällten, baß 
er ftd^ jeber äußerUd^ nod^ fo l^od^ ftel^enben ^erfdnlid^feit 
ebenbärtig erad^ten mu^; nur einem fold^en mirb er ftd^ im 
@rnfte beugen fffnnen, ber mit ber gangen ©ered^tigfeit unb 
ben Dermanbten männlid^en £ugenben eine ^d^ere ®eifteS> 
fraft Derbinbet. — 

— (Sie jlarrfflpfiger Stepubtif aner ! rief Don ©idfingen 
freunblid^ nedCenb au§. 

(^(utatd^d 9[fieftIao8, 5!ap. 23.) 
•*) „KaCroi tq) Xd^tp «avTa^^oO tr^v StxaiooiSvT^v 7i(Io)Te6€tv xtSv dprröiv* dv- 

^hovm, [v^ Mpcioc Mflto^W* Plntarchos, L 1. 

ftolif^er, S>U fBta^ »cel^oocnB. 13 



— 194 — 

— Unfer lOeetl^oven^ ertlang'S barauf aus <SbgarS 
fSftmU, max ein toastet ^offtpmfltx ber l^eiligen ©ered^tig^ 
Uxt <Sein ganjeS Sefen voox fo poQ t)on Mefer Xitgenb^ 
ba| er il^rer ftetö, im Seibe toie in ber ^reube, eingeben! 
blieb. S)erleibenbe9eet^ooenfd^reibt(1817): „^d^fdnnte 
fe^r empftnblid^ fein^ aber ber (Beredete mu^ aud^ Unred^t 
leiben {dnnen, ol^ne fid^ im minbeften vom Siedeten ju ent« 
fernen. ^ biefem @inne merbe id^ jebe $ro6e beftel^en^ 
unb man mirb mid^ nid^t roanhn madigen." S)er mutige 
SBeetl^oven fd^reibt (1815 an bie @r&fin (Srböb^): „SRit Wtat 
geminnt man aQentl^alben, menn er geredet ift.'' Unb ber 
freuben« unb l^offnungSnoIIe SBeetl^ooen fd^reibt (1820 an 
ben (Srjl^ergog 9luboIpl^): ,,2)er ^immel fenbe aQeg@ute, 
@d^öne, ^eilige, @egenSDoQe auf ^. ft. ^. ffzxab, mir ^f^x^ 
^ulb — bod^ nur gebilligt t)on ®ered^tig{eit!" — 
Übrigens mug id^ unferem ^^reunbe @id(ingen^ ol^ne feiner 
politifd^en SebenSanjtd^t irgenbmie )U nal^e treten )u moQen, 
bennod^ frei t)erfünben: mer auS bem äBefen ber ®ered^tig< 
feit bie rid^tigen Folgerungen ix^\)t, mug ber Xl^eorie nad^ 
notmenbig ein 9lepubU!aner ober Slnl^dnger einer fold^en 
Wlonax6)k fein, in ber bie Oberl^errlid^feit beS IBoIteS fid^ 
fein ^aupt mä^It, mag biefeS nun ftönig, ober $r&ftbent 
ober fonftmie l^ei^en. 

— SBie oerl^ielt fid^'S benn mit SSeetl^ooenS Slepubli« 
faniSmuS?, beeilte fid^ oon @id(ingen ju fragen* 

— 2)a^ Seetl^ooen, erfldrte (Sbgar, ein entfd^iebener Sin» 
l^änger beS ^reiftaatenlebenS mar, ift unS nun bod^ gerni^ nid^t 
mel^r munberfam* ^latoS ,,9lepublil" mar fein 3beoü[. 
@S mar ein fd^öner 2;raum feineS £ebenS, bag SBonaparte 
t)on ber SSorfel^ung beftimmt fei, bie platonifd^^republifa« 
nifd^en 3been in bie reale Sßelt ju oerpflangen. Slber bie 
jtaiferfrönung beS genialen ftorfen oernid^tete fd^neU genug 
feine roftgen träume oon emigem SRenfd^engläct unb oon 
SJlenfd^engleid^l^eit. 3)er bitterfte ®roQ über ben Ufurpator 



— 195 — 

mftete jid^ in SBeet^ot)en8 Seele. 6elbft 9lapoIeonS Xbb auf 
<Banlt ^elena lonnte ben SAeifter nid^t mit il^m auSföl^nen« 
<Sr tna^te bie bei^enbe ^emerfung: „^aV id^'S nid^t t)orauS« 
geal^nt?, id^ l^abe il^m Idngft bie Sei^entmtjtf baju gefegt'' 
9eet^ot)en meinte bamit btn Xrauermarf(^ ber Sinfonta 
Eroica« @o tief murjelte bie j^bee ber ^reil^eit unb ®leid^' 
^eit in SBeetl^ooen, ba| felbft bie ^dd^fte Betätigung beS 
@enie8 il^n mitnid^ten ju blenben Dermod^te, m&^renb ftd^ 
bod^ fonft felbft bie grögeften ©eifter 3)eutfd^IanbS nur adju« 
leidet Don biefer SBonopartifd^en Shtl^meSfonne berädten Hefen. 
— (Sin SBeetl^oüen !onnte nid^t anberS als republüanifd^ 
benten. (SS mar il^m einleud^tenb, baf bie gel^eime fßou 
fel^nng nid^t fo ungered^t malten lonnte, gemiffen (Sinjel- 
mefen bie ^errfd^ermad^t alg ein ©eburtSted^t px vttUü)tn, 
ein 9led^t, baS ein gangeS 9}olf mol^l gar einem Sd^mad^fopf 
ober einem S^rannen miUfdl^rig mad^en — , baS bie begab» 
teften @eifter einem Unmftrbigen unterorbnen !ann. (Sin fo 
angeredetes SBolten !ann nid^t im ®eifte ber göttlid^en 93or« 
fel^ung tl^ronen. {^at nun SRenfd^enmadit traft il^rer @elbft<» 
fud^t baS l^eilige Urred^t ju ^oben gemorfen, fo mu| ein 
jeber, in bem ba8 ©ered^tigfeitSgefäl^l lebt, eine fold^e fid^ 
forterbenbe Ungered^tigteit fd^merglid^ empfinben unb feine 
ganje ftraft anmenben, ber 9latur ju il^rem alten l^eiligen 
Siebte iu Derl^elfen, menn aud^ erft fommenbe ©efc^led^ter 
bie glüct^erl^eif enbe (Smte genießen lönnen. 93on fold^en 
(Smpfinbungen unb @eban!en mar ääeetl^ODenS ®eift doU, — 
ganj fo mie fein großer @etfte8bruber ^^an ^^[acqueS 
9louffeau, ber feinen riefenl^aften ^reil^eitSbrang ebenfo an 
^lutard^ n&l^rte, mie Seetl^ooen. ^dren Sie menigftenS einen 
@a^ l^ierüber auS 9iouffeau8 ,,SBefenntniffen": ,;De ces 
interessantes lectures (beS ^lutard^ nämlid^), des entrettens 
qu'elles occasionnaient entre mon phrt et moi, se forma 
cet esprit libre et r6publicain, ce caractere indomptable et 
fier, impatient de joug et de servitude, qut m'a tounhente 

13* 



-~ 196 — 

tout le temps de ma vie dans les situations les moins 
propres k lui donner l'essor." Unb nun p Seetl^ODen 
iwc&d. fionnte er mtd^ nid^t lo&l^nen, felif) etwoS jur (Sr« 
fftOnng feiner polittf(|fen i^beole beijutragen, fo moSte er 
bod^ »enigftenS dar bartun, ba| eS ber !r&fttge ältanneSgeift 
in ber OefeQfd^aft )u aOen S^ittn DöQig in feiner (Semalt 
^at, biefen 3^8 f^ineiS SßefenS ju bet&tigen, alfo burd^ouS 
geredet ju fein. S)ie eiferne SoIgeri^tig!eit biefer :3bee bei 
Seetl^ooen l^at benn freilid^ ben @d^n>ad^!dpfen üiel Ärgernis 
bereitet unb f&l^rt nod^ iet)t fort, fd^wac^ ®emäter ju be« 
unrul^igen. SBeetl^ooen fäl^Ite fid^ burd^auS frei unb wav 
jebenfaQS l^od^geborener als aSe du^erlid^ ^od^geborenen ; 
er vou^U feine Unabl^&ngigfeit )U bewal^ren, wie n)enige: 
foQte er fld^ t)or (Strafen unb dürften bemütigen, ober fie 
l^dflid^er bel^anbeln, als feine anberen 9)titmenfd^en, n)enn 
jene nid^t beffer n)aren? 3)amit n)äre er ja ungered^t ge« 
wefen. 9htr in ber ^ornt l^at eS SSeetl^ot^en l^ie unb ba 
oerfel^en. 

— 9lud^ id^, nal^m ^onratl^ baS 9Bort, mn% hierbei 
mit £ad(|en an eine naml^afte ©d^riftfteOerin benfen, bie in 
il^rer ntufifalifd^en ©tijse aber SSeetl^ooen erft t)ieIeS oon 
feiner SSerad^tung beS ^i^bifd^en erj&l^It, wofär er ftetS Don 
böfen 3)dnionen oerfotgt n>orben fei. S>ann l^ei^t eS alfo: 
„@S gibt nur einen XaliSman fär biefe bun!eln, grauftgen 
@en)alten, nur einen @d^u^ unb @d^irm gegen bie fSRaöft 
ber ^öKe: baS »lämlein 9)entut!" 

— ällfo, meinte t^reimann lad^enb, mar Seetl^ooenS 
@eele ber ^bUt, bem ^Arften £ucifer ober 93eel}ebub anl^im» 
gefallen. 9lud^ nid^t übel. 

— 9BaS munbern mir unS über biefe Slnfid^t einer 
i^rau, fprad^ (Sbgar, feit mir'8 miffen, ba^ faft aQe än&nner 
aus einer ftl^nlid^en 2:onart aber unfern Unfterblid^en reben. 
SQBir l^aben — bem ^immel fei'8 geflagt — f o oiel fd^mad^e, 
bemötig fromme @d^afe, ba^ bie freie QSntmidEelung beS 



— 197 — 

Sttenfci^entttmg immer grouenerregenbere StädCfc^ritte ma^t. 
W>tt gerabe bie fflaDen^afte S)emttt beS SDlenfd^en gegen 
Sltenfd^en bleibt bie fd^ma^t^oOfte (Emiebrigung beS SRenfd^en« 
geifteS. 

— ®enn id^ aud^ — lieg fld^ SBuIpiuS t)eme]^men — 
immer mel^r einfel^^ ba| 3)emut gegen SKenfd^en oft t)om 
Übel ift, n)eil biefer 3)emntSfd^immer jumeift ein SnSflug 
beS (SgoiSmuS ift, fo mäffen @ie bod^ aQe einr&umett, ba^ 
eines jjeben ®tmi!it 3)emut empfinben mvi% toenn eS an feine 
Ol^nmad^t gegenüber ben gel^eimniSooQen 9R&d^ten ber 9latur, 
wenn e8 an baS l^ödE^fte Urmefen erinnert mirb. $at SBee* 
tl^ooen in feinem ftolsen Setbftbemugtfeih wof^l j|emal3 
^Regungen fold^er ed^ten ^^mnt uerfpärt? ^ä) be}meifle eS. 

— 3)aS bejmeifeln @ie, ungläubiger %f)omaS'i, fragte 
@bgar erftaunt. Sd^afft man eine ^aftoralf^mpl^onie, bid^t^t 
man eine neunte S^mpl^onie, fingt man baS l^ol^e Sieb ber 
gro^n, feierlid^en ^effe, menn bie Seele nid^t gans doQ ift 
von fo ed^ten ®efü]^len ber 3)emut, mie fie ber Sllenfd^ ber 
x&tfelDoOen ©ottl^eit gegenüber notmenbig l^aben mrx^l 2)aS 
ift ia gerabe baS äRerfmal eineS mal^r^aft mftrbeooQen, 
l^ol^tgebietenben, ftolsen, felbftbemugten G^l^arafterg, bag er 
DoO ed^ter ^efd^eibenl^eit ift. Unb gerabe meil ein fold^er 
ftd^ in tieffter 2)emut bem bunflen SEßeltengeifte nal^t, meil 
er erfennt, n>ie nid^tig ba§ ganje 9)tenfd^engef(^led^t oor ber 
@otte8gemalt erfd^eint, — fann er eg nid^t bulben, bag ein 
fd^mad^er @terblid^er fid^ in eitlem ^od^mut über ben anberen 
erl^ebt, il^n ju unterbrüdCen beftrebt ifl, — eben beSmegen 
n)irb er bie l^eige Wt&i)t nid^t fd^euen, mit bem innigften 
^erjblute l^eroifc^en SRuteS gegen j[ebmebe l^immelfd^reienbe 
Ungered^tig!eit raftloS unb unbeirrt anjuldmpfen. 

— 3d^ miQ ie^t leine SBefr&ftigungen auS SSeetl^ooenS 
Zonfprad^e, fagte ähtlpiuS. ^ meig, bag Sie nie ben 
ftünfSer Dom 9)tenfd^en fd^eiben. ^ä) miä)U ^emeife auS 
beS SReifterS äBortfprad^e l^aben. 



— 198 — 

— %xä) biefe, terfet^te (Sbgar, foUen @{e l^aben, Sie un« 
verbeffetUd^er Sxo^x^Ux an Oeetl^otieitS IReinl^eit 3ttn&<^ft <^ber 
möd^te id^ ^i^nett gur abermaligen 3Qttflration beS eben 93or« 
getragenen eine überaus feinfinnige ^uferung eineS ^rangofen 
mitteilen^ ber bamit einen nteriwärbig rid^tigen (EinMidC in 
9eetl^O0en8 SBefen vttt&t ^tnvi Slage be Sur^ ftellt 
in einer SDbl^anblung über 9toffini int 39. i^al^rgange ber 
,,R6vue des deux mondes'', n)orin er nad^ ^an}ofenart 
ben Sd^wan von $efaro bis in bie SEBoIfen erlebt, über 
unferen SReifter unter anberen biefe (Gebauten auf: >,C'est 
en se respcctant qu'on 6crit la Symphonie en ^ut mineur^ 
et Toeuvre tout entiire de Beethoven/' Unb ferner: ,>0n 
dtt de Mozart ^cette chose a vieilli'; et ceia ne se dit point 
de Beethoven, II est de tous celui qui vieillira le moins^ 
parcequ'il est celui qui s'est le plus respecte." 

— S>aS ift l^errlid^, rief ^onrat^. i>a, lieber iButpiuS, 
ffdbtn (Sie aud^ einen ^rangofen, ber eS rid^tig begreift^ n>ie 
ber (Sf)axahtx bie Sd^affenSart beS ftünftlerS bebingt. 

— O! unfern ähtIpiuS n>oQen n)ir nod^ grünblid^ 
belel^ren^ ^pxa^ (Sbgar. S)ie bemutSnoQe SBefd^eibenl^eit 
SBeetl^ot^enS gegen ben Sd^öpfer beS ^intmelS unb ber (Srben 
foQten Sie eigentlid^ fd^on !Iar unb beutlid^ auS bem bereits 
mitgeteilten ®ebanlen auS jenem Siebesbriefe an bie „un* 
fterblid^e ®eliebte" er!annt ^ben. 2)iefer ©ebanfe ift x)on 
3U gel^eimniSbergenber Sd^dnl^eit, als ba^ id^ benfelben nid^t 
nod^ einmal anfül^ren foQte. SUfo, l^ören @ie mol^I: «^SSer« 
folgt Don ber ®üte ber SAeufd^en ^ie unb ba, bie id^ meine 
— ebenfomenig oerbienen ju moQen^ als fte mirflid^ ju 
Derbienen. 2)emut beS 9)tenfd^en gegen ben 9)tenfd^en — fle 
fdEimerjt mid^, unb menn x6) mx6) im ^ufammen^ang beS 
UninerfumS betrad^te^ maS bin id^ unb maS ift ber — ben 
man ben Orö^ten nennt — unb bod^ — ift mieber l^ierin 
baS @0ttlid^e beS Snenfd^en." — (Sinen weiteren SBint über 
beS SReifterS bemutSvoKe SBefd^eibenl^eit gibt unS ein 99rief 



— 199 — 

über ben (Srfolg ber OuDertAce ,,3ur Seilte beS ^aufeS" 
(op. 124) an bie 93erleger ®d^ott in Wlaxni* 3)arin fd^reibt 
9eet]^ox)en : ,,3)ie Owtttüu, toAi)^ ®ie von meinem Grübet 
erl^alten, mirb l^ier biefer Xage aufgefül^rt. ^6) erl^ielt bes- 
iegen SobeSerl^ebungen k. 9Ba8 ifi bieS aQeS gegen ben 
grd^ten Xonmeifter oben — oben — oben, nnb mit 9led^t 
(iVitxf)ii)% mo l^ier nnten nur ®polt bamit getrieben mirb. 
a)ie Srott%Uxn — allerl^öd^ft! ! ! ! ! !" — »eetl^ooen, ba8 
lenktet unS l^ierauS oon neuem ein, mirb burd^ oieleS £ob 
jur ^emut gefül^rt. (£r fül^lt ben S)rang in fid^, bem 
^öd^ften Zonmeifter oben im ^immel, @ott bem l^errn, einen 
Tribut ber SBerel^rung barjubringen, il^n mal^rl^aft „aSer- 
l^öd^ft" ju nennen, mobei bie !öniglid^en unb faiferlid^en 
3n)erglein gegeißelt merben, bie trot) il^rer Ol^nmad^t bod^ 
„aUtt^i^^" benannt merben. 

— 9)lan foQte eS faum glauben, bemer!te f^reimann, 
bag biefer SBrief oon einem Seetl^ooenbiograpl^en als ein 
äRerfjeid^en beS &u^erften ^od^mutSauSbrud^eS bargefteUt mirb. 

— 9htn fd^Iage id^ Dor, fagte oon @idKngen, ba^ n)ir 
einen furjen äßaffenftiUftanb eintreten laffen. Sittig nament« 
lid^ trin!t bie Seetl^ooenbegeifterung in fo ooQen 300^"/ ^<^^ 
er !aum nod^ @inn für bie liebe Säacd^uSgabe i^at, bie beS 
9Renfd|en ^erj bod^ fo munberfam erquid(t. ^ä) trinfe 
Sinnen ein l^erjl^afteS @täd( vor, SBittig. 

— Unb id^ folge mit Aül^nl^eit nad^, antwortete biefer. 
Sber fd^on fel^e id^ ^reunb ähtIpiuS neue Pfeile aus feinem 
polemifd^en ftdd^er l^eroor^olen. 

— 9lod^ eine Spanne (Sebulb, mein Xeuerfter, fagte 
^onratl^ ooQer 9BeinfeIigteit }U IBuIpiuS. In vino veritasl 

— SHefeS ®IaS, rief ^reimann mit l^od^tdnenber Stimme, 
meil^e id^ aü benen, bie im @eifte Seetl^ooenS bie 9)tufen> 
lunft vertreten. 

2)ie ^reunbe liefen jubelnb bie ®I&fer Hingen unb 
leerten fie, burd^brungen oon f^reimannS ®eban!en. 



— 200 — 

9lad^ man^erlei (Sd^ersen unb @d^n>&nfen würbe bie 
Unterhaltung tpieber in baS ernfte SSeetl^oi^nfd^e @eleife 
eingelenit. 93ulpitt8 fd^neOte einen neuen ^feil gegen 
SBeetl^ooen loS. 

— Qä) erinnere mid^, fagte er, in ß, 91 o 1^18 SBeetl^oiien« 
biogropl^ie gelefen ju l^aben, n^ie ft^ §rau 8ernl^arb 
in älugSburg, eine ^reunbin ^ttf)ODtnS, Aber be§ älteifterS 
©toi) auSfprid^t. (SineS 2:ageS lag bie ^tter ber ^ürftin 
£i^non)g!9, bie alte pl^antaftifd^e ®r&fin S^l^un, t)or bem 
bamalS nod^ iunQ^n 93eet]^ot)en, ber einen (Sofa))la^ behauptete, 
auf b^n Jtnieen, um il^n gum iBorfpielen gu bewegen. 3)er 
ftolae äSeetl^ooen gerul^te aber nid^t, il^rer ^itte nad^}ugeben, 
^eigt baS nid^t, ben ©toi) big inS Übermaß fteigern? SBenn 
fid^ eine fo l^od^ftel^nbe S)ante berartig erniebrigt, mö^te fx6) 
93eet]^ot)en nid^t unbebingt veranlagt feigen, il^ren SBunfd^ ju 
erfüaen? 

— SBag @ie bod^ immer mit S'^rem unerquidtlid^en 
Unterfd^iebe gmifd^en ^oc^ftel^enben unb dliebrigftel^enben 
moEen ! entgegnete @bgar in f d^roffem 2;one. 9Bann werben 
@ie eS benn einfel^en, ba| bei unferem äReifter bcS ^txou^U 
fein t)on ber Oberl^ol^eit beS @eifte8 in l^dd^fter Sebenbigleit 
obwaltete? f^reilid^ mu^ ber 99eetl^ooenfd^e @tols etwaS un« 
Dergleid^lid^ großartiges an fid^ getragen l^aben. ^dren @ie 
bod^, in wie flammenber ^egeifterung bie geniale Bettina 
t)on älrnim unter anberem in ,,@oetl^eS ^riefwed^fel mit 
einem ftinbe" baräber rebet: ^O ©oetl^e! fein Kaifer unb 
!ein ftönig l^at fo baS ^ewußtfein feiner Wla6)t, unb baß ade 
^raft pon il^m aui^gel^e, wie biefer Seet^ooen/' Unb ferner: 

\i „3Ran möd^te wei^fagen, baß ein fold^er @eift in fp&terer 
aSoHenbung al8 SBeltl^errfc^er wieber auftreten werbe/' 3a — 

— ^öre id^ wieber einmal, unterbrad^ il^n ^reimann, 
etwas oon 93ettinaS ftb^Ilinifd^er Urweig^eit^ bann erlenne 
id^ aufs neue, ba| gerabe biefe ^rau aufS aUertieffte in baS 
Sßefen biefeS einzigartigen @eniuS gefd^aut ^be. 




1 



~ 201 — 

— @e]^r nml^r, fprad^ <Sbgav. 3)od^ laffen ®te mx6) 
fortfoi^r^n. — %>cS gel^Srte j[a ger(^)e mit jur (Sro^l^ett an 
äSeeti^ODeti, ba^ er hraft feines feuerftolsen @eifteS feinen 
©tanbeSunterfd^ieb mad^en tonnte, freilid^ nur, foweit t» in 
feiner Spiere lag. 916er oud^ baDon abgefel^en, fonnte er 
]^ier6ei ni<^t anberS l^anbeln. (£r l^atte eS einmal entf^ieben 
abgelel^nt, }n fpielen. (BoQte er ftd^ nun burd^ biefe 3>emü< 
tigung einer J^od^ftel^enben ^rau umftimmen taffen? 2)amit 
iDärbe er feinem l^ol^en ©runbfo^e untreu getnorben fein. 
äBurben bie SAenf d^en bann nid^t mit 9ted^t gefagt l^ben : 
@e]^t bod^ biefen äbermütigen Äünftler an, ber er{t bann 
einen SBunfd^ erfüllt, n^enn man fid^ il^m fugfdQig na^t! 
^od^ ein ^ugfaQ barf auf einen SRann oon ber ^rt 
iBeetl^ooenS feinen maggebenben Sinbrudf l^erDorrufen. ®erabe 
n)eil er Sd^merg ob fold^er 3)emut8erfd^einungen empfanb, 
fonnte er burd^ äBiUfal^ren nid^t bagu beitragen, in einem 
SRitmenfd^en bie 9leigung }ur @elbfterniebrigung ju förbern. 
Svcm 3n)eiten 9)lale mirb eS ber @r&ftn nid^t eingefallen fein, 
por ^eetl^ooen ju fnieen. 

— SRun frellid^, menn man bie Äonfequenj fo auf bie 
@pi^ treiben miQ, bann fann id^ 3^nen faum Unred^t geben, 
bemerfte SSulpiuS. 3lber n)aS foQ bann auS ber ®efeQfd^aft 
werben? 

— S)ie ©efellfd^aft, lautete (SbgarS Slntmort, mörbe an» 
fangen, il^ren gleit nerifdf^en Sägenfd^immer ju verlieren« 
^ören ®ie nod^ ein anbereä ^eifpiel t)on ^eetl^ooeng cd^t 
m&nnlid^cp Sluftreten an. 3^ S^ren beS fänftlerifd^en ^rinjen 
SouiS Serbinanb t)on ^reugen n)Urbe einmal n)&]^renb 
feines 93efud^eS in äBien (üxoa 1803) ton einer abelSftolsen 
<®r&fln eine 9lbenbgefellfd^aft Deranftaltet. ^[ud^^eetj^onen, 
htn ber ^rinj l^od^ verel^rte, nnirb eingelaben. 9lebenbei be« 
merfe id^, ba^ unfer SReifter bei feinem Slufentl^alte in 93erlin 
über ba8 ©piel be8 ?ßrinjen alfo geurteilt- l^atte: „er fpiele 
gar nid^t prinjlid^, fonbern mie ein ed^ter SÄufifer" — eine 



— 202 — 

äluferung, bie ienev geniale ^tn; oft mit freubigetn (Stolje 
anfahrte. — 3n biefer SbenbgefeQfd^aft lourbe nun aber ein 
Xifd^ befonberS ffir ben ^rinjen unb ben l^ol^en älbel ge> 
bedt. @obalb SBeetl^ooen bieS fal^, fptang er unter berben 
3orne8auSbrfld^en auf, nal^nt feinen ^ut unb Derlieg ben 
@aal. 9Birb eS viele geben, bie fo für bie verlebte 3Renfd^en« 
iDärbe eingufte^en bereit finb? 

— ®txox% nx6)t, \pxa6) ähtIpiuS. Q^ ben^unbere 99ee« 
tl^ooenS auftreten, n)enn id^ mir aud^ nid^t Derl^el^len mag, 
ba| er babei mie aud^ fonft meifer getan l^&tte, aQ biefe$ 
in manierlid^eren formen ju bemerffteQigen. — SKber id^ be« 
munbere il^n barum nid^t n)eniger. — ^ebenfaKS l^at ^rinj 
Souig ^erbinanb unferm SDteifter red^t gegeben. SBeranftaltete 
er felbft bodE) balb banad^ ein ^efteffen, moju er SBeet]^ox)en 
einlub, il|m an feiner Seite ben $la^ anmieS, m&Iirenb baS 
Vis-ä-vis beS 9Reifterg jluft jene abelsftolje ®r&ftn bilben 
mu^te. — a)od> baran erfennen mir SÄuflfer t)oIlenb8 mieber 
b^n %lui) ber 9lb]^dngig!eit. SBir l^aben für unfer elenbeS 
gortfommen fo ferner ju fSmpfen, ba§ mir meber Jlraft 
nod^ S^it bel^alten, um für bie verlebten äJtenfd^enred^te ein« 
aufteilen. 

— ®ie (Sd^ulb, menbete greimann ein, liegt tielmel^r 
baran, ba^ aud^ bie 9)^fifer am äJtaterialiSmuS franfen. 
Sß&ren biefe meniger materiell, lebten fle mel^r im i^bealig« 
mnS ber ibealften Aunft, fte mürben aud^ l^öl^eren ftttUd^en 
3)tut U^l^^n unb bamit gegen ben falfd^en Stünbeftolg an« 
!&mpfen, ber mitnid^ten auf flttUd^er ^afiS berul^t. ^nn 
bie SRenfd^en felbft in fo überaus fd^mad^ooQer SBeife ben 
großen (Sd^m&d^en ber &u|erlid^ beoorjugten @t&nbe ent' 
gegenfommen, bann foQten fie ftd^ bod^ menigftenS f^&men, 
über bag meitere SBeftel^en T)on 3uftünben ju Hagen, bie bem 
gefunben SWenfd^enoerftanbe fort unb fort ^ol^n fpred^en. 

— ffiä ift aber aud^, fagte oon ©idKngen, eine gar ju 
fd^mierige 3lufgabe für ben äRenfd^en, ftd^ bie ooQe Unab^ 



j 



— 208 — 

l^&ngigfeit ju erringen, ^ür eine banad^ ftrebenbe @eele er» 
I)e6en ft^ fa Dielfeitige ®d^n)ierigfeiten, ba^ bie n)enigften 
nad^ biefent l^ol^en fRul^me geijen f dnnen. StUein ani) x6) laffe 
mir ben ©louben nid^t nel^men, ba^ in erfter Sleil^e ber 
tüa1)xt jtünftler fraft feiner g5ttlid^en Begabung biefe $od^» 
n)ärbe bei^ SAenf^entumS nnauSgefe^t anftreben mn% ^\t 
benn nid^t ber ed^te ftänftler mit ber SeibenSpalme ein Dor» 
nel^mer Seigrer ber SKenfd^l^eit? 

— 911^! Sie fangen Äunftfeuer, rief Sbgar freubig be» 
megt au8. ^a, menn nur mtU Äönftler eine berartige 9ln» 
fd^auung ju il^rem ©eifteSeigentum mad^en moQten, mal^rUd^ 
— bie Kunft mörbe mie nid^tS anbereS bie Seelen ber 
SRenfd^en immer mel^r t)on aQer il^r anl^aftenbeu Unlauter» 
teit, Unreinl^eit befreien. (Srm&gt man nun t)oIlenbg, ba^ 
bie SOlufüer ben mürbet)oQften ber SReufd^en gu ben ^l^ren 
i&f)Un bürfen : bann mdd^te man t)or Sd^merjenSunmut t>er» 
gelien, ba| ber gro^e ^eetl^oDen nod^ immer fo fpurlog an 
ben 9)tuft!ern t)oräber3ie]^t, bag bie Seit feine 2:onmad|t 
preift unb t)er]^errlid^t^ ol^ne für baS ©eelenl^eil ben auS i^r 
ftrömenben (SrldfungSglanj ju fd^öpfen. 

— ©ie oerfünben 95eetl|0t)en ja al8 eine Sttrt SWenfd^en» 
l^eilanb ! rief 93ulpiu3 Dermunbert aug. 3<^ ^^^^ immer nod^ 
einige ffeptifd^e Semerlungen gegen feine ÜRenfd^enl^ol^eit in 
öereitfd^aft. 

— Saffen ©ie ^ören, fagte Sbgar. 3^ wiberlege 
3l^nen aUeS. 

— Sie merben bod^ einräumen^ begann ähtlpiuS, ba^ 
bie 3)anlbarfeit eine feinegmegg ju unterfd^&^enbe Xugenb ift. 

— 3>arin ftimmen mir PöQig , überein, tjerf etite öbgar. 
%x^ id^ mvi^ ber 3)anfbarleit einen mid^tigen Zugenbrang 
einräumen» 

— 3^ flni>^ «M«/ ftt^^^ aSulpiuS fort, ba§ SJeetl^ooen 
biefe a;ugenb nid^t feiten auger ad^t lieg. ÜÄugte il^n bie 



— 202 — 

'jnl^nRig, Mc' [RHC gwritrif ^htsi oft nrit iiiiibiy QoM* 
OKfi^ttE. — ^ titc^ Xtenbajcfefl^t^cft nKbe tm afac (ts 
£f^ Ocfuutei'S ffc bst ^TTinfii mb bcit ^rtiH SDH 9^ 
OnCt 'SabKÜi ^Tft^fftTiT bös fa^, finmig er anttr tefn 
i^nuMSmäcät^Bi (nif, as^nt fernen $itt mal okucs of 
■ShO. 9iib fS oicie gcfai, bte fo fSr bie nede^ 9b^i^ 

IVälbC l9U^ll(ll(|CB fRVRt fhtb'? 

— ®api§ nii^t, fpxni^ Stt^iiiift ^t^ tennniteie Stt' 
tf Mw eitf SuftntBi, nmii it^ ikx <otäf nit^ a g^tt i ifw vs> 
boS ec baäcT vie ou^ io'^ mcifer getan ^Itf, ou DKttä 
in flBnnffrftfflrrnr praLjjivii nt TfnffffTffTiltftfTi — ^ ^t^t tc^ u^ 
naabeiz i^n barmtt iri^t lorargiT, — ^)eba[fTiS8 tfot ^:ng 
2maS '^eünxamii imferm Sefta m^t gegefin. S wmiftritfte 
ec ie£&^ ba^ ^"^ baixaä^ ein ^efieffai, loi^ ec ÄetfcBM 
Einbib, i^tn an feiner t^rrtT ben ^la^ mnonä, wntprfti^ btä 
Vi»^vta beä StetfterS infi irne obeläfiD^ «Eöfta fiäbrii 

ben ^liu^ bec Xfi^ängi^it. Sir Ifaimt pr nnfec dadttS 
^^artfotmnen fa fdintec ju fänqifen, bK§ Bitr m^Kc traft 
1104 3^t i^iaitm, um fftr bie oede|ten Senft^eniedtte etn^ 

— ^te <S^^ttQt. «enbete gcri i au a n eär, ficgt anlBH^ 
bocan, bofi as(^ bie 9Iufitei an WnlrrinfTBanm Cbmmi> 
'Baten btefe »rai^ anäerteO, lefttcn ffe an^ im 3Nfe 
inws ber 

aRut Kftt 
faRpftR, 

bie 9lenfi 



jiefmbdt 

— I 

fc^orienge 



(«am, J. äiMMiänja. min J^' 



3Qn ünc uBii . 




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— 204 - 

2)anf6arfe{t fär bte äßol^Itaten fo oielec l^ol^er (Kdnner nid^t 
anfpornen, ein 6efd^eibeneteS unb rüdtftd^töooIIereS äBefen 
gegen 9R&nnet »ie Sid^nowSfq, &of>tovs>x%, AtnS!^, 
9tafuini)n)Sf9, gegen mete anbete ^Arften nnb @rafen 
unb t)or allem gegen ben (Srjl^ersog 9flubolp]^ an ben 
ä^ag ju legen? 3d^ table e» nimmer, ba^ ber Sneifter <9elb 
unb dtunft ber 9ieid^en unb SSornel^men nid^t t>erf<i^m&l^te, 
iebod^ table id^ ben SRangel an geb&l^enber (Sdenntlid^ieit 
für fo uneigennä^ige Sßol^Itaten. SBürbe ^eetl^oDen ol^ne 
feine l^ol^en @dnner fo unabl^&ngig in feiner S^affenSfraft 
bageftanben l^aben? 

— @o nneigennü^ig, mie ©ie benten :— nal^m {^onratl^ 
baS SSBort — maren bie SBo^Itaten bod^ nid^t Si^ laffe 
l^ier am geeignetften bie fd^dnen ®eban!en au8 (BottfftS 
2;affo für mid^ reben, bie Seonore über ben ^eiligenfd^ein, 
mit bem ber @eniu8 aUeS in feiner Umgebung beftral^It, alfo 
oortr&gt : 

„Utib e8 ifi oorteUl^aft, ben C^eniud 
Setoirten: gibft bu i§m ein (Safkgefd^enl, 
@o (ft(t er bir tin (dßntxtd aurüd. 
^ie &&ttt, bie ein guter 9}enf4 betrat, 
3ft etngeweil^t: nad^ l^unbert Sauren Hingt 
@ein äBort ttnb feine %at bem ®n!e( nieber." 

Sßie gef&Qt :g[^nen baS, ähtIpiuS? 

— ®a8 ift ganj fd^ön, entgegnete biefert aHein bie 
$f{id^t bie Sanibarfeit mtrb aud^ bann nod^ nid^t aufgel^oben, 
n)enn eine SBol^Uat einen fd^mad^en Slnftug t)on (Sigennu^ 
im ^intergrunbe l^at. 

— 933enn Sie biefem ganjen ®inge auf ben @runb 
gelten, fprad^ je^t (Sbgar, bann merben ®ie mol^l eingeftel^en 
muffen, ba^ bei 99eet]^ot)en eigentlid^ fein triftiger Sniag 
3ur 3)anfbar!eit oorlag, ba^ er ftd^ aber nid^tSbeftomeniger 
als burd^auS banfbar ermieS. Unbegreiflid^, lieber SSuIpiug, 
mar e§ mir in ^^[l^rer 3)ebuItion befonberS, ba^ @ie ben 



— 205 — 

@t}]^er30g 9luboIp]^ gu SBeetl^ooenS Stadtteile l^etDOtl^eBen 
ju tnäffen glaubten. Erinnern @ie fld) benn nid^t mtf)x, 
ba^ td^ ^l^nen gerabe ^eetl^ooenS Briefe an btefen genialen 
gfirften al8 ein nierfroörbigeS Seifpiel Don Seetl^oöenS 
Säefd^eibenl^eit, ja t)on feinem Untert&nigfeitSfinn fd^Ubern 
fonnte? 3)od^ nun weiter. @ie fennen SBeetl^ot^enS Seben 
unb n)iffen bentnad^, ba^ ber SJleifter fel^r balb nad^ feiner 
anfunft in SBien (1792) burd^ fein überaus geiftooQeS 
^aoierfpiel roit burd^ ba§ in ber SJhtftfgefd^id^te n)o]^I 
einjig baftel^enbe improüifatorifd^e S^alent bie Slufmerf famfeit 
ber erften SBiener OefeUfd^aftSfreife auf jid^ jog. SBergegen« 
ro&rtigen ©ie fld^, meine Sieben, ba§ ber bamalige Slbel 
SBienS, überl^aupt Öfterreid^^UngarnS, von einer mufifalifd^en 
99egabung unb ^egeifterung erfäQt mar, mie lein anberer 
©tanb. Saft jeber SBornel^me t)eranftaltete in feinen SÄÄumen 
größere ober Heinere Äonjertauffül^rungen unb belol^nte bie 
Seiftungen ber 3Äufifer mie ein mal^rl^after 3Rdcen. 2lu(^ 
^eet]^ot)en marb fd^neQ gu aUerlei JSongerten l^injugejogen. 
©eine munberbare Originalität, jumal in ber freien ^l^an« 
tajte, üerbunfelte aßeS neben fid^. 6in 2lbliger bem x)or» 
nel^men SQSortfinne nad^ mar l^ier in erfter Sfteil^e gürft Äarl 
von Sid^nomäf?. — Sluf meldte SBeife fottte ein SWann, 
mie Seetl^ooen, für bie l^ol^en Äunftgenüffe, bie er vor attem 
in biefen fürftlid^en ©alonS ber ©efeUfd^aft in fo reid^em 
aRage fpenbete, materieß belol^nt merben? S)enn Seetl^otjen 
mar uuDermögenb, — barum brandete er feine 3^it- — ®i^ 
Sid^nomSf^S unb anbere SSornel^me l^aben gun&d^ft ba§ un« 
beftrittene SBerbienft, 93eet|ot)en8 ]^en)orbred^enbe m&d^tige 
Originalität rid^tig erlannt unb gemürbigt ju l^aben. görft 
Sid^nomgf^ t)ergalt nun feinerfeitS ben ^od^genug, ben il^m 
öeetl^oüenS Äunftgenug bereitete, junäd^ft burdt) ein ^ai)u 
gel^alt für ben erft merbenben 3Reifter; bann nal^m er il^n 
in fein $au8 auf, um il^n immer mel^r an ftd^ ju feffeln. 
Sreilid^ ^atte SBeetl^ouen nid^t nStig, bafür auSbrüdEIid^e 



— 206 — 

IBerbtnbl^f eilen gu fiberne^men: aQein ftiUfd^iDeigenb fenfte 
ftd^ aus biefer fürftltd^en Sßo^ltat ^erauS bie ^eilige ^flid^t 
in Seetl^ooenS ©eele, feine mufifolifd^e Stxaft ftetö fflr ben 
^ärften in SBereitfd^aft ju Italien. S)a8 n)ar olfo nid^tS 
n)eiter olS eine 9[rt 3(u8taufd^ ber ben 3)tenfd^en verfd^ieben« 
artig oeiliel^enen @üter« Seetl^open reid^te baS geiftige ®ut 
für baS empfangene irbifd^e bar* — SCBoQen ®ie bie dtid^tig» 
!eit biefeS ©tanbpunfteS anfeilten? 

— 3^ ^u§ geftel^en^ antn)Qrtete 93ul|>iu8, ba^ mir ein 
fold^er ®tanbpunft gang unermartet entgegentritt. 

— 3wmer auS ein unb berfelben Urfad^e, belel^rte (Sbgar, 
meil ®ie fld^ nod^ niemals in ben (SffaxatUt ^eetl^ooenS 
vertieft l^aben. Q6) fal^re nun fort: SBir bärfen mol^I an» 
nel^men, ba^ ^eetl^ooen baS fefte 93emtt^tfein t)on bem l^atte, 
n)aS er Sid^nomSf^ unb anberen @ro^en für bie il^m ge« 
n)ä^rten @äter barbot. älber fein ed^teS ©efül^I ber 2)anf« 
bar!eit lie^ eS nid^t babei ben)enben. 9Ule biejjenigen^ bie 
ftd^ irgenbmie um il^n oerbient gemad^t l^atten^ mürben mit 
äBibmungen unfterblid^er 2:onfd^öpfungen bebad^t. — &nU 
bed(en @ie eS mir bod^: mag mürbe bie ©efd^id^te t)on tenen 
fiid^nomSf^S, oon Sobfomi^, ^ing!^, oom (Srgl^ergog 
^nbolp^, oon oielen anberen f^ärften, ®rafen^ 93aronen 
unb ^anbelgl^erren mel gemußt l^aben, menn bie l^el^re 
@eifte8fonne ^eetl^ooeng il^nen nid^t einen ©tral^l ber Un« 
fterblid^feit oerliel^en l^ätte. ^^ rmi)i Seeti^ooenS Stul^m 
xon^S, befto mel^r mu^te er aud^ felbft oon einem fo ge» 
redeten 93emu§tfein gel^oben merben. — 3)ie . erften dürften 
beg SlaiferftaateS mürbigten nur ooUfommen bie ^ol^eit feines 
©enieS, al8 fte 93eet]^ooen eine fefte 3<^^^^Srente auSmarfen, 
um il^n gu oerl^inbern^ eine il^m angebotene StapeQmeifter« 
mürbe beim Könige oon äßeftfalen gu befleiben. 3)iefe $anb« 
lungSmeife gereid^t ben brei Ferren: Grgl^ergog dtubolpf), 
gürften Sfofepl^ oon Sobfomife (^ergog gu SRaubni^) 
unb gürften gerbinanb oon ftinSf^, gu unoerg&ngUd^er 



— 207 — 

<Sf)xt. aitan fill^lte bie l^ol^e SBebeutung beS ^eetl^oDenf^en 
©enitt« für bie Raiferfiabt. — ®er SJleifter jcbod^ burfte fld^ 
burd^ biefe ^eunbfd^aftSbeiDetfe fd^Ied^terbingS nid^t v^x^ 
anlaßt feigen, von feinen feftauSgeprägten ©runbfd^en beS 
Gebens ab3Un)eid^en. SBoOten biefe ^ärften unb eine Segion 
anberer Ferren bie ^reunbe eines Seetl^ooen l^ei^en, bann 
mußten fie ouä) n)iffen^ rocS gur ^reunbf d^af t gel^drt, bajl e§ 
nintnterntel^r f^rennbfd^aft genannt n^erben barf, votnn ein 
^reunb ängftlid^ vor bem anbeten cerentonielte 9lädftd^ten 
beobad^ten .ntu^. 2>aS 9Rer!n>ärbigfte baran mag eS fein^ 
ba^ jene oornel^nten, l^od^gebietenben Ferren eS ganj in ber 
Orbnung fanben, rotttn ber SReifter mit il^nen burd^auS alg 
mit feineSgleid^en umging. 2)enn fte l^atten in SEBal^rl^eit 
(Sl^rfurd^t t)or ber ®naben]^errlic^!eit beS ©eniuS, — m&l^renb 
eg unterfd^ieblid^en Slutoren ber @egenmart Dorbel^alten bleibt, 
barin eine Unjol^I blauer SSunber ju erblid^en. 

— aWid^ aber foöten ©ie nid^t mel^r ju biefer Tutoren« 
gunft iSüfUn^ fptad^ SSuIpiuS. 3^ befenne reueuoK, ba^ id^ 
in Dielen fünften unferen äßeifter oerfannt l^abe. Unb 
menn id^ Sinnen nun bod^ nod^ nid^t gang ^eereSf olge leiften 
f ann, fo liegt bieS an ber (Sigenl^eit ber SSorurteile aber» 
]^aupt, bie leidster einmurjeln, als ftd^ entmurgeln laffen. 

— Sie glüdtlid^, ^erfe^te (Sbgar, mad^t mid^ ^l^r mert« 
voüzS S^S^ft&n^n^S/ teurer 93ulpiu8. Senn @ie unb anbere 
IDtufiler mit ^^mn bod^ anl^altenber unb intenfi^er auf ben 
SRujtfgeift als fold^en läufigen moKteur fo oft fid^ ^^^nen bie 
©prad^e ber SAuftt Dernel^mbar mad^t. @S ift meine felfenfefte^ 
unerfd^ätterli(^e Überjeugung, ba^ fid^ t)on ben @d^öpfungen 
eines 2:onf&ngerS immer ein fidlerer 9täd(fd^lu^ auf feinen 
G^l^arafter mad^en lä^t, mie aud^ umgefel^rt t)om Sl^arafter 
eines SDtenfd^en auf feine ®eifteSmer!e. 

— ®ine fold^e Slnfld^t^ bemerfte gj'^eimann, l^at mel 
äSerlodCenbeS an ftd^. 3<^ f^^^bft gmar fann mid^ no(^ immer 
nid^t red^t mit il^r befreunben, obgleid^ ja f ogar neuerbingS ein 



- 208 - 

getftooQer 9Ratin, (Sugen S)ül^ring, in feiner „!ritifd^en 
@efd^d^te her ^l^Uofopl^ie", wof^i pxm erften Stole ben 
gl&njenben SSerfud^ gemad^t l^at, antl^ in ber ^l^ilofopl^ie 
eine jebe 3nbit)ibualitdt auf il^re ©efinnung ju präfen. S)a» 
bebeutet bann nid^tS anbereS, alS bei jebent ^l^Uofopl^en ha» 
SBiffen nnb SBoQen jngleid^ in 93etrad^t ju jiel^en. 

•— 9lun, maS t)on ber ^l^ilofopl^ie nnb überl^aupt von 
ber SEßiffenfd^aft gilt, erüärte ^onratl^, baS Id^t ftd^ mol^r« 
1x6) mit größerem Üted^te auf bie ftunft anmenben; benn bei 
biefer ift baS ^tmüt baS entfd^eibenbfte 3)tontent. 

— S)anad^ n)ürbe man alfo bered^tigt fein, fagte fSnU 
piu§, ani ber übergroßen etl^ifd^en ^ol^eit, bie unS au§ 
Seetl^ooenS 2:onbi(^tungen entgegenftral^tt, ol^ne weitere ^tt^ 
mittelung auf bie große @eeIen]^ol|eit feineS Cl^aralterS einen 
fidleren @d^luß )U ^iel^en. Bene, me hercule! 

— @ang entfd^ieben! unbefd^abet ^l^reS ^erluIeStumS^ 
befräftigte (Sbgar lad^enb. SBaS ift benn bie Urfad^e, baß 
felbft unfere beiben 3>id^terfürften auf geft&l^Ite 9laturen nid^t 
fo äbem)&Itigenb unb nad^l^altig einn^irten? Seil il^ren 
®d^öpfungen nid^t feiten baS feurig 9R&nnlid^e, ftttlid^ 
^eroifd^e, großartig 9lftit)e, befonberS bag propl^etif^ Sei^ 
benbe fel^It. ^ä) fann eS 3^nen faum auSbrüdCen, t)on n>eld^ 
einem ^reubenraufd^, von mie unoergleid^Ud^em i^fubel iä) 
neuUd^ ergriffen n)arb, als id^ folgenben ^[ugfprud^ be8 ge» 
banfentiefen ®id^ter8 Otto Submig lag: „SReine airbeit ift 
freilid^ mol^l bie ^aitpturfad^e meiner fir&n!lid^teit; id^ l^abe 
mir ein großeg S^^ g^f ^^t, nämlid^ : baS m&nnlid^e $rin}i)> 
in unfere S)id^tung nid^t aQein, fdnbem aud^ in unfer Seben 
mieber l^erein^ufäl^ren, meld^ed ©oetl^e unb Sd^iQer gänjlid^ 
aus il^r l^erauggetan. ^^xt $oefie umfaßt nur eine @eite 
ber menf^lid^en 9latur, bie meiblid^e, bag ift: bie £ugenben 
il^rer gelben ftnb m^ativ, meiblid^e: t^affung, Slnftanb;. 
SS^ärbe; aber fär bie Slffette, bie ftant bie mad^eren nennte 
ift fein Pa^ bei il^nen, fomol^l in il^rer pajng, alg in il^rer 



•--^ 



— 209 — 

Xl^eorte. 2){e S^iQerfd^e $^tlofo|)]^ie fennt nur eine Stt 
menfd^Iid^er ®t&%t, bie pafftoe. Stlax voxxh ^r, toaS id^ 
meine^ bnt(i^ bie eine ^age werben: Jtannft 2)u S)ir 3. SB. 
Sutl^er von Sd^iQer ober @oet]^ bel^anbelt beulen? @ie 
n)firben feine utdnnlid^e ®rd^e in eine n>eibU(l^e ©rdjse l^aben 
umu)anbeln ntäffen, um i|n junt gelben eineS StficIeS 
brausen ju !dnnen. aber baräber ein anbermal; id^ n^oDte 
nur fagen^ ba§ fold^ ein neueg Seben, baS man ber Station 
)uu)enben mSd^te, erft in uns felber }ur SS^irüid^feit hut^^ 
!&mpfen mu^^ unb bajs ein fold^er Stampf eine 9liefemtatur 
Derlangt." 60 weit Otto Subwig. 2)aS nenne ^.^ mir 
bod) einmal einen ®ebanfengang einer malirl^aft l^clben« 
fäl^nen (Seele. 

— ^m uollen (Srnfte! fagte ^reimann; bie Sleul^eit biefer 
Submigfd^en ^bee erfaßt mid^ mit !r&ftigem Urbel^agen, ob» 
mol^l td^ mir nid^t oerl^el^len mag^ bag er unferm propl^etifd^ 
begeifterten (Sd^iller bamit bod^ ein menig }U nal^e tritt. 
Ol^ne t)om maleren 9Befen beS ,,männlid^en ^nji^^S" geloftet 
iu l^aben, bid^tet man meber eine ;0^ngfrau dou Orleans, 
nod^ etma einen SSßill^elm XeQ. über bie Submigfd^e ;9[bee 
bleibt barum nid^t weniger gro^. Seld^ ein genialer SBinf 
ift bamit ben fd^affenben ®eiftern aOer kaufte gegeben! 

— 3)ad^te id^'S mir bod^, ful^r SQBittig fort, ba§ Sie 
biefe Submigfd^e :^bee mit freubiger (S^mpatl^ie begrüben 
mürben. SBaS nun aber ber 3)id^tlunft oerfagt blieb: bie 
!änftlerifd^e SBerflärung ber l^ol^en m&nnlid^en ^htt ju 
fd^affen, baS DoQbra^te in ber @d^n>efterlunft SRuftl Submig 
Dan ^eetl^oten im l^Sd^ften 9Ra^e. Unb il^m mujste ein f 
l^ol^eS 9Berf gelingen, weil er bie gemaltige 9liefennatur 
befajs, um bie m&nnlid^'fr&ftigen ;3been aud^ im Zthtn in 
Qermirllid^en. 

— %6), wenn mir bod^ nid^t fo armfelig fd^mad^e SRen* 
fd^ennaturen mdren! rief dou (Sid(ingen mel^mutSooQ anS. 
3)a^ mir bod^ bie Araft bef&jsen, ben leud^tenben Snuftern 



— 210 — 

ed^ter SRenf^Iid^fett nad^juleben! (&i mfi^te bann bod^ 
troftret^er in btefet Sßelt beS (Sd^einS ausfeilen. 

— ©olci^c fld^ aus ber Siefc ber SRenfd^enbruft empor* 
ringenbe ftlagen, fagte barauf ^onratl^, bleiben xoai^tlid) 
nid^t ol^ne ^il fftr bie Seele. (Seelenl&uterung mn^ bie 
Sofnng ber erlöfungSbebärftigen äRenfd^l^eit bleiben. 3)ie 
fd^dpferifd^e ®abe ift ein felteneS ®nabengefd^enf t)on oben; 
biefe fann ftd^ niemanb geben, fte aud^ nid^t einmal erfolg» 
rei^.nad^al^men; aud^ burd^bringt bau SBefen ber fd^öpferifd^en 
Jtunf) nic^t bie ©efamtl^eit ber Sßenfd^en. S)ie Sleinl^eit be§ 
(Seelenlebens liegt unS n&l§er; fte ift bie l^dd^fte $alme, nad^ 
ber ein jeber bie l^&nbe auSftred^en barf. 3n ber @eelen« 
ISutemng ben l^dd^ften ©eiftern mit Semu^tfein nad^gueifern, 
ift nid^t aQein nid^t tdrid^t, fonbern Dielmel^r el^renl^aft unb 
fd^led^terbingS menfd^lid^. 

— SBortrefflid^ ! rief SBittig. SBSenn bie* aQ biejienigen 
Aomponiften bod^ mel^r beben!en moQten, bie ftd^ in eitlem 
SBal^ne bemül^en, burd^auS bem Xonmeifter Seetl^ooen na^« 
juftreben, m&l^renb fie bod^ bie 9luSbilbung il^reg ^er^enS, 
il^reS @emäte3 fo leid^tfertig oemad^l&ffigen. SBurben fte 
mel^r an bie Steinigung il^rer Seele ben!en, bann märbe aud^ 
il^re SDtuftf beffer, ebler unb reiner merben. 2)a§ eS ben 
Jtomponiften übrigeng leidet jur SSer^meiflung bringen fann^ 
menn er fo ol^ne meitereg SBeetl^ooenS Xonfprad^e nad^al^men 
loiQ, baS l^aben am frfil^eften unb fd^önften bie $arifer 
SRufiler auSgebräd^t. Sd^inbler teilt eg ung aug bem i^al^re 

^1841 nac^ eigenen (Srlebniffen olfo mit: „^ttüfomn leierte 
/ ung bie ^oefte ber Xonfunft, feine a)lufif ermedfte in ung 
; juerft bag SBemu^tfein ber SBürbe unb ^ebeutung unfereg 
j SBerufeg unb nad^bem mir il^n gum Seil begriffen l^atten, er» 
I fannten mir aud^ bie ung obliegenbe ?ßf[id)t, bie Verbreiter 
\ feiner 3Äufif merben gu follen. ffir ift unfere ^Jreube, aber 
aud^ unfere SSergmeifiung, menn mir il^m nad^ftreben moSen." 
— 3)ag mar anno 1841. @egenm&rtig aber fd^eint man in 






— 211 — 

^ariS I&ngft oergeffen ju l^aben, toaS man bet beutf^en ©eifteä- 
tnad^t fd)ulbtg ift. 

— S)a8 ift ja atleS gang rid^tig, Derfet^te SJulpiuS, aber 
ber f otnponierenbe aRuftf er lann nun einmal nid^t t)on See« 
t^oven loSfommen. Sßte tntereffant genial unb l^inreijsenb 
aud^ Derfd^iebene unS na(^ ^Seetl^ooeh gefd)enfte äRufUgeifter 
trfd^einen, tl^re Seud^tfraft l^ftlt ffir un8 ni^t lange vox, Unb 
mit ]^et|er <Se]^nfud^t fud^en mir bann mieber baS gelobte 
Sanb JBeet]^ot)en8 unb ber flafftfd^en SWuff überl^aupt auf. 
%a attein Derfpürt man ben maleren ®eift ber ßmigfeit. 

— Um fo mel^r, fprad^ gretmann, möd^te id^ ben Äom* 
poniflcn ben 9lat erteilen, ba| fie ein Seben voU ftitter S3e« 
fd^aulid^Iett fäl^ren; baS fd^ä^t ebenfo t)or fflat)ifd^er 3la6)^ 
a^mung mic Dor Originalit&tgfud^t. Sllfo, meine Ferren 
Aünftler: befreit eure Seelen vom @tofflid^en, @d^ladtener« 
fäQten, fo merbet il^r euer mal^reS ^immelreid^ finben. 

— Unb „fo mirb eud^ fold^eS aUeS juf allen" — erg&njte 
<£bgar in feierlid^em 2one. — Sluf biefe SBeife müj^U ber 
SWuflfer, überl^aupt jeber Rfinftler begreifen lernen, ha% bie 
Aunft im l^öd^ften (Sinne nid^t ©elbftjmedf ift, fonbern oiel* 
mel^r ein l^öd^ft voxnt^xmi fSflxtUl ptm (SnbgmedC beS 3)afeinS 
— nnb baS ift bie ftttlid^e SJeroottfommnung be8 SWenfd^en* 
gefd^led^te«. — 3)iefe tiefe 3)lifflon aller Shtnft, iumal ber 
aRitftt, mar in SSeetl^ouen ftet8 lebenbig. Ql^m lag bie SSer* 
«belung ber üUenfd^l^eit burd^auS am ^erjen — unb burd^ 
feine aÄujif l^offte er an biefer Sffieltaufgabe mitzuarbeiten. 
€o fd^reibt er benn mieber einmal an feinen Sr^l^erjog: 
„^dl^ereS gibt eS nid^tS, als ber ©ottl^eit fid^ mel^r als an« 
bere SOteufd^en n&l^ern, unb t)on l^ier auä bie ©tral^len ber 
@ott]^eit unter ba8 SWenfd^engefd^led^t verbreiten ". — ®lauben 
<Sie nid|t, ba^ Seet]^ot>en8 @eele Dom ^amletf d^merje erfüllt 
mar, ben tl^m bie Sd^led^tigfeit ber SBelt einbrüdtte? SaSeld^er 
SRenfdi, ber bie @enbung iBeetl^ooenS begreift, foQte nid^t an 
ben meland^olif(^en 3)anen|)rinsen erinnert merben, auf beffen 

14* 



:( 



— 212 — 

<S<i^itIteni eine fo wtfftooU^ Saft rul^te? 9Rit ^amlet mix^it 
voo^l aud^ fßttt^ovzn feufgenb ausrufen: 

The time is out of Joint, cnised spite! 
That ever I wm born to set H rif^t. 
(rr^ Seit ifl otti ben ^gen; Sd^mod^ imb Otam, 
^at icl^ 3ur äßelt, fle ein§tt¥i(^ten, fasn.") 

Sold^ {^amletif^e äBeUfd^mer^gebanfen l^aben aud^ bie 
Seeti^otienfd^e Seele oft genug beioegt. Sold^e Stiageergüffe 
taufd^te ber 3)tetfter aud^ mit bem eblen 3>i(l^ter (Krillparser 
aus, als biefer xf)m feine Opern'3)tdE|tung „äßelufine'' Dor* 
legte. S)a Ilagten )n)ei eble Stünftlerfeelen über bie fd^mad^« 
DoQen <8ebre^en ilirer 3^it- 

— Sie fd[)einen banad^ angunel^nten, benterfte ^reimann^ 
bag fid^ 93eetl^OT)en feiner boppelt l^ol^en iSenbung bewußt mat. 

— 3n feiner fpdteren S^xt Qtn>x% erwiberte (Sbgar. 3)aS 
n)&re übrigens ein eigenartiges, anregenbeS Jtapitel, Don 
SSeetl^ooenS ^ropl^etennatur ju reben. 2)o^ baS mxfl xä) 
Q})ntn ein anbermal in gebül^renber SluSfül^rUd^Ieit t)ortragen. 
3n ber reifften Qtxt feines Gd^affenS toax bie l^ol^e SEBelt^ 
anfd^iauung, bie fid^ biefer ®eift mit unenblid^er SRül^e an« 
geeignet l^tte, fo ganj unb gar in fein muftfoIifc^eS ^^eif^ 
unb SBlut übergegangen, ba^ feine Xonfprad^e jene propl^e» 
tifd^^erl^abenen Sßeltibeen in ffinftlerifd^er 93erfl&rung oer» 
lünbete. Unb biefer SSeetl^ooen fd^rieb nod^ in ber legten 
(Spod^e feines SebenS einmal an feinen 93erleger @d^ott in 
aRain): ,,3ft eS mir bod^, alS ^&tU id^ !aum einige 9loten 
gefc^rieben''. 

— Saffen biefe SBorte nid)t in einen Slbgrunb oon SBeiS« 
l^eit blidCen? fagte SSuIpiuS. Slber meine lieben JtoQegen in 
älpoQo! — f)a, i)a\ — 2)ie aUermeiften oon il^nen l^dben eS 
rid^tig fo meit gebrad^t, ba§ fte üBeetbooen einen guten SRann 
fein lajfen. 3)afür {inb fie aber gan} in ber (Erbfünbe ber 
93dller unb ber 3^iten befangen, bie fte antreibt, !ned^tifd^ 
bem 3^itgefd^mad!e )u l^ulbigen. 






— 218 - 

— 2)aS ift eine trautige SBal^mel^mung, beirdftigte 
aSittig. SEBieanberS aber fprid^t bie loal^re itünftlermaj[eft&t 
93eet]^ODeng: „3)ie Seit ift ein Jtönig nnb fle wid ge» 
jd^meid^elt fein, foQ fie fid^ günfÜg jeigen« S)o(i|^a|^£sJSttnft 
ift eigenftnnifl, I& gt jid^ nid^t in fd^meid^elnbe formen jw&n« 
gen!*" Unb weiter lefen voit in beS SReifterS Aont)erfation8« 
J^eften: „W>tx bem ®eift feiner 3^^^ nid^t nad^geben! fonft 
ift e§ mit aOer Originalit&t auS. — ^i) !ann meine SBerle 
nid^t nad^ ber äftobe meißeln unb jufd^neiben, mie fle'3 ^ben 
sooUen; boS 9leue unb Originelle gebiert fid^ felbft, o^ne ba^ l 
man baran benft". y 

— 3Ran foUte eS bod^ foum fär glaublid^ l^alten, fprad) 
barauf ^onratl^, ba^ geleierte ältuflier, bie f old^e 9udfpräd|e 
^eetl^ooenS bod^ mol^l !ennen m&ffen, unoerbefferlid^ in il^ren 
93erunglimpfungen gegen baiS Sd^affen beS SVleifterS f ortfal^ren. 
SBie Yed( man feine le^te Sd^affenSperiobe mit ben 93einamen 
be§ „SSermorrenen, Unllaren, ^inftem unb 3Birren^ belegt! 
iBie man fo DieleS, voaS man ju begreifen unf&l^ig ift ber 
@tarrflnnigleit unb Originalit&tSfud^t SBeetl^ot^enS beimißt! 
SBer eg nid^t oerftel^t, ber foQte boc!^ menigftenS ben ^u^e« 
rungen be8 mal^rl^eitSliebenben SReifterS bie nötige Sd^tung 
sollen unb — fd^meigen, anftatt eine fo einjige ©eifteSgrd^e 
mit t&ppifd^ freoelnber ^anb antaften. 

— 3)ag laffe id^ mir gefallen, ^reunb ^onratl^! rief 
Gbgar freubig au8. 9Da| SBeetl^ooen jid^ um leinerlei Suxti^U 
meifungen Donfeiten ber ftritifer !fimmerte, barf un8 nid^t 
mel^r munbern. <Sr ful^r fort, auSfd^liejsKd^ ber Stimme 
beS in il^m mirfenben (SotteSgeifteS )u folgen. Unb aQe 
e^ten Seigrer ber 3)^tenfd^]^eit befa^en biefe l^ol^e (Sigenfd^aft. 
3d^ erinnere Sie, um ein Seifpiel auS bem Slltertum su 
^^htu, an einen 3ug auS bem Seben be8 (Suripibed. tiefer 
mürbe einft befd^moren, eine Stelle einer Xragöbie umiU' 
önbern. 3)a trat er auf bie SBül^ne unb fprad^ bie benf^ 
mörbigen SBorte: „er fei ba, baS 93olI }u belel^ren, nid^t aber. 




— 214 — 

^d^ wm SSoIte belehren ju laffen". 3^ gleid^em ©elbftbe« 
lott^tfein mirb S^et^ooen burc^ feinen l^ol^en SebenS« unb 
Jtnnftabel bef&l^gt. 

— 3e^t enbtid^, bemerlie 93ttlptu8, fielet man immer 
florer, ba| Don einer !än{tlerifd^en SBiOtfir bei Seetl^ooen 
nid^t bie 9lebe fein !ann^ baf fid^ aUeS orgonifd^ auS ber 
muft!alif(i^en 3bee l^erauS entmidCelt, — nnb felbft bann, 
xoenn in unnnterbrod^ener i^olge unj&l^Iigemal ein nnb haS^ 
felbe 9Rotit) ober irgenb eine SEBenbnng ertlingt, fprid^t man 
gegenmdrtig nid^t mel^r oon SßiQfür, fonbern wn |)oetifd^ 
tiefer SBal^rl^eit 

— 9[ber, meine ^enen, f?>ra^ f^reimann, Sie fd^meifen 
t)on nnferem eigenüid^en Sl^ema ab, inbem ®ie ftd^ in @e» 
banfen über ^Seetl^ooenS Sd^affenSmefen verlieren. Saffen @ie 
bie $9gm&en ober bie Uneingemeil^ten an SSeetl^oven l^emm» 
Serren, fooiel i^nen beliebt, — ung foU feiner nnfer (Soan» 
gelinm rauben. SBielmel^r mfinfd^e id^ nod^ immer oon ^r« 
}en, ba^ nnfer ^reunb Sßittig unS auS bem reid^en SSorne 
feiner SSeetl^ooen-ftenntniS nod^ einige rebenbe d^^^gniffe bei^ 
9ReifterS felbft oorfäl^ren möd^te, bie unS befr&ftigen mftffen, 
bajl SBeetl^ooen fid^ fär berufen anfal^, fein manneSfrdftigei^ 
^rinjip aud^ im £eben vertreten gu mfiffen. 

— 3Jlan6) eine Seetl^ooenfc^e ^ugerung liierüber, verfemte 
®bgar, l^abe id^ ^[l^nen^ mofern aud^ meine Erinnerung nid^t 
tdufd^t, mol^I fd^on t)orgetragen. (Sin neueS berebteS Qtvi%n^ 
oon feiner SebenSfenbung gem&l^ren bie ^Briefe an feinen über» 
aus geliebten Steffen, — biefe erl^abenften 3)en!male feines 
(SbelftnneS, feiner ©eelengrS^e unb SiebeSfüQe. Einmal f d^reibt 
ber }drtUd^e 93ater«Ol^eim alfo: „Unfer 3^italter bebarf 
fräftiger Eeifter, bie biefe üeinfüd^tigen, l^eim? 
tüdCif d^en elehben Sd^ufte oon SRenfd^enf eelen geijseln, 
fo fel^r fid^ aud^ mein ^erg, einem ^enfd^en mel^e }u 
tun^ bagegen fträubt." äSeetl^ooen liebt bie SRenfd^l^eit 
über atteS — barum mu§ er in feiner f elfenftarlen (Sitten* 



— 215 — 

ftrenge il^re Safter tief oerabf^euen. Set tetnfte 9)tann mu|te 
felbft in feiner n&c^ften Umgebung an feinen SBIut§t)ern)anbten 
fo Diel Unreines wal^rnel^nten, baf fein (&tmüt fd^n^er unb 
immer fd^merer bavon belaftet marb. (Sr fftl^It bie l^eilige 
^id^t in fld^^ gegen aQeS @d^led|te, unter meld^er ®eftalt 
im Seben e8 aud^ auftreten mdd^te, unerbittlid^ ansufdmpfen. 

— Unb bo^, fagte S^^^^wann, verbreiten fo uiele bie 
%xfx(f)t, SBeetl^ODen l^&tte Don ben SRenfd^en unb il^rem ganzen 
treiben gar feine Sloti) genommen, er l^dtte nur in feiner 
ftunft gelebt. 

— 2)iefe 2^uU, erfl&rte (Sbgar, mdgen oiel miffen unb 
Derftel^en, aber fte mögen jid^ bod^ t^ nid^t räl^men, einen 
Seuerfopf mit SBeetl^ooen gu begreifen, ©einen lebl^aften 
®eift befd^&ftigte mal^rlid^ nid^t feine gdttlid^e Jhtnfi aQein, 
melmel^r aQeS, maS SRenfd^engemüter, namentlid^ maS ben 
aSoItegeift bemegt. ^oUtifd^e, ooIfSmirtfdiaftlid^e, felbft 
religidfe i^fbeen erregten in nid^t geringem iSla^t fein teils 
paffix)e8, teils aftiueS 3fntcreffe. 

— SKud^ um bie SReligion fottte ftd^ SBeetl^ooen ge« 
fümmert ^ben?, fragte 93utpiuS erfiaunt. Sefanntlid^ 
beobachtete ber äReifter über Objlefte ber 9leligion ein un« 
oerbrüd^Iid^eS StiUfd^meigen, mie er'S |a nad^ @d^inblerS 
SRitteilung auSfpra^: „bajs 9leIigion unb @eneralba| in 
fxd) abgefd^Ioffene 3)inge feien, aber bie man nid^t meiter 
biSputieren foße." ^agbn nannte il^n ja gerabeju einen 
ältl^iften; na^ ber SReinung anberer l^&tte er ftetS bem 
Sll^eiSmuS gel^ulbigt. Sßie reimt fid^ baS aQeS mit ^^xtx 
SBel^auptung jufammen? 

— ^l^nen ein erfd^öpfenbeS 9ilb oon Seetl^ooen als 
religidfem äRenfd^en ju entwerfen, mfirbe unS }ftnU gu meit 
fäl^ren. 2)iefeS mid^tige Xl^ema oerbient eine eigene fär ftd^ 
beftel^enbe (Erörterung, ^ier nur fo oiel, ba^ SSeetl^ooen 
eine burd^auS religiöfe 9latur t)on jener feltenen tief d^rift* 
lid^en SpejieS mar, meldte bie ©ottl^eit ,,im ®eifte unb in 



— 216 — 

ber SBol^rl^eit" oecel^rt^ unb ba^ ber gereifte SRonsi mit immer 
l^eiligerem Semfil^n ber notmenbigen „9lad^foIge Cl^rijÜ" 
eingebenf mar. — SSeniger bürfte ^ freilid^ belaiint fein, 
ba| ber SDleifier in fd^dner SBSeife feinen Sinn för religiSfe 
aSoSSergiel^nng bet&tigte. Stn^ baS ift a&ti inSd^inblerS 
^eetl^ovenbiogropl^ie jn lefen. (El^riftian (StnrmS Sd^rift 
^Setrad^tnngen über bie äßerte @otte8 im 9tei(l(>e ber 
Slatitr unb ber 93orfel|ttng auf aUe Xage beS ^df^xti", ein 
9u^, baS nor bem mobemen, riefengro|en äuffd^munge 
ber 9laturmiffenfd^aften aDerbingS laum no^ beftel^n iann, 
ge^drte gu beS SÜeifterS auSerlefenften Siebling86ftd^ern, meil 
tS feiner gUl^enben Siebe ju 9latttr unb gu @ott reid^en 
^lal^runggftoff barbot. — (Sin munberfam religidfer @eift 
tdnt bem ÜReifter auS Um noEen, frif^en 9laturleben l^er» 
t>or; biefen @ott in ber Slatur offenbart am l^errlid^ften bie 
ib^Qifd^e unb majefidtif^e ^rad^t ber ^aftoralf^mpl^onie. 
(Sd^reibt bod^ aud^ SBeetliooen einmal ber jungen Iiebrei}enben 
2:^erefe SRalfatti: „3Bie glödlid^ ftnb (Sie, ba^ @ie fd^on 
fo fräl^ aufs £anb lonnten. CSrft am 8.*) !ann x^ biefe ®IM- 
feligfeit genießen, ftinblid^ freue id^ mid^ barauf. 9Bie fro^ 
bin id^, einmal in @ebäfd^en, SCB&lbern, unter ^üumen, 
Kräutern, {Reifen manbeln }U fönnen! ^ein aSenfd^ lann 
baS £anb fo lieben mie id^. @eben bod^ Sßälber, ^&ume, 
f^elfen ben äBiberi^aQ, ben ber iDtenfd^ mänfd^t!'' Unb ein 
anbermal mieber an ben 93erleger 9(rtaria:\9)tein unglädC* 
feligeS @e]^dr plagt mid^ l^ier nid^t. 3ft tS hoi), al8 menn 
ieber Saum auf bem Sanbe ju mir fpr&d^e: l^eiltg, l^eilig!" 
— ^od^ laffen ®ie mid^ jum @turmfd^en Sud^e 3ur&d(« 
fel^ren^ Seetl^ooen l^atte ben fel^nlid^en äBunfd^, ba^ biefeS 
93ud^, meil eS 9leligion unb 9laturerfenntniS ju vermitteln 
Derftanb, (Singang ing ißoltSleben gewinnen möd^te; er oer» 
fprad^ fx6) baoon baS fd^dnfte ^eil für bie ftttlid^e (Ergiel^ung 
be8 golfeg. S)er SJleifter lie^ eS nid^t beim SBünfd^en be« 

*) @tiDa im Salute 1809. 



— 217 — 

loenben. — S)te melen S^xt^^, bie er auf bem Sanbe oer» 
lebte, tierfd^afften if^m ret(i^e (Helegenl^eit, mit Sanbpfarrern 
in Seiäfel^r git treten. SEBieberl^oIentlid^ mad^te er biefe auf 
haS Stumtf^e (fobonungSbud^ aufmerffam, empfal^l il^nen 
fogar, manc^n fär bie ftonsel geeigneten 93ortrag3ftoff 
barauS ju fd^ö|)fen, bantit fte nad^ bem @otte8bien{te als 
ed^te ®eelforger mit bem SanbooKe barftber reben lönnten. 
— älQein ber gro^e ?ßrop]^et äSeetl^oven prebigte — gleid^ 
bem einfamen ^rebiger in ber Süfte — l^ier vox falfd^en 
^^xop^titn beS göttlid^en 9BorteS. 91IS il^m nun einmal ber 
Pfarrer ju 3)ldbling mnb l^erouS er!l&rte: „Unfer fßoll 
brandet oon ben (Srfd(|einitngen am ^irmamente nur ju 
miffen, ba^ Sonne, SRonb unb Sterne auf> unb nieber* 
gel^en^, ba mu^te ber (Sif er unfereS ^eiligen mol^I erfalten ; 
aber tS regnete oft genug SarlaSmen über ^faffentum, 
3)umm^eit, 93erbummung, über bie ,,3)eutungen ber unbe* 
rufenen 9(|>ofteI, bie fid^ mit ganj anberen SRitteln als mit 
bem (Soangelium fortl^elfen". Unb ber Sd^mei^ über bie 
Sd^mad^^eit beS SRenfd^engeifteS fenfte fld^ tiefer unb tiefer 
tn bie erl^abene Seele ^eetl^ooenS. 

— Sßie ergriffen Sie mit einem SRale baftel^en!, rief 
t)on Si(fingen in 93emunberung auS. 

— Sie entl^üQen unS ober aud^ immer fd^önere 3^8^ 
aus bem unerfd^dpflid^en SebenSborne Seetl^ooenS, bemer!te 
^reimann. 

— Unb bod^, fprad^ (Sbgar meiter, mad^t man fid^ erft 
eine redete SBorfteQung von ber Sfliefenfraft biefeS (SeifteS, 
menn man eingeben! ift, meld^ eine unenblid^e SebenSlaft il^m 
bie neibifd^en S)ämonen mit ber Srtötung feines äußeren 
®ifyit8 entgegengemdlgt Ratten. 3)er ,, taube SRuftfant" 
mu| barum au^ feinen SebenSabenb anberS erblidten, als 
anbere l^ol^e @enien. SB&l^renb fonft ber leibenbe @eniuS, 
ie mad^tnoller bie Sonne feineS SRul^mS il^re Stral^len oer« 
fenbet, mel^r unb mel^r bie ^eiterfeit unb S^ul^e beS ftugeren 



— 218 — 

Seben8 bei {tc^ einleimten fiel^t^ with eS im SebenSgange 
unfereS (KeninS — infonberl^eit bur^ biefeS entfe^l^e fieiben 
ber Xaubl^eit — tm fo n&d^tiger^ büfteter, 0ber, j|e tmfterb« 
lid^er ftd^ fein @eift offenbart. 9Bie %xo% ntutte bie SDtenfd^en« 
liebe in Seetl^ODen fein^ ba in feiner reinen @eele itngead^tet 
ber ntannigfa^ften Dualen burd^ boiS @d|i({fal unb bur^ bie 
(Srb&rmlid^Ieit ber äRenfd^en bod^ niemals Siegungen beS 
aReufd^enl^affeS auf landeten! 

— @e]^r mal^r!, befr&ftigte SSulpiuS. Unb bod^ err5ten 
Snenfd^en niti^t, einem SSeetl^oiien SRenfd^enm t)or)un)erfen. 

— 9ßo eg eine ^elibifci^e ^elbenfraft gibt, bemerfte 
^onratl^, ba n)irb aud^ immer baS ®efr&d^e beSXl^erfiteS 
bie äRenfd^en erfd^reden. 

— 3)effen ®eele, rief Gbgar auS, mnj^ gerabe}u mit 
Slinbl^eit gefd^Iagen fein, ber einen SBeetl^ODen aud^ bann 
nod^ fär menf^^enfeinblid^ unb ftarrföpfig ^Üt, na<^bem er 
baS emig bentmärbige 2;eftament in fld^ aufgenommen, baS 
ber Steifter in feinem smeiunbbreiligften SebenSial^re Der« 
fagte, (di fein @eift m&l^renb einer fd^meren 5tran!^eit oon 
Sobeäal^nungen erfaßt marb. D, id^ fönnte ^i)nm baS 
ganse „^romemoria" l^erfagen, fo oft l^abe id^'S gelefen; id^ 
miU mid^ iebod^ mit einigen Srud^ftädCen begnügen. (&i be« 
ginnt alfo: „O il^r SHenfd^en, bie il^r mid^ für feinbfelig, 
ftdrrifd^ ober mifantl^ropifd^ l^altet, mie unred^t tut i^r mir, 
il^r mi^t nid^t bie gel^eime Urfad^e oon bem, ma8 eud^ fo 
fd^einet! SWein ^rg unb mein @inn waren t)on Äinb^eit 
an für baS garte ©efül^I beg äBo^lmoQeng. @elbft groge 
^anblungen gu oerrid^ten, baju mar id^ immer aufgelegt, 
aber bebenft nur, ba§ feit fed^g ^al^ren ein l^eillofer 3u« 
ftanb midi befaflen, burd[| unoernünftige trjte oerf^limmert." 

gerner: „3Jlit einem feurigen, lebl^aften 2;emperament 

geboren, felbff empf&nglid^ für bie 3erftreuungen ber ©efeß« 
fd^aft, mu§te id^ frül^ midEi abfonbern, einfam mein Seben 
jubringen." - — Unb weiter: „Äd^, mie m&re e8 möglid^. 



— 219 — 

ba§ id^ bte @d^iü&d^e eines Sinnes angeben foQte, ber bei 
mir in einem DoQfommneren @rabe fein foQte olS bei an« 
beten, einen ®inn, ben id^ einft in ber l^dd^ften 93oQfommen« 
l^eit befaf , in einer äioQfommenl^eit, mit ifyn n>enige von 
meinem gfad^e gemi^ ^aben, nod^ gel^abt l^aben. O, itS) fann 

es nid^t." ferner: „Sold^e Sreigniffe brad^ten mid^ 

nal^e an SSerjmeiflung, eS fel^lte menig, unb id^ enbigte felbft 
mein Seben. — 3lur fte, bie Äunft l^ieft mid^ jurüdt! Sld^, 
eS bünfte mir unmögUd^, bie Sßelt el^er gu Derlaffen, bis id^ 
baS aQeS l^eroorgebtad^t, rnogu id^ mid^ aufgelegt ffil^lte. 
Unb f b friftete i^ bieS elenbe Seben, f o n^al^rl^aft elenb, ba^ 
mid^ eine etmaS fd^neQe 93er&nberung auS bem beften Qn» 
ftanbe in ben fd^Ied^teften x>erfe^en !ann." f^erner biefe 
l^immlifd^e Stelle: ,,®ottl^eit, bn flel^ft l^erab auf mein 
3nnereS, bu !ennft eS, bu mei^t, baf SRenfd^enliebe unb 
9leigung tum SBol^ltun barin l^aufen! O, SAenfc^en, menn 
il^r einft bieS lefet, fo benfet, ba^ il^r mir Unred^t getan, 
unb ber Unglädtlid^e, er trdfte fid^, einen feineSgleid^en ju 
ftnben, ber tro^ aQen ^inbemiffen ber 9latur bod^ no^ aQeS 
getan, maS in feinem SSermögen ftanb, um in bie Stetige 
mürbiger ^ünftler unb SReufd^en aufgenommen ju merben." 
3)ann auc^ biefe SQSenbung an feine SBräber: „(&mp^tH)Ut 
euren ftinbem SCugenb, fie nur aQein fann gtädHid^ mad^en, 
ni4it @elb. Q6f fpred^e auS (Srfal^rung. Sie mar eS, bie 
mid^ felbft im (Slenbe gel^oben; il^r banfe id^ nebft meiner 
Aunft, ba^ id^ burd^ feinen ©elbftmorb mein Seben enbigte." 
— (Snblid^ nod^ bie f d^öne 9lad^f d^rift : „So nel^me id^ benn 
Slbfd^ieb von 2)ir — unb jmar traurig, ^a, bie geliebte 
Hoffnung, bie id^ mit l^iel^er nal^m, menigftenS bis gu einem 
gemiffen ^unlte gel^eilet ju fein, fte mu% mid^ nun gftnslid^ 
Derlaffen." 

„fS&k bie Blätter beS ^erbfteS l^erabfaOen, gemeßt ftnb, 
fo ift aud^ fte fär mid^ bärre gemorben. ^aft mie i^ l^ie^er 
fam, gel^e idE| fort; felbft ber frol^e iDhtt, ber mid^ oft in ben 



— 220 — 

fd^Stien ®oittmertageii befeelte, er ifl vecfd^tounben. — 
O 93orfe]^ung, la^ einmal einen reinen 2ag ber f^reube mir 
erf deinen! Solange fd^on ift ber maleren f^reube inniger 
SBiberl^aQ mir fremb. 9Bann, o mann^ o Oottl^eit! lonn 
ii) im Xemi^el ber Statur unb ber SRenfd^en il^n mieber 
fül^Ien? 9lie? nein, eS m&re ju l^art!'' 

®o fd^Iie^t baS 93efenntniS biefer fd^önen Seele, bie 
mit ben Sßeltfreuben abgefd^loffen l^atte. 3>ie traben S^mtn» 
gen trogen bem SHeifter nid^t. 9lur wenige ooUe ^renben« 
tage l^at fein fp&tereS Seben auf}umeifen. 

— SBeld^ ein l^eroifd^er Wtat, fprad^ barauf ^eimann, 
mu^U in SSeetl^ooen tl^ronen, ba| er tro^ fo unf&glid^er 
Seiben, bie {td^ burd^ einen faft breif igjdl^rigen Q^xttcatm 
wie ein freffenbeS ®ift l^inburd^manben, unmanbelbar feinen 
Xitanenftol} bel^aupten lonnte! 

— Über beS a^eifterS eingigeS üRi^gefd^idt, na^m 93ul« 
piuS boS SBort, mad^t ber einft fo einflußreiche Submig 
SteUftab eine oortrefflid^e 93emerlung. (Srfagt: „Seoormir 
nid^t von einem in ber ^if^e ber üebenSfraft erMinbeten 
IRof^l^ael 3U ers&l^Ien l^aben, mirb ^eetl^o^en feineSgleid^en 
an ^eil unb Unl^eil in ber ftunft« mie in ber SBeltgefd^id^te 
nid^t flnben.'* 

— 9(ber gumeilen, betonte (Sbgar, brol^te bie b&monifd^e 
ftraft biefeS UnglüdtS au6) ben ftarfen ^eetl^ooenfd^en (Seift 
ganj banieberjubeugen. 3Bie einfd^neibenb erg&l^len baoon 
93riefe an 9iieS, SBegeler, SKmenba unb anbere! 9Bie mnj^ 
ftd^ fein ®eift immer gemaltfam aufraffen, um nid^t gang 
ben jerjleifd^enben AraQen biefeS Ungemad^S anl^eimjufaDen, 
bis enbUd^ mieber feine moralifd^e Xopferleit ben ^elbenfieg 
baoontr&gt! 9Bie troftreid^ unb mie anfeuernb muj^ baS 
genaue 93erfolgen biefeS eigenartigen SebenSfampfeS fär unS 
werben ! 

@intge l^ierl^ergel^drige ^rieffteQen !dnnen Sie immer nod^ 
anl^dren. 3)er 9)tetfter fd^reibt an feinen ^reunb äBegeler: 



— 221 — 

o3^ l^abe fd()on oft mein S)afein oerflttd^t; ^lutar^ l^at i ^ 
mid^ }ur SReftgnation gefül^rt. i^^d^ lüiQ, TDenn eS anberS I r) 
mSglid^ ift, meinem Sd^iclfole trogen, obfd^on eS Xugenblitfe 
meines SebenS geben mix:b, mo id^ baS nnglütfltd^fte @efd^öpf 
OotteS fein merbe/' 

Unb ein anbermal, im Oal^re 1801: „^u lannft e$ \ ^^ 
!aum glauben^ mie öbe, mie tranrig id^ mein Seben feit }mei | f 
^dffttn jngebrad^it: mie ein ®efpenft ift mir mein fd^ma^eg 
©el^dr überall erfd^ienen unb id^ ^o^ bie SRenfd^en^ mtt|te 
Snifantl^rop fd^einen unb bin'S bod^ fo menig." 

gerner: „ol^ne biefeS Übell O bie aan?ie SEBelt n?i^ll te. 

id^ nmjpannen, von biefem frei.""^ „SRur l^albe 93e* / 

freiung t)on meineW ftbel UHFFann — al8 DoUenbeter, reifer f 
Mann, lomme id^ )u eud), erneuere bie alten greunbfd^aftS* 
gefällte. ®o glädttid^ als eS mir l^ienieben befd^ieben ift, 
foUt il^r mid^ feigen, nid^t unglfidtUd). tRein, baS lönnte id^ 
nid^t ertragen, i^ miU bem Sd^idCfal in ben 9lad^en greifen ; 
ganj nieberbeugen foQ eS mid^ gemijl nid^t! O, e8 ift fo ))/ 
fd^ön, baS Seben taufenbmal leben!" — ' 

— Qa, fagte ^onrat^, mir l^aben unfere immermd^renbe 
^eube am taufenbf&Itigen Lebensbaume biefeS l^ol^en ®eifteS; 
aber iDie feiten bebenten mir, ba^ fooiel !oftbareg Seelen* 
blut an biefen ^eiligen 2;onreliquien l^aftet. 

— 2)arum, bemerfte f^reimann, bejt^t aud^ SBeet^ooenS 
tiefe SeibenSfprad^e im l^öd^ften 3Ra%t bie Straft, unfere 
®eifter gu tl&ren. ©eine fieiben ftnb unfer Segen. 

— 93ergeffen mir aber aud^ niemals, fprad^ Sßittig 
feierlid^en 2loneS, mie unenblid^en 3)ant unfere Seele biefem 
unfterblid^en ©eniuS fd^ulbet. — S)od^ oernel^men Sie, mie 
ber SReifter jel^n ^df)x^ fipdter bemfelben ^eunbe flagt: 
„%oä) ii) m&re glädClid^, oieUeid^t einer ber glädtlid^ften 
Stenf^en, menn ni^t ber 3)&mon in meinen Clären feinen 
älufentl^olt aufgefi^lagen. ^&tte ic^ nid(|t irgenbmo gelefen, 
ber SWenfd^ börfe nid^t freimiUig fdjeiben oon feinem fieben. 




— 222 — 

folange er nod^ eine giite %at oerrid^ten -fann, Iftngft tD&re 
i^ nid^t mt^x — utib iwat bnx^ mtd^ felbft. — O f o ^^bn 
ifi hai Seben, aber bei mir ift eS für itnmer oergiftet" 

— 3n biefer anl^tenben ^artl^drigfeit, bie fpdter in 
DöKige 2:aub]^eit überging — fagie SSuIpütS —, mag mol^I 
aud^ oomel^mlid^ ber (Sntnb für Oeetl^ooenS mürrifd^, 
barfd^S unb mi^trauifd^eS äBefen gu fud^n fein. 

— älber^ oerfe^te Q^bgor, ®ie fpre^en bieS ja gerabefo 
aus, als m&ren biefe (Sigenfd^aften (Bmnbjüge in Seetl^onenS 
G^oroÜer. @o ner^&It eS ftc^ burd^auS ni^t. SBielme^r ift 
eine gro|e 0utmütigfeit bie @runberfd^einung beS SBeetl^ooen« 
fc^en SBefenS« SBenn er aud^ mol^I einmal, gereijt, inS ®egen« 
teil umfd^lttg, f o bat er unoer^&ItniSm&^ig mel^r ab, als er in 
ber älufmadung begangen l^atte, mie eS jal^Ireid^e 3ufd^riften an 
f^reunbe unb ^^reunbinnen überaus fd^dn unb glanjooll bartun. 
93on @toI} in ber üblen SBebeutung beS SßorteS, alias wn $od^« 
mut ober 3)ün!el mar feine @pur in biefem @eifte Dorl^anben. 
SRon erfennt bieS infonberl^eit auS ben aQbefannten Briefen 
beS 9ReifterS an feine ^^eunbin (Sleonore oon Sreuning in 
99onn, ber nochmaligen (Sattin feineS f^reunbeS äBegeler. — 
älUerbingS mar eS bie ^olge feines (Ke^örleibenS, bajl er ju 
gemiffen St\im leidet reigbar unb aud^ l^eftigem Soxnt unb 
bem ani^trauen leidet )Ug&ngIid^ mar. ^eetl^ooen fd^reibt 
über biefe (Sigenl^eit felbft einmal alfo an feinen ©d^üler 
unb gfreunb ^erbinanb SlieS: „^ä) ^be bie ®abe, bag id^ 
über eine SRenge (Sadien meine (Smpftnblid^f eit verbergen unb 
jurüdß^alten f ann ; merbe id^ aber aud| einmal gereijt )U einer 
3ett, mo id^ empfänglid^er für ben S^^cn bin, fo pla^e id^ 
aud^ ft&rfer auS, alS ieber anbere." 

— (SS liegt in ber inneren ®&rung DuIIanifd^er SRenf d^en* 
naturen, meinte r>on @idtingen, bat 1^^ s^^^Üen l^eftig auS« 
bred^en unb il^ren Savaftrom über bie äRenfd^enl^&upter 
ergießen, adeS nieberrei^enb, maS ftd^ ber feurigen (S^Iut 
entgegenftetit. 



— 223 — 

— SHefer Sßerglcid^ gefällt mir, fprad^ ffibgar; aber gu 
itnferm @lü(Ie tDiffen toir, ba^ ein fold^er fiaDafteom auS 
Seetl^ooenS ^euergeift lool^l äuterft feiten etioaS SteoIeS 
tiieberri^. Shtr au8 feinen 2;onfratern ftärjt eS gujeiten 
mit fo elementarer ®emalt l^ervor, al8 foQte baS SEBeltaQ 
vermietet werben. 

— 3^ glaube, begann barauf 93ulf)iu§ mit jenem eigen« 
artigen Sad^en, l^inter bem ftd^ innere SBef(i^&mung t)erbirgt, 
bei S'^nen ftel^t 93eet]^ot)en in f o unermegUd^er SSerel^rung 
ba, ba| @ie and^ nid^t bie geringfte ®d|attenfeite an feinem 
(£f^ax<dtei gngeben mürben. 

— ©d^attenfeiten, entgegnete ber Stngerebete, finb freilid^ 
nid(|t fo leidet an biefem ®eifte ju entbedten. 3d^ l^abe 
mand^mal bei gemiffen großartigen (Sl^arafterjugen SSeetl^ooen^ 
unaufl^örlid^ geftaunt unb bemunberrib baräber nad^gefonnen, 
obmol^l id^ mal^rlid^ nid^t fo leidet anftaune. ®ie !ennen 
gemi| alle ©ottl^olb (Spl^raim SeffingS ä(ugfprud^ aber 
Dr. äRartin Sutl^erS ®röße im jmeiten ^Briefe an ben 
^tttn $. aus bem II. Sleile ber @d^riften (1758), morin tS 
^eißt: ,,Sttt]^ent3 ftel)t bei mir in einer fold^en SSerel^rung, 
ba| ti mir, aQeS mo^I überlegt, red^t lieb ift, einige fleine 
äR&ngel an Vfvx entbed(t ju l^aben, meil id^ in ber ä^at ber 
©efal^r fonft nal^e mar, il^n ju oergdttern. S)ie @puren ber 
Sßenfd^l^eit, bie id^ an il^m ^nbe, finb mir fo !oftbar als bie 
blenbenbjle feiner SSolUommenl^eiten.'' @o weit Sefpng. S3ei 
äSeetl^ooen nun liegt bie (Kefal^r ber SSergdtterung für unS 
nod^ n&l^er, benn eigentlid^e (S^ara!termdngel finb ba faum 
auf}ufpären. SAand^erlei Unebenl^eiten, bie fid^ ab unb ju 
in beS SReifterS &tbtn bemer!bar mad^en, ftammen oornel^m« 
lid^ aus bem Übermaße einer Xu gen b. 3)aS Übermaß ber 
Siebe Seetl^ooenS 3U feinem leid^tflnnigen 9lef f en fann allein 
unfer gerechtes Stopffd^ütteln erregen. Unb barin liegt baS 
3:ragifd^e feineS eigenartigen SebenS. 9Bie ber ^elb ber 
Sragöbie baS Unglüdt bamit l^eraufbefd^mdrt, baß er alle 



— 224 — 

9iüäfxi)Un, fie tndgen nod^ fo bered^tigt fein, feiner einzigen 
mit Seibenfd^aft erfaßten SebenSibee opfert, f o vxu^U e8 ber 
^b Seetl^ooen bitter bfl|en, ba| ber einzige @ebanle ber 
Siebe jn feinem Steffen (die anberen notmenbigen ZthtnS* 
rädtfid^ten ani feinem ®eftd^tSfreife 9dIIig verbannte. Sie 
oertl&renbe 93uge fär biefe @d^ulb fprid^t flberm&d^tig in 
Xdnen iu nnS. 

— 9Bie fd^mer aber, fagte l^reimann mit iSitterfeit, l^at 
fid^ biefe geringfügige @d^ttlb am 9Reifter ger&d^t. 

— 93et)or}ttgte (Seiner, belel^rte (Sbgar, auSerm&l^Ue 
Stäftgeuge ber ' göttlid^en SBorfel^ung, mäffen and^ fär il^re 
SSergel^en ganj anberd leiben unb bü|en, als anbere ®terb» 
lid^e. (Sinjigartig mie il^r ^immelSlol^n ift aud^ il^re (Srben* 
ftrafe, moDon il^r großes SSeltberj allein Jtunbe gibt. SHefe 
Seetl^ooenfd^e @d^nlb bleibt freilid^ nur auS i^ol^en ibealen 
®eftd^tSpun!ten eine fold^e. Sft eS bod^ faft unfaßbar, bei^ 
nal^e ein pf^d^ologifd^eS Problem, ba^ ein Ol^eim einem 
Steffen juliebe, von bem er eitel @ram unb Sd^mad^ l^at^ 
fid^ felbft martert, feinen eigenen Seib gerabeju {afteit, ba^ 
er ein mül^felig errungenes 93ermdgen als unantaftbareS ®ut 
beS Steffen betrad^tet, m&l^renb er felbft barben unb fd^lie^» 
lid^ frembl&nbifd^e ^älfe anrufen mu^. 993o flnb bie SSdter,. 
bie fold^er 9luf Opferung für einen Sol^n, felbft menn biefer 
mol^lgeftttet ift, fdl^ig erfd^einen, gefd^meige benn, menn biefet 
@o]^n unauSgefei^t baS ^aterl^erg beleibigt? — Sud^ (oii 
biefer fd^meren Prüfung, bie ftd^ ber SDteifter felbft auferlegt,, 
gel^t feine ^elbenfeele geläuterter f^tvoox. 9B3&re bie bem 
3)teifter oerliel^ene ©eifteSfraft nid^t fo felfenftarf gemefen: 
bie trielen tragifd^en SebenSereigniffe mähten fte fräl^geitig 
untergraben l^aben. 9Ran Dergegenmdrtige ft^, mie biefer 
ftrenge @ittenrid^ter oon ber ©efal^r ber SBersmeiflung bebrol^t 
merben mu^te, als er fo mele unlautere, unfaubere 3)inge 
im Streife feiner n&d^ften Senoanbtfd^aft erlebte. — älud^ als 
^eetl^ooen oon biefem Steffenalp befreit mar, oerl^arrte et 



--1 



— 225 — 

gegen il^n in ber alten D&tertid^en Siebe; aud^ let^t mitb 
faft nid^tS t)on htm für ben teuren 9leffen t^orl^anbenen Set« 
ntdgen angerül^rt; ber 9leffe muth^ ber Unit)erfalerbe beS 
gro|en O^eintS. 

— S08tr feigen, betnerf te ^onrotl^, t^oU ^el^ren ©taunenS 
ein, ba^ ein Seetl^ooen ond^ in ber tragifd^en @d^ulb einjig 
baftel^en ntuf . 2)enn biefe Sd^ulb geretd^t feinem 2titn 
nid^t§befton)eniger jnr (Sl^re, ebenfo mie bie anbere Seite 
feiner ebel-tragifd^en (Sd^ulb: ber ftete leibenfd^aftlid^e Stampf 
gegen baS ©d^Ied^te in ber SBelt. 

— SHe aRenfd^enliebe, na^m 93ul))iu8 baS SBort, ift |a 
äberl^aupt ein l^etDorragenber Quq in 93eet]^ot)en9 fieben. 
%x9 ifft entf^rogt fein groger äBol^It&tigteitSftnn, ber inbeS 
t)on melen n)O^I aud^ ma^loi überfd^d^t n>irb. 

— ®a8 mag rool^I fein, entgegnete SQSittig; allein voit 
beflt(en voafftf^aft erl^ebenbe Urfunben ton SBeetl^ODenS reid^er 
Betätigung in biefent <Sinne. ^olgenbeS fd^reibt er einmal 
an SBegeler: ,,9lud^ ^be id^ auf jebe €^ad^e fed^S, fleben 
SBerleger unb nod^ mel^r, menn id^'8 mir angelegen laffen 
fein n)iQ; man aflorbiert nid^t mel^r mit mir, id^ forbere 
unb man jal^It. 3)u ftel^ft, bag eS eine l^äbfdie Sad^e ift, 
i. 93. id^ fel^e einen ^reunb in 9lot, unb mein Beutel erlaubt 
eben nid^t, x\)m glei^ ju l^elfen, fo barf id^ mid^ nur l^in« 
fe^en, unb in lurjer Stxt ift il^m gel^olfen." 9>ann einmal 
an feinen @d^üler ^. 9lieS: ,,9Barum t)erbergen ®ie mir 
3^re 9}ot? Steiner meiner ^reunbe barf barben, folange 
x6) etmaS l^ab."" Unb ein anbereS SRal: „3)arben lann id^ '/i 1^ 
nid^t feigen, geben mug id^." Sffiie grog, rfll^renb, mal^rl^ft 
menfd^lid^ Hingt Beetl^ooenS ©prad^e an ben ftammer« 
prolurator Baren a in @ra^, ber ben SReifter für bie 
bortigen Urfulinerinnen um 3Ranuftript>ltompofitionen bel^ufS 
öffentlid^er Slufffil^rungen gebeten l^atte! 3)a lefen mir einmal: 
„Seud^tete nid^t aus bem Sj^reiben t)on i^l^nen bie Slbftd^t, 
ben ^rmen su nü^n, fo beutlid^ l^eroor: fo mfirben Sie 






— 226 — 

mid^ nu^t »enig gelt&nit l^aben, inbem Sie bie Suff orbenuig 
an 8ti<^ g(ei<i^ mit QafjUtn belegen. 9Ke^ oon meiner erflen 
ftinbl^t an^ lie^ fid^ mein (Eifer, ben armen leibenben 
9{enf(i^en mit meiner ftunft }U bienen, mit etmaS onberem 
abfinben, iinb eS brandet nid^tS anbereS als baS innere 
SBol^Igeffil^l, baS bergleid^en immer begleitet." Unj&l^Iige 
Al^nUd^e SDofumente eineS fold^en nnerfd^Spflid^n ^od^fnnS 
fdnnte id^ nod^ t^orfül^ren. Unenblid^ ift bie Siebe nnb 
malere Sefd^eibenl^eit biefer reinen 9tatur. 99eim Sßol^ltnn 
mar er gang ibealer SRenfd^, er badete nid^t an fid^, l^atte 
babei feinen ber felbftfüd^tigen 9lebengebanfen, bie fo ]^&nftg 
eine Sol^ltat il^reS ^eiligenfd^eineS berauben, ^a, er 
fonnte fogar felbft barben, menn eS galt, anberen mol^l gu 
tun — fo ebel mar fein ®emfit — SEBer fann e8 vooijl in 
ebenfo geredetem Stolje ausrufen, mie iBeetl^oDen oor ben 
|9tid^tern tat, alS eS ft^ in bem befannten SSormunbfc^aftS« 
I projeffe gegen feine (Sd^migerin^ bie SRutter feines geliebten 
I 9leffen, um feinen uermeintlid^en (SeburtSabel l^anbelte! 9Ber 
n I eS, mie er, von {td^ bel^upten !ann: ,,aitein 3(bel i{i l^ier 
7 \ unb ba!" (inbem er auf {^erj unb Stopf seigte), ber barf ftd^ 
in Sal^rl^eit STlenfd^ nennen, ^reilid^ mar ein fold^er 9lbel 
bamalS ebenfomenig t)on SBebeutung mie in ber @egenmart 
Sie bamaligen 9tid(|ter tonnten eS nid^t miffen, ba^ feine 
ftolje Unabl^&ngtgfeit feine Seele geabelt unb feinen @eift 
erl^oben l^atte. 

— 9Bie ftral^lt bod^ ^l^r ganjeS 3lngefid^t oor ©lädt- 
feligleit, fagte t)on Sidtingen, menn Sie auS DO&tm ^rjen 
einen ^anegprifuS auf ben aQgeliebten äReifter l^alten fönnen! 
— 9lun nod^ eine anbere ^rage. SBSar ^eetl^ovenS @emut 
iut 9lad^e geneigt? Ober mar er aud^ über biefe faft aQe 
Snenfd^en bänbigenbe ©d^mad^l^eit erl^aben? 

— 3Rein lieber @idtingen, ermiberte ber Gefragte, biefe 
^rage mad^t mir gu meiner 93etr&bniS flar, bag Sie SBee« 
t]^ooenS mit bem 9ieligiöfen jufammenl^&ngenben S^bealiSmuS 



— 227 — 

bod^ noäj nid^t gan} nad^ ®ebfil^r toürbigen. 93on 9la^e 
lott^te feine gro^e, engelreine ®eele nid^tö. Stier eS lag in 
ber 9latur feiner ibealen ©eflnnung unb feines ganjen fitten« 
ftrengen SebenS, 9R&nnern bie tieffte SSerad^tung in seigen, 
f obolb fle fid^ irgenbn)ie olS fafd^, untreu, fUtenloS enoiefen 
l^atten. Sebiglid^ auS feiner ftoifd^en £ugenblraft ift aud^ 
fein Urteil aber SRojartS Son :3[uan au begreifen: ,,Sa^ 
bie l^eilige ftunft fid^ nie jur ^^olie eineS fo ffanbalöfen 
@ujet8 entn)ärbigen laffen foQte." 2>asu ntad^t ber SRojart« 
biograp]^ Otto ^a})n biefe jutreffenbe Semerfung: ,,3)ie 
l^ol^e @ittlid^!eit, nield^e ber gro^e Mann (Seetl^ooen) im 
2iben wie in ber jtunft unoerbrüd^lid^ hvx>af)xU, n)irb man 
aud^ in biefem ätuSfprud^e el^renb aner!ennen, er l^&tte eine 
f old^e Oper nid^t lompDnieren Idnnen, ol^ne ftd^ felbft untreu 

ju werben." SBel^e bem, ber fi^ ^olfd^l^eiten gegen 

h^n SReifter erlaubte! ^ebeiS 8txä)tn einer fold^en ®efinnung 
loarb unerbittlid^ geal^nbet. S)a mod^te eS nun ein S&rft ober 
ein 3)iener fein — baS galt ber SBeetl^ooeufd^en ®ered^tigfeit§* 
liebe glei^l, 9lur t)ermi|t man babei jumeUen größere 9Rilbe 
in ber $orm. (Sinmal, x>or ber erften Slufful^rung ber neunten 
^^mpl^onie, mu^U ^eetl^o^en annel^men, ber ®raf Wloxx^ 
Sid^nomSfq, @d^inbler unb ©d^uppangigl^ l^&tten i^n 
l^intergangen. Sofort erlief er an ben @rafen folgenbe 
bünbige 9lote: „f^alfd^l^eiten Derad^te id^, befud^en ®ie mid^ 
nid^t mel^r. SSabemie l^at nid|t ftatt. 93eet]^OQen." ä^l^nlid^eS 
miberful^r ©d^inbler unb (Sdiuppanjig]^, bem berül^mten @eiger. 
Sro^bem fam aber balb mieber eine SSerfdl^nung juftanbe. — 
S)a| SSeetl^ooen bei fold^en 9lnl&ffen gar fein ^nfel^en ber 
$erfon gelten lieg, erfäUt un8 mit tiefer (Sl^rfurd^t. Qn 
fold^en l^od^ernften 9lugenblid(en ftanb er gans unter bem 
ftberm&d^tigen (Sinfluffe beS ©eifteS aSer $eilig{eit. SBie 
ieber abfolut für bie ©ered^tigleit eintretenbe SRenfd^, mar 
aud^ er in fo meil^eoollen iDtomenten SteQoertreter ^otteS 
auf Srben. <Sr ift bann mie ^ileam, ,,ber äRann, bem 

15* 



— 228 — 

bie Xugen geöffnet flnb". „dS faget ber ^5rer g5ttltd^er 9iebe^ 
ber beS Wim&6)tx%tn Of^nbantng flel^et/' (IV. SRofe 24^ 
SBerS 3—4.) — 2)at aber $0eet]^ot)en8 ®emüt ber felbfllfd^en 
9lad^egebanlen gang unfftl^ig n>ar, fd^retbt er einmal ouS* 
brätflid^ an feine eble ^reunbin, ^au 9lanette @treid^er: 
,,9lad^e übt i<^ nie anS; in S&Qen, n)0 ii) ntu| gegen anbere 
SRenfd^en |anbeln, tue id| nid^tS nte^r gegen fte, ali voa^ 
bie 9lotn)enbigteit erforbert, ntid^ t)or il^nen gu btxoaffxzn^ 
ober fie t)erl^inbert, n)eiter fVbUi gu tun.'' SBBir n)iffen eS 
fogar auS guten OueQen, ba| ber SReifter aud^ feinen er« 
fldrten fjfeinben fortful^r, ®ttte8 gu enoeifen. 

— 3)aS ifi mir mol^Ibefannt, f|)rad^ t^reimann. SBei 
iBeet]^ot)en erftredte fld^ bie iSiebe aud^ auf feine ^einbe. 
— (Sinmol unterl^ielt fii) 99eet]^ot)en mit Sd^inbler Aber 
ben @rafen ©allenberg, ben ©emal^t feiner einft fo innig 
geliebten ®iulietta ©uicciarbi. Qm ^f)it 1823 mar 
biefer ®raf ^nfpigient ber Sibliotl^ef am SBiener Stftrntl^nertl^Dr« 
tl^eater. dt \)atU fid^ Sd^inbler gegenüber l^dmif^e ^u^e» 
rungen über ben Steifter gu mad^en erlaubt, tro^bem i^n 
biefer immer unterftfi^t l^atte. 2)ie bamalige Unterrebun^ 
mürbe in einem ©aftl^aufe fd^riftlid^ gefftl^rt. 3)arin fpric^t 
SBeetl^ot^en felbft unter anberem: ,,^6) mar fein unfld^tbarer 
SBol^It&ter burd^ anbere." t^erner: ;;II itait toujours mon 
ennemi; c'^tait justement la raison, que je fisse tout le 
bien que possible.'' S)aS ift mir immer ali ein ^eilanbSgug 
be8 Sfteifterg Dorgelommen. 

— SBenn man aQe l^ol^en G^araftergüge SBeetl^ooen^ 
t)orfä^ren moQte, fagte bar auf (Sbgar, fo märbe man 93&nbe 
füKen mäffen. (Sr bleibt ber eingig @ro^e, man mag fein 
2tbm menben unb breiten, mie man moQe. Stuft eS ber eble 
greunb be8 aJleifterg, ber SÄboofat Dr. ^ol^. SBaptift »ad^, 
bod^ mit t)oIIem 9ied|te balb nad^ SSeetl^ooenS 2:obe au8: 
„Slein 3^9 ii^^^t großen Seele barf tjerloren gelten!" 

' — Sie werben utt8 mit bafür f orgen, erfd^oK e8 barauf 



— 229 - 

launig aus beS fieutnantS 9)^ttnbe. 3)o^ nun, meine e^ren* 
TDerten ^^reunbe, eine lurje ^bf^n^eifung inS bacd^ifdie (Se* 
biet! 3>a^ f^reunb SEBittig .l^eute nid^t oiel tointt, baS wun» 
bert mxif nid^t fonbetIi(i^; er Idfd^t jla feinen 2)urft unauf- 
l^örlid^ aus ^Beetl^ODenS reid^em ©eelenqueU: aber ba| aud^ 
<Sie, lieber ähilpiuS, wn unS anberen in ber ftraft unb Suft 
bed XrinfenS gans unb gar auS bem (Sattel gel^oben n)erben^ 
baS erregt mein (Srftaunen. (Sagt man nid^t, bie Sl^ufiter 
feien ein trinIfeligeS 93olt? 9lennt bod^ fd^on ein rdmifd^er 
^tor bie SRufUer gerabeju ,,vini avidum ferme genus'^"^) 

— $t^ trinfe fonft freilid^ me^r, antwortete barauf 
^IpxnS, l^euie aber t)ergeffe id^ über ben SBeetl^ooengefprad^en 
fogar bie mir fo fel^r f^mpatl^ifd^e eble ^ald^uSgabe. — 
Übrigens trifft jener äluSfprud^ beS Sit)iuS nod^ l^eute baS 
9)tuft!antent)oIf. 

— A propos, äBittig! fiel l^ier l^onrat^ ein. äßie ftanb 
eS benn bamit um SBeetl^ooen? I^rauen unb (Sefang liebte 
er, ob aud^ baS britte Objjeft in biefer l^otben XriaS „SEBein, 
Beib, 0efang/' ben Sein? 

— Seoor id^ biefe Srage beantworte, fagte ber Gefragte, 
miäfU id^ mir über SBeetl^ooenS ^egiel^ungen ju ben grauen 
bie iBemerfung erlauben, ba^ fein SebenSf^iff aud^ nid^t an 
biefer gefal^rooQen Alippe fd^eiterte. Sud^ barin bem&l^rte 
ft(^ bie l^olieitSooUe (Sittenreinl^eit feines Sl^aralterS, im 
mertmürbigften ®egenfa^e px oielen feiner 3^itg^noffen unb 
nod^ mel^r ju mand^en melgepriefenen Jtunftgeiftern ber 
@egenmart, ftbrigenS gel^ört baS S^l^ema ,,99eetl^ooen unb 
bie f^rauen'' ju meinen Sieblingen; ein anbermal, meine 

*) ®iefe SRelnung, bie SioiuS (IX, cap. 80) oon ben tdmifd^en 
^pitUtutm, ben tlbicineB ^at, ift Don Dr. (8. 98egeUr in feinen ,fi\ot 
^ap^(^ 9{oÜ}en 9eet(ot)enft'' fo bem 9inne entffwed^enb sufammen» 
gefeit, (^tttau genommen aber fagtBioiud an Jener ®teKe: «die festa alii 
alios per speciem celebrandarum cantu epularum [causa] invitant et 
Tino, cnlus avidum ferme id genus est, oneratos sopiunt, atque 
ita in plaustra somno vinctos eonidunt ac Romam deportant.*" 



— 280 — 

fetten, loerbe x^ fo frei fein, Sie Aber biefeS SiebltngS« 
tl^ema )U unterl^alten. — Qnb nun gut Sßeinfrage. ^Seetl^ooen 
liebte ben SEBein, ober mit SRa^. SSon unferem 9Rei{ter I&^t 
ftd^ burd^anS baSfelbe be]^au)>ten, n>a8 aber StriftoteleS ouS» 
gejagt n>irb: „Ser SRann war m&^ig, nt&tig bis jum Über« 
nta^" ([jtitpio^ fjv xa&* 6irspßoXi{v). Unb bod^ l^at eB nid^t 
an 3nbimbnen gefel^It, bie bent SReifter bie Xrinlfud^t ange« 
bid^tet l^aben; mit eS beifipielSweife ber äCrjt Dr. 9ßan)rud^ 
tat. Sd^on 9B egeler berid^tet in feinen biogropl^ifd^en 
9loti)en: „^eetl^oüen lebte im ganjen fel^r m&|ig unb leiner 
feiner ^reunbe unb Gelaunten l^otte il^n, fomel mir befannt 
gemorben, je beraufd^t gefeiten." 9Rit fenem SBannfiral^le 
beS rdmifd^en ^iftoriferS fiber baS meingierige SRuflfer« 
gefd^led^t quUte aud^ SBBegeler oft feinen großen ^reunb. 
älÖein ba er in il^m eine fo l^errlid^e SluSnal^me fanb, marb 
er ber 9)teinung, baf jener SSormurf beS SiüiuS betr&d^tlid^ 
einjufd^rdnten fei. — 93ei Seetl^ODen ift biefe 9n&|ig!eit um 
f ffSf)tx an}ufd^lagen, als er mol^I oon feinem 9}ater fteime 
3ur Xrindu^ geerbt l^aben mag. Slud^ feine @ro§mutter — 
traurigen 9lngeben!enS — mar eine trin!felige f^rau gemefen. 
2)aS bemeift unS abermals, ba$ ein frftftiger (Seift felbft an« 
geborene Steigungen jum Sd^Ied^ten burd(i bie ^ol^it beS 
ftttlid^ien SBiSenS ber SSernid^tung ju äberliefern oermag. 

— 3fl ber aSormurf irgenbmie gered^tfertigt, fragte 
barauf ^reimann, ba^ fld^ SBeetl^ooen ffir baS ftunflfd^affen 
feiner B^^tS^^^^ff^" 0^ ^^^ intereffiert l^abe? Ö<^ l^abe 
fold^e SUogen non nid^t menigen SRujtlem oernommen. 

— Unb ®ie l^aben eS geglaubt? lautete bie etmaS oor« 
murfSooUe Gegenfrage (EbgarS. 9Bie foQte ber SReifter mol^I 
in fo greOen äBiberftreit mit feiner entfd|ieben auSgef>r&gten 
aQgemeinen SRenfd^enliebe geraten! 9leib unb (Eiferfud^t 
lannte er nid^t; biefe 2)&monen fanben feine ^erjenSpf orten 
g&n}Iid^ Derfperrt. 9lber nid^t menige iBeifpiele laffen fi^ 
fär baS birelte Gegenteil anfül^ren. ®o fd^rieb SBeetl^ooen 



— 281 — 

im ^al^re 18^8 an feinen großen, jel^n ^f)tt dlteren 3^it» 
genoffen Sl^ernbini unter anberem folgenbeS: ,,®o f)oä) aa^ 
3^te anbeten 9Berfe von n)a]^ren Jtünftlern gefd^ft^t n)erben^ 
fo ift eS bo^ ein walltet 93erluft fäc bie Aunft fein ntua 
^robult ^l^reS großen @eifte8 für baS 2:]^eater jtt beft^en. 
äBal^re ftunft bleibt unoerg&ngli^, nnb ber n^al^re Jhinftter 
^at inniges 93ergnägen an großen @eifte8|)robu!ten. (Sbenfo 
bin x^ aud^ entjädtt, fo oft id^ ein neneg 9Berf Don i^l^nen 
Demel^me, unb nel^nte größeren 9(nteil baran, als an meinen 
eigenen; !ttrg, i4 el^re nnb liebe Sie." Unb an einer 
anbeten (SteUe beSfelben Briefes l^ei^t eS: ,>L'«rt unit tout 
le monde, mie mel mel^r malere ^nftler". 3)iefe8 ^ntereffe 
beS äßeifierS an ben Shtnftfd^dpfungen feiner @enoffen ging 
nnenblid^ meit. Jtarl SDlaria t)on 9Beb er liefert ben 
gl&njenbften SemeiS bafär. S)iefer ä)teifter t)erbreitete, mie 
fattfam betannt ift, in feinen längeren ^al^ren fel^r fatirifd^e 
^uSfdQe gegen ^eetl^ooenS Sd^affen. Über bie m&d^tige 
A-dttr«@9mp]^onie foQ Sßeber geurteilt l^aben: ,,3e^t l^aben 
bie ^straoaganjen biefeS ©enieS ben ^ö^epunft erreid^t, je^t 
ift er färS 9larrenl^au8 reif". 3)erartige fogenannte ftri« 
tifen maren SBeetl^ooen mit nid^ten oerborgen geblieben. 9lid^tS« 
beftomeniger fanb ber gloriofe Jtomponift beS .^^reifd^ä^'^ im 
i^al^re 1823 bie ]^er3T)oQfte Stufnal^me bei unferem SReifter. 
hieraus offenbart ftd^'S, mie menig ein SBeetl^ooen felbft burd^ 
bie nnmärbigften Äritilen in feinen erl^abenen ®eftnnungen 
beirrt werben fonnte. — 3)ie $ianiftin Sigot, geb. Jti6n£, 
^rdulein 9(malie (Sebalb, bie @&ngerin, bie ^aniftinnen 
unb Slomponiftinnen Seopolbine Slal^etla unb Sltarie 
Sj^manomsifa, f^erbinanb 9iie8, (Sr^l^erjog Slubolpl^, 
bie Sjern^S, 9leid^arbt, (Spol^r, 3gn^3 Stofd^eleS, 
^ran) Sad^ner, SBdl^m, SRa^feber, Sd^upipanjigl^, 
9Rarfd^ner, Stul^Iau, Xomafd^ef, Sn^ber von Sparten« 
fee unb oiele anbere l^at ten fid^ ber liebreid^ften Slufnal^me 
oonfeiten be8 SWeifterS ju erfreuen. 



_ 282 — 

— ®o faQen benn, fpra^ t^reimann, bie gegen See« 
tl^ooenS $eUigen]^att))t gefd^leuberten SBortoürfe immer mel^r 
in i^r leeres, elenbeft Slid^tS jttfammen. S)od^ unter ben wn 
Sinnen angefül^rten jt&nftlemamen 9ermi^te id^ ju meiner 
iBermunberung ben beS mir fo äberaud teuren SieberlönigS 
©d^ubert. @tanb benn SSeetl^ooenS grd^efter Q^iigi^nt^z, 
t^fran) @d^u6ert, in gar !einem SSerfel^r mit il^m? 

— 5Der l^errlid^e granj ®d^ubert? rief SBittig feurig 
aus. @ein ^Begegnen mit SBeetl^oven liefert gerabe ben 
fd^dnften 3)en!ftein für bie au6) &u|erlid^ auSgepr&gte 019m« 
pifd^e SDtaieftät biefeS @rogmeifter8. ~ äBiO man ftd^ eine 
rid^tige SSorfteQung Don bem überm&Itigenben (Sinbrude mad^en, 
ben beS äReifterS grogartige, gebanlenf d^mere (Srf d^einung in ber 
@Ian}epod^e feiner Sd^affenSfraft l^eroorrief, bann tut man gut, 
ftd^ etma bie befannte ^abel vom Sömen unb bem f^ud^S 
}U Deranfd^aulid^en. 3)iefe ^abel aber l^at folgenben ;3[n]^aU: 
(Sin %ni)S empfanb ben lebl^aften äBunfd^, einmal einen Sömen 
Don Sngefld^t }u Slngefid^t ju fd^auen. 911S i^m ber 3ufaQ 
einft ben Stönig ber Siere entgegenfül^rte, marb er burd^ bie 
überm&d^tige Sdmenerfd^einung fo tief erfd^red(t, bag er faft 
ben ganzen SebenSatem verlor. 9lur mit groger Slnftrengung 
Dermod^te er'8, fid^ burd^ bie ^lud^t bem nieberfd^metternben 
%tMxde )u entjiel^en. ällg er jum smeiten SRale in bie 9l&^e 
eines Sdmen gebrad^t mürbe, fu^r il^m mol^l abermals ber 
jäl^e (Sd^redt in bie (Slieber, aQein nid^t in fo l^ol^em ä^age, 
mie baS erfte ä^al. Unb bei ber britten Begegnung l^atte 
bie £ömenma|eftclt immer mel^r il^re Sd^red(l)aftigfeit t>er« 
loren. 3)er ^ud^S !onnte nun beinal^e in gemätlid^er fRul^e 
^en 9liefenbau beS Sömen bemunbern unb ol^ne Slngft feinen 
Sßeg fortfe^en. 

^^nlid^ mie bem S^ud^fe in ber Isabel erging eS ben 
meiften SRenfd^en mit bem S^onlömen Seetl^ooen; freilid^ trugen 
nid^t menige 00m erften Sefud^e ein fo nad^l^altig niebec« 
bructenbeS ©efu^l baoon, bag fie ber „^ö^le" biefeS Königs 



— 288 — 

niemals toieber ju naiven wagten. — @o etoa oerl^iett e3 
{id^ aud^ mit bem großen ^rans ©d^ubert. Sie änaieft&t ber 
SSeetl^ODenfd^en Srfci^einnng l^atte biefen eblen ®dnger ber* 
geftalt eingefd^äd^tert, ba^ er faum ein einjigeiS t)oQeä SSort 
l^eroorbringen !onnte/ tro^bem in ber ^anptfad^e Slnton 
SiabeUi fein f^ärfpred^er mar. Unb gerabe ber freunblid^ 
geminnenbe^ fanfte Zon beS ®emaltigen brad^te Sd^ubert 
ooQenbS nm aQe Sctffung. (Srft brausen tonnte er mieber ju 
ftd^ fommen. @eitbem trng ®d^ubert (ein ä)erlangen mel^r, 
feinen ^od^oerel^rten SBeetl^pnen in beffen ^el^anfung aufgu* 
fud^en. — SBie ^oä) aber Sd^ubert felbft in Seetl^ODenS 
Sd^&lnng unb 93ere]^mng ftanb, baS gel^t fo red^t ftar unb 
erl^ebenb ans einem älugfprnd^e l^ernor, ben ber fd^on bem 
Xobe nal^e 9Reifter tat (Sinmal n&mttd^, auf bem legten 
Aronfenbette, rief Seetl^open, nad^bem er mel^rere neue Stom* 
pofltionen Sd^ubertS angefel^en l^atte^ Dernel^mlid^ auS : ,,Sßa]^r' 
1x6), in bem Sd^ubert mol^nt ber göttUd^e ^unfe!" 

• — SaS entjüdCt mi^ augerorbentlid^, fprad^ ^onrat^ 
mit SBegeifterung; benn ton ganzer Seele liebe id^ biefen 
^ran) (Schubert. 

— Slber baS, fagte fjreimann^ bleibt fürmal^r l^öd^ft benf • 
märbig, ba^ bie 9)taieftät ber Seetl^ooenfd^en ^lidCe biefen 
fWufenfol^n faft um ben ^Um brachte. — SWan begreift eS 
mol^I, menn man fld^ erinnert, mie unS SSeetl^oDenS S^ongemalt 
oft ben 9ltem su rauben brol^t. 

— ädleS an Seetl^ooen, erüdrte QSbgar empl^atifd^, gibt 
uns nur bie l^errlid^e SBeftätigung von ber flarften Harmonie, 
bie ftd^ im Seben unb in ber 5tunft biefeS SffiunbermanneS 
offenbart — fragen Sie nod^ immer ®elüfte in fid^: }u 
tabeln, lieber SöuIpiuS? 

— 9lein, nein, unb taufenbmal nein! oerfe^te biefer. 
SBie oielen San! fd^ulbe id^ ^l^nen, bem feuerbefeelten jünger 
S3eet^ot)en8. — SÄber felbft menn id^ nod^ fold^e ©elüfte 



— 284 - 

^&tte, ^mU wfirbe xif fit bod^ ntd^t mt^x vortragen, benn 
es fd^eint mir l^ol^e Qtxt, ba| mir unS jur 9M)t begeben. 

— 93eim l^etligen Oral^ma! rief von Sictingen auS; eS 
ift faft sn>ei Ul^r. 9(ber nod^ flnb manci^e ®I&fer gu leeren. 

— 3ft es fd^on fo fpdt? fagte aud^ Sbgar doH <Sr^ 
ftaunen. 3)ann la^en Sie unS nod^ ein befonbereS @taS beut 
i^el^ren ®eifte unfereS gepriefenen SlteifterS »eilten, ^nttn 
mir baran, ba^ bie S^t immer mel^r l^eranrüdCt, in meld^er 
bie gefamte Sßelt bie l^unberti&l^rige ®eburt beS grd^eflen 
2;onmeifterS fefUid^ begel^en mirb. SßaS mirb boS fär eine 
Subeljeit merben ! — Saffen ®ie ung olfo l^ier biefem gött« 
lid^en SRenfd^en biefen Opfertranf mit bem ^erlid^en ®e« 
IdbniS meil^n, oQeS, maS ein ieglid^er von vmS im 2then 
erfinnt, aQein im reinen, l^eiligen (Keifte biefeS (Sinnigen ju 
unternel^men unb auSsufül^ren. 3llfo bem Xnbenfen 8ee« 
tl^ODenS, bem Seitfteme aller dhUn, leeren mir biefeS (SlaSl 

— 3)a8 moUen mir tun! riefen aOe begeiftert burd^ein«» 
anber. |^eQ er!langen bie (9l&fer, — in bion^ftfd^er Stirn» 
mung mürben fie geleert. Sreubetrun!en umarmten ftd^ aUe 
^reunbe. (Sbgar erl^ielt nod^ ein befonbereS Sebel^oc^ für 
feine feurige, ftegreid^e SSerteibigung ber £]^aralter]^errlid^!eit 
Seetl^ODenS. 

9lad^ Smei lü)t trennten {td^ bie greunbe, nad^bem fie 
htm eblen @aftgeber x)on SidKngen oon ^ergenSgrunbe ge« 
ban!t l^atten. 

SBol^l nod^ nie l^atte fid^ Sßittig in fo gel^obener, feft« 
lid^er Stimmung jur Stulpe begeben, mie in biefer 9lad^t. 




St^nUi^ jtapttel. 




Wx finb ble 9larrett nur «on Gd^aS unb gfurd^t; 
^ie %a%t !ommen, gel^ faft uttmerKid^ -- 
2)od^ leben »it ; baS Seben deli und, 
Unb benno^ türmten »ir und fteiS, )u ftetben. 

e^ron: SRanfreb.*) 

'ie fDlorgi^nröte einer glädUd^eren Q^xt fd^ien il^ren er^ 
^ebenben @d^tmmer auf (SbgarS 3)afetn fallen ju laffen. 
(Sr lebte ntel^r unb me^r in ber }ut)erftd^tlid^en Hoffnung, 
bag er bod^ nod^ alle muftfalifd^en flippen fiegreid^ um* 
fegein u)ärbe. 

3)ie S^'^t feiner STtufiffd^äler max in ftetem SSad^Stum 
begriffen unb geut&l^rte V)ttt eine befd^eibene SebenSquelle. 
@S n)ar w6f)l anjunel^men, ba| bamit einem IRädtfaQ in baS 
frül^ere, unf&glid^e äußere ®Ienb ein fefter 9liegel Dorge» 
f droben n)ärbe. 

SB&l^renb fx6) äSittig bereits fonneuDollen SebenStr&umen 
l^ingab, l^atte fein unerbittli^ ftrengeS @d^id(fal bereits einen 
neuen^ fd^n)eren Jtnoten in ©eftalt eines lad^enben ®lüd(S« 
fd^einS um fein ^aupt gefd^first. 

*) We are the fools of voice and terror: days 
Steal on us and ateal from us; yet we live 
Loathing our live, and dreading still to die. 

Byron: Manfred. 



— 286 — 

SSiebet einmal mar ^eetl^ooenS (SeiurtSfeier l^eran« 
ge!oiinnen. Sbgor befanb fid^ in ber roftgflen ^{tfUmimtng: 
mar il^m bod^ abermals ber befeligenbjie 2;ag feines SebenS« 
jal^reS erfd^ienen. 

S)a ~ in ber ÜRitte biefeS l^ol^en SBonnetageS — traf 
il^n eine nnermartete Sotfd^aft auS ber teuren ^eimat. Seine 
(SItern teilten il^m mit, ba^ ftd^ il^m bie glüdtlid^e SuSftd^t 
erdffne, in einem rufftfd^en {^aufe eine gldngenbe Stellung als 
(Srjie^er, Sprad^« unb SJlufttlel^rer ju be!leiben. @ie be» 
f d^moren il^n fo rü^renb unb l^ersinnig, biefen Sd^idtfalSminf 
als eine l^dl^ere Fügung ju betrad^ten; fte befd^moren il^n 
bei feiner ünblid^en Siebe, biefeS (SlüdE nid^t jurädCsumeifen; 
er foQte bod^ enblid^ einmal fein notgetrdnfteS Seben mit 
einem freubigeren Sofe oertaufd^en. — 

SBunberbar, l^dd^ft munberbar, bag il^m fold^e Aunbe 
iuft an feinem l^öd^ften f^eiertage, an Seetl^ooenS @eburtSfefte 
merben mugte! ^n ber äJolUraft feines ^eetl^ooen^ffintl^n^ 
ftaSmuS gerabe an biefem 2:age mar er in ben erften Stugen« 
blid(en nur ju fel^r geneigt, biefen SlettungSmin! als eine 
fd^Iimme $iobSpoft anpfe^en. 9la(^ unb nad^ freilid^ begann 
meife SBefonnenl^eit xf)x 9led^t geltenb 3U mad^en. 9Hd^tS« 
beftomeniger blieb ber Aonflift nod^ gro^ unb m&d^tig genug. 
@bgarS ©emüt l^atte l^iermit eine l^arte ^röfung ju befleißen. 
(£S mar ein l^eiger Seelenfampf. 9BaS foÜte auS feiner SDtuft! 
merben? 

SBie foQte er auf bie 3)auer ein Seben in einer @tabt 
ol^ne 53eet]^ot>enfd^e ©gmpl^onieen ertragen, bie il^n jeberjeit 
fo ^06) aber aQe irbifd^e @rbärmUd^!eit emporgel^oben l^atten? 

3lQetn ein bebeutungSooQeS ÜJloment in ber anbern SBag« 
fd^ale mar bie JtinbeSpflid^t gegen bie @Itern. 3Bittig mugte 
ftdi'S eingeftel^en, bag mir ben Altern niemals aQ bie Siebe 
unb Streue aud^ nur annäl^ernb vergelten fSnnen, bie mir 
mdl^renb einer forgenloS l^eiteren ^ugenbjeit erfal^ren l^aben. 
Oft genug l^atte er eS ftd^ im ftiKen feierlidtift gelobt, il^nen 



— 287 — 

jlebe irgenb möglid^e f^reube ju bereiten: je^t foQte er fold^ 
ein ©elöbnid enblid^ einmal erfäQen. 

Saju gefeilten fid^ bie t)on aQen Seiten fort unb fort 
auftaud^enben 3t^^^f^i <^^ ber reinen Sal^rl^eit feiner 9Ruftf « 
freubigfeit. SSieQeid^t br&ngte ftd^ x^m felbft fold^ ein ^age» 
gefpenft auf. SBielleid^t »ar biefeS aOeB eine nid^tige, leicht 
Derpuffenbe bilettantifd^e (S(i^n)&rmerei, für bie eine %oifyct in 
bie n)eite, n^eite äBelt gen)i$ ©enefung bringen ntfi^te. — 

<£bgar trat alfo al8 93en)erber um jene Stellung auf; 
freilid^ in ber gel^einten Hoffnung, (einen (Srfolg ju erringen, 
älber ba8 gel^eime ^offen f anb^ n)ie er ju feinem f d^weren Seib« 
n)efen fd^neQ genug l^ören mugte, leine (Srfällung: er mürbe 
gem&]^It unb foQte in furjer §rift fein ißaterlanb oerlaffen. 

©eine (SItern fd^mammen in einem maleren $reuben« 
meere. ©eine ganje uermanbte unb befreunbete Umgebung 
mar l^od^erfreut aber biefeS (SreigniS. 

S)od^ in (SbgarS Seele mürbe eS txm fo büfterer, j|e 
n&l^er bie entfd^eibenbe Stunbe (am. {^ier galt ^S, ben 
ganzen Seelenmut jufammenraffen, benn ein ^urüdmeid^en 
mar nid^t mel^r möglid^. ^I^t, mo ber mufUalifd^e 9lebel 
immer mel^r t)on feinem @eifte ju fd^minben fd^ien, j[et)t 
gerabe foQte er fld^, fo3ufagen^ Don ber ganjen SSfin^t loS« 
reiben. ^f)m mar fo jumute, al8 begebe er ftd^ lebenbig 
in ein norbifd^eS @rab. 

SSoQ t)on ben traurigften Sll^nungen trat 9Bittig feine 
9leife inS unmirtlid^e 9lu§Ianb an. 

3)er neue 903ir(ungS(reiS bemieS il^m balb, bag er ein 
rid^tigeS SBorgefäl^t t)on ber Unerquid(Iid^(eit feines rufftfd^en 
^afeinS l^eräbergebrad^t l^atte. 

&t lebte in einer SRittelftabt SRu^IanbS. 

^ür ben SRangel an Sd^Snl^eitSfinn, ber aus bem 
ftdbtifd^en Sangen überall ]^erx)orgud(te, mürbe man butd) 
baS bortige SBSalten ber 9latur nur in ^öd^ft befd^eibenem 
SRa^e entfd^äbigt. 



— 288 — 

^S fd^tnu^ige, otool^I auS »etter ^rne molertf^e 
SuSfel^en ber Stobt l^armomette nad^ SbgorS 9n{ld^t nic^t 
fibel mit bem unpolierten ®eelen}uftanbe il^rer ^tmoffmx. 

Sein fieben in Stu^lanb »ar ein an^oItenbeS $in« 
feufeen. 

(Sbgor in feiner unumiounbenen^ offenen SebenSart l^atte 
tnan^ l^orten Strauß mit feiner Umgebung ju befielen. 

3)ie aitenfd^enmürbe^ mie fte bie ed^te SUbung oerletl^t, 
galt bort nxä)t8. (Sinjig unb allein ®elb unb Anderer SRad^t« 
glanj ftanben im Stnfel^en. 

2)er Seigrer mirb ba im großen unb ganjen einem oberen 
S)iener glei^ gead^tet; ein ^auSlel^rer foQ feine Siilingt 
nid^t aQein unterrid^ten unb erjiel^en^ er foQ aud^ i^r oolt« 
ft&nbiger SBdrter fein. 

älber bie ^rren beS ^aufeft fanben an (Sbgar einen 
l^arten Reifen, an htm j[eber tdrid^te ungered^te äBunfd^, fo« 
balb biefer mit ber (Serabl^eit unb äBärbe feines Qil^arafterS 
nid^t in (Einfkng ju bringen mar, unerbittlid^ jerfd^eEen 
mu^te. @ine fteife ftdite mu%tt fid^ naturgemäß bei einer 
fo oerfd^iebenartigen S)en!ungSart gegenfeitig einfteQen. 

SBittig mar aber aud^ gar nid^t ber fSflann, eg rul^ig 
mit anjufel^en, mie l^ier t&glid^ ben emigen, unmanbelbaren 
ältenfd^enred^ten inS Slngefid^t gefd^Iagen mürbe. Sel^r fd^neQ 
gemann ber @ntfd^Iug in feiner (Seele S^ftigfeit, ein fo un« 
murbigeS $io^, fobatb ftd^ bie 9)löglid^Ieit erdffnen märbe, 
t)on ftd^ ju fd^ätteln. 

©eine Siätigleit mar eine l^öd^ft anftrengenbe. SDtod^te 
tl^m feine Umgebung aud^ nod^ fo antipat]^ifd[| erf feinen: 
bie gemiffenl^aftefte SrfäQung feiner Abernommenen ^flid^ten 
galt il^m ftetS alS l^eiligeS, unoerIe|bareS @efe^. ^ier nal^m 
ber Unterrid^t in allerlei Sprayen unb in ber SnufU, bie 
(Srjiel^ung im ^aufe unb auf ben ^romenaben faft feine 
gan}e XageSjeit in 3lnfprud[|. 

SBefonberS l^atte für (SbgarS freil^errlid^eS äBefen boS 



— 239 — 

ftete 3ttf<^in<nenfein mit feinen (Sd^ülern ttrocS l^öd^fl Uner- 
quidlid^eS. 9Bie ^aufl mit feinem $ubel — fo l^ier mit 
feinem ^cutptfd^olaren ftetS ein unb biefelbe QeÜJt teilen ju 
muffen —, baS mar für feinen an (£infamfeit ubenn&gig 
gemSl^nten Sinn bie aUerl^&rtefte @ebuIb§pro6e. i^ebenfaQd 
fnurrte biefer ®d^oIar einbringUd^er als Rauften? munber« 
lid^er $ttbel. 

fHn ben (Sd^ülern l^atte Q^bgar anf&nglid^ feine malere 
Sreube; bemjufolge fäl^lte er ftd^ aud^ mit ber Xrourigleit 
feines ntffifd^en 3)afein3 einigermaßen auSgeföl^nt. Sttein 
iaib trat eS an ben Xag, baß aQeS (Sute, baS er mit uner* 
mAblid^em (Sifer feinen Sigfin^zn einjuimpfen beftrebt mar, 
fd^neU bttrd^ oerfel^rteS (Sinmirfen namentlid^ Donfeiten ber 
viüxQ unDernünftigen SRutter Dernid^tet mürbe. 

3)ie 93er3&rtelung, bie aui ber falfd^en SRutterliebe 
^eroorgel^t, ift bie Urquelle fär baS 93erberben ber Slinber. 
9[u8 ber SSerj&rtelung entmidCelt ftd^ in ben Stinbern baS 
(Srsböfe, ber ®r)feinb, ber l^&uftg genug feinen ftrafenben 
^rm gegen bie eigenen Derj&rtelnben (Sltern erl^ebt. 

^iefe Snutter l^ier mätete mie feiten |emanb in il^rer 
Dirmeintlid^en ^erjenSliebe gegen il^r eigenes (Sebein. Sd^on 
iet(t maren bie traurigen folgen fid^tbar. SGBenn fx6) bie 
§rau äRama einmal einfallen ließ, ben (EngelSünbern einen 
^unfd^ }u verfagen: bann lonnte fte eS erleben, baß fo 
mgel^afte Stinber i^re eigene SDtutter }tt uerflatfd^en f&l^ig 
maren. — 3)er SBater maltet meift braußen im mogenben 
SBelttreiben: barum ift bieüRutter ber mefentlid^fte fieiter in 
ber Stinberersiel^ung. (Sine l^ol^e 93erantmortIid^!eit legt bie 
gdttlid^e 3}orfe]^ung auf ben mfifterlid^en @eift. 

dS ift einleud^tenb, baß unter fold^en Umft&nben l^ier 
bei SBittig iebe ^reube an einer gelungenen Srjiel^ung bitter 
t)erg&IIt merben mußte. $alb gemann aud^ ber böfe (Sin« 
f(uß naturgem&ß bie Oberl^anb. 

SRit ber Sltufi! beS emporftrebenben StänftlerS fa^ eS 



— 240 — 

DoKenbS troftloS aitS. 3n feinem S^^^^^^ ^^^^tte er Fein 
:3nftrument. Sonft war eS fein erfteS %aQtrotd, an einer 
^eet]^ot)enfd^en Zonbid^tung feine Seele gu erqnidten. ^9 
ntugte |e^t gAnjlid^ n^egfaQen, n)ie überl^aupt jeber unge* 
trübte Äunftgenn|. — 3)o8 ?ßianoforte ber fjamitte — ein 
loftbarer t^lägel — ftanb im ^uptfaole; biefer voat aber 
faft niemals menfd^enleer. 9Ba8 ift ba8 alfo fär ein SRufl« 
gieren, n)enn balb biefer, balb jener burd^S Sxmtmx fd^reitet; 
n)enn fld^ balb JKnbergefd^rei erl^ebt, balb ^amiliengef^mfi^ 
l^drbar wirb, ober taufenb anbere Stdrenfriebe erf^einen. 
9BeId^ ein jl&l^er ^aU marb il^m benn fo ntpU^U!) anS 
irgenb einer ibealen Zonwelt SJeetl^ooenS in bie j[ämmerlid^e 
rnfftfd^e Qürbenwelt gu teil? — 93on Ord^eflermuftt war in 
ber @tabt feine Siebe. 3llfo l^ieg ti, feine reinfte @eifte8« 
freube, wie fle il^m in ber beutfd^en 9leflbeng auS ben ^n^ 
ftrumentalfii^dpfnngen SBeetl^ooenS oft fo rettenb erllnngen 
war, l^ier oöQig entbel^ren. 

Unb feine Äompojltiongftubien? ^n ber ©tabt ejiftierte 
niemanb, nnter beffen f d^ütyenber Sftgibe StBittig biefe f d^wierige 
Seigre betreiben !onnte ober mod^te. (S6 l^at aber fein SRi^^ 
lid^eS, in ber ÄompofitionSlel^re fein eigener Sel^rmeifter ju 
fein, wenn man biefe Stubien nid^t bereits einmal gu einem 
älbfd^luffe gebrad^t ^at. 9Ber ba nod^ nid^t auf eigenen 
gügen ftel^en fann, ber mn^ feine arbeiten ftetS einer 
leitenben ^anb gur 93erbefferung übergeben. (Sbgar mod^te 
bieS einfel^en unb befd^r&nfte ftd^ beSl^alb auf bie nü|lid^e 
Sßieberl^olung mand^er frül^eren tl^eoretifd^en ©tubien. 

ffig war anbererfeitS aud^ ein groger Vorteil für dbgar, 
bag er längft eine ftarfe IBorliebe für bie (Sinfamfeit ge« 
Wonnen l^atte. ®o fonnte er eS l^ier leidet oerfd^mergen, 
bag il^m nur gang feiten geeigneter Umgang t)erg5nnt war. 

^m ^aufe felbft erregte fein ^ntereffe eingig unb attcin 
feine fieibenSgef&l^rtin, eine ehrbare beutfd^e <Srgie]^erin, bie 
gleid^geitig mit il^m baS fdidne S)eutfd^lanb mit bem raul^en. 



j 



— 241 — 

ttiifyolietten 9htf(anb oettauf^t l^atte. %üt xf)xt ad^iung» 
geMetenben (Sigenfci^ctften fptt^it bet eine ttmfUmb am bfin- 
btgflen, ba^ fte in {letem ^ber, in vofkx Unjufriebenl^eit 
mit ber l^od^mfitigen, rfidCfid^tölüfen ^milie beS ^oitfeS 
lebte« Sßol^l nod^ fd^merer olS (Sbgar feu^te fie unter ber 
£aft biefeS fär^tertid^en 2)afein8 in ber unl^eimlid^en ^rembe. 

^fir bie oielen Unbilben, benen fid^ ber jnnge SSftnftter 
im {^anfe onSgefe^i fol^, entfd^&bigte il^n iebo<i^ anjlerl^alb 
befifelben bie überaus gaftfreunblid^ Sbtfnal^me in mand^er 
beutfd^en S^^i^/ ^^^^^ 99elanntfd^aft er burd^ bie Ser^ 
mittelung eineS i|m befreunbeten S)eutfd^'9tu{fen erlangte. 
SHe Eurje Spanne Qüt, bie Sbgar nad^ ber langwierigen 
älnftrengung in feinen SerufSpflid^en für bie SluSbilbung 
beS eigenen (SeifteS Derblieb, erlaubte il^m freilid^ nid^t oft, 
feine SanbiSIeute aufsufud^en. 

Sßie ber SSogel iau<i^3t, ber nad^ langem Gd^mad^ten in 
feinem engen 5t&flge tbieber einmal baS roflge Sid^t ber ^ei« 
l^eit begrübt: iaud^gte aud^ (SbgarS (Seele, fo oft er feine 
iBel^anfung, in ber ti il^n mie Jterferluft anmel^te, DerliejI 
unb ftd^ brausen im trauten ^amilienbeife als S>eutfd^en 
unter 3>eutf^en füllte. Unb ber jlebeSmaligen Trennung aus 
fo ongenel^mer ®p]^ftre oerliel^ ber (Bebanie, ba^ eS nun 
mieber bem alten, mobrigen 5^unft!reife ehtgegengel^e, einen 
befonberen ®rab bitterer SBel^mut 

So unertr&glid^ il^m au^ baS Beben im ^aufe erfd^ien, 
fo entfd^&bigte il^n bo(| faft täglid^ bie gel^eiligte StiUe ber 
9lad^t für bie Seiben unb SRül^en beS XageS* 2)a vertiefte 
er fid^ in feiner feierlid^en (Sinfamteit gan} unb gar in baS 
l^ige Seben SBeetl^ooenS unb fd^öpfte immer oon nmtm bie 
munberfamfte Seelenft&rtung borauS, oornel^mlid^ bie Straft, 
baS über alle Begriffe unfelige fieben in biefer ruffifd^n 
Stabt eine SBeile }u ertragen. 

^e Sel^nfud^t nad^ S)eutfd^Ianb marb aber baburd^ oon 
Zag iu Zage l^ei^r, m&d^tiger in il^. ^mmer ndl^r rücfte 



— 242 — 

bte 3^ l^eran, in bet 2)etttfd^Ianb baS i^fubelfeft ber (Sthwct 
feines großen Oeetl^oven begd^en fottte. SB^e oft unb wvt 
innig l^atte (Sbgar ftd^ ntit bent Oebanfen getragen, hoi) 
aud^ ein tleineS S^erflein gut Serl^etrlid^ung feined über 
ade begriffe geliebten unb Derel^rten 9ReifterS beizutragen. 
(San) S)eutfd^Ianb follte fld^ freuen — unb er foUte fern 
von biefem ^efteSraufd^e bleiben, 1^ in biefen unl^eintlid^en 
ät&umen? — 9lid^t feiten »ar fd^on in S>eutfd^Ianb biefe 
großartige ^^eier ooral^nenb in feiner £raunnoeIt aufgefUegen, 
fo baß il^n gerabe ber ®ebante baran bis junt Ie|ten Sbtgen« 
blicfe immer nod^ fd^n)an!enb erl^alten l^atte: ünb foUte er 
l^ier müßig mit anfe^en, mie ftd^ taufenb unb aber taufenb 
^ftfte gefd^&ftig regen, um bem Stnbenfen biefeS SEBeltgeifteS 
baS glansDoQfte gfeft }U bereiten? 9lein! SS märbe il^n 
nad^ 3)eutfd^Ianb getrieben l^aben^ felbft menn fein rufflfd^ 
Safein auf lauter Stofen gebettet märe. — ^od^ fd^moU 
il^m ber SRut an, lieber in 2)eutfd^Ianb baS ^ußerfte immer* 
bar )u ertragen, als l^ier ein unmärbigeS £eben bei Äußerem 
<Slan}e fortjufel^en. Unb menn er gans sugrunbe ginge: eS 
foQte il^m feiner feine SRenfd^enmürbe beleibigen. 

9(ud^ über Sntl^emia erful^r (Sbgar l^ier gar nid^tS. 
Smma ^Ubebranbt erm&l^nte in il^ren Briefen an ii^n biefeS 
teuren SEBefenS mit feiner (Silbe. Unb bod^ badete er il^rer 
fo oft, mad^enb unb träumenb. SHeUeid^t mar eS entfd^ieben, 
baß fie mieber unb bann für immer in S)eutfd^lanb bliebe! 
<Sbgar aber mu^U gange lange, lange 3^^^^ i^^ ber gram« 
i9ollften Ungemißl^it oerl^arren. 

<SS iß leidet erfl&rlid^, baß unfer junger SJ'htftfer in 
feiner Slunft 9lüd(fd^ritte mad^en mußte, namentlid^ in ber 
Xed^nif jleber 9lrt 3)ie8 IBemußtfein preßte, il^m bie Seele 
oor Unmut jufammen, unb — maS feinem SRißmute bie 
5lrone auffegte — baS mar ber.Umftonb, baß er biefen l^erben 
Sd^mer) fa^ gang in ftd^ uerfd^ließen mußte. 2>a fanb fid^ 
feine Seele, bie er in SBal^rl^it gur Stitmifferin feiner 



— 248 — 

tnnerften troitert^oQen ®e]^etmniffe ttiad^en fonttte. — Über» 
bieS l^atte er nod^ nietnols fo oft unb fo inl^Sretd^ oon 
Seetl^ODcn geträumt, al8 eS l^ier in ber ruf^fd^n (Sinöbe 
gefd^al^. @rö^tenteifö erjäl^Iten btefe Xrdume ooit ber 6e« 
Qorftel^enben SBeltfeier beS geliebten SReifterS. 

^n einer 2;raumnad^t betrat (Sbgar eine ^aSt, in ber 
ftd^ boS Orabntot SSeetl^openS befanb. £eife, eigentüntßd^e 
Sdne entn)anben jld^ bei biefem ätnblide ber 93ru{} beS jungen 
ItänftlerS. 2)ie ungel^eure 9[ufregung brol^te fein inneres 
Stt gerfprengen. (Srft in freier Suft feierte fein Stern jur 
9lu]^e guräd. @in blül^enb jungeS/ jauberreijenbeS SRdbd^en« 
geftd^t ladete iE|n ob feiner rafenben 99egeifterung, bie aOeS 
um fld^ l^er oergag, re^t n)ad(er auS. — ©leid^ naci^ biefem 
2:raume ern)a(i^te (Sbgar; fein traumoenoöl^nteS Suge !onnte 
ftd^ nur fd^n^er an bie nücfiteme SEBirflid^feit gen^öl^nen. 

(Sin anbermal jeigte il^m bie Siraummelt eine mer!« 
loürbige ®tatue beS SReifterg. @bgar befanb fld^ mit 
mel^reren ^reunbinnen in einem l^errlid^en ^aine von munber« 
barfter Sd^önl^eit. (Sine fo l^el^re Slnbad^t ^errfd^te an biefer 
traulid^ anmutigen ®t&tte, als m&rbe ber 3<^u^^^^ttt ber 
l^immlifd^en ^eerfd^aren ermartet. ^lö^ici^ n)urbe ben 9ln« 
n)efenben eine lebenSooQe SUbf&uIe 93eet^ot>enS gegeigt, beren 
feltfamfte Sigenl^eit barin beftanb, ba| ^&nbe unb Sugen 
aUerl^anb tieferregenbe Semegungen mad^ten, gleid^fam als 
tönte nod^ auS bem @rge ber fd^mere SebenSfc^merg nad^. 
darauf erfd^ien ein m&d^tiger 93ogel unb l^ielt in feinen ge< 
maltigen ItroQen ein Pergament, auf bem in feuriger (Sd^irift 
p lefen ftanb: feiert il^n märbig, mie eS einem mal^rl^aft 
majefidtifd^en Äönige gebül^rt! 

SHe {^erjenSangft mud^S Don Zage )u 2:age in (Sbgar; 
er !onnte fld^ nid^t entflnnen, jemals guoor eine fold^e Stxt 
ber unauf^drlid^en ©emütSunrul^e bur^lebt p l^aben. 

S)er meland^olifd^e (SntJ^ufiaft fd^rieb von l^ier auS fleijlig 

16* 



— 244 — 

an Sennanbte, ^cetmbe ttnb gfceunbinnen. (Eistige SScief » 
frogniente Unneit }ur (fegfinsung biefer äRttttttuitgeit bietien. 

2)eii • . • 

— -^ Shtti bin id^ faft jipei SRonate in btefer j&tnmeci 
lid^en SteQung. ^ Jtopfe ^enfd^t ein »ftfteS <Ül^aa8: oKe 
gefunben <3[been »ollen mid^ gonj oerlaffen. ÜberbieS ift eS 
eine 3^^^ rafenben 93eicge(fen& Unb ba}U ^abe id^ mid^ 
Äberreben laffenl 9Bie l^eig fel^ne id^ mid^ nad^ meiner 
elenben, notpeinlic^en beutfc^en (Stiften} s^rädt! SBer ftd^ 
nie als 2)eaUfd^en geffil^U I|at, ber lernt l^iec biefen Stolj 
empfuiben. $in ber ganzen (Stabt ift non einer »iffenfd^aft^ 
lid^en ober fünftlerifd^en ^Betätigung, bie Aber ben ^nbwerfS^ 
mäßigen Sentf l^inauSginge, tanm bie Spur gu entbedten. 
3n n)eit ft&rlerent SOta^e nod^ als bei unS br&ngt ftd^ l^ier 
bie Überjeugung auf, ba^ nur ^ud^Ier unb ©d^meid^Ier e^ 
3U etn>aS (SrüedtUd^em bringen lönnen. 3)a8 ®erabe, (Sd(|Ii^te 
unb SBal^re n)irb Derad^tet. 

®en . . . 

3)u fragft ®id^ mitunter fopffd^üttelnb, wenn 

3)u meine SBrief e ooller Älagen unb SSormfirf e lief eft : ift 
baS mein fonft fo milber (Sbgar, ber aSen (Srfc^einungen 
beS 2)afein3 il^r ®ute3 abgulaufd^en gemol^nt ift? 2)er mirb 
mir fd^lieglid^ nod^ ganj Sitterfeit unb 2;abelfud^t! — 9lun, 
fo fd^limm ftel^fg mit mit nod) nid^t. SÄud) l^ier in biefem 
munberlidien SBerl^ältniS bin id^ gegen bie l^ie unb ba auf* 
taud^enben Oafen in einer (KeifteSmüfte nid^t blinb. ©emig 
lann man aud^ biefem rufftfd^en 3)afein baS l^od^menfd^lid^e 
3Sloito oorfe^en: IntroTte, nam et heTc dei sunt! ^6) föl^re 
®ir barum l^eute allerlei oerföl^nenbe SÄomente oor. — ©elbft 
bie bumm^od^mütige ^errin beS ^aufeS l^at il^r SBerfdl^nen» 
beS. Sßenn biefe 2)ame aud^ meiftenteils fo einl^rfd^reitet, 
als n)oQte fte mit il^rer 9lafe ben ^immel tro^ aDer ent« 
gegenftel^enben @e^rne burd^bol^ren, ift fie b^d^ gang SRenfd^en* 
freunblid^feit, SiebenStnfirbigfeit, fobolb fie $Beet^aoenfd|e 



— 245 — 

Mttft! |drt. S)ann erf<l^eint tl^r ganjeS SBefen wie umge« 
iDcmbelt. ®ie freunblid^^ faft bemätig tonn fle mir banien, 
ioentt id^ il^ einmal in gemeii^ @tmtbe eine ^et^onenfd^e 
Monate Dortrage. — Überl^cntpt ift baS mfftfd^e Stoß red^t 
mitfUaI{f<l^, fftv flaffifd^ äßufif, sumol fftr bie Oeefl^ODenS 
fel^t empfängliii^. lUib fo bftrfte eS bem l^eiligen @ei|te 
t^eet^mienS bod^ nod^ gelingen, bag and^ Slaoenndller fhi« 
lid^e Uraft unb <3t&i^ttng geminnen, um eine mol^te geiftige 
SStebergeburt }u erleben. — SRein fel^r begabter ^npU 
fd^olar ift bnrci^ mi^ fd^on ein gang enragierter SBeet]^ot)e« 
nianer gemorben nnb vM von meiter nid^ mel^r ^dren als 
t)on Seetl^onen — nnb aSenfoKS nod^ oon {^omer. aftettUd^ 
mAl^renb beS SteligionSnnterrid^tS Ke§ er fi^ pld^lid^ jn 
folgenbem d^or alteriftif d^en anSmfe l^inreifen: ,,£> fc^dne 
3Iiabe, l^errlid^er ^omer! nnb o bu kngmeilige SJSibel! 
lieber <3ott, xKtitxf^t mir meine <9otte8ld|temng!'' ®o ge« 
metften, lebl^aften ®eifte8 jetgt fid^ ber ftnabe befonberS in 
ber 9htft!. SaS Jtlanierfpiel gn mer ^&nben nnb baS freie 
^l^ntafteren finb babei feine ^afftonen. ®d^on lei^t beginnt 
er na^ beftimmten ^ebanlenentmürfen am ftlanier ju bid[^ten. 
SieQeid^t mirb tro^ aKer Setiiel^ung bod^ nod^ ttmaS 9led^te8 
ans il^m. — Sin id^ nnn mieber ber SUte? — 

3)en . . . 

»ei mir fielet eS unerfd^fttterlid^ feft, ndd^ftenS 

meine (SteQnng in biefem ^onfe anfjugeben. Slnd^ bie lieben 
Gltern l^ben il^re B^^fi^^i^^nl^eit Aber meinen ißorfal ans« 
gefprod^n. — SBeld^ ein l^erber (Segenfa^^ menn id^ ben 
geflrigen ®ebnrtB» ref|>. Zanftag Seetl^oi^enS mit bem Dar» 
i&l^rigen nergleid^e! ^dtte id^ nid^t no^ menigftenS belegen« 
l^eit; immer neue 3:iefen unb (Shrl^abenl^eiten auS bem 2^ien 
biefeS (fingigen )u erfal^ren, id^ mürbe famt meinem (Seifte 
ju einem (Sd^attenbilbe gufammenfd^rumpfen. — Xber eine 
gro^e, ^ol^e ^reube marb mir an biefem Stage gu teil. WUin 
nun aud^ bereits tüd^tig in SBeet^otien fdimelgenber @d^ftler 



— 246 — 

^otte eS in vocUx Seife fo 9erante|t, boß mix an See 
t^ooeitf <Be6itrtStage ftetlici^ Stlaoierfonaten nteises 
SReipecB in bet beßen, totrrftefien SbtSgoBe (Steitfopj 
ft ^&rtel) neie^ würben. 3^ fonb eS überonS finnig unl 
nerfiftnbnifnon^ ba| i^ bie fftx ntitl^ befUmmte Sei^na^tS« 
gäbe gecabe an biefem »einem eigentUc^n ^eptage er^ 
60 oiel S0xtitf&^ ^ biefer Slnobe bereits asS ber @i» 
fennlniS 9eet^onen8 gefd^ipft — SBieber ein fiic^tblid in 
biefem an^attenben 2)ttideL — 

3)en . . • 

— Son einem {^onSlei^rer mirb ^tx hai Unge^rpe 
nedangt: erfl foD er DoDft&nbiger miffenf(i^aftlici^ Belgier, 
bann an^ noO^Anbiger ^ofmeifier fein; iü^ bin mm banebes 
niHl^ SDbtpk^ breier itinber. — Xber im grrfli^iai^r foSen 
biefe Sfeffeln abgeftreift merben. — Übrigens filmet bol 
mffif^e IKima meinem Mrper gang erfiannli«^; balb vitb 
ber ntfftf«^ ^oii^nmiter anii^ bie 9erf(i^ebenen l^äbfc^en 
^omenaben ner^bem. — 3>ie <5tabt gemfi^rt, meti jie 
terraffenfdrmig angebaut xft, intmerl^ maa6) eine fc^Jne 
SnSfic^t, namentlich non ben {^Sl^epnnften auf bie tiefet 
gelegenen Zeile, mop benn anci^ bie ga^bei^^ Stird^en vä 
i^ren golbig f(i^immemben Sbxppdn ni^t menig beitragen. 
^on meinen 6pa)ierg&ngen mar mir einer, immer no^ 
non befonberS poetifcl^m 9lei)e, i^ meine ben oon mir (d\o 
getauften «.S^manenparf". 3)aS iß ein deiner, aUerliebflei 
£tt{lgarten, beffen lieblici^ 9Htte ein Harer Xeii^ bilbet, auf 
bem brei flol^, blenbenb mei^e Sd^m&ne i^r fel^nfud^terfMteS 
Spiel treiben. %a^ t&gli(^ ftatte i^ biefen fo gl&nsenben 
SHd^ter^mboIen, biefen 99ilbem meiner eigenen nie geftiOten 
nnb fonm ftiOboren Sel^nfnc^t, meinen Oefnij^ ab. Xn^ biefe 
anmutige ^i^^^be mu^te ber immer rau^ merbenbe SBinter 
ganj vernichten. ^ bin je^t fdft beflfinbig leibenb uni 
fc^Iei^e mie ein tr&umerifd^eS (ikfpenft einl^. 9S toiti 
immer unertr&glici^er, tro|bem {i^ baS Oanje rein &n|erli4 



j 



— 247 — 

;t, liit etioaS beffer geftaltet. 9lo^ faft mer älHonate toirb btefe 

ütvtv^ ^Itamxzi, »orin anbete ein fel^r l^ol^eS (Slädt erbtiden, an« 

iüiAi bauern mAffen. 3)ann abev iDfluftfant ober Untergang! — 

tiiicä: 3)en . . . 

erjafti giKeS erfuttt ftd^ no^ trauerDotter, aö id^ x)or- 

^ i^ auSgeal^nt. (£8 tft ein ^injted^en fowol^l geiftiger al8 aud^ 

tenß5 !drperli(^er 9lrt. SBon einem QfbeenauStaufci^ mit einem 

inmz ©eifteSgenoffen ift ftugerfi feiten eine f d^mad^e (Spur ju er« 

l^afd^en. 9Ba8 fd^ert eS mid^, n)ie id^ lebe! 2)aS ..SEBo" 

beS SebenS gibt bei mir immer ben ätuSfd^Iag. — 

a te I? _ mt ami^e unb Slot muß ber ©eift au8 bem Sefen, 

rrirä auS bem ©tubium ber SBeltgefd^id^te befrud^tet werben; mein 

i fe b: getreuefter ^ßaraflet bleibt fürmal^r immer bie Sefd^&ftigung 

m^ä? mit bem Seben Seetl^ooenS. ©elbft ber burd^ Äampf unb 

^'^ Seib geftai^Ite Seffing f^reibt einmal au8 SBolfenbättel im 

(ucSi.k; gfJooember 1771 an feinen Sruber Äarl: „Sefonberä mürbe 

'ittüoas x^ bie ^infamfett, in ber id^ }U SBolfenbüttel notmenbig 

^mts ' leben mvi% unb ben g&njlid^e 9Rangel beS Umgangs, mie id^ 

nasi Ä il^n an anberen Orten gemol^nt gemefen, auf mel^rere i^al^re 

ta oi ^ f^merlid^ ertragen lönnen. Q6) merbe, mir gdnglid^ felbft 

(tt^ajb äberlaffen, an @eift unb Störper frani, unb nur immer unter 

wcin^ ^d^ern oergraben fein, bünft mid^ menig beffer, al8 im 

iser '\tx eigentlid^en Ißerftanbe begraben ju fein." — SBaS foUen mir 

itn^^ ftleinen erft fagen? 

Im,'^ ®en ... 

ieij^^ aSon Sntl^emia erfal^re id^ l^ier gar nid^tS. Sßeld^ 

fefioä^ neue, aber fä^e Du^Ut beS Sel^nenS! 9Bie oft gebenfe i^ 

leo fo !^ in äSel^mut bief eS l^errlid^en ^rauenbilbeS mit il^rer unbe* 

tmi^f fc^reiblid^ l^olben 9(nmut! D, menn id^ mid^ je entmSl^nen 

^ oi J^ mä|te, mid^ mit il^r in l^armonif d^en Buf^^inm^nl^ang }u 

wfä^' bringen, eS m&re }U l^art! 9Ba8 ift eS bod^ für ein uner« 

i\i l0^ grünbUd^ eignes 2)ing um Seelenoermanbtfd^aft! 2Slan ffot 

iIns. ^ nie etmaS ooneinanber gemußt unb lommt ftd^ bod^ mit 



— 248 — 

einem Wial tote mitetsianber oermad^fen oorl S)aS ift baS 
oOerl^Jid^fle Sßeltnmnbei:! — 

dd^ (ann mit feinen größeren SBetbtn^ ffir einen ftreb* 
famen SDtenfd^en benlen^ olS ge}n)ungen ju merben, fein Seben 
in geiftiger Seti^orgie l^injubringen. allein 9eift ift l^ier 
odQig eingelertert unb vermag fid^ bnrd^ouS nid^t, mie el^e« 
bem^ in bie l^iol^en Sid^tregionen emporjufd^mingen. — fortan 
wirb eS fo leidet feinem mel^r gelingen, mid^ in meinen 
SebenSnnternel^mungen in beeinfluffen, ba id^ fo fd^mer unter 
meiner legten 9flad^giebigfeit ju leiben ^aU. i^d^ fel^e ein, 
ba^ bie reine Siebe 3U einer ftunft ober Siffenfd^aft ober 
äberl^aupt ju irgenb meld^er l^ol^en 3bee aQe anberen Siebeä« 
arten, felbft bie gegen Sßeib, ^inber, Altern unb @efd^mifter, 
xotit in ben $intergrunb {ieKen mug. — 3u^^ift ift bie Siebe 
ber (SItern gegen il^re Jlinber rein fubjeftioer Statur! S)ie 
@Itern meinen eS j|a munbergut: aQein fte gelten gemdl^nlid^ 
oon ftd^ aus unb m&l^nen traurig genug, ba| auc^ bie Jtinber 
Infi baS allein lieben unb gut l^eigen mähten, ma3 fxe felbft 
für lieb, gut unb bemnad^ fär begel^renSmert erad^ten. — 
9Bie menige (SItem, |a mie menige SReufd^en ftnb bod^ oom 
®eifte ber Siebe fo begnabigt, ba| fte fid^ im @rnfte ganj 
in hcS SBefen ber geliebten @eele oerfenfen unb nur baS ju 
greifen unb ju ergreifen bemalet ftnb, maS nun aud^ in ooQfter 
SBal^rl^eit ber innerften 9leigung ber geliebten @eele entfpräd^e. 
^ai mdre benn aud^ bie malere Siebe, frei oon aQer ©elbft* 
fud^t, oon aKem Sigennu^, bie, mie eS ber SEpofiel ber 
Äorintl^erbriefe fo fd^ön auSbrödCt, „niemals baS ^^xt 
fud^t". 2)a3 m&re benn in Sßal^r^eit ein Slbglan) ber melt» 
umfaffenben, ber objeftioen ober ber {^immelSliebe. — Unb 
nun Sibbio! Seuerfte; mit @t. ^aul rufe id^ 3)ir ju: „(Sin 
®ru6 mit meiner ^aulu8»$anb!" COaairaojiJ? t^ ifi^ x«^p'' 
na6Xou, Soloffer 4t, 18.) Sßabrlid^! ein fd^iner, l^lmmlifc^er 
®ru§! — — 



— 249 — 

S>eti ... 

Unb fo l^abe id^ bettn in SStrflid^Ieit wtt einer 

cm^enel^ttten^ anregenben S^^ in biefem dben mfflfd^ S>a* 
fein SU oermelben. — SBie eS in biefem ^oufe feit Iftngeter 
3eit fiUid^ ifi^ »irb jur Geburtstagsfeier ber 5linber eine 
Sro^e ®efefifd^aft t)eraiiftoltet^ in ber bie SRuft! eine nor« 
nel^me 9loIle fpielt. ^^ J)atit nun ^um unenne|Iid^en 
<2totbium meiner SRufitfd^äler ein Stinberfonjert fär einen 
fold^en Sbenb vorbereitet. @oIo>Jlomtiofttionen fär ftlanier 
unb fdld^e gu vier ^&nben, 2)uoS fär ftlanier unb SHoline 
n^urben eifrig einffatbiert. Silber boS ^auptintereffe bewegte 
ftd^ um bie ^a^b nfd^e Stinberfqmp^onie^ bie id^ — id^ barf 
mol^Ifagen — fd^ott md^r in (EngelSgebuIb mitmeinen brei (Steven 
tmb fed^S Sefpielen berfelben einftubierte. StmaS 9)erartige8, 
mie eine ^oQbnfd^e Stinberf^mpl^onie, mar l^ier nod^ gänj« 
Itd^ unbelannt; id^ mar boppelt oergnägt, vor meiner ^er« 
reife auf ben glädtUd^en ®eban!en getommen ju fein, ba| 
aUeS jur JtinberfQmpl^onie (Srforberlid^e auS 2)eutfd^Ianb 
]^e|ergebrad^t merben mäffe. 9[m intereffanteften unb er« 
gdllid^en maren l^ierbei bie groben, ftein 9Renfd^ moQte 
re^t baran glauben, ba^ id^. biefe milbe (leine rufftfd^e 
Itinbermelt unter einen $ut bringen märbe. SDaS naive 
Sad^en, Sd^ergen biefer bläl^enben llinberfd^ar ftimmte mid^ 
im SBerein mit ^a^bnS unvermäftlic^ (inblid^er Sltufff fo 
l^eiter, ba^ id^ mäl^renb biefer 3^^^ ^^^ äRelond^olie Salet 
fagen burfte. — fturioS mar aud^ ber mannigfad^e Sprad^en* 
med^el beim S^cdtg&l^len. SBoBten bie beutfd^en Bci^^fitter: 
einS^ gmei, brei, vier, bei ben 9iuffen nid^t red^t giel^n, bann 
verfud^te id^ eS mit ben meniger energifd^en frangdftfd^en 
Porten: un, deux, trois, quatre it., tnWidf fogar gur un« 
gel^euren ^iterfeit beS rufflfd^en ftleinvolIeS mit ben rufft« 
fd^en 3<^IioS<tem: ras, dwa, tri, tschetirre; bod^ bie beut« 
fd^en dal^lmArter ermiefen ftd^ fd^liejslid^ immer mieber als 
bie geeignetften. 



— 250 — 

Snblic^ mar bec QkfeQfd^aftSabenb ba. XQeS, mai biefe 
®tabt an 9lotabiIit&ten aufguiDeifen l^atte, prangte in l^öd^fter 
®ala in ben SalonS biefer überaus reid^en Familie. Stxc 
^errenn>ett ^atte baS SRUit&r mit feinen bli^enben Uniformen 
baS gröfefte Kontingent geftedt; bie 3)amen litten felbftoer« 
ft&nblid^ il^ren toftbarften, lujniriflfeften 6taat angelegt — 
Um biefem (SefeUfd^aftSabenb — mie eS bie Xrabition jeneS 
^aufeiS mit ftd^ bringt — einen befonberen mufltalifd^en 
Slonj }n oerleil^en^ maren bie {leben beften Zonidnftler ber 
Stabt, merlmurbigermeife lauter S)etttfd^e bziw. 990|men^ 
eingelaben morben. Unb bau mar mir fpejieU au^erotbent« 
Ii<i^ lieb: fanb id^ bod^ fo fqmpati^ifd^e 9R&nner, mit benen 
id^ mid^ unter^aUen !onnte. SRit ben eigentlid^en Shtffen 
oerbot ftd^ bie Unterhaltung f^on barum non felbft/ meil ic^ 
bie ruffif^e ©prad^e bo^ eben nur rabebred^en fonnte; ob* 
mo^l man ftd^ nid^t genug baräber oermunbern !onnte, mie 
meit id^ eS barin in biefer lurjen 3^it gebrad^t l^atte. — 3)en 
(Blangpunft be8 ftonjerteS bttbete bie ^a^bnfd^e itinber« 
f^mp^onie. 3)aS ging aUeS fo l^errlid^, feuerbegeiftert oon 
@taf^el, ba^ bie rufftfd^e (SefeUfd^aft mie eleltrifiert erfd^ien. 
^r iBeifaE banad^ mar unbefd^reiblid^« äßid^ burd[|}og 
inbeiS erft ba ein Qkfüi^I freubiger ®taustavin%, (di id^ nad^« 
l^er ium erften SDtale oon ben a)>htft!ern att (Ben off e, 
College begrubt murbe^ mdl^renb id^ bis ju biefem ftot^ert« 
abenbe nur als mufidiebenber ^I^UoIoge gegolten ^tte. — 
Übrigens gefiel bie ftinberf^mpl^onie fo fe^r, ba| id^ fle im 
Saufe beS ^eftabenbS nod^ einmal }u neuem unerme^lid^en 
;0^bel ber ®efellfd^aft birigieren mu^te. — So mar benn 
biefe 3^it biSl^er bie einzig freubenooQe^ frol^gemute meines 
SebenS auf rufflfd^em @runb unb Soben. 

^ aÜer (Sile teile id^ SHr bei biefer Gelegenheit noc^ 
mit, ba^ mir l^ier ben ^od^genu^ l^atten, furg nad^einanber 
bie beiben ftlaoiertitanen Slnton 9lubinftein unb ftarl 
Saufig bemunbern }U !önnen. 



---1 



— 251 — 

2)ie ' Programme entl^teUen — t)on Sl^optn obgefel^en 
— ouSfd^IieBIid^ beutf^e ftünfOentamen, tote Seetl^oven, 
Sd^ubert, Sd^umann, SBeber^ SRenbelSfol^n. äBol^I 
fetortett Beibe Jtänftler bie m&d^tigften S^riumpl^e^ aber bie 
elementareren SBirlungen gingen oon SlubinfteinS Oenie« 
fraft ans. SDtir tarn eS fo t)or, als ob 9lnbin{)ein baS 
nsfjifd^e 9bibttorimn »ie einen oulfanifd^en Strater au^u* 
rftl^ren oerftanb, fo ba^ il^nt nad^ beenbigtent (Spiele feurige 
Strdme ber »ilbefien SBeifaQSlaoa entgegenl^eulten. Sold^ 
einen SeifaOSftnrm l^abe id^ nod^ nie erlebt. Übrigens ntad^t 
Slnbinftein bent $ubHIum erftonnlid^ tiefgel^enbe ftontpli* 
mente, »ftl^renb Zaufig au^ l^ier immer feine oomel^me 
ffifirbe bel^onptete. i^inbeS mitf^tt man glauben, bat ^i" 
berartig entfeffelter 3ubel feben nod^ fo ftolsen (8eifl auS 
feiner Stulpe ober (Sranbegja werfen mfi^te! — 

3)en . . . 

3e|t atme i^ ein (lein menig freier, id^ l^abe 

bereits meiner (Stellung entfagt unb ber Familie bamit fein 
geringes (Srftaunen oerurfac^t. 2)iefe Seute Unnen eS nid^t 
begreifen, ba^ man ftd^ in il^rem ^aufe unbel^aglid^ fäl^len 
!ann. ^reilid^, maS ben SOtenfd^en jum 9)tenfd^en mad^t, 
^rei^eit unb 9)lenfd^enn)iirbe — biefeS unb ^l^nlid^eS mirb 
i^nen mol^l nod^ lange ein t)erfd^loffeneS 9ud^ bleiben. — 
9lo^ einige SRonate @ebulb! 2>ann {el^re id^ in mein ge* 
liebteS SSaterlanb juräd. — 3Rein Unbel^agen mirb borum 
immer unm&|iger, meil meine B^g^inge fo befd^affen ftnb, 
ba| eine l^erjlic^e 3uneigung ober ein red^teS ^ntereffe für 
biefelben fd^led^terbingS unmdglid^ gemad^t mirb, obgleid^ bie 
9latur fte in oielfad^er ^infid^t oerfd^menberifd^ auSgefiattet 
l^at. Sie merben mit jebem Zage unertr&glid^er; fie flnb 
unge}Ogen bis jur ^red^eit, faul unb — n>aS baS Sd^limmfte 
ift — oon l^ersen fd^led^t. 2)aS finb bie folgen ber matter* 
lid^en SSerjiel^ung ! ^ 



- 252 - 

S>€tr ... 

Sie 9ttx^ wn SBod^en, bie id^ nod^ l^ier }it 

l^oufen oecbammt bin, f^Ieid^t »ie eine Stttte oon (Emigfeiten 
langfam unb einidnig ba^in. Qn meinem Ibpfe tft oSHige 
(Ebbe eingetreten. O Aber biefe Armften Statt Ifktl ®ie 
l^offen no^ immer, baf i^ mein SdfnngSmort jutüAiel^men 
unb nod^ Iftnger {Konif^e Stttfbtft einfangen merbe. — (Ein 
mel^rjl&l^ger Stnfenti^t in ®t&bten biefer Sbt mftfte wU* 
(ommen onireid^en, in einer {eben bem i^beolen ergebenen 
Sl'lenfci^nfeele Heben ffiffeun Xnff^mnng jn ertSten. — Sßie 
bie Sorfel^g eS ond^ über mid^ ond^&ngt l^oben mag: mögen 
fid^ in meinem SBnterlanbe bie alten Übd emenem, mdgen 
fid^ il^en nene ^njttgefeOen: ber (Sebanfe an mein ruffifd^ 
@ied^m mirb mid^ oHe weiteren 99t&l^felig!eiten beS Sd6en8 
gemi^ leidster ali fonfi ertragen laffen. Senn l^ier ifl an« 
l^oItenbeS (SIenb beS @eifte8. — 

SDen ... 

Sttnftd^fl gebenfe id^, einen longe in tieffter 93m|l 

rul^nben SiebUngSpIan anSjnffil^ren. ^fd^ nnternel^me eine 
furje Steife nad^ 9ßien. (Snblid^ einmal merbe id^ baS irbifd^e 
^elb ber gdttlid^en IBeetl^ooenfd^en (Saaten betreten. @d^on 
ffi^Ie id^'S, mie in biefer XuS^d^t fld^ aU meine fiebenSgetfier 
mieber frtfd^ jn regen anfangen. — 

93on einem SBeetl^ooentranm nrng id^ 3)ir nod^ erj&l^Ien. 
Q6) fal^ anf einmal baS ftnnfteigfinm x>or mir. äBeld^ ein 
fefUid^eS SSBogen ber beDorjngten (Genien. Aber ba erblidfte 
id^ einen !oftbaren Zitron aus magifd^ f d^immernbem Wlatmot* 
geflein, non gmeen SSmen getragen. Qu biefem 2:^rone 
fährten mel^rere ©tnfe l^inan. Unb anf biefem Jl^rone fa§ 
bie ma|ef}fitif d^e ®ef}alt Seetl^ODenS. 2)er gStäid^e SAnger 
mar mit ber (S^renfrone ber Unfierbltd^eit gef^mödCt nnb 
fd^ien jum ^errfd^er im (Seifierreit^e erm&l^t ju fein. See« 
tl^openfd^ SQSeif en erf langen unb aCeS lauf d^te ben Äl&ngen 
biefeS gottbegeifterten ©eljerä in anbftd^tlger ^rgebenl^eit. — * 



— 253 — 

9lad^ bem trä6ften (Srbenletb loarb Seetl^ooen bie feltgfte 
Unfierblul^Ieit juteil. — 8Bte »onnetnmfen warb baS 9luge, 
als eS biefe el^noärbige @eifterfd^at mufterte^ biefe Srftger 
unb Sel^rmeifter ber l^dd^ften ®ebanlen ouS aQen S&nbcrn 
unb 3^tten. 

2)a erbltdtte id^ aud^ meistere fd^toarje ^unbe. SefonberS 
auffaUenb unter btefen loar ber 6e!annte „rl^etorifd^e {^unb", 
ber unter bem Seffel beS greifen Isomer lag. Suf btefer 
^unbeftim n)ar beutltd^ ju lefen: 3oiIui$, ^omeromaftij: 
(baS l^ei^t: 0ei§el beS ^onier). — Qn ben %&^tn be8 oer» 
l^errlid^ten S3eet]^ot)en fauerten ntel^rere ^unbe, am H&g« 
lid^ft^ anjufd^atten ein mürrifd^er Jtdter mit ruffifd^er 
S^nauje, auf beffen <Stirn px lefen voax: Sde^anber Ulibi* 
fd^eff, ^omeromafti; ü. — 

Sben xooUttn fxä) bie ^errlii^en ®enien an bie reid^ge« 
fd^mfidtte Za^d begeben, — eben fd^idfte ftd^ S5eet^ot)en an, 
eine Slnfprad^e an biefe verfl&rte (SeiftergefeQfd^aft ju rid^ten, 
als id^ enoad^te: wU Unmut, au§ bem fd^dnften SebenS« 
träume fo unbarml^erjig auf gerottet ju fein. 






eifted jtapitel. 

@ttte freubenboEe ÖBenafd^ung* 



^,. tote ^a^ k( aefd^nuul^tet in dbev gf^enbe! 

<8Ui4 einer tpeuett fßlumt 

Sn bed 8otani!etiS blecherner ^wpl\d 

2aq mir bad |^ in ber Orttft 

SR« ift, 0(8 fat td^ »interlanae 

din ^tatätx, in biuiller itranfenflube; 

tlnb niitt oedflf ' ii fle p(ö|(i4, 

Unb blenbenb ftro^lt mir entgegen 

^)«r fmaragbne ^l^lina, ber fonnengemedfte, 

Unb eft rauf(^n bie met^ SNütenbftume, 

Unb bie jungen Blumen fc^auen mid^ an 

9Hi bunten, buftenben Kugen, 

Unb ed buftet unb fummt unb atmet unb laö^t, 

Unb im Mauen {^immel fingen bie Sdglein. — 

$. C^eine: 8u($ ber Sieber (IXeergru^). 



n einem l^etter blidenben i^rü^KngStage, roxt l^el^rer 
$tmmel8buft bie menfd^Iid^e @eele erquidenb, ful^r 
ein ftntpler Sßagen burd^ einen (Sc^lagbaum, ber baS ruf« 
ftfd^e ®ebiet vom preufifd^en Slad^barftaate fd^eibet. 

^m 9Bagen fa^ ein faum breigigi&l^riger junger SKann, 
beffen gongeS Sntli^ immer mel^r von freubigem (Slanje 
uberjogen mürbe, als er an baS SBiberfpiel smifd^en ber 
eben t)erlaffenen ruffifd^en Unfauberfeit unb ben ftd^ immer 
lieblid^er auSbreitenben Qtiä)^n t)on Steinl^eit unb gefittetem 
SBefen feineS fo l^eig erfel^nten 93aterIanbeS badete. 

3)er äBagen l^ielt vor htm 9a^n]()ofe ber f leinen, f ^mudCen 
@ren)ftabt an. — 9lad^bem ber junge 3flann ben Äutfd^er 




— 255 — 

jufrtebengefteQt l^atte; blidte er mit bem 9(u8btttd beS l^dii^ften 
ISittjfldett? nm fx6). 

SS mar <Sbgar Sßtitig^ ber nad^ langem Sd^ma^ten im 
3arenreid^e trunlen oon reinfter (5elig!eit bie Daterldnbifd^e 
£ttft in langen, fräftigen SH^^ einfd^Iärfte. 

9(n biefem Xage gab eS gemi^ lebten ®IAdlid|eren unter 
ber ganzen gro|en @onne, als (Ebgar. (Sine fo frenbige 
ftfi^nl^it ftral^Ite att8 feinen Sbtgen, alS w&re bie n>eite, 
weite Seit fein nnnmfd^rdnfteS (Eigentum. 

%xä)t am ^dffn^ofz befanb fid^ ein Heiner, forgfftitig 
0e|>f[egter $arF, offen für baS ^blifnm. (Sbgar trat ein 
unb fttd^te fid^ einen uerborgenen 9lafenplal| auS. |^er (niete 
er nieber unb !ü^te ben oaterl&nbifd^en Soben fo inbrfinftig, 
als l^ielte er baS l^immlifd^efte .äBeib in feinen Srmen. — 
3)iefen Sht^ l^atte @bgar l&ngft mftl^renb feineS ^inmelfenS 
im 9lttffenlanbe ber l^eig erfel^nten l^eimatlid^en (Srbe gelobt. 

Qn biefem @tdbtd^en mu^te er ftd^ mel^rere @tunben auf«» 
l^alten, el^e ber CSifenbal^n^ug abging, ber il^n meiter befdrbem 
foDte. (Sbgar luftmanbeUe nod^ eine geraume 3^tt in ben 
^ngen beS freunbHd^en ^arfeS, n>obei fein ganjeS SEBefen 
ben Sbglan) ber ooQften (SlädCfeligfeit jur Sd^au trug, unb 
begab ftd^ bann in ben ®))eifefaal. 

(Sbgar mufterte bi^ (SefeQfd^aft, ol^ne auf belannte (Se- 
ftd^tSsfige SU flogen. 

(Sr ftanb eben auf bem fünfte, einen $la^ an ber 
Sofel einsunel^men, als fein ^Ixi in baS Heine angrenaenbe 
3iutmer ^el. 

Sßie feftgebannt blieb fein äluge unb fein ganjer ftdrper. 
9BaS mar baS? (Sin lebenbiger Xraum bei mad^em 3uftanbe? 
(Srblidfte er nid^t bort an einem Zifd^ leibl^afttg ^ntl^emia 
in (SefeSfd^aft einer mfirbeooQen ^rau unb eines dltlid^en 
^errn? 2)er ganje 9ltem ftodte il^m oor innerfter Aufregung; 
eS (onnte feinem 3i^^if^l unterliegen : bort im tleinen (Sj^tra» 
jimmer fag älntl^emia mit il^ren (Sltern. 



— 256 — 

(BlüitKc^enoeife wox er von btefem ftreife nod^ nid^t 
bemerlt worben. 9la(^bem er fid^ oon feinem tiefen Srftott* 
nen erl^olt ^te, n&l^erte er fUi) feften S^ritteB bem Xifd^e^ 
an meinem Sn^emia nebft il^ren äbtgel^Brigen fa|. 

(Srft als (Sbgar i^rent ^Ia|(e ganj nal^ tarn, tontht 
^ntl^mia feiner anfid^tig. ^ie l^errlid^e SRaib aber marb 
burd^ feine il^r gang nnermartet lontmenbe (irfd^einung fi> 
urm&d^tig übeixafd^t, ba| fte gnerfi gang fprad^loS fl|en bliebe 
(Sbgar mit ein unglonblid^eS SBnnber anftarrte nnb feinen 
voStönenben ®m^ gu ftberl^dren fd^ien. 

Snblid^ gen)ann älntl^emia il^re ^faffnng toieber, fhQte 
(Sbgar il^ren !auni n^eniger erstaunten <Sltern wx nnb bat 
i^n, fid^ gn il^nen gu fe|en. 

Sbgar blidfte mit großem SBol^lgefaQen auf biefe n)fir^ 
bigen ®eflaUen. 

— 9ber, um adeS in ber 9BeIt! n)ie tommtn Sie l^ier^er, 
^err SSittig? fragte Wxtfftmia, nod^ immer fe^r nermunbert 
blidfenb. 

— 3^ bin, mein gn&bigeS ^r&ulein, gemi^ nod^ Aber» 
raf d^ter, ®ie in bief em ®rengorte gn ftnben, als eS ^^l^nen 
mit mir ergeben tann. Sie miffen eS gemif, ba^ id^ vox 
längerer 3^it ^eutf d^Ianb oerliejs, nm in 8ttf|lanb eine (SteOung 
als (Srgiel^r unb Seigrer ju betleiben. 

— 2)aS meig id^ fel^r mol^I, antwortete Xntl^emia; (Smma 
^at eS mir gefd^rieben. 3)arum glaubte id^ <5ie tief im 
3arenreid^e: unb nun fel^e id^ Sie auf beutfd^em SBoben 
mieber. IXuternel^men Sie nur eine SSergnügungSreife in ^Ift 
93aterlanb, um fpdterl^in mieber nod^ 9lnj|lanb suräd(}u« 
feieren? 

— Um alles in ber Sßelt nid^t! entgegnete (Sbgar. 

— ^at es ^^mn benn bort fo fe^r mißfallen, mein ^rr? 
fragte Slntl^emiaS $ater. 

— 3n ieber SBegiel^ung. S>aS mar fftr mid^ lein £eben )u 
nennen, — baS mar ein anl^ltenbeS, langfameS ^infterben. 



— 257 — 

— 2)aS !ann td^ mir 6et ^l^en tbealen ftunftbefirebungen 
VDü^l erfldren^ bemerft« baraitf bte nod^ immer fd^dn au8« 
fe^enbe, ftattlid^^ SRutter 9lnt^emia8. Unfere %oifttt \fQt 
uns fo mel von ^^mn er}&]^It, ba^ id^ mol^rl^aft erfreut 
bin^ fo fd^neQ unb fo unermartet 3^re Se!anntfd^aft ju 
mad^en. 

— @ie ftnb f el^r f reunblid^, gn&bige $rau, oerfe^te (Sbgor, 
fx^ leidet oerneigenb. @ie merben eS mol^I begreiftid^ finben^ 
ba^ id^ mid^ unenblid^ freue, bie (SItem einer fo l^od^begabten^ 
funfberfidrten Sod^ter lennen ju lernen. 

— SRitunter, f agte Slntl^emia anmutSooK Idd^elnb, gefeilt 
ftd^ aud^ bei $erm SBittig sur reinen 9Bai)r]^eit ein 9[n]^aud^ 
von @d^meid^elei. 

— SBenn 3[]^nen ^fft grdulein 2;od^ter — fprad^ (Sbgor^ 
)U ben (£Itern älntl^emiag geleiert — mele 5teime fold^er (Sigen» 
fd^often Don mir entl^öQt l^at, bann merben (Sie ftd^ ja eine 
red^t erbaulid^e 93orfteIIung von mir gemad^t l^aben. 

— So folgt @d^Iag auf ©d^Iag, entgegnete ^err ^ol« 
Ieu!o8 in iooialem Xone. 2)od^ Sd^erj beifeite! @o mel 
barf id^ Sinnen freubig eingeftei)en: feitbem meine Xod^ter au$ 
Seutfd^tanb jurädt ift, mirb Seetl^ooen mit einer 93orliebe 
von xi)x fultioiert, mie nie juoor. Slber nx(S)t aQein feine 
3)^fil/ bie ganje oorl^anbene Siteratur über biefen ©dttlid^eu 
mürbe nad^ unb nad) von xf)t mit mai)rem ^ei^l^unger oer» 
fd^Iungen. Unb (Sie ftnb bod^ aQein als mefentlid^e Xrieb^ 
feber ju biefer l^od^eblen Sefd^dftigung anjufel^en. 2)a3 muj^ 
3^rer (Seele mal^rtid^ !eine geringe Genugtuung Derfd^affen. 

— 2)aS mu^ id^ banfenb anerfennen, oerfe^te QSbgar. 
&S erfäQt mid^ mit unenblid^er ^reube, ba^ id^ etmaS bei» 
getragen l^abe, ein ®emüt ber befeßgenben ^raft ^eetl^ooenS 
in bie Slrme ju fül^ren. — älber nod^ mei^ id^ eS nid^t, 
meld^em Umftanbe id^ baS l^ol^e @l&d oerbanle, (Sie l^ier ht^ 
grämen )U fönnen, eben nadfbem x^ aufg neue meinen teuren 
beutf^en ^oben betreten ^abe. 3)ev SQSal^rl^eit immer bie 

italifc^er, 2)ie 3Ra($t IBect^ooenS. 17 






— 258 — 

(SUftzl 3)e8^aI6 6e!enne tc^ offen, ba^ id^ biefen %aQ al§ 
eine gludtoerl^etlenbe 93orbebentung för mein n^eitereS Seben 
betrad^te. Srfal^ren (Sie alfo, ba^ id^ mxä) fd^on auS bem 
dntnbe t)oIler (Seligfeit befinbe, roM id^ bie rufflfd^e ©flaDen« 
tnft im Stüdten l^abe unb mieber neueS Seben onS bem t)ater« 
Idnbifd^en Suftfreife einfauge. Unb nnn begegne id^ nad^ 
ben erfien SRomenten folget äBonne meiner mnfifalifd^en 
greunbin auS bem fd^ önen ®rie^enlanbe, genieße ftberbieS 
baS Sergndgen, bie (Sltern biefer ftfinftlerin fennen ju lernen, 
von benen id^ bereits fo Diel Slül^menSmerteS vernommen 
l^abe: mnj^ ba nid^t mein ^erg t)or ©lüdteSfüUe uberftrömen? 

— SBergeil^en ®ie bie 9lebfeligleit eineS Übetglfldttid^en! 

älntl^emta (am bei biefen Sieben !aum nod^ auS bem @r« 
röten unb (Srgläl^en l^erauS. 9hin nal^m fle baS SBort. 

— 3)a8 mn§ id^ fagen, no^ niemals ^abe id^ @ie aud^ 
nur ann&l^emb in fo freubiger (Srregung gefeiten, mie l^eute. 
(Sonft maren (Sie baS 93ilb ber ^erfon geworbenen SRelan« 
d^olie — unb l^eute ftral^len ^^^eimut, ^rol^ftnn, bie Doßfte 
@läd(feligfeit oon ^l^rem Sngeftd^t. 

— D, mie miß id^'S Ql^nen oon ^erjen mfinfd^en, fagte 
SSntl^emiaS 9Rutter in liebreid^em Xone, ba^ bie gegenwärtige 
(Stimmung innigfter 3ufnebenl^eit @ie burd^ 3^r ganjeS 
weiteres £eben geleiten möge! 

— ^i) banf e ^[l^nen auS tieffter (Seele, entgegnete (8bgar. 

— ^reilidf bin id^ l^eute gang £uft unb fieben, gan} £ob unb 
Siebe. So doQ ift mir baS ^er} oor ^immelSfreube, bajs 
id^ bie ganje SBelt an meine frd^lid^e Sruft jiel^en möd^te. 
2)a id^ mit l^eiler ^aut bem finfteren, rufjifd^en 3)afein 
entronnen bin, benf e id^, ba§ id^ aÖen weiteren SebenSgefal^ren 
furd^tloS ins Slntli^ fd^auen fann. — 3)od^, mein ^err, oer» 
^eil^en ®ie mir eine nod^malige ^rage, bie id^ wol^rlid^ nid^t 
aus eitler 9leugier tue. 2Bie fommen (Sie l^ierl^er, unb waS 
für weitere ifteifepldne l^aben Sie? 

— ©ie wiffen, antwortete ber ©efragte, ba§ wir feit 



— 259 — 

langer Qtit bie ^bft^t liegen, ganj naif 2)eutf(I^Ianb über« 
gujtebeln. S)iefer äJorfo^ ift nunmel^r jum feften (Stttfd^Iuffe 
gereift. 2)etttf^Ianb l^alte \6) in ber @egenn)art für ben 
^auptqueQ aller ©eifteSnal^rung unb gan} befonberS fär bie 
^auptftAtte ber fSbifxt, berjienigen Kunft, bie fld^ ja t)ornei)nt» 
lid^ burd^ beutf^e 99teifter jnr n)unben)oQften ^lütenprad^t 
entfalten burfte^ fo ba^ fte aQe eblen @emäter fort unb fort 
erquidCen ntu§. — Unfer @op]^ron n>irb nod^ geraume 3^^^ 
in ältl^en bleiben, um bort feine @tubien ju beenben, nad^ 
beren 9(bfd^lu^ anö) er ftd^ bei unS in beutfd^en Sanben gan; 
htm miffenfd^aftlid^en 83erufe mibmen foH. Unb unfere teure 
äntl^emia, bie mir über alleg lieben, foU in 3)eutfd^Ianb bie 
t)oIIe ftunftmeil^e empfangen. — SKud) mir fommen bireft au8 
SRu^Ianb. @rft geftern finb mir auf ber Slfldffal^rt üon einem 
längeren Sefud^e, ben mir 9}ermanbten t)on un8 in Obeffa 
gemad^t l^aben, l^ier angelangt, um tagS barauf l^ier in 
biefem aQerliebften Stftbtd^en gan} unermartet ^errn @bgar 
SBittig fennen 3U lernen. 2)aS ift ma]^rli(]^ ein ^d^ft munber« 
bareS 3ttf ammentreffen ! — Slun merben mir, n&mlid^ meine 
^rau unb x6), unS erft allein in ben beutfd^en ^auptft&bten 
umfel^en, bis mir unS fär eine berfelben enbgältig entfd)eiben. 
Unfere 2:od^ter aber unternimmt insmifd^en eine ^efu(j^8reife 
ju meinem @d^mager, i^rem Onfel, nad^ 9Bien. 

— 9lad^ 833ien?, rief ®bgar in freubigfter Überrafd^ung 
aus. S)aS trifft fx6f ja anwerft merfmürbig unb l^errlid^. 
Grfal^ren @ie eS benn: mein n&d^fieS Steifejiel ift gleid^fallS 
biefe ftaiferftabt. 

— äud^ ®ie reifen nad^ ©ien?, fragte äntl^mia, 
md^renb ein l^immlifd^eS purpurrot i^r 3[ngeftd^t übergog. 

— @nblid^ einmal, lautete @bgarS feurige Slntmort, 
mu| id^ bie langgen&l^rte Seelenfel^fud^t ftillen, bie mid^ 
unaufl^altfam 3U ben irbifd^en £ebenSft&tten unfereS ^eiligen 
äJleifterS l^intreibt. ^z^t l^&lt mid^ nid^tS jurädt, biefem 
airiebe golge ju leiften. 

17* 



— 260 — 

— Qi) el^re btefen Zmh, fprad^ 3lntl^einta8 93ater ge* 
rül^rt ju (Sbgar^ tnbem er il^tn bie ^anb retd^te. ÜberbteS 
nel^men ^e unS mit biefer unern>arteten 9leutgfett eine ge« 
tDtffe Sorge vom ^ergen. 9Bir werben unfere eigene Steife 
nunntel^r weit rul^iger fortfe^en, feitbem wir wiffen, bag 
unfere Xod^ter einen fo el^renwerten 9leife6egleiter gefunben l^at. 

— Unb id^, fagte fjrau ^aßeufoS^ bitte Sie ebcnfo 
freunblid^ als bringenb, in Sßten red^t oft meinen einzigen 
Sruber ju befud^en. ^n feinem ^^aufe wirb eifrig muft^iert; 
aQe werben (Sie bort mit offenen Slrmen empfangen. 

— äSon biefer gätigen Erlaubnis werbe id^ ben auS« 
gebel^nteften ®tbxanö) mad^en, antwortete @bgar, wdl^renb 
er feine freubeftral^Ienben 9Iid(e auf Stntl^emia fallen lie^, 
bie t>on il^r ebenfo freubig^ ja nod^ weit fel^nfud^tSooller er^ 
wibert würben. 

— SBeld^er Slrt ^i)x^ 93ergnägungen in SBien fein 
werben^ baS ift mir wol^l einleud^tenb, bemerfte SSntl^emia. 
®ie werben ben gangen lieben 2:ag bie ©tragen 9Bien8 burd^«* 
laufen^ jebe @t&tte auffud^en, bie ber ®eniuS SJeetl^ooen ge« 
weilet l^at^ werben enblid^ alle äRenfd^en aufftöbern, bie 
i^l^nen aber SBeetl^ODen ergäl^Ien fönnen, unb fil^nlid^eS. 
^abe id^ nid^t rid^tig erraten? 

SSollfommen rid^tig, oerfet^te (Sbgar l^eiter Idd^elnb; id^ 
goQe ^^ttx 3)ioination3gabe meine unumwunbene ^od^ad^« 
tung. äCber id^ l^offe, mein liebeS ^^räuiein, bag au^ @ie 
aus bem 93ergnägungSftrome, ben ^^^nen in 2Bien On!et unb 
Xante l^erbeifd^affen, nod^ S^xt genug retten werben^ um 
aud^ oon ftd^ behaupten gu !5nnen, (Sie ^tten eine äßaltfal^rt 
gum @rabe SBeet]^ot)en$ unternommen. 

— Äönnen (Sie barau gweifeln, Sie Stteingidubiger! 
rief Slntl^emia aKerliebft fd^moHenb au8. ©ott id^, bie eifrige 
SBerel^rerin unfereS ©rofemeifterS, jenem alten, fd^IidEiten 
aJlufifer ber 9flefibeng.ftabt nad^ftel^en, oon bem bie Slatfad^e 



— 261 - 

berid^tet toirb, er l^abe nid^t aUein biref t eine 9leife nad^ SBien 
unternommen^ um bog ®rab biefeS aUoerel^rten älteifterS auf» 
^ufud^en, fonbern er ^abe ftd^ au^ ium erl^ebenben 3lnbenfen 
an lenen ftird^l^ofgang ein A&ftd^en mit ^eet^openfd^er 
@rabe$erbe l^eimgebrad^t? 

— 9Bo m&re ber }meite SDIenfd^engeift ju finben, ber 
eine fo unbegretigte^ aQfeitige, ma^rl^aft göttUd^e SSerel^rung 
gendffe, mie unfer einjiger beutfi^er 3)teifter!, fagte ^rau 
^SeuIoS. 3)enn @ie bürfen ni^t glauben, ^err SEBittig, 
ba^ f&ttti)own nur in 2)eutf d^Ianb f o unenblid^ wxtfftt mirb ; 
ic^ !enne auger mand^em l^od^gebilbeten @ried^en mele dng« 
I&nber, :3[taliener, i^ranjofen, 9luffen, 9Heberl&nber, Sd^meben, 
Slormeger, S)änen, felbft Spanier, bie mit ben 2)eutf4ien in 
bejug auf baS SRag il^rer feurigen Segeifterung fär biefen 
göttlid^en SReifter mol^l einen fiegreid^en Stampf befielen 
!önnten. 

— 9lud^ auf mid^, bemerlte Slntl^emiaS SBater, ber id^ 
l^auptfftd^Ud^ im (Stubium meiner altHafflfd^en $eroen auf« 
gemad^fen bin, fiben Seetl^ooenS Sßerfe biefen gigantifd^en 
(Sinbrud au8, fo ba^ id^ vermeine, in biefem einen 9Ranne 
l^abe ftd^ bie epifd^e SRad^t ^omerS, bie Iqrifd^-bitl^^ram« 
bifd^e (Sd^mungtraft eines $inbar unb bie bramatifd^e Siefe 
eines ^fd^^IoS unb ©opl^ofleS ju einer munberbaren <Sin« 
^eit Derfd^moljen. 

— Qf)x Urteil t&ufd^t Sie mal^rlid^ nid^t, fprad^ (Sbgar. 
3)enn aOein bie i^nftrumentalmuft! 93eetl^0DenS bel^errfd^t aQ 
biefe f^ormen. 9lun, in beutfd^en Sanben werben Sie ja 
reid^lid^ Gelegenheit flnben, bie ;9[nftrumentalmufil aQer 
aReifter su l^dren; ba mug fxi) benn aud^ mit ber 3^it in 
Sinnen, als einem Saien von fo umfaffenber 93ilbung, baS 
Urteil flären unb befefKgen. 

— S)od^ nun, nal^im $rau ^aSeufoS baS SSßort, möd^te 
i4 gel^orfamft bitten, ben fublimen (Steift SSeetl^ooenS in Stulpe 
ju lajfen- — 3lud^ anbere S)inge muffen su il^rem Siedete 



— 262 - 

gelangen. 3d^ l^offe ho6) leine ^el^IMtte }u tun, ^rr 3Bittig, 
wenn id^ Sie etniabe, l^eute unfer ®aft ju fein. 

— O, ganj gewig nid^t, antwortete @bgar, ^6) tief 
Derneigenb. ^f)x^ äbergro^e ^rennbti^Ieit rä^rt unb t^tt 
mxä) fo fel^r, bag x6) faum einen SuSbrudC bafär finbe. 
9Rit äjetgnägen nel^nte xd) O'^te liebenSnoürbige Sinlabung 
an. @o bringt mir benn j[ebe ®tunbe, j|a jebe SRinute biefeä 
l^errlid^en 2;ageS nene ^reuben. 

SDarauf begab ftdE) ttnfere Heine @efeDfd^aft jnr S^afel, 
bie fel^r gefd^mactDoQ angeorbnet n^ar unb ft^ namentlid^ 
für (Sbgar burd^ feurige gried^ifd^e äBeine auSjeid^nete, benen 
er mit fid^Üid^eni Sel^agen jufprad^. — Ob SKntl^emia be« 
glüdter mar, ober @bgar — wer wollte baS entfd^eiben? 
3>er aSerfel^r jwifd^en il^nen einerfeitS unb jroifd^en (Jbgar 
unb ben (SItern Slntl^entiaS anbererfeitS gestaltete ftd^ immer 
l^erjüd^er. 

3)ie Unterl^altung bewegte ftd^ fd^neQ genug T>on einem 
©egenftanbe ium anbern. 

^rr ^aQeufoS lie^ e§ fld^ unter anberem nid|t nel^men, 
feine fiberrafij^enben SKnfidjten über bie SluSfprad^e beS 9Ht« 
grieiä^ifdien ju x)erfed(ten. S)ana(i( rodre bie beutfd^e SSuS* 
fpradEie beS ©ried^ifd^en, wie fel^r jener aud^ im übrigen baS 
tiefe Sinbringen ber ®eutfd^en in ben antifen ®eift prieä 
unb aner!annte, eine burd^au§ t)erfe]^Ite. 

Selbftoerftdnbttd^ fanb benn anö) bie SluSfprad^e ber 
gried^ifd^en SSerfe, bie @bgar auf ^errn 5ßalleufo8 SSitte auS 
IJomerS SBerfen remitierte, leineSmegS beffen SeifaD. @ben» 
fomenig oermod^te (Sbgar ber neugriet^ifd^en Slrt, in ber bann 
Don unferem funftftnnigen ^anbelSl^errn au8 9>doi bie alt» 
l^ellenifd^ $oefie bellamiert mürbe, redeten ©efc^madC abju» 
gewinnen. — @bgar fanb in ber beutfd^en 9lrt weit mel^r 
aWuftf. 

Ser alte pl^ilologifd^e Streit, genannt StajiSmuS (baS 
]^ei§t: Slugfprad^e beä Qta, tq, = ö) unb ^tagiSmuS (b. 1^. 



— 268 — 

SlttSfiJrad^c beS tj = i [^ta]), fanb aud) an ^crrn ^aUcu«« 
toS eitlen eiferüoQen fi&ntpen. älQerbingS !ottnte btefer 
mand^en fd^Iagenben SeiDeiS auS gemiffen alten Slnefboten 
für bie 9lid^tigfeit be$ ^FtojiSmuS anful^ren, nooor (£bgar 
t>erftnmmen mn^te. 

älntl^enria unb (Sbgar n)aren frol^, olS bie Unterl^altung 
n)ieber in Ud^tooQere, angiel^enbere @pl^&ren einlenite. 

9lad^ anfgel^obener 2;afel begab man ft^ in ben ®arten, 
n)0 bie 93ögel fo Inftig fangen, ba| aud^ baS trubfte ^erg 
aufgel^eitert n)erben ntugte. — S)er Kaffee toox unter bem 
ntilb fd^^enben fjfräl^inggbad^e Don befonberer äCnnel^m« 
lid^feit. 

SS^renb bie (SItem nod^ ft^en blieben, ergingen fid^ 
9[nt]^emta unb (Sbgar in ben Dont uppigften @rün n>ie ein« 
geral^mten ä(Eeen. Oft genug trat ein @tillfd^n)eigen x>on 
tiefftcr, befeligenber öerebfamfeit ein, — äugenblidte, in 
benen bie liebeglül^enben @eelen tdoxi ben al^nungSreid^en 
(SvnUidtn ineinanber rafteten. SBaS ber ä)lunb t)erfd^n)ieg, 
briidtte baS Sluge um fo inniger, DerftdnbniSDoUer auS. — 
äBeld^e Seligfeit, n)el^ unnennbares ^o^geful^I fär beibe; 
— meld^ ein anbad^t§t)olIeg 3[]^nen einer ubergläd(lid^en 3^' 
fünft burd^jog il^r ganzes SBefen, olS fle bann aud^ in ber 
ftiUen, lauf d^igen Saube ^anb in ^anb nebeneinonber fogen ! 
%xjS ben Iiebe8n)armen, fammetn)eid^en ^änben verbreitete 
fld^ ber @trom unenblid^en äBol^Igefül^Iä bur^ ben ganzen 
Körper f|in. SKUeS: ®eift, Körper n)ie @eele fd^ienen ein 
einziges SiebeSparabieg ju fein. 

3)od^ aUjuboIb mn^U biefe ftille ^erjenSfeier ein @nbe 
erreid^en. S)ie 3^tt ber äbfal^rt eilte ndl^er unb iwnier 
n&l^er Iierbei. Unter ben mannigfaltigften ©efül^Ien unb 
@ntpfinbungen begaben ftd^ aQe in ben @aal jurädC. 

äJlit einer gen)iffen SOSel^mut nal^m äBittig innerlid^ von 
biefcm lieben ©täbtd^en 3lbfd^ieb, ba8 feinen Sebengl^orijont 
mit fo t)ielfad^en freubenreidjen Silbern angefüßt l^atte. 



— 264 — 

Snblid^ braufte ber 3^0 bal^tn. SBiS jum anbeten 
SRorgen reiften aKe jufammen. (Sine fel^r belebte Station 
foHte ber XrennungSort fein. 

Slntl^emiaS (SItem nal^men ben i&rtlid^ften SCbfd^ieb oon 
il^rer geliebten Xod^ter unb einen l^erjlid^en oon Sbgar. 
@ie fprad^en bie ^offnnng onS^ il^n red^t bolb in feiner ge« 
liebten Steflbengftabt wieber^ufel^en^ nnb empfol^Ien il^re tenre 
Sod^ter nod^molS feinem frennbfd^aftlid^en Sd^n^e an. — 

älntl^emia nnb (Sbgar blieben allein gnrüd. 99alb fe^te 
fid^ anci^ ber 3^8 ^^ 99en)egnng, ber bie Siebenben nad^ 
Sßien tragen foQte. — SBebarf eS erft nod^ ber ouSbrüdCIid^en 
(Snoal^nung, ba| biefe t^al^rt bie glädCfeligfte il^reS 2thvxS 
war? S)ag fie fid^ aOein^latnr, @ott, SBelt, äberl^anpt bag 
Sin n)aren? — 3^^^^^ glanbte nod^ immer ^bgar }tt 
tt&vimtn, ber fld^ anS ber grauenooQften 9lad^t feines mfflfd^en 
3)afeinS fo bli^fd^nell in ben aQerroftgfien £ag l^inein« 
gejanbert fanb. — 

@p&t am Slbenb erreid^ten Slntl^emia nnb (Sbgar bie 
^eigerfel^nte ftaiferftabi Slntl^emiaS Ol^eim, ein mannet« 
fr&ftiger, ^o^er, blonbbdrtiger SRann, empfing feine tenre^ 
l^errlid^e 9lid^te anfiS liebeooDfte. 9lad^bem bie äblid^e 
SSorfteQnng wt ftd^ gegangen ntib bie am SBal^nl^ofe not> 
n)enbigen 93orfe]^mngen getroffen maren, nerabfd^iebete fid^ 
(Sbgar t)on älntl^emia nnb il^rem Ol^eim. ^eft nnb feierlid^ 
mugte er'S beiben oerfpred^en, am anberen 2:age f o frfil^jeitig 
n)ie mdglid^ s^ erfd^einen, ebenfo and^^ tftglid^ bei il^nen baä 
SRittagSma^l einjunel^men. (Sbgar fagte jn allem ^a nnb 
3(men — nnb fnl^r bann in aUerl^öd^fter (Sntg&dCtl^it nad^ 
einem ftattUd^en ^ötel ber fd^önen S)onanftabt. 





•r^i^ 



Swölfte« ÄapitcL 

^nf bem SB&^rmger ^irii^l^ofe. 






„3ft ^ nU&t ein ma^eS 6immeldgebäube unfere Siebe, 
ober ou^ fo feft, toie bie Sefte bed ^imntetö ?'' 

Oeetl^ooen: Briefe an (Siulietta (Suicciatbt. 

ir^er SRu jl!er, ber xum erftenmol SSien befuAt, mag 
ft^ ool^I eine SBeUe umg an bem feftfid^en äfcmfc^en 
in ben @ira|en ergoßen !önnen, unb oft itnb oenounbernb 
oor bem Step^andturm geblieben fein; balb ober mirb 
er baran erinnert, roit unn)eit ber ®tabt ein Itirc^l^of 
lieai, il^m mid^tiaer, aU aUed, maS bie ®tabt fonft an 
€^9endmürbig!eiten l^at, mo 9n)ei ber 6errli(l^ften feiner 
Hunft nur wenige Stritte ooneinanber ruben. (So 
mag benn, mie iq, fc^on mancher funge SRufuer, ba(b 
no!^ ben erflen gerAuf(690llen Sagen (inauSgemanbert 
fein 9um SßA^ringer Itirc^^of,*) auf ienen (Brftbern ein 
Vlumenopfer nieber^ulegen, unb m&re ed ein n)i(ber 
SRofenfIraucb, mit i^ i^n an Seet^ooend ®rab l^inge« 
pfCanst fano. grana ScbubertS Sftul^eftfttte mar un« 
gefd^mfiat." 

S^umann: @^ften über 9Rufi!. 

liefeS lange itngeftöite Seifammenfein nad^ fo unenbUd^ 
"^^ langer Trennung mu^te naturgemdl älntl^emia unb^bgar 
immer inniger aneinanber fetten. 9Bie gern Iie| Slntl^emia 
il^re gidnjenbe alabaftermeige ^anb mit il^rem blanblätig 
Sarten @eäber in ber il^reS @ef&]^rten rul^en, f o oft ber 3(ngen« 
blid günftig mar! SSSie gefpannt laufd^te fie aDen (Sinjel« 
l^eiten Aber feine iftngfte SSergangenl^eit ! Unb mie beeiferte 

^ 'StAt ^erblid^en ftberrefte Seet^ODend unb ^d^ubertd mürben in 
fpftterer 3eit es^miert unb ru^en ie^t auf bem (^entralfrieb^ofe. 




— 266 — 

fie ftdd anbecerfeitg, il^ aUe i8er]^ftltoi|fe t|ceS %awlxw 
lebenS in onmtttigfter 9Betfe offen^ o^e itQliijtn 9iMfyäi 
barjulegenl Mgemad^ tourben bie gel^eimften SebenStoünfd^e, 
^o^nungen unb (Snttoürfe auSgetaufd^t. 3)iefe stoei @eelen 
fäl^Iten ftd^ mit immer magifd^eren SSanben aneinanber 
gefeffelt, ol^ne ia% e3 bie Sippe auSgufpred^en magte. ®e* 
fu^lSflarl^eit l^errfd^te l&ngft in beiber ^erjen; {te l^atten baS 
SBemu^tfein, ba§ eine innere 3ufammenge]^örig!eit Dorl^anben 
mar, ba§ jeber von il^nen beftimmt mar, boS SBefen beS 
anberen l^armonifdi ju erg&njen; bag fie fo in entjädenber 
@emeinfd^aft bie aden 9Renf(|en t)on ber äSorfel^ung gefteUte 
Sebengaufgabe getreulid^ meiter }tt Ufen nnb ju erfüllen 
l^atten. — 

Staum l^atte @bgar am anberen 2;age feinen Jtaffee ju 
fx6) genommen, eis er fxi) fogleid^ aufmad^te, nm bie Statte 
aufjufndien, bie feit langer, langer 3^^* f^^"^ ^ß^antafte fo 
m&6)txQ bemegte. 

(Sr fanb gemutlid^e 9)lenfd^en in 3Renge, bie il^m ben 
Seg ium SBäl^ringer ^ebl^ofe bejeid^neten. 

3)er gl&ubigfte 3)tenfd^ fann eine Jtird^e nid^t fo an» 
bad^tSuoD, nid^t fo doH tjon aHerl^eiligfter ©d^eu unb d^u 
furd^t betreten, vok (Sbgar biefen gemeil^ten SBoben. 3US er 
enblid^ baS l^eilige ®rab erfannte, Don meld^em ber 9lame 
,,93eet]^ooen" fo meltoerl^eigenb l^inauSblidCte, lonnte er fld^ 
nid^t bel^errfd^en. ^ feinem Qnnern arbeitete eS m&d^tig, 
bis ein 2;r&nenftrom feiner ©eele bie befeligenbe (Srleid^te« 
rung nerfd^affte. S>ann marf er fid^ auf bie @d^oUe l^in, 
meldte bie fterblid^en ®ebeine feineS l^eiligen 9RetfterS in fid^ 
fd^Io§, unb ffi^te baS teure @rab mit ber tiefften Sfubrunft,' 
beren feine ©eele fällig mar. 

@ine gauberifd^e @emalt Abte biefeS @rab immer mieber 
auf Sbgar auS. ®o fel^r il^n aud^ anbere @r&ber, befonberS 
baSienige ^rang ©d^ubertS, auf biefem ftird^l^ofe feffeln 
mod^ten, immer aufS neue mu^te ftd^ fein tief finnenber SBIidE 



— 267 - 

auf baS @rab 93eet]^ot)en8 l^eftctt. SBon ben fdimcrjl^afteften 
©cful^Icn tüarb fein ®tvx&i bur^judtt, als ll^ttt l^ter bie fd^njcre 
ScibcnSfette bcS ©cetl^otjenfd^n ©rbctitoaHettS fo lebcnbtg 
üor btc ©eele trat. 

2)oc^ aitd^ btefem gramDoH ©d^öncn mu^te er enbltd^ 
cntfagen. ©ditoeren, ju fti^toeren ^ergcnS trennte er fi^ t)on 
btefem l^od^geweil^ten ^nebengorte. — 3>^m mar eS pIötjKtä^ 
nid()t anberS, als l^örte er liebliche ©ngelftimmen baS l^err» 
Itd^e ?ßropl^etenn)ort fingen: „STHeS %lt\\ii fei ftttte tjor bem 
^errn, benn er l^at fl^ aufgentad^t auS feiner ^eiligen ©tdtte." 
(Sadjaria^ 2, 13.) 

Unb nun gingS fort auS biefent 9ieid(e bcr Slul^e unb 
beS ^rtebenS inS frol^bemegte SBBiener Sebcn l^inein. ®a8 
2ireiben beS luftigen, fröl^Ii^en, urgentütlidien S33iener SSoßeS 
t)erf(i(eud^te fd^neU genug bie SBoKen ber Sraurigfeit t)on 
@bgarS Stirn. — Sf^^m ntu^te eS balb Ilar n)erben', ba§ 
bie lebensluftigen, l^eiteren Xongenien ^agbn unb SÄOjart 
ftd( unter einer fo munteren, leid^tblätigen ÜKenge reti^t be» 
^aglid^ fül^Ien mußten, mSl^renb ber tiefernfte, unerbittlid^ 
fittenftrenge rl^einifd^e Sonl^eroS Seetl^ooen feinem Unmute 
über biefe mobernen „^l^äafen" oft in berben ©arfaSmen 
Suft mad^en, unb ba§ er immer mel^r jur @infamfeit ge« 
brdngt werben vxvi^i^. 

2CI8 @bgar Slntl^emia auffud^te, atmete fein SDBefen mieber 
bie t)ollfte ^eiterfeit. 

älntl^emia trug ein einfad^eS meines ^leib, baS bunfel 
ergidnjenbe ^aar trat fo no(^ oerlorfenber l^eroor, fie ftral^Ite 
l^eute im blenbenbften ©c^mudte il^rer märd^enartigen ©li^ßn» 
l^eit. S33ie bie ©öttin ber emigen Qfugenb, umftoffen t)om 
Sauberl^au^e l^erjgeminnenber 3lnmut, ftanb fie l^eute t)or 
@bgarS t^ermirrten SBIid(en ba. 

SÄan mar l^ier bod^ ein menig überrafd^, als man er« 
ful^r, meldte ©e^enSmörbigfeit SBienS t)on @bgar juaKererft 
in SKugenfdiein genommen morben mar. 



— 268 — 

^ier im ^aufe il^reS OnlelS (onnte Slntl^emta nun ou^ 
in reid^Ud^em fBla^t i^re l^&uSlic^en Xugenben unb (Skfdiid« 
Iid^!eiten entfalten. 2>ie 9Dante war leibenb: halber Iie| eS 
{id^ bie bod^ ganj unb gar im 3^^^^^^^^^^ ^^^ äRufxf 
mebenbe SUc^te ni^t nel^men, atleS, maS einer {^auSfrau )u 
tun obliegt, mit SiebenSmurbigteit unb SuSbauer gu ooU' 
fähren. — (Sbgar bemunberte im ftiUen, mie fie babei in 
aQem ben 9oQenbetften (Skfdimadt unb fifeinftnn offenbarte. 

(Sin magres f^eubenmeer bereitete fid^ in biefer Itaifer« 
ftabt 9or ben ents&dtten Sugen ber Siebenben auS. 

9lad^ ben @enüffen ber Zafel liebte eS Slntl^emiaS Xante 
iu rul^en, mft^renb ber O^eim feinen 93erufiSpf[id^ten nad^* 
ging. S)amit erfc^ien ffir 9(nt]^emia unb (Sbgar bie erfe^nte 
3eit beS älUeinfeinS. S)ann fanb ber gel^eimfte (Skbanfen» 
unb ®efä]^lSn>e^feI fiatt; ba erf^lo| {td| immer mel^r i^r 
innerfteS 3Befen ooreinanber. 3)ie Stunben vergingen bann 
mie SJtinuten — unb nie fd^ien il^re gegenfeitig feffeinbe 
unb anregenbe Unterl^altung ein (Snbe nel^men ju !önnen. 

3n (Sbgar mar nunmehr ein (Sntfd^lug )ur 9leife ge* 
fommen. 

2)a3 Seben beiber in äSien flo^ in faft gleid^m&|iger 
S(nne^mli(^!eit bal^in. SBSdl^renb Slntl^emia in ber SBormit« 
tagSjeit ju ^aufe ooDauf bef 4l&ftigt mar, benu^te (Sbgar biefe 
Stunben, um aU bie Stdtten auf^ufud^en, benen baS Sßalten 
beS @eniu8 SSeetl^ooen unfterblid^en (Slanj oerliel^en l^atte. 

2)er iunge ftunftler fud^te inSbefonbere bie SEBo^nftdtten 
beS oerfldrten SKeifterd auf, f o in ber Slftergaffe, am Sauf« 
graben, auf ber aüölfer 93aftei, in ber ^farrgajfe, Unger« 
gaffe, 93orftabt Seimgrube — unb oor aQem bie Sterbe« 
mol^nung äSeetl^ooenS im Sd^marjfpanierl^aufe am ®Iaci8 ber 
aSorftabt SBd^ring. 

3)ann mürben aQe nal^eliegenben Ortfc^aften burd^« 
manbert, bereu prad^tooQe iDlaturfd^önl^eit ben SJleifter fo oft 
unb fo frudE|trei(|i entaüdtt l^atte. SKand^e ^oetenfl^e fud^te 



— 269 — 

(£bgar nametttlid^ in SDtöbltng (^afnerl^aug)^ in ^e^enborf 
mit bem @(i^3n6tunner Sd^Io^garten, in ^eiligenftabt mit 
bem Jtal^Ienberg nnb in ®rin)ing auf. 

3)ie äBiener ®emätli^!eit fant @ibgar babei w6f)l ju 
ftatten. (Sr befud^te oft genng Staffeeliäufer, fud^te fid^ be» 
fonberg altersgraue Seute auS^ !nüpfte eine Unterl^oltung 
mit il^nen an nnb lenlte bann in fd^ier biplomatifti^er ^ein^* 
l^eit ba§ ©efpr&d^ auf ^eetl^ooen. üBie fd^moQ bann fein 
^er; vox (Sntjüden an, n)enn mand^ ein el^noärbiger @reiS 
unmiQfürlid^ anbad^t8t)on bie ^dnbe faltete unb t)on Sob, 
^eiS unb (Segen ob be§ ^auptftoljeS ber ftaiferftabt über* 
ftrßmte. UnauStöfd^lid^, fo erjdl^lte mand^er, l^atte {id^ baS 
95ilb beS ftnnenb, n)ie erbentrüdtt einl^erfd^reitenben 9RanneS 
il^rer SBorfteQung eingeprägt. 

SBon ber SÄittagägeit an burfte @bgar in ©emeinfd^aft 
mit Slntl^emia bie fd^önften ^errlid^!eiten SBienS, moju in 
erfter Sleil^e ber @tep]^an8bom unb bie SBeloebere-^alerie 
geliören, fattfam bemunbern. S^mtiUn burd^manberten fie 
beS 9lad^mittag8 aud^ allein bie gl&n}enben ©trafen 9Bien8 
unb ergd^ten ftd^ an ber ^röl^Iid^feit beS SBoIfeS unb an ber 
?ßrad^t ber 93auten. 

3in Dorgerüdfterer XageSftunbe fanben ftd^ in SKntliemiaS 
SSel^aufung gemöl^nlid^ Odfte ein, fo ba§ man ftd^ teifö ju 
^aufe beluftigte, babei oiel SKuftf trieb, teils mit ben ®&ften 
einen gemeinfamen 3(u§f[ug unternal^m, teils aud^ ein ^onjert 
ober ein S^^eater mit il^nen befud^te. Seetl^ooenS f^belio 
lie^ man ftd^ mal^rlid^ nid^t entgelten. 

©0 maren etma oierjel^n Sage in einem ununterbrod^enen 
^reubenrauf d^e für Slntl^emia unb ®bgar bal^ingcfioffen. 

@bgat moQte nad^ einigen 2:agen 9Bien oerlajfen. 

@ine8 XageS forberte er Slntl^emia auf, mit il^m einen 
©pagiergang nadEi bem SBßft^ringer Äird^l^ofe ju unternel^mcn. 
Slntl^emia miHigte ein, mdl^renb il^re leud^tcnben Säugen benen 
®bgarS begegneten. 



— 270 — 

(£r fal^ fte fo rul^ig unb bod^ fo ierebt an, ba§ i^n 
@eele von einer unauSfpred^Iid^ fü^en 9ll^nung ergriffen xocxh. 

Saft unter vbUxQtm StiUfd^weigen würbe ber 3Beg nac^ 
bem 9ß&]^rinser ®otte8acIer jurädgelegt. 

(Sine feierlid^e ©tiQe l^rrfd^te auf bem ^rd^l^ofe. 

fiSbgar fül^rte Slntl^emia uml^er unb mad^te fte auf ntand^ 
ein ben!n)ärbige8 ®rab auf merffam, baS bann t)on il^nen mit 
Blumen gefd^mädt warb. 

(SnbUd^ blieben fte vor bem ©rabl^ägel äSeetl^ooenä [teilen. 

älntl^emia pflanzte l^ier abermals 93Iumen l^inein. — @r» 
ftaunt blidte fte auf Sbgar, in beffen 3ägen fte eine eigene 
SEBeid^l^eit wal^mal^m. 

@nblid^ erfaßte @bgar beibe ^änbe S(nti^miag unb fprac^ 
in feierlid^ gel^obenem S^one alfo ^ur ftdnigin feines ^rjenS: 

— ^örenSie mid^ jefet an! Slnt^emia. ©ie n>iffen eg, 
wie unenblid^ id^ ben üßann Derel^re, an beffen @rabe mir 
l^ier ftel^en. @ie fennen bie unerfd^ätterlid^e äßal^rl^eitSliebe 
biefeS ^eifterS, @ie !ennen aud^ fein unperbräd^Ud^eS §eft* I 

^Iten an ber Streue in ^reunbfd^aft unb Siebe. äB&re id^ 
{ein mal^rl^eitSliebenber Wlann, id^ märe mal^rlid^ ein falfd^er 
SSerel^rer SSeetl^ODenS! ^ulbigte id^ nid^t ber t)oIIften 2;reue 
in ber f^reunbfd^aft mie in ber Siebe, id^ m&re unmürbig, 
mid^ einen ed^ten länger biefeS Unfterblic^en gu nennen. — 
O meine älntl^emia! eS !onnte ^f^nen nid^t verborgen bleiben, 
mie tief, mie unfterblid^ id^ @ie liebe unb Derel^re. 3)iefeS 
S3efenntniS aber ^abe i^ barum fo lange mit fd^merer SJlitl^e 
unterbrüd(t, meil id^ 3^nen ein ^eid^en ber l^öd^ften f!&af)x* 
l^af tigf eit biefeS befeligenben ©efül^lS geben moQte. @ie merben 
nid^t glauben fönnen, ba^ id^ l^ier am ®rabe beS fSSlanmS, 
ber mir als ber l^öd^fte unter allen l^el^ren ©eiftern baftel^t, 
ein fo l^eiligeS ©efül^I l^eud^eln fdnnte, ober ha^ eS nid^t in 
unjerftörbarer 97la(^t meine @eele gefangen l^ielte. S)amit 
i^abe xä) ^^mn baS ©el^eimniS meiner ®eele auSgefprod^en. 
3>e^t frage id^ ©ic l^ier im 2lngefid^te beS 9lamenS 93eetl^ot»en, 






— 271 — 

ber l^olie Siebe, üBal^rl^eit unb 2:reue bebeutet: l^aben @te 
^fjt ©erj fo Toeit geprüft, ba§ ©ie mir bie feltgfte ©Ifidt « 
oerl^ei^ung tun !önnen, bie ntetn äBefen fo unabtoeigbar Der« 
langt? Äönnen Sie mir an fo l^eiliger ©tdtte offen einge» 
ftel^en, bag ©ie mid^ lieben, Slntl^emia? roal^rl^aft lieben? 
Don ganjent ^erjen? t)on ganzer ©eele? 2:rauen ©ie fxä) 
bie ftraft ju, mir in unmanbelbarer £reue jugetan ju fein? 
älntmorten ©ie mir ol^ne SlüdCl^alt, Slntl^emia. ^ier miQ x^ 
mein ©eelenl^eil auS ^l^ren ^dnben empfangen. — 

3(nt]^emia l^atte gefenften 931icle§ jugel^ört. 

9la(j^ einem {urjen, langen ©tiUfd^meigen fprad^ fte leife 
oernel^mlid^, inbem jte fanft ju @bgar emporfal^: 

— 3»a, @bgar ; 16) miH ba§ SBeib fein, baS ©ie in ßiebe 
unb Xreue auf aQ d'^ren SBegen beS SebenS, beS 9lingenS 
unb Jt&mpfeng begleiten foQ. @bgar, mein @bgar! 2)u einzig 
©eliebter meiner ©eele ! S)u aQein f oQft emig barin tl^ronen. 
^ier am ®rabe ^eetl^o^eng gelobe id^ 2)ir fold^eg l^eilig in 
DoKer ©eligfeit. 

' (£in Iiimmlifd^eS 9Ra| ber reinften ©lücff eligfeit nm^ 
fd^Iang l^ier bie ®emuter jmeier Siebenben. 

— ^aft 3)u mid^ aud^ mal^rl^aft lieb, Slntl^emia? fragte 
(Sbgar nod^ einmal mit unenblid^ meiner ©timme. ©ag'S nod^ 
einmal, bamit id^ baS fü^e öefenntniS für aüe Qtxttn bemal^re. 

— Söon gangem bergen lieb' id^ 3)idö, mein ßbgar, — 
tDar älntl^emiaä überglüdClid^e Slntmort. 

3)a fü^te Sbgar feine 9lnt^emia mit ^erjenSinnigfeit. 
(SS mar ber emig binbenbe Stvi% ber Siebe. Sänge, lange l^ielten 
fie bie Sippen feft aufeinanber gepreßt, als foHten mit biefem 
Äuffe il^re ©eelen für alle ©migfeit ineinanber fliegen. 

Unb ber Slame „SSeetl^oüen" marf feinen golbigen 
©d^immer auf biefe feiige ®ruppe. 



— 272 — 



2)ru(ff eitler: 



@eiie 21 SeUe 17 oon oben lied: ooUfl&ttbigfte ^aii x>oU^&oh\%t. 

„ 40 „ 12 ^ ,, „ o§ne i^um Präger ffcatt ol^ite il^rem 

,r 42 „ d „ unten ,» dpißpömat ilatt dußp^atau 

« 116 ,, 10 „ „ ,, »urbe ic^ fUttt »urbe i{l. 

,, 126 „ 1 „ „ „ ein weniges ftait neniged. 



3n^alt 



6ftte 

(SrfteS Itapitei: (Sin iton^ettabenb i 

3n>eited StapM: (Sine griec^if^j^e 3nfe( 8 

^Drittes Rofyitel: Eigenartige Q^ntn)i(fe(ung eined bebend . . 14 
Sierted ftopitel: ^ag SBunber ber Seetl^ooenfd^en %onma^t . 39 
fünftes j^ofyitel: ^ad (Soangelittm Oeet^ooenS. — S)ie Gis« 

moll(@onate < « . 61 

eed^ed 5tapitel: (Sin liebenbeS äSeib 105 

Siebented 5lapitel: 2)ie A-dar«@9mpl^ottie. — 9CuS (Sbgat 

SBittigS IBeetl^ooenbüc^ern 125 

3(d^ed jtapitel: 9leue Seiben. — SebendneiiS^eit 152 

9leunted Itopitel: ^ie (S^atafter^errüc^feit Seetl^ooend ... 170 

3e^nteS 5tapite(: (Sine ruffifd^e ®tabt 235 

®lfted Itapitel: ®ine freubenoolle ftbetrafd^ung 254 

3n)blfted 5tapitel: ^uf bem SBäl^ringer Ititd^l^ofe. — &^lu% . 265 



'^'^^fS^ßS^ 



Sßil^Im (Bronau'8 »ud^brudEerel, 6^9ne0er0*9er[in.