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tTKLLF£LD FUtcaA5£ 19S4
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I Dr. seiftet C|tifllif( ftdif<|et.
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Seeli« W. 35.
Dr. 9. S^r. Jtaltf(|et Selfiftoerlag.
1908.
3^25
SUle IR^d^ie DOtBel^altett.
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^anen S3eetl)ODen0
gettet^t.
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(Srßed Aapitel.
(Sin j^ongettabenb.
3)ruttf le^rt ber Aic^tet,
®elen!t f^ob* £>xp^i 9ftumr, gfelfen, giiiini,
SBeil ni(|td fo ftddKfd^, ^art unb 90a oon 9But,
^a9 nic^i Slufl! auf eine 3ett venoonbelt.
2)er SRenf4 bet ntij^ SRuftf |at in fid^ feHfk,
^eit nid^t Sie (SiniraAt fü|er Si^ne rü6tt,
Saugt 9U Serrat, )u 9lftuberei unb Süaen;
^U SReguna feineil 6innft iß bunq>f nHe 9iad^,
Sein Srac^ten büfter n>ie ber (SrebuS.
Srau feinem folc^en!*)
S^afefpeare: ^er Kaufmann von Senebig.
egeS £e6en l^errfd^te im l^ett erleud^teten fionjeitfaale
einer betttfd^en 9te{tben}ftabt. SSSieber einmal ftanb
eines ber ftonferDatorien-Stonserte bzvox, bie jiai^rauS jol^rein
ben ftattlid^ften 3^^^^^!^^^^^^ l^erbeilodten. — @o mar eS
aud^ l^eute abenb, mo eine gan} anfel^nlid^e 9iei]^e auSerlefener
ftnnftjifinger unb ftunftj&ngerinnen ben @d^aupla^ ber £)ffent»
Ud^!eit betreten foQte.
Ob bie armen ftunftnot)i}en fel^r gu bemitleiben maren?
äSemdd^tigte fi^ xooffl manä) eines garten llänftlerl^ergenS
ber B^^tfel, bie 9lng{t, ober gar bange ^rd^t, meil eS l^eute
'*') Therefore, the poet
Did feign, that Orpheus drew trees, stones and floods
Since nought so stockiBh, hard and fall of rage,
Bat moBic for the time doth change his natore.
— 2 -
%(dt, ben erften Stampf gegen jene d^am&teonartige SRenfd^en«
i^fte 3tt loagen, bie man ,^$ubli{um" nennt?
Mjudngftlid^ n>erben bie jungen Seelen n^ol^l nid^t ba»
gef effen l^aben : ftd^erlid^ totthtn äSerftanb, 9Bi^ unb Sl^nung
eg t^nen berul^igenb eingef[d|t l^aben^ ba| bie 93efud^er ber»
artiger Stonjerte j[a t)erfd^n>enberifd^ ntit ben Sonnenftral^len
beS SSol^tooDenS, ber Siebe nnb beS SRitleibS auSgerüftet finb.
SBer foQte xootjH fo graufant geartet fein, iungen, l^intmel«
anftrebenben Sprößlingen ber 5lun{t — felbfl n)enn {ie l^ie
nnb ba ftraud^eln — ittbefooQen ^if aE als 9[uf munterung
jur bet)orfie]^enben fd^meren fiaufbal^n gu verfagen ober nur
ju oeriftmmern? ^Begegnete gar irgenb einer ber 9(uSübenben
ben n)te in einer SiebeSflut fd^mimmenben 9(ugen ber ge»
liebten unb oere^rten ^BbxtUx, fo fd^öpfte er auS biefen
S9lid(en l^eiligfter S^mpatl^ie gemiß SRut unb Straft jum
(Skiingen. — ttnb ber ftille iBeobad^ter erfpäl^te mal^rlid^
nid^t menige liebet)o([e, 3&rtlid^e unb babei aud^ fo fromm«
ergebene äRutteraugen.
2)a8 ftonjertprogramm jeid^nete ftd^ bur^ eine red^t
lange unb breite f^orm auS, l^atte eS |a neben bem fonft
Üblid^en nod^ man^erlei anbereS funbgugeben: mer ber Sel^r«
meifter jebeS einjelnen gemefen — gleid^oiel, ob biefer als
auSübenber ober als fd^affenber Jtänftler auftrat — ober
meld^eS Sanb, meldte (Stabt bereinft bie iemeiligen junger
unb i^üngerinnen ber Stunfi erzeugte, mie nod^ mand^eS anbere.
^ei meitem bie meiften ber lonjertierenben Bds't^^S^
gel^drten bem beutfd^en 93aterlanbe an. @in fremblänbifd^er
The man that hath no music in himself ,
Nor is not moy'd with concord of sweet sonnds,
Is fit for treasonSy stratagems and spofls:
The motions of his spirit are dull as night,
And his affections dark as Erebus.
Let no such man be trüsted.
Shakespeare: Merchant of Yenice; ActV, Scene I.
— 8 —
9lame iefonberS mu^te um fo ntel^v bie Xttfmeidtfaitileit ber
£efetibeti feffeln, als er einem Sanbe oitgel^Srte, boS lool^I
imr feiten einS feiner SKnber jur ntnfifalifd^en XuSbilbnng
nad^ S)etttfd^Ianb entfenbet. —
älttf bem ^ograntm ober flanb nnter anberem:
Es-dur^Stonjert fftr ^anoforte nnb Ord^efler
oon S. Don Seetl^ooen, oorgetrogen oon
^rftnlein Slntl^entia ^alleuIoS aui 2>eIo8.
(Seigrer: 2)er 3)tre!tor.)
Sßie oerfc^iebenartig ntod^ten bie Oebanlen fein, bie
barob nnter ben Sn\)itttn rege würben! SBeld^ ein ^od^«
tdnenber 9lante! SEBie biefe Jungfrau beS ntobernen @rie(i^en'
tnmS xüo^ ausfegen mod^te? 3nng ober alt, fd^dn ober
ll&llid^, gro| ober Hein, fd^lan! ober formenooH? — baS
n>aren l^ier bie fragen. — (Ein SRdbd^en anS bent 9Rntter«
lanbe olleS ©d^önen fnd^t bie Itunft in 2>eutfd^Ianb auf, —
wd6) ein SBunber am med^felooQen SCBebftnl^le ber 3^it!
SBirb bie {^eUenentod^ter biefe munberbare Xonfd^öpfung be8
germanifd^en £onfiirften 93eet^ooen in feinem (Seifte mieber*
geftalten ober nid^t?
3)ie (Snoartung mar l^od^ gefpannt: benn ba nid^t
menige 3^^^^^^^ ^^^ SRufentod^ter ouS (Siried^enlanb als mu
ouftoud^enbeS (Seftirn am Paniftenl^immel oerel^rten unb
t>er!ünbeten, mar eS nur natürlid^, bag an aQen (Edten unb
Snben il^r 9lame erflang, unb bag man fd^on |e^t mit ^ilfe
ber Operngl&fer ben $la|( erforfd^te, ben jeneS 9n&bd^en auS
ber ^rembe t^ieüeid^t fd^on eingenommen ^atte.
Xrme Stntl^emia! 93ieler SBlidCe fd^auen nad^ bir auS,
aber aDe auS eitel 9leugier. $i^ benn lein 9(uge ba, baS
ffir bid^ ein ftummberebteS @ebet fprid^t? fiabt bid^ !ein
9}httterbIidE, nod^ ber eines anbern teuren 93ermanbten?
Ober oertrauft bu frol^gemut aQein bem l^olben @eniuS ber
Äunft? —
1*
^ 4 —
%o6) boS Q^rf^tnen beS {|)ueftorS bet Sllabetnie tittt|te
ad biefen ä^orf^ielen einSnbe mad^en. SJlan mujite biefent
feierli^ grwttAtifd^en Vlmnt unmüfätlid^ fettte Xufmerf*
famfett mbmen unb babei t)on neuem an bie Sebentung beS
9lbenb3 erinnert »erben, ^ente n>ar ber fonft fo gefirenge
^err ganj 3rennblid^!ett unb SnUbe, fpenbete l^ier unb bort ein
fr&ftig anfeuernbe^ ÜBort, ging mit feinem ^dnbebrud fd^ier
freigebig um unb mar aud^ in anberen (Shtnftbemeifen gegen
feine untergebenen Seigrer unb Sd^üler burd^au§ nid^t I&fftg.
2Bie ein aUgeliebter ^errfd^er t)on ©otteg @naben tl^ronte
er enblidf) ba mitten unter ben jal^Ireid^en Seinen, benen er
als fidlerer, mol^Ierprobter fjül^rer ol^ne 9laft unb SRul^e bie
aßege jum ^immelreid^e ber 3Äuflf mieS unb ebnete. —
®in nod| fel^r jugenblidEier Äompofitiongfd^üler ber 3ln*
ftalt, ber jugleid) ein fattel« unb bügelfefter Älamerfpieler
mar, eröffnete baS Jtonjert. ^nbem er feine Dut)ertüre für
großes Drd^efter red^t gefdEjidft unb umftd^tig birigierte, offen»
barte er fi^ ber fl(^tlid| überrafd^ten S^l)bt^x^6)at als einen
oiefoerl^ei^enben Romponiften unb Dirigenten. 3)tefer 3)oppeI*
leiftung folgte benn aud^ fein geringer SeifaK. — $)arart
reiften fid^ allerlei SSortrftge für ÄIat)ier, SSioIine, Oefang
unb ®efIamation, an benen ftd^ in buntem SEBed^fel Qung«
frauen unb Jünglinge beteiligten, ©elbftoerftanblidfi mürben
aDe mit SeifaüSrufen unb öeifattSfafoen reidEiIid^ belol^nt;
Snblid^ mar ber erfel^nte 3lugenbKdf ba. S)aS er«
martungSootte Stubitorium fottte grdulein ^aüeufoS auS
SJeloS feigen unb l^ören. Staunen unb Semunberung malten
fidEi auf aUer ©efid^tSjügen, als jtd() l^ier eine ftattlid(>e ®r*
f^einung auS bem ©ried^enlanbe mürbetJoH Derneigte. —
S)od^ mar ba feine 3^^*/ ^^ ^^H^ ^^^ Bä^^^^^ V^ über*
laffen, ber tjon biefer ©eftalt auSftral^Ite: benn fd^on lenfte
bie. m&d()tige 3lrt il^reS JBeetl^ooenfpielS bie Sinne fort von
iungfr&uli^er Sd^önl^eit auf ben ®eift ber 93eet]^ot)enfd^n
anuftf l^in.
— 5 —
2)08 6(l^ioeIgen in ber {^ormonieen ^xa^U bie ftesen«
filUd^ 2>arfte(Ittn8 ^roifd^er Straft unb etfeiiattlg fpielenber
3art^it, ba| e< wie Slf^ntraum aus aBoIfen^dl^n bitrd^ bie
@eiiiiUtr jiel^t: oQeS braute bie putge ftftnftlerin fnxt ooOett»
betet ^rtigteit )ur (Bettung.
2>ann bie fanfte, feiige Stulpe im H-dur-Sbogio, bof bie
raufd^be SebenSfteubigleit beS erflen <Sa^Jber bef<l^*
lid^en (iinfd^t entgegenfül^ct: loie »unberfam oennod^te eS
Xntl^ntia, bie em|)f&ngli(l^en Seelen bamit ju rftl^ten. unb su
l^eiligen !
iBnUxi) nad^ biefer furjen Geelenrafi baS feuettrunfene
finale in Es-dur, boS in feinem bit^^rambifd^enl^Sluffd^munge
eine f o fiegreid^ye äRad^t Dertünbet, mie etma bie ol9mpifd^en
Siegtfgef&nge eines ^inbar!
Xttd^ biefer in ^immlif c^er Suft ein^erbraufenben 9^fleS>
froft mtt|te bie Jungfrau ben j^enlid^fien .SuSbrudt iu oer*
lei^n. — SBie fte beim unmittelbaren Übergange ouS bem
Xbagio inS feurige ^inal'XQegro bie fttii^pe, an ber felbft
Itor^pl^&en beS ^ianiftentumS fo oft fd^eitem, mit unfel^l«
barer Si^eri^eit il^rem fr&ftigen SBiKen unterwarf : ba flral^lte
eS l^eHleud^tenb aus ben Olidfen vieler funbigerj^ul^Srer»
Unermegli4ier OeifaQ folgte auf biefen glan)ootten Sor«
trag. SReifterlid^er lönnte biefeS l^errlid^e SBerl {nid^t bar*
geftellt werben. aHan mu§te fid^ felbfi ^agen: wer mod^te
biefer ftlaoierffinjllerin ber SDtyftagog in bie Smhtxvoüt beS
erl^abenfien @eniuS gewefen fein? dtt^>1i<^tl^^ ^^^ unfa§«
bare ^d^ beS gdttlid^en StunfigeifteS felbft 2>enn oieleS
vermag ja ein irbifd^er Se^rmeifter ifraft feines feuerbefeelten
Sel^ramteS ju geben, aber nimmermel^r ben Oeift, burd^
meldten ein Stunftwert frei unb innig erfa|t werben lann.
(tS war gut, ba§ nad^ Sntl^emiaS Jtlaoieroortrage eine
ißaufe eintrat, bie eS aQen ermdglid^te, baS foeben in blä*
l^nbfiem 3<^)tberglan)e vorgeführte SBunber ^eet^ooenfd^er
Zonpo^xt innerlid^ auSllingen ju laffen.
— 6 —
2)en mad^tooQften Sinbrud ühtt bte fd^önl^eitftral^lenbe
^[ntl^mta auf einen iungen fSflann ans, beffen jorteS^ geifieS«
Domel^nteS Sntli^, oon bunlelblonbem ^aupt^aar nt&l^nen«
atttg utnxodüi, unfeiner ben ftünftler gu erlennen gab.
(Sin gänftigeS ©efd^idf l^atte il^n in bie 9l&]^e ber £on«
l^elbin gefiil^rt. (&i famen glädfUd^e äRomente^ in benen ber
innge 3Rann ftd^ in Slntl^entiaS n)ttnberfame8 SBefen Derfen!en
!onnte. Med an il^r atmete QEigenatt. <S8 f^ien il^nt un«
rniQÜi), aud^ nur baS blaffefte ätbbilb t)on ben Sd^önl^eiten
biefer ]^o]^eitSt)oQen @rfd^einung gu entn^erfen.
„E piir si muove'', trdftete er fid) unb ntalte foIgenbeS
Silb in feine ^l^antaftewelt l^inein:
@r malte ein marmorbleid^eg unb bod^ fo lebenSDoQeS
älngeftd^t, bag in ieber freien, garten Slber eine SeibenS«
gefd^id^te burd^fd^inunern I&^t; aber auf ber l^ol^en, l^immel»
reinen ©tirn t)on plaftifdE^^antifer (Sd^dnl^eit offenbarte fid^
il^m baS übermunbene 9EBe|. @ie oerliel^ bem gangen SBefen
eine mal^rl^afte geiftburd^tr&nlte SBeil^e. — (Sr betrad^tete bie
ibeale gried^ifd^e 9lafe unb ein Jtinn, auf bem aQe brei
®ragien il^ren 2:]^ron aufgefd^Iagen gu l^aben fd^ienen. — 3)a^
Slaublätigfeit fein leerer Sßal^n ift: baS prebigte Xtl^emiaS
Slngeftd^t nid^t minber, als il^re garte ^anb. 3>id^teS, t)dllig
fd^margeS ^aargefted^t umgab il^r f d^mergenerg&l^IenbeS Slntli^;
aber langgegogene äBimpern 9on tieffter gel^eimnigbergenber
@d^n)&rge t^erfünbeten von neuem. bie ibealfte Seelenrul^e unb
fd^ienen el^rfurd^tSDoQe SBerel^rung gu gebieten. 3)ie bunflen^
DoQen äCugenbrauen maren von ber feltenften Sigenartigfeit«
9lid^t ftanben fte in oermirrtem 3)tf<^^i><^n]^<^nge, aud^ mar
feine beutlidie Seere gmifd^en beiben ftd^tbar: fonbern in gang
aKmftligen 3(bftufungen liefen fie in einen $unft gufammen.
3e^t trafen beS jungen SItanneS Slugen unermartet gmei
leud^tenbe SHdCe unb fd^ienen feltfam oon feinen büfter«
ernften 3^9^^ betroffen gu fein. (£x fal^ poefleoolle 9(ugen«
^ßoefrepoß! — xoü6) ein armfeliger 3[u8brud( für fold^e
— 7 —
^mmelSaisgen, fflr Sugen, in beneit ftd^ bie ganje gro^e
993elt ibeol abjttfpiegeln fd^ien! SSol^rli^, . fo badete tt, eist
ooQec Stral^l aitS biefen toeltenbergenben 3(ugeti multe lebent
fd^affenben (Skifte neue, ungeahnte @eftlbe erfd^Uegen.
SBol^I l^atte feine ^l^antafie in ntonc^et aRu|e{htnbe ein
ibeoIeS f^rauenbilb «erfolgt, baS er ntit gl&n}enb{len $^an»
tafiefarben malte, bog il^m mit aUbejmingenbem Slngenglanje
leud^tenb t)orf darnebte: allein ber Slblerflng ber ^l^antafte —
l^ier mar er von ber lebenSooQfien Sßirllid^Ieit überboten. —
9BaS SBunber, ba| ber junge StänfUer bem jmeiten Xeile
beS unenblid^ langen ftonferoatorium«5ton}erte8 bnrd^au8 nid^t
bie gleid^e an Slnbad^t grenjenbe 9nfmer!fam(eit fd^en!te,
mie bem erften unb inSbefonbere bem ganberl^aften Spiele
älntl^emiaS. äüod^te j[e|t vortragen, mer ba moQte — feine
älugen unb @inne fd^meiften immer mieber gur Jungfrau
aus @rie(^enlanb pvcüd.
WiS baS Konjert beenbet mar, beeiferte ftd^ befonberS
bie junge ^errenmelt, in bie 9l&^e äintl^emiaS )U gelangen,
um beS Qavbtti i^rer perfdnlid^en (Erfd^einung nod^ einmal
gang teilhaftig ju merben. — Slud^ jenem jungen Jtänfller
glüd!te eg nod^, einen ^lidf auS il^ren m&rd^enfd^3nen Singen
3U erlangen« SKl^nungSooIl burc^brangen il^n l^ier bie @d^auer
ber J^dd^ften ©eligfeit fiange nod^ oermeilte er doQ jeneS
fu^n ©innenS im ftonjertfaale. — 9luf bem ^eimmege glid^
er einem manbelnben 2:raum. SRitleibige Sternfeelen gaben
il^m ein fun!elnbeS ®eleite.
Sto^iteg ftapttel.
@ine grted^ifd^e 2infeL
9{ttt >te mi|verfianbene Iteligloit !anti und
ooR bem 0d^önen entfernen unb ed ift ein 8e«
»etö für bie wa^te, ffir bie tid^iig t>erftanbene
ioa|te Sleliaiim, W€im fU unft ü5eraS auf b<id
^(95ne lutvtf^rinat.
äeffing: 9Bie bie Ktten ben Sob geMlbet.
^ine geraume 3^^t toar nad^ bem foeien gefd^tlbetten
ftonjettaBenb beS StonfertKitorittmS Derftoffen. 3)ie
Honjertfftifon bet ^uptftabt ftanb je^t in tl^ter l^öd^jften Släte.
SCud^ bet 9nu{ifer ©bgar SBittig — f o ]^ie| jener junge
ffflawx, auf ben an jlenent SPbenb baS 3uf(^t»>nenn)tr!en eines
(önfUerif^ feelenDoQen StlaoierDortragS unb einer gauber»
fd^Snen ^rauengeftalt einen unauSldf^Iid^en (Sinbrud gemad^t
gu ^aben fd^ien — , aud^ biefer befud^te it^t nod^ um fo
eifriger bie l^eroorragenben ftongerte, alB er hoffen burfte,
Sntl^mia ju fe^en unb oon Stxt gu Q^t einen SlidC auS
il^ren n)unberfamen 3lugen gu erl^afi^en.
SBSar eS ber fd^n)ermütige 3^8 ^^ <SbgarS äCntli^, ber
feiner gangen n)ie auS ^oefte gen)ebten ßrfd^einung eine nod^
l^öl^ere Stünftlermeil^e oerliel^, ober n)ar eS bie gang eigene
3lrt Don SSerfunfenl^eit, in meld^er er namentlid^ ^eetl^ooen«
fd^en Zonfd^öpfungen laufd^te, fo ba^ n)&]^renb biefer Qtxt
aCeS übrige in ber 3BeIt fär il^n gar nid^t ba gu fein fd^ien,
ober n)ar eg fonft ein gel^eimeS (StvoaS im SBefen (SbgarS:
genug^ nad^ geraumer 3^tt mieten Slntl^emiag gro^e, finnenbe
~ y —
Sugen, fobolb fie ftd^ unbeobad^tet glaubten, mit einem un*
bef(^ceibli^n Xufbnttfe oon ^ingejogenbeit auf biefem
SRanneSangefid^t. —
tten toat benn nun biefe Sntbemia? Unb mer biefer dbgat?
Xnt^mia ^QeutoS mar bie Zoster eines reidien ^an«
bels^rrn in 2)eIo» ober 2>ili, ber (leinften ber S^ftaben*
infein. DaS Silanb mirb um feiner ftleinbeit millen aud^
ftiein-3>elo8 (äRifra-SHIoS) genannt. SBon ber meltberfil^mten
Seltfd^en ftunfll^Ii<i^Mt b<^t fUf freilid^ ni^t mel er*
lolten. ^mmerl^in iebod^ laffen Zrfimmer be§ ätrtemistempels
mib befonberS beS XpoQobeiligtumB — ber oielge^iriefenen
Sd^Spfung be§ SffeifterS (Srifid^tl^on — ben einfhnoligen
ar<l^iteftonif^n ®Ians beS OrteS al^nen.
3He Sagen von ber munberbaren (Sntftebung biefeB <li<
lonbeS, vom göttlid^en Sefd^mifterpaare SipoQon unb Srte*
miS — , bie SR^tben, bie fid^ an ben @ranitfelfenberg St^nt^oS
nnb an ben munter ba^ineilenben 9ac^ 3uopoS fnüpfen,
beS weiteren bie l^iflorifd^n (Er}&blungen wn ben f^efifpieten,
jtt meldten aQe fünf ;3labre bie ^Senenfd^oren aUer @kmen
herbeigeeilt maren — enblid^ bie babingefd^^^^^i^^i^^ {^nbels«
berrttd^Ieit ber einftmalS fo reid^ gefegneten 3nfel: adeS
bat Ringt nod^ |e|}t lebenbig in belifd^en ®emütern nad^.
Son 3^^» unb SBebmut mirb unfere Seele erffiHt, menn
mir t)emebmen, bag bie Xbfömmlinge beS funftbegabtefien
SolfeS felbft bie 9teliquien beS l^öd^fien ftunftbafeinS ge«
ftiffentlid^ nernidbten. i^mmer mel^r fab man in ben iftngften
Seiten aud^ auf ^eloB toflbare 9le{te b^Denifd^er ftunft Der«
fd^minben. 3)er Stoff, auS bem einft fo blfib^nbeS ®eifteS«
leben ftrablte, marb unb mirb nodb immer al8 gemeines
Saumaterial oermenbet.
i^nbeS ermad^t aucb bort -- baut bem immer meiter
bringenben <Iinf[uffe unfereS ebelbegeifterten b^Q<^8trunfenen
^einridb S^liemann — mebr unb me^r ber Sinn für
@ried^enlanbf ftunftb^^^l^^^it. 9}ad| Sd^liemannS ungtaub«»
— 10 -
lid^ genialem SSorgange, ber }U ben erfolgretd^ften SluSgra«»
bungen ber {^elbenft&tten :3[IioiS, äH^Ieni unb Ord^ontenoS
ffil^rte, ift bie gefamte Stultuxwzlt Dom l^errlid^ften äluSgra«
bungSeifer befeelt, ber nod^ QErftaunlid^eS sutage fdrbern mut-
2)anl biefem auf ©id^ItetnannS @ei^ jurüd^ufäl^renben
(Sntl^uftaSinuS beginnt man ie|)t aud^ in ^eloS auSjugraben
unb fielet aud^ l^ier fd^önfieS Unterfangen wn fd^dnftem (&f
folge gefrönt. ®d^on l^at man nid^t @ertngfägigeS Dom
SlpoQotl^eater aufgebedCt unb barf immer l^errlid^ere SuSbeute
erl^offen. — (So mirft Sd^Iiemanng äBunbergenie unabfel^«
bar meiter fort, ^n SBal^rl^it bUbet er mit ftarl ^riebrid^
@d^infel unb ^arl Söttid^er bad glangenbe 2)reigeftirn,
meld^eS ben ©eift l^eOenifd^er ftunft unb l^eQenif^en SefenS
unferem ;3[a]^r]^unbert fd^dpferifd^ neu geboren l^at Unfterb«
lid^e Sl^re fei il^rem 9[nben{en gemeil^t! —
Svm Sflu^me ber Familie ^aUeufoS ift nun ju oer«
melben, ba^ fte oon jel^er )u ben äBenigen gel^drte, in benen
nod^ bie alte l^eUenifi^e ^rad^t unb ber einftige ®toI) ber
93aterinfel einen l^eilfamen 9lad^l^aQ fanben. Unb bod^ mar
nur ber SSater Slntl^emiaS ein ©ried^e, bie 3)'tutter mar eine
3;od^ter ^eutfd^IanbS. 9luf einer feiner jal^lreid^en Steifen
l^atte ber alte ^aKeufoS feine @attin !ennen unb lieben
lernen. 9Bie fd^mer aud^ feiner StuSertorenen ber @ntfd^lu^
marb, baS geliebte 2)eutfd^lanb mit einer faft gang oerlom«
menen gried^ifd^en 3nfel ju oertaufd^en — bie Siebe l^alf
jaubeidEunbig aber aUe ^eben!en l^inmeg. Unb nod^ ju feiner
@tunbe l^atte eS Slntl^emiaS SAutter gereut, il^rem ebell^er}igen
9Ranne gefolgt ju fein.
3)en f^önften ®d^mudE biefeS l^armonifd^en Sl^elebenS
bilbeten jmei ^inber: Slnt^emia unb il^r um menige 3^^^^
älterer trüber ©opl^ron.
^ie Altern l^atten i^ren Zubern eine planooSe, finn«
reid^e, eble (Srgiel^ung angebeil^en laffen. 2)ie (Errungen«
fd^aften ber mobernen, baS 9lltertum fiberbietenben i^been
— 11 —
l^aiten fte mit biefem oortrefflid^ su oerf^melgen i^erfianben.
2)ie oltgried^ifci^e Stteratur lourbe in il^rem ^aufe DOtjugS^
loeife gepflegt. S)ie unfterblic^en ®ef&nge beS bltnben^
m&ontfc^en (Steif eS blieben ein unantaftboreS ^eiligtum^
bie jioeite ^auSbibel fär ben erlend^teten ^odetttoS unb fein
^lid^eS 9Beib.
SÜld^fi bent (Sried^entunt war eS — unb barin offen«
barte fi(^ junteift ber (Sinfitt| ber annnstigen {^audfroit —
bie beutfd^e ftnnft unb SSSiffenfcl^aft, bie fid^ aUnia^Iid^ bent
enq^f&ngtid^en @inne Sop^onS unb Sntl^entiaS erfd^Ioffen
^atte. Unb l^ierbei wx allem biejenige itunft, in ber 3>etttf^>
lonb mit fouDerfinet @emalt über bie moberne Shtltnrmelt
gebietet: bie Wlnf^. ^fir biefe itunft lieg votnt^mliif %x*
tl^emia feit il^rer fräl^eften Jhnbl^eit eine l^erDorragenbe 9lei<
gung unb Begabung erfennen.
3)aS ]^erangen)ad^fene Oefd^n^ifietpaar ermedtte ungeteilte
äSemunberung auf ber 3nfet. 93ergegenn^&rtigte man fid^
il^re ^ol^en 0eftaIten, il^re untabelig antifen fjformen, ba»
neben bie innere ®Ieid^artigleit beiber^ bann marb man unmiQ«
lürlid^ an bie alten Sd^u^götter be8 je^t t)er!ommenen (Silan«
be8, an ben fernl^intreffenben SRufageten 9(poDon unb an
beffen jagbfrol^e (Sd^mefter XrtemiS erinnert. SCntl^emia l^atte
ftd^ in baS Sßefen biefer feufd^en ®öttin fo l^ineingdlebt,
^atte beren freies ;9[ungfrauenbafein fo tiebgemonnen, ba|
fte bei fld^ befd^Io^^ ber ®dttin il^rer ®eburtBinfeI aud^
l^ierin nad^juftreben: fid^ niemals einem SRanne ju i)erm&]^>
len. — 2)ie flurenliebenbe ätrtemiS irgenbmie mit bem monb*
füd^tigen (Enb^mion in Serbinbung su bringen, galt al8 eitel
fte^erei in Sntl^emiaS SKugen. Sie ®öttin ber i^agb unb
beS gefegneten ^lurenlebenS blieb i^r nun einmal bie 93er«
förperung Dolßommener Jteufd^l^eit.
(£i mar aber au(^ gar )u l^errlid^, frei unb ungebunben
in ber belifd^en ®ebirgSlanbfd^aft gu fd^m&rmen, el^rmfirbige
2^nq>elntinen aufsufud^en unb bort l^ingelagert ju tr&umen.
— 12 —
Stnt^miad SiebltngSpIol mar eine äUtarruine beS bor«
tigen 9bpofhttmp^U. 2kiS mar ber Ste^ beS l^dd^ft benl«
TDärbigen ädtarS, ber gatt} unb gor ani Stterl^örnern^ ben
Symbolen beS göttlU^eS Sid^tS, gebilbet loor. Staust fontite
für ein 2)anaergemüt auf ber iej^t f o nacften ^^ü ein trau«
lid^erer Ort gefunben werben, an bent man, unbel^eUigt oon
3ubringli(i^n SRenfd^en, ben feligften ^^antafieen an bie
untergegangene ]^ellenif<i^e Gdtterprad^t nad^l^gen founte.
Sfloä) immer lad^t an fd^dneu Xagen ber ^imntel l^ier in
l^eiterftem ©lange. SCKeS ift bans Stulpe unb gel^eimniSsoQed
Sd^meigen. 3älan ift jeben Hugenblicf gem&rtig, ätpoKon mit
feinem mufifd^en befolge erfd^einen pt f^^u, um ieben
3(ugen6HdE eine neue, mei^mutSrei^e (Snttäufd^ung gu erleben.
-^ $ier unb unter fo fonnig lad^enbem ^immel erfd^eint e3
begreiflid^, mie ber ^id^ter ftallimad^uS fingen tonnte, bieS
Cilanb fei einem blinfenben Sterne gleid^ oom ^immel
l^erabgefaHen. —
3)ie fd^öne Qtxt, in ber Slntl^emia im trauten 9unbe
mit il^rem fo innig geliebten iSruber bie (Srjiel^ung im elter«
tid^en ^aufe genojl, mu§te, mie alleS ®d^öne, ein flSnbe
nel^men. 3Bie fel^r eS fld| aud^ bie unermüblid^en (Eltern
biefeS ®efd^mifterpaare8 angelegen fein liefen, il^ren ^inbern
burd^ eigene Set&tigung unb burd^ Sltitl^ilfe anberer l^eroor»
ragenber Sel^rf rftfte bie melfeitigfte äluSbUbung ju oerf d^affen :
enblid^ mu|te ftd^ bennod^ bie fefte Überzeugung aufbr&ngen,
ba^ ber Sol^n l^inauS in bie ^eme muffe, um mitten unter
tud^tig aufftrebenben SUterSgenoffen einen georbneten Stubien«
gang in f)fiegen. — (Sop^ron foKte an ber Unioerfit&t ju
Stilen $]^Uofop^ie unb SDtatJ^ematit ftubieren — unb fo
mu^te feine Trennung oon (Eltern unb @d^mefter ben erfien
fdimeren Sraucrflang bilben, ber biefe friebenoollfte f^amilien»
l^armonie trabte.
3>ie (Eltern maren nad^ @op]^ron8 Slbreife meit meniger
bebrüdtt unb beffimmert als Slntl^emia, bie fid^ pjeiten
- 13 —
«Die iDeltnerlaffen voxtam, fo fel^r mir il^r ber tnntgfte 9kr*
fel^ mit i^rein über oQeS geliebten SSruber )u einem mabren
^immelSelement gemorben. f^reilid^ entftanb ein lebhafter
^riefmed^fel jmif d^en il^nen : allein Slntl^emia empf anb eS ju
flar, ba| and^ ber regfte fd^riftlid^e SSerlel^r im SSergleid^
ium lebendDollen mänblid^en ^httn» unb ©efäl^lSQuStanfd^
immerbar etmaS XoteS an ftd^ trdgt.
93alb follte baS $allenIo8fd^e (Sl^epaar eine jmeite^
nod^ fd^merslid^ere 3:rennung erfal^ren. Slntl^emia l^atte
ou^erorhentlt^e ^ortfd^ritte im Panofortefpiel gemad^t.
^^xt angeborene f^einfäl^ligfeit, il^r tiefeS Jhtnftempftnben
liegen fte bie Originolf^önl^eiten ber üafftfd^en beutf^en
äionmeifter ftd^er l^erauSfäl^len. (Sinen fel^r mefentli^en
älnieil an ber (Sntmictelung i^reS reinen ä^ftlempftnbenS
l^atten bie beutfd^en SSolfSlieber nnb bie S^oräle, bie ii^re
9Rntter mit unenblid^er Stül^rnng unb ^erjenSeinfalt Dor»
jutragen Derftanb. 3)a8 maren Samenförner in älntl^emiaS
lauterer ©eele, bie fpdterl^in ju maleren {^immelSfräd^ten
aufbläl^ten.
Unter ben Ilaffifd^en Xonmeiftern nal^m allm&l^lid^
Seet]^ox)en il^r ganjeS DolleS ^erg gefangen. SDlit bemunbernS»
merter Eingabe lonnte fte ben t)on il^r erful^lten unb ge»
al^nten poetifd^en 3been SBeetl^ooenfd^er Xonfäiöpfungen nad^«
ftnnen; j|a fte marb mel^r unb mel^r t)on einer unftillbaren
Sel^fud^t nad^ bem 93aterlanbe SBeet^ot)en8 unb bamit nad^
bem Sßunberlanbe ber reinen flaffifd^en 9Ruftf ergriffen.
3)ort allein l^offte fte bie Sd^üffel gu vizUn tonbid^terifd^en
9lätfeln ju finben.
SBSie fd^n>er eS aud^ älntl^emiaS (Sltztn mürbe, ftd^ auf
fo ungemig lange S^xt t)on il^rem Slugentroft ju trennen;
mie bange unb mie forgent)oll il^nen aud) jumute marb:
fle maren befonnen unb oernünftig genug, enblid^ gern unb
miliig ben bered^tigten Sffiunfd^ i|rer t)on fo melen ©eniea
gefegneten Sod^ter ju erfüllen.
^ritted jlapitel.
Eigenartige (Sntoitfelnng eined Mettd.
^en t)iel6eioegten Steig bet 9Beli |u «eiben,
^aiB ®inet(ei bet (^famleit }u loäl^len,
äBirb fid^'d bet 9Ratm erlauben, ber fi($ oft
SBol^ltfttiger 3erftreuung überaob,
äBenn Uneriräalid^ed, mit Bf^Ifenlaft
$er5ei fx^ Ȋ[)enb^ il^n bebro^enb, fc^Iic^.
®oetbe: S^ie natütli^e Sod^ier.
Unb Suft unb Stebe fmb bie f^ittige
3u großen Säten.
(Boet^e: Sp^igenie auf Siaurid.
)nb ^ntl^emia betrat beutfd^en SBoben, eine ^auptftabt
beutfd^n SßuftflebenS.
®d^neQ genug n)urbe fte im Jlonferoatorium ber ®egen«
ftanb aufrid^tiger Sen^unberung. ^l^r SBefen l^atte etwaS
berortig ©ebietenbeS unb babei fo ^reunblid^eS^ ^erjgeiDin«
fienbeS^ ba| fte felbft bie in ftonferoatorien mit befonberer
93orIiebe l^aufenben J)dmonen beS 9leibeS, ber ältij^gunft unb
ber 9le6enbu]^Ierfd^aft t)dKig übermanb. 9Ran l^ulbigte nid^t
allein il^rem l^en^orragenben muftlalifd^en Ingenium, fonbem
aud^ ber aUbeiaubernben 9(nmut, ^ol^eit unb SiebeiSfäQe
il^rer perfönlid^en (Srfd^einung.
Unter ben t)ielen n)eiblid^en Sefannten im Aonfer*
oatorium ermarb Slntl^emia ftd^ aud^ balb eine treue ^reunbin
in (Bmma ^ilbebranbt, ber Zod^ter eine? @el^eimratg ber
.Stejtbenj.
— 15 —
1hx%tttS me inneres SSBefen biefer beiben :3un9frauen
btibeten einen ftarlen ®egenfat(. S>ort bie bunfle, grog«
ittgige, ernfte 9(ntl^emia, in il^rem ganjen SCuftreten einet
Olpmpierin oerglei^bar: l^ier bie l^eUblonbe, lebl^afte, ftetö
f)txUtt, elfenjatte Q^ntnta. Sber eine gleid^e treue ^^ner«
Ud^feit htäpfte biefe beiben gerabe infolge biefer l^eilfanten
0egenfd|lid^!eit nur um f o inniger, fefter aneinanber. S)a«
bttr<i^ n^arb il^re Orteunbfd^aft t)or ertdtenber (Sinfdrmigteit
ben>a]^rt; fte entpfanben eS beutli^, ba| einer ben anbem
erg&njte.
2)ie ^reunbinnen fallen ftd^ faft t>td^. 3>er <Skbanfen«
ouStaufd^ fanb jumeift in (Smmai (Slternl^aufe ftatt in bem
bie SDtufU eine leibenfd^aftli^e ^ege fanb. @o oft eS l^ier
anging, gogen fle fld^ in QmmaS ^el^eimjimmerdien iut&d,
n>o fx^ bie SR&bd^enfeelen ganj aQein angel^Srten. 2)a n)arb
benn auS ber tiefinnerften {^erjenStrul^e dIeS l^eroorgefud^t
unb bem gegenfeitigen (Smpftnben, ^ul^Ien, SB&nfd^en unb
Urteilen anoertraut.
SEBer mit ber geiftigen Xarnloppe begabt ift, vermag
baS ^nnerfte beS Snenfdienl^erseng gu erfp&l^en; felbft bie
garteften, feft oerfd^lojfenen 9^egungen einer jungfraulid^en
(Seele erlaufd^t bann fein ®eift, alle8 entpQt ftd^ il^m, un«
oerfd^Ieiert liegt ein gangeS SRenfd^enfein oor feinen Sid^ter»
äugen. — @oQte e8 einem fold^en nun nid^t möglid^ fein,
eine jener traulid^en Unterrebungen gmifd^en Xntl^emia unb
(£mma iDiebergugeben? —
(Es mar einige SBod^en nad^ jenem fär Slntl^emia fo
e^renooUen Jlongertabenb, als fld^ biefe mieber einmal bei
il^rer ^reunbin in beren ^rioatgimmer befanb. ^ie 9n&bd^en
l^otten foeben meifterlid^ 93eet]^ooenS Sd^idCfalSf^mpl^onie
(bie fünfte in C-moU) merl^dnbig gefpielt. Slntl^emia fal^
feierlid^ ernft auS. S)a fprad^ (Smma gu i^r:
— Slber id^ begreife nid^t, liebfte Slntl^emia, mie bid^
ber geredete, ftolge S^riumpl^ einer ^elbenfeele nod^ ernfter
— 16 —
aUi getoöl^nlid^ ftimmen !ann! 3" bir mu^ etooS ganj
@onberbare8 Dorgel^en, bu bift jje^t faft beftdttbig in 9lad^«
beulen verloren. Unb in fold^en SRomenten fpridit tnid^
bein fd^marjeg ^drgefled^t fo eigentämli^ an.
— 93ieQeid^t^ ern)iberte Slntl^emia, erinnerft bu bid^ beüf
fd^dnen (SebantenS auS 99eet]^ot>en8 Briefen an Bettina pon
älrnitn: ,,raufd^enbe ^reube treibt mid^ oft gen>aUt&tig loieber
in mx6) felbft aurild". — 3(^ ^aU bie Ziefe biefejS Slug^
f prüdes oft an ntir felbft erfal^ren, Unb foS ber 9Renfd^
nad) ben faft äbernt&d^tigen 3ubel!l&ngen, n)ie fte ber gelben*
feele int finale ber C-moll^S^mpl^onie entftrdmen^ nid^t an»
b&d^tig in fid^ gelten? 3<^ n>enigftenS bin ftetS barob t)er«
n>nnbert^ ba^ unfer ftongertpublifum nad^ einer SBeetl^ooenfd^en
®9nt|)]^onie fofort in baS gen^d^nlid^fte ©eplapper oerf&llt. —
^6) begreife aun^eilen euer SSol! nid^t. 91m nteiften beneibe
id^ bie ^eutfd^en barum, ba| fte einen SBeetl^oven il^r eigen
nennen — unb wie unwörbig bel^anbeln fte il^n unb feine
SBerfe fo oft!
— 2)a3 glaube id^ n^ol^l, verfemte (Smnta, obfd^on id^
93eet]^ooenS n)unberbare ©rdge ntd^t fo erfaffe, n)ie bu mit
beinem l^ol^en Jtänftlergeifte. $u barfft aber aud^ nid^t ju
fd^roff aburteilen, nid[|t bag ^inb mit bem $abe auiSfd^ätten.
(SS gibt mal^rlid^ nid^t n)enige, bie Seet^ooenS 2;onn>elt mit
jener ®emätganbad[|t in ftd^ aufnehmen, mie fle bir, meine
Xeure, fo n^ol^l aufteilt, ^a f&Qt mir jur redeten 3^it ein
mir fel^r befreunbeter iunger 9)luftfer ein, gemi^ ha§ l^öd^fte
SRufter eineg SSeetl^ooenoerel^rerg. äBunberbinge {dnnte idd
bir oon beffen ^egeifterung unb unenblid^er SSerel^rung für
biefen 3;on^erog er^dl^len. ^aS ift (Sbgar SBittig. 2)u l^aft
il^n gemig fd^on bemerft, benn fd^merlid^ oerf&umt er ein
Bongert, in bem eine gro^e Seetl^ooenfd^e 3;onfd^dpfung jur
Slupi^rung gelangt, ©ein bleid^eS, fttl^erifd^eS Mnftler»
geftd^t mit im langen paaren prägt fid^ leidet ben ©innen
ein. — aiber, befte Slntl^emia, bein eigenes ®eftd^t überjiel^t
— 17 —
ftd^ ja pVMili^ mit htm lieblid^ften ^jhtrptttrot SBSie btt tnir
btmxt le&enbig ein Sefftngf^eS ^ort aitf 9laÜfm beut
SSeifesi Deranfd^aulid^ft!
drrdten maö^t bie ^ft^lic^en fo f(^:
Uab foHte cid^dne nid^ no^ fd^öner mad^en?
3<i^ loeif eS ia, ba^ Stolj auf toteren Gti^dnl^ettSglcm^
meitab doh bir Hegt; borum geftel^ id^ btv'S offen: in fold^en
äbtgenbltden ftral^t ein ^intmelSjauber von beinern %xüi^
aus. 2)od^ nun erfiftre ntir fd^neS nertrouenSooIl biefen fät
mid^ fo r&tfelnonen ^rpurfd^ein. S)aj^ id^ bie 93erfd^n)iegen»
i^eit felbft bin, — baS ift bir ja nottonf befannt.
— 9lun n)o]^I, fprad^ Sntl^eniia mit faft trauecumftorter
€ttnnne nad^ einem !ttr}en ®tiQfd^n)eigen, bu l^aft ted^t:
jenes bleid^e, oerfd^loffene Slngeftd^t l^at fld^ mir, mie id^
fordeten mug, nur ju tief eingepr>. äBie ftarf l^atte td^
mid^ gem&l^nt, mie mar xäf fo feiig in meinem mdnner«
oerad^tenben SCro^, bo^ niemals eine SRanneSgeftttlt meine
@eele auS il^rem @Ieid^gemid^te §n bringen nermftd^te! Unb
foS id^ biefen @toI} fo fd^neU bal^ingeben? f&t^, mir SKrmenl
id^ mujite bamolS unmilKürlid^ nad^ bem ^rjen fill^len, fo^
unrul^ig pod^te eS gleid^ in nrir, als id^ baS erfte 9RaI Don
ber tiefftnnigen SRelan^olie feiner älugen getroffen marb.
2)iefeS mir gan} frembe, ntat (Sefül^l nerurfad^te mir viele
Unrul^e, oft aud^ fd^Iaflofe 9l&d^te, gu älnfang infolge ber
togftli^en 9(ufregung, bolb barouf aber oor freubiger <Sel^»
fud^t. S>enn, la^ mid^'S bit befennen, id^ al^nte I&ngfl, ba^
er ein e!ftatifd^ erregter ftänftler, ooS non ber ©ottl^ieit ber
Jtunft fein muffe. Unb ba id^ nun auS beinem treuen SOtunbe,
meine i^ergenSliebe @mma, t)erne]^me, ba| er ben erl^abenften
ber Sonmeifter f o abfolut verehrt, überlommt eS mein ol^nen»
beS ®emilt mie l^ol^e @elig!eit. S>enn mer feinen Seetl^ooen
nal^l^aft liebt unb el^rt, mu^ ein ebler SDtenfd^ fein.
— ©iel^ft bu, Kcbe Slntl^emia, beine ^erjenSentl^üIIungen
äberrafd^en mid^ nid^t fo, mie bu oieQeid^t benfen magft.
AaUfd^er, Sie 9Ra<9t SBeetl^ot)«n8. 2
— 18 —
SHefer SEBtttig übt nun einmal auf mele eine munberfame
älnjiel^ungSlraft auS, n)&]^renb er felbfl ft<i^ gar nid^t fonber»
lid^ um unfer ©efd^led^t ju fümmem fd^eint. 3)ie aUejeit
gefd^dftige Offa miQ freili^ miffen, ba^ er {td^ nad^ einer
erften menig glücflic^en Siebe nid^t ben ©efal^ren eineS }meiten
jberartigen ©eelenfd^merjeS ausfegen miQ. — SBSer mei^, ob
td^ felbft nid^t mel^r als ^reunbfd^aft fär i^n liegen märbe^
loenn mid^ nid^t l&ngft baS biebere, m&nnli(^e Sßefen meines
Aarl gefeffelt l^&tte.
— S)u barfft um fo ftolser auf betne SBal^l fein^ fagte
^ntl^emia, als eS faft einem SEBunber fil^nlid^ {tel^t^ ba^ ein
länger beS raul^en 9b:eS einen fo mal^rl^aft freien^ objeltioen
®eifl beft^t n)ie bein ftarl Don @id(ingen, biefer aüerliebfie
Seutnant. — Slber je^t erf&Se mir eine grofe 9)itte. @pnd^
mir bod^ ©enauereS über aQeS, maS bu t)on jjenem jungen
ftünftler mei^t. ®enug^ ba| fein ganjeS SBefen meine Zeil«
nal^me in unerllarlid^em SRa^e mad^gerufen l^at.
— @e]^r gern, enoiberte (Smma, ergdl^le id^ bir oon
biefem ftngularen SRenfd^en, ber einen burd^auS eigenartigen
®ang burd^S Seben genommen l^at. — iSittig, biefer j[e^t
gan) in 3:5nen lebenbe unb mebenbe Stünftler, ^at ftd^ in
feiner i^genb gar nid^t mit SRuft! bef d^äftigt. ^reilid^ trug
er l^ei^eS 93erlangen, baS $ianofortefpiel gu erlernen; aber
feine Altern, bie feine ^reube an ®efang, Sl^eater unb fton»
jerten fannten, befürd^teten, ba| er bann bie SBiffenfd^aften,
für bie er f d^on frül^jeitig ein entfd^iebeneS Talent be!unbete,
Dernad^ldffigen mürbe« S)arum erprten fte biefen SBunfd^
beS geliebten ©ol^neS nid^t.
— 3fft i>ß8 bein @rnft, (Smma? rief Änt^emia oer»
munbert auS. SBie foQte eS mol^l möglid^ fein, ba^ jemanb
Mnftler mürbe, ber in feiner ganjen i^ugenbjeit niemals bie
Äunftalt&re felbfttätig gepflegt, ber fte nie mit ben eigenften
Opfern bebad^t l^&tte!
— Snein oöQiger (Srnft, mie aud^ aQeS, maS id^ bir
— 19 —
nod^ äßunberioreS wn biefem ältanne erjällen iDerhe, ver«
fe^te (&mma, loobei fie in einem leidsten 9(nf[uge beg ®^mo|(f
Ien8 i^u gl&njenben, meerblonben 8^P\^ iut&dmax^^ ZnnU
hu in aQer ©etnütSriitl^e beinen itaffee nnb l^dre mx^ auf«
nterifam an, bn liebefelige . Slntl^emia. — Wm f^ou' bod^
nid^t gleid^ fo jornig barein, bu w^x^t, ber (Sd^oCE ft^ mir
einmal im Sfladen nnb l^nfd^t biSmeUen anS 3:ageSKc^t. —
äBittig alfo, in einer ^ittelflabt nnfereS SanbeS geboren,
j^atte in feiner ;3[ugenb äberl^anpt nid^t mel @elegen]^eit,
gnte SD'htfif ju l^dren. 3m nennjel^nten SebenSfal^re begog
er bie Unitierfttdt unb ftnbierte aSerlei @prad^en neben ber
Sel^errfd^erin aSer SBiffenfd^aften, ber $]^Uofo|)]^ie. 3mmer
faft g&nglid^ anf fid^ felbft gefteQt, nerfolgte er nid^töbefto«
meniger mit etferner SS3iQen8ftär!e feine ibeolen Seftrebnngen
in lieber nod^ f o f d^mierigen Lebenslage. Ol^ne irgenb meldte
Kenntnis Don ber ^rajciS ber SVhtfü jn l^aben, marb il^m
bennod^ in nnferer Steftbenjftabt ber Sefnd^ ber Oper,
namentlid^ ber S^mpl^onielongerte jn einer OueUe eineS
bisher faum geal^nten ^od^genuffeS. S)a lernte er in feinem
einunbjmanjigften Qafyu eine gereifte @d^ülerin nnfereS fton«
feroatorinmS !ennen, bie il^m baS Snerbieten mad^te, er foQe
bei il^r baS ftlaoierfpiel erlernen nnb baffir il^r Sel^rmeifter
in ber italienifd^en @prad^e merben. SBittig ging mit
^renben anf biefen 93orfd^Iag ein unb untergog ftd^ in
biefem t)er]^<ni§m&gig fpdten SUter ber unerquidHid^en
9Rä]^e, bie Slotenf^fteme nnb bie aOererften 9iubünente beS
AlaDierfpiefö gu erlernen. ®iefe @tubien gerieten j[ebod^ fel^r
balb ins ®todten, l^auptfäd^Iid^ rüoi)l beSl^alb, meil eS bem
bamaligen ©elel^rten, ber fidd in bürftigen SSerl^&Itniffen be«
fanb, 3U umpnblid^ erfd^einen mugte, in ben SBol^nräumen
anberer bie unumgängU^ notmenbigen Alaoierübungen t)or«
jnnel^men. (£r ful^r barum fort, fid^ mie e^ebem mit ben
pafftoen Annftfreuben ju begnägen. 3>u ft^eft ia aber ganj
teiinal^mSloS ba, Hebe älntl^emia!
2*
— 20 —
— 2)aS tfl meine Oigetitfiiitlid^eit, entgegnete biefe,
meine ganje Oebanfentraft auf etmaS gerid^tet jn |atteti,
n>dl^enb i^ bem SBeobad^ter ganj nnem;)finblid^^ fafi apa<
m^^ä) erf^efoie. ^al^re nur f^neO fori^ xi) bin unenblid^ be«
gietig, baS ißeitere px etfal^ren.
— (So fei es benn, fagte Smma. — Salb baranf trat
ein SteigniS ein, baS id^, ba i<^ je^t SlftdMicCe auf baS f d^ier
f^l^nomenale Seben biefeS äHanneS n>ei:fe, als ben entfc^ei«
benben 9ßenbepun!t feines ganjen 2)afeinS bettad^ten mu|,
— ein SebenSmoment, Don beffen Sebeutung bamalS meber
er felbfl, nod^ irgenb ein anbetet bie getingfte S^nung l^aben
lonnte. — VLm feinet mij^Iid^en SebenSftettnng eine Dorteil«
lüftete Sßenbung an geben, entfd^Io^ et ftd^, eine il^m um
biefe 3^^t angettagene ^auittel^tetfteQe in einet Keinen Stabt
unfeteS SSatetlanbeS anjnnel^men. Qn einem SKnfluge fluben«
üfd^ genialen ÜbetmutS l^atte et fld^ and^ beteit etflftrt,
feinen {mei 3^^^g^n ^^^ ^^f^^^ Untettid^t im Jtlotoietfinel jn
etteilen. — Qn feinet neuen ^eimat platte et nun an^ nid^tS
(SiligeteS ju tun, als ftd^ einem ftlaoietlel^tet als htnftbegie»
tigen (Sd^filet anjuoetttauen. Sßie et fid^ nun neben bet
gemiffenl^afteften <StfüEung feinet |)&bagogifd^en unb lel^t»
meijtetifd^en ^flid^ten t&glid[f ftunbenlang mit bem l^Sd^ften
Q^fet aKen Sttten von ftlaoierftubien l^ingab, baS ettegte bie
ftaunenbe 93emunbetung aOet, bie ftille Seobad^tet obet nn^^
fteimiOige S^^^ötet einet fo beifpiellofen ®ebulb maten. —
(St l^atte, nebenbei bemet(t, eines bet feltenen $&ufet be«
tteten, in benen man ben Stjiel^et in SEBal^tl^eit als @ol^
beS ^aufeS bettad^tet. — tBebenfe alfo, Slntl^emia: in einem
SebenSftabium, in bem l^iet unb übetaQ ;9!ünget bet S'htflt
fettige ^lat)ietfpielet, faft vüVixQ auSgebtlbete ftAnftlet ftnb,
begann unfet SQSittig bie 3:onfunft ab ovo ju ftubieten.
äBeld^ einen 9liefent)0tfptung galt eS ba ein^ul^olen!
— SButben benn nun feine eigentlid^en @tubien gang
beifeite gef droben? f tagte Slnt^emia.
— 21 —
— O, nid^t bo(^ ! onttDortete ühama. SHe frill^en Snot«
gjenfhmben unb bie SKbenbseit ge|5rien hn iDiffetifd^aftli^ti
2&tigfeit cot. (2Kne fold^e bveifa^e S9e{^ftftigung^ olS: Ost*
%vä^n, SBSiffenf^aft unb SRtt^ pflegen, nnir nur bei einer
sft^ofen Xcbeittfraft mdgli^, wie {ie toenigen befd^iebett «ifi
nnb iDte »ir gi^aiten fie unS laum oorfteQen !5niteti.
— <Stst 0lä(f mul id^ ed mnnen, fogte Xnt^emia in
eteaS gereistem Zone, ba| nid^t etile Sfi^atien bein leicht«
UätigeS Zentperament befi^en. Od^ barf wn mir {elbft be«
ienncn, feit 3<^'^i^n lebe id^ fa{i ben ganjen Zag rein
geifhgen Sefirebungen — , bin in ber Jtunft unb ftfil^tifd^n
Siterotur anl^tenb fleißig. $i^ laffe auf ben grauen tds
fold^en nid^t fo leidet einen IBonourf lüften, — « id^ —
— {kilt ein! nmrf (Smma lod^enb bnjmifd^en, id^ n>iG(
mid^ ia um aQeS in ber IBklt nid^t mit bir auf boS bi«>
kftifd^e AompfgefUbe begeben; hierin bilbe i^ bie PottfUln«
bige Dtefignation. S)a »iU id^ bod^ eiligipt in meiner
(Srj&^lung fortfahren, ^dre meiter. (Ein abgegrengteS 3al^r
beSeibete SEBittig fein (Srgiel^ramt Slaum glanblid^ maren
bie Sortfd^ritte, bie er m&l^renb biefer hirsen Spannt Qtit
in ber Shtnft beS ftlaoierfpielS ^mege brod^te. Sr gelangte
in biefem einen Solare bis ju fd^ereren Sonaten oon ^a^bn,
Stogart, (Elementi unb fogar — abgefel^ wn ben )mei
deinen, leichten Sonaten Seet^o^enS in O-dur unb G-moll
(op. 49) — gu einem ber n)unberbaren großen SbagioS bief eS
9Rei|lerS; id^ meine ben meil^eDoQen EHtur-@a| ber Sonate
in C (op. 2).
— Qä) faQe auS einem Staunen inS anbere, fogte l^ier
Ktitlemia. Übertreibft bu i^xm aud^ mttü^ ni^t? ^6f
lann'8 nid^t faffen. 9Bie foUte iemanb in einem ;3[al^re bis
^aOSerfen oom ed^ten, sollen Seetl^oen vorbringen fdnnen!
Überl^anpt mn| ja bie SSerlndd^erung g&nglid^i ungeübter
Sfittger ein (oum uberminblid^eS ^inbemiS für bie ^ertigfeit
ber $&nbe fein.
— 22 —
— 3)tefer $unf t toirb unS nodfe 6ef d^dfttgen, entgegnete
(Smma. ^reiltd^ n)oQte eS il^m l^ter nad^ feinet SlücKel^v
faft niemanb glauben, ba^ er in feiner Sfugenb nie ntufijiert
]^&tte. 3)aS ift nun einmal feftftel^enb^ 2::atfad^e, bu ntuf t
eS*alfo ebenfaKS als SEBal^rl^eit O^innel^men. hierbei f&Qtmit
nodd aus ber 3^^t feiner älnn&l^erung an ben eigentlid^en
^eetl^ooen ein d^ara!teriftifd^er 3^9 ^tn, ben id^ bir nid^t
Dorentl^ alten möd^te. ®o fel^r eS aud^ ^6)on bamalS fein
Seltnen xoai, etn^ag ed§it Seetl^ODenfd^eg ben)<igen ju (dnnen,
böntte eS il^n bod^ einer (Sntn)ei]^una gleid^, bag ftd^ feine
@täntper]^&nbe an f o l^od^poetifd^en SBer(en t)ergreifen f oQten.
Uhb erft, na^j^bem fein Seigrer biefe ©en^iffenSbebenfen be«
fd^wid^tigt l^atte, fing er an, ftd^ ein großes älbagio
biefeg 9)leiflerS einjuprAgen. 3n unferer ®tabt nun nal^nt
ber junge ©tubio fofort njieber feine ^auptnjiffenfd^äft, bie
^l^ilologie, auf unb betrieb baneben unter Seituhg eineS
SÄufttlel^reirg baS Älamerfpiel. ©d^on itn erften Qal^re feinet
SnufUjeit unb in immer fteigenbem 9)ta^e n^&l^renb ber $oIge«
jeit fe^te er feine Seigrer burd^ baS ganj felbftSnbige ®rf äffen
ber muftfalifd^en Sl^eorie in ©rftaunen: benn ol^ne jebe Sin»
leitung dbflral^ierte er fld^ Don felbft burd) energif d^eS Sin*
fd^auen auS ben äJteiftermerfen ber S^onfunft bie mefetttUd^fte
ÄenntniS ber 3lff orbe unb ber SÄobulation. daneben fam
frül^jeitig bie SCnlage jum 93orfd^ein, t)oQftänbige ©onaten
au8 bem Kopfe ju fpielen. — (Sr mod^te etma mieber einen
Zeitraum t)on breimertel ^föl^J^en in unferer ©tabt burd^*
{logen l^aben, als er jum l^öd^ften (Srftaunen aller gange
©onaten Don ^eetl^ooen, barunter bie Sonate pathetique
(op. 18), auSmenbig tjortrug, natürlid^ in ben feurigften
3eitma§en. ©eitlen iJel^rern — er wed^felte jiemlid^ ^&ufig
— imponierte feine @igenartigfeit, bie il^n, abgefel^en DOtt
ben notmenbigen (Stuben, • lebiglid^ bei flafftfd^en ©onaten
unb, fdE|on bamalg, in übermiegenbem 9)ta^e bei SBeetl^ooen«
fd)en SBerfen bulbete. SBenn aud^ bie ©teifl^eit ber ginger
— 28 —
hm f)t>^en, leibenfd^aftlid^en .Sluffd^iDunge feine? @eifteS
i^ortn&dig (Sinl^olt gel^ot: er moUtt nid^t raften, hxS fem
ftai^rer f^ngertro^ gebrod^en n)&re.
— Überfam il^n benn in biefer ©tubienjeit nid)t fd^on
eine ac^nung, ba§ bie 3Wuftf bcreinft fein 93ereid^ werbe»
muffe? fiel jje^t Slntl^emia ein. @o natärlid^ eS äbrigenS
erfd^eint, ba^ bie ^^inger n)eber befienb nod^ gefd^meibig fein
fönnen, wenn fte nid^t von ^ugenb auf gefd^uU unb abge«»
rid^tet loerben, f o mag biefent funfteifrigen ganger eine f ol^e
UngelenKgfeit bod^ wof)l großen Kummer bereitet l^aben.
— 0/ barüber werbe id^ leiber nod^ traurige Sntl^fil^
lungen gu ntadEien l^aben, antwortete (&mma, 3)a^ aber bie
ältuft! bereinft fein SebenSelement fein werbe, ftanb bantalS
fd^wertid^ in feinem ^ewugtfein, obgleid^ man feinem mufi«
falifd^en Stalente uberm&gig mel fiobeSerl^ebungen fpenbete«
©lei^fctm al§ geflügeltes SBort lief htrj, nad^bem feine
3Rentorfd^aft il^r @nbe erreid^t l^atte, l^ier ber l^umoriftifd^e
^[uSfprud^ eines feiner Itommilitonen bu^di aQ feine ?dt»
fanntenfreife. 3)iefer fprad^'S, nad(|bem er jum erften SKale
einen i^lamerDortrc^g (Sbgar SßittigS angel^drt l^atte, in ur«
wüd^ftgem ^umor auä: „yia, wenn er ad^tjig i^al^re alt
wirb, bann fann tr nod^ ein jweiter öeetl^pDen werben."
älntl^emia mn^U l^erjlid^ baräber lad^en. 9lad^bem fte
wieber jur Stul^ gefommen war, fragte fte il^re ^reunbin:.
— SQSol^er !ennft bu benn fo genau aQe Sinjell^eiten
aus bem frül^eren 2tbzn biefeS jungen ^unftlerS?
— ffiaS SÄeifte, Tjerfetjte @mma^ wei§ id^ auS feinem
eigenen 3Runbe. ffir uerfel^rt feit mel^rercn ^fci^i^^n itt un»
ferem ^aufe, fo bat ^ ^^^ aQmäl^lid^ fein DoQeS SSertrauen
erworben l^abe. Offen geftel^e id^'8 bir, id^ bin red^t ftpl$
auf feine ^reunbfd^aft. 3^ fann'S nid^t auSbrädCen, wie
fel^r id^ midj^ freuen wfirbe, wenn il^m ein gütiges ©efd^id^
ein ebleS SBeib .fd^enien woQte, baS fo gang feine ftolge
Sfinftlerf eele begreifen lönnte. ®u, Slntl^emia, unb Gbgar
~ 24 —
IBiitig: baB iD&re fo ein ^aax, tote tS bie SiebeSgenien ni^t
in ^onen J^tntonif^ DoUtommener sufammenfägen I&nnten.
— 3)u errdteft unb fd^I&gft bie atugen nieber. @Icmbe mit
bo<l^ aufrid^tig, eine fo eble, feurige, geifteS^ol^e 9)t&nner>
natur ift beiner gemi^ wärbig, n)ie fel^r bu an^ aQe
^rmten, bie id^ irgenbn^ie lenne, an %hü ber (Ikfialt unb
be< (Veiftef fibertagft.
— SBenn bu ntid^ nid^t emftlid^ böfe mad^en wiOfi,
fogte barauf Xntl^mia rul^ooD, aber mit einem Xnfd^ein von
©ereistl^eit bann oerfd^one bod^ mein ^ei^ mit foCd^Iei
Sieben, ^i) befd^n»5re bid^ bei aDem, maS l^ig x% ®laubft
bu meOeidbt, ba| fid^ ein SiebeSbrama fo l^erunterfpielen
ia|t, wie ein anufiffifidt? SHt fd^nft e< äbrigenS alS felbfl«
oerfi&nbKd^ anjunel^men, ba^ idl^ t^neS ftänftterS Xufmerf^
famleit in befonberem @rabe ern^edtt l^be. SoQte er beinem
^erjen oieOeid^t irgenb etmaS baräber anvertraut l^aben?
aBenn bu burd^ fein IBerfpred^n ju fd^meigen gebunben
bift, bann bift bu eS unferer ^reunbfd^aft fd^ulbig, ju
reben.
— (Sntfd^leiert ^at er mir nid^tS, beeilte fid^iSmma
ju bemerten. 9>n mürbejl aud^ gar nid^t auf biefe 93er«
mutung f ommen, menn bu feinen unb&nbigen l^ol^en 9tanneS«
ftolj fenntefi. S)arin ifl er bir ein leibl^aftiger (Bofyx ber
atn^tonifd^en ^aOaS ^t^e. ®r mid frei Don aQer Sflaven«
laftigfeit fein, aud^ mo baS fd^öne @efd^Ied^t in Setrad^t
f ommt. S>arum wappnet er fid^ jumeilen mit mel^r Suxüä*
l^altung, als il^m mol^ltuenb fein fann. (St fprad^ mir atfo
nad^ jenem Slonjerte freilid^ in fel^r begeifterten 3(ugbrft<(en
aber bein munberbareS (Spiel; er meinte unter anbetem:
bu fpielteft ben 93eet]^ot)en bod^ gar ju ^errlid^. SQSeiterl^in
mugte er auf meine fragen ber Sßal^rl^eit gem&| einr&umen,
baf bu il^m immer äberauS fd^dn Dorgefommen m&reft, aber
am aüerfd^önfien, al8 bu baS SSeetl^ODenfd^e ftonjert fpielteft.
Unb babei umfpielte feinen SRunb ein gans eigentfimlid^eS
— 25 -
Uif^, heS xif ntir bann mu^ meine« ®nne beute. Hier«
bieS ^«Ae td^ n)o]^I bemerlt, ba| er inSf in ben fton^erten
fsft unauSgefe^t beobo^tet. Sfatn »ei| er, ba§ rair befrem«
bet {inb: eS ift il^m j[ebo^ nod^ ntemtfö eingefallen, an micb
bie Sitte jn richten, baf id^ i^nt bie »eSanntfii^ft mU btc
«snr!en nid^te. (Sr »id oSeS fl^ felbft oerbanfen. tlnb
benno^ fel^e i^ Sterin ganj flar, offenbare bir ober meine
9e^^ nid^t, um bid^ nid^t on^ neue )tt retjen. Gott
\4i ben ^oben meiner (Ei^l^Iung mieber aufnehmen?
äbitl^emia fd^ien nrie onS einem Zraume gn ttwai^.
Sie fofte fld^ fd^eQ unb fagte mit leidster Unruhe:
— ßi gemif! liebe <l^ma. ^^eber eigenartige ZAent*
vxvoM i^t fär mid^ ttmai ^effelnbeS. Sa lönnte id^ bir
Ms fp&t in ben Sbenb hinein unermfibet gu§9ren.
— fßoiflan benn ! ^^r (Smma fort. Qm jmeiten i^oi^re
«ad^ SBieberaufna^e ber Univerfit&tSfhtbien f onnte ffiittig
feiner £ieBIing8fnnft nur ganj geringe S^xt mibmen, benn
ie^t galt eS, bie notmenbigen Storle^rungen givax formeSen
9bf d^luffe ber Stubien jn treffen. Sm Snbe thtn ieneS ^al^reS
lomite ber junge @elti^rte feinem Stubentum ooO 3ttoerftd^t
ben Widm menben. Seine ^rofefforen fprad^en feinen
vnffenfd^ftlid^n fieiftungen i§re oofle Bufrieben^it auS unb
liegten nid^t geringe (Srmartungen oon feiner miffenfd^aftlid^en
dtthmft. aSol^I m5gttd^, ba^ folc^e {Hoffnungen fiä) erfüllt
Ratten! — aber bie SRad^t be< Seet^ooenf^n ZongeifleS
jbig feit an, i^r Übergemid^t fiber bie SRdd^te ber SBiffen*
{t|aft geltenb ju mad^en. 3)em Stiefengeifte Seetl^ooenS
aOeiit, ber auf biefen SJtenfd^ einen gemi^ einzig baflel^iMben
Sinflul auSftbte, ifl eS ps^fd^eiben, ba^ feine SBiffeufd^aft
Wi ber VhtfX oerbrftngt marb unb biefer ftunft fa^ wrnm^
t<|rfta!te XQeinl^errfd^aft in feinem Oeifte gem&l^ren mnl^tB.
^4 bie Xonierrlid^feit biefeS SteifterS morb ber in i^m
j^bnimembe ftunflfunfe jur l^od^bernben %lammt an*
gefat^t. — »alb nad^ bem äbfd^Iujfe feiner (Stubien befud^te
— 26 —
er feine SItem, bie er feit mel^reren i^fal^en nid^t gefe^en
ffaiit. 3ur 3eit> als er boS le^te SRal feine ißaterfiabt Be«
fud^t l^atte, lannte er nid^t eimnol bie SRuftlnoten — unb;
jle^t !onnte ix {td^ ber überraf d^ten ^antHie olS jiemlid^
fertigen JltaDierfpieler DorfteQen. Sber fein 93ater, ein burd^
tiefe ©otteggelel^rfamfeit unb ma\)xz ^röntmigieit onSgeseid^«
lieter SRann, nal^m balb ein Ärgernis dn btefer lob^alen
9Ruft!Ieibenf d^af t , bie gerabe je^t anfing, aUeS 9lid^tnmft»
falifd^e auf bie aQerentfd^iebenfte 9Beife auS feinem ®eftd^tS«
fteife 3u bannen. @e]^r lebl^aft fann id^ mid^ nod^ beS er«
greifenben 9RontenteS erinnern, als SBittig erj&l^lte, mit fein
93ater einmal roi1)xtnb biefer anl^altenben ftla))ierübungen
heftig erregt in fein dimmer trat unb bie jornigen SBorte
l^erDorftieg: „fBixVi^ 2>tt benn enblid^ aufl^dren? SBenn id^
bid^ fo ftunbenlang nid^tS als ba^ eitle ftlamerfpiel be*
treiben l^öre, bann ift mif S gerabe, als ginge mir ein ®üd^
mitten burd^S ^erg''. 2)aS mar benn freilid^ fär Gbgar ein
Sturj aus ad feinen Fimmeln. S)od^ bie SRutter l^atte i^re
ftiUe Sreube an biefem Talente t^reS älugapfelS.
— 3ft biefe SRutter muflfaltfd^? fragte »nt^emia.
Ober gel^ört fte ju ben an unb fär fid^ l^eiligen 9Rflttern,
benen beS @efd^id(eS SRäd^te bie a^nenbe 9^egung, baS fein»
finnige @eful^lSleben verliel^en l^aben?
— S)aS le^tere trifft ^ier meit mel^r ju alS baS erftere,
erll&rte &mm(L Seine SÄutter l^atte mol^l als 9R&bd^en red^t
brat) ftlamer gefpielt, aber mit i^rer SBerl^eiratung mu^te beS
©atten jirenge 9lrt, bie aOeS S^onfpiel — eS fei benn, ba^
eS 3U &)xzn ©otteS erflang — als eitlen Sanb Dermarf,
bem 9Rufi!treiben feiner ®attin ein f d^neQeS <Snbe bereiten,
@enttg, ba^ biefe SDlutter, ol^ne eigentlid^ mufifoerfi&nbig ju
fein, auf bie gute, begnabete (Seele il^reS ,,golbenen Sol^neS""
baut. 3)aS ift überl^aupt eine von ben feltenen 9)tättern,
bie il^re ©dl^ne inftin!tio anbeten mflffen. ^5re nur biefen
einen ''^ug ilireS SBefenS. @ie liebt il^n \m feiner guten-
— 27 —
@eele toifien, loie fie ftd^ gern auSbrödt. O^ne irgenbtoie
l|5^ere SUbung ju beftien, al^nt fte baS ©roge in unb at&
x^m. SBenn er ntanid^mal n)6]^renb feiner 93efud^e im elterlichen
^aufe bei ©efeQfd^aften baS Sßort jn SSortrfigen^ Xoaften ober
berglei<l^en ergreift, bann fd^neQt biefe SRutter, xou t)on l^öl^erer
Straft befeelt, empor, um ftel^enb ooQer 9{nbad^t ben SBorten
beS angebeteten ©ol^neS jn lanfd^en. Unb oft genug t&j^t fle
il^m bie ^anb. — a)od^ l^ftre mid^ weiter an. S)rei Qal^re;
einige 2Men abgered^net, ^tte SBSittig nunmel^r 3Ruft!unter«
rid^t genommen unb fld^ im bntten ^a\)xt bereite in fleinen
ftompofitionen Derfud^t. :3e^t fing er aud| an, ftd^ um bie
muftfalifd^e Siteratur ju f Ammern unb SBädier aber aUge*
meine SWupHel^re ju ftubieren. — 3)ie SBefud^gjeit in ber.
^eimat erreid^te i^r (Snbe unb unfere äRufenftabt n)urbe
auf§ neue }u feinem SebenSft^e auSerforen. 2)amit beginnt
nun bie bittere SeibenS^eit beS auffeimenben ftänftlerS. @r.
ftanb ganj aQein ba: oon dltern ober anberen mod^te unb
f onnte er feine ©siftenjmittel erwarten — an eine fefte SÄn«
ftettung, mie fie i^m fein miffenfd^aftlid^er ©eruf ermöglid^en
fonnie, gab er jeben ®ebanlen auf — , e8 leud^tet ein, ba^
er einer f orgenf d^roeren B^funft entgegenpilgern mu^te. —
3)ie bel^aglid^e Stulpe in feinem elterlid^en ^aufe, ber innige
93er!e]^r mit einer um einige Qdf)x^ jüngeren @d^n)efter,
ftral^Ienb in bejaubernber ä(nmut unb ©eifteSfd^önl^eit, l^atten
il^m reid^Iid^e @elegen]^eit oerfd^afft, fein :Ö»nnerfteS iu er»
fennen unb ju begreifen. . ©ang leife l^atte oft, mäl^renb er
in Seetl^ODeng 2;onftr5men baS l^eitige SBab mufifd^er S9e»
geifiemng empfing, eine (Stimme in il^m geflüftert: bie Son*^
mufe ruft, in i^ren rettenben, befeligenben armen minit bir
bie l^eif erfel^nte S3efriebigung beS ®eifte8. @o mar er ooQ
t)on 6nt]^ufla8mu8 för bie Slonf unft, ober — nad^ feiner
SBeife ju reben, ba für fein fubjef tineä ffimpfinben Sonfunft
unb 99ect^ot)en ju einer ffiinl^eit oerfd^moljen finb — erfüllt
üon 93egeifterung für biefen Xongeift in bie SRefibenj jurücf«
-- 28 —
geleiert. — 2)ie Sßtffenfii^ft warb immec mt^t pernaiJ^I&ff^t
a litt i^n ntm einmal nid^t babei SaS tonnte ü)m ber
tro<Iene, pl^ologif d^e Sftd^erlcant im fBergleid^ gu Seet^opent
Id^Strdftigen Xonfd^ftpfitngen bieten?
— SRir nrin e8 (feinen, unterbrad^ fie l^iec Slntl^mia^
ba| biefe ouSfd^tiegli^e Hinneigung gu Seetl^ODen bo^ 19<^
im d^arattermefen beS jungen St&n^Uti begr&nbet fein muS-
9EBei|t im oud^ l^eroon fo httereffant }U ers&I^Ien?
— SDoräber^ meine Zeure, tdnnte id^ bir meite unb breite
Xbl^anblungen Mrtragen, bie mid^ jebod^ mett vm meinem
Xl^ma entfernen mürben, ttberlaffen mir biefen merEmftrbigen
^nlt einer anberen Selegenl^eit. ^dre olfo meiter. 9htn*
mel^r fe|te Sßittig aE feine mufUatif d^en @tubien ol^e Seigrer
fort. Unb nun ben!e bir'S: nad^ einiger Seit fe|t er fid^ l^in
unb fomponiert, o^ne jemals ftompofitionSflubien betrieben
3U ^aben, eine gro|e $^antafte*<Sonate. ^d^ fenne bie Hom«
pofttion . nid^t, fann bal^er aud^ ntd^t über ben äSert ober
Unmort berfelben reben.
— S^ft bu nid^t im »efi|e biefer Sonate?, fiel Sn«
^emia mit unruhiger ^aft bajmifd^en. Oor ju gern mSd^te
id^ f old^ eine urmüd^flg naturoliflif d^e ltom|)ofttion f ennen
lernen, ^d^ moSltz, biefer junge Itünfiler lieferte ein SeitenfifidE
ium äktter unferer Zragöbie, 3U 9lif d^^loS, oon bem erj&l^t
mirb, ba§ il^m nad^ feinem eigenen Sefenntniffe baS Xolmt
mel^r t)on SBa!d^o3 übernatürlid^er SBSeife gefd^entt als burd^
eigene ftraft ermorben 9U fein fd^ien. W^6)^loS l^atte bie
tragif d^ $oefle nid^t ftubiert, f onbern mar in feiner @d[Kiffend«
luft bem m&d^tigen, unmiberftel^lid^n £riebe feines <ikniu3
gefolgt.
— 2)tefer ^araQeliSmuS^ oerfe^e (Bmma, mad^t nid^t
meniger beinern ^ettenentume als beiner l^ol^en SKeinung
oon llBittigS jtünftlerberuf aQe (Sl^re. 2)ie betreffet^e ftom»
pofltion befi^e id^ felbft jmar nid^t, aOein — fu|r <Smma
fd^iaHl^aft Idd^elnb fort — bir fann gel^olfen werben. —
— 29 —
3<^ XDtx^ nur bog eine, ba^ l^attptf&il^ttd^ bie forto&l^renben
@tubien SBeet^ODenfd^er Sonaten il^n ju biefent toOIül^nen
(SrfttingSt)erfud^e begeiftert l^aben. ätber biefer äßurf brad^te
bie enbgültige SernfSentfd^eibung. — ^oi) tb^n f&Qt mir
ein, ba^ iä) oon i^m ein Heines ®ebi^t befi^e, n)orin bem
Sbfd^iebe t)on ber fo lange gel^egten unb gepflegten SEBiffen«
fd^aft ipaffenber 9(u8brudt oerliel^n »irb.
— ^id^tet er benn and^?, fragte Slntl^emia ^enonnbert.
— 9lun, antoortete (Bmma, l^entjutage ntad^t ia faft
ieber SRenfd^ ®ebid^te: foQte er e$, ald ein ent^rfinbungS'
DoOer ^nfller, nid^t Derntdgen!
(Sntnta l^atte ntitilem)eile baS enoftl^nte ®ebid^t l^eroor«
gefitzt nnb fagte bann ju il^rer f^reunbin:
— ^ier tft SbgarS Sieb, liebe Stntl^entia, ertaube, ba^
id^'S bir torlefe:
(Seftidte eel^nfud^i
Sd^ fill^It' eilt feiges Seinen,
^od mit bie £ebendtu§' 6ena|m,
34 nu^e nid^t, loo^er eS !am —
Xad ^(^icEfal fd^ien ju l^öl^nen.
92id^ l^alfeit mir bie Reiftet,
Xie mid^ feit früher Seit genäl^rt,
^ie etoig greifen mid^ gelehrt
^e^ ©eißed l^^re SReifler.
Halt tiefen mt(^ bie grauen,
S)er fjreunbe luftige ScbcnSart —
5Det SSiffenfd^ftften greifet S3art
©rfüUte mid^ mit ®rauen.
@d sogen äffe fBelten
SuS meinem bumsen Geiftedfd^t^,
sag fd^afften einer SSklt fte $(at
aRit l^immelfd^önen Selten.
Unb in bie (eere @täUe
Sog je^t bie Sonfunft iubelnb ein
3R\t tf^xtm gülbnen @onnenfd^ein
Unb 5rad^ ber Dualen Hette.
— 80 -
Bit 5radite iteued 2e(en
^>em f(^on erfcl^(affteit ^er^endfc^lag:
Unb nunberfam nun in mir lag
^n fd^mered, §al$ed 6tteben.
^a lel^tt bie SHu^ loieber —
Unb ungeahnter ®d^affendbrang
Sefeelt nun meinen £e5endgang —
^d ii^ bie S^elt ber fiieber.
•
— älllerUebft, red^t flie^enb^ fagte freubtg Slntl^etnia.
— Unb fiel^ft bu, erfd^ott eä auS bcr grcünbin SRunbe,
biefeS @ebid^t entftanb gerabe in ber Qtxt, alg eg bei xi)m
fefter SßiQe gen)orben^ fein £eben ganj ber gdttlid^en fSnufxt
px n)ibmen. S>iefen feften @ntfd^Iu| fajste er j|ebod^ nid^t,
ol^ne fx^ voif)tt mit ^ad^m&nnern über bie geeigneten äSege
oerft&nbigt ju l^aben^ bie gur @rn)er6ung ber DoQen Jtänftler«
fd^aft notoenbig ftnb.
— aber oorl^in, liebfte (Smma, tateft bu ja feiner bit*
teren SeibenSjeit @rn)&]^nung^ bie l^ierbei il^ren älnfang
genommen l^&tte. Originelle Seiben, Seiben, bie ber not'
n)enbige 3(uäflu^ einer f eft geprägten 9latur ftnb, ermedten
immer in fo reid^em 3!fla%^ mein SRitgefül^I. S)erartigeS
gel^ört nun einmal ftetS }U ben (Srl^abenl^eiten in unferem
Srbenbafein. 3ft beine Suft ju er}&]^len nod^ nid^t erfd^öpft,
bann bitte id^ bid^ fo innig mie mdglid^, je^t gerabe baoon
JU fpred^en.
— ©el^r gern, meine Slntl^emia. ®od^ baS miH id^ bir
DoraitSfagen, beine großen ©tral^lenaugen merben babei mel^r
als einmal in einem S^r&nenfee fd^mimmen. 93i§]^er nun
l^atte SBittig bie Äunft mel^r ober weniger bilettantifd^ be«
trieben: je^t mu^te bie praftifd^e unb tl^eoretifd^e ®eite ber
SÄufif lünftlerifd^ angefaßt merben. 3Äe]^r al8 ein Qal^r
l^inburd^ mar er im Älaoierfpiel unb in ber Äompoption
fein alleiniger ßel^rmeifter gemefen, nun aber mu^te er fid^
auf ben SÄat einfid^tSooUer SWdnner feiner Äunft in biefen
• — 31 —
beiben Sw^xQtn bem&l^rten Sel^rftftften ber Zoniunft anntt»
trauen; Sbgar foQte aufl^ören, Stutobibalt ju fein. 3)a8 xoac
notürlici^ ein teures Unterfangen. Qu biefen nid^t geringen
Soften fant, nad^ n^ie oor, bie filamemtiete unb boS ium
9lotenan{auf erforberlid^ ®elb. 3)u begreifft wol^I 9oQ«
lomnten^ ba^ boS neue aRufU^bium feinen ^auSl^alt fel^r
belaften ntu^te. 93ergegenn)&rtige bir augerbem nod^ aOe
notn)enbigen SuSgaben, bie ju einer nod^ fo befd^eibenen
Sjnfteng in unferer ©tabt gel^dren — unb bu n)irft bie Kare
Überzeugung gen)innen, ba| eä ein grofeS äBagniS bebeutet,
ol^ne jebe frentbe^ilfe lebigUd^ ber eigenen £atfraft eine fo
genioltige £aft au^ubflrben. älber bie Segeifterung für bie
ftunfi^ bie (Srl^ebung, meldte feine @eele t&glid^ auS ^eet^o«
oenS 9Berfen einfog, liefen il^n ^elben!u]^n allen (Sefal^ren
ber @egenn)art unb ^utunft 2:ro^ bieten. 2>en erforberlid^en
SebenSunterl^alt unb bie Soften fär bie SRuflfftubien fud^te
er fx6) burd^ $rioatftunben in n)iffenfd^aftlid^en Sel^rgegen»
ftänben ju ern)erben. 3^ 9lnfang ging aQeS reci^t gut. 2>enn
ba er bie. 5tinber ntel^rerer f^amilien fel^r erfolgreiti^ fürS
@9mnaflum t^orbereitet l^atte, fel^lte eS il^nt aud^ je^t feiten
an eintrdglid^er 93efd^&ftigung. — (Sinem reid^en ältanne
foQte er eine ed^t bramatifd^e Peripetie feines SebenS oer«
ban!en — ben eigentlid^en, leiber frud^treid^en Seim 3U feiner
S)ornenbal^n. — SBittig l^atte bantatö bie äBal^l )n)ifd^en
einer fel^r günftigen ^auSlel^rerf d^aft unb einer mel^rftänbigen
t&glid^en ^efd^&ftigung afö $rit)atle]^rer — le^tereS int
$aufe jenes reid^en äßanneS. 3)tefer nun fd^ilberte unferent
oufftrebenben Sflnftler mit lebl^aften färben baS ä^i^Hd^e
beS ^auSlel^rerftanbeS unb fanb in SSSittigS freil^eitbärften«
ber @eele ben enounfd^ten ^nllang. 9ladl^bem jener 9ieid^e
unferem Sänftter auf beffen auSbrüdHid^en 9Bunfd^ bie feier«
Kd^e 3i^fl^^^^9 g^S^ben l^atte, ba| biefe $rit)atftellung oon
langer S)auer fein foQte, ging berfelbe auf ben SSorfd^lag
ein. S)er werbenbe Sfinftler f onnte nun mit . f noppefter Slot
— 82 — •
feilt bopi^elfeitiged 3>afein friflen. 8bt ben Jltnbern ieiitt
^nm *** ^tte bereits eine betoU^id^e 9[n}a]^I 90« Selbem
Devgeblid^ ii^te pdbagogifd^en S&l^tgfeiten netf^j^mettbet ^err
*** fd^ien voller d^friebenl^eit mit SBittigS ^i^ngen. SUtein
na<| einiger Qtxt, am (Snbe eineS SRimatiS^ erl^t SSKitttg,
ol^ne irgenbn)ie barauf vorbereitet ju fein^ ein ^Qet^ worin
il^nt biefer 9ieid^e htnbtat, ba^ er fi^ loegen emer ttnpft^
Ud^feit feines &Iteften (Sohnes genötigt fel^^ äßittigS Unter»
ri^t gona QUfsttgeben. (SS mürben aber von unferent ^rennbe
ber ftinber brei unterrichtet. 93on irgenb einer CEntfC^nlbi^
png ober (Sntfd^&bigung n>ax nUfyt bie letfefte Slnbeutimg
bentertbor. @o würbe nrpld^lid^ ber orglofe^ oertronenS'
felige SBittig burd^ bie Sflüdtftd^tStoftgleit eineS angefel^eittn,
gebilbeten, reid^en SRanneS faft um feine gonge S)afeinS»
ntdgUd^teit gebrad^t. — ^tf) wunbere ntid^ burd^anS nid^t
über bie UnmutSwoIIen^ bie fld^ auf beiner (Stirn anfotn^
mein, liebe Slntl^ia. @e]^t e§ mir bod^ l^ente nod^ immer
fo, menn id^ baran erinnert merbe.
— Unb mie nal^m bein ^rennb biefeS bittere Ereignis
auf? fragte Slntl^mia, ben Slidt ooQ 9lngft auf <£mma ge«
rid^tet.
— S^^^i maQte fein 93lut m&d^tig auf, ermiberte bie
(Gefragte, benn fein SDSefen l^atte ftd^ bomolS npd^ nid^t bie
nnerfd^ütterlid^e @eelenru]^e angeeignet, bie il^m je^t eigen«
tümli^ ift. (Es verlangte il^n, itntm SRanne in fd^arfen
ätuSbrftden beffen arge @emiffenIoftg{eit oorgnl^alten: oQein
balb folgte er feinem ebleren ^6} nnb fud^te fid^ biefe oer«
l^ängniSvoQe SBegebenl^eit ganj avS ben Sinnen jn fd^lagen.
(&S l^ielt freilid^ f d^mer, benn er f anb anbermeitig nur einen
l^dd^ft geringen @rfa^ für ben iBerluft |ener ^rioatfteSung.
Skt^ man in fold^en f^&Qen bod^ aud^ bie ^ilfe ber ©taotS»
gefe^e anrufen fönne, banon l^atte unfer SBittig bamalS frei»
lid^ leine äll^nung. ®old^ ein ®eban!e m&re il^m nid^t im
S^raume eingefallen. — i^e^t aber jeigte ^d^ feinen S3lidCen
— 33 —
ein trofUofer Sbgntnb. S)te gro^e SRetifd^etiinel^^eit in'
il^rer Il&gli^en Xotl^eit unb Sd^waid^^eit i^ gtt glauben ge«^
neigt, ba^ ein Ränget ber äBiffenfd^aft, ber fte oli Berufs«
oBieÜ oufgibt unb ftd^ ber Stunft n^ibmet, bantit jugleid^ bie
S&i^igleit verliert, miffenf<!^aftlid^en Unterrid^t gu erteilen«.
2)a8 äSertranen ju Sittigg Sel^rtäd^tigfeit in ben wiffen»
f(|QftU<i^en 2>iS)ipIinen »arb jufel^enbS gefd^n>&(i^t, — bie
Über^ugung x>on feiner ntufüalifd^en iSel^rbef&l^igttng mac
aber burd^auS nod^ nid^t norl^anben* @o tarn er in bie
furd^tbarfte SebenSnot. (Sr ntu|te elenber barben als ber<
geringfte S^agelöl^ner. ;^dre baS Unglanblid^e : faft ein ganjeS.
^ai)x l^inburd^ beftanb fein 9nittag8« unb Sbenbntal^I lebig«'
lid^ ans SBrot. Unb bod^ n)nrbe bie ältuftf mit rafenber
Segeifterung gepflegt — unb iebeS nod^ f o l^ol^e Opfer n)urbe
i^r leidsten ^ergenS bargebrad^t. — 3>u n)einft, Sintl^entia.
^ TDU%U eS to6f)l, ba^ ftd^ beine älugen mit 2;r&nen ati«
füllen märben, gutes, ebleS ^erj. 2>tt mei^t jebod^ noc^^
nid^t aQeS. -^ S)ie mad^tnoQfte £riebfeber ju biefer l^eroi«
fd^en älufopferung mar ber Sliefengeift beS unfterblid^en
Seetl^ooen. S)em 9lufe biefeS (Sinnigen mu^te unter aÖen
Umft&nben ^olge geleiftet merben, mod^te bie 9lot nod^ fo
gro^ fein. 9BaS äBunber, bag au^er ben ©elbopfern, bie
feine eigentlid^en SRuftfftubien erl^eifd^ten, bie ftonjerte fein
geringes Cluantum t^erfd^Iangen. SBol^l nod^ nie l^at jemanb
fo in ^eetl^onenfd^en S^mpl^onieen gefd^melgt, mie biefer jjunge
9)tu{t!er. Unb mol^I nie ^at jemanb biefem ^od^genu^ fo
fd^mere Opfer gebrad^t, mie er. 9lid^t nur, ba| er unbe».
benflid^ ben legten ^eQer fortgab, menn eS galt, eine ber
unnergleid^Iid^en f^mpl^onifd^en (Sd^öpfungen biefeS 2;on»
meifterS anjul^ören, er oerduf^erte biSmeilen fogar SBert»
fad^en vm biefeS einzigen 3wedfeS miUen. — ^tUn biefer
^auptleibenfd^aft marb er balb Don einer @pegiaQeibenfd^aft
ffir a5eet]^05)enS fiebente ©^mpl^onie in Ä-dur bel^errfd^t. 3)a
mod^te nun fd^led^terbingS aOeS SRöglid^e unb UnmSglidEie
— 84 —
9orf(dbii: baS Salden biefer S^mpl^mte touxh^ niemals
900 i^ 9ercübf&innt, gleid^iel, lodM^eS Oi^^ftec fle sut Xuf »
^ntiig brad^te. 3)aS mmj^tta aik^ bolb t^ide feiner 99e*
ionnten unb ^reunbe, ba^ fein ^(fy Don bet Xufffii^nmg ber
A-cbir«Sqmp]^onie nn}ertre«idid^ fti. ^ l^e eS felbft er»
fobt, ba^ er bei unS an ber SonntogStafet »on^ ein per*
wS^niti %t0axt!umf^i verleite, wvku bie eine ober bie anbere
ebenfo htacöA ciS vergeblid^ bitten wß%U, er ntdc^te baS
beoorftel^be S^nqil^onie'ftonsert bod^ einmal il^ juliebe
opfern, ^ie A-dar-S^mpl^ome l^tte größere SDtad^t Aber
il^n als ber liebreijenb^e ^anenmunb. ftannft bn btr baS
jnfammenreimen?
— 9Hd^t voIUomwen, antn)ortete Sntl^emia, m&l^enb
ein fd^mer}en8reid^er 3i^S il^em SEBefen etmaS bef onberS Ot^
l^obeneS Derliei^. — SBie fel^r xi) m^ bie erften brei @&|e
biefer 2;onbi(i^tnng benmnbere unb liebe: id^ fann mir ben
nierten ®a| bod^ gar nid^t in pf^d^ologifd^en 3ttf<^^^^^'
l^ang mit ben anberen @&|en bringen. Slber biefer ftfinftler
l^änft mir SBnnber auf SEBunber. <lin fold^er 0rab Don
^eeti^ovenbegeifierung mürbe mir t)5Uig ungloublid^ er^
fd^einen, menn bn, iSinjige, mir nic^t för bie t^oQe Sßa^rl^eit
börgteft.
— 3)en färben, mit benen id^ bir biefeS SebenSbilb
entmerfe^ teure älntl^emia, fönnte man mai^rlid^ el^r ben
ä^ormurf maä^m, fte feien ju matt, eis ben, bag fte gn gred
fuib« ^ fann gerabejn fogen, ba^ fein Seben fett langer
3eit viUx% in ^eetl^ooen aufgellt. Sen S^og beginnt unb
befd^Iie^ er mit biefem (Steifte, ^at er in ber f^äl^e auS
einer ^t|ot)enfd^en ®onate ftttlid^e @t&r!ttng gemonnen,
bann beginnt fein XageSftnbinm. ^Betritt man feine ^&nS«
ß^!eit, fo ftnbet man il^n entmeber an einer 93eet]^enfd^n
@onate übenb, ober eine Partitur biefeS SlteifterS ftubierenb
ober Sudler lefenb, bie baS 2zbtn biefeS l^ol^en @eifte8 be»
l^ahbebi. ^ier l^abe id^ nod^ eine (Sonett auf SBeetl^ooen,
— 35 —
haS ix eittft wä^renb eineS &impfforik^Smi^ei betete:
to mttl xi) bir bo^ siod^ Dodefen. ^n:
9eei^09eitd SBei^e.
©onett.
Serfunfeit in gor nmnbevfamed Srüit'm^n; '
^1 nmd^en eitiaeS Oe^Mtt, ber Jtnobe;
(5r trftumt iH)n ungeahnter ^immeUgaSer
®r ^l^nt ein 9iei4 pon unJ^egrenaien Siftumen.
^ foiifil^t eS iUJ^er ncgeioatt'gen Oftnmen,
(Sd fliegt mit äeud' untlcftnatem S>onnerftabe,
^amit 9)%u{t! nun einen jtönig "fyaU,
§er6ei ber ?5ögel §enrf(^er o^ne @ttumen.
®anft f(^Iunimert längfi bad Jtinb 9om (Sötterftamme;
^er 9Car (erfil^rt beg jhiaben SBunberfc^eitel
9Kit jenem golb'nen Sce|yter fd^ell unb lange:
Unb $o(9l^9mnia mit 3auber!Iange
^httfemt t)on IBeet^ooen, roaS C95ttem eitel,
Unb «eiltet i^n §u l^el^rem @ottel(amme.
— 3)iefeg ®ebid^t bemerfte borauf älntl^ia, tidinte
midi) 3U aderl^anb @ebati!en ani:egen. 3un&d^t hin ii), bie
<9rieii^entod^ter^ fy>ä)zx\tmt, umtter iDieber ju erfenn^n, im
tief in ^erxn Sßittig bie ^leigung f&x ^eQog lourjelt. %m
intereffatUeften mar mir ber @d|Itt| mit feiner meif mürbigett
äJerfii^meliung ontil^l^ibnifd^r ^pfterien unb c^riftlid^er
©^mbolif.
— Sia, ein begeifterter ^eUenift ift er, Xntl^emia, hoS
meil ber ^tnraiel; i^ benle mir aud^ onS biefem @efi<i^tlS«
f>un!te feine ^frenbe unenbli^, wtnn er 'mit bir feinftnnige
(Sit^pxU)t i&tx bie göttlid^en ^eEenen unb feinen unfterblid^en
äSeetl^en filieren fSnnte. ^ä) l^be nur btefe iatx £eiben«
f^ofien^ fagie er nnS vor einiger 3^it* SSeetl^oven nnb bie
(&xkd^en, voxniäjmlii) bie %tl^ener. — SBie bu bod^ aber^
VMii fD lie&Iid^ errdteft!
~ 2)n kift bDd^ nnnermüftlid^ in beinen fd^elimfd^en
^ 3*
— 36 —
9ledemen^ (Smma. Sage mir aber tiod^: i^at er bir benn aud^
felbft Don feiner bejammemStoerten SebenStoeife gefprod^en?
3)te 9itgen Slntl^emioS brüdten babei räl^renbfle, in«
nigfte Xeilnal^me auS.
— 2)aS nun gerabe nid^t, fprad^ (Smma. <Sr ift fd^on
im allgemeinen nerfd^Ioffener 9latur; am aUermenigjlen {ommt
fo ol^ne weiteres eine ftlage über feinen äftunb. Über fein
bfiftereS SuSfel^en, bie feftgefd^Ioffenen Sippen, bie ftd^ nie«
molS bem Sad^en px dffnen fd^ienen, fäl^rten eine Sprad^e
trüber 99erebtfamfeit. 3)od^ bis vot furjer 3^it l^atte td^
felbft feine Stbnung t)on einer berartigen Ziefe beS SlenbS«
(Sin S^^^"^^ entl^fiSte mir boS (Sd^redHid^e. :^d^ erful^r eS
x)on einem feiner ^reunbe, ber fid^ einmal bei unS eine baranf
l^injielenbe ^u^emng entfd^Ifipfen lie^, fo bag aQeS ju meiner
AenntniS gelangte. Slber SQSittig l^at leine Sll^nnng bapon,
ba{^ id^ eS mei^, mie fel^r er gebarbt l^at unb nod^ barbt.
Unb er brandete Slörper unb ®eift nid^t gu martern, menn er
bie SRnftSoften befeitigen moQte. 3)od^ baS burfte um feinen
$reiS gefd^e^en, foQte er aud^ g&nglid^ babei gugrunbe gelten.
— 3)ann t)erfänbe id^'8 in beine ©eele: a)iefer SRann mit
feiner unerfd^fttterlid^en Opferfreubigfeit mn$ ein (Sd^ü^Iing
beS lorbeerfpenbenben ®otte3 fein!, rief ätntl^emia begeiftert
aus, aus ben Singen leud^tenb, mie bie propl^etifd^e SibpUe.
— Slud^ id^ ermarte ®ro^eS pon biefem l^ol^en ®ei{le,
bemerfte (Smma, aber x)iel(eid^t auf einem anberen olS
mufifalifd^en f^elbe. — Übrigens gefeilten fid^ gu feinem
freimiQigen Stunftmdrt^rertum aud^ anbere uuQorl^ergefel^ene
Seiben mand^erlei ä(rt, befonberS ber qu&Ienbe unb nagenbe
@ebanfe, ba^ eS mit ben muftfalifd^en ^ortfd^ritten fo mfil^*
feiig fd^leid^enb ginge, gumal inbegug auf bie 5tlamerted^nit.
3)er ^ingertro^ mar oieSeid^t natürlid^er als fein SBiQenS«
tro^. 2)a}U fam aud^ nod^ baS aQfeitige, l&ftige, obgleid^
burd^auS mol^lgemeinte 3lbraten von einer Itunft, in meld^er
il^m nad^ bem Urteile ber SReiften feine Stofen erbläl^en
— 87 —
Idnnten. Slu^ id^ fonnte mid^ erft fel^r ^pUt mit bem 0e»
bonlen loertrattt mad^en^ baf er feinen fo oietoetfpred^enben
mffenfd^aftlid^en SSentf mit bem problematif^en eines
äHuftlerS Dertaufd^t l^abe. 93on allen Seiten regnete eS 9$or«
mürfe, Sitten, Srmal^nnngen, Selel^rnngen, bentlid^e 3^^^<^
9on Unsttfriebenl^eit, )q t)on ernftem OroQ aber biefen mnn«
berlid^en, unfaßbaren SEBed^fel ber SebenSbeftrebungen ; mand^e
mürben fogor an feinem Serftanbe irre: aQein aOe ^ile
prallten wn bem felfeni^arten ^anjer feineS Haren, fefien
SßiUenS mad^tloS jurüdC. — f^rül^er mar man entjudCt oon
feinem StlaDierfpiel, obmo^l eS bod^ gans bilettantenl^aft mar;
ie^t aber, mo eS anfing, lünfUerifd^e (Seftalt ju geminnen,
mad^te man abfld^tlid^ nid^t vxü 9(uf|eben8 baoon. Seine
ftänftlermürbe fä^tt fld^ ^eilid^ ob fold^en UnmefenS tief
gefrdnit, bal^er jiel^t er ftd^ immer fd^euer von ber @efell'
fd(faft surüdt. Snd^ bei unS ift er je^t ein fel^r feltener ®a{i.
— äBer meiß. Hebe dmma, ob e8 gnt ifi, baf id^ fo
tiefe (Sinblid(e in baS ®eifle8maUen biefeS 9Ranne8 tun burfte.
Sd^, mißbeute mein Seufgen nid^t. — ^at er benn je|t nad^
fo qualooQen dtiUn nod^ !eine 9[u8{id^t, baß ftd^ il^m
irgenbmie bie rettenben ^ilfSpf orten auftun?
— 9(d^ ia, entgegnete (Smma, bem ^immel fei banf;
il^n ermartet j[e^t mieber eine lol^nenbere ^oattdtigleit. ^d^
felbfi l^abe il^n mel^reren Familien angelegentlid^ft empfol^len.
— älud^ foIgenbeS ift fär fein eigenartige^ Seben d^aralte^
riftifd^. (SS ift unS beiben nur aViiVi einleud^tenb, baß ein
fo flberm&ßig betriebenes SRufifftubium, oerbunben mit ber
eUnbeften @rn&^rungSmeife, baS fdrperlid^e (Sebeil^en unter«
graben mußte. SSerfd^iebene 2trxtt feiner Selanntfd^aft, bie
!eine X^nung oon feinem 3)oppeQeiben l^atten unb fein franf «
lafteS, abgel^ftrmteS, leibenSooQeS SluSfel^en beobad^teten,
jagten fld^ mol^l, baß Sßittig ie^t ein red^t m&fteS, fd^mel«
geiifd^eS Seben ooQer Suft unb XuSgelaffenl^eit ffll^ren m&ffe.
9Bte foaten fte ftd^ fonft fein abgegei^rteS, blaffeS 0efi(|t
— 38 —
lienten? ^KSnmilen wm\m il^m f old^e änutmafmigen Hat uitl
offeniftttr; bebenfe, i9te ein btrartigeS 93erfennen beS rtinfleii
&t»tb^iS auf fftiii &tmüt einmtrf en wfü%U. (Er ttüvS cmd|
bkfett ä^ro^n »iltg cotS bem Aeld^ feiner Seiben.
— 2Bie l^ilfam Ühinte bod^ oft mond^ unnA^ vet^
\^mttt^^ ®«tt üenoenbet «werben, bemerfte ^ntl^emia tvei^
nttttö9oII. äEBie fd^ioer mnf aQeS biefeS auf feinem &tV^
laften? Unb bod| ift er nod^ gang mtgebeugt?
9lid^t aDein ungebeit^, fonbecn mdnnlid^ ftoljet ben«
jietttalS, beleihte fte (Smma. @eine erlangte ^ttlid^e SB&rbe
vmb nor aOem ^t^oxmi, ber Sftenfd^ unb ftänftler, leiten
ii^n iti aQen 3)rangfalen feines £ebenS oufreci^t. Sin biefem
l^ci^en £eitftem rafft er ftci^ ftetä n)ieber auf, mog er aud^
nö4 f^ baniebergebeugt fein.
— 3fd^ bin bir wal^rl^aften S)onf fd^ulbig, fpratl^ Sin*
t^emia mit faft l^aftiger Unral^e, inbent fte fid^ erl^ob. ^ute
gel^ id^ n)o]^I einer traumreid^en 9lad^t entgegen. 3Bie
mtU9 l^at jje^t mein armeS ^m ju eno&gen unb ju ner«
arbeiten, id^. bin ganj voU uon biefen (Sinbräden. ^6) l^&tte
eS nid^t für möglid^ gel^alten, bafi eg in unferer fd^redfl^aft
näd^ternen, materiellen ^dt einen f old^en rabilalen :^bealiften
g&be! — 2)od^ nun, l^erjenStraute Smma, mu§ gefd^ieben
merben. SSkinn feigen mir unS benn mieber?
— 3^benfaQ8 n&d^ften Sonntag bei uni ^n einem Keinen
OfamUienma|Ie, antwortete ®mma, m&l^renb il^ren 9Runb
mieber jenes fd^alfl^afte S&d^eln umf:ptelte. — 3^ i^^^ ^tt
Seftimmt^eit auf bid^. 9lid^t mal^r, bu fommft, Slntl^emiat
— ®ttox% gemi^, liebe (Smma, von ^erjen gern; aber
id^ l^offe, bid^ jlebenfallS nod| oorl^er bei mir ju feigen. 2to
moQen balb mieber bei mir nad^ ^rjenSluft mufljieren; mer
meif , ob id^ bir nid^t nod^ aQerlei ju erjäl^Ien l^aben merbe.
3)od^ nun Slbieu, ^erjen§«®mma!
2)ie ^reunbinnen umarmten unb fügten fid^.
^ntl^emia ful^r unter feiigem Sinnen nad^ $aufe.
^ierted Aopitet.
^at äSunbet ber SSeet^toenfd^en ^onma^t
Soll bcm ^ finbeiw ben man ^(^juf^äten
Unb bod^ fo ange^taen »ctben! Sraun,
^a muffen $et} uno 5topf ftd^ lange janftn,
£)b HRenfc^en^oB, oh @(!^roennut ftegen foS.
Dft flegt auc^ leineft: unb bie ^l^antaflt,
^ie in ben Streit {tc§ »engt, mac^t ^ä^xo&cmttr
9et »eichen balb ber Jtopf bad ^er^, unb balb
^aiS f^ ben ibpf mu6 fiHekn.
I^effing: 92at^an ber äßeife.
^u mu^t glauben, bu mu^t magen,
2)enn bie ®dttet lei^n Sein $fanb;
9{ur ein äßunber lann bi4 tragen
3n baS fd^öne SBunberCanb.
Schiller: @e|nfu($i.
;bgar äBittig l^atte baS erfte 3a^r feinet SRuftfftnbium»
leintet fii). ^aS @ningen ber notiDenbigeit 2)oppel«
ted^nil für bie auSuf^nbe unb felbftfd^Spferifci^e Jhtnft !oftete
förperlid^ unb geiftigen @<d^n)ei^. 993ie oft rm^U er an bie
Sgal^rl^it beS ^efiobeifd^en 3lu8fprud^ed erinnert n)erben,
bag bie ®ötter ben @d^n>ei| t)or bie 2:üd^tigfeit gefteHt l^aben
äSiel e^er gelang eS il^m mittlenDeile^ bie @<i^n)ierigfeiten
ber jtompofttionSteiJ^nif^ al§ biejenigen ber flat^ieriftifd^en
t^rtigteit }u ubemoinben. 2)ie in ber O^S^nbjeit med^anifd^
gar nid^t gefd^ulten ^^inger fpotteten felbft feiner SRiefen^
— 40 —
anftrenguttgen: bie Sringerttatttt lie^ ffd^ nun einmal nx<fyt
ummohtln.
SEBenn SEBittig ^ianifien unb ^ianiftinnen l^örte, bie ^um
großen 2:eile leinerlei SSerftdnbniS, gar leinen offenen Sinn
fftr bie ^eiligfeit ber Stunji l^atten unb bie bod^ mit gl&n«
jenber ^^ertigfeit fpielten unb pmniten, bann brol^te i^n
^erna^ bie äJerjmeiflung ju übermannen.
Sßarum mar eS i^m mit ber unenblid^en Siebe, 9e«
geifterung unb älufopferunggf&l^igfeit für bie 2;on!unft oer«
fagt, in ii^rem Xempel al8 ein ed^ter ^riefter su fd^alten?
SEBoju in eine ®eele bie gtä^enbfie SBerel^rung fär ben 9BeIt»
geift ^eetl^ooen pflansen, ol^ne il^rem ftörper bie ailad^t )u
Derleil^n, bie innerli^ mol^nenben ^been t)on ber eigenartigen
Sunberl^errlici^feit eben biefeS ®eniuiS aud^ nad^ au^en l^in
lebenSDoO gu geftalten? ^ei^t ba8 nid^t untilgbaren Sd^merj
in ein überftrdmenbeS ®^m&t legen?
(£8 gel^drte )u (SbgarS 2:roftmitteIn, feine Seelenleiben
in 93riefen an feine geliebte, treue, gleid^artige Sd^mefler
auStdnen gu laffen. S)iefe Sd^mefter aQein nerftanb il^n,
liebte i^n, glaubte an i^n unb l^offte auf i^n.
(Einige ^rieffragmente auS biefer Qdt merben baS 9Ub
biefeS merbenben ftfinftlerS in feinen 3)oppeIbe}ie]^ungen
gum 2thtn unb gur Stunft x)eroo(lft&nbigen.
3)en . . .
a)u munberfl Äi^, ba| id^ nid^t auSfftl^rltd^
genug meine Sage fd^ilbere. 3^ mag'S aber nid^t tun.
ilBo}u meine 2:rofUofig!eit bis in bie Üeinften ^afern l^inein
malen! SDlein SoS ift fd^redCenerregenb. :g[d^ fiaune, ba|
meine ffinf Sinne nod^ in Orbnung finb. ^[mmer biefe
3)oppeIquaI ber SRufifleiben unb ber SebenSarmut. SReine
Shaft — mirb fte nid^t balb gebrod^en fein? — SBie fd^abe,
ba§ ®u nid^t muflfalifd^ bift. 3>ann f önnteft a)u empflnben,
mie 3)ir au8 mand^er Seetl^otjenfd^en Sonate ber eigenfte
Sd^merj l^erauSjutreten fd^eint, wie ber Sroft einfe^rt, wenn
— 41 —
bie mUb woQtnhtn, fd^mergenSooHen Zonfbiten unfer gram»
erffiQteS ^j tiod^ mtffx burd^tDÜl^len. SRag fo boS ^ei^
»m atnb um gerfittelt »erben — gebetifen wir bann bod^
xeii^t ber falten SRenf^en! —
a)en • • .
93ei mir foC bie ftunfl nie nad^ SJrot gelten,
bafär ntu^ bie ^l^lologie f orgen. Unb id^ bin mit mfi^igem
Srot ganj jufrieben. 3)aS 9teale mtt| nod^ immer mel^r bei
mir nerfd^minben, menn id^ im Xempel ber Jlunft metten
miQ. ^6) fomme mir felbft fo r&tfell^aft mit meiner ^nft
vtyc, meil id^ mei^, ba^ id^ an feiner eingebilbeten 9leigttng
leibe. ^ merbe bamm and^ emig mit meinem @efd^id(
groOen, baS mid^ fo fonberbar fp&t 9on bem ®lorienfd^eine
ber SRufenfunft beftral^Ien lieg, menn eS mir nid^t gelingen
foK, gan) in il^r l^eimifd^ jn werben. — 3)a ftel^e id^ ^mif^en
gmei 9)&monenfd^aren eingerammt: bie eine Sd^ar frol^lodtt
fd^on Aber meinen un^ermeiblid^en Sturj, bie anbere um»
fpinnt mid^ mit ben fügefien Hoffnungen, ^d^ aber mug
taub gegen cdd biefe (Sinfläfterungen fein, ber Stunftftimme
aflein miK id^ folgen. SAateriell gipfeln bie Sd^mierigfeiten
3U erfd^red^lii^er ^öl^e an. 2)o^ eS mirb fein (Sinmanb
mel^r frud^ten; alfo oerfd^one mid^ bamit, geliebte (Sd^mefler.
3^ l^abe ben Stampf mit f o melen feinblid^en 9R&d^ten unter»
nommen: flegen miS id^, ober el^renooO unterliegen, nimmer»
mel^r mid^ in ^eigl^eit juräd^giel^en.
S)en . . .
3f<!^ teöjie mid^ atterbingS: unb e8 ift ein
erl^bener £roft, menn id^ an bie Seiben mal^rl^aft groger
®eifter benfe, bei benen ftd^ mit wenigen äluSnal^men baS
SBSort bemal^rl^eitet l^at: ,,^er ungefd^unbene SRenfd^ mirb
nid^t ergOgen" ^0 [i.{] Sapsl? av&poiTroc o& icaiSeaexoct). ^a»
nad^ mü^tt xä) nun bolb bie $alme ber (Srjiel^ung baoon»
tragen. — — ©er (Srnft be8 Sd^idtfalg l^at mid^ fd^nell jum
SÄanne gereift. 3fd^ bin feit langer 3eit in ber f^önften
— 42 —
S&ttterttng begriffen. 9(m glücffeligften Mn id^ je^t, loenit
^ in meiner ftiQen 3^^ meinen ®dttern Sßeil^aud^ fhreKen
Icntn. — 9lo^ eine 9emer!ung Aber boS ®enie. Sßeim i^
mir ein ma^rl^aft l^ol^eS @enie bente, bann tonn id^ ni^
anberg, al8 il^m bie DoQfte ^ol^eit beS (£l^arafter8 bei'
legen. 9[l8 unerreid^teS ^^^eal im Sfleic^e beS @eifie8 unb
S^arafterS ^ufammengenommen, ftel^ Seetl^ooen ba — in
ben 99Ber!en mie im Seben mrgemoltig, unerfd^fltterlid^, itn«
geb&nbigt wie ^OaS. 3Sunberfk %u ^xi) meUeid^t ba| ec
mir in ber 9)lufif ber aKoerfünbenbe QtuS x% bag er meinet
^^antafie mie ber buntelumlodte ftronibe Dorfd^ioebt? Unb
n)enn3)uiene ber&l^mten ^omerifd^en Sßorte, t)on meldten
bie Seele beä $^ibiag erfüQt mar, als fein deniuS bie 3eu»»
ftattte fd^uf^ ing 9nuftfalifd)e Aberfel^eft, bann fannft 3>u er»
meffen, meldte erhabene Xroftgemäl^rung mir auS iBeetl^openS
Xonfd^dpfungen entgegenftral^t:
^Sllfo \pvaä) unb toinfte mit fc^iofttjüd^n Brauen üronion:
Unb bie amfooftfd^en iSoden beS 5löni(|ft »oOten il^m DonodttS
$on bem unfierblid^en $aupt; ed erl^eBten bie $5]^'n bed Dipmpod/'*)
S)iefe l^ol^eitäDoQe 9)tenfd^engeftalt mirb mir ftetg oocan«
ieud^ten unb mir ^raft unb SluSbauer uerleil^en. — Sie
le^te Qdt mar mieberum befonberg geeignet, bie Sefriebigung
in ber jtunft bei mir }ur l^öd^ften SSoUIraft )u treiben, ^d^
l^ab' eS mol^I mand^mal gemaltfam oerfud^t, an bie SBiffen«
fd^aften ju gelten, aber vergebens : eS litt mid^ nid^t babei.
@S ift ein mal^rer ®ebanfe be§ ^oraj:
Naturam expellas fiirca, tarnen usque recurret,
Et mala perrumpet furtim fastidia victrix
(Epistolarum I, 10, ». 24—25);
meine muftfalifd^e 9latur l&^t ^6) nid^t mel^r au8 bem ©etfte
jagen. Strb jte aber aud^ ^tegreid^ bleiben? —
*) ^, xol xuavirjmv itz 6?ppüai veOae KpovUuv
dpißpooiat y apa x^^'^^'^ ircpptuoavTo dfvoxTOc
xpttToc dir* ddovoTOW [ji^av B'4XAi5ev 'OXüfxTTOv.
§omer, SKaä I, ^. 528-530.
— 43 —
3)cn • . .
— @eftern war toieber einmal ein ongftooQtr
Zag für mid^. 2)u l^aft eS nHol^l nod^ nid^t erfal^ren^ ba^
bie uberjettgitng, in ber man ein Unglü^ l^eronnal^en ftel^,
niel setftörenber n>ir!t, ali baS eingetretene SH^gefd^tdE
felbft. 9lad^ einem Dergeblid^en Stenntn non $ontinS pt,
Pilatus an biefem %a%t htoiftt bäfterer Unmut mir lebe
Seben§luft gu nel^men. 3)a rettete miä) abermatö auf ber
Strafe eine SBeetl^oDenfci^ tragifdfie £onibee, bie pld^Ud^ in
meinem (S^mütt fang. 9Bie oft l^at mir urplö^lid^ btefer
®eniuS bie S^ul^e mieber gegeben! @oId^eS vermag nur ein
gdttlid^er SDtenf^. 3^ i^tQ S)ir ou^ ben Umfianb nid^t
Derl^l^Ien, ber babei mefentlid^ mitmirft. ftein ^elb bei»
@eifte$ ftel^t fo !lar üdr meiner ^l^antafie, mie 9eet|onen
mit bem reingeiftigen^ von bem tiefften (Sd^merje bnrc^»
jogenen, göttergleid^en Slngefid^te. ®o nerldrpert fld^ in
meiner @eban!enn)elt unerwartet 93eetl^ooen8 @eftaU mit
feiner Xonfd^öpfung — unb bie Stulpe jiel^t in meine ©eele ein,
3)en . . .
3)ein iüngfter, fd^öner mel^mutSooHer 95rief mnfite not«
menbig bie nal^uermanbten SRoQfaiten meines Innern mftd^tig
anfd^Iagen. (Bi^f), mie fxä) bie ©leid^l^eit unfereS finfteren
©ef^idCeS geigt! S)ie ©eligfeit^ für nt^eld^e S)u uhenbUd^
®ntbel^rttngen ertrogen fönnteft, bleibt S)ir nerfagt! — Steine
l^öd^fte ©eliebte, bie Äunft, biefe feufd^e Qf^ngfrau, meldte
id^ mit ber @Iut gägellofefter, unioergIetdE)Iid^er Siebe liebe,
ber i^ tdglid^ geiftige unb leiblid^e Opfer bringe, bie mid^
ol^ne einen Saut ber ^lage bie grSf eften ftafteiungen ertragen
leiert, fte miß mx6) immer nod^ nid^t erl^ören. ftaum, ba|
fte mir bie ^anb reid^t — unb id^ möd^te in il^ren göttlid^n
pfiffen fd^melgen, id^ mii)tt i^ren l^immlifd^en altem in
mein funftnerliebteä ;^erg ol^ne 9laft l^ineinftrömen laffen.
3d^ fel^ne mid^ l^eij^, baj3 fie mid^ mit il^ren überirbifd^en
armen an i^re l^immlifdEie SBruft jöge — bod^ fie l^at ni^t§
— 44 —
als falte f&lidt fär mid^, bie meinen @eift mel^r martern
als mal^rl^aft erlöfen. ^^ ringe unb arbeite, mir ed^te
01üd(felig(eit }u erjf&mpfen: id^ merbe fie l^aben, menn mid^
bie SiebeSarme ber Stunfi gan) umfd^lungen leiten merben.
SfnbeS rufe id^ 3)ir mie mir 9)tut 3U — unb id^ bebarf
auf meiner flippenreid^en SebenSfal^rt bod^ nod^ meit mel^r
beS 9Rute8 als 3)u. — 3>er S^raum, ber mir oor einiger
3eit aufs neue Wut einl^aud^te, ift biefer. Qä) txinmU
munberbarermeife vom @eneral oon Steinme^, um fo
munberbarer, als id^ mid^ gar nid^t mit fo fteberl^after Srregt«
l^eit um bie ftriegSereigniff e beS tierfloffenen dal^reS gefümmert
l^atte, mie bie anberen alle. 2)a3U mar id^ )u doU von
meiner äJtuftf, ober beffer gefagt, t)on Seetl^ooenleibenfd^aft.
2)u mirft mir l^offentlid^ barum feinen 3)tangel an ^atrio»
tiSmuS 3um 93ormurf mad^en. ^öre alfo: 3>u mei|t eS,
@teinme^ ift ber eiferne ^elbl^err mit bem eifernen 3finU.
(St liege ^d^ el^er in Städte l^auen, bet)or er nur einen 3^0
Jbreit rödCmdrtS mid^e. Siegen ober el^renooS fterben — in
feinem fielet biefe SRajrime unerfd^ätterltd^er feft als in
(Steinmei* ^t trdumte alfo, bag id^ bie SBol^nung beS
greifen, franfen @eneralS betr&te unb oon bem bal^infterbenben
gelben empfangen märbe. ^6f mar il^m jmar unbefannt,
aber fein (Sd^arfblidF mollte an mir unb&nbigen Wbxt mal^r«
genommen l^aben. (£r minfte fd^meigenb — unb als id^
bid^t oor bem 9)tanne mit ber eifernen Stirn ftanb, prebigte
er mir gemaltige SSSorte Don gewaltigem SRute. „SRut!
mein Sol^n", erflang eS unter anberen Sieben, ,,lag 3>ir
mein tapferes 2thtn ein Snufter beS ungerftdrbaren SRuteS
fein, mo eS gilt, bem 93efe]^le eineS ^dl^eren ju folgen. SBiffe,
bag 9Rut bie ^5(^fte ftraft ifi.'' 9lac^ folc^en unb a^nli(^en
i^eroifd^en SBorten legte ber ®eneral feine ^elbenl^dnbe auf
mein ^aupt unb {leiste fegnenb fär mid^ Unjerftdrbarfeit beS
SRuteS l^erab. — ^^ ermad^te munberfam berfll^rt unb an»
gefpornt. Unb menn id^ eS aud^ txo^ oielen 9lad^benfenS
— 45 —
nid^t erf äffen !onnte, obiool^I id^ ben ^^een-Bufammenl^ang
ol^tie, loie mir ber alte ®eneral Steinme^ in meine Xraum*
loelt fommt, fo fanb id^ mid^ nad^ biefen Xranmgebilben
bod^ munberfam geft&rft em;>orge]^oben unb aufS nene mit
frifd^er Kraft befeelt, allen weiteren ©efal^ren meines bornen«
vollen SebenS mutig entgegen^ufd^anen. Unb bie allgemeine
Seigre, loeld^e biefer 2:raum in ftd^ birgt, mirb mol^l and^
S)ir ^erjcnSftdrfung bringen. Slid^t fo, liebfte ©d^mefter? —
3)en . . .
— 3f<^ ^^^^ immer mel^r ein, ba| Slmaltl^eaS
^orn feinen 93orrat für mid^ birgt. äBenn id^ einmal aber
bie gegenm&rtige gro|e 9lot meineiS äußeren fiebenS nad^*
ben!e, bann ftberfaUen mid^ mol^l bittere @ebanfen aber jenen
Steid^en, ber mid^ fo fd^nöbe bal^in gebrad^t ^at. ©old^ üble
SebenSart an einem äRenfd^en mal^rgunel^men, ber ben Flamen
eines ©ebilbeten entfd^ieben in älnfprud^ nimmt, baS fd^merjt
mid^ tiefer, als id^ 2)ir auSbrüdten lann. SlnfangS mar id^
fo erbittert, ba§ id^ mir etmaS t)on ber bei|enben @d^drfe
eines 9[rd^ilod^uS ober ^ipponajr münfd^te: eS l^ätteil^m
bann mie bem Splambibengefd^led^te ergel^en muffen, er
l^&tte mie jene ^ret^ler burd^ ben SoxmSf)au^ meiner 93erfe
jttgrunbe gerid^tet werben muffen. — 3»e|jt bin id^ gefaßter,
obgleid^ bie Sürftigfeit meiner Sage in ftetem SBad^fen be»
griffen ift. S)od^ brüdtt mid^ meine Snuftfnot weit mel^r.
SS ift bod^ ein red^t miberlid^eS 2)afein. 3n ber letiten 3eit
fUib wenige Slbenbe vergangen, an benen id^ nid^t mit bem
äßunf^e 3ur SRul^e ging, baß bie beoorftel^enbe 9lad^t aud^
meine letzte fein mö^te. — SÄir fel^lt mel^r benn je l^ier ein
weiblid^eS 3Befen, in beffen ^erj id^ meinen Sd^merj auS>
gießen, — eine @eele, mit ber id^ meine l^eftige ©einSfranf«
l^eit ausweinen Iflnnte. äBarum bift 3)u nid|t l^ier?
3)en ...
^^ntz f d^reibe id^ wieber an 3)id^. 3d^ f ü^le
nun einmal baS SöebürfniS, ®i(^ immer tiefere ©inblidte in
— 46 -
\m Stfttte imfägU<i^en @d^ttter}e8 tun }tt laffen. SBBunbecft
Xn S)id^ barftber? (ES ift fielen fo ergangen, wie mt.
9Bir aR&nnec n)iffen eS itnS io#]^l felbft !attm re^ au er«
Q&ren, roacam mt unfere ge^mften ®ebiinfen am tiebften
einem Sßeibe anDertcoiten. @enug, ba§ au<i^ ein Wbmn
rm Seffing, nad^em i^ boS tieffte £eib im Serlufte feiner
l^ei^geliebten ®attin betroffen, fi^ mit feinen mfinnli^
ftlagen nur ber lieben f^eunbin (Elife 9teimaru8 nal^te.
— 9)tein muflfd^er @d^merg mirb immer unbftnbiger. SEßoS
l^ft aQ mein Sftingen, mein SRut, mein f^Iei^? id^ fel^e
mi^ bem SRufenmnnberlanbe nod^ fel^r fern — meit,
meitab vom l^ol^en ßi^le. ^^ ^erjelre mid^ faß in l^i^em
Sel^tien nad^ einem SRnfenmnnber. — 9(ber oft, xotnn id^
an mein gänglic^eS (SrfäQtfein Don ber ^errlic^feit unb
(Srl^abenl^eit 99eetl^OEDenS benle, bann loiK bie Hoffnung in
mir 9laum geminnen, ba§ ber 9eet]^o9»ifd^e ®eniu8 moffl
enblid^ fold^ ein 2Bunber in mir ]^ectM)rgaubem merbe. ^,
menn eg ftd^ bereinft erfäQt, o bann moQt' id^ ben golbenen
SRorgen greifen, ben mir bie $d^idEfal8göttinnen erfd^einen
liefen. —
3)en . . .
I^ente ermad^te td^ mnnberfam gefr&fttgt unb gel^oben.
äBol^r biefeg plö^Ud^e Sßol^tbeftnben ber (Seele? @oIl i(^
bieg ben faftalifd^en (Sd^meftem jufd^reiben, bie ben luftigften
Steigen in meinem Sranmfaale tankten unb mir mit il^ren
l^immlifd^en 3Bolfenfd^Ieiern ben l^ei^en SebenSfd^merj Cftl^Iten?
Ober banfe id^ eS SBeetl^ooenS Xonfd^^pfungen, bie in unge«
al^nter (Sigenarttgfeit mein träumenbeS (Semüt burd^gogen?
^eute fann id^ nid^t anberS, als glauben, bag id^ balb auf»
l^bren merbe, ber blo^e SpielbaU beS SBhtteg ju fein, baj|
id^ nid^i nod^ oft ben j|&]^en ^oK t)on l^immel^rmenber
^l^nl^ett jur lebenuntermfil^Ienben Stieinmätigfeit erlebe. @in
berartig unentrinnbarer 3^g ju Seetl^ooen l^in mv^ burd^«
auä etmaS ju bleuten l^aben. SIber mit nid^ten lannft
— 47 —
S)tt es S>ir DorfieQen, loie fväf meine Itanftflippen immer
brol^ber itab gefa^n>etter geftalten.
2)en . . .
2)ie tr&ume flnb bo^ malere nedtifd^e (SIbe
fftr irnS arme SRenfci^enfmber. SBie feiten trfiuml ein SRenftä^
baS^ maS er am fel^nlid^ften ju träumen münfii^t. 9Reine
Srtnnenmg mei| mtr von einer einzigen (Srfd^einitng eineS
erfel^ten SIraumbilbeS }n ei^ftl^Ien. 9[l8 Sd^üler ging mir
einft ber l^ei^e Sßunf^ in SrfuDung^ Don meinen ^liabifd^n
leiben px tr&nmen. 3(^ mei^, mie jid^ ba in nftc^tlic^er
Stulpe bie alten l^omerifd^eu ^eroen, ber $elibe unb Xela«
monS €o]^ an ber Spt^e, in tl|rer überm&Itigenben ®rdge
barftefften; id^ fal^, mie bie grö^eften SW&nner ber i^e^tgeit
^gm&en ju ben Xr&gem ber bamaligen 9liefenftftrfe maren.
3^ trfinmte ^eftorS Xoh nnb Dbgffcug' Sieg fiber ben
riefigen 3ljla8 nnb anbereS. — Qe^t münfd^e i^ nid^tg fel^n«
lx6)ex, als einmal t)on 99eet]^dt)en jn tr&umen: aber immer
nod^ ifk mir biefer 9Bnnf^ unerfüllt. ^ glaube, ein fold^er
Xraum mü^te in mir eine Sd^merjftiQung t)on na({|]^altenber
ftroft erzeugen. ^aS mü^tt bann eine l^errlid^e ä^raum«
befd^reibung werben — fo unmittelbar t)or meinem böd^fi^n
(Benins ju ftei^en ! —
Sen ...
flotto: Srftume, n^td M fCüd^i'^e IrAume •
@penben wA We Sßeftenräunte;
Xod^ eil fc^lummert tDoi^l »erborgen
$Dft ^arin bed Sic^teg a^lorgen.
93ar'S nid^t ein to0er Zroism, ber 2^raum r>om fd^uMirgen
^nbe, ber in entfel^id^r Stranfi^aftigfeit fein eigenes &t'
bei» Derfel^rt? SSHe bann bem fafl aufgejel^rten ^unbe, hem
l^be, ber fid^ fetbft gefreffen^ ein munberlieblid^eS fiinb
^tfpringt nxA munter ^&p% als beginne eS ben fd^önftoi
SebeitStan}! Sber, o (Sntfe|en! »ad^ einem flüd^tigen 2:ttm«
mein ei^fd^t bie neue SebenSfadtel — unb maxt fx^t fd^au»
— 48 —
bernb ein frifd^S Slofenünb l^inioelfen. (Srinnert jener
Xraum md^t an ein ftd^ felbft oerjel^renbeS Snenfd^engentftt^
bem meQeid^t oud^, n^enn eS jid^ faft aufgerieben l^at^ ein
glfldlid^er ®eifte8bU|( entfpringt, ein 93Ii^, bec su ben ^öd^ften,
xeinften SebenSgenüjfen ein {^offnungSmeer erfd^Iieft? Unb
gel^t bann nid^t ebenfo oft ein fold^er g^nfe fd^neQ, n>ie er
gefommen, ooräber^ bie gel^offte Stettung in ben äBinb
n)e]^enb? SQSie mel gro^e i^been fd^Iuntmern nid^t.in biefem
ftd^ felbft oerge^renben ^unbe beS 2;raunteS! Sber id^ Der»
laffe biefen 9t&tfelpun!t, nm SHr eine mertn^ürbige Sotfd^aft
3U x>erl&nben.
3Jt\x VDoth in ber iüngft oerfloffenen 9lad^t nun enblidEi
baiS l^ol^e ®lnd }UteiI, in einem Xraumgemad^ ntit bem er»
l^abenften ®eniu8 ber SRenf d^l^eit }U meilen. — (£8 mar nad^
einem Slbenb, an bem mid^ von neuem bie äBelt ber SBeetl^o«
Denfd^en A-dur«@9mp]^onie in unerH&rlid^e 9(ufregung
Derfe^t l^atte. ^6) m&Ijte mid^ auf meinem n&d^tlid^en Säger
unb lie^ bie oerfd^iebenartigen (Elemente jener rätfefooOen
äBelt an mir norüberjiel^en. 3^ fcinn unb fann aber mand^e
beinal^e groteSfe ®eftalten jener Xonbid^tung nad^ — unb^
flel^e ba! jene fd^einbar groteSfen ^Silber ftanben balb al$
plaftifd^ flare Zr&ger l^ol^er SBeltibeen feft. Unb fo fd^Iief
ic^ ein. SBaS äBunber, ba| mein fortarbeitenbeS ^irn gang
in fSJbxfxt mebte unb f^mebte unb fonberbar p^antaftifd^e$
3eug ans n&d^tlid^e XagedUd^t förberte. — 9(uf einmal aber
rii5 ber ©d^leier ber UnKarl^eit, — ein leud^tenbeS ®eifte8«
bilb ftanb oor bem SntjAdtten. SJteine fterblid^en 9lugen
tonnten ben überirbifd^ ftral^lenben @lan3, ber auS ben Sugen
beS oor mir ftel^enben ®eniuS entgegenleud^tete, nid^t er»
tragen. Unb lonnt' id^ biefe gl&ngenbe ®eifte8fonne nid^t
gleid^ mit ben 3(ugen mal^rnel^men^ fo !onnte id^ mid^ bod^
t)on il^ren erl^ebenben Stral^Ien befd^einen laffen unb im &e^
nuffe eines jauberifd^en @eifte8glüd(eS fd^melgen. (Snblid^
liefen bie ©tral^Ien nad^ — unb id^ !onnte in ba8 tief«'
— 49 —
9eiftige'9lntli|( Seetl^pDenS voU feiiger ^»uiibetdng Uicfert
^! loie M(^ ein WMid beS gdttliti^ett 0eifte3 oHe JQualen
beS SebenS augenblitflid^ in ben Sßinb wel^t! SDer S^dpfer
ber reinflen Sffinl^ri^eit flanb wx mir, befleibet ntit fd^wai^ent^
antifem g^eplo? -- ein 9ilb ber ibealften (»eiftedf<l^an^ett
2)ie 99irf(i^feit »ar uergeffen, fo vie fein SBIitf auf mir
ntl^te. @ein ebleS @kifle8antli|( mar von innerer lieiligfier
Stulpe gefftttigt: oOeS SEBel^ mar ilbermnnben; nur ein feier<^
lid^er (Krnft mar jurädtgeblieben. 3)ie Unterl^oltung l^at
fcmm mel^r oÜS einen permorrenen Slad^l^aU in mir aurüif ^
gelaffen; barum fd^meige id^ haoon, (Sine ^emerfung^ fo«
viel ift mir erinnerliii^, jauberte onf feinem nerfl&rten 9(n«
geftd^te ein l^immlifd^eS S&d^eln l^emor. — 5i^ etmad^te
nad^ biefem SironmbUbe mnnberfam gefrdftigt; fälble id^ bod^
meinen ganzen SebenS}medt banod^ gemad^fen*
SBoS fd^reibft 2)u mir vpn ®dnnern, bie mid^ m»
meiner £ebenSnot reiben foQen? 3^ ^^i ^^^ feinem
0dnner miffen. SaS S^dcenatentum fftl^rt mel^r ober meniger
einen 93erlttft an ftttlid^er gfreil^it l^erbei. 3d^ miQ felb«
^finbig fiegen ober unterliegen.
Unb nun gar Sein anem^fol^Iener ItritifuS SS., bem
id^ mid^ n&l^ern foK! 3)tefer SB. ift gerabe ein ed^ter
%qifta f&r baS Strebertum unferer Q^t Sr gel^Krt ju jener
©ptifti, von ber man fagt, ba$ fie e$ nid^t ndtig laben —
unb bod^ rm fo nStiger su brausen fd^einen. Sie fing e»
biefer fl&. an? (Srft fud^te er burd^ d^itttngSannoneen ber
gabte Sd^äler beiberlei ®efd^Ied^tS, benen er unentgeltlid^
Unterrid^t erteilt: benn er l^at a ia nid^t nötig. 3)a| er
onberen, bie eS ,,nfitig l^aben", bamit einen Stnüpptl Aber
ben Sßeg mirft, ba$ bebentt fold^ ein ebleS 6ubieltum nid^t.
3ft baS nun leiblid^ gelungen, bann lauft man — meil
mon'S ia baju l^at — ein irgenbmie renommiertes ^t^ftitut
an, fauft fld^i fo mol^Ifeil ben SHreftortitel. Sann br&ngt
ber @trebergeift oorm&rtS, unb menn unfer Sd^iller fagt.
— 50 —
ba^ ber äRenfd^ ttttt feinen l^öl^eren 3n)eden w&ä)^ — fo
beleihten nn8 ^rfd^en a la SB., ba^ Strebermenfd^en an^
mit il^ren nteberen Srotäen n^ad^fen !dnnen! (So tut eS
benn ein i^Fnftitut unb Sireftortitel nid^t aOein. Man mujs
Aunftrid^ter toerben. 3)a mtn ein fo nnbebeutenbeS, nnht^
(anntes :3fnbit)ibuum k la SB. auf orbentlid^em Sßege nid^t
als Jtritifer anfonnnen lann: erbietet man ^ä), bei-^anj
imtergeorbneten 3^^to^0^n/ ^^ ^^^^i dfonomtfd^ fd^alten
mfiffen, als unentgeltlichen St^enfenten an. SffiaS Derf^I>'S,
ob ba irgenb ein tüd^tiger SRufitfritifer — ber eS nötig l^at
— aufg ^after gemorfen wirb — (Selb tötet \a fo oft ba8
äRenfd^enl^er}. Unb fo mirb man ÜAuflfreferent in partibus
infidelium. Scanner a la SB. fönnen eS ja als unbefolbete
Ihtnftrid^ter leiblid^ lange auSl^alten. Unb fiel^ ba: bag 3(n«
lagefapital rentiert fld^ Dortrefflid^. SRan gelangt — freilid^
ol^ne eS nötig ju |aben — an beffer fltuierte 3^itungen mit
SJefoIbung. Unb fo l^at {td^ benn unfer 9B. na^ unb nad^
bis %um ftritüer einer unferer angefel^enften 3^itotigen
emporgeftrebert. 9latürttd^ lönnen berartige 9Renfd^n, bie
offenbar an einem moralifd^en 3)efeft leiben, in Singen ber
ftunftmoral bie unmärbigften unb unlauterften S)inge Der«
teibigen. — Habeant sibil
3)er ÜKaterialiSmuS ift je^t l^ier f o eingef[eifd^t, ba^ bie
meiften SUenfd^en fd^led^terbingS nid^t begreifen !önnen, mie
nod^ änige SBenige p ben Xempeln reiner itunft unb äBiffen«
fc^aft mallfal^rten fönnen.
3)en ...
@eftern mar ein glöl^enb l^ei^er :3umtag. ®ie
@onne fd^ien il^r lange ftolj jurädFgel^alteneS ©lutenmeer
:plö^lid^ mit l^i^er SoQuft auf unfere !<egemo]^nten $&u^ter
auS^uftrömen. 3)ie 9)tenfd^]^eit fann nun einmal nid^t mel
t)on bem ^rad^tglanje ber lid^ten, emigen ©onnenllarl^eit
vertragen. 9Bie id^ an biefem tropif(^en ^unitage mit eigenen
3lugen 9Renfd^en por ben fd^redflid^ fd^önen ©tral^len ber
— 51 —
@oiiJie in il)t elenbeS 9lid^tS l^inf4|iDinben f al^« mit|te id^
an Sefd^ipfe benfen, bie, geblenbet Don ber Sonne ubif<l^er
9Iii(fBgttter, geiftig oerfinten, gut entarteten ®eifte8fra^e
SDerbeti, n)&]^renb il^r Stivftt geiftloS fortlebt, ^d^ ntu|te
OK bie Sinfterlinge ben{en, benen l^Qftrol^lenbe Sonnenma^r»
l^it Surd^t unb ®4ire<fen in ben fonnenlofen ^ift iogt. —
— liier meine Sel^nfud^t nad^ einem n>eiblid^en SSBefen, bad
mein innerstes @ein begreifen Unntt, borfft S)n mid^ nic^t
fd^elten. 9Bo^I nod^ nie l^abe id^ ein fol^eS SiebeSfeldinen
em|>fttnben, n>ie gerabe )e^t. 3)ie Siebe bleibt bod^ emig bie
einfbitreid^fte ®dttin ber Slnnft. 3<^ glaube, ie|t nur noc^
{unfUenfd^ Heben au fönnen.
Den ...
@ans unb&nbiger 2^itanengroU fd^eint l^eute su n^ieber»
l^oUen 9)talen Mmutter Statur )u bel^errfc^en; mir iff S, als
ifiit id^ unouf^örlid^ Seet^ooen bie oerberbte SRenfd^l^eit
anbonnern. ^u! n>ie hcS bUt(t unb furd^tbar frad^t! — 3)i)^
empfdngft 3)onnergrü|e. Sßarum toft benn l^eute bie 9latur»
haft fo fd^redtenSooQ erl^aben? äBirb i^r förd^terli^er äBed(«
ruf bie SOtenfd^en auS il^rem fünbenooQen @d^Iummer rütteln?
Berben fle nod^ immer nid^t erlennen — fle mögen f^ürften
ober ^ttler fein — , ba| fie oon ber ^errfd^erin ©otteS«
notur n^ie ein 9lid^t$ jermalmt n)erben !önnen? unb merben
fte noc^ immer nid^t ftreben, fid^ il^r l^inf &Qigeg Seben rein
unb fd^.5n in geftolten? 2)aS finb fold^e @otteSmomente,
»ie fie ber ^falmift erfd^aute, olS er bie fönigUc^en SBorte
fang: „Seigre unS beben!en, ba| mir fterben m&ffen, auf
bal mir flug werben" (^falm 90, 12). — SBie fd^abe, ba§
bie Urmutter ftc^, nur nod^ leife groQenb, in il^re gel^eimniä»
ooQe Kkufe jurädtsiel^t! Si^ J^dre {ie fo gern, menn fte fic^
in rafenbem S^i^ue &ber bie Sltenfd^enl^&upter ergießt; aber
bie gro^e SDtenfd^enmaffe ift gu oerftodCt : fie ]^5ren bie 2)on«
nerftimme ber 9latur unb oerftel^en i^re furd^tbare 3)eutlid^«
feit nid^t. äBenn bie äSeetl^ooenfd^e ^itanennatur in fd^recf«
4*
— 52 —
Itd^em 3)onnerganse einl^ersiel^t, fU^en fie ba unb I&d^tln
uitb foreffteren ft<l^.
Sel^r oft fielet mxif jel^t bie XBett iDie ein nedCifd^er
2:raitm an; i^ tr&ume t)on latl^nben Oefid^tern unb tragt
einen (ScI^mersenSfturm im Uutenben ^evien. ^abe i^'S
bod^ felbfi nid^t geglaubt, bajs ber langgendl^rte Sd^merj ju
fo nantenlofer |^l^e in mir angenmd^fen fei, mie id^'8 nun«
me^r ertennen mv^it. SHenStog mar'8, loo x^, von leibenS'
oottfter ttnrul^ gepeinigt^ bie xi) nid^t jn beuten oermod^t«;,
mid^ iVL meinem ^rgenSerleid^terer flAd^tete. <SS gibt in ber
A-dur-S^mpl^onie einen 2^ouerfa|( oon ber ergreifenbften
tragifd^en 3Rad|t, übeno<igenb ffir ben n)a]^r]^ft ffil^nben
äTlenf d^en. 3)iefen @a^ fpielte id^ ba unauf ^örlid^ : ba mad^te
ftd^ ber lange jufammengepre^te Sd^merg unauf^Ufam £uft
— unb bie 2;r&nen quoQen reid^Iid^ aui meinen Stugen l^er*
oor. Qn fold^en ibeolen, fc^merjlid^ ergreifenben äRomenten
offenbart fl^ mir ^eet^ooeng unfterblid^er Sc^merj: eS ^nb
bie l^iligen Zr&nen, n)eld^e ber @eniu8 meint, wmn er bie
SRenfd^l^eit im SSerberben fd^aut. 9limmer ^&tte id^'S ge-
glaubt, ba| in mir ein fo reid^lid^er Xr&nenqueK |»erlt.
3)u mei|t eä, id^ gel^dre 3U ben ftreng gepr>en Staturen,
benen ber bitterfft|e 2:r&nenftrom nid^t oerliel^en ift. Unb
bod^! n)ie erleid^terten mid^ biefe mir oon SBeetl^ooenS 2^n«
feele erpreßten Zoranen! mie ^eri^ob mid^ banad^ bie feelen«
ooKe 9lul^e unb gab neue Jlraft )um (Srtragen neuer, unf&g«
(id^r Seiben! 3)a erlannte id^ benn mieber, mie tief bie
lange einfam geborgenen Seiben in mir SEBurjel gefaxt l^aben
mäffen. —
a)en . . .
3d^ f ann ®ir fd^led^terbingS leine 3torßeSung
oon ber ßerfal^renl^eit geben, in ber fld^ mein armeS ^6)
ie|t l^erumm&Ijt. ^i) gleid^e bem Sd^iffer, beffen 99oot oom
mUbeften Sturme auf ber empörten @ee gleid^ einem fd^nmu«
ienben Siol^re l^in unb l^er getrieben mirb. ^n meiter ^erne
^ 5» —
roxntt U^m gaubertfd^ Id^elnb baS l^eigerfel^nte Sanb: bod^
bieS sottberl^fte S&d^ela oergrd^ett nttr feine XobeSqnaleti;
beiitt fein Untecgang fd^eint umertneiblid^. (So toinft ond^
mit aus loeiteßer l^immelSfente ein rettenbeS ^beol unb oec«
grA^ert bie SRartern beS Unterganges auf bem ftucmbsaufen«
ben SebenSmeere. %ie mnfi nun DoQenbf einem @d^iffer ju«
mute fein^ ber feine Itraft fibemtenfd^Hd^ anfteengen ntu§,
um gegen ben tofenben Sturm ju f&mpfen, unb ber fiäf oer«
^blid^ nad^ @t&rlung für ben tummergemeil^ten Stdrper um'
fielet? 3d^ al^ne jle^t tUooS oon ber refignierenben 93er •
^meiflung eined fold^en (Sd^ifferS. — S>a8 Unnatfirttd^e meiner
materieEen £e6enS»eife ift bei mir leiber fd^on fo Statur
geworben, ba| id^ immer gu trftumen glaube, menn mid^
|in unb mieber femanb fragt: „SBo binieren Sie? mein
^rr"* 3>ie SebenSort fann mid^ olfo faum no^ be^Qigen.
Slber haS Ung^uerlid^e lommt nun ffin^u, ba$ felbft bie
SRittel sum Sltufllftubium unerfd^mingbar erfd^inen. Sold^
Sorgen mad^en matter als aEeS anbere, )te Idiomen bie
SebenSfraft auf erfd^redtenbe SCBeife. Sonft oerglid^ id^ mid^
in meinem Sei^&ItniS ium ftlaoierfpiel mit ben Segiel^ungen
beS 9liefen Xnt&uS sur aHutter (Erbe. Mt ienem bie ftraft
unbdnbig auf d^moO, fomie er feine SRutter (Irbe berfil^rte : alf o
belebte fM^ ftets meine ermattete Straft, mtnn id| burd^ bie Mafien
fttl^r — unb id^ lonnte mid^ mit SuSbauer auf bem Sd^lod^t»
roffe ber Xonfunft tummeln. Sßie ftrdmte mir erfi ber Straft*
l^ud^ entgegen, rotnn mid^ ber (Seift meines SMberlunbigen
Sbnftriefen beraufd^te! mie ft&rfte Seetl^ooen meine fd^mad^e
Straft! Unb it^t ift eS anberS. 3d| flt|e gmar ftunbenlang am
SUaoier, aber matt — matt — fterbenSmatt. ^ier l^ben mir'S:
„ber Oeift ift miOig, aber baS ^leifd^ ift fd^ma^''. ^ eS
fomeit mit mir ge!ommen? Ober nur teilpeife? ^^d^ glaube
Ie|tereS ; benn mein (Beift ift mol^l etmaS unmiUtg gemorben.
S>aoor emp^nbe id^ jebod^ (ein befonbereS (grauen: biefe Straft
gibt mir Oeetl^ooen immer mieber.
— H —
3)cn ...
3>etnen J^eOen Qoxn äbet baS groge dffenttici^e ^tgerniS,
baS Üttd^arb äBagner unb ^anS t)on SAIoidS fjfnitt
(Sofinta ber Sßelt gegeben l^ben, begreife id^ fel^r tool^L
3)tefe flttlic^e (Sntrüfhtng getetd^t 3Hr jitr 3ierbe. SBte foHeit
n>it ältftttnet itnS aber iu btefer Zat — ober mUntfyc Vintat
fteOen? 2)tt femtft mxdf px gut, um nid^t ju iDiffen, ba| id^
in erotifd^en Stngelegenl^eiten fo nad^jid^tig bin tok nur irgenb
einer. 8ßie fe^r id^ aud^ allerorten ffir eine einl^eitlid^e
aOe unb aOeS vetbinbenbe äRoral eintrete: fo meine id^ bo^,
baf man in @ad^en ber Siebe ben JlünfUer mit etn)aS an>
berem SRa^e meffen barf öIS ben 9Hd(|t!änftIer. SQein l^ier
— in biefem ^tte — Fommt ein 9Roment l^ingu, ba8
bem ©anjen ben Stempel beg Gemeinen aufbrfidCt. Stid^arb
Sagner l^at fo unb fo gegen ben äRann gel^nbett, ber fein
ergebenfter ^freunb mar, ein fjreunb, ber jugunften feiner —
ber SBagnerfd^en — Jhtnfl bte aQerl^dd^ften Opfer gebracht
l^at. 3>aS mujite nod^ fo exaltierter fieibenf(!^aft ein euer«
gifd^eS ^alt gebieten. — 9)a^ ber ^auSfriebe unb bie ^anS»
el^re eineg fold^en 9Ranne8 ffir nid^tS erad^tet marb — baS
bleibt nun einmal ffir aOe Qtxt ein ^Ud auf bem Cl^a«
rafter 9lid^arb 9Bagner8 unb feiner nunmel^rigen <Soflma.
3)a^ ber artige 3R&nner, bie il^ren Seibenfd^aften gar feine
3figel anlegen lönnon, nid^t geeignet finb, Srjiel^er ber
3nenfd^]^eit ju fein: baS liegt fo fel^r auf ber^anb, ba^ id^
nid^tS weiter l^injujuffigen bräud^e. — Unb nun, meine Siebe
— fo 1^5re id^ 2)id^ fragen — , toaS mfirbe 3)eitt Seetl^ooen.
in fold^em ^aOe gefagt l^aben? 3d^ glaube, meit härteres,
als id^ es eben getan l^abe. @erabe in iöngfter 3^tt ifi ein
Srief SJeetl^oöenS an feine S^^wnbin, bie $ianiftin SRarie
Sigot, burd^ bie ,,@ren)boten" belannt gemorben, morin er
@elegen]^eit nimmt, fld^ fiber feine SBejie^ungen ju ben
grauen anberer auSjufpred^en. 2)arin ftel^en biefe beidmfir«
bigen 9Borte: „@ie mfiffen mid^ fel^r eitel unb fleinlid(| glauben^.
— 55 -
iDenn fte t)orauSfe|en, ba| baS 3u^^^'0W>><^n f^lbfi einer
fo Qortrefflid^en ^erfott^ toie @te flnb, tnid^ glauben ntad^en
foQte, ba^ xdf QUxä) il^re Steigung gen>onnen — ^l^nebem
tft eS einer meiner erften @runbf&$e^ nie in einem
anberen als freunbfci^aftlid^en 93er^dItniS mit ber
@attin eines anberen }u fielen, nid^t miöfU x^ burd^
fo ein fßtx^ldtnxi meine ^ruft mit äRigtrauen gegen bie«
jenige, meldte meUei^t mein @efd^id( einfl mit mir teilen
n)irb, anfuQen — unb fo baS fd^önfte reinfte Seben mir
felbft Derberben." — SSeetl^ooen mar bem merjigften fiebenS*
ial^e nötige, als er f o f ^rieb. Unb nun nimm baS äRoment
beS fd^merften ^reunbfd^aftSperrateS ^inju: unb 2)u lann^
3)ir bann fo ungefdl^r ben ^eiligenjorn t)or{teQen, in ben
ein Seetl^ODen ob fold^er ^nblung auSgebrod^en m&re -.
3>en ...
^eute mu| id^ 3)ir enblid^ oon meiner in«
nerften ftunftlerliebe fpred^en. Steine $]^antafte ift feit
l&ngerer Stit t)on einer mufif alif ^en @d^dn^eit8geftalt mun«
berbarfter (Sigenart angefAQt. @ine Jungfrau auS bem ed^ten
Sanbe ^eetl^ODenS ift mir mie baS munberfame „SD'l&bd^en
aus bet grembe** erfd^ienen. — ©erniffe digenfd^aften an il^r
fd^einen mir gu t)er!dnben, bajs fte fär mid^ mie gefd^affen
fei — eine mal^rl^aft pr&ftabilierte Harmonie fär mid^ --'
um einen Seibni^fd^en 9luSbrud( gu gebraud^en. ®ie ift eine
@ried^in unb gibt burd^ il^r <5piel ^eetl^ooen in einer SQSeife
mieber, ba^ bie laufd^enben bergen gauberl^aft ergriffen
merben. ©ie entfaltet babei l^eroifd^e Jtraft unb meiblid^fte
3(nmut. @elbft für ein SBeetl^ooenfd^eS Slbagio beftt)t fte bie
meil^eDoQe @röge unb feelenerffiUte SHad^t beS 2;oneS —
ftunfttugenben, bie htm i^rauengeifte gemöl^nlid^ oerfagt finb.
aßaS SBunber, ba| fte mid^ im ©turmfd^ritt il^reS äSeetl^oDen*
fpieleS erobert l^at! 9ßenn fte mir begegnet uub mi^ ein«
mal mit il^ren großen 9lugen anf^aut^ bann fälble id^ mein
;3[nnereS t)on namenlofer @eligfeit burd^jogen unb aOe £eiben
- 56 —
im^ fol^ eitiM 8Iid ber 8tt«eti in Setl^ ftilfe Stuten
btgtoften* ttenn id^ bo^ lenmnb loft^te, bec mi<l^ in bie
Umgebung ber l^trlid^en 9inÜftmxa -^ baS ift il^r Somame
~ bcingen Mnnt^! Oft taud^t bie iDunberfdl^fitte Oeftalt ist
meinen @ebanfen unb 2:tftnmen glei<l^ einem gUnjenben
dtembttbe auf nnb ptt^ mir baS l^erj vor nie )u ftiSenbet
<Se^nftt^t aufammen.
3)ett . . .
. Oeftem mar ii) in taufenb dtngfien. 3>ie
A-dur«S9mp]^anie flanb auf bem Jtongertprogramm — i^
aber mar tt\6)6p^t Mtt iebem, aud^ bem fleinften, tlingenben
aXittel. fteine b^fteunbete 6eeCe lieB {i<^ erblicfen. ÜnbUi^
fiel mir no4f ber rettenbe <Skbanfe ein, bem 5laffenmart ein
Unterpfanb bis sum n&d^ften ftonjerte ju l^tnterlaffen. 3)iefe
(S^mpl^onie giel^t mid^ nun einmal ebenfo magifd^ an, mie
bie ftrone aOer OeifteSfci^Spfung, bie neunte Spmpl^onie.
9(nt]^emia tr> jje^t oft ben fd^dnflen (Blanj in meine
Zraummelten hinein, ^n ber lel)ten 3^t ifl ^e mir oft
erft^ienen. 5Cie |>oetifd^en 2;rattmfeelen flftfierten 9B^e
ungeal^nter SiebeSmonne. 3n manchen SRomenten ift il^r
ganaeS SBefen oon äberirbifd^er ^ol^eit umfhal^^t. ttittmol
l^aben mir unS in lUdem 93eifammenfein l^ol^ ^nge über
9liefenfd^5^fungen Seetl^ooent erj&l^lt. ®ie mit unS ba fo
nermanbt in ber tiefflen Serel^rung fftr biefen Urmeifler Dor«
lomen? — ^6) mar aud^ im 2;raume (rant: ba umf darnebte
fle mid^ engelgleid^, m&l^renb id^ auf bem Sd^mei^enSlager
fd^tummerte, unb meldte meiner l^eijlen Stirn mol^ltfttige
Jtül^lung ju. — ttnb ein anbetmal moQten fid^ bie fingen
gegenfeitig ergrünben unb bis inS Xieffte, ätllerl^eiligfle bef
;3nnem fd^auen. — SoQ ad biefeS leerer 2;raum bUiben?
2^ mid mir nid^t in ben Sinn. Unb bod^ fomme id^ tm
feinen Sd^ritt meiter, xo^nn id^ fle aud^ oft in ben Jlonserten
etblide unb mid^ an il^rem SBunberblidE beraufd^. S^tl^erea
unb il^r fd^K^afteS Sdl^nd^n fd^einen te|t gang oon mir
~ 57 —
getok^tt au fein. 9Rein mdnnU^ec ®toIs l^ctt je^t feine
fc^werfte ^räfttngSjeit. ^ä^ fpred^e nic^t toenige, bie fo
gMid^ {tnb, il^re (SefeOfd^aft teilen au lönnen^ id^ tfinnte
älfo ben eintn ober ben airi^eren bitten^ mx6) biefent l^olbeu
WAiftn ooranfleSen. 6ie tttUf^tt Diel im ^ilbebvanbtfd^en
|)mtfe: fott ii) bott iel^t dftet als fonfl meine ^efud^e
»ad^en? Stola unb £iebe leiten mic^ baoon autfidt. SciS
btttt id^ biefem SBefen fein? Sie ift eine ooQenbete tt&np
ferin, bie detteid^t gar nid^t an mid^ ben!t, bie fibtigenS
attdl in anberen Singen fd^n)er(id^ Selel^rung mon mir er«
langen (ann. ^d^ bin il^r gegenüber nod^ nid^tS; eS t^ftre
olfo Xnmagung, wtnn id^ mid^ i^ mit Hoffnungen n&^ern
MKte. 3>er Mnnlid^e Stola l^at feinen ttrgmnb in ber
iiitin ^fd^eibenl^eit, bie auf Sßa^rl^aftigleit berul^t. Sd^ter
Stola unb ed^te Slefd^ibenl^it mäffen immer gepaart
in bemfelben 4(inaelmefen erfd^einen. 2)ag id^ fo oiel an
bkfe fd^öne (Sried^in benfen mu^, ^t aud^ au^er ber
f^meraerfäQten Seligfeit einfamer Siebe boS 9ute im @eleite,
ba| id^ ffir Xugenblidfe oon meinem anberen, immerm&l^renben
Seiben abgeaogen merbe unb nid^t feiten einen Sd^immer
{l&rtenber Hoffnung Iblinfen fel^e. hingegen ifl mir 9)eet]^ooen8
^nbermad^t reid^lid^ 9ärge, ba| mid^ SiebeSleibenfd^aft
ie|t nid^t oerael^ren lann. Seetl^oenS Straft fiberminbet bei
init felbfl ben ftObefleger (tt^i. ~ SBenn id^ aud^ im Sinne
bts l^erainnigen 2:roubabour8 lOernart oon SSentaborn
fft^Ie, baH biefe äÜ&bd^enerfd^einuttg mid^ in einen Sauber«
fvitgel blidfen liejt, ber mein |^era gefangen ^<, fo ftimme
^ bed^ nid^t gana in biefen Xon beS lieblid^en S&ngerS ein:
^u Spiegel, feit i^ in bid^ fal^,
Setjd^rie mid^ ber Seufser ®lut.
<iefc$ie^ mit bmm, tooS eiitfl gefd^a^
9taxdt% bem ®^dnen an ber f^tttt.*)
*) Miraflis! pois me mirel en te Qu^aissi m perdei, cum perdat se
tt'aa mort li sospir de preon. Lo bels Karcezis en la fon.
— 58 —
SCbec Wxt^mia ift h<a erfte 9Bei6, hcS mit (S^rfüc^t
gebietet! —
2)e« ... .
r— 3)tt mugt burd^auS ®^umanni (Sd^riftcn.
aber 9Ru{U lefen, benn aud^ iebem gebilbeten Saien ftnb fle
nerftdnblid^. @eitbem id^ loei^, tote unenblid^ @d^tttnann bett
^d^ttteifter ^etl^ooen oerel^rt, äbt er^ als @rö^efter ber
(Spigdnen, immn grdgere Sttstel^ungStraft auf tnid^ au8^
(E§ ift erl^ebenb, ju lefeti, n)ie Sd^umann feine SSerel^ntn^
funbgibt. ^aS ift freilid^ !ein äBunber, bajl i^, bet ti)in>>
Sigften mufifalifd^en $9gm&en einer aui>< nyeltftävmenben
Sliefen bemnnbernb, voü l^eiliger (S^rfurd^t auffd^aue. 3lber
eine Sltertoärbigfeit bleibt'S intmerl^in, bajl felbft ein fp
großer S^onbi^ter^ n)ie fRobert @d^uniann, fo unbegrenzte
äJerel^rung t)or bem Xonmeifter 3eet]^ot)en jur poeftei[>ol[en
3)arftellung bringt. Unfere 9Ruft{er fummern fid^ leibec
all3un)enig um @d^umannS @d^riften — unb !önnten bod^
faji au8 ieber Seite l^eilfante SSelel^rung fd^öpfen.
3)en Flamen ^eetl^o^en foKteft 3)u immer unt}er!firat
fd^reiben; er ift iu })tf)x, voaifx^a^ l^eilig, er blidEt un§ fo
n)eUoer]^ei^enb an. Sßarum lann id^ nid^t mie niele anbere
länger beS l^el^ren 3JteifterS su feinem ®rabe maQf alerten?
mii) unfterblic^eS @ebein birgt bie Jtaiferftabt Sßien?
3d^ m66)U, nad^ 3lrt beg ^rienerS ^iaS^ mein ganjeS ^ab'
unb @ut, ba§ l^eigt mid^ perfdnlid^ ju SBeetl^ooeng @rabe
tragen unb mid^ bort ganj bem l^ol^en ^ienfte feiner SEBelten
meil^en! — Slber bag fann id^ ©ir freubig brennen: feit*
bem id^ mid^ immer mel^r mit bem ©tubium meineg ^od^«
meifterS unb anberer SSornel^men im ®eifte befaffe, bin id^
Don feinem äBunfd^e mel^r befeelt, eis ba^ mir ein noQ»
!ommen bef d^eibeneS ®emut juteil merbe, unb ba| id^ immer
mel^r ^Befreiung joon j|ebem el^rgeijigen Streben erlange. —
3)ag rein älu^erlid^e l^at nur SiraurigeS fär mid^, eg
wirb immer l^drter. 9Äein ^erj ift ooQ t)on Unmut. Sag»
— 59 —
lid^ mn^ i^ meinen (Seift 9on neuem im SSerfd^merjen ä&en.
SBenn id^ eS nun aud^ in biefer Jtunft fd^on ftatüid^ mett
gebiad^t l^abe, fo l^oi bod^ aud^ hoS 93erfd^mex)en feine
^renjen, bie fd^n)er ober gar ntd^t gu fiberminbenbe Stlippen-
toerben. Unb bod^ xoitb mein Sl^aralter burd^ baS Über»
mal beS SeibenS immer fefter geftdl^lt; ed^ter Stolj l^&tt
mid^ tro% aOer 3)onnerfd^I&ge, Dom ®efd^id( auf mein ^aapt
gefci^Ieubert, aufredet unb gugleid^ ergeben, ißergel^t mir
bod^ fein Zag ol^ne malere (Srl^ebung burd| bie i^been
SBeetl^ooenS.
®en • . •
— Qu mand^n S^i^^ überf^Ieid^t mid^ felbft
ber eiftge ®eban!e, ba| eS XoIQü^n^it x% in fo fpdten
^al^ren ben ungel^euren ©toff ber äRuft! bem&Itigen gu
xDoUtn. SBSenn id^ t)on Doml^erein bie faft enblofe Steige
fd^mer gu befteigenber 93ergmaffen lebenbig oor mir gefeiten
\fHU, mer mei^, ob id| bie gefal^nooDe ®ebirgSreife untere
nommen ^tte. 9hin bin id^ einmal untermegS — ba mv^
bie Straft mit ben ®efal^ren mad^fen. Überl^aupt !ennft S>u
meine leitenbe (Brunbibee. 9(Qe8 miQ id^ gur SBerl^errli^ung
9eet]^ot)enS, aUeS im ^inblidt auf fein l^eiligeS/ bornen«
gefd^müdtteg SrbenmaQen tun unb erleiben. Unb id^ l^abe
S)ir ben göttlid^en @eniuS oft genug Dorgefäl^rt. Slber um
ein 9(pofieI beS Snuftfl^eilanbeS ^eetl^ooen gu fein, mu^ man
ftd^ madter räften; id^ tue eS. — ^aj| aDe auf mic^ ergärnt
jtnb, meil id^ eine bargebotene, gl&ngenbe ^auSlel^rerfteQe
in einer mingigen @tabt ^olenS Don mir meife, ift etmaS,
baS id^ begreife, meil bie SJlenfd^en meinen Sifer für bie
ftunft gn Derfpotten gemol^nt ftnb. ®enug! id^ merbe nie«
malS meinen ®eift lebenbig begraben, um meinen Seib gu
pflegen. Unb menn man mid^ an fold^ einem Orte au^
gang mit ®oIb äberf&en mollte — i^ märbe mit l^S^fter
@emätSru]^e banfen. Seiber mug id^ annel^men, bag 2)ir
unb ben anberen SRitmiffern in ber gamilie meine SebenS==
— 60 —
toetfe ito^ tiefer in bie Seele fd^eibet, als nttr felbfl;
x^i, oB vo&ct tt galt} fo in ber Orbnung. 9teine eigenfte
SrfW^ntng fagt eS mir: je größer mein nnverfd^nlbeieB Uit«
gifttf, befto manneSftoIaer nnb nnbengfamer id^! —
3)en ...
^eute etf&l^rft 2)» eine angenei^me 9lad^ri<l^t
fie mirb 2)ir gen)i| ^freubenir&nen entlodCen; id^ !enne ^in
liebes Oemftt. äReinem SebenSlaufe jeigt ftd^ iet^t enblid^
ein menig Sonnenlid^t; id^ beginne frifd^ anzuatmen. 3d^
l^abe nun enblid^ n>ieber anSreid^enbe Sefd^&ftignng olS
^rioatlel^rer gefunben, fo bag id^ mieber menfd^Iid^ leben
fann. ^a fold^e £eiben nnn non mir Slbfd^ieb nel^men
moSen, barf id^ mol^I fagen: id^ ^abe mid^ faft ein oolIeS
3a]^r gefd^nnben, mie feiten ein SRenfd^. ^ffentlid^ fel^t
mir fülii^e 3^it beS 3)arbenS nid^t mieber. — ^e^t fnnge
id^ QUd^ an ju i^offen, bag bie (Sonne ^omerS mir bolb im
^bdbranbtfd^en ^oufe I&d^n mirb. SSieOeid^t ^abe id^
bolb baS ®l&d, 9ntfftmxa, meinen ätugentroft, ju fd^, fu
l^dren nnb jn ffnret^n. ^ ai^ne eS nnn einmal unb ffilf^e
mä) glAtffelig im Sorgeffil^te fold^er ^ersenSerleid^ternng^
biefer enblid^ gefKEten Se^nfnd^t.
Pnfte« ftopitet.
©tc Ci8-moll*@onate-
3m ^eik !ann bi^ Me Biene tneiftetn,
3n bev vef4i(Ki(i^it ein IBitrm bein Seigrer feto,
$ein 9Bi|[en teileft Xu mit oordejiognen (8ei{leni,
t)ie Stnn\t, o 9tenfd^, ^aft bu auein.
ec^iller: S)ie i«ln{to.
Xie unbegveiflid^ (ol^en Sßer!e /#y
6inb ^ertlic^, mie am ev^ %H'Uf
(Soetl^e: ^attft.
S>et menfd^enfcettnbliAe, oottvermanbte ^Mfin ent»
fü§rt ung ber Sd^werfraft ber (Srbe, trägt und auf feine
feurigen SKÜgel l|inauf 5id in ben Rreid bed $immetö,
bann fenrt er ^±, aud^ feine anberen Jtinber }u ^eben;
und aber ^te^t bte 6onne an.
Sdtne: 9lu8 meinem ^lagebud^.
\XL äBittigS ^mmtt l^errfd^te ber (Seift ber Orbnung unb
@(mber!eü. (SS loor bort nid^tS Don jlenem bobenlofen
S>itrd^eiiiastber iDal^rpnel^inett, boS man gemeinl^in fftr ein
d^arafteriftifdieS SJlerIntal ber !ünftlerif(i^en (Senialit&t an»
fielet. SteQt baS geflfigelte SSort „geniale Unorbnung''
nid^t f(i^<m m unb fär ftd^, n)enn auti^ nici^t einen 9B3iber«
fprud^, fo bod^ ein $arabo;on bar? 2He ftnnft l^at ti ntit
bent (Seifte beg @eorbneten, beS AoSmifd^en }u tun: beS*
j^olb m&re ber XnSbmdt »rgeniale Orbnung" ebenfo fo n^al^r
als tief unb ftnnreid^^ n}&]^renb ber 9lu8bmdt „geniale IXn*
orbnung" einen ftftl^etifd^en Sßiberfinn in fi^ begreift.
— 62 —
S>ie fd^önfte 3i^^t^^ fetneS 3iwi><^i^S ^^^^ Sbgar in einem
9ortreffIid(ien ^ttbniffe ^eetl^onenS — nac^ iSd^imonS ÖU
gem&lbe — baS aber feinem ^iono l^ing. @o l^atte er beim
ftlat)ierf;nelen ftetS bie olQmpifd^e Snad^tl^errlid^feit feines
SReifterS unmittelbar vor ftd^. — Über bem @d^reibtifd^e be»
fanb fld^ ein 93ilb auS bem iOtUgenbleben biefeS Unfterbttd^n.
3)er Jtünftler i)at ben äUoment aufgefaßt, in bem ber l^imm»
lifd^e SRojart, munberbar ergriffen non ben ^l^antafteen beS
Dor il^m ft^enben, !aum ftebje^njl&l^rigen Seetl^ooen^ ben an»
beren S^i)butn beffen juffinftige SßeltgrSße nerfänbet. ®er
@eniu8 SJtojart l^atte ba8 merbenbe ®enie 99eet]^ot)en
geiftig erfd^aut. —
3U8 (Sbgar eines abenbS nad^ ^aufe !am, fanb er ein
freunblid^eS SiEet nom ©el^eimrat ^ilbebranbt vox, morin
il^m biefer für ben n&d^ften (Sonntag }u einem ,,2;eQer @uppe"
im Greife feiner Familie einlub.
(SbgarS ®eele marb t)on biefer (Sinlabung mit frenbigen
fSl^nungen erfäUt. 9Bar eS nid^t leidet ben!bar^ ba^ er bort
mit Slnt^emia snfammentreffen mürbe? 3)ie Zoster beS
^aufeS lannte il^n unb feine mnfüalifd^e 93egeifterung; mie
leidet fonnte fle nid^t baran benfen, il^n mit il^rer funftleri«
fd^en f^reunbin belannt )U mad^en! (Sr marb fo red^t feelen«
fro^. ©omol^I m&l^renb beS ^l^antafterenS als aud^ beim
(Stubium Seetl^ODenfd^er Sionmerfe fd^mebten je^t bie lieb»
Ud^iften^ rofigften S9iiber Dor feinem ®eifte. 9[uS ben mannig»
faltigften Siongebilben trat ^artn&dtig bie äS^unbergeftolt 9(n«
tl^emiaS ]^en>or.
2>er junge SRufifer l^atte feine liebe SRu^e, biefen Sonn»
tag in Slul^e ju ermarten. (SnbUd^i mar nid^t aQein ber Xa%
ba^ fonbern aud^ bie ©tunbe, bie il^n in baS $auS beS @e»
l^eimratS fül^ren foUte.
$ier erf annte (Sbgar fd^neQ ju feiner unenblid^ien Sreube^
ba| il^m bieSmal bie ^offnungSfÜmme nid^t gelogen l^atte.
9lad^ ben üblidEien SSormurfen ob feines fo feltenen @r»
— 68 —
f^emenS würbe SBSittig ^r&ttlein Slntl^emia ^aOeufoS oor«
gefteHt. äCntl^emioS grof e Stugen f onnten bem offenen, freien,
!Iaren 9Hd(e (SbgarS nid^t re<l^t ftonbl^alten, fie fenften fid^
— unb leidstes ^rpurrot äberjog bie jatten SBangen ber
Jungfrau.
5bie (Familie beS ©el^etntrats beftanb anS i^nt felbft,
ttttS feiner (S^gattin unb feiner 2;od^ter &mma. 9[ü§er Xn«
tl^emict unb (Sbgar war nod^ SntmaS SBerlobter, Seutnant
Jtorl TDon @i((ingen, anwefenb. 3)amit war bie ®efeQfd^aft
t^oOj&^Iig.
^Al^renb ber Xafel fajsen bie beiben ^reunbinnen neben«^
einanber, (Sntma red^tS, 9(nt§emia lintS. (Sntnta woQte iebod^
oud^ il^ren Jtart in unmittelbarer 9l&]^e l^aben, weSl^alb biefer
feinen $la^ 3U i^rer Siebten einnahm. (Sbgar war fo glädCIid^,
)ur Sinlen ^nt^^miaS gu fi^en, w&l^renb xf)m felbft jur Sin!en
bie ftattli^e, liebenSwflrbige ^rau ©el^eintr&tin fag.
9Ran l^atte bereite ein langes unb breites über bie
wid^tigften SageSereigniffe gefprod^ien; ber rebebegabte, beut
@otte 9RomuS ergebene ^auSl^err l^atte gewanbten @eifteS
aKe babei jutage tretenben SSerfel^rtl^eiten gegeigelt. 9lad^«
bem faft aQe erben! lid^en Unterl^altungSgebiete bur^ftöbert
waren, Ien!te t)on SidCingen baS ®efpr&d^ auf bie Siteratur
ber (Gegenwart.
— Sie wiffen, meine ^rrfd^aften, fagte er, baj5 id^ Don
iel^er beftrebt war, aQe (£rfd^einungen ber 5lun{i unb £iie^
ratur, foweit meine bilettantifd^en ftr&fte auSreid^en, ge«
wiffenl^aft prüfenb px verfolgen. 9le]^me id^ bie bilbenbe
ftunft aus, bann lönnte id^ von leiner @d^5|)fung ber 9leu«
seit beliaitpten, bag fie mir ooQe äftl^etifd^e 93efriebtgung ge*
wdifrte. 3flxt wiQ !eineS Don aU ben in Unmaffe l^rauS^
gegebenen unb thtn erfd^einenben 9Ber!en bie ^ä^igfeit in
fid) tragen, bie SJlenfd^enfeele wal^rl^aft ju l&utern — unb boS
t^erlange id^ burd^auS oom ed^ten ftunftwerfe. ^d^ vxhl^ be«
lennen, ba^ id^ ba oor einem mir unlösbaren 9l&tfel ftel^e.
— 64 —
— 34 Bl^ttbe, beeilte ftd^ bet Qkifdtntat su bemet!eii^
bie Siteratur, übtx^anpt aKe Jtunfte unb SBiffenf^aften
tftiinen ftd^ nietnolS }» einer e|)o^mad^enben Öläte ent*
falten, VHnn bet Staat biefen eigentltii^en $f[an)ftdtten bec
SDlenfd^enerjiel^ung leine energifdie Sorgfalt n)ibmet. Unb
in SnUitftrftoaten fd^eint baS fßoVt in feiner Oefamtl^eit ja oor
aQen 3)ingen ba)tt Dorl^onben p fein, nnt baB militArif^
heftige in feiner aQerbingS bebeutttngSnoSen ftraft, Abert»
ifoxcpt ben Solbatenflanb in feinem ^ad^tglange iu erholten.
9Ba8 Sßunber, ba| babei bie eigentli^e ^ege beS ftftl^tifd^n
(BeifleS aiemtid^ leer anSgel^t! ^a, ja, lieber ^err ®^mt%zx*
fo^, eS iji fd^Iintm, aber barunt ni^t n»eniger »al^r.
— (2i nnn, nerfe^te biefer, bent SSoOe gef&Qt eS juft fo,
baS SBoIf ift uns oon ^ei^en gugetan, ja wir ftnb in fS^x*
l^eit fein <Snt}fld(en; fold^e StaatSeinrid^tnngen mäffen alfo
n)o]^I bem eigentlid^n SQoItSgeifte entfpred^en.
— @an3 red^t, Heber @o]^n, il^r bel^altet euren berfidCen«
ben 3<^itber, bleibt bie flegreid^ften SBelt« unb l^rsenS*
eroberer, niie vieles man oud^ an tai) au8sufe|en l^oben mag.
— i^l^rer Slnfld^t, ^nx Oel^imrat, — nai^m Vntl^emia
ba8 äBort, t>ermag au^ id^ nid^t gonj beisupflic^ten, obn^ol^l
id^ biefe ^inge von einem anberen ®efld^t8punfte aui be^
txaä)U, als eS (SmmaS SBr&utigam tut. 3^^^ (Errettung 9on
f f d^merer Slnflage mag l^ier, gleid^ ber ftiQ verborgenen
gfttigen %tt im SRArd^en vom 2)ornröSd^en, bie l^immeU«»
to4lter SPtufil ^eroorf4ilüpfen unb iebe 93eno&nfd^ung ober
SBerbammung, bie auf baS^aupt ber armen ^rinjeffin Stunft
l^erabflel, in ben gnabenooQften Segen ummanbeln. 2)enleii
Sie an bie glansvoUfte 3eit ber SRufU, bie fld^ an baS S>rei«
geftim ^a^bn, Snogart unb lOeetl^ooen in SBien (näpft.
äBaS l^at bie faiferlid^e ^Regierung getan, um bie irbifc^en
9Bege ber im SBerei^e beS :3bealen manbelnben Zonl^roen
iU ebnen? Ungef&l^r nx^ti. Unb bo^ l^aben fle bie er*
ftaunlid^ l^ol^en @ipfel il^rer göttlid^en 5tunft erftiegen*
— 65 —
^ S)a8 finbe td^ oortreffUd^, gn&bigeS ^r&uletn, fpra<i^
je^t (BbQßt, ba^ ®ie ber @elbftpife ht mfei^r ^nft ein be«»
rebteS S93ort gefpenbet l^aben. iQfd^ mS^te mir l^injusufftgen
erlauben, ba^ ftd^ um bie SBitffantfeit beS gro^artigflen
biefer @enien, bag ftd(| nm ^eetl^ooen ber ftaiferftaot nientalS
emftti^ ge!ömmert l^at. 93Ubet nid^t ber Stogfeuf^er biefeS
SSeifterS: „SS^ie fteUt man ein parvum talentum com ego an
ben laiferlid^en ^of" eine bleibenbe 3lnHage gegen benfelben?
— Slber^ mein lieber ©idingen, bie Urfad^e für ben größeren
ober geringen @rab t)on £eere unb ^raftlofigfeit, bie un^
ans ber übermiegenben 3}lzf)Xiaf)l ber mobernen $robu!te ent»
gegenftarren, finbe id^ ganj befonberg in ber beifpiellofen
6^arafterIojtg!cit ber 3ßit. 3)er nngel^eure Sluffd^mung ber
;3[nbuftrie ^t ben ©emütern fd^neQ bie jerfe^enben @d^atten-
feiten eingeimpft. SBenige ©l^araftere ermeifen ftd^ alS ge*
ftnnungSDoH, ober feft nnb unjerftßrbar mie ^elfengebilbe.
SBeil fid^ nun biefeg allgemeine ®runbübel ber ^txi I&ngft
auf 3)id^ter, Äünftler, ©elcl^rte unb auf &]^nKd^e]|Rategorieen
erftredtt m^ fann un§ aud^ au8 ben ©d^6pfungen fold^er
aM&nner fein ed^teS, feft geprftgteS (B^arafterroefen entgegen«^
fd^auen^ baS imftanbe ro&re, unfere ©eele mit jenem ^zu
ienben SBorgefül^le ber unbefledtten Sfteinl^eit ju überjiel^en.
9lur eine burd(auS reine SWenfd^enfeele fann eine roal^re
ßunftfeele ergeugen.
— ®aS ift mir auS ber ©eele gefprod^en, fagte barauf
Slntl^emia leud^tenben ^lidCeS. ^i) l^alte j|ebeg ed^te ®enie
für eine neue perfonifigierte SReligion, für ein eigenartige«
©nangelium ber äjlenfd^l^eit. 3)en Unterfd^ieb gmifd^en ber
eigentlid^en Sleligion unb ber ®eniereligian finbe id^ l^aupt-
fftd^Hd^ barin, ba^ bie erftere bei aK il^ret innerften ^eilig«
feit non gar }U melen ^^^tl^en umfponnen ift, mfil^renb bie
anbere bei faft ebenfo tiefer ^eiligfeit bie ftrengfte reale ©runb*
läge l^at. ^^ menigftetiS befenne mid^ sur @eniereIigion.
— Sie fprcd^en ja aber gerabe tme ein at^iftif^er
— 66 —
^l^Uofop]^, meine Siebe! fagte fd^einbar betroffen bte freunb«
K^e Sßirtin be8 l^oufeS. — Übrigen? »irb bie Unterl^altung
fo ansiel^enb, ba^ oQe vergeffen, fld^ t)on ber SSortrefflid^feit
meine? ^afenbratenS gu fibei^eugen.
— 9Hd^t8 ffir ungut liebe 9Rama, bemerlte (Smma.
Sßir Idolen fd^neQ genug baS SBerfdumte nac^. 9S3ir aQe lieben
eS jja, fo red^ lange an ber Xafel gu ft|en^ aud^ bann nod^,
menn bein Jtfid^enjettel bereits erfd^öpft ift.
— (Selben Sie l^eute nid^t inS Sqmpl^onie^ftongert, ^err
äBittig? fragte mit einemmale ber (Sei^eimrat.
— ^tnU prangt ja ber 9lame Seetl^ooen nid^t auf bem
$rogramm^ beeilte ftd^ (Smma ftatt beS (Gefragten ein menig
ironifc^ 2U antworten; ba merben mir enblid^ einmal mieber
baS 93ergnfigen ^ah^n, $errn SEBittig ben gangen weiteren
@onntag bei unS ju l^aben. 9tid^t ma^r^ mein ^err?
— ®ie 3>ronie gefeilt fid^ gar nid(|t übel )U ^f)xtt
SiebenSmürbigfeit, perfekte Sbgar. 2lber @ie miffen eS ia,
mein gnäbige? $r&ulein, meber SBi^, nod^ i^h^onie^ nod^ @ar«
laSmuS, nod^ irgenb etmaä anbereg fann mid^ von meiner
überfd^menglid^ großen äJorliebe fär 9eet]^ot)en3 2:on^
fd^öpfungen abfpenftig mad^en.
— (SS freut mid^^ nal^m l^ier Slnt^emia baS 9Bort^ bag
je^t gerabe bie 9lebe t)on SBeet^ooen ift. ^6) möd^te mir
etmaS Don ^^mn erbitten, ^err SDSittig. SBoßen ©ie mir
gem&l^ren?
Unb babei fal^ fte (Sbgar fo j&rtlid^ bittenb an, bajs
biefer !aum red^t mu|te, mie il^m gef^al^.
— ®en)i§, entgegnete er nid^täbeftomeniger mit gefaxter
@timme; menn e? irgenbmie in meiner SRad^t liegt, merbe
id^ mid^ unenblid^ freuen, i^l^nen einen 9Bunfd^ ju erfüllen.
— 9lun mol^l benn! ful^r Slntl^emia fort. iQfd^ l^abe
bereit? oiel äRerfmürbige? aber il^re SSeetl^ooenoerel^rung Der»
nommen. ^6) geftel^e felbft au? DoQfter Überjeugung, bag
— 67 —
td| am lie&ften im Zonuiöft biefeS (KeniuS fc^melge: aber
ic^ Dcmaci^I&fftge barum tit^t Xonmeifter mie |^&nbel, 9ait,
(Sind, ^a^bn, aRojart, äBeber, Sd^ubert, aRenbelS'
fol^n, ®d^umann, SBagner, £i§3t unb anbere, obfd^on
ott^ mir 99eet]^ooen als ^errfd^er unter ben $errf d^ern baftel^t.
SEBie gel^t tS nun }u^ ba§ ®ie ftd^ aUein ju bem einen
99eet]^ot)en fo t)SUig l^ingejogen füllten, bag biefer @eniu§
aQein ^l^re Seele befriebigt?
— älud^ id^, fiel non Sidtingen ein, n^oUte (Sie I&ngft
nm bie (Sntfd^Ieierung biefeS ^l^reS eigenften ^roblemS er»
fud^en. ^6) mdd^te mir bal^er ben SSorfd^Iag erlauben, bajl
mir uns in ben aJtufilfaal begeben, wo unS f^reunb SBittig
oUm&l^Iid^ 3um äSertrauten feines (Seelengel^eimniffeS mad^en
fann.
— SRed^t gern, oerfe^te biefer, miU id^ ben SSerfud^
mad^en, meine verehrten 3)amen unb Ferren, mofern @ie
mir in Siebe unb ©ebulb jul^dren moQen.
9lad^bem nun fo, mie eS fd^ien nad^ aUer SEBunf^e, baS
Signal pxm älufbrud^ gegeben mar, l^ob $rau ^Ubebranbt
aud^ offisieQ bie S^afel auf. :3[]^r (Sl^egemal^I 30g fic^ ju einer
htrjen Siefta juräd. 2)ie äbrigen begaben ftd^ in ben elegant
eingeri^teten @aal unb nal^men il^re ®i^e in ber 9l&^e beS
prad^tDoQen f^lägelS ein.
^ier l^ub CEbgar alfo bie (Sntrdtfelung an:
— ^6f bringe 3^nen gundd^ft eine kxt ©leid^niS vox.
Slejcanber ber ©roge mürbe einft gefragt, mie eS benn ju«
ginge, ba^ er burd^ bie 9Ber!e beS einen ^orner aQein er«
gö^t märbe, biejjenigen ber anberen 3)id^ter aber oernad^«
Idffigte? — aBeil bie 9BerIe ^omerS aOein ma^r^aft f öniglii^
ftnb, antmortete 9lle;anber. — ^^ nun merbe beSl^alb t)on
ben Sd^dpfungen beS einzigen 3eet]^ot)en fo öbermd^tig er«
griffen, meil biefe aQein ben ®eift beS mal^rl^aft @ittlid^en
in ftd^ bergen. Sllejranber liebte baS Aöniglid^e, ic^ liebe
baS !rdftig (St^ifc^e.
5*
— 68 —
— i^latntnt beim iriii^t au<l^ oitS Sftd^, «tS ^ittbei,
aus 9lni ^r ^^uerftrom echter ©ittetthoft? ftogte ^bB^ffmäa
i^en^itiibert.
— @e]^r woijH, mein oerel^ei» $t&ttleu. Unb vatUt bitfeti
am gemoltigften auS ^dnbel. ^ot eS bod^ 9eetl^0Deii
im ^bff^pnxdU feines S^affeng auSgefpro^en : „^nbel \)ft
ber gröf te äReifter, ber je gelebt l^ot", unb bann bagu feiet»
lid^ bemerft, ba| eS bie 3^^^^^^ ^^ l^eiligen (Sd^onem
tieffter (Sl^rd^t erfaßte: „SGBal^rlid^, id^ mörbe mein ^aupt
entbtd^en unb auf feinem ®rabe Inieen!" (Sie mdgen and^
l^ierin miebev ertennen, n^ie baä ed^te ®enie eine innige ^ac*
monie non ^fd^eibenl^eit unb ftolgem ^Ibftbemu^tfein bilbet.
3)er 9lad^melt bleibt eS Dorbel^alten^ ben geredeten SRid^tfprud^
ju fällen. — @8 mu§ barum einmal bel^auptet werben, ba^
ein fo tief einbringenber et]^ifd^»ftoI}er ®eift bei attet SeibenS«
tiefe nur ouS Seetl^ooen fprid^t. @o nad^l^altig mirfen jene
anberen Heroen feineSmegS. Aeiner Derfd^afft unä fo baS^
ed^te bornengefrönte Silb ber ouS ber @ittlid^feit geborenen
^elbenmad^t im @d^affen, mie ^eetl^ooen. 3^ möd^te alfi>
nod^ beutlid^er f agen : Seetl^onen gibt unS baS 3)t&nnlid^e im
Sid^te ber Heiligung. — 9tud^ ift baS ^ropl^etentum ber
anberen ^elbengeifter nid^t felbft&nbig genug, eg ift in feiner
Sefenl^eit an baS SBort gebunben. ^^ liebe bie äl^htflf ciSt
reine, DöQig burd^ ftd^ aQein mirfenbe ftraft. 2)iefe abfo»
lute <Seite ber Sonlunft bilbet bag 3nftrumentalreid^, beffen
l^dd^fter SReifter ^eetl^ooen ift. <Sr aQein fd^uf auS bem
2:onftoffe eine Sßelt, bie burd^ biefe felbft ebenfo flar, beut«^
Ixä), erl^aben, pf^d^ologifd^ mal^r erfd^eint, mie irgenb eine
^oefiemeli Unb biefe Xonpoefte ift eine 3BeIt, bie meit energie«
ooUer unb einf d^neibenber erg&^t, belel^rt, erfd^üttert, reinigt,
\a meldte bie Sd^Ieufen beS Sffieltl^ersenS !r&ftiger aufrei|t,
als bie SSSelt ber äSortpoefte.
— 3d^ glaube, ©ie unterfd^^en bie ^aft ^aijbne unii
3Ro3artg, n)arf @mma ein. ^iS ju 3:r&nen räl^rt mid^ bie
— 69 -
^»itbige 9laii>et&t ^a^bnS ebenf o> wie boS B^^te, S9Be|mtttS«
twQe^ Gottergebene SRojartS in i^ren inftrutnentalen^on»
nietien.
— 9hd^t ba§ Sieblid^e, 3<^cte bel^ettfd^t ben SebenSetnft
ber ftmifl, fonbem ba§ e^ern ^e&enl^fte. d^nen, gr^dnlein
^oOeitfoS, ift gewi^ ber erfle aSogelliebling ber »eiS^eitS«
gSttin 9[t]^ene befannt: id^ meine bie in eine ftrftl^e inenmin»
bette ftoronis. ®ie t^ j[ung, l^übfd^, Iieben3n)ärb^> aber su
f(|in)a|]^aft, nid^t getragen 9on ^o]^itSt)oIlem ^nfle, wie
$dIIaS Stl^ene eS mfinfd^en mu%. 2)e$l^alb wirb fle auS il^r
ä^rbe eines Götterlieblings burd^ bie ernfte, iHitl^etifc^e
Qtttenlungfrau nerbrftngt. 3)er (Sd^ilbtr&ger ber SBeiSl^it
mttl bie Stufen unb ^dl^en beS 3)afeittS erfd^oüt l^aben. @o
nrirb ber tiefernfte, majeft&tifd^ geartete ^eetl^ooen ^rrfd^er
an a^ojartS SteOe.
— 3^ ^<^be meine befonbere ^renbe baran, fprad^ Sn«
t^entia, wie @ie aQeS mdglid^e l^emorfud^en, um nette (S^ren*
fr&n}e fftr baS ^anpt beS nnfterblid^en ^eetl^ooen pt winben.
SEBenn er baS bod^ l^dren f dnnte ! — 3d^ wenigftenS beginne
nnnmel^r il^ren ^beengang }n würbigen. 3ebod^> wie er»
H&ren ®ie eS nnS, bat ^^^ 993er!e SBeetl^doenS unS auif be»
lehren foEen?
— ^dren @ie mid^ an! rief (Sbgar enrpl^atrfdE) auS.
SBir wiffen eS aUe, ba| baS Gebiet ber SRufil ein engereS
ift, als baSjlenige ber $oefie, ber mit i^r am meiften oer«
wanbten ftunft. 9(ber in il^rem engen 9laume fd^attet bie
Zontnnft mit einer berebten Gewalt, (Sinbringlid^feit, ©d^drfe
nnb Unmittelbarfeit, wie feine il^rer Jtttnftfd^weftern. Unb
Veet^onen l^at juerft mit bem gl&nsenbften (Erfolge bie
Zonfnnft in baS 9ieid^ ber ftd^ felbfl genägenben :9^b^e
getragen. SlleS, waS fid^ im i^nnerft^ b^r aitenfd^enfeele
regt, ffil^rt nnS biefer Geift in wnnberbarfter Gigenattigfeit
tmb in ergreif enber Gnergie beS SluSbrudS )u Gemilte. Gs
ift, als wenn jebeS befonbere Gefft^l mit aQen ©Wattierungen
— 70 —
l^ier feinen eigenften 2:onfdt|>er gefunben l^at. äln 9eet«
l^ovenS Xonfprad^e lann man in SBal^rl^ett ^f^d^otogie
ftubieren; benn er ifi ber groge feelenfunbige Sel^er^ ber in
Zonen )U unS fprid^t. — 9Bir Dernel^nten — gunftti^ft allge«
mein genommen — bie ^eiterfeit, bie ^teube am Seien mie
an ber 9latur^ bie 2n% ben ^^bel, bie Siebe in il^rer unenb«
liAen SRannigfaltigf eit -- aUeS auS einem ebenfo reinen^ mie
mdnnlid^en ®eifte geboren. — Verebt erflingt bie ©prad^e
be8 ©d^ergeS, beS tieffinnigen ^umorS^ ber Sd^alfl^aftigleit,
beS ^ol^neS ttnb SpotteS. — 993ie nimmt anbererfeitS ba8
^eunblid^e^ S^roftreid^e, baS ^offnungSooSe^ ^eierlidie, $rieb<
Hd^e, baS ©innige unb unmutige itnfer gangeS SBefen ge^
fangen 1 — Sßie feufgt unfere 6eele unter feinen S^önen ber
äBel^mut, ber Xraurigfeit^ ber 9)teland^oIie, ber 3)äfter!eit,
ber (Seelenangft, ber 9itter!eit, ber 2:roftlofigfeit^ ber Qtt»
riffenl^eit, beS SSSeltfd^mergeS, — mdl^renb bod^ oft burd^ ba§
gange fd^mere S^rdnenrei^ ein l^immlifd^eS Sdd^eln burd^«
brid^t^ gldngenb itnb oerüdrenb mie baS tiefe Himmelsblau?
— SBir erföl^Ien auS feiner Z^onfprad^e bie ©ebulb, bie ®r*
gebung^ baS (Srfterben, bie S)emut, bie Slnbad^t^ bie ®lau'
benSfroft, baS 3>an!gefäl^l in ben med^felooUften ^egiel^ungen.
— SBir l^ören ben ®onner, ben rafenben ©turm^ baS @e»
xoxtttx unb anbereS 9BaIten ber 9laturelemente^ — freilid^
ftetS als ©piegelbilber ber ftürmifd^ mogenben SRenfd^enbruft*
— SBir laufd^en ben 2;önen ber S)rol^ttng, ber ^eftigleit^
beS 3orne§, %xo^t^, UngeftömS, . ber SuSgelaffenl^eit unb
ber rafenben SBut. — 9Bir merben gefidrf t unb innig be«
räl^rt burd^ bie Zone ber Slul^e, ber Sanftmut^ ber Unfd^ulb
unb ©el^nfud^t. — ^ir verfolgen gefpannt baS Sßerben^ baS
2)afein^ bie SebenSfüCe, bie Zatfoaft^ bie SBiKenSftdrfe^ bie
^e^arrlid^feit, @rogartigIeit unb Sr^benl^eit^ baS $at]^a8,
baS l^elbenl^afte $euer ber SBegeifterung, ben ©tolg itnb bie
SBärbe, ben fraftooQen Stuffd^mung ber ©eele nad^ %tti*
^txt, ben l^elbenmätigen äBiberftanb unb bie ©iegedfreubig«
— 71 -
feit — ben ^^xmap^ beS ringenbett {tttlic^en (SeifM. (Snblid^
ttinf&ngt unfer (Stmüt nad^ aU ben ^etüifd^en ftdmpfen unb
£etben ber d^^^^^fc^^^tn reinfter Olflcffeligleit, ber SoSldfung
oon aOer Seibenfd^aft, bie Maä^t ber l^dci^ften iDlenfcl^enliebe,
bie äC^nung beS Überirbifc^en. ^
— WitS fel^r fd^ön, meinte bie ®e]^eimr&tin, ülg l^ier
(Sbgar ein SBeild^en Don feiner (Sjrftafe raften gu tooUtn
fd^ien. 92ur i^obe id^ auS biefent ^uerftrom ^^^rer Stebe
no^ nid^t erfaffen Idnnen, wenn id^ mir bie gonje reid^e
@efü]^l3melt t)ergegenn)drtige^ morin benn ^etl^o^enS IXr*
element murjelt.
— 2)aS eigentlid^fte (Element Seetl^ooenS, ful^r Gbgar
fort, ift bie feelengroge mdnnlid^e Zugenbfraft in l^fl^fter
SRad^tentfoItung. Sw^^^^ fi^^flt ^^i^ ®eban!e in unfern
@eift, ha^ ein foldier älnbrang ber ^elbenfraft bie ganje
anf&mpfenbe feinbfelige SBelt oernid^ten m&ffe. 9Ber für
ä3eet]^ot)en3 SRuftf mal^rl^aft empf&nglid^ ift, fäl^lt, n)ie fid^
n)ä]^renb ber Offenbarung feiner Xon^errlid^teit bie @eele
mit eben bem !ü]^nen ;^elbengeifte anfällt, mie er au8 bem
3nftrumentend^ore in fo granbiofer äJtad^tfuUe erfd^aUt; er
füljlt, mie SBeetl^ooenS Sionfprad^e feinen ®eift !r&ftigt unb
fu^n über aCeg j^^rbifd^e ^inmegfü^rt. 9US lebengftarfe 9la^»
mirfung trdgt bie gelduterte ®eele be8 $örerg baS ^ol^eitS«
ooQe ber SRenfd^enmürbe in ftc^.
— 9Bie ®ie t>oU (Slüctfeligfeit ftra^len, menn Sie bie
^errlid^feit Oeetl^OQenS oer!ünben, bemerfte (Smma. (Sine
fo l^ol^e Sebeutung, mie fte uns t)on :3^nen bargelegt mirb,
ifabe id^ meber ber anuftf an ftd^, nod^ biefem SReifter bei«
}umeffen Derftanben.
— äluc^ id^, fagte t)on @id(ingen, em)>flnbe jmar immer
bie munberooOe QmiUtmai)t ber SSeetl^ooenf^en 9Ru{t(, id^
fül^Ie bie l^dd^fte Seligfeit babei: aSein an einen weiteren
(Einfluß berfelben auf unfer geifHgeS Seben mürbe id^ nie»
malS erinnert.
— 73 —
Mntfftmxa aber fptad^, ju @bgat geioenbet, alfo:
— 3^ ]^^ :3[]^tten ben bereit S5emet8 ju geben, bafe
id^ iQf^e ^een Aber Seetl^ooen red^t oerflel^e, toenn td^ eS
in ^f)ttm Shtne an einem ä3eif:ptele auS einer SBeetl^ooenfd^en
Sonbid^tung erläutere, ^ä) greife bte C-moIKSgntpl^onte
l^eraud. @8 ift befannt, ba^ btefe @(j^ö|)fung ba§ !r&fttge
9Hngen itnb Jt&ntpfen beS tragifd^en 9tenfd^en gegen bte
feinbfeligen, böfen SBeltbämonen in feinen ergreifenbften
3figen jur ©arftettxtng bringt. Sffier foBte e8 nid^t in tieffter
Seele empfunben l^aben, roxt l^ier ein ebler ^elbengeift aud^
ba nid^t unterliegt, roo jebe Hoffnung verloren f^eint, mo
ein büfter bangeS Serjroeifeln feinen ganjen SebenSl^orijont
3U umnad^ten brol^t, n)0 fd^on ber SebenSatem ftodEen n^iQ?
wie bann bie Urgewalt einer roal^rl^aft reinen SRenf^enbruft
mit il^rem eblen greil^eitSftolje baS ganje f d^mere SSoHmerf
ber ]^eimtäd(ifd^en @^id^alSm&d^te in unmiberjftel^lid^ föl^nem
Änbrange fiegreid^ über ben Raufen wirft unb ftolj wie
ein ©Ott fiber ben böfen @eift triumpl^iert. — SBoKte man
nun bie a;ongebanfen, bie in biefer ©gmpl^onie fo reid^lid^
blül^en, in poetifd^e %otm f leiben, fo bürfte man getroft
©oetl^eS SBort au8 „0auft" gugrunbe legen:
„Q^xn guter äßenfd^ in feinem bun!Un orange
3ft ftd^ bed redeten 9Bege§ voo^l 5en)u^t."
^ier leud^tet ber Unterfd^ieb }mifd^en poetifd^er unb muftfa«
lifd^er Eigenart befonberS ein. 3)ie 3RuftI pr> un3 eine
aibee, für meldte fie ®arfteaungSfa][iigfeit befi^t, weit tiefer
ins ®emüt als bie ^oefte. S>ie abftrafte ©ebanfeneffenj
wirb in lebenSDoQeS 3)afein umgemanbelt. Unfer ©eful^l
wirb burd^ ^eetl^ODen fo red^t geban!ent)oII.
— ffia? ift ia fiber bie 3)la|en fd^ön! rief Sbgar doQ
@nt9fid(en au3. ®ie ermedCen unfere tieffte äSewunberung,
mein fy>6)io^n1)xt^ ^r&ulein. 9Bie gl^dlid^ fd^d^ id^ mid^>
bag meine 2lnregung fo fd^neß bie l^errlid^ften IJrö^te ge«
— 73 -
aeit^t 1)at. yiat&tli6f fttmme ic^ tiSaig mit 3^nen fiberein.
^ bin nur no<i^ fo frei^ folgenbe 9ht|ann>enbttng p mad^en.
@k ]^en eS rid^tig ertannt^ tok fxi^ ^etl^ooen aber bie
fttbfdCttDe ChnpfinbmigSwelt meit l^inauS }ur obiehioen SEBal^r*
l^eit erlebt. S)erarttge8 Ujlt ft^ auS faft aQ feinen ®9m^
pl^nieen flar enoeifen. 3^ bleibe nod^ bei ber fänften
S^mp^onie. SSenn ti nun ber SReufd^^eit in biefer Sid^tung
fo einbringlid^ anS ^erj gelegt n)irb, mie ein ed^ter SDIann
in feiner @eifteSl^dl^e aU baS ftleinlid^e, (Sel^&ffige, $em«
menbe, 93ern>unbenbe, aQe 93erfoIgung oonfeiten nieberer
Slenfd^enfeelen, biefen SEBerfjeugen beS ^öQengeifteä, tüf)n
Derad^tet, — ton er tro^bem, aUtS 9öfe gu Soben nierfenb,
unbeirrt fein reineS SAeufd^enbafein n^etterlebt: worum gelten
benn bie SRenfd^en banad^ nid^t in fid^ unb bemül^en fid^,
il^re Seele non ben in il^r niftenben (Sd^adCen }u reinigen?
@ie Dernel^men ben Xrium;)]^ beS @uten unb oerl^arren in
i^rer unfeligen ä^erftodttl^eit. 9Bie oft xoxxh il^rem Sßefen bie
99efd^dmung suteil, gu erfennen^ ba^ freigeborene, frafterfüHte
reine @eelen tro^ oller UnterbrädhtngSgelüfte beS böfen j^einbeS
in ftrol^lenber ®läd(feligfeit triumpl^ieren !
— 3e|t erft fogte Smmo, bie n)ie plö^lid^ erleud^tet
erfd^ien, begreife id^ ooQfommen, bo^ @ie bei ^fft^x @runb»
anfid^t vom Seben, n)onod^ bog i^fnnere beS Slenfd^en ftd^ gu
^erebeln l^obe unb biefer bemgem&| gu immer ooQfommnerer
ftttli^«religiöfer ^rei^eit l^inongufft^ren fei — bog ©ie
gerobe borin in biefem einen Seetl^oven ^l^re ^ouptbefriebi«
gnng finben. ^Mn nod^ ^l^rer Sluffaffung üon Seetl^ooend
SRiffton mu^ biefer ®eift ^J^mn mol^l bie reid^fte 9lo]^rung
ffir S^re 3fbee gewahren. Sft eä ni^t fo?
— @ong unb gar, gn&bigeS ^&ulein. 3^ oerfpred^
mir oud^ lein geringes ^eil fAr bie Wl^n\6ji^xt, menn biefe
aOm&l^lid^ ^erongebilbet mürbe, iBeetl^ooen in feiner etl^ifd^en
Xiefe gang gu erfoffen. ^ogu reiche id^ $(Sfmn l^ier ein
äRittet bar, bog ft^ on mir felbfi in fi^önfter S^ortrepd^^
— u —
feit betod^rt ^at. — 3» ben erften Stabien meinet SRufU«
lebenS tnar mir btefe SRa^t Seetl^ODeng auf meine gange
geiftige SSerfaffung jiemlid^ r&tfell^aft. XlS id^ biefem ®e«
l^eimniffe mel^r unb me^r nad^fann, mu|te id^ mir erfennt«
niSooQ fagen: fo feelenl&uternb, fo erl^ebenb, burd^geiftigenb
unb burd^ftttlid^enb fann nur ein t)on ber (Sottl^eit ganj er«
fäSter 3)tenfd^ mirlen. 3^ em;)fanb ein l^ei^eS 93erlangen,
mid^ mit htm fiebenSgange biefeS SBunbermanneS vertraut
ju mad^en. Unb afö i^ biefe Sel^nfud^t ftiQte, ba erfc^lo^
jtd^ mir eine neue ftette ber geiftigften f^reuben. ®o gro§«
m&d^tig mir ber Xonfd^Spfer erfc^ienen roat, fo oere^rungS«
märbigr DoUfommen etl^ifdi erfd(|ien mir je^t ^eetl^ODen, ber
äßenfd^. 3^ märbe in SSerlegenl^eit geraten, mollte t)ott mir
jemanb bie ^^age beantwortet l^aben, ob mir ein l^öl^erer
®enuj3 au8 ben Zonbid^tungen Seetl^ooenS ober auS bem
S3erfen!en in fein eigenartiges SebenSmefen erm&d^ft.
— 2lc^, lieber ^err SBittig !, bat (Stnma, entwerfen ©ie
uns boc^ fd^neU ein Silb t)on Seetl^ooeng (£]^ara!tergrdge.
— (SS tut mir au|erorbent(id^ leib, mein aQergnäbigfteS
f^r&ulein, bag id) ^f)mn biefe 3itte ^eute nid^t erfüllen
fann. Sefd^dftigen mir unS lieber nod^ ein wenig mit bem
Xongeifte unfereS SÄeifterS- aber id^ ©erfpred^e Ql^nen feier»
lid^ft, bie näd^fte @unft beS 9(ugenbUdES feftgul^alten, um
eS ^^^nen einleud^tenb ju mad^en, ba| ein fo grojsartiger
®eniuS wie Seetl^ODen, in bem jid^ l^ol^e äRenfd^enwfirbe mit
ber unDergleid^lid^ften @d^d:pferlraft ju fo inniger Harmonie
oerbunben, niemals t)or il^m unb niemals nad^ il^m gelebt
l^at. — Slber waS fel^e id^? 3Bill mid^'s nid^t gar bebänien,
als fd)ättelten @ie ein wenig ungl&ubig baS ^aupt, gn&bige
f^rau? Unb bod^ begegnete id^ nid^t feiten w&l^renb meiner
Sieben ^'^ren fo liebeooQ juftimmenben unb aufmunternben
«liefen.
— nein, ba irren ©ie jtd^, ^err SBittig, erwiberte
f^rau {^ilbebranbt. 3^ bin 3!^re ganj gelel^rige ©d^ülerin.
- 75 -
Überl^aupt erinnert ntid^ fein ältenfci^ auf (Srben fo n^ie @ie
an baS ttefftnnige äBort beS l^eiligen SergprebtgerS: „^c3
Sttge tfi beS £eibe8 Sid^t. SBenn 3>etn Suge etnf<ig x%
fa wirb 3)etn ganaer £et6 lid^t fein." Sie braud^e id^ nur
an}ttfe]^en, um 3^nen aOeS gu glauben, fo fel^r ifi ^^^r 9(uge
ber Spiegel 3^rer inneren Slnfd^auungen.
— 3)urd^ biefe SBorte l^aben Sie mid) ^od^geel^rt,
gn&btge ^rau, fagte (Sbgar, inbem er fxi) tief verneigte.
— 3)od^ nun, meine werten ^errfd^aften^ ful^r bie ®e»
l^eimr&tin fort, mrx^ iäf 3^nen bo^ aQen (SrnfteS ind (Be«
miffen reben. Sie t)ergeffen mir über fo intereffanten
®efpr&d^en gang unb gar ben Staffee. (Sine fleine (Srfrifd^ung
mirb i^l^ren Stellen, gumal ^errn SBittigS Sprad^organen,
gemil roo1)ltnn.
— 9efte Snama, fagte barauf Smma, 3)u fönnteft
3)einer SiebenSmürbigleit eine fd^dne Strone auffegen, u)enn
3)u uns ben Jtaffee l^ierl^er bringen lie^eft. Sßir oerne^men
ja l^ier fo l^errlid^e, funftpldilofopl^ifd^e ^inge, bag mir un8
nid^t gern unterbred^en laffen. SBaS meinft 2)u? Xntl^emia.
— C, id^ bin ganj 3)einer Sneinung, oerfe^te biefe. 3f^
merbe gerni^ nid^t mübe, begeifterten Sieben aber SBeetl^ooen
3U laufd^en.
— Unb felbft f geiftooQe 9(nfid^ten ein}uftreuen, gndbigfteS
Srdulein — bemerfte oon SidCingen. Sod^ ba irebenjt man
ia bereits ben Jtaffee. 3d^ merbe mal^rlid^, biefeS Sabfal
fd^lürfenb, ber eifrigfte 3^^^^^^^ f^^n-
— a)iefe Xaffe Äaffee, lieber ^err ffiittig, möffen Sie
mit IBerftanb trinten^ fptad(| mol^Igemut ber eben n&l^er
fommenbe (Bel^eimrat. ^f)mn ju (S^ren gibt eg ^zuU Jta^ee
a Ia Seetl^ooen.
— Sie foQen ^^xt greube an mir erleben, ^err ®e*
^eimrat, fagte 9Bittig l&^elnb. Sie miffen eS ja, id^ leifte
®ro|eS im Jtaffeetrinfen.
~ 76 —
— 9Bad Gebeutet benn eine %a^i^ ftaffee ä la ^eet^ooen?
fragte 9(nt§emta.
— S)aS iPiU xä) Si^n^n ottSeinanbecfe^eit, KebeS ^täulein,
Ueg ftd^ ber ©el^eitnrat oernel^men. (Srfal^ren @ie pn&d^fi,
bai bet Jtaffee gu 93eetl^DoenS unentbel^rlid^ften ^loJ^rungS«
mittein gel^örte. iBietteid^t tcinit ^erc äBittig auc^ blo|
beSl^alb fo gern ftaffee.
Sei biefen äBorten brad) bie ©efellfd^aft in ein maJ^x^
i)a\t l^omerifd^eS @el&d^ter auS, n)orin felbft @bgar einftintntte.
— 9lun weiter! ful^r ber ©e^eimrat fort, nad^bem bie
Sad^muSfeln f\6) berul^tgt l^atten. 3)er £ön)e Seet^ooen n>ar
jujeiten aud), wie er ju fagen pflegte, red^t „aufgefnöpft".
2)ann war ni^tS Don bem bäfteren Unmute wal^rgunel^men,
ber fonft auf feinem ©efid^te lagerte. Qn fo roftger, ^umorf
DoQer Stimmung mürbe mol^I aud^ eine Keine JtaffeegefeQ»
fc^aft t)eranftaltet. Unb für jebe einzelne £affe i&l^Ite babei
Seet^ooen l^öd^ft eigenl^&nbig fed^sig Sol^nen ab. Sold^en
jtaffee ä la Seetl^ouen trinfen mir ^eute, meine ^errfd^aften.
^er fed^}igbo]^ntge Kaffee fd^med^t aQen @rnfteS nid^t übel.
— S^ banfe oielmalS für bie gütige 9luffl&rung, fagte
Slntl^emia jum ©el^eimrat. Saffen ®ie unS iebod^ mieber
gum ernften Seetl^ODen gurüdßel^ren. ^6^ möd^te mol^I
miffen, ^err SEBittig, ob @ie baS @tubium beg Seetl^ooenfd^en
SebenS aud^ bef&l^igt l^at, bie poetifd^en ^been feiner 2:on«
merfe ju erfennen unb barauS ^eilfame Seigren fürS Seben
SU fd^öpfen.
— @anj gemig, mein t)ere]^rte8 ^rdulein, oerfe^te (Sbgar.
^rum mSd^te id^ zi aud^ 3^nen bringenb anempfel^len, baS
&zh^n beS SReifterS mit Sifer gu ftubieren. -- Ser baS
2eUn S9eet]^09enj^ nidjt orbentlid^ gu mürbigen t^ermag, ber
mäl^ne nid^t, beffen ^onfprad^e in SBal^rl^eit gu begreifen^
— 3^ gemiffem @inne freilid^ gilt l^ier mie beim gangen
Seet^otten baS tiefe ;3[o]^anneifd^e SBort: ,,9Kemanb !ann
gu mir fommen, eS fei il^m benn t)on meinem SBater gege^en.'^
— 77 —
(@t). 3fo^. 6,66).*) — aus ia^lrel<|en «eifpielen greift td^
no(i^ eines l^erduS, um 3|nen bie f<i^5ne, weife Seigre p t)et*
f^fitffeit, mie baS fkre i0en)u|tfein vom (lt)angelittnt SBee«
tl^ooenS unfercm &tmüU fxtilxi)t ©tdrfuttfl oerleil^t. 3d^
erinnere @ie an bie vierte (S^mpl^onie be§ SReifterS in B-dur,
roeid^er Slo^bert ©d^umann baS fifjöne ©pitl^eton „bie grie»
^ifrf) f^lanfe" gegeben l^at. ®iefe Sonbid^tung fd^f biefer
erl^abene ®eifl nid^t lange nad^bem feine unfterMid^e Oper
„ffibclio" ol^ne Erfolg, Derfpottct unb Derfe^crt über bie
Sül^ne gegangen n>ar. 9lad^ beut $aQe biefer einzigen Oper, in
ber uns baS 3>beal beS liebenben SSeibeS rül^renb, erfd^ütternb
unb l^intntelanl^ebenb üorgefü^rt wirb — antwortet ber ®e«
niuS t)on feiner ätl^erreinen ^dl^e l^erab wörbeDoH, ntitunter
aud^ l^ol^nläd^elnb, bann aber in Derfldrter @eelenfreube unb
in fafl ingrimmiger SebcnSfraft ben fleinlid^en 3f<^mmer«
geftolten ber irbifd^en SBelt S)aS ift bie fgmpl^onifd^e Slnt«^
mort beS SWeifterS. SJergegenmftrtige ic^ mir genau biefeS
3ufammenn)irfen, fo fdE(öpfe id^ inbireft barauS bie fiel^re,
ba| ein UnglädC, meld^eS ber 99tenfd^ nid^t nur ganj o^ne
fein 5Berfd^ulben, fonbern üielmel^r aßein burd^ baS fd^nöbe,
armfeüge, gci^fiffige ©etriebe fdimarjer 9lebenfeelen erf&l^rl,
mit nid^ten ben l^ol^n @ebanfenf[ug beS SDflenfd^engeifteS
lal^men fann. SSielmel^r mirb ein fold(|eS 9Jli^gefdC|id( ben
®eift ftArfen unb bie Xatfraft ju ungeahnter SRad^tentfaltung
anfpornen.
— Sluf biefe SBeife, ergdnjte t)on ©idfingen, ift See*
tl^m^en aderbingS geeignet, unfere SebenSpl^ilofopl^ie p uer>
cbeln.
— @oId^eS vermag er in l^ol^em @rabe, uerfe^te @bgar,
— unb nid)t allein burd^ bie Don il^m auSftral^Ienbe Sed^fel*
mirfung feiner Äunft unb feines SebenSgangeS, fonbern aud^
nod^ burdi birefte SWajimen feines meiSl^eitSooUcn ©eifleS.
*) o^SeU S'jvoxai IX^civ Tipo; Ifii idv p.?] iq SsSofxevov aOxu^ Itl tov>
TraTpfJc
- 78 -^
So nne bie etften ^x^ttt, fo ifl Seetl^ooen adein burd^ bie
Straft energif^en @d^auen8, burd^ i^ntuition, ein l^eQfel^enber
^l^Uofopl^. Unter feinen 2>entf|)rä(l^en finb befonberS tmi
geeignet, ber ganjen 9Belt baS ftngulare SEBefen ^omo^l ber
fc^ftpferifd^en Straft als aud^ ber reinen l^eiligen 9latur biefeiS
StdnigS unter ben ©eifteSl^eroen beS Unit)erfum8 ju offen«
boren. (SS flnb bieS gn)ei 3been, bie ni^t blog ieber ^t«
fUer, aud^ nid^t aQein jeber @enoffe irgenb welcher Stunft,
fonbem überl^aupt jeber ftrebenbe ÜDlenfd^ mit um)erge§lid^en
Settern in feinen ®eift graben ntug. 93eet]^ooen leiert olfo:
„9ia8 9leue unb Originelle gebiert fid^ oon felbft,
ol^ne ba| man baran benft/' — 3>ie anbere 3^ee, S^'
eignet, einen befonberS bentoärbigen Olanj auf ben SDten«
fd^en Seetl^ooen ju merfen, ift biefe: „9)emut beS SRen«
f^en gegen ben SRenfd^en — fie f^merjt mid^, unb
menn id^ mid^ im Qn^amm^nffanQ beS Unioerfumg betrad^te,
toaS bin id^ unb mag ift ber, ben man ben @rd|ten nennt?
unb bod^ ift mieber l^ierin baS (Söttlid^e im SReufd^en."
— 3^ <£rnfte, bemerlte ber &tf)txmxat, l^olte id^ beibe
älugfpräd^e eineS ed^ten SBelt- unb Stunftmeifen fär doü*
fommen mfirbig. (Sie l^aben etmaS burd^auS S^reffenbeS an
fid^ unb !dnnen unferem 3)en!en reid^e, befrud^tenbe 9la]^rung
gemdbren.
— Unb oertiefen @ie ftd^ nur einmal, ful^r äBittig fort,
mit ganjer ^raft in biefe eigenartigen ©ebanfen, jerlegen
@ie biefelben nad^ aDen Seiten. Sie gleid^en |^immel8blit(en
mit einer SBelt oon @e]^eimniffen unb 9l&tfeln, bereu man
nid^t fo leidet ^err wirb.
2)er @e^eimrat banfte <Sbgar nod^ re^t l^erjlid^, empfahl
fid^ aDerfeitS unb 30g ftd^ in fein älrbeitSsimmer jurüif.
©eine @attin folgte il^m balb nad^, fo bag bie oier jungen
Seute aQein jurüdCblieben.
— ^eute, fagte barauf oon Stdfingen, mirb unS in
SBal^rl^eit ein red^t aparteS @onntag§oergnägen befd^eert, ein
— 79 —
rein geiftiger (Stunf^. 9ef(i^&ftigt unS bo^ l^eute foft niid^tä
anbetet olS bie ®eifteStiefe ^eetl^ooenS.
— Sber mit meiner f orgloS l^eiteren Stimmung, bemertte
@mma, ift eS freilid^ für biefen ZaQ fo jiemlid^ vorbei. @ie
ftnb ©d^ulb baran, $err SSittig; Sie bringen mi^ uberl^aupt
ba^in, ba^ ic^ öfter als gemBl^nlic^ an bie (Sitelleit ber Seit
getnal^nt merbe.
— (Sine berartige Srl^ebung inS ^od^menfd^lid^e, erflang
e§ aus ätntl^emiaS 3)tunbe, mirb mal^rlid^ ni^t ermangeln,
einen 93er!l&rung8fd^immer auf 2)ein ganjeS 3)afein su merfen,
gute (Smma. 9B&rben @ie, ^err SBittig, im ®egenfat(e ju
meiner fjreunbin, ^^t ^erj oon Qtxt ju ^txt ben dugeren
£ebenSfreuben jumenben: mer meig, ob ftd^ baburd^ Qi)xt
red^t bäftere, pefftmiftifd^e SebenSanfd^auung nid^t ein menig
milbern mürbe. SEBei^ man'8 boc^, ba| felbft ber büfterfte
ber ^l^ilofopl^en, ber ®ro|meifter beS ^efftmiSmuS, Slrtl^ur
©d^openl^auer befannt l^at: beim Slnl^ören beS Allegretto
scherzando auS ^eetl^ooeng liebenSmürbig l^umoriftifd^er
©gmpl^onie in F-dur (9lr. 8) oergeffe er, ba§ bie SSSelt ootter
6lenb fei! — S3eiläufig bemerft, ift bieg jener jauberfd^öne
@a^, ben ^e!tor ^erlio} „ein Dom $immel gefallenes
Sunber" nennt. — Sllfo ^HeS lad^t unb freut fld^ bod^ ein«
mal, aud^ ©eifter, bie gleid^ 3^nen ben in!arnierten (Srnft
vertreten. SQSarum benn nun bei 3^nen immer bie tieffte
äßeland^olie unb äBelt^erad^tung?
— 3^ bin Sinnen für biefe 95emerfung fel^r banfbar,
Derfe^te ÖSbgar. ®ben meil mir bie SBelt fo oerdd^tlid(^ er«
fd^eint, l^abe id^ bie ftetS brennenbe Segierbe, immer unb
immer mieber ^eetl^ooen ju l^ören, nm bie Sßelt jeitmeilig
ganj 3U Dergeffen. 3n SSeetl^ooen ift meine ($reube unb
Sßonne. — ftann man eS nun glauben, ober oon mir oer«
langen, ba^ id^, ber id^ mid^ t&glid^ in baS reine Seben
biefeS SBeltgeifteS oertiefe, ber id^ feine ©d^öpfungen t&glidi
— 80 —
einfcmge, ^ttnaä) ®efaQen am eitlen S^reiben unferer todfft»
f)aft erb&rntlid^en, !IeinIi<§*ettg]^er5tgen 9Renfd^enfinber ftttbe?
3(nt]^etnia fenfte ben $BItd! unb tierflel in tiefeg 9lad^«
ftnnen.
— Slber 3>]^nen ern>ä(ä^ft eine anbete ©efal^r, fagte
@i(fingen^ menn @ie ftd^ in ber 3Slufil faft augfd^lieglid(^ ben
3)td^tungen biefeg einen äJleifterS l^ingeben. @ie t>er!ennen
bie ®rö§e ber anberen ^eroen, Sie bleiben in einer gefal^r«
brol^enben (Sinfeitigfeit befangen, ja ©ie entjiel^en ^l^rem
©eifte baburd^ ntand^ einen mal^ri^aften ^ddigenn^.
— SSSenn man fiä) in ber aRujtf, roiberfprad^ @bgar,
aud^ n^irflid^ auSfd^lie^lid^ ben (Stral^len ber ^eetl^ooenfd^en
©onne anäfe^en wollte, man liefe nimmermel^r ©efal^r, un*
empf&nglid^ für bie anberen Slongeftirne ju werben. 3>ft ^?
bod^ wal^rlid^, als f)&tit ftd^ ber Srbenmeifter baS Qid ge«
ftedtt, in Seetl^Oüen einen ©eniuS ju fd^affen, ber bie Xon^
ma6)t aßcr ®ro§en beg neuen 9)Tujtfreid()e8 in ftd^ vereinigen
foHe: bie wunberbare ^armonieenfüQe unb 3»beengr5§e beS
Uroaterg Sad^, bann ^änbelg gewaltige @d^lagfertigfeit unb
feurige fiebengfraft, ferner ©ludtg rl^gtl^mifd^e SEBißengftarfe
unb ntartige ä^atfraft, ^agbng inftrumentaleg ©prad^leben^
aud^ feine feinjinnige Oebanfenjerglieberung unb ®ebanfen«
entwidCelung, enblid^ ben Jtlangjauber unb bie feeleuDoQe
SRelobieen^errlid^feit beg g5ttlt(^en 9Ro}art. Unb ju aQ
biefen ©injeKr&ften in geftcigerter ^otenj erfüllte il^n bie gStt*
lid^e SSorfel^ung nod^ mit bem unbänbtgen @eifte eineg feurig
erglül^enben greibeitg», ffial^rl^eitg«, ßiebeg« unb ®ered^tig!eitg«
l^elben, moburdf) aKeg ein Originalgepr&ge gewann. <So et«
l^ielt bie SReufd^l^eit eine unfterblid^e fieudite in bem ftoljen
9lamen SBeetl^ODen.
^e^t fiel aug Sbgarg 9lugen ein ^^euerftral^l auf Xn^
tl^emiag wunbergleidieg äntli^, ba^ fle big ing Sfnnet^e ber
©eele l^inein etbebte.
— S)ag laffe id) mit gefaOen, fagte tjon @idKngen, wenn
— Si-
te^ mir aud^ nid^t vtx^tffU, ba| Sie ^^u Segeiftening fär
Seetl^ODen in mand^en ^nften }U loeit fäl^rt.
— ^i) glaube bod^ nid^t bajs id^ 311 loeit gel^e, t)er»
teibigte ftd^ Sbgar. (SS giebt nun einmal feinen @eift n)ic
S5eet]^ot)en, in bem fx^ bie t)oKft&nbige ©eelenreinigung nid^t
nur DoOjogen l^at, fonbern in bem aud^ bie .Straft gelegen,
{te ber SRenfd^l^eit fo Demel^mlid^ jn offenbaren. 3)arum
greifen n)ir in biefem @inne als Seetl^ooenS t)oQIommenfte
Sonfd^öpfung feine neunte (S^mpl^onie mit Sl^dren. — (S^
fann !aum etmaS SQSürbigereS erfonnen n)erben, um im au«
gemeinen bie erbrudCenbe ®ro|artig!eit ber l^ier gebotenen
2:onibeen in baS bemühte 3Bort ju fleiben, al8 bie fteben
l^errlid^en @trop]^en, in benen S^ron Don bem mdd^tigen
@inbrud(e jeugt, ben bie $ e t e r S f i r d^ e in 9lom auf feinen
(Seift ausübte, ^m oierten ®efange feiner oergmeifbingSooU
erl^abenen 3)id^tung ,,Child Harolds Pilgrimage" ftnben Sie
biefe ®d^ilberung. 3)arin mirb gun&d^ft 9er!änbet, ba^ bie
$eterS!ird^e alle anberen Jtunftoerfe n)eit überragt, ba§ {te
einjig, unoergleid^lid^ in il^rer S^mpelprad^t fei. äRaieftftt,
ibeale ®ero(dt, ©lang. Straft, ^urbe unb Sd^dnl^eit entfalten
]^ier bie auSgebreitetften Slägel. 3>aS Übern)ältigenbe tritt
3urädC, n)eil allm&l^lid^ ber SReufd^engeift, burd^ ben ©eniui^
beS SBerfeS emporgel^oben, ju loloffalifd^er ^öl^e ange»
road^fen ift:
„^u f^reiieffc x>ox — ed fteigt im ^ortfd^ritt ^od^ empor,
9Bie ftd^ Me l^ol^e 911p, bie man erflimmt,
9to(^ ^U, Devleitenb burd^ ben rief gen 9Bunberflor:
Unenbli(^!eit, bie »öc^ft unb mu1t|(^ fktmmt —
3m tlnerme^Iid^en nod^ Harmonie.''
(«Thou movest — bat increasing with the advance
Idke climbing some great Alp, which still doth lise^
Deceived by its gigantic elegance,
Yastness which grows — but grows to harmonize —
All mnsical in its ImmensitieB.'')
— 8-2 --
9Kd^t gleid^ nimmt ber äßenf^ bag M einer fold)en
Sliefenfd^öpfung wal^r. drfi im mÄd^tigen SBormSttSfd^reiten
entroKt ftd^ nad^ unb nad^ bie ganje ^errlid^feit :
„SßeU {htfenweife ntct bet ftu^e 6iitn
^en (Segenftanb erfaßt; alfo ent^tel^t
@{(!^ ftets bem ft^toad^en 9Cudbru<f bad, Toad in
^er ^rufl am üefften, innerlid^ften gtü^t;
Unb fo ber Wid ftü^ erfi Dergeblic^ mül^t
3n biefem ^owe, ber bewait'genb l^el^t,
^tx&^iUI^ erft auf unfre jtlein^eit fte^t;
^od^ mit i^m mad^fenb bel^nt fid^ mel^r unb me^r
^et (Seift, bis bonn gleich gro| mit bem Sefd^auten er."
(Not by its fault — but thine: Onr ontward sense
Is but of gradnal grasp — and as it is
That what we hare of feeling most intense,
Outshrips our falnt expression; even so this
Outshining and o'erwhelmiug edifice
Fools our fond gaze, and greatest of the great,
Defies at first our Natures litüeness,
Till growing with the growth, we thus delate
Our spirits to the size of that they contemplate.)
@o uermcile, o SRenfd^, in biefem Äunftbau unb merbe
erleud^tet. ^ier mirb nid)! aQein ber &u|ere @inn be^
f riebigt: ^^^.^^ j^^^ ©r^obenbeit ii^r ©olb erfpäl^n
SCuf i^rem tiefften ®runb; in Diefem ©d^at^t
9erei(^re fid( ber ®eift an ber 3been 3Rad^t."
(The fountain of sublimity displays
Its depth and thence may draw the mind of man
Its golden sands, and leam what great conception can.)
3)amit fd^lie^en biefe SBunberftropl^en, meldte ber @eniu§
ber ^eterSfird^c in einem tieffinnigen ©id^tergeifte SKbionS
ermedfte.
— SQ3ie ^errlid^! rief Slntl^emia auS. SRit mie unenb*
lid^em ^od^gefäl^I erfäQt mid^ biefe poetifd^e @d^ilberung.
SKir erfd)eint fte faft wie eine geniale ?ßrop]^egeiung auf ben
gigantifd^en ®ombau Seet^ooenS. 5lun werbe id) erft red^t
bewogen, t)on 3>^ren geifteStrunfenen Sippen etmag über ben
— 83 —
i^fbeeenfci^a^ ber neunten S^mpl^onie 3U t)erne]^ttten. Sie ge»
n)a]^ren mir bod^ meine innige, t>ere]^runggoo(ie Sitte, ^err
SBittig, nic^t ma^r?
— SEBie fönnte id^ folgen Sitten einer fo rounberbaren
33eetl^ot)enfpieIertn miberfie^en ! entgegnete ffibgar. greilid^
fann id| l^eute nur mel^r anbeutungSmeife wiQfa^ren. —
S)iefe 2:onf(i(öpfung entrollt unS in rül^renben, tief ergreifen«
ben unb l^od^befeligcnben 308^" i^^S gonje, fd^mere £eiben8=
btib einer großen, bem ©belften ergebenen ©eele. ®ie
bumpfen, fd^meren ©diidge beS grotlenben ©efd^idS l^aben
ntd^tS anbereS oermodit, alS baS SBefen biefeS fgmpl^onif^en
gelben ju t)ert)oIIf ommnen unb na6) langen, fd^meren A&mpfen
ganj mit l^eiliger 3Renfd^enIiebe anjufütlen. 2)er f^mpl^onifd^e
aWenfd) mirb l^eilig. 3)iefe8 ^eiligmerben bringt oorne^mlid^
au3 itm (Sublimften in biefem ^ol^en ©eiftegoerm&d^tniffe,
au§ bem Slbagio ber S^mpl^onie doQ unnad^al^mlidien ^im«
melgauberS in unfere ©emuter ein. 3ebe§ unfetige fBtX'
langen, jebe irbifd^e fieibenfd^aft l^at biefe bem ^immlifd^en
Urlid^te entgegenpilgernbe @eele abgeftreift, ni^tS Sßeltlid^eS
mel^r l^aftet il^r an, üöttig entlaftet erf^eint fie oon allem
Grüben, ©toffUd^en, nid^tS als lautere, l^eilige Siebe für bie
ganje einige SÄenfd^l^eit ^at in i^r Sftaum. SBeld^er muftf=
«mpfdngUd^e aWcnfd^ ^tte nid^t irgenb einmal biefe lid^t*
üertlarte ©eelenfeier miterlebt, menn in biefem üon ber
aÄajeftdt beS ^immelS abfolut gemeinten 2lbagio beim Über»
gange auS h^m ^auptfeptimenafforbe von B-dur (baS ift:
f-a-c-es) in ben ^ur^Seftafforb auf Fis (baS ift: fis-a-d)
Toie mit einem QavA^x\ä)laQt ber ©djleier irbifd^er befangen =
l^eit rci^t, bag fi(^ bie Pforten beS ^immelS mcit auftun
unb nun liditftral^Ienb in D-dur ber ®efang ber allumfaffcn=
ben Siebe mie oon ©ngeln angcftimmt mirb! . ®ie gange
SBelt foH baS Sid^t ber l^e^ren, l^eiligen Siebe l^aben.
— 3f^fet fl^^t ^wd^ mir ein Sid^t auf, rief @mma freu=
Jbigen SoneS auS. SWir ift biefeS 2lbagio mo^I immer eigen=
6*
— 84 -
tümlid^ f^dn, aber \>o6) immer giemlid^ unt)erfldnbli(i^ oor»
gefommen.
— Unb, ful^r ©bgar fort, — looju fxä) bie ©eelc im
Slbagto üorbereitet, jur reinen, unoerfärbten, l^eiligen äßenf d^en»
liebe, ba8 mirb t)oQ freubeftral^lenben ©lanjeS im finale
gen)&]^rt. — ®o mel mdd^te x(f) 3l^nen nod^ oon mir funb«
tun: ff&tU ber Unmut, ber Qotn ober irgenb eine Seibenfd^aft
fonft mid^ je übermannt^ fo bärfte in meiner ®eele nur bog
jmeite ^ema oug bem 3(bagio ber neunten ©^mpl^onie
auftaud^en, ober ein anberer brandete eS nur oorsuftngen
ober üorjufpielen, um meinem SBefen jauberfd^neK baS ©teid^»
gemid^t eineS SEBeifen }U t)erlei]^en. @old^e aQbefeligenbe unb
aQbefd^miditigenbe SOtad^t birgt biefe§ foftbare SonÜeinob
in ftd^»
— O, @ie l^aben gut reben, fiel ber Seutnant ein, id^
l^abe @ie überl^aupt nod^ niemals jornig gefeiten, @ie finb
\a bereits bie SRul^e felbft.
— ©ie finb gar ju liebenSmürbig, teurer greunb, oer*
fe^te (Sbgar. @ie ^aben mid^ iebenfaQS meift in Stugen^
blidEen beobad^tet, mo id^ ooÖ mar oon ber ^eiligfeit ber
:3[bee. ä(ber eS gibt aud^ bei mir ber Q^iUn genug, in benen
id^ biefer ^eiligfeit beraubt bin. 93ei oielen äßenfd^en ftnbet
biefe ibeale ©abbatftitte niemals ffiinfel^r — baS finb bie
cigentlid^en geiftlid^ 3lrmen — , in anberen ^t fie oft il^re
äBol^nft&tte, in ben aUermenigften, gottbegnabigten 9Renfd^en>^
mefen l^at fie il^ren l^immlifd^ien ^errfd^erfi^ auf gef dalagen.
— Seiber fel^r mal^r, fagte SKntl^emia. ®aran mag e*
benn aud^ jumeift liegen, ba^ ben 2:onIänftIern ber ®egen«
mart fo feiten ein meil^eooIIeS SSbagio gelingen miO. ^m
^bagio aber fd^Iummert bie eigentlid^e SRufiffeele. 2)a nun
^eetl^ooen unbeftritten bie malere Sendete be§ Slbagio ift, fo
möd^te id^ il^n aud^ baS ®efd^ nennen, ba§ fid^ bie fiS^zlU
muftffeele ju i^rem SebenSfi^e auSerforen l^at. ©eben @ie
mir nid^t red^t, $err 3Bittig?
— 85 -
— SBeld^e ^rage! antwortete berfelbe. SBenn eS fxöf
um bie SSerl^errlid^ung Seet^oüenS l^anbelt, ba fann mir
fd^Ied^terbingS lein Sob l^od^ genug fein. Stuft bod^ (Sicero
einmal empl^atifd^ über ben oon il^m oergdtterten ^l^tlofopl^en
$Iaton auS: ,,3)en $Iato f5nnte man vothtx jlemalS gu fel^r
nod^ 3U oft loben" (Tu Platonem"^) nee nimis valde unquam,
nee nimis saepe laudaverisl). @oll bad nid^t in nod^ l^dl^erem
9ßa^e auf Seetl^ooen feine ätnmenbung finben?
— ^^[ebenfaQS, bemerfte Sntl^emia, freubeoerfidrt t&^elnb.
9Ber foQte aber ^l^re fc^öne Unermüblid^feit nid^t babei be«
n)unbern! Übrigens l^at gerabe bie neunte (Spmpl^onie noc^
ein befonbereS 9idtfel für mid^, beffen SSfung id^ juoerftd^t»
lid^ oon ^l^rer n)ol^terprobten (Sinftd^t in Sad^en 99eetl^ot)enS
ermarten barf. SBdl^renb in ben anberen (S^mpl^onieen baS
@d^er}o nad^ bem Slbagio ober nad^ bem ein foIc^eS Der-
tretenben @a^e erfd^eint, gemdl^rt unS bie Sd^lu^f^mpl^onie
beS 3Reifter§ l^ierin eine (SonberfteQung. 2)a8 @d^er}o ertönt
^ier Dor bem 9[bagio. @oQte barin nid^tS n^eiter als eine
formelle @igentümlid^Ieit ju fud^en fein? ^aS möchte i^
Don !einem Steile biefer Zonbid^tung annel^men, bie ben @eift
mit ben Sd^auern l^eiligfter @elig!eit anfällt.
— 3)enfen ®ie bod^, ermiberte (Sbgar, an ben golbenen
SuSfprud^ SBeetl^ooenS: ®a8 9leue unb Originelle gebiert
ftd^ felbft, ol^ne ba^ man baran benft. (Sin tiefer @inn
fprid^t aus ber 9lufeinanberfoIge ber einzelnen ®d^e in ber
neunten 93eet]^ot)enfd^en 9Rufe. SBergegenmdrtigen @ie fid^
nod^ einmal bie x>on fd^merem Seiben burd^trdn!te gro^e
@eele, bie am Slbenb eineS reid^en fiebenS il^re eingefogenen
l^eiligen ©d^mergen auStönt. 2)en ^auptfdmpfen im tief«
bemegten Seben folgt l^ier naturgemd^ bie 9läd(erinnerung
an aQ bie Derftedtten Cludlereien unb ^Verunglimpfungen, an
*) (Senau genommen: Tu vero enm nee nimis etc. — , mie tu im
dufammen^ange in (Sicecod „De legibus«* (in, 1, 1) ^ei^t' mo SKaccttft «nb
XtttcuS bie (grdrterung führen.
— 8G —
a\i bie (Stad^eln einer böfen, se^&ffigen äBelt, bie nid^tS als
auSgelaffene @d^abenfreube aber bie ^erjengtounben beS
Seibenben empftnben fann. 2)enfen @ie an ben lujligen
Starren in ©^afefpeareS Äönig Sear. ©pottenb ber Seiben
unb i^reuben^ aQeS fo unfäglid^ l^umorooQ in baS SJleer ber
©iteßeit fd^leubernb, tanjt man ben SebenStanj weiter: —
aber ber ^oben ift rei^l mit 9labeln gefpicf t. (Srft nad^bem
aud^ aQ biefer ©d^merj ber äJergmeiflung, ber peitfd^enbe
^umor t)öQig äbermunben ift, fann in ber l^eilig großen
@eele bie Siebe aUein tl^ronen. ^e^t fann ftd^ bie ©eele
^od| in bie ^tl^erregionen be§ reinen, endigen Sid^tS empor»
fd^mingen. — ©ie begreifen nun mol^I, ba| ein ©d^erjo
nad^ biefem SCBunberabagio in ber neunten ©qmp^onie eine
pf^^ologifd^e ober überl^aupt eine religionSpl^ilofopl^ifd^e Uxi'
möglid^feit mare.
— %6), nun roirb mir'S fonnenflar, fagte Slntl^emia,
i^ren großen ©lidf in UebeooKem S)anfe auf ®bgar rid^tenb.
Unb menn moberne Äomponiften fo miUfurlid^ biefe erftaun«
lidie Originalität nad^al^men, bann mirb meiftenS bei il^nen
}ur Unnatur, xoaS bort als ^o^zS, feelenfunbigeS Saiten
crfrfieint.
— ®a8 ift nun einmal ber glud^ gebanfenlofer 9lac^»
a^mung, bemerfte @bgar. älber mie freubig gerül^rt erfenne
x6)'S an, baß @ie mic^ fo munberfam ju ergänjen perftel^en.
— 2Bir l^aben bereits fo x)iel beS SobeS über SBeetl^ooen
gel^ört, rief je^t üon ©idtingen auS, baß id^ einen orbent»
lid^en ©eifteSl^unger oerfpäre, mieber einmal eine Xonbid^tung
biefeS Unfterblidien in mid^ aufsunel^men. 9Bie mare eS
benn, menn ©ie, lieber SBittig, ober ©ie, mein aUergnäbigfteS
grdulein, unS eine ©onate biefeS SKeifterS oortrügen? ©ie
mürben mid^ bamit }u mal^rl^aftem 3)anfe oerbinben.
— ^ä) mürbe Q^nen oon ^erjen gern miHfa^ren, ant»
mortete Slntl^emia; aKein id^ empfinbe eine fonberbare, faft
unfaßbare ©c^eu, oor einem' fo geftrengen SRiditer, al8 meld^er
— 87 —
mir ^err Sittig ol^ne 3n)etfel in &aäftn 8eet^ot)enS bo^*
ft^en fd^eint, eine @onate biefeS 9ReifterS oorjutrogen.
— ändgen Sie baS nun im CSrnfte ober im Sd^i^e ge«
fprodien l^aben, lautete (SbgarS @egenrebe, — iebenfoUS,
gnabigeS ^raulein, be}euge 16) 3^nen avß ooUem ^ergen,
ba^ @ie äberl^aupt feinen ^ritifer }u f dienen l^aben. %ud(|
ic| oerbinbe meine ^tte mit ber meineg ^reunbeS von
@id(ingen. — 2>a§ Sammerlid^t jiel^t herein, ^n einer fold^en
Überganggp^afe, mo ben SSac^enben fo oft fu^eg 3;rftumen
überfommt, ftnbet ftd^ mol^I bie geeignete Stimmung, ber
fd^mergengreid^en Cis-moil-Sonate ein txaaLxä)^^ ^eim in
unferer Seele )u bereiten. Siefe Xonbid^tung möd^te id^ gar
}u gern non ^i)mn l^ören.
S(nt]^emia minite ©emdl^rung unb er^ob ftd^. ^aft
geifter^aft ergl&njte ü^r ätngeftd^t im ^albbun!el. S)ae
Stauf^en il^reg feibenen (SemanbeS unterbrad^ oUein bie ge«
^eimniSooQe Stille, ^en nectifd^en ßobolben ber ^mmt»
rungSmelt blieb jjebod^ nid^t lange 3^^^' ^^^ (Semäter ju
f^redCen unb }U ftngftigen. $aum erüang ber erfte Cis-molU
9(!forb ber Sonata quasi una Fantasia, — ba mar ber ®eifter-
fpuf t)erf(^munben.
3>er ®eift 93eet]^onenS fprad^ auS bem feelenooQen Spiel
ber anmutSreid^en ^ünftlerin. ältemlofeS Sd^meigen l^errfd^te
mdl^renb il^reg SSortrageS, ber bie Seele ber Saufd^enben
gan) gefangen nal^m. S)aö älbagio fpielte fte nid^t, nein!
fte fang tS munberfam rül^renb auf bem ^lägel, ba| e§ tief«
innerlid^ in ben @emätern nad^l^aUte. — 2)a8 SUlegretto
marb in feinfinniger altm&l^lidier Steigerung beS Q^itmaSßiiS
aus bem bal^infterbenben älbagio berauSgebid^tet. 2)er le^te
©a^, baS ,Prcsto agitato'', bot ein 93ilb rafenber, feffellofer
Seibenfd^aftlid^feit, big inS innerfte 3Slaxl l^inein erfd^ätterte
e§ bie 3^^^^^^-
3>a§ 3^u^^^fpi^I ^^^ beenbet. Slnti^mia nal^m i^^^en
Pa^ neben (Sbgar ein, beffen l^od^begeifterter ^Ixd i^r mel)r
— 88 —
fagte, als ed taufenb 9Borte l^&tten tun fönnen. 3)abei
ftreiften fld^ tl^re ^4«be. SÄntl^emia warb wie von $urpur=
rot übcrgogen, — (Sbgar fül^Ite fein ganjeS SBefen rote tjon
fonniger SebenSrodrnte burd^roel^t; bod^ feine dunere $üQe
beroal^rte DoQe Stulpe unb ©leid^mut; nur int Innern roogte
eS l^in unb l^er.
SHlm&l^Hd^ nur fonnte man fid^ t)on bent tiefen @in^
brudte erl^olen, ben bie Sonate auf baS ®tmüt ber änroefen*
ben l^erporgerufen l^atte. (Srft ber fterjenglanj rüttelte aUeä
aus beut fUQen ^inbrfiten.
(Snblid^ fprad^ ßbgar ju älntl^emia:
— Sie bilben roal^rlid^ eine rül^müd^e äuSnal^me unter
ben 93irtuofen. ^aft niemals !ann ntid^ ein SSirtuofe mit
bem 93ortrage einer Seetl^ooenfd^en Sonate jufriebenfteOen.
3)ie weiften ^ßianiften fpielen ja in il^ren ftonjerten eine
berartige Sonate lebiglid^, um bem Jtlaffifd^en ben fd^ulbigen
SDtobetribut barjubringen, ol^ne fonft im geringsten oom reinen
©eifte SJeetl^ooenS befeelt ju fein. ®enn ba8 entartete SJir=
tuofentum — baS 9lffentum ber Äunft — ift ungefäl^r fold^
eine 5lunft, roie bie jeneS ®rie(ä^en, ber au8 ber gerne immer«
roftl^renb @rbfenfdrner gegen eine 9label roarf unb fte, ol^ne
jemals ju feilten, an biefelbe anfpie^te. 9lad^bem biefer
^ej^enmeifter aud^ t)or ädejranber bem @ro^en feine 5lunft»
fertigfeit beroiefen l^atte, erl^ielt er Don biefem einen Sd^eff el
berfelben ^ülfenfrud^t ium ®efd^enl. 3)aS mar eine fdnig«
lid^e Satire. — SEBenn eS möglid^ rodre, fottte man feelen=
leeren SHrtuofen nid^tS al8 geftod^ene Dftaoengdnge, oer*
jroidtte Slerjen», Seytenldufe, Äfforbfprünge, S^riQerfetten unb
bergleid^en als SBelol^nung für il^re Seiltdnjerfunft auf bem
?Pianoforte oerel^ren. — VLm fo lebenSfreubiger roirb man
barum berül^rt, roenn man einer ed^ten Stünftlematur unter
ben Sßirtuofen begegnet. 2)aS Sd^meid^eln ift mir oerl^agt,
mein oerel^rteS g^&ttl^itt. Q6) fage barum in offenl^erjiger
Äflrje unb SBünbigfeit: Sie l^aben biefe Sonate fo meifter»»
— 89 —
l^aft 9ef;)telt ba^ i6) mein langgendl^rteS 3beal oon ber
;g[]tterpretatton btcfcr Sonbid^tung enbltd^ einmal cermirf«
Ii*t fanb.
— Sie werben mid^ nod^ eitel mad^en, entgegnete
l&^rtnb bie tief errötenbe 2lnt^emia. (SS gemdl^rt mir frei«
ft^ feine geringe Genugtuung, 3'^nen, ber fi^ fo tief in
baS "^ol^e SBefen Seet^ooeng ju t)erfenfen gemol^nt ift, Stxi)^n
1o uneingef^rdn!ten 95eifatt8 abjugeminnen.
3)arauf bemerfte non (Sidingen:
— Sie l^aben unS, attergndbigfteS grdulein, biefe Silon^
M^tung fo JU ^erjen gefäl^rt, ba^ eS Sinnen gemi^ leidet
faEen n)irb, unS bie ganje (Sonate il^rem ^oeftege^alte nad^
in Sorten barjuftellen.
— 2)a8 überfteigt nid^tSbeftomeniger meine ftraft, t)er«
fe^te bie Slngerebete. Q6) beft^e mol^l ein du^erft empfdng*
lid^eS ©eful^l ffir SSeetl^ooenS l^errlii^e (Sd^dnl^eiten bis in
oK il^re jarten 3Ibftufungen l^inein; id^ ^nbe iebod^, Dor«
nel^mlid^ burd^ natfirlid^eS ©efdl^l geleitet, baS iffial^re, ol^ne
ben 3beeengang eines ^nftmerfeS in 9Borten entmidCeln ju
!5nnen. ^eute aber l^abe id^ burd^ ba§ fd^dne Seifpiel
meines ^errn 9lad^barS fo reid^e 9(nregung gemonnen, ba^
i(i^ fortan beftrebt fein miQ, oon biefer ©runblage auS meiter
JU bauen.
— 2)ann l^ilft S^nen ni^tS, ^err SBittig, Sie muffen
uns bie CiS'fnoll»@onate il^rem poetifd^en ©el^alte nad^ nal^e
^^iugen, fagte (Smma.
— 3nu^ xä) mirflid^? lautete bie etmaS ironifd^e 9lnt«
n)ort ISbgarS. ^6) mug jmar nid^t, aber id^ miQ.
— ©ie bleiben nun einmal ber alte SBiberfprud^Sgeift,
f<i^moQte @mma bagegen.
— Sli^tSbefloroeniger, ful^r @bgar fort, erfülle id^ 3»^ren
SBunfc^.
3)cr junge 3)lufenfo^n fd^lug ben S^ejt ber Cis-moll-
Sonate auf unb begann alfo:
- 90 —
^iefe unfterblid^e (Sonate, fo einl^eitöooU in il^rer @e>
^\)lStntxoxdd\xnQ, tpie n)enig anbete berartige ^id^tungen,
fül^rt ein ©entüt Dor unfere ©eele, baS t)on einem tief ein»
fd^neibenben SCBel^ belaftet ift.
3m Cis-molU2lbagio fprid^t ber in feinem unnenn«
baren @d^mer}e ftd^ faft Derjel^renbe, flagenbe ^Renfd^ 2U unS.
^ie ftete Unrul^e be§ ^erjeng fpiegelt bie immermal^renbe
2;riolenben)egung ber begleitenben (Stimmen malerifdi mieber.
3)em einfam in ftc^ gefeierten ®emüte entfprid^t bie monoton-
melobifd^e SSSel^flage. SSSol^I mb6)tt ber ®eift in feinem
liberfd^menglii^en Seib auS ber t)er!Iärenben (Sc^merjenSluft
ben feelent)ern)anbten Sroft fd^öpfen. 3lber meld^ ein furjer
©dieintroft ertönt l^ier auS E-durI Qrx fd^neU erneut fid^ bie
Älage über ben l^ei^ brennenben (Seelenfd^merj, bie nun«
mel^r, einen ^offnungSfc^immer (C-dur) oerfd^mdl^enb, fdfiaurig
unb immer fdeauert)o([er au§ aQen x)ern)anbten SRoQtSnen
angeftimmt mirb. 2)er ©eift erfd^eint jefet faft umnad^tet in
feinem unfdglid^en ©d^merje unb möd^te i^n bod^ mieber mit
(Seelenmad^t nieberfdmpfen. SBä^renb bie fd^mer^DoKe fleine
31one in ber 3ReIobie fo l^erjjerrei^cnb fingt, fd^reiten bie
mad^tooUen S3äffe in brol^enber Äraft einiger. Unb mieber
fdttt baS ©emut bem troftloS ftitten Klagelieb an^eim. —
SD3ie ein töblid) oermunbeter Seu fidf) pon Qtxt ju Qdt nod^
aufrafft unb gegen fein feinbfeligeg ©efd^idt anbringt, um
immer nur fraftlofer unb matter jurüdEiufinfen, ol^nmäd^tig
feinem (Sd^merje überlaffen: fo ftrebt l^ier ha^ tief üermun*
bete SJlenfc^engemüt immer roieber empor, um fd^nett baS
SBergeblid^e biefeS SlingenS ju empfinben. @ine fold^e 93e*
beutung Hingt auS ben furjen ©reScenboS biefeS (Sa^eS. —
9lade bem erften eitlen 2lufraffen roirb baS ©emut beS 2^u
benben oon unnennbarer Slngft befaQen. 3Bie ba bie Unrul^e
auf ben Seibengmenfdien einbringt! 9Bie er flagt unb fid^
t)or (Seelenpein minbet, ol^ne einen rettenben 2lu8meg ju
finben! 2)er ©eift füf)It jtd^ nad^ unb nad| fo bebrüdft, ba§
— gi-
er lange Derge6en§ naä) freiem Sltem ringt: bie Slngft toiü
unb roiVi nid^t n^ei^en; fetbft ber reine SlttSbruct ber Stiage,
bie ajlelobie, ift üerloren. Snblid^ tommi ani) nad^ biefer
^erjenSqual bie ©eele roieber ju jtd): aber immer tiefer, oer«
jroeiflungSxioIIer tönen unS bie meIobifd(en ©eufger entgegen.
Unb immer nod) ftorft ber S3ag auf bem Orgclpunfte Gis.
ps^Iid^ miU ftd^ je^t htm ©eifte ein rettenbeS Sieid^ er«
fd^Iie^en; toä) alfjufc^nell ermeift eg feinen trflgerifd^en
©d^ein, fo ba§ bie ©eele ol^nmdd^tig in bie alten ©d^merj»
gebantcn jurüdffdUt. SBie fel^r aud^ baS leibenbe $erj Mutet
unb leife feuf jt, nod^ fül^lt e§ ftd^ jumeilen Don einem ^aud^e
be§ ftd^ aufbaumenben SflBiberftanbeS erfaßt. Slber immer
troftlofer finft ber ©eift nieber. 9lod^ einmal, gleid^ bem
legten äuffladfern beS Sid^tfunfenS üor bem ganjlid^en @r*
Idfdien, leud^tet ein an!dm):)fenbeS ^Beginnen auf, el^e ber
®eift ganj in 9larf)t oerftnlt. SBon Sangigfeit, Sraurigfeit
unb ^unbert anberen dualen baniebergebeugt, fd^eint ber
9Jlenfd^ ba l^injuwelf en : leifer unb immer fd^m&d^er l^aHt
baS fS&ef) nad^. 9lur ber tieffte ©eelengrunb l^aud^t nod^ ab
unb jU bie elegifd^en, monotonen ©eufjer auS, big bie ganje
äBelt ftd^ il^m in mefenlofe 9lad^t DerpQt.
2>od^ i^or^l! 2)er fd^merjDoQ brutenben äSersmeiflung,
ber l^öd^ften ©eelennot ertönt je^t leife etne troftfpenbenbe
©timme auS liditen ^öl^en. SBie fd^Iummert nod^ fo tief
verborgen baS fd^mere Seib im troftreid^en ©ange beg SHle«
gretto! SBie miß fi^ l^ier in Des-dur eine eble ©eele fo
\)o6) erl^aben über bag tieffte Seib ftellen! ^mmer jutjer-
jtd^tUd^er erfäQen ©ebanfen ber SRul^e unb ber feierlid^e^
©dimerjengftiQung bie ©eele beg fd^mer ©epruften. f^reilid^
crfd^attt l^ier nid^t bag Siroftegmort einer ©eele, ber bie
Hoffnung auf ©lüdteggenxiß lebengooöere ©d^mungfraft per*
leil^t: nein! l^ier ertönt ber S^roft, ben eine große ©eele in
ber mißengftarfen 9teftgnation auf ein l^eiß erfel^ntcg Sebeng»
gifirf empfinbet. Unb ein fold^eg Sieb beg 2:rofteg muß t)on
— 92 —
aßel^mut umflort fein. 3Rxt SBel^mut ergibt ftd^ ^ier ein
@eift in fein unfeligeS ®efd^ict, xotü eS bie einem lauteren
^ergen entfiammenbe 9lotmenbigfeit alfo erl^eifd^t: eS mujs
fein! ®aS (BIM empf&ngt unter Xrdnen feinen Sd^eibebrief.
Unb n)eld^ gegenfd|(Iid^eS Silb in ben beiben Xeilen bei
£rio8!
9Bie moQte meine @eele fid^ in lebenSfrifd^em i^bel
emporfd^mingen, menn bie neibifc^en äJldd^te meinem £eben
nid^t eine fo traurige dntfagung gefponnen l^dtten! — fo
fingt ber erfte Z:eil. 3(Qein, mein ^erj foQ nun einmal ein
auSerlefeneS Selb fär baS l^eimtüdKfd^ einl^erfd^leid^enbe Un«
l^eil fein! — fo i)erfünbet, ganj leife flagenb unb meinenb,
bie leibenSgetr dufte @eele im jmeiten S^rioteile.
2)od^ oon neuem mirb in htm ©emüte beä Seibenben
bie troftooUe Stimme laut, aber ni(^t mel^r mit ber fräl^eren
Buoerftd^t. 3)ie SBe^mut mirft iel(t me^r unb mel^r il^re
bunflen Sd^atten in bie§ ^ilb ber (Sntfagung.*)
9)tit bem Presto agitato biefer 3)id^tung tritt ber
©eelenjuftanb beS gelben in eine neue $]^afe. ^ort mit
allen 9leftgnation8gebanf en ! Shtnmel^r mad^t fld^ ber auf«
bdumenbe 2:ro^ gegen baS ftnfiere Sd^idtfal in feiner titanif ^en
Seibenfd^aft geltenb. 9Bie bie milb fd^dumenben SDleereS«
*) ^et ä^otirog biefeiS fleinen Sa^eiS bietet laum benlbare @(J^toiertgs
fetten, namentlich inbetreff bed gar nid^t oorgeseic^neten Sem|)on)e4feId.
S)er 9(nfang mu^ ftd^ unmittelbar nad^ bem ^bagio in gan} rul^igem 3^it*
ma^e ergeben, ^er jroeite Seil merbe tixoa^ fc^neUer in ber Bewegung; bei
ber SBieber^olung entfprid^t ber 3bee abermals eine etmaS grb^ere Beb«
l^aftigfeit, bie aud^ nod^ ber erfke Seit bed SrioS bel^aupten barf. Slber ber
§meite $ei( oerftnie mieber in ru§ig leibenbe Semegung. 3)ie SBieber»
^olung bed SlUegrettoiS atme im erften Seile mieber bad eimaiS lebhafte
aufleuchten ber troftreid^en 9tettung. ^r ameite Seil l^ingegen, welcher ben
@a4 befd^lie^t, ertbne in burc^auilgemeffener Bewegung; ^ier bei bem erfken
tottifc^en £^artfesta!!orbe auf As (As-des-f) mufe jebenfalld ein Slul^epunft
ftattfinben, am Iftngfken im @d^lu^teile: benn bamit fc^eint erft in bet€^eele
beg d^ntfagenben ber @ntfc^lu( jur DoIlen 9ieife 3U gelangen.
— 93 —
n>ogen mit einer ftc^ latDtnenartig überftärjenben ftraft gegen
^Ifenmaffen loSftürjen, nm fte ber 3^^dntng pretggugeben,
n)ie fte bann in o^nnt&d^tiger 3(nfirengung jurudtprallen : fo
f^Ieubert l^ier bie tro^ige SRenfcl^enfeele il^re roQenben 2:on»
wogen mit furd^tbarer @en)alt gegen bie felfenl^arte @d^ict»
folsfefte, biefe §u jerberften ftrebenb. aber l^ier ein fort»
todl^renb ntad|tIofer StüiffaU t)on ben beiben tro^igften
äfforbfd^ldgen — unb l^ier ein immer erneuter Sliefenfturm.
@nblid^ mu^ ber tro^ige ®eift fein eitleS Semfll^en, ftnfter
groQenb, einfel^en. ^ie l^eroortau^enbe, grauenooQ fd^dne
Melobie in Gis-moll t)er!änbet unS biefen b&monifd^en
Sd^merj, ber ftd^ big in bie innerften ^erjenSfafern l^inein
^tgmeigt l^at. Offenbart er juerft nod^ ein getoiffeS l^erj»
rül^renbeS, melobifd^eg fOla^, xolÜ)xznh aQein in ben $B&ffen
bie fieberl^aft xoxlht Slufregung ber Seele pulftert: fo fd^n)illt
er fd^neQ genug }ur entfe^Iid^en Seibenfd^aft an, geberbet ftd^
immer rafenber in feiner 3^3criffen^eit, big pd) bie gefolterte
Seele in einem furd^tbaren SKuffd^rei Suft mad^t. — 3)a um«
fd^mint munberfameS ©eifteSgeffüfter baS in Sangigleit
fd^mad^tenbe ®emät beS unaugfpred^Ud^ fieibenben. ' 9lun
pd^tet ber ®eift in ben @d^og milben ^umorS. ;3ft eS nid^t
eine milbe Suft, fein ^erg 9on taufenb 2)ämonen umlagert
}U feigen? SBie fie nid^t mübe merben, an einem ^erjen
i^etumjuserren, eS mit il^ren jerfteifd^enben Firmen immer
ftdrfer unb l^öl^nifd^er ju pad(en! — 3)ie ^meite SRelobie in
Gis-moll gibt bie l^umoriftifd^e Slad^e. Slber ber votltotu
ad^tenbe $umor mirb von bem nimmer raftenben S^ro^geifte
oerbr&ngt, ber aufS neue !ampfbegierig gegen ben ganzen
feinbfeligen Zro^ loSftürmt. 9Bie fe^r bie ftolge @eele ft^
aud^ b&umt unb bem @d^idtfal feine SBiOenSfraft entgegen«
fd^Ieubert: beS (Kefd^idEeS 3n&d^te bel^aupten abermals bag
©d^Iad^tfelb. SBol^l mäl^U t)on neuem ber leibenfd^aftUdie
Sd^merg im &tmixt; jebod^ bieSmal nid^t fo ftärmifd^ l^eig:
bie frül^ere roübe SWelobie l^at nunmel^r eine etmag reflgnierte
— 94 —
gätbung in Fis-moll, mcl^r no(^ in G-dur angenommen.
%xtUx6) ift in biefen Slugenblirfen bie oerjid^tenbe Äraft nur
ftä^ma^. 93alb überlast jidf) ber ©eift mieber ber fejfellofen
Seibenfd^aft, in feinem SWiggefd^idt aber auc^ gro§ einiger«
f^reitenb. %nx einen furzen bangen SRoment fd^einen bann
bie @ei[te§fd^n)ingen ganj ju erlal^men. ^oä) haS n)ar nur
bie ©rl^olung ber ©eele, bie neue Ärdfte fammelt, um baS
graufame SSerl^ängniS gu 93oben ju werfen, ©o fe^t ftd^ ber
l^ei§e Äampf nod^ lange fort. 2)ie $51^e be§ UnglücJg ftürjt
ben ®eift in einen maleren 2;aumel ber milbeften Seiben*
fd^aft. 3)er ©d^merj mül^It tiefer unb immer tiefer. 3>e^t
^um üierten SKale erbröl^nen bie fül^nen fteulenfd^ldge gegen
ba§ nimmer manfenbe @dt)id(fal§]^aupt. ®ieSmaI entfielet
mal^rl^aft gigantifd^e§ Slingen; ber ^elb möd^te feinem ®e=
fi^id mit fdft übermenfd^li^er Slnftrengung in ben 9lad^en
fal^ren unb i^m bie fd^redlid^en ©iftjdl^ne ausreißen — e§
ift aHeS eitles SWül^en. 3)ie ^elbenfeele mu^ vom Äampfe
abftelien unb fid^ jur ©rgebung in baS unerbittlid(e ©d^irffal
ruften. ®ie frül^ere leibenfdiaftKd^e jorneSmutige SJlelobie
«rflingt nod^ einmal in Cis-moll leifer, gefaßter unb ergebe*
ner benn je juüor. ©d^eint aud^ ber 2;ro^ gebrod^en, fo
ftürjt bod^ mieber bie ^ö^^terlid^feit ber ©^mergenSleiben*
fdt)aft in lid^terlol^en fjlammen l^erüor. 3)ie SBerjmeiffung
treibt ben Oeift raftloS l^in unb l^er^ er led^get na^ enblid^em
©iege, nad| Befreiung au8 biefer unfdglid^en Dual unb fül^It
feine Äraft immer mel^r babei ermatten, ©rftorben fdieint
il^m alles Seben. 3)od^ aud^ auS biefem ©dieintobe rafft
fid^ bie Seibenfdf)aft aflimdl^Iid^ gu neuer ©emalt auf. 3)er
©dfimerj, ben biefe §elbenfeetc empfinbet, ift fo riefengroß,
baß er nid^t gu cernid^ten ift, unauf^örlid^ ift feine ^ein.
3lber bie ftolge, tro^ige SeibenSfraft fteHt fid) immer fül^ner
<iud^ biefem ©diredtenSbilbe entgegen, ©dfieibenb nod^ prdgt
uns ber Slonmeifter baS 95en)ußtfein t)on feinem im Orunbe
:i)er ©eele bennod) ungebrodE)enen ©tolge ein.
— 95 —
— ©0 fül^Ie -id^ bcn Qnl^alt btefcr ipunbcrbaren ©onate,
fd|Io| (Sbgar feine 3)arfteQung.
— O, toie banfbar bin id^ i^^l^nen! fagte (Smma mit
freubig geräl^rter ©timme.
— O^^t n>erbe id^ mand^eä barin bod^ nod^ ganj anberS
oortrogen !dnnen, benterfte Slntl^emia, n)obei fte einen i&tU
lid^ banfbaren SBItdt auf (Sbgar n^arf.
— S)anf, oiel ^erjIidEien 3)anf für Qffxt überaus freunb«
lid^e älnerfennung. 3)od^ unt eineS ^nfteS n)tl(en mu§ id^
mid^ mol^l noi) fafoieren. ^6^ möd^te mit biefet @fi}ie um
adeS in ber SEBelt nid^t ben irrtümtid^en ©tauben in Ö^nen
ermed^cn, al8 l^abe fid^ ber Xonfd^öpfer bei ber ftonjeption
biefer ^l^antafie » @onate gerabe ben pfpd^ologifi^en ^been«
gang fo DorgefteDt, mie id^ il^n foeben vorgetragen l^abe.
Samit fodten @ie, meine fo gebulbigen unb liebenSmürbig
fgmpatl^ifd^en Qväfbt^x, nur in Unbefangenl^eit bie Überjeu»
gung geroinnen, roie geroiffe @d)öpfungen Seetl^ooenS auf emp=
fdngUd^e, feelent)erroanbte ©emüter einguroirfen vermögen.
Aber gerabe auS fold^en poptiven SBorFommniffen — unb
baS l^alle id^ für befonberä bel^erjigenSroert — fönncn ©ie
roieber ben merfroürbigen ®egenfa^ erfaffen, in bem ftd^ ein
Seetl^ODen ju ben fogenannten $rogramm«9)'hiflfern befinbet.
SB&l^renb ber eigentlid^e ^rogrammatift jtd^ unb feinem 9lu=
bitorium eine ootKommen burd^gefül^rte poetifdie ©fijge ju«
red^tlegt, beren (Sinjeljüge man meiftenteilS aud^ beim beften
SiQen nid)t au8 ber betreff enben SJ'hiftf IierauSfinben fann:
roirft SBeetl^ouenS Xonfprad^e oft umgefel^rt fo, ba§ fte —
ol^ne nad^ einem beftimmten Programm gefdfiaffen ju fein —
bennod^ poetifd^e ©eelen ju ben auSfül^rlid^ften ^oefte=?ßro=
grammen begeiftert. 2)a8 ift bcnn aud^ ber l^öd^fte Xriumpl^,
ben bie aWuflf al8 fold^e burd^ ben-l^ol^en ®eift SBeetl^ooenS
bauongetragen ^at Qn freier, pl^antafte« unb funftDoHer
Siarfteßung gebiert fie Heine SOBelten, von fo faßlid^^einbring*
— 96 —
lid^er Stlarl^eit^ ba^ ber ^Berufene ftd^ Deranla^t feigen mu^,
Jette 9Beltett burd^ baS beutlid^ rebenbe SEßort^ fefljubanttett.
— SBieber eiti gattj tteuer ©ebattfettgang, fprad^ freubig
erftaunt ältttl^etnia. 93teIIeid^t l^abe id^ ®ie tttd^t t)oQ{ottttnen
t:»erftanbett. Sie tDoQteti bo^ batttit ttid^t bel^auptett, ba^ bte
$rogratntn'9Rttfif, oIS bereit eigentlid^en IBatet mix $e!tor
93erHo} anjufel^ett ^aben, gar feilte pofltbe Sebeutung für
bte orgatttfd^'gettettf^e (Stttoictelung ber SRuftf 6eftl(t?
— 3)aS burd^auS xtiä^t, Derfe^te (Sbgar. (S8 liegt eitt
bebeutfatner ftertt bariit, ber itt S^^u^ft nod^ frud^tbrittgettb
tDerbett ntu^. ^e!tor Serlio} freilid^ gleid^t mit $ratt}
Sigjt unb anberett ttur iettett l^erDorragettben fül^ttett 3Rditttertt^
bie t)or ftoIutttbuS bett neuett unbelatttttett SeetDeg auSftnbig
titad^ett tDoQten. ^erliog jutnal ift tDie ha8 infarnierte 9[^nett
eitter tteuen Offenbarung§n)eIt ber 3Slufxt, beren ettblid^e @r«
füUuttg erft einent fp&terett ©ettiug x»orbel^aUett bleibt. ®e»
rabe auS ^eet]^ot)en l^&tte er lernen fönnen, ba§ eine ber«
artige, wirflid^ organifd^e ©rweiterung ber reinen Qnftru«
ntentalmufif nur burd^ Doniommeneg (Srfaffen ber t)or]^anbenen
SRufiffornten möglid^ mirb. @inft xoxxh j|a ber 2)ag fommen^
an bent ein großer Originalgeift auftreten n)irb, bef&^igt,
bie burd^ bie grö^eften 9)tuftfgenien entn)id(elten formen
organifd^ n)eiter}ubUben. @in fold^er ©eift ntu^ bann aud^
bie ganje utufifaKfd^e Slnfd^auungSwelt t)oru)drt8 bringen. —
3)od^ i^ utu^ furd^ten, ntid^ gu verlieren, mu^ bal^er fd^neE
abbred^en, fo tjerlodenb aud^ biefeg 3;^enta ift. — 3>^ m&6)te
Dielntel^r nod^ einmal auf ben Siortrag ber Cis-moll-@onate
guräd(!ommen. 3^r @piel, gnäbigeg f^r&ulein, gab einer t)on
mir feit lange gendl^rten älnfld^t toieber neue ^eftätigung. ^^
bin ber SJleinung, ba^ gerabe jum SSortrage Seetl^ot)enfd^er
2)id^tungen bie $rad^t beS p^pfifd^en 3lnfd^lage8 aKein
burd^aug nid^t auSreid^t. Um ben eckten ®eift unfereS
SDIeifterS ertönen gu laffen, mu^ man ben pf^d^ifc^en ä(n»
fd^Iag, inf onberl^eit beim älbagio, jur t)oQften @eltun bringen.
— 97 —
2)ie SRufUfeele muj^, loenn ber SuSbrucf geftaltet x% in bie
^nger l^inubergeleitet loerben, um fo ben 9Beg in bie l^erjen
ber 3u^drer gu finben. älnfd^Iag unb Scjent — \>cS ftnb
bie xodffxtn älngetpunfte fflnftlerifd^er 93ortrag§n)eife, bem
ftd^ als britteS 9)loment bog ^j^rafleren ober Sbgrenjen
jugefeßt.
— 93ortreffUd^ ! rief älntl^emia auS. @g gibt aber mol^l
aud^ fd^n)erlid^ etmag, baS Körper unb @eift sugleid^ ntel^r
anftrengt al8 ber SSortrag einer ber tiefentpfunbenen Sonaten
$eet]^ot)eng.
— ^^uU mu^ nun einmal aud^ bei mir aUeS l^erauS^
roaS xä) aber Seetl^ooen nod^ auf bem ^er}en l^abe, liej^
ftd^ barauf von @id(ingen vernel^men. 9)lir erfd^eint ei^
immer nod^ unfagbar^ bajs eg ju Sebjeiten SSeetl^ooenS oor^
nel^mlid^ jmei grauen maren, bie aQein ben äReifter su-
lauten SeifaUSbeieigungen aber ben genialen 93ortrag feiner
KIaoiern)er!e l^inrei^en tonnten. Jtonnte il^m ia lein 93ir»
tuofe irgenb eine feiner 2:onbid^tungen gu ooUem 3)an!e
loiebergeben. Siefe CSI^renbamen par excellence ftnb bie
Freifrau 2)orot]^ea t)on @rtmann, oon 93eet^ooen feine
„2)orot]^ea»(£dciIia" genannt, unb bie®r&fin@ibonieoon
% r u n 3 m i d. 3Ber auS unf er em Keinen geifteSerlaud^ten Streife
Hart mir biefeS 3Wu|lf-aK9fterium auf?
3^m antwortete feine ^raut in fd^erjl^after 9Beife:
,,SSUlft ^u isnmev »etter fd^toeifen?
@ie^V bad ®ute Hegt fo na^'."
@ebulb, mein lieber ftarl, ic^ löfe bir biefeS Sfldtfel.
@rft aber la^ bir gefagt fein, ba^ bu nod^ mand^e anbere
ftünfUerin neben jenen beiben 3)amen au^er ad^t gelaffen
l^aft. 3)a m&re bie ebenfo oon SBeetl^ooen alS aud^ oon
$a9bn]^od^gefeierte$ianiftinSrau3)tarie9igot,geb.^iene
p nennen, bie namentUd^ au§ ber fogenannten Appassionata
(op. 57) baS SBunberbarfte ju geftalten mugte; ferner äßabame
Sibbini, eine Softer beg gu Seetl^ooend Q^xUn fel^r ge^^
italifd^er, ^ic SRac^t »eet^ooens. 7
— 98 —
fd^&^ten ftomponiften fto^elud^. äUS n>unben)ol(e 3)arfteQerin
tBeet^ODenfd^er ^oeflegebilbe, juglei^l als ^reunbin beS
SReiftetS, ift ober gang befonberS itod^ ^rau SDtarie ^aifUt^
ftofd^a! I^eroorgul^eben. 9Rir f&Qt eg eben ein, in einer an«
jiel^enben ©(i^rtft beS ©ol^neS biefer n)urbigen 9Ratrone,:
n)orin bie ^egiel^ungen Seetl^o^enS ju Dr. $ addier g SItotter
auSeinanbergefe^t n)erben , einen aQerUebften SBrief beS
SneifierS an biefe SRarie gelefen }u l^aben, ber fogat f olgenbeS
Urteil entölt: „^^ ^abe niemanb gefunben, ber meine ftom«
pofttionen fo gut vorträgt, als @ie, bie großen ^aniften
nid^t aufgenommen; fte l^aben nur 3)ted^anit ober 9[ffeftation.
@ie flnb bie n^al^re Pflegerin meiner ®eifte8finber." (5s
I&j^t ^ä) benfen, bemerft ba}u ber (Sol^n, mit metd^em (Stolj
unb mit meld^er $iet&t meine Silutter biefeS foftbare (S^ren«
jeugniS aufben)a]^rte!
— Unb @ie l^tte »eet^ooen ftii^erUci^ s»«^ gürftin feines
©eifteSftaateS auSerloren, fagte (Sbgar freubeftral^lenb gu
^ntl^emia. ^ä) bilbe mir'S ein, ba^ @ie eS fo mand^mal
träumerifd^ fd^mergl^aft empftnben, ^eetl^ooen nid^t gefel^n
gu l^aben.
— ©ie werben eS oerftel^en, entgegnete Slnt^emia, wie
id^ S^r&nen oergie^en fonnte, oIS id^ t)on @ d^ um an n einen
berartigen ©d^mergenSfd^rei laS. @o ruft eS biefer Sionbid^ter
aus: „ZxaQ^ id^ benn xnä)t ani) ben @d^merg in mir, ^ee«
t]^ot)en nie gefeiten, bie brennenbe @tirn nie in feine ^anb
gebrüd^t gu ^aben, unb eine gro^e Spanne meines SebenS
mottte id^ barum l^ingeben." — ^i) bin übergeugt, ba§ Ql^re
©eele oftmals von einem fold^en f^mergl^ften ©eignen ^eim«
gefud^t mirb. 9Bie bod^ in fd^einbar törid^ten ®eban!en ber
Snenfd^en oft fo tiefer Sinn jledft!
— ®aS ift ein ©d^merg, ber ©ie l^od^ e^rt, bemerkte @bgar
in feierlid^em Xone. ®on mir miH id^ lieber gang fd^meigen.
— aCber nur nid^t gu me^mut3t)oU, fud^te ^mma gu
fd^ergen. Um inbeffen auf bie fl^auen gurädCgufommen, bie
- 99 -
fo reine ^riefterinnen beS SBeetl^ODettfcl^en ftunfttempelS
iDaren, fei mir bie Setnerhtng geftattet, ba| mir biefe (Er«
f(|einung burd^ouS ni^t fo unfaßbar unb munberbar erf^eint,
me bir, lieber Starl. ^iS^ti l^ot fid^ in ber gefamten fEdüt*
entQ>uteIung, jumal in ber ®ef(^id(|te beS ®eifteg, bie SRiffton
itx grauen al8 eine rein pafftoe ermiefen. 2)ie menigen
SluSnal^men in ber (Kefd^id^te fönnen biefe äBal^rl^eit nid^t
mnfto^en. Ob mir bereinft im aftiven Elemente einl^eimifd^
jein werben, baS fann erft bie fommenbe 3^it entl^fitten. Qn
imferer $af1tmt&t beftl^en mir bie reinfte (Smpf&nglid^feit fär
cSki e^t beifüge, fftr aUe gro|en :3[been. Sir l^aben
ni^t ben (Sl^rgeij, überall unfer dd^ auf ben ©d^ilb }u er*
leben. äBir geben itn8 mit ber unermübUd^ften ®ebttlb unb
^uSbauer allen fd^öpferifd^en ^hezn ber 9H&nner l^in; mir
Ibeftreben un8, unterftül^t burd| bie unS eigentämlid^e S^^t«
]^eit unb al^nenbe ItDlad^t beS &t^^i, in ben oerborgenften
@inn, in baS feinfte ®edber ber l^el^ren ®ebanfenmelten ein-
pbringen. Unfere @enbung berul^t oornel^mlid^ barin, baS
m&nnlid^e Zun mie ber (Sngel ber ^rtl&rung }u umfd^meben
unb baburd^ auf und felbft ben ^ötterftral^l reinfter (BIM»
feligfeit jurüdCfaUen gu laffen. — 2)ie Slnmenbung auf bie
iDhtjit ift einfad^. 2)ie aOermeiften 93irtuofen unb ftompo*
Jiiften ftnb fo looQ oon il^rer eigenen fc^dpferifd^en ®röge,
ba| bie @]^rfurd^t vox ben mal^r^aften ^eroen il^rer Jtunft,
iefonberS, menn fie il^nen nod^ als 3^itg^noffen gegenüber«
ftel^en, feine mirflid^e Cluelle in il^rem @emäte l^at. 9Bie
^nberS baS f ünftlerif d^ begabte SEBeib ! 3n ben meiften
^Üen tritt eS mit einer fo feufd^en, eblen SBegeifterung an
ein fiunftmer! ^eron, ba^ beffen !unftooQeS S^onleben aQ*
mdl^lid^ gang bem meiblid^en (lleifte )tt eigen mirb, um bann
aus ber innig nad^empfinbenben Seele l^erauS aud^ bie auf*
i^ord^enben ®emüter ju befeligen, gu entgüd(en, gu erleben
ttnb in alle ^immel gu tragen. @o l^ol^eS äBalten ift bem
Sraucngeifte befdf|ieben.
— 100 —
— (Sriaube, meine (Bmma, fprad^ il^r ganj entg&ctter
Sr&utigatn, ba^ i6) anbetenb t)or beinern ©eifieSreid^tum
nieberfoHe. ^nn e8 fo mit bir t)orm&rt8 gel^t, mirft bu
mi^ gang in ben @(i^atten fteQen.
— SEBarte, bu (Spötter! fd^moQte (&mma in besaubern»
ber 9[nmut.
— Unb x6) fä^Ie mid^ im DoQften @rnfte l^ierin t)dUig
mit bir Dermanbt, fagte älntl^emia mit (Smpl^afe.
916er immer mieber mu^ 16) bie ©eifteSfraft meiner
l^eQenifd^en 9Utt)orbem bemunbern, bie fo viü feinftnnige
3been, fo oiel SSorfommniffe beS Seben8, ber 9latur mie
beS ®eifteS, in bag fd^önfte Öemanb ber %ahü unb anberer
2)id^tungSart ju Ileiben Derftanben l^aben. 3)er energifd^
@4iauenbe mirb leberjeit reid^e 9la^rung fär ben ®eift auS
bem ^eOenentum fd^öpfen. ^6) bin fo frei^ ein mit unferem
^rauentl^ema jufammenl^&ngenbeS Seifpiel oorjutragen. ^ie
unumftd^Iid^e S^atfad^e, ba^ gerabe grauen von feineSmegS
]^en)orragenber mufiftl^eoretif^er Silbung am reinften unb
fd^önften hcS l^eilige Xonmort Seetl^ooeng oerfünben, ba^
biefe inftin!tartig am üarften aug biefer 9RufenqueIIe ge«
fd^öpft l^aben — bag erinnert mid^ an baS alte Orafel be§
flarifd^en Slpollo. ©iefeS
— @in Orafel beä üarifd^en SlpoQo? unterbrad^ fte
@mma erftaunten iBIid(eS. ^6) fenne nur ein betpl^ifd^eS
Orafel.
— O, ermiberte äntl^emia, e8 gibt au^er bem belpl^i»
fd^en nod^ verfd^iebene anbere apoQinifd^e Orafel^ barunter
baS )U ftlarog, einem Orte unmeit t)on ^olopl^on^ ber ^nfel^
bie ftd^ ia ebenfalls rül^mt, ben unfterblid^en ^omer erzeugt
3U f)aitn. ^ören @ie bod^ einmal, $err SBittig, mie flingt
aus meiner ftel^Ie ber barauf bejäglid^e beräl^mte gried^ifd^e
^ejameter?
— 101 —
„®mr)xna, 9ll^obo8, Stolop^on, Solamin, Cl^ioS, 9(t0o8,
at^ene."*)
— ^onigffi^, loärbe unfer @9mnafiaIprofeffor gefagt
l^aben, antoottete ber Seutnant ftatt beS (Gefragten.
— @e^r angenel^m, fu^r Sbttl^etma fort, ^oif jiträd
3um flarifd^en Orafel. ^ie ^öl^le beS flarifd^en SÜpoHo
^atte einen @untpf, n^eld^er ben barauS Xrinlenben einen
n)unberfamen $rop]^etengei{l einfldf te. So fingt ber l^eitere,
en)ig liebe« unb n)eintrttn{ene 9(nafreon:
„(ES rafen no<l^ unb ^len,
IDie baS (evebte äBoffer
3m ^aine Stlaxoi ttrinfen."
(Ol ^ KXoEpou irap' ox^ai«
8a^pvT}^poto <I>o(ßou
XdEXov iHovrec u^p
3)aiS nterfn)ärbig Sparte biefeS OraieltebenS lag aber
barin, ba^ nid^t, wie anberSmo, günftlerifd^ Oen^eil^te baS
Sßort beS ®otte8 oerlünbeten, fonbern irgenb ein 9(u8»
eno&^Iter, ber in bie ^öl^le l^inabftieg, bad Harifd^e SBaffer
tranf unb l^ierauf feine ®otte8oerlilnbigungen fogleid^ in ge«
bunbener Sftebe oon fid^ gab, ob er gleid^ QtmSffnlxä) nid^tS
oon ber 2>i(i^t(unft oerftanb. 3)er ®eift aUein mad^t lebenbig.
— @o Der^olten fld^ bie grauen gunt l^o^en @eifie Seet^ooenS.
Obniol^l fie ber SEBiffenfd^aft ber Xonlunft fernftel^en, oer*
fftnben fie bod^ bie gdttlid^en ®eban(en ^eetl^ot>en8, biefeS
anberen 9[poUo, weil bie ^eiligfeit beS OeifteS in il^nen
thront, weU fie wal^rl^aft begeiftert finb.
— ^ä) ioVi^ 3^rer 9lebe allen SeifaK, lie^ fid^ barauf
oon ®idtingen Dernel^men. äbrigenS war aud^ meine ber
*) (Sin a(ted (Spigramm betid^tet:
*£irrd icdXitc iccpiCouotv ictpl ^iZon *Ofx.f^pGu,
Sf&t&pya, T^Soc KoXo^tiiVy SaXafjiic, 'loc, 'Apyoc, 'A^vsi.
iBie l^iev 3od ftatt S^ioS fielet, fo gibt eS noc^ oerfd^iebene anbete Sed«
orten für biefe fteben @tftbte.
— 102 —
Königin meines ^cjenS 0eff)enbete Snerfennung !etnegn)egS
ironifd^ genteint. 3)iefe eble Eingebung ber f^rauen an bie
Sd^öpfungen ber Oenien erföUt unS int (Srnfte mit tieffter
@]^rfurd^t oor ber l^l^ren Sflrbe ber ^auen, aber — ner*
geffen mir nie^ ba^ ben eigentli^ien StuSfc^Iag in ber (BnU
midelung beS SRenfd^engeifteS bod^ erft bie a!tit)e SSegeifte»
mng beS (Selbftfd^affenben gibt.
— 9)arüber fann mol^t fein ßmeifel obmalten, fprad^
@bgar; baS mirb l^offentlii^ aud^ unferen 2>amen 9oIlf ommen
flar fein. Saffet nwr oiele fd^öf)ferifd^e @eifter erfteljen, —
unb ber ^aud^ einer neuen Sd^ftpfung mirb fd^neQ feinen
3Beg in begeifterte ^i^auenfeelcn finbcn! SBirb aber, mie
fd^on $lato miQ, bie (Srjie^ung beiber ©efd^Ied^ter eine
immer gleichartigere, bann fann in 3^^nft ^^^ ^ultnrbilb
aud) ein anbereg SuSfel^en geminnen. Unb felbft ber gro|e
StagiriteSriftoteleS fann f d^Iie^Iid^ Unred^t befommen, menn
er in feinem äBerfe aber ®taat8lel)re bel^auptet: „^a8
aR&nnlid^e ift oon Statur gur ^rfi^tung geeigneter al3 ba8
SSeiblid^e" (t6 te 7dp app&v 9693t toö {>^Xsoc rjYSfiovixcdtepov.
Politicoruoi über I, Cap. V).
^ SBol^I gefprod^en, $err 9Q3ittig! Heg ftd^ Slnt^emiaS
meid^ glodenl^eUe Stimme t}erne^men. ^offentlid^ fteden
Sie uns felbf} red^t balb auf bie ^robe. — 9lun liegt mir
nod^ eine JBeetl^ot^enbitte am bergen, ^tf) l^abe fo tneleS
ocm :3]^rer gemijs eingigen 93orliebe fär bie A-dur^S^mpJ^onie
gel^drt, ba| id^ dugerft begierig bin, ben inneren 0runb
bafär ju erfal^ren. SBaS treibt (Sie fo unb&nbig gerabe }U
biefer Sqmpl^oniebid^tung unfereS ®ro@meifterS l)in? ^6)
l^ege ben feften @lauben, ba§ Sie gang munberbare ^bc^en«
entbedhtngen barin gemad^t l^aben.
— 3)iefer ©laube taufest Sie aud^ nid^t, entgegnete
Sbgar. Slid^tS in aDer S33elt l^armoniert feit langer 3^it fo
mit ber gangen @runbftimmung meines 993efenS, mie biefe
ftimpl^onifd^e ftongeption beS äJleifterS. Wx ift mand^mal
— 108 —
fo/ alä iDäre biefe Qx)mpf)onk eigenS für mii) gefd^xieben^
^S fdnnte fte fein anbetet fo Detftel^en, fo in ben innetften
9lett) xf)uS @eifteS flauen, n)ie id). diwaxttn @ie iebocf^
ni^t, ba^ id^ l^eute nod^ einmal meinen SRebefItom Aber
3^te lammfrommen Rauptet auSgiege. ®ie finb bie ge^
bulbigften ^ötet, bie mit jemals DOtgefommen ftnb. i^l^re
2)ulber!raft ift fogar ft&rfet oli meine fiungenfraft. Sber
id^ bin gemiUt, meine ®eban!en über biefe äBunberfqmpl^onie
fd^tiftüd^ niebetjulegen. ©obalb x6) bamit fettig bin, übet«^
bringe id| bie ©fisge unferem teuren ^taulein ^ilbebtanbt,
bie in i^tet SiebenSmätbigfeit mal^tlid^ nid^t etmangeln mitb,
and^ @ie, mein nerel^rteg gndbiged f^r&ulein, gur äJlitmifferin
biefer ^been ju mad^en. Sie merben l^ier ^eetl^ooen olä
n)eltenrid^tenben ®eniuS fennen lernen.
— ©ie fpannen meine (Srmartung feljt i)o6), htxmxtt^
älntl^emia. 9[n 3^nen mitb e§ nunmel^t liegen, biefe nid^t
au& i^ten ^immcln ju ftütjen.
^^^t etfd()ien bie ®ame be§ ^aufeS unb mad^te allen
weiteten QStöttetungen übet baS fdjiet unetfd(öpflid^e 93ee*
tl^ooentl^ema babutd) ein @nbe, ba§ fie bie Heine ©efeUfd^aft
an ben Seetijdf) lab.
^iet bot namentlid) miebet bie l^eitete, topge @mma
i^t ganzes Untetl^altungStalent auf, um bie 9Bel)mutSn)olfen
oon 3lnt]^emia§ unb ©bgarg Stirn l^inmegjubannen, momit
fte meit mel^t ®ludE bei bet Jji^cwnbin als beim ^J^eunbe
l^atte. @bgat oetlot faft feinen äugenblidf feinen eigentum«
lid| f^metmütigen @efi(^t35ug.
9^ad^ ben teid^en ^teuben bet Slbenbtafel beluftigte man
fid) an imptooifietten Sfteimeteicn, mobei bet Seutnant in
feinem Elemente mat unb fomol^l in bet @tfinbungSfd)neDig=
feit als aud^ in btaftifdien 2lnfpielungen jebmebet 2ltt bie
^ö^fte 3Reiftetfd^aft entfaltete.
©pfttetl^in ttug @bgat nod^ auf ben btingenben SBunfcl^
3lnt]^emia§ einen ©onatenfa^ oot. @t l^atte ba§ gto|attigc
Satgo bei iDteland^oIie in D-molt tax» bec D-dur-Sonate
(op. 10) Qtm&ffU, eine ber tieffinnigften, onginenften Stoti'
geptionen SeeÜiooenS. (Sbgar mac iteute fo in ber ie<i^ten
<Stimtnung, biefeS färben« unb fi^attieiungSteic^e Bilb eines
tnelan^olift^en SHenf^en ant Jllaoiec ju getanen. — 3>er
ISinbiud mat ein fo tiefge^enbet, ba§ eS tietna^ mit bec
^iteten Stimmung ffic ben 9le^ beS Sbenbä Docbei mat.
<SnbIi^ mu^te au(^ ^iec bie Stunbe bec Xtennung
fc^Iogen.
S)ec @Iö(föftern Iddielte unfecem SnuftFec. (Si %atu
bie befeligenbe j^ceube, SIntliemia na^ ^aufe geleiten ji
bßrfen. — 3BeI<^e (Sdiauet nie empfunbenec ®eligteit buccEi<
brangen fein ganjeS Sefen, als et ant^emiaS fd)n)ellenbm
SIrm in bem feinen ffititte. Sie fi(^ Don biefem äppigtn
acme fo matmtS, jugenbfiift^eS Seben in fein eigenes et'
gog! — Sbgat empfanb eS niiebet einmal, bag bie SBelt
au$ neben flunft unb Siffenf^aft not^ anbete $immels<
roonnen in flt^ fa^t.
@ed^M Aapitel.
@tn Ite&enbed SBetb.
^ev in bie Geele [(^lägt unb trifft unb attnbet,
93enn |14 SetmanbM sum Senoanbten finbet,
^a ift !an 9Biberftonb unb leine SBo^I.
(S8 löfk ber SRenfc^ nidftt, »aft ber i^immtl Mnbet
et^ilUr: 2)ie !6raut von SReffina.
^o(^ $offRun({ §auÄt ^eben bem fd^veSenben ^erxen
Unb Jlfiftert: «uf äBieberfe^n, »od au^ %t\Ätfy —
Unb ber Sraum biefer Sftuf^ung oerfü|et bie ^cpmerjen
Unb bad nagenbe ®ift in bem leiten 9(be.
»9ron: ^er Siebe left SKbt*)
^ad^bem (Sb%at einmal, angeregt burd^ Slntl^emiag mit«
begetfternbe ©egenmart, angefangen ^atte, auS feiner
einfamen SSerfd^Ioffen^eit l^erauSgutreten, trieb eS il^n öfter
als el^ebem jur Sel^aufung ber ©el^eimratsfamilie.
Xntl^emia befonberS mu^te aQ feine ©ebanfen über
93eet]^ot)en erfal)ren. Unb maS er nod^ t)or ben anberen ge«
l^eim ^ielt, weil fte mi) nid^t reif für bie ÜRgfterien biefeS
Orpl^euS maren, baS mürbe Dor ber l^errlid^en ©riec^in ent>
fd^leiert, fobalb ftd^ il^m ein unbelaufd^ter SlugenblidC barbot.
Slntl^emia l^örte bann in anbac^tSDoUer 93emunberung ju.
*) Süil Hope, breathing peace through the grlefswollen breast
Will wMsper: Our meeting we yet may renew:
With this dream of deceit half our sorrow^s repressM,
Nor taste we the poison of love^s last adiea!
Byron: LoTe*s last adieu.
— 106 —
9laturgem&g mußten fo geiftedoevn^anbte Staturen fd^neC
genug iene gel^eimniSooEe Xnsiel^Uugdftaft aufeinanber auS«
üben, bie berufen fd^eint, ein gemeinfanteS S)afetn für aKe
Sebenggeit l^eroorfeimen )u laffen.
3(ber bie ^age fo reiner, al^nunggreid^er ^^reubetrunfen«
l^eit foQten balb einem j[a^en (Snbe entgegengefül^rt n>erben.
3)ie 3^it U)eld^e älntl^emia t)on i^ren Altern für i^re fünft«
lerifd^e äluSbilbung in 2)eutfd^Ianb gemalert n)ar, erfüUte ftd^
mel^r unb niel^r — unb bie bittere ©tunbe ber 2;rennung
ftanb nal^e beoor.
@o ntannigfad^ aud^ (SbgarS fieiben n^aren, in biefem
n>ed^felfeitigen 3)rangfal xoax er bennod^ ber n)eniger ^e»
flagenSmerte. (£r n)ar }u ooQ vom @eifte ber 9Ruftf, befon»
ber§ T)on Seetl^ODen^ ®eniu§, als ba^ ber er^ebenbe unb
berauf d^enbe Sanhtt ber Siebe bag Sllpl^a unb Ontega feines
@innen§, SBebenS unb %taä)Un9 bilben fonnte. Sern* unb
i^d^affenSeifer beuteten il^n gnabeuDoQ vox ben nieber«
fd^metternben (Sd^lAgen ber Sie6eSgen)alten.
SlnberS Slntl^emia. @bgarS trauerumflorteg äBefen l^atte
eS il^r nun einmal fo angetan, ba§ fein (Jntrinnen mel^r
möglid^ mar. ®ie ®emi§^eit beS beoorftcl^enben Sttbfd^iebS
marb il^r jur unenblid^en ^erjenSqual. ^n xf)xtm ;3nnern
mogte eS in unbefd^reiblid^er Unrul^e. 3^r §erj fd^ien ein
unerme^lidier Xummelpla^ gu fein, auf bem ber l^ei|e ftampf
ber Seibenfd^aften jum erften SKale fein rounben» unb
fd^merjenSreid^eS panier aufgepflanst l^atte.
2lnt]^emiag öriefe unb Erinnerungen, bie aHefamt —
menn aud^ nid^t in SBirflid^feit, fo bocf) im ©eifte — an
i^ren 93ruber gerid^tet maren, fpred^en b.erebter alä ba8 er*
j&l^lenbe SBort t)on ben ^ümmerniffen i^rer eblen Seele.
3folgenbe8 fdirieb unb mibmete Slntl^emia i^rem teuren,
innigft geliebten S3ruber Sop^ron:
„®u mirft in großer Slngft leben, meil 3)u fo lange
nid^tS Don mir gel^ört l;aft. 9ld^ ! menn 3)u fo redE)t mü^teft.
— 107 —
tute unfäglid^ elenb unb träbfelig eS um mein ®emät8n)efen
ftel^t — 3)u märbeft fd^ncß aufböten, über mein ©tißfd^meigen
Dermnnbert ju fein. 3)u n)ei^t eS, bo@ id^ bann am liebften
fd^reibe, menn x^ ber geber ben t)otten ^reubenflrom anver«
trauen !ann: bann empftnbe id^ bie erquid(enbe Hoffnung,
ba| ^reubenbotfd^aft auS bem £eben 3)einer einzigen ©d^mefter
aud^ über 2)ein S)afein einen erfreuenben ©lanj t)erbreiten
mu^. ^abe id^ 2)ir iebo^ t)on beS £ebenS 9lot unb Oual
^unbe }U geben, bann mu^ ii) befürd^ten, aud^ 3>einen
augenbUdHid^ üielleid^t froren unb anmutigen fiebeniStraum
mit bem @d^Ieier ber SDrübfeligfeit gu überjiel^en. 9lQein
auf bie 2)auer fd^meigen, menn bie @eele fd^mermutgooQ ift,
mürbe fd^üej^Iid^ in faum oerseil^lid^eg Unred^t ausarten.
©0 fei benn bie SBerfd^miegenl^eit S)ir, bem geliebten ©ruber,
gegenüber meit t)on mir gemiefen.
£a^ 2)ir benn meine ftiQ verborgenen Seiben flagen,
menn aud^ 2)etn lebengfreubigeS äBefen barob t)on SBel^mut
befd^attet mirb. (SrfüQt aud^ bie Xeilnal^me an ben Reiben
einer treu ergebenen t^reunbeSbruft baS @emüt mit unmerf'
lid^ nagenbem Kummer, fo geniest eS bod^ ben Derflftrenben
Sroft ber l^armonifd^en 3^f<^^i"^n9^'^dn9'^^it mit einem an«
bereu äBefen.
3luS lürgeren Einbeulungen meiner früheren ©riefe mei^t
S)u eg ia I&ngft, mer bie unfc^ulbige Urfad^e meiner fieiben
ift. ^ä) l^abe 2)ir fd^on oft Don bem jungen Aünftler ge«'
fprod^en, ben fid^ ber Siebeggott ju einem Oued unoerfteg«
baren SBel^S für mid^ auSerlefen ju l^aben fd^eint.
äBie I&nblid^ l^eiter flo^ mir bie ^^genb bal^tn! Suft
am Seben, l^immlifd^e ^^reube an ber 9latur, Siebe gu ben
äJleinen, ber @{orienfd^ein ber fiunft: aUeg $oIbe, Siebe,
®ViU, Sd^bne unb f^^eubenDoOe leud^tet auS meinem ganjen
Sugenbleuje ^eruor. ©al^in finb nun aß biefe 3ö^wber
für mid^! SHIeg, maS id^ biSl^er liebte, roaS mid^ er»
gö^te, erquidtte unb mol^l aud^ betrübte, f^eint ein fanft
— 108 —
Derflungenec ättforb für mid^ ju fein. 911 bie l^olben Silber
ber i^ugenb, aü i^xt trauten (Sinbräde fd^einen fort inS
9lebeUanb ^ntxox6)tn gu fein: als gelbe eS nur ein einjigeS
gl&ngenbeS 9Ub ffir mid^ auf beut ganjen, n)eiten Srbenrunb.
i^e^t l^at in meiner Seele nur ein einjigeS, unenblid^eS @efül^I
9laum, baS alle» anbere Derfd^Iingt — bie Siebe, grengcnlofe
Siebe ju ßbgar fflittig ! 2)a — nun ift e8 enblid^ l^erauä! —
2)u n)irft mid^ auSlad^en. SBol^l mag 3)ein SBruberl^ers
in biefem 9(ugenbttd(e triumpl^ieren, bag i^ vom Strafgerid^te
beS fräl^er oerlad^ten (SroS fd^mer l^eimgefud^t merbe. $ia\
graufam räd^t fid^ ber <Bpott, mit bem id^ mid^ ober 2)eine
eigene, tieffinnige SSerliebtl^eit luftig mad^te — über baS
brütenbe StiQfd^meigen, befter Sopl^ron, baS nur von dtxt
in 3^tt burd^ einen auS ber tiefften Seele emportaud^enben
Sel^nfud^tSruf nad^ ber heißgeliebten unterbro^en marb. —
9nit einem SRale tritt mir ein Ereignis unfereS gefd^mifter«
lid^en 3ufammenfeinS lebenSooU vox bie Seele. (SineS XageS
mar 2)eine brüberlid^e Sangmut mit mir }u (Snbe: ba fd^Ieu»
berte mir 3>ein gefr&nfter @eift mit eumenibif^em ^atl^oS
eine bange ^ropl^egeiung entgegen. 3)ent an ben p^tl^if^en
@ott! 9(nt^emia; riefft 2)u in begeiftertem 3<>i^neSeifer au3.
9(ud^ er oerfpottete ben Keinen, aber aQgemaltigen (SroS.
S)er beleibigte, Heine 0ott nal^m grimme 9la^e an ^l^obuS
älpolto. 2)ag verfielt ftd^ alfo — mie eS ja OüibiuS 9lafo
fo reigooQ in feinen 9)tetamorp]^ofen befingt. äUS ber fd^ön»
gelodtte 3)lufaget t)on feinem Siege über ben 2)rad^en ^^t^on in
götttid^em Stolje l^eimfel^rte, begegnete er bem fleinen, f^aU»
l^aften SiebeSfo^ne ber anmutftral^lenben Slpl^robite. 2)iefer
mar mit $feil unb 93ogen ftattlid^ auSgerfiftet. ^o^nlad^enb
uerfpottete ber ftolje 3)elier ben Meinen, unnü^en Waffenträger.
aRag 3)ein Sogen, t)erfe||te (SroS, aQeS, maS fterblid^ ift,
nieberfd^mettern: mir allein unterliegt ©öttlid^eS unb 3)tenfd^»
li(^e8 — mein SBogen mirb aud^ 3>id^ befiegen. — 3)amit
mad^te er ft^ eilenbg fort unb nal^m au8 feinem Äöd^er
— 109 -
imi Derfd^iebenartifle Pfeile. 3)ie eine ärt ift bie ber Der»
golbeten, fpi^en Pfeile, iDeld^e Siebe enneden, wo fle ein
^erj burd^bol^ren; bie anbete 9lrt ift bie ber ftumpfen^ bleier«
nen Pfeile, bie ben betroffenen liebeSunf&^ig ntaci^en. XpoQo
warb von einem golbenen Pfeile getroffen^ n^&l^renb ber
rad^eftnnenbe (SroS ber vom äRufengotte geliebten Sl^mpl^e
2)ap]^ne einen bleiernen ^feil inS ^erj fd^o^. Unb fo
blieben SfpoQonS fiiebeSfeufser unerl^Srt. ftMn SiegeSlorbeer
enoud^g bem lorbeerfpenbenben @otte au8 biefem Jtantpfe.
— @oId^er Städte, SKntl^emia, — fo f dE>lo§ 2)eine feuerglfil^enbe
Siebe, muft aud^ 2)u verfallen, toenn 3)u fortf&l^rft, bie
^raft beS aQbe3n)ingenben ®ro8 ju fd^m&^en.
f$ürn)a]^r! id^ fftl^Ie eS nur )U beutlid^, ba| id^ felbft
Don einem golbenen, ganj fpi^en Pfeile getroffen bin: benn
id^ liebe mit ber gangen @Iut meiner Seele. 3)ie ©el^nfuc^t,
biefen einzigen 3Jlann ju feigen, feinen reinen Obeen kufd^en
ju fdnnen, mirb immer unbftnbiger, l^erj^erje^renber in mir.
2:ag unb 9lad^t, auf Sd^ritt unb Xritt Derfolgt mid^ biefeg
bleibe Stönftlerbilb mit nal^eju b&monifd^er ©emalt. (Seine
unfaglid^en Seiben, fein (Sbelmut, fein Stolg unb feine ben*
nod^ fo milbe $reunblid^!eit: alleS an il^m entsäd(t mid^ unb
Ia{3t mid^ aU bie uns&l^Ugen ^ulbtgungen, bie mir oon aUen
Seiten entgegenftrömen, gleid^ einem leeren 9Ud^tS in alle
9Binbe iagen. 9ld^! maS gäbe id^ nid^t um einen ftu^ Don
feinen fd^mergenSreid^en Sippen! — iBegreifft 3)u'§, mie id^
feu^en unb l^inmelfen mujs, mie idE) all meinen @tols tapfer
gebraud^en mu^, um nad^ au|en ^in meinen ©leid^mut ju
beu)a]^ren! Släl^me fi^ bod^ fein äBeib il^reS @tol}e8,
menn biefer nid^t unoerfel^rt burd^S $euer ber Siebe ge«
!ommen ift!
Qn rul^igen älugenblid(en erinnere id^ mx6) mol^l mieber
jener golbenen 3^^t ^^f ^eimatlid^en Fluren, mo id^ 2)id^
aug 3)einem @euf}erbafein px erretten oermeinte, n)ie id^ 2)ir
nid^t feiten entgegenrief: id^ märbe mid^ mal^rli^ oor mir
— 110 —
felber fd^ämen, toenn id^ mir gefte^en mu^te, eineS üRanneS
S3Ub l^ätte eine fo gauberooQe SRad^t auf mein Sßefen auS^
geubt^ ba{3 mein gangeS Seben mir ol^ne il^n nuQ unb nid^tig
erfd^iene! 9Q3ie forberte id^ bamalä fäl^nen Zxo^ti ba§
©d^idffal l^erauS — nie foKte e8 einem SRanne gelingen,
mein &tmüt fo }U umftrid(en, bajs er unb bie 9BeIt mir
eing m&re! @o l^od^ fonnte ftd^ bamalg mein ^^ngfrauen^
ftol} emporb&umen. Unb mie fo ganj anberS ftel^t eg nun«
mel^r mit mir! —
3)er fräl^ere titanenl^afte Übermut mirb })att t)on ben
£iebe3gdttern gejüd^tigt. ^dtte id^ bod^ nimmer gebadet,
ba| bie Siebe f o urgemaltig fein f flnnte ! 3fft benn aber bie
Siebe nid^t eine gro^e, er^bene (Sd^öpfung, bie, mie auS
bem 9lid^t§ entftanben, baä gefamte M umfd^Ueft? <Sin
Slid^tS mar mir jener bleid^e, f^mermütig-ernfte SHann —
unb ie^t ift er ba§ SeltaK meines ^ä)S,
2)u mei^t zS, teurer @op]^ron, mie eä mid^ feit langer
3eit erl^ebt, menn mid^ balb bie poetifd^en, balb bie mufifa«
lifd^en i^ungfrauen beS $arnaffo$ in beglädCenbfter älbmed)«
feiung fo gärtlid) IadE)eInb anblirfen, ober mid^ gar in i^re
ambroftabuftenben ©emanbe l^öCen.
3&k preife id^ mid^ in meiner ^erjenSpein nod^ glüdf«
lid^, ba§ bie göttlidie ^nft mir geitmeilig (Srlöfung bringt.
93in id^, mie bie meiften f^rauen, aud^ mel^r empfangenb, aU
fdiaffenb: fo l^at ber graufame SiebeSgott bennod^ meine
fd^Iummernbe ^robuftiongfraft täd^tig aufgerüttelt. @Iegieen
ol^ne (£nbe könnte id^ 3)ir mitteilen. 2)üfier mie meine @eele
ift meine ?ßoefie. — ©o oft id^ mieber bie unoerge^lidfien
3üge jenes einzigen SRanneS in midEi aufnel^me, fo oft fül^lt
ftd^ l^ernadE) mein ganjeg S93efen mit 9)lad)t auf bag mebu«
fäifd(|e 9lo^ getragen; in eitler ^ral^Ierei m&^nenb, fül^nen
^lugeg in ben ^immel ju fteigen unb ben 9lettunggftra]^l gu
rauben« älug meinem tiefen Seibe quiQt mir bann ber SBorn
ber ^oefie l^eroor.
— 111 —
(SineS biefer ®ebtc^te, baS in einer befonber^ gram»
DoQen @tunbe erzeugt wath, empfel^Ie id^ l^ier 2)einem ftiUen
Seileib. 2)u n)irft eS oerfte^en unb bel^erjigen, toeil aud^
2)u fil^nlid^e $ein erleiben tttu|teft. @o unauSgefe^t in ber
unmittelbarften 9l&]^e be3 (beliebten ju leben, fietS mit ben
Sugen an i^m 31t l^angen, felbft feinen (öftlid^en Sttem }u
Derfpfiren — unb alle Siebe in ftd^ feft uerfc^Ioffen Italien
ju möffen, ob aucfi ba§ ganje 9S3efen ftd^ ju il^m l^ingetrieben
fül^It, fo ba| man il^n wmarmen, liebfofen, l^erjen, fflffen,
ja unau8gefe§t an feinem ^alfe l^ongen mSd^te — bag flnb
üualen, beren graufame liefen unb Untiefen nur ber er»
meffen, erfaffen unb ganj mitempfinben fann, ber felbft ein«
mal foI(i^ einem ®efd^ic! anl^eimgefaQen mar. 3)a ft^t ^ir
einer fo rul^ig, ftiQ, milb unb ftetS freunblidi jur (Seite,
faft Äuge an Sluge — unb bie Sippe barf e8 nid^t tjerffinben,
mie l^eig feine Siebe begel^rt mirb, mie baS ganje SEBefen
i^m aQein fär alle (Smigfeit angel^Srt, mie man mit unb in
il^m lebt, mit i^m leibet unb mit il^m aQein {td^ erfreut,
mie man alleS $eil ber ®elt üon il^m erwartet, — aß ba«
fohlen unb fd^meigen muffen! 9(ber unenblid^ lieben unb
emig fd^meigen mäffen, baS ertrage auf bie 3)auer, mer ba
!ann! ^ möd^te balb Derjmeifeln. — ^m ift ba8 @ebid^t:
(Sxfnm gtd^'ve @eeleiu|ual,
Sld fd^toeigenb ooQer ©lutoerlangen
S(m ®lan)e feiner ^erjengtoa^I,
%n fetner 3auberluft ju fangen.
@rben!e grauf're !^6endlaft,
SCU in geliebteni^olber mf)t
3u bulben o^ne 9lu§' unb 9laft
Ibtx 8ie5e ftiSoerbotg'ned SBe^e.
©rbid^te tiefern ^\ä\al9^^VMVi,
^IS unabmenbbar. leiben muffen,
9Bie fü^ed ©ift Z)ein $ers
Setnagt gCeitJ^ @(^(angenbiffen.
- 114 —
SBir ftimmten barin überein^ ba^ eä bag Qtxi)tn eineS
«d^t mdnnKd^en Sl^arafterS fei, aud^ baS fd^merfte Unglädt
ju ertragen^ folange nod^ ein 9[tont SebenSfraft im 9Ren«
fd^en fd^lummert. 3)er ^Ibftntorb }eigt immer ein @emifd^
tton p^9fifd^em SRute unb moralifd^er ^eigl^ersigfeit, morin
le^tere ilbermiegt. 3m Unglädt, befonberg, menn eS unt)er«
fd^ulbet ift in ber SeibenSiraft bemd^rt ftd^ erft bie malere
3)tenfd^engrö|e unb ^elbenft&rfe. 3>iefer ^elbenmut SBittigg
mirft benn aud^ feine erleud^tenben Stral^Ien auf mid^ juräct.
äBenn baS Übermag meiner £eiben mid^ nieberbrüdCen, menn
nid^tS mel^r frud^ten miQ, meber Seben, Jtunft nod^ 9leIigion:
bann erfüQt mid^ bod^ enblid^ ber 0eban!e an feine unenb«
lid^e 3)itlber!raft, an feine mal^rl^aft imponierenbe SRul^e mit
frifd^em SebenSmute. @etroft fd^aue id^ ber ß^'^nft ben«
nod^ ind äluge. Homo homini deus! . . .
^egreifft 3)tt'8 nun, mie eS mid^ martert, bag id^ ben
ganzen Slbgrunb beg ©d^idtfafö eines SRanneS t)or ^ugen
l^abe, bem meine ®eele fid^ fo unenblid^ Dermanbt ffil^lt, unb
bag id^ bennod^ mad^tloS bin, l^Ufreid^ einjugreifen ? O,
menn id^ bod^ ber Sid^tfiral^l märe, auSermdl^It, bie bflftere
9la^t biefer 9)tenfd^enbru{t ju erl^eQen, mie moDte id^ il^n
unb mid^ glüdtlid^ preifen!
älber ba tritt mir fein unt)ergleid^lid[|er @tol} als faft
unaerftdrbare @d^eibemanb entgegen. ®Iaubft 2)u,. bajs er
eS jemals aber fid^ geminnen mirb, eine loertraulid^e 9ln«
ndl^erung angubal^nen? 9limmerme]^r. ^^ ^abt eS oft auS
feinem ä^unbe t)ernommen, bag ber ed^te, malere 9Renfd^en»
ftol}, ber auf l^öd^fter @ittlidE|feit beruht, bie SBefen ffi^n
aber aQe 2;ori^eiten unb SBirren beS 3)afeinS l^inmegfül^ren
!ann. 3ft ciber einmal ber Stol) bie ^auptftü^e feineS
SebenS: mie mirb er fid^ px einem @d^ritte entf daliegen, ber
il^n mdglid^ermeife in feinem Heiligtum tief t)erle^en fönnte!
@r qudlt ftd^ t)ielleid^t gar mit ber SRöglid^Ieit beS 93er»
fd^mdl^tmerbenS. 3)er Ungläd(f elige ! menn er al^nen Idnnte,
— 115 —
mit loeld^er ntagifd^en SlOgetoQlt xä) mid^ an il^n gefettet
ffi^Ie, er tDürbe nid^t fo Xörid^teS w&ffntn, ältand^mal regetr
fid^ letfe SBeQen be8 VLnroiUtnS in meinem ^erjen, wenn id^
an meine ^al^IIofen Sn6eter benle. SBie ba aUeS — mögen
fte nun Offigiere, Jtünftler, ^Beamte, ©elel^rte, ^inangbarone
nnb n>er meil maS fein — l^od^beglädt ift, menn i^i nur
freunblic^ blide, — mie fte aSe nad^ meiner 9l&]^e feufgen
nnb ledigen, unb mie mid^ aU i^r fabeS SiebeSgefd^mä^ fo
nnenbli^ !alt I&^t. (Ein freunblid^er ^Ixi au8 (SbgarS
fd^m&rmerifd^en 9lugen unterl^&It, labt unb befeligt mid^
mel^r, als ftunbenlangeS ^öfteren eineS biefer feinen ^rren
nnb ^rrd^en. Unb biefer (Eine^ bem id^ mein gangeS {^erg
öffnen mdd^te — er bleibt ftetS rul^ig unb befonnen. ?Sfbx^
id^ ba nic^t mand^mal auffal^ren?
S)od^ mein @toIg liegt in ber SBeiblid^feit. Flimmer«
me^r n)erbe id^ meiner meiblid^en Stürbe baS @eringfte t)er«
geben, mie fel^r mir auc^ baS ^erg blutet. 3)arum muS id^
gurücfl^altenb erfd^einen, ob aud^ mein gangeS äBefen ftdd faft
nnmiberfte^lid^ gu il^m l^ingegogen fäl^It
2)u mirft mid^ eine Slörin fc^elten, menn i^ 3)ir mit«
teile, ba^ mir au8 feinem fä^n maQenben SodCenl^aar oft fo
beraufd^enbeS ^lüftern entgegentönt, ba| id^ meiner Sinne
laum m&d^tig bleibe. @8 mu^ bod^ etmaS rätfelooQ (Sigen*
tümlid^eS im ^auptl^aar mand^er ^änftler fd^lummern.
ftannft 3)u 3)ir 93eetl^ot)en ol^ne bie gemaltige Sömenmäl^ne
ben!en? SSielleic^t ift in ben Jtänftlerl^aaren ein Seil beS
funftlerifd^en Qngeniumä ocrborgen. SBurgelt eine berartige
3bee nid^t aud^ in ber aWitteilung t)on ber SRiefenfraft, bie
im langen, üppigen ^aupt^aare beg gottbegeifterten gelben
@imfon ru^te? Unb nid^t allein bie ^eilige @d^rift meig
fold^e 2)inge gu ergäl^len. 3)u l^aft eS bod^ ma^rlid^ nod^
nid^t oergeffen, ba| ftd^ aud^ in ben ÜJlptl^en beS alt^eQe«
nifd^en SSolfeS eine berartige ©ebanfenfpur entbedCen Id^t
3d^ erinnere S)i(^ an ben ^flegeoater be§ ^erafleg, an
8*
— 116 —
flmpffitttfo, ber gegen ben Zopl^ierffirften $terelao8
f&ntpft 2>iefet tDirb etft bann im Stampfe übermunben, naci^«
bem er l^eimtüdCif d^ermeife — ftl^nlid^ n)te @imf on — feines
golbenen {^auptl^aareB beraubt morben, moran feine Unfterb»
Itc^teit l^ing. Xlfo auc^ unfere bid^tenben SSorfal^ren mftffen
bem ^upt^aar einen bef onberen (3i^ ber Straft beigemeff en
^aben. — Unb bief eS jungen ftfinftlerS l^aarummaQteS ^oitpt
bringt mi(^ ebenfalls auf biefe SDlutma^ung. ....
a)en . . .
9htnme]^r fenne id^ aud^ mani) eine Jtompofition wn
93ittig. ^ä) üerftel^e nid^t geleiert gu fritifieren; aber ein
origineller dieift tritt mir barauS entgegen, baS em|>finbe id^
flar. Unb baS erfüQt mid^ mit froher B^^erflc^t fär baS
l^ei^efte Sxtl feines £eben6. — Stlamerunterrid^t l^at er l&ngft
nid^t mel^r, nad^bem er ein ^al^r l^inburd^ einen Jtönftler
als Seigrer gel^abt l^at. (Sr ift barin je^t fein eigener Sel^r«^
meifter unb fhtbiert unermüblid^ Seetl^ooenfd^ Sonaten. —
dberl^aupt ift Seetl^ooen feine eigentlid^e 9leligion. 3)a
n)ürbeft eS 3)ir oergeblid^ oorsufteQen oerfud^en, mie n)eit
feine äSerel^rung fär biefen 9tiefengeniuS gel^t. ^a^ er nid^t
WlufxUx gemorben mftre, menn eS feinen Seetl^ooen g&be, ift
felbftoerft&nblid^. ^d^ l^abe oft bie 8eobad^tung gemad^t^
ba^ baS blo|e 9lennen beS 9lamen8 S3eet]^ooen il^n mie ein
»li^ral^l trifft. —
9Bie lebhaft mürbe ift geftern mieberum an biefe Sigen«
l^eit jenes mir fo teuren ÄünftlerS erinnert, als id^ Sef fingS
Slbl^anblungen Aber @op]^ofle8 laS! (Sine @te([e barauS
mu^ \6) ®ir oorfül^ren. Sefftng fd^reibt: „©eitbem id^ e8 be«
bauere, bie 3>id^tfun{t beS SlriftoteleS el^er ftubiert ju l^aben^
als bie 9Rufter, auS meldten er {te abftral^ierte, merbe ic^ bei
bem Flamen Sopl^ofleS, id^ mag il^n ftnben, mo id^ miQ, auf»
merffamer, als bei meinem eigenen. Unb mie Dielf<ig l^abe
id^ il^n mit SBorfa^ gefud^t! Sie t>iel Unnü^eS l^abe id^
feinctmegen gelefen!" — ^n nod^ oiel l^ö^erem ®rabe ift
- 117 —
WtS bei SBittig mit htm Stallten IBeet^ooen ber SfoO- Seiber
^ er um biefeS Eiligen SlamenS loillesi oiel VinnB^ nid^t
aOein gelefen, fonbent QU<i^ !&uftt(^ enoorben. —
^ freilid^ lantt gegeniD&vtig nid^tS mel^r lefen, ol^ne
bobei an iSbgar )u benlen. 9QIe meine 3n>^M/ <^^ ^^^"^
^agen rid^te i^ im @eifte babei an il^n. WUi (Schöne,
Isolde unb Srl^bene, mooon bie Derfd^iebenften Sd^riften oer«
melben, entbedte id^ an ii^m ober bid^te eS il^m an. Unb fo
allein in ftetem ^inblidt auf meine SebenSfonne — tann i(^
mid^ fort auS meiner ^in, fort auS meiner Unrul^e gum
Sefen bringen. —
2)en . . .
— SEBie anberS oerftel^e id^ bod^ ietjt ben erl^a«
benen Seift Seetl^ovenS, feit id^ mid^ ber 9ele^mng jenes
Sinjigen erfreue! Xuf bie^rage, marum er benn SSeet^ooen
ben oberften ®i|( unter aQen SEBeltgeiflern einrdume, ant>
mortete er mir einmal biefeS: id^ ^abe mid^ lange in ben
9ßer!en unb SBegen ber großen Oeifter umgefe^en unb id^
l^abe nid^t gefunben, ba^ fi^ ^^ <Stnem eine mad^ttioDe (8e*
nialit&t mit einem burd^l^eiligten fi^aratter fo l^armonif^
oerbunben l^be, mie in bem einjigen SBeetl^ooen. —
^iir il^n gibt e8 ba^er im $iaffxt eigentlid^ nur einen
^iertag^ baS ift bie OeburtSjeit SBeetl^ooenS. tiefer gange
Zag mirb odUig bem Anbeuten biefeS ^od^meifterS gemeil^t ;
oUeS anbere gilt baneben alS profan an biefem ^r^fttage.
S)ann mirb Seetl^ooen nad^ allen 93e)iel^ungen feineB reid^en
OeifteS gefeiert. —
(Sbgar ijl im DoUften Sinne beS SSorteS (Entl^ufiaft.
SHe Seutfd^en gebraud^en jmar bie SBörter ..(Sntl^uflaft'' unb
ifCEntl^uftoBmuS" fel^r l^&ufig, aOein in ben menigften ^dOen
gebenlen {te babei i^rer meil^eooQen Urbebeutung. SBir, bie
^eUenenfinber^ miffen, bag unter „(Entl^ufiaften" 9Befen be«
griffen merben, bie mal^rl^ft oon ber ®ott^it erfällt finb
(ivftooataotof), bie ganj in i^r leben. 3n biefem Sinne,
— 118 —
metne ii), ift biefet J^änfUer ein ent^ufiaftifd^er Serel^ret
99eet]^ODen8, Toeil fein ganjeS (Sinnen nnb Xra^ten fojii*
fagen in ber „(Sott^tH" 8eet]^ot)enS aufgellt. 2)ai:ttin fann
er fid^ aud^ mit 9(u8bauer unb intenftt)fter @e^erfraft in baS
ätntli^ biefeS @eninS Dertiefen. ^a, g&be eS t)on SBeetl^ODen
eine @tatue, in ber Srt tioUenbet, n)ie biejenige beg Ol^nt«
pif^en S^ViS t)on ^l^ibiaS: i^r fHnblid !önnte il^nt vodf^tli^
ebenfo eine ^Befreiung wn ben @eelenteiben (baS Slepentl^eS)
gewft^ren, xoit nnferen SSorfal^ren bad Slnfd^auen ber ntftd^^
tigen B^^Sli^tue.
®en . . .
Sebe xä) au6f f)Xti aniftt in einem äBed^fel r)on
tiefem SBel^ unb l^ol^er Suft^ ia — geminnt baS Seib oud^ bie
Oberl^errfd^aft in meiner @eele: fo fel^e id^ bem 2;age meiner
9(breife t)on l^ier bennod^ mit mal^rem @d^red(en entgegen«
SKmmermel^r — aud^ nid^t in S)einer unb ber teuren Altern
trautefter Umgebung — merbe id^ fein ebleS Slntli^, yuie ben
^auberllang feiner (Stimme^ nod^ bie berüdCenbe 9(rt feiner
geifterfäKten Sfebe Dergeffen. :3ft mein gegenm&rtigeS 2)afein
fd^on troftloS genug^ mie mirb ftd^ erft bie^^tunft geftalten?
Ob eS unferen ftiQen, traulid^en 2BaIbf[uren nod^ gelingen
mirb, meiner Seele ben fo l^ei^ erftel^ten ^rieben gu oer^
teilten — baS fann id^ laum red^t l^offen. (SineS mei^ id^
iebenfaUS: mar meine äBalbeSfel^nfud^t fd^on t)ormalS gro|,
fo mirb fte nad^ meiner 9iäd(Ie]^r in bie ^eimat unerme|Kd^
merben. 3)enn menn aud^ alle l^ol^en Stufen aug unferem l^ol^en
Sanbe geflol^en ju fein fd^einen, fo treiben bie SlQmpl^en ber
'^^t%^, t^lüffe^ Sßdiber unb ©rotten^ bie Oreaben^ 9laiaben
unb 3)r9aben bei unS ja nad^ mie t)or nod^ il^r gei^eimniS«
Doß l^olbeS SJBefen. —
9lun ein anbereg, ^f'^r xsi!^^\ mid^ nid^t fo in bi^
Öffentlid^feit brängen. f^aft möd^te vi^ \^%i mie er, ber mein
ganjeS ®ein erfäUt, mein W^tix ganj in SSeetl^ODenS SRuftI
— 119 —
Dertr&ttmen. Qi) färbte mii) vox bent giftigen ©taci^el ber
Seit; eS ift fo n>emg SBol^rl^eit unb Oerec^tigleit barin« —
®en . . •
SIngeregt burd^ biefe iunge, l^od^flrebenbe ftünftlet'^
natur, l^abe id^ mit inniger ^reube unb Sewnnbentng ©c^u«
manng ©d^riften über SRuftl gelefen« 9Bie ^errlid^eS fd^reibt
er befonberS aber bog gro^e 3)0|)pel»93e ber Tbxfxt, aber 9ad^
unb 9eet]^ot)en! 3^^^ Stellen aber ben le^teren ntu^t
3)u 3)ir burd^aug nter!en. 3)ie eine (9anb I, p. 221) lautet:
„99S&r' id^ ein ^ürft, einen Xempel im ^llabioftil toüxht
id^ il^m bauen: barin (teilen }e^n Statuen; X^ormalbfen unb
2)anned(er !önnten fte nid^t alle fd^affen, aber fie unter i^ren
3lugen arbeiten laffen; unter neun ber Statuen, meine id^^
mie bie S^f)l ber SRufen, fo bie feiner Sqmpl^onieen : Stli^
fei bie l^eroifd^e, Xl^alia bie vierte, (Suterpe bie paftorale, er
felbjt ber gdttlid^e SRufaget. 3)ort mügte t)on 3eit }U Seit
baS beutft^e ©efangSool! jufammenfommen, bort müßten
Settfdmpfe, f^efie gel^alten, bort feine äSerfe in le^ter
äSollenbung bargefteQt merben. Ober anberS: nel^met ^unbert
^unbertjläl^rige ®id)en unb fd^reibt mit fold^er ©igantenfd^rift
feinen 9lamen auf eine $lä^e £anbe§. Ober bilbet i^n in
riefenl^after l^orm, mie ben l^eiligen SBorrom&uS am Sago
äRaggiore, bamit, mie er fd^on im Seben tat, er aber 93erg
unb 93erg fd^auen f önne — unb menn bie Sll^einfd^iffe norbei*
fliegen unb bie ^remblinge fragen: maS ber 9liefe bebeute^
fo fann iebeS Ainb antworten: SBeetl^ODen ift baS — unb
jte merben meinen, e8 fei ein beutfd^er Slaifer/' —
^n biefer erl^ebenben Sd^dnl^eit gel^t e8 nod^ meiter.
$alb nal^t bie l^unbertjldl^rige ®eburt8feier biefed 9liefen.
Ob mol^l jlemanb an einen fold^en Siempelbau beuten mag?
i^reili^, ber ©d^entempel merben viele aufgerid^tet. SRir
efelfS oor biefer SWenfd^^eit! —
2)ie anbere Stelle (Q9anb III, p. 133) lautet alfo : ,,9Benn
ber S)eutfd^e oon Sgmp^onieen fprid^t, f o fpridjt er von
— 118 —
metne i^, ift biefer Jtänftler ein entl^ufiaftifd^er Sere^rer
Seetl^oDenS, loeil fein ganjeS (Sinnen nnb Sirad^ten fojit«
fagen in ber „@otti^eit'' Seetl^ooenS aufgellt. S)arttm lann
er flci^ and^ mit 9(uSbaner nnb inten{tt){ier Sel^erlraft in bog
S(ntli^ biefeS @enin8 vertiefen. 3q, g&be eS t)on Seetl^oven
eine Statne, in ber Srt t^oUenbet, xok biejienige beS Dl^m*
pifd^en S^ni t)on ^l^ibiaS: i^r fKnblid fönnte il^nt wafftliit
ebenfo eine ^e^eiung t)on ben (Seelenleiben (baS Slepentl^eS)
Qtxoilfxtn, xoxt nnferen SSorfal^ren baS 9lnfd^auen ber nt&d^^
tigen B^^^f^^tne.
©en . . .
Sebe i^ aud^ l^ier ani^t in einem SBed^fel von
tiefem äBel^ nnb l^ol^er £uft^ j[a — geminnt baiS Seib aud^ bie
Oberl^errfd^aft in meiner @eele: fo fel^e id^ bem 2:age meiner
9[6retfe x>on l^ier bennod^ mit mal^rem @d^red(en entgegen«
9limmerme^r — and^ nid^t in S)einer nnb ber teuren (SUern
trautefter Umgebung — merbe id^ fein ebleg älntli|(, \nie ben
Banberflang feiner Stimme^ nod^ bie berüd(enbe 9(rt feiner
geifterföHten 9iebe oergeffen. 3ft utein gegenwärtiges ^afein
fd^on tr oftlog genug, mie mirb ftd^ erft bie^ufunft geftalten?
Ob eS nnferen ftiQen, traulid^en Sßalbf[uren nod^ gelingen
mirb, meiner (Seele ben fo ]^ei| erftel^ten ^rieben }u oer^
leil^en — baS fann id^ laum red^t l^offen. @ineS mei^ id^
lebenfaQg: mar meine äBolbeSfel^nfud^t fd^on DormalS gro|,
fo mirb fte nad^ meiner Stüdßel^r in bie ^eimat unerme^lid^
merben. 3)enn menn aud^ alle l^ol^en STlufen au3 unferem l^ol^en
Sanbe geflol^en ju fein fd^einen, fo treiben bie Sl^mpl^en ber
^^tge, t^läffe, S93&lber nnb ©rotten, bie Oreaben, Slajaben
unb 3)r9aben bei unS ia nad^ mie uor nod^ il^r geldeimniS«
ooß l^olbeä ffiefen. —
9lun ein anbereS. ^ffx mü^t mid^ nid^t fo in bi^
öffentlid^feit brftngen. f^aft möd^te id^ ie^t mie er, ber mein
ganseS (Sein erfäUt, mein &tUn gau) in SBeetl^ooenS SRuftf
oetznnmBL " y^
Seil: es * ir :
Jten . . .
tuum, liok nr m
ttonns i Sifa-iiiex.
Q bnonbas i3er
.Sör' idi nc |r±=:
Jkanetfa I
Sngen EEfenei .
itrie te ^nji; (y— ■qr<-;~r--» — —
in int ieamÖK., "Z~'*'*~ "»^
ielbft litt p ftnitTT» -
fcUentnim Uta
biaiimjiiieuB i
tttli'ä not tiincr .^'•.csi <
— 122 —
»
fteinen losreißen fonnte. ä^erfd^ioanb einer, fo leud^tete all«
fogleid^ eilt anbetet in nod^ ^elletem ©lan^e auf. Unb ba}tt
xoQX bie Sttft fo tein unb ftiebenSftiQ, bet ajurUaue ^immel
n)oIfenlo3, bet f^tül^lingSmotgen fang fein eu)ig l^eiteteS
^genbUeb — mu^te id^ ba nici^t l^eilige iRul^e empftnben?
9Rit n)at'g batin, als l^&tte id^ nie ein fo melftimmigeS
fton^ett gel^ött, n)ie eS an biefem ältotgen ga^Iteid^e 99aum«^
bemol^net oetanftalteten. SBie boä ol^ne ^itigenten unauf«
^ötlid^ Toon ftatten gel^t unb bod^ nie eine ^iffonanj inS
©el^öt, aud^ nid)t in baS feinfül^Iigfte — l^ineinwitft, bag
bleibt en)ig neu unb ben)unbetnSn>ett. f^teilid^ übettagte
aUe geflügelten ©äuget n)eit an butd^btingenbet fttaft unb
bejaubetubem äBo^lflange bie A&nigin beS ®efanged, bie
fd^metjengoolle 3)ulbetin 9lad^tigall. 9Q3ad mag bie 9lac^ti«
gall n)o]^l fo unenblid^ }u f lagen l^aben? €), 9ladE)tigaIl, voiz
tül^tt mid^ bein ndmenlofeS 9Be^, n)ie leibe id^ mit biti
^aben ftd^ oielleid^t bie batm^et)igen ©öttet einmal eineS
unglädHid^ Siebenben etbatmt unb il^n in ben Seinen bunfeln
93ogel oetmanbelt, bet fo fäjs mie ttautig als 9lad^tigaS bet
SBelt feine Seiben ootfingt, bamit et ftd^ unb anbete ttdfte
unb etquid(e? bleibe mit benn emig gegtfigt, bu gnaben«
ooQet @änget, bet bu mit beinem ©^merjenSlieb mie $im«
melStau auf meine munbe Seele f&Ilft.
9lad^bem id^ mid^ fattfam an jenem l^ettlid^en ©onnen«^
@taS« unb S3l&ttetf^iel gemeibet l^atte, oetlieg id^ fd^meten
^etjenS unb boc^ geft&tft biefen ttauten Ott. 9Bet befd^teibt
mein Staunen unb SntjädEen, als id^ bann auf bet Sanb^
ftta^e nid^t aUjumeit oot mit (Sbgat etblidCte, bet fo ftol}
unb matüg bal^infd^titt, als follte bet (Stbboben untet feinen
t^ü^en gufammenbted^en. . SÄid^ äbet!am'S utpld^lic^, als
^tte id^ einen f^affenben ®eniuS im @tutmfd^titte bet Se«
geiftetung leibl^aftig t)Ot mit ge^en feigen. ^(^ nun eilte
tafd^ voxto&ciS, nm xf)n momdglid^ einjul^olen. 9)lit gtoget
SSnfttengung gelang eS mit aud^ enblid^ fo gut, ba^ mein
— 123 ~
feiger 9(tem fein bunfleS ^aupt^aar berul^rte. 2)en!e SHc'S,
fo bid^t iDar td^ üfm an ben Werfen! 06 er tpol^l eine SCl^«»
nnng bauon empfanb^ wxz l^ier bie gläl^enbfte ältemluft fein
bid^teS ^auptl^aar nm ein kleines noneinanber blieS? ^i)
mu| eS be}n>eifeln. 9htn moUte i^ trogen unb meine fo
oft gepriefene ntagifd^e ®en)alt erproben. Unj&l^Ug flnb bte
©onette, in benen meine SSere^rer bie Qaub^tmaäit meiner
Singen Derl^errlid^ten nnb in allen S^onarten nerfunbeten.
Unb l^ier ern)eifen fld^ biefe armfeligen 2)inger — t)on einigen
fogar ©dtteraugen genannt — fo ol^nm&c^tig, ba^ fte meinen
Sinjigen^ Slngebeteten, heißgeliebten ni^t einmal anS feiner
tiefen 93erfunfen]^eit reißen f önnen. @r fal^ fid^ nid^t um. 2)a
l^att^ id^ allen SD^nt nnb alle Sraft verloren, il^n jn begr&ßen
nnb ließ il^n nnangefod^ten fortgel^en nnb fortfinnen. —
3n ber l^eftigften Srregtl^eit tarn xi) nad^ ^anfe. 9Ul
meinen ©roll, meinen Unmut, meinen ©d^merg, ja — mie
iä) mir einrebete — meine @d^mad^, benn mein @tol) fanb
ftd^ nnenbli^ beleibigt: alles Üble mollte id^ l^ier mit aller
$euer!raft burd^ bie 3fla6)t meines 5tlamerfpielS oon mir
m&ljen. ®en)iß l^abe id^ nod^ nie fo rafenb fd^ön gefpielt,
mie nad^ ber Slufregung biefeS äRorgenS. ^d^ tobte in fo
unfinniger, äberfr&ftiger Seibenfd^aft auf meinem f^lägel
uml^er, baß idd mie auS ben Sßolfen fiel, als meine SBSirtS»
frau in mein ßimmer trat unb — l^alb erfd^redtt, I)alb er»
ftaunt ausrief: „aiber, ^err 3[efuS, ^err 3fefuS! SffiaS ift
^^Mn benn l^eute, ^r&ulein ^alleufoS? Sie bonnern j|a
förmlich auf ben haften. 3)aS Hingt ja grabe, als ftunbe
baS iängfte ®erid^t bevor!" 3>a mn^tt x6) l^ell auflad^en —
unb bamit mar bem ®ram bie @pi^e abgebrod^en. 3lber
nad^bem mid^ meine gutl^ergige äBirtin eben oerlaffen l^atte,
äber!am eS mid^ mie ein ä^nber auS ^immelSl^ö^n. 3Bie
munberbar finb bod^ bie SQBege ber göttlid^en SSorfel^ung!
(Sben mollte meine @eele oor Unmut vergeben, felbft Stegungen
beS paffes gegen bie unfd^ulbige Urfad^e meiner ferneren
— 124 —
Reiben fäl^lte id^ in mir auffteigen — ba brad^ ftij^ burd^
oll bieS n&d^tli^e Seelenbuntel urpld^ti^ ein l^intmlifd^cr
Sid^tfunfe fSaf^n. (Sine vod^twlU, feierlid^e ffiu^t, toofyc*
l^afte ^ebenSftiUe burd^l^eiligte mein gonseS Sßefen. $^n
biefem gotteifüllten Slugenbliife ging mir bie befeligenbe
ätl^nung ouf^ ba^ alle malere Siebe bod^ nur einen unb ben«
felben Urquell l^aben !dnne. 3>n ^öd^ften, l^Uigften Sinne
mu% bie Siebe jmifd^en äßann unb SEBeib mit ber ^immelS«
liebe }ufammenfallen. Sßer eine Seele mit ganger ftraft, in
oller SBal^rl^aftigfeit Hebt, ber mn^ il^r }u allen Beiten bie
Siebe bemal^ren, aud^ menn er biefe Seele nid^t fein be«
gläd(enbeS Eigentum nennen fann. S)a8 mögte eine Siebe
fein, bie @eift unb ftdrper umfpannt. (Sine t)ollIommene
Siebe !ann aud^ gar {eine (ä^emeinfd^aft mit ber Siferfud^t
l^aben. — SSSie id^ mir ba feft gelobte, (Sbgar immerbar Der»
bunben gu bleiben, felbft menn er meine l^ei^e Siebe uner*
mibert liege — baS mar mo^l ber befeligenbfte Slugenblid!
meines äthtnS. (Sine Dollfommen ^immlifd^e Stille gog in
mein ^rj ein. 3)ie ^eiligfeit ®otte8 l^atte fär biefen äugen»
blirf feine SBo^nft&tte barinnen.
äBie e§ jle|t aud^ !ommen mag, teurer SBruber, 3)u f ollft
mid^ nid^t fleinlid^ fd^elten. Seitbem mit einem 9Rale alle 93er<
gagtl^eit t>on meiner Seele gemid^en ift, fälble id^ meine Siebe
unenblid^ gel&utert, mid^ felbft aber voü t^affung, Stulpe unb
^immefögebulb. äRein (SiHid mie mein Unglüd merbe xi)
fortan mit ber l^öd^ften (Ergebung em;)fangen unb tragen* S^ie
Siebe fud^t allein baS ^eil beg anbem; immer merbe ii)
(Sbgarg befteS mänf d^en unb fud^en — felbft menn id^, ad^ ! f o
unglädHid^ fein m&jste, il^n am Slrme eines anberen SßeibeS )u
feigen, fdtte fär mid^, vmn Oruber, bag ber l^immlifd^e äkiter
mir 3U fo l^ol^em, l^eiligen 9lingen feinen Segen uerleil^e! —
Unb ntm ein l^erjlid^eS Sebemol^l, mein Sop^ron!
^pfange mel taufenb ®ru|e unb ftäffe oon 3)einer 3>id^
l^erjinnig liebenben Sd^mefter älntl^emia.
Siebented JtapiteL
S)tc A-dur-@9mi()^ottie- — «a8 ©bgar SBttttg«
2)ie äßeltgefd^id^te ifk baS aSBettgecid^t!
@(j|i(ler: ^ie 9le{tgnation.
92ur bem ®mft, ben feine Dtü^e ((eid^et,
9tauj4t ber 9Ba§t^eit tief oerfiedKer 9orR.
Schiller: ^aS 3^eal utib bad Seben.
^od^ einmal lur) t)or il^ier 9(6retfc nad^ ®ried^enlanb
traf ätntl^emia mit (Sbgar im ^ilbebranbtfd^en ^aufe
Sufammen.
3)ie Sßolfen fd^auten trabe herein auf bie l^ier 9)er«
fammelten. 9lu§ ^bgarS $]^antafteen am ^lamer erflang eS
me unftiQbare, leibenfd^aftlid^e äßel^flage. 9BaS l^alf eS^ ba|
iro^ige S^onmeUen ftd^ bem bitteren ®efd^id( entgegenn>arfen?
— 2)a8 (Snbe blieb eine troftlofe Seere.
@rft ber gtüdUid^e @ebanfe Slntl^emiaf, ein 93eet]^ot)en»
fd^eS Slbagio Dorjutragen, geeignet, ber l^eute obmaltenben
(Stimmung bie SÖieil^e beS ©eniuS ju Derleil^en, Derfd^affte
ben jagenben ®emätern £inberung.
älntl^emia fpielte baS tiefftnnige ätbagio ber erften
B-dur-@onate (op. 22), baS, n)ie faum ein anbereS Sßerf
biefeS 2:onbid^ter§, ein 93ilb ungeftiUter Sel^nfud^t barfteSt^
ein namenlofeS ©e^nen nad^ einem bunflen &txoai, baS ben
— 126 —
^rjengfrieben bringen foQ. 3)arum nennt eS aud^ ber treff«
lid^e 99eet]^ot)entrun!ene Stöbert ©riepenferl in feiner
SldneHe „3)a8 3Jluflf f eft ober bie 93eet^ot)ener" f el^r ftnnreid^ :
„2)ie (B6)xo&m, baS n)unberbare ^ilb aQer ®e^nfud^t auf
erben."
SRan voax nx6)t n)enig erftaunt, atö nad^ beut fünft«
ooQenbeten, einbrudSooQen 93ortrage biefeS SlbagioS @bgar
bie 9RitteiIung mad^te, ba^ gerabe biefe ^ompofition in fo
geringer 2ld^tung bei oielen aÄuftfern — forool^I auSübenben,
als !omponierenben unb äftl^etifierenben ®d(|IageS ftfinbe.
S)em einen ift'8 ju lang, bent anbern nid^t oom Seetl^ooen^
fd^en ©ptteSfunfen befeelt, bem britten flingt'S gar italienifd^.
^a bleibt benn ntd^tS anbereS äbrig, als aQ biefe Ferren
il^rent eigenen fänftlerifd^en @en)iffen ju überlaffen. $reilid^
ift gerabe biefeS 2:onftäd( eine§ t)on ben ed^ten ^röffteinen
für ben ^eetl^ooenfinn unter ben Mnftlern.
@S ift l^iftorifd^, ful^rte @bgar beS n)eiteren au8, bag
SBeetl^ooenS erfte unb nteift einzige t^rage nad^ Stongertauf«
fül^rungen, benen er nid^t bein)o]^nen fonnte, biefe toax:
„SBie waren bie Tempi?" 3)aS gefd^al^ voxnzf)mlx(S), wenn
ein SBerf oon iffm jur äluffül^rung !am. f^iel bie ^ntxooxt
nad^ feinem Sinne auS, bann n)ar il^m aQeS Abrige von
nebenf&d^lid^er Srl^eblid^feit. Unb in SBal^rl^eit ift eS taum
^laublid), n)ie ber (Sffaxattex ^eet^ooenfd^er Slonbid^tungen
j|e nad^ bem peinlid^en Slbm&gen beS 3^^tma^eS fld) al8 red^t
Derfd^iebenartig ermeift. SÄan nel^me jum ©eifpiel baS Xempo
im $reubenl^9QtnuS ber neunten ©qmp^onie um
loenigeS übereilt, mie man e8 leiber faft immer ju l^ören
befommt, unb baä genügt t)oQIommen, ber 3Jlelobie ,,9reube,
fd^öner @ötterfunfen" einen etmaS trivialen Slnl^aud^ p
t)erlei]^en, mä^renb il^r ed^ter S^l^arafter, n)ie er ftd^ fraft
feinflnnigen S^empogefül^lS ergeben mu§, eine ^immelSfreube
Derfünbet, bie aQein in einer erl^abenen Seele nad^ langen,
fd^meren Kämpfen JRaum gewinnen fann.
— 127 -
^u6f unfer Slbagio (Es-dur) gel^ört ju ben Xongebtiben,
bie burd^ allgemeine SBefd^Ieuntgung be§ 3^ttma^eS il^re er«
l^abene Stulpe unb SBärbe fd^Ied^terbingS einbauen mäffen.-
9lo^ manche berarttge ^emerfungen mad^te (Sbgar an
biefem 9tbenb.
älntl^etttia, voU t)on ben empfangenen (Sinbrüden, ge»
badete in tiefftem Seibmefen ber @d^eibeftunbe.
Unb fie fam, bie l^erjenbetrfibenbe 3^^t- — ®bgar
mn^te t)erfpred^en, Stntl^emia feine n)eiteren ^ompofttionen
nad^ ©ried^enlanb ju fenben. 9(ud^ bie (Süjse aber bie
A-dur-@9mp]^onie foQte nad^ SeloS beförbert werben.
aWit einem innigen ^änbebrudf ©erabfd^iebeten fld^ SKn»
tl^emia unb ®bgar. — 9lod^ einmal verloren fid^ bie SBIidfe
ineinanber, al8 foHten jte auf alle Smigfeit ein Silb für bie
©eele auffangen.
$alb nad^bem Slnt^emia 2)eutfd^lanb oerlaffen l^atte,
erhielt (Smma t)on Sbgar ben ©ebanfengang über biefiebente
@9mp]^onie t)on 9eet]^ot)en in A-dur, op. 92^ fomponiert
im ^a})u 1812 unb bem SReid^Sgrafen SDlori^ t)on %xuS
gemibmet.
@mma Ia§ foIgenbeS:*)
@inleitenbeg:
Über feine anbere ^onbid^tung Seetl^oueniS ift ber
äftl^etifd^e B^^i^fP^^t ober melmel^r SSielfpalt fd^on bem
@runbgebanfen nad^ fo erftaitnlid^ gro|, mie über bie ftebente
@9mp]^oniefd^dpfung.
Stile biSl^erigen 2)eutunggt)erfud^e eines Qt^n, d. %t.
eberS-Sftob. (Sd^umann, dtx6). SBagner, 21. SB. aRarj,
9B.t)on£en3, 91. Sllberti unb anberer fd^einen bie Sßürbe
*) ^ie l^ier folgenbe 9lb§anb(ung loarb im äßefentlid^en bereite im
3a§re 1873 in ber „3lcuen »crlincr aKufUfteitung" (Sa^rgang XXVII,
9h:. 51 unb 52, lefie SRummern) jum ^bbtudE gebrad^i.
— 128 -
unb 0to^arttg!eit ber geiftigen Stonjtption mitnid^ten ffxn^
I&nglid^ iu ermeffen, viü loeniger nody bie ibeelle (Sinl^it
il^xier 2:eUe. ^^ ^atte feine Sfhi^e, hx8 tc^ ffir biefe S^m«
pifonit eine neue, erfd^öpfenbe Suffaffung ge^nben l^atte.
Sänge nad^bem bie ^ier beigegebene @!i}(e gefd^cieben
xoat, lernte i^ ben ^ol^en (Seift älrt^ur Sd^o^^enl^auerS
fennen unb verehren. Unter ben mannigfad^fien älnfd^auun»
gen, bie id^ barau8 }U n)a][|rfter {^erjenSerquidCung empfing,
erf^ien mir im fpegiell muft!alifd^en Steile feines ^aupt«
merfeS baS folgenbe Sort ganj befonberS mie auiS ber @eele
gefprod^en: „fo mirb, n>er mir gefolgt unb in meine 3)en*
fungSart eingegangen ift, eS nid|t fo fel^r paraboj finben,
menn id^ f age, ba^, gefegt tS gelänge, eine DoUf ommen rid^«
tige, Dollft&nbige unb in baS Singelne gel^enbe @r!lärung ber
SRuft!, alfo eine auSfäl^rlid^e SEBieberl^olung beffen, voaS fie
auSbrüd(t, in Segriffen ju geben, biefe fofort aud^ eine ge»
nägenbe SSSieberl^olung unb (Sril&rung ber 9Belt in Segriffen^
ober einer fold^en ganj gleid^lautenb, alfo bie malere ^l^ilo»
fopl^ie fein mürbe." (®ie SJBclt al8 SQSille unb SSorftellung,
crfter Sanb, III. 95ud^ : vom Dbjef t ber Äunft.) greilid^ barf
ein berartigeS @j:periment nur an ben mentgen auSerforenen
S^onmerfen vorgenommen merben, bie ein ®enie in DoUer
®lorie vom l^eiligen ©eifte empfangen l^at. 3^ fold^en
Sßunbermerfen gel^ört mir nun, mie @ie l&ngft miffen, gan}
befonberS bie A-dur-Spmpl^onie, bie ic^ al§ bie objleltiofte
unter allen @9mpl^onte«@d^0pfungen Seetl^ovenS bejeid^nen
möd^te.
Sollte, mein Derel^rteg, gndbigeS grdulein, biefe ©fijse
einem fpejififd^en SAuftfer in bie ^änbe geraten, bann ^aben
@ie mo^l bie ©emogenl^eit, jenem ju bemerfen, bag biefer
aSerfud^, ben ®eifte8ge^alt ber Ä-dur-Sgmpl^onie barjuftellen^
ftd^ anwerft getreu bem tl^ematifd^^muftfalifd^en Organismus
ber ^Partitur anfd^lie|t.
— 129 —
3)te A-dur-S^mpl^onic ftellt eine Slrt SBBelt«*
gerid^t bar.
2)te jiemKd^ loeit auSgefponnene CSinleitung beS elften
©a^eS, Poco sostenuto, fdjilbert baS ©wad^en ber 3Jlenfd^en
gur lebenStJolIen SHegfamfett.
®anj einfam I&§t eine Oboe il^ren gauberifd^ ibgllif^en
©efang erfd^allen, frdftig gibt l^ier unb bort ber ganje 3>n*
ftrumentald^or Don feinem ® afein Äunbe; alleS rül^rt fld^,
feimt unb fpro^t ba in unfd^uIbSooUfter Sflatürlid^feit.
@elbftdnbig regen ftd^ aud^ bie üppigen Klarinetten, bie
natnrfrif^en ^örner «üb bie fd^alfl^aften ^Jagotte. Qn faum
hörbarer Sebenbigfeit fliegt l^ier alleS SQSefen bem freubooll
n)infenben ©ein entgegen: fo ba8 ganje ©treid^ord()efter in
l^ajiig leifem ?ßulgf^lag. Slöl^riger unb ft4r!er fallen alle
S3ldfer in biefen Sluffd^wung ein: alleS ruftet fxä) }ur
fr&ftigften, eifrigften Sleilnal^nte am Seben. alle ^d^ig'^iten
fd^einen in biefem fü^nen SBefen ju walten. 3ebe einzelne
2;onfeele befennt e8 fo überaus freubig, ba| fle ftd) fampf*
luftig an^6)xdt, bie lid^te ^tl^erpl^e beg SAeufd^entumg bnrd^
" alle erbenflid^en ?ßfabe ^inburd() ju ertlimmen. ©ro^eS oer*
fprid^t freubigen 3WuteS jeglid^er 3;onförper. — SBunberbar
feftlid^ ertönt je^t in C-dur ber l^immlifi^e 3Äorgengefang
ber SJlenfd^l^eit in i^rer ©eelenunfd^ulb, xok il^n ber ©eniuft
ber 3Belt empftnbet. SBieber umfängt ung ber Saut ber
jarten Oboe, bie befonberS oon il^rer ©d^mefter, bann von
Klarinetten unb Fagotten l^armonifd^ getragen mirb. ^alb
nel^men aud) bie Sßiolinen an ber melobifd^en SQSeife biefeS
l^erjrül^renben Äinbl^citStraumeg ben innigften SKnteil.
Unb roenn baS ^erj ganj erftarrt ift: bei folc^en Qan^
bertönen ber reinften SWenfd^lid^feit mu§ e8 auftauen; benn
au8 biefer SJlelobie flingt bie ma^re (Söttlid^feit beS aWenfd^en.
SBie biefer SEBonnefang alle Xonroefen roieber gur ftdrfften
Segeifterung anfeuert, vou ^06) allen baS ^erj anfd^millt,
mie alles von neuem mad^tooll anftrebt unb ftd| anl^eifd^ig
italifd^er, IDie SRad^t tOeetl^ooenS. 9
— 130 —
mad^t, burd^ bte toeiteften Snobulationen beS Sebeng bic
Unfd^ttlb beS @etfte§ ju betoal^ren!
ytoif einmal ertönt jenes n)unbetfame Sieb, ^bag t)or
l^immelSl^eiliger Unfd^ulb äberqueüen möcj^te. SSerfl&renber
nod^ Derfünbet biefen Zxanm bieSmal in F-dur bie ^^Idte,
l^armonifd^ unb rl^^tl^mifd^ t)on Oboen, Klarinetten, Fagotten
unb äJiolen geftü^t, n)&l^renb bie ähoUnen mit ber 3^^^
abermals melobif^ eingreifen.
3)ie l^armlofe 93otfd^aft brid^t mit einem mäd^tigen 3(nf=
fd^mung nad^ E, bem 2)ominanttone oon A-dur, ah: nod^
gittert in ben pfiffen ber lebl^afte ^ulgfd^Iag nad^. ^eoor
bie Sßefen in baS eigenttid^e SebenSgetriebe entlaffen merben,
geben il^nen bie S3laSinftrnmente nod^ einen freubig mel^«
mötigen ®^eibegru| auf ben fd^meren SBeg mit. ^ann
fd^eint alleS }U Derfc^minben. 9lur ber einzige %on E er«
flingt in mgftifd^er ffiinfamfeit. ^od^ fpannt er bie ©rmar»
tung auf baS, mag nun fommen foQ.
3m ^auptfa^e, bem ä^ivace, beobad^ten mir bie SAen»
fd^en, mie fte ftd^ in ber DoIIen (Entfaltung ber il^nen t)er=
tiel^enen Kräfte geberben, ob fte baS, maS fte in jiugenblidiem
^egeifterungSraufd^e fo feierlid^ gelobt, nunmel^r im großen
SebenSfampfe gu l^alten gemillt unb befal^igt finb.
3)a§ gefd^äftig Sireibenbe, baS unauf^altfam S3emegenbe
unb ^emegte, baS raftlofe SBogen ber äBelt d^arafterifiert
in biefem fed^Sad^teltaftigen @a^e ftaunenSmert genug fd^on
ben 9ll^9t]^muS.
S)ie ^löte allein ftimmt in jarter älnmut bie erft rul^ig
bemegte SRelobie an. SBie fd^ön unb frieblid) lebt eS ftd^
bod^ in ber SBelt — fo fingen ^löte unb Oboe — , mie
fäl^Ien fie ftd^ fo namenlos glüdCfelig in il^rer parabieftfd^en
SebenSfreube! Unb ber gefamte Sl^oruS ber ©treid^inftru*
mente ruft eS ftiHuergnügt unb feelenfrol^ nad^. SQSie tapfer
ruftet ftd^ biefe mad(ere ®d^ar aber aud^ balb ju immer
l^öl^eren SebenSftrömungen. Zimmer ftdrfer mäd^ft bie Äraft
- 131 -
an, le^enbiger unb immer lebenbiger regt ftd^'g im (Srben«
reid^e: unb bie l^öd^fte Snad^tföUe befledt ftd^ nod^ burd^
feine afigellofe Seibenfd^aft. 3)ie trompeten, Raufen unb
oUe Säffe malen je^t t)ortrefflid^ ben unerf&ttlid^en 3)rang
jur Sätigfeit, ben unftillbaren 3)urft nad^ l^öd^fter ftraft^
entfaltung, mobei Sratfd^en unb jmeite 93ioIinen t)on bem
l^aftigen Siaufd^en be§ SebenSftromeS geugen, m&l^renb aus
ber erften SSioIine, auS S^gott unb l^orn ber melobifd^e
ScbenSreigen erfd^allt.
9(Uein balb ftellt [id^ ber Überbru| an ber gemol^nten
SebenSfreube ein. @d^on regt fid^ bei aller Xatenluft bie
@ud^t nad^ bleuem, ^n einem gemaltigen äluffd^rei ber
äBefengefamtl^eit brid^t ftd^ ber @d^mer} Suft, mie il^n bie
Sangmeiligfeit beg mi^oerftanbenen ^Einerleis erzeugt. 3)ie
Teufel beg Unmutg niften ftd^ in bie (Seelen. SSSeld^ ein
gelangmeilter, lebenSunluftiger 3uftanb flingt ba inCis-moll
aus ben alten feelenfreubigen SKotiDen, gefteigert nod^ an
ßebenSmübigfeit in As-moll (Gis-moll)!
2>od^ biefer UnmutSfd^ein Derflüd^tigt fx6) fd^nell. 991an
rafft fxä) auf in feiner ftoljen SBSillenStraft. ^n mdd^tigen,
t)ollfaftigen Slfforben beS gefamten 2:0nDolfeS fprid^t ftd^
biefe 9lüftigfeit auS. 3)er monnefame ^au^ beS einftmaligen
®eelenfriebenS ftrömt mieber auS bem @eifte ber Oboen,
Klarinetten unb g^^fiötte.
®a8 alte gefunbe ^^ol^lodEen fd^eint miebererrungen :
ba fommt mit einem SÄale bie t)ößige SSermanblung ber ®c=
mütec jum SBorfd^ein. ®aS mar ein j&l^er Sffiurf t)on E-
nad| C-dur. MeS atmet jje^t Unrul^e. ©el^eimniSt^oQ juerft
beginnt l^ie unb ba baS klingen nad^ einem neuen, feften
©tanbpuntte beS ©trebenS. ®ie 33äffe bringen immer ft&rfer
unb unaufl^altfamer empor, bis fie baS ©efamtmefen jur
l^öd^ften ©iegeSfreubigfeit anfeuern. 3>^fet brauft ber gange
ßl^or mieber im ^^uermeer beS SebenSjubelS, ftolj unb l^od^
9*
— 132 —
emporgetragcn, in feiner alten ÄraftfüUe halber. @tne faft
unb&nbige 3)afein§freube befeelt aUe J^ongentüter.
3)0^ fclion brid^t ber 3wiefpalt auS. 3)ie einen moßen
ben fräl^eren trauli^en 3^^^^^^^^^ bel^aupten^ bie anbeten
bringen ungeberbig unb unbefriebigt t)orn)&rtS. ffla6) einem
l^erjenäbangen ®tillfd^n)eigen fud^t ein @injeln)efen au§ bem
alten SebenSftamme ein neueg 2)afein ]^erauf3ubef(j^n)dren;
anbere erftreben anbereS. SRaft» unb friebloS wogt e8 l^in
unb l^er^ x)on einem Qxtl jum anberen; n)ad^fenb erneut ftd^
bie flnftere 9Wad|t ber Uneinigfeit, bie S3egierben in il^rer
Unerf&ttliti^feit werben road^, ber übermütigfte, uerjel^renbfte
Slufrul^r ber Seibenfd^aften nimmt fd^redHid^ fiberl^anb.
SBSie t)on oben l^erab fdDt in biefeS mirre ©eelen«
getümmel befd^mid^tigenb ein jaubermelobifd^er ftlang, t)on
einer ^löte, einer Oboe unb einem Fagotte Derfünbet. ©old^e
2;flne muffen l^ier, faum au^geflungen, roirfungSloS t^erl^aßen;
3mmer feffeUofer, fieberl^after, glutenbefeelter tro^t ber mirre
Unftnn beS SebenS, meldten bie entartenbe SWenf^l^eit felbft
l^erbeifd^afft. SSBeld^ ein unaufl^örlid^eS Snxtn unb Steigen
aus einem ©egmeige inS anbere! Kaum fd^eint eine unfelige
Seibenfd^aft fid^ erfd^dpft unb ausgetobt )U l^aben, ba tritt
gleid^ eine anbere mit il^rem milb t)er}e]^renben ^euer auf.
SEBaS äBunber, ba^ bie äBefen fo ben ^tl^erglanj be8 reinen
fiebenSlid^teS eingebüßt l^aben!
Slber nod^ fted(t oiel gefunbeS fiebenSmar! in il^nen.
SWit l^eroifd^em Slufmanbe aßer ftttUdien Äraft gelangen fie
nod^ einmal jur frül^eren Seben8l^errli(^feit, bie in lauterer
Suft an bem naturgemäßen 3)id^ten, S^rad^ten unb äBanbeln,
in reiner S^eube erglänjt. S>en bitl^grambifd^en ©eelenauf»
fd^mung betätigt namentlid^ mieberum baS ganje, fäl^n an«
bringenbe @trei^ord^efter. ^ier regt ft^ auf§ neue baS
^Balten ber feelenl^ol^en S^atf räftigf eit : unb bie anberen
Xonmefen joUen biefer Kd^tflaren Seben§mad)t ben lauteften
SBeifaH.
— 183 -
2)od^ bte qudlenben, nimmer raftenben Teufel beginnen
bolb mieber il^r jerfe^enbeg ®ift in bie fd^mad^en ©emftter
gu träufeln. 9Bie unfdglid^en Sd^merjeS t)oQ erflingen ba
bie frül^eren, l^eiteren SebenSmotitje ! SBie ein Xraum au8
Idngft entfd^munbenen feiigen 3^^^^^ burd^fluten fte ie^t bie
(Seelen in D-moIl mit ber m&rii^enl^aft fd^Snen SRobulation
burd^ bie nal^et^ermanbten Ouintenafforbe G-moll, D-moll,
B-dur, F-dur, D-moü.
Unb peinlid^er unb immer angftooQer geftaltet fld) ber
SebenSblidC nunmel^r in A-moll. 9Beld^ ein neueS, nagenbeg,
unftiUbareS ©eignen offenbart ftc^ l^ier! mie fd^miUt eS 9on
h^n leifeften älnflängen pr gemaltigften 9Rad^t ber Seiben«
fd^aft an, big ber fiebermilb oerfengenbe ©arungSftral^l ben
gangen ®eift um unb um rüttelt! — (Sine au^erorbentlid^e
9Birfung äbt l^ier ber Orgelpun!t auf A auS, beffen @d^mer»
!raft in ber rl^ptl^mifd^en 3^^nung ber ^aufe liegt. 9(ud^
biegmal finbet baä fel^nfud^tgooKe (Smporbringen nic^t bie fo
j^ei^ erftrebte @rlöfung. ^er Sd^merg ber unerf&ttlid^en
^egierbe nad^ neuen SebenSgenüffen, nad^ f^neQ l^intoellen»
bem @rbenf d^ein bel^auptet bie Oberl^errf d^af t, obgleid^ im^er
mieber ed^te SebenSfäQe unb ftolge Sleinl^eit burd^bli^en.
jtaum pflangt mit ben m&d^tigen, meitl^infd^aQenben A'dur|>
9(fforben bie glodCenreine ®eelen!raft ilj^r panier auf^ ba
merben bie 3Befen jläl^lingg mieber von ben bdmohifd^en @e^
malten neuen Seelenqu&Iereien entgegengefd^Ieubert. ^lad^
einem fremben S^onreid^e mirb aQeS unmiberftel^Ud^ Der=>
f dalagen.
@o gel^t bag treiben biefer S^onmefen fort, ^aum
l^aben fte baä rettenbe @ilanb miebererobert, f o ftärgen fte
in il^rer unoerbejferlid^en Slorl^eit immerbar in neue 3^^*
ruttungen. Unrettbar t)erf aQen fte immer mel^r bem grauftgeri
SBirbeltange ber gügeUofen Seibenfd^aften.
S)er ©eniug biefeS 93oI!eg mirb oon böfeti Sl^nuhgett
bur^gogen, weil fold^ ein 3Renfd^entreiben in fein Sinneri
~ 134 —
ftetgt. greUtd^ raffen fic fxä) ietjt nod^ ftctS jum @blcrcn
auf. 9l6er tDte ipirb bte al^nung§t)oQe ^id^terfeele Beläflet,
ba^ fie bte ÜRenf^l^eit il^rem ünt)ermeibltd^en 93erberben ent«
gegenmallen fielet!
2)er 3;onfd^6pfer fann tdox bem ©(ä^Iuffe biefeS SebenS«
bilbeg bag loal^rl^aft finnbebrürfenbe ' 95a§motiü faum t)on
fi^ iDäI}en. @IfmaI erbröl^nt eS auS tieffiem @rbenfd[|ad)te
I^erDor, tote eine ungludEt)er]^et§enbe SRal^nung an baS O^r
ber 9Renfd^]^ett. 3tninern)&]^renb laftet eS auf bem ^aupt»
@efunbaf!orb in ben 8&ffen unb 93ioIen^ xD&f)unh bie ^örner
in nddifier 9lad)barfd^aft biefer grauenl^aften 2;onfeelen
(neben D) jweiunbjujanjig ^afte l^intereinanber il^r tiefeS E
blafen^ ba^ eS bie @eelen burd^fc^auert. Unb bie Fagotte
t)erme]^ren mit t^rem bunflen Kolorit biefe§ 93Ub ber
fd^redEenbrol^enben ^ropl^ejeiung.
SRad^bem biefer Slip t)on ben geängftigten ®emütern ge=
nommen ift, brdngt aßeS in l^öd^fter ©iegeSfreubigfeit empor.
Saft ingrimmige greube ftral^It auS bem SGBefen aller. Un»
geartet ber Doraufgegangenen unfeligen Stl^nungen ftro^t
ie^t ber ganje breite @d^Iu^ im ^errfd^erglanje unb im
ftol}eften ©iegeSgeprdge, als menn bie 3)ämonenfd^aren DÖQig
Derni^tet maren. ©iegreid^, maci^tuoQ unb l^elbenfäl^n fd^lie^t
biefer SEBunberfa^ ah,
^er jmeite ®a^, ba3 SlUegretto ober einbaute
in A-moIl. — 3)er ®eniuS f^aut mit SBel^mut auf baS
törid^te Streiften ber SBelt; er fielet, mie fie blinblingS in bie
oerberblid^en Sle^e rennt. Qn biefem ©a^e trauert ber
@eniuS über ben i^aQ ber 9Jlenfd^^eit.
(Sin unbefriebigenber 2lfforb (ber tonifd^e Duartfejt«
afforb) bereitet feltfam genug auf ©eltfameS Dor. SllS foltte
ein Seid^nam betrauert merben, in fold^ einem bfifter gleid^»
förmigen SR^gtl^muS beginnt biefe munberfame ©legie. 3)ie
35ioIen in il^rer tiefften Sage tragen bie leitenbe SKelobie^
bie faft gan} in ober ®intönigfeit auftritt: bie SBioloncelle
- 185 -
unb S&ffe, rtiQtl^mifd^ ber SRelobie folgenb, ertfinen in
trauett)oQen ^artnonieen. 93erg&nglid^ tDte ein ^aud^ geigt
fxd) ein leidster ^offnungSfci^immer in C-dur. Qnunter»
Brod^en fet)t ft^ bie SBel^Üage fort; anS ber änf&ngtid^eh
äBeife fpinnen 93ioIen unb iBioIoncelle ein neues Srauerlieb,
vs)&i)xtnh bie jmeiten 93ioIen baS alte, eintönige Seib fort»
flagen. @o folgen fpSterl^in bie erflen 93ioUnen, immer baS«
feibe ftiQe 9Bel^ l^inauStdnenb. Unb bann in erf^fitternbfter
2;ragif bie gefamte @d^ar bet 33Ia8inflrumente, m&^renb bie
erften SBioIinen ben barauS gefponnenen 2!rauergefang fort«
fül^ren. S)a§ ©ange l^at ein fugenartigeS ©eprfige. —
Überf^menglid^ in ber @eelenpein erflingt inSbefonbere
ba§ augenblicflid^e ^inflberf eignen nad^ C-dur infolge ber
Ilinjutretenbcn SJorl^altSnote Dis. — 95iermal nadieinanber
erflingt baSfelbe bange gmeiteilige ^lagelieb, breimal baS
9lebenn)e]^. i^mmer fd^ro&d^er mirb }ule^t baS itlagegetöne.
SSergeblid^ erfdieint je^t in A-dur ein unauäfpred^Iid^eg aSer»
langen nad^ ^rieben. 5!BeId^ eine munberfame SÄalerel
biefeS ©eelenjuftanbeS umfängt l^ier unf ere ®emüter ! SOSieber
ift'g ein OrgeIpun!t auf A, ben bie 95fiffe fo unl^eimlid^ be«
l^aupten; feinblid^ ftellen fic fld^ ber l^offnungSfeligen 3JleIobie
entgegen, bie j[et(t Klarinette unb ^agott fo rfll^renb fd^5n
ertönen laffen, ba§ ber balfamift^e |^aud^ be8 ©eelenfriebeng
in ben ®eift ftrömen möd^te, — mftl^renb bie melobifd^*
l^armonifd^e S^riolenbemegung ber erften 93ioIinen baS namen«
lofe Sogen ber Ud^tbebfirftigen Seele oerfünbet. 3Äit eiferner
^alSflarrig!eit, mie bie böfe ©eifterfd^ar, miberfe^en fid^ bie
S&ffe ber inbrünftig begel^rten (Sriöfung. — Äaum ^aben
ft^ aße in E-dur l^armonif^ Dereinigt, ba trogen bie SBdffe
mieber unoenüdft auf il^rem Stanbpunfte E unb balb bar«
auf ftören fte baS SlettungSmerf ftarrftnnig auf C. ®a§
unenblid^e SSerlangen nad^ einem rettenben SluSmege mirb
nid^t erl^ört. aWit m&d^tigen ©d^ritten gel^t alleS oon oben
]^cr mieber ber nad^tumflorten S^icfe ju.
— 136 —
3>ie 9&ffe laffen, \mmpf abgeriffen, baS alte Alagelteb
Dernel^men, lo&l^renb eine ^Idte, eine Oboe unb ein ^agott
bod smeite @<i^mer}enSlieb bajn anftimmen. (SnbloS giel^t
fxä) ber Xr&nenfang l^in. @euf}enb fterben faft aQe %on^
wefen ab.
Sa erörtern in einem fugenartigen @&^(j^en bie Streid^«
inftruntente nod^ einmal bie iDel^eooQe Saft beS Sd^id^falS.
fteine Hoffnung erblfil^t l^ier biefen Hagenben (Seelen: unb
non ber ^öd^ften S^mersenSmut befallen, gel^t ber l^erj*
erfd^ätternbe @d^rei ber Siroftloftgleit burd^ bie gefamten
Xonmaffen. 93ergeben8, ba§ no^ einmal mie in meiter
^immelgferne Streiflichter beS rettenben ^eil§ auffladern.
2)a8 bdfe ©efd^id, t)on ber SRenfd^il^eit in il^rer SSerblenbung
l^eraufbefd^moren, mu^ fid^ erfüllen. 3)ie lid^tflaren @p]^&ren»
tdne Dertlingen, baS büftere SBel^ bel^auptet fx6) mit allen
(Schattierungen.
Unaufgelöft ftirbt biefer tiefe Sd^mer} in bem biffonie»
renben Keinen, traben £luartfej:tatforbe l^in« ®leid^fam in
einen unermeglid^en Sbgrunb ftarrt bie @eele beS Sd^au*
enben.
dritter @a|>: ^refto in F-dur. — ^e^t entrottt f4
und baS reinfte i^reubenbilb.
Söldner feiigen i^reuben, fold^ ungetrübter Sßonne !3nnten
bie Snenf^en teill^aftig merben, toznn fte eS Derftdnben, bie
il^nen oerliel^ene (SeifteSfraft in ftral^lenber Sleinl^eit au ge«
braud^en; menn fte fid^ beeiferten, bie jügellofen Seibenf ^aften
in il^rem Sufen gu bemeiftern, bie beS SebenS golbenen Senj
befubeln.
^ier maltet ber üt^erifd^e 3)uft unb 9tei} beS göttlid^en
l^reubefunlenS, ber gang nur bie feufd^e ®eele gu erfüQen
vermag. 3)a l^errfd^t eitel {^immelSluft unb äßonne, fein
bitterer (Stad^el bleibt }urüd(; !eine @d^red(en8geftalt ber
aSilb^eit, gfeffeUoftgfeit unb 3emffen^eit mirft feine trüben
@d[|atten auf biefen feelenl^eiteren ^reubenl^^mnuä. 3)er
— 137 —
S^onbid^ter !ann {td| nid^t genug an biefer $od^feter ber
©ecle erlaben.
Unb bann erft bie feiigen folgen für bie SKenf^l^eit,
n)enn fte fx6) ben erlaubten SebenSgenfiffen ergibt! @S ift,
als n)enn fxi) ber ^imntel auftut unb ben erquidCenbften
grieben in bie ©emfiter giegt, bie mit ber fittlid^ reinen SebenS«
tätigfeit bie unfd|ulbgt)oQften S)afeingfreuben t^erfnäpfen.
@an3 ibeal, burd^wel^t tdoxi göttlid^er SSerfl&rtl^eit ertönt ber
gauberfd^öne ®efang in D-dur, befonberS Don Klarinetten,
Fagotten, Römern unb 93iolinen angeftimmt: n)ie ein 3)an!«
gebet aus liebeDoQem ©ernät. ^ebeutfam l^< im jmeiten
Seile biefeS ,^Assai meno presto" ein ^orn unaufl^örlid^
baS feierlid()e @runbmotix) beS erften ZeileS feft, bis ftd^
unter ber 93eteiligung aUer Sonmefen ber @a^ 3um glor»
reid^ften ^efttriumpl^ mit Xrompetenfd^aQ unb ^aulenmirbel
geftaltet.
®ef&ttigt Don biefer l^od^erl^abenen Seelenfeier rul^t ie^t
ber ^id^tergeift menige 9lugenblid(e auf reinen Slfforbfldngen,
m&l^renb allein ba§ ^orn nod^ leifer unb immer leifer baS
erfte feierlid^e SRotiu burd^blinfen lägt, ^ann nad^ einer
rafd^en gel^eimniSDoUen mobulatorifd^en SEBenbung lägt er
aufg neue in F-dur bie l^eiterfte greube einl^ertanjen.
©d^mer nur fann fld^ ber Sonmeifter t)on fo monnigen
SebenSbilbern loSreigen. 9lod^ einmal ertönt alSbann jener
l^eilige 3)anf]^9mnu8 nad^ fo feelenooQen ^reubenfeften unb
bann mieberum ber emig junge ©lanj ber fonnenflaren
SebenSluft. (Snblid^ nod^ ein lurjer monnetrunfener ^Ixd
auf jenen ^od^gefang, mie er auS ibealfter ©pl^äre ertönt:
unb in DoDfter $aft ftiebt aQeS auSeinanber.
SBierter @a^, ginale: Allegro con brio in
A-dur. — S33enn bie aJlenfd^en energifd^ wollten, fie fönnten
3U ma^rl^aft befeligenben Sebenggenäffen gelangen, auf bie
ber @eift ol^ne (Srröten jurüdtfd^auen fann. — Slllein fie
geben ber gel^eim roarnenben JBernunftftimme fein ®el|ör, fie
— 138 —
ergoßen ftd^ an ber äluSgelaffenl^eit unb ^lu^tDürbigfett ber
^egierben unb Seibenfd^aften.
3)icfcr ©a^ fü^rt un§ bic ÜWenfd^l^cit in i^rer t)oncn
Entartung t)or. @in bacd^analifd^eS ^eftgelage ift ber @d^QU^
pla§ btefcr 3)td^tung. — ^nti^ihat f^wclgerifd), auSgelaffcn,
Ifirntcnb brauft bie übermütige Suft bal^er. SBilber Xani,
tolle ätufjüge roürjen baS üppige ©elagc. @o feffcUoS
rafenb ijl ber ^vAzl, ba§ ftd^ bereits ber Sdimerj ber über»
triebenen Suft ber ausgearteten SÄenge einprägt, ©^merj*
l^aft auSgelajfen erfd^allt nunmel^r ber ©puf in Fis-moll unb
in Cis-moll. — ^ter üerfd^roinbet balb alle ©itte, alle
©d^eu; baS ^eilige xoxth Derl^öl^nt, ber augenblidlid^e @e=^
nu^taumel pftanjt allein feine fd^rerflid^e SÄadit auf. 9BaS
fümntert unS 2^ugenb, vooS fd^ert unS ®lürff eligf eit ? ®en
©egierben allein la^t unS frönen! fo ruft'S ber eine in
trunfner Serblenbung bem anbern ju: unb n)aS ber eine no<^
an ©ntl^altfanifeit beft^t, üernid^tet l^öl^nenb unb grinfenb
bie ©efellenfd^aft. ®aS ©ef^rei wirb balb fo n)üft unb be=
t&ubenb, alles tobt in fo unftnniger ©d^roelgerei unb Üppig»
feit bur^einanber, ba§ feine üernünftige ©timme burrf(bringen
fönnte, wenn fle aud^ roollte.
©0 gel^t eS in unaufl^örlid^er SluSgelaffenl^eit fort.
SBol^l t)erfudE)t eS nod^ l^ie unb ba eine ©timme, fobalb baS
Sdrmen nad^lä^t, einen SBarnungSruf ertönen ju laffen.
93alb ftu^en bie Sßiolinen, balb bie 93ratfd)en, balb bie SSffe.
SKber milbeS ^ol^ngeldd^ter tfl bie 3lntmort barauf. — 3>»^mer
feffellofer Id^t bie fredie ©d^ar bie 3Ö9^I fd^ie^en. Äaum
ba§ ein einziger al^nt, mie nal^e baS fdjmere SJerl^ängniS über
il^ren ^üuptern fdimebt.
9Jlan mirb bei biefem tollen ^^bellärm unb rud^lofen
SebenSfpiel unmißfürlid^ an bie entartete ^^^^i^^f^^^ ^^
Römers Dbgffee erinnert, ^ier mie bort ertönt feine ge«
funbe Suft mel^r. SltleS erfd^aHt l^ier in milber SBerjerrtl^eit
ber ©efü^le.
— 139 —
„6o fprac^ iener, ba lie^ ein unauSlöfd^Iid^eS Sad^en
^aUa^ int Areife ber S^eier entftel^n unb oetioirrte bie @inne,
IXttb nun ladeten fte auf mit mtlboerjerrten ©efid^tern
Unb oerfd^Iangen baä ^Uifd^ no(^ blutbefubelt, bie Hugen
{^üQten mit krönen ftd^ an, bie @eele gebadete beS klagend.
Unb Dor i^nen begann SJ^eoH^menog, ä^nlid^ ben @)öttern:
^d^, i§t Firmen, mag bro^t für Seib eud^? ®uere ^u|>ier
0inb umgeben t)on 9{ad^t, bie @eftd^ter unb unten bie Itniee,
äammetgeminfel ertönt, betränt finb euere fangen.
Ünb bie äB&nbe befpri^t mit ^(ut unb bie prächtigen 92ifd^en.
^d^attenbilber ummimmeln bie luv, burd^mimmeln ben Sßorl^of,
^le ind ^unlet l^inab gum @reboS eilen^ bie 6onne
^d^manb Dom ^immel §inmeg unb herauf jte^t grauftge ^üftre.
@^ad^'d, fie aUegefamt oerlad^ten inbeffen i§n J^er^Iid^."*)
^n fo toQem S^d)QtlaQ^ lebt aud^ biefe SRenfd^enfd^ar
l^ier, fo ba^ ferne eble Slegung mel^r in ber @eete feimen
!ann, ;G>^ber prop^etifd^ iDarnenben @timme antn)ortet er»
neute SluSgelaffenl^eit. SlUel SDtag unb 3^^^ überfd^reitet
biefe fred^e, lafterl^afte SÄenfd^l^eit. %o\ü)txt, ßögellofigfeit
unb fein @nbe! @elbft ber @d^mer} beS unmäßigen ®e«
nuffeS voixh burd^ n)ilbere äluSgelaffen^eit gen)altfam aber»
t&ubt. ^ie Unfeligen, fte al^nen nod^ immer nid^t, mit
fd^neUgeflugelt ba§ SSerberben nal^t! Wiz8 rennt unb jed^t
burd^einanber.
ofoßeOTOv 'fÜMi u>p9e, Tzapiizki-fity ^k vÖT}fxa.
ol 8* ^j8t] TvadpLoiöi YeXoluiv dXXotpioiaiv,
alfjiocpfSpuxTa II hi^ xpia ^ot^iov* oaat o' apa ocp^cuv
oaxpuö^tv TrlfxirXavTO, ydov 5' (wieto dufxfS;.
Totoi hi xoX yjExitvKt BeoxXuiACvo; deoctSVjc*
^A SstXoi, ti xaxov xöSe TroiCT^ETe; vuxtI fUv (ifA^iuv
e^uaTai xe^aXai xe i7pÖ9«j7:d xe v^p^e x£ 70uva,
ofp.cu'jf^ §^ hih^z, SsSdxpuvxai $k Tiapeiat,
aTpiaxi 5' £ppd$axai xol^^oi xaXai x£ (jL£9Öd(i.ai.
et$u)Xtt>v oi 7:X£ov irpöOupov, TtXeir] ^1 xal a{)Xi^,
(Epivwv 'Ep£ß<$o5c 1)7:0 C<^cpov y^Ovioc $^
oupavoO ifanöXuiXe, xocxi^ $'^iri5^dpofAev d^Xu;.
'ÖC §cpa^', ot odpa trdvxec iir* oixip f^§v) Y^Xaooav.
Homer: Ödyssea Hb. XX, v. 345—358.
— 140 —
S)a erfd^aUt urpIö^Ud) ein loal^rl^aft tnarlerfd^ätternber
Xrompetenf^rei auf G (g**), jtDei DoQe 2:a!te im fff auSge«
Italien, Der felbft ben lauteften Speftalel ber freoeC^aften
®d^ar übertönt, bie Raufen bonnern unb n^ettern il^ren
3)ominantton Abaju (2;rompeten-G ift ©eptinte baju): — bie
äSergeltung rädt l^eran!
®ie ^aben aQe (Stimmen ber SSernunft l^ol^nlad^enb Der»
fc^m&l^t, ie^t äberf&Qt fte ber 9tad^e oernid^tenber (Stral^I.
3u fp&t gelangen fte jur (SrfenntniS il^reS fänbl^aften Sebeni^.
— 3Bie nun aQed mirr, träbfelig unb blei^, in fd^merj«
ooQfter Aufregung ^erumirrt unb flüd^tet, um einen rettenben
$fab gu entbedten! 3)urd^ aQe, felbft bie entlegenften Zon-
geiftlbe mtrb nun ba8 SRotit) ber ätuSgelaffenl^eit gel^e^t;
nirgenbS ift fd^fi^enbe 9lul^e. SQe 9lu8mege finb Derrammt.
— 2)a8 ^ör^terlid^e beS g&l^nenben ^öQenfpaltS d^arafteri:»
fieren befonberS bie SB&ffe mit il^rem emig unerbittlid^en E
unb Dis, mobei ber jmeite 2on in einer am greQften biffo*
nierenben ^egiel^ung }U ben übrigen Sönen ftel^t. 2)aS ge^t
in biefem grauftgen fttang unjäl^Iige 9RaI fort. 93on namen«
lofem ^ntfe^en ift bie unfelige @d^ar ergriffen:
//Seto tx^oh Xt^enfta bie menf^enoertilgenbe Segid
^0^ von ber Tkdt, ba fa|t' ®ntfe|en bie ^erjen ber Steier
Unb fie burd^ftoben ben ^ol nie Siinber, ge^drenb |ttr $erbe,
SBeld^e bie rüstige Ovemfe beftürmt unb »ütenb uml^erfd^uc^t,
SBenit erfd^ienen ber Sen) unb länger ft4 be^nen bie Sloge."*)
9BiQ nid^tS an biefer 9Renfd^]^eit frud^ten, fo foQ fie ber
furc^tbarfte 3)onner!eU zermalmen, auf ba| fte einem befferen
(Sefd^lec^te meid^en.
*) h-q TOT* 'A^vaiij cp&tot(i^poTOv aljiV dv^o/ev
ot 6'ef ^povTO xiTd {ji^apov ßöcc &i djeXaiii
dop^ ^Y tiapiviQ, ^Tc TV^fxat« (jiaxpd itlXovrat.
Homer: Odyssea IIb. XXII t. 297—301.
- 141 —
3loi) Dcrnid^tcnbcr bröl^nt j|e^t ber \ä)xtdlx6)t Sluffd^rci
ber S^rompeten; ©gflopcnblt^e fallen bonnernb auf bie t)er»
rud^ten Häupter. S^riumpl^ierenb sielet ber ^^ox ber 9l&d^er
mit aQ ben erbeuteten Sropl^äen einiger, nad^bem bie gen)al«
tigften S)onnerfd^I&ge aQeS ber verbienten SSernid^tung unb
3ermalntung preisgegeben l^aben.
3)ie Derberbte ${BeU fielet gerid^tet ba!
2Bie mu^ bie ©eele 93eetl^ot)en8 wäl^renb biefer fgm*
pl^onifd^en ©d^öpfung geblutet l^aben!
9lad| bem (Irfd^einen biefer ©gmpl^onie foD ber Äom=
ponift Äarl SÄaria t)on SBeber ben Äontponiften Subwig
von 95eet]^ot)en reif fürs 2;oß]^auS erfl&rt l^aben.
Seffing aber I&§t in feiner 2;rag8bie @niüia ®aIotti bie
©rftfin Drfina alfo fpredien: SBer über geroiffe S)inge ben
SBerftanb nid^t t)erliert, ber ^at feinen ju verlieren. —
S)od^ tiefe, wal^r empfunbene SReue befreit bie Seele
n)ie mit ^immelSaügemalt Don aller @d|ulb. Unb fo voU»
}og fidti'S aud| l^ierin in fp&terer 3^^* wit bem im ®runbe
ebelmütigen ^onbid^ter Jtarl SJtaria t)on SBeber.
aus @bgar SBittigS ©eet^ooen-Südjern.
9Benn man biSmeilen nod^ ganj embryonale ftomponiften
über ^eet]^ot)en fo fpred^en l^ört, als m&re er bereits t)öllig
übermunben unb abgetan, menn bei mand) einem baS Urteil
über biefen Unfterblid^en in bem SluSfprud^e gipfelt: „c'est un
Saint, qu'on ne chöme plus" — baS ift eine l^albmegS über*
munbene ®rö§e — , menn man ferner nid^t wenige finbet, bie
gemiffe Seetl^ooenfd^e ©teilen furjerl^anb fo ober fo oerbeffert
l^fttten: bann geminnen fold^e 3>«bit)ibuen unSfreilid^ mand^eS
Sdd^eln beS SWitleibS unb ber SBerfic^tlic^feit ab. @in fon^
berbareS ftünftlergef d^led^t ! ©leid^en fte barin nidt)t bem
^eripatetifer ^l^ormion, ber nid^t übel fiuft l^atte, ben
— 142 —
l^etoifd^en ^annibal in ber ^riegStunft }u beleihten? @in
^l^ormion einen l^annibal bele]^ren! Unb bie ntobernen
^unftler einen 99eet]^ot)en ! ^an xo^x% nun ho^, ba^ ber
alte ^l^ormion ft^ ein unfterbli^ I&d^erlid^eS $]^ormionen»
^efd^Ie^t erzeugt fiat.
ftein 2:onbi^ter lebte unb n)ebte fo gang in feiner ftunft,
max fo erfüQt Don il^rer äBefenl^eit n)ie ^eetl^ouen. 9Bar
ber Sräeifter bod^ jur 3^^t als fein @eniu8 bie groge äReffe
fd^uf, fo !unftt)ertieft, fo uberirbifd^^ ba^ er tDo})l länger als
merunb)n)an}ig @tunben l^inburd^ fein l^ol^eS ^riefteramt
Denoalten !onnte, ol^ne baS 93eburfniS nad^ ©peife unb Xranf
)u föl^len. 3a! rodl^renb fein ®eift unter ben Selben ber
neunten @gmp]^onie !reifte^ fal^ man il^n oft bei graufigftem
Ungen)itter ol^ne ^ut l^eimfel^ren. äBann l^at baS je feines«
gleid^en gel^abt? ^n jener Q^xt fd^ien ^eetl^ooen vom l^öd^ften
©eifte n)a]^rl^aft befeffen gu fein. S)ie fleinen äßefen, SDtenf^en
genannt, hielten il^n für einen Starren: freilidi — ein gött«
lid^er Slarr! — Überl^aupt ma^te il^n, wie fd^on fein
©dualer |$erbinanb9tieS benter!t, feine ä3egeifterung gegen
äußere @inbrüd(e burd^auS unempfinblid^.
3lud^ in fold^en S)ingen erinnert ber SReifter an ntand^
einen l^ettcnifd^en SBeifen, j. 93. an @of rateS, oon beut erj&l^lt
wirb, ba§ er ben gangen Sag an einer ©teile feft ftel^en
bleiben fonnte, wenn il^n ein großer ®ebanfe erfaßt l^atte;
ober an ÄarneabeS, ber oft fo in ®eban!en oerfunfen voax,
ba§ er eS oerga§, bie ^anb nad^ bem neben il|m fte^enben
SRal^le auSguftredten.
Slud^ Dr. SBarorud), ein 2lrgt, ben öeetl^ooen in ber
legten 3^it feines SrbenroaUenS l^atte, berid^tet: „Seetl^ooen
fc^rieb oft mit feltener HuSbauer am Slbl^ange eines SBalb«
pgelS an feinen SDSerfen unb lief bann nad^ beenbigter 2lr*
beit, oom 9lad^benfen nod^ glöl^enb unb oft jeber SBitterung
- 143 -
trolienb, nid^t feiten felbft im raul^en (Sd^neegeftöber ftunben«
latiQ in ben unmirtbarften ©egenben untrer."
9Q3eld^ ttner!larli(l^e^ beifpiellofe, faum faßbare ^egeifte«
rung! S)ie8 ift fürroal^r bie ©rfd^einung be8 JReingeiftigen,
beS UrgeifteS, ber gar nid^tS @toffIid^eS me^r beräctftd^tigen
fann.
3)ie Äunft in il^rcr l^öd^ften %oxm ift SReligion. 3[n
ber Äraft, ber l^öd^ften ÜWenfd^Iid^feit bie religiöfe Äunft«
n)eil^e ju v^xUif)^n, fielet Seetl^ooen obenan ba, n)eil er, jum
2:eil aud^ infolge feines @efd^id(eS, getrieben ift, ftetS im
9(Qer]^eiIigften ber ^unft gu meilen. Unb n)er fi^ Döllig in
bie ^eiligfeit ber Seetl^ooenf^en ftunft oerfenft, ber muß
ein fittlid^ reiner unb freier 3Äenfd^ werben. $ier mu^
man'S erfüllen, wie Runft unb SReligion bemfelben l^imm«
Uferen Urqueß entfpringen.
2>en Seffingfd^en 9(u3fprud^: ,,ftein SRenfd^ mu^
mäffen", bin id^ oft miOenS, bis in feine &u§erften S^Ig^^
rungen l^inein ju vertreten, menn man nur baS 9(bfoIute babei
aus bem Spiele l>. 3)aS ift einer ber äluSfprüd^e, bie aQein
einem mit unbeugsamer Sl^arafterft&rCe begabten (Seifte ent«
{tammt fein fönnen. 3)ie arme Sefftngfd^e SRitmelt! 9BaS
foQte fie mit einer 3^ee beginnen, bie mie ein leud^tenbeS
Sonnenbilb d^arafterernfte @emäter befd^einen mu§! äRit
feinen reinen, meit DorauSfd^auenben :9!beeen ftanb ber gro^e
fiefftng ganj t)ereinfamt ba. ^lagt er bod) felbft:
,,9d^, ba id^ irrte, f)aü* i^ viel (Sefptelen,
^a i^ bie 9Bal^r§eit i9ei(, bin id^ atteiit.''
©0 lebte ber ^errlid^e tjerfannt, üerfd^rieen, oerfe^ert.
9)tan fann ftd^'S lebl^aft ben!en, ba§ £efftng gerabe um ber
reinften, tiefflnnigften Sbeen miHen tjon ben meiften feiner
3eitgenojfen für mal^nfinnig erflärt morben fein mag, ebenfo
— 144 —
ipie 93eet]^ot)en in SBirfU^feit, nad^bent er bte gro^artigften
fgmpl^onifd^en Äolojfe in bie SBelt gefdiicubert l^attc, felbft
oott bcbcutenben Äünfticrn reif fürS S^renl^auS crHärt
njurbe. —
35er um lange 3^tten ju fcixf) erfiä^ienene ©eiftegl^elb
Seffing xon^U wol^I, ba| feine ®ebanlen von feinen Q^iU
genoffen nid^t begriffen werben fonnten: il^re aUntSl^Iid^e SBer«
bauung war ber Siad^roelt aufbel^alten, — bie ein ^f)t^
l^unbert nad^ SefftngS Sobe noi) fo gebred^eni^aft baftel^t^
ba| feine 3Jlanen tjergeblid^ bie l^eigerfel^nte Sftul^e finben
!önnen.
SDenn eg gel^t bie alte ©eifterfage, ba§ bie SBeltibee^
für bie ein ebler SWenfd^ gelebt, geftrebt, geftritten, für bie
er fein ganjeS ® afein l^inburd^ geiftig geblutet, — ba§ fie
bem l^errlid^en S^orfämpfer aud| bie ©rabeSrul^e raube. 3)enn
bie 3>bee folgt il^ni nimmer, fle erfüllt bie nad^meltlid^e Suft
unb fud^t fte fort unb fort gu reinigen. Unb big bie Suft
oon ber großen Qit^ nid^t fo burd^brungen ift, ba^ ein neuer
^aud^ baS @eifte3leben erfäQt, ned(en unb peinigen unauf*
l^drlid^ biefe mit ^ergblut getr&n!ten ;3[beengeftalten ben armen
£oten. @ie umfd^mirren fein ®rab, mie nedKfd^e Jtobolbe>
unb raunen il^m inS Ol^r: bu armer (Srbenfol^n! 2)eine ;3bee
flattert l^in unb l^er — unerfüllt. SBie lange mirb ber
Sefftngfd^e (Seift nod^ fd^mad^ten muffen, bi§ il^m bie ned(ifd^en
(Stimmen baS fd^dne SrlöfungSmort jufläftern merben: bu
ebler äJlann, ^erforderter ^umanigmuS, bie äßelt atmet freier
— fanft rul^e je^t beine 3lfdt)e!
@o ftel^t eä um ben ®eift Sefftngg, fo um ben SBeet^ooenö,
{eineg größeren ®eiftegbruberg. ^ä) mei^ nid^t, ob au^er
Seetl^ooen nod^ ein ©eiftegl^elb bie Seigre: ,,fein äRenfd^ mu^
muffen" fo bel^erjigt unb erfüllt l^at, mie Seffmg. (58 ift ein
eiserner @runbfa^ ; nur eiserne Sil^araftere fönnen il^n lebenbig
mad^en.
— 145 —
SSiete gefaEen {Id^ in ber SBorfteEung, ba| jleber l^o^e
dkift feine fd^dpferifd^e OriginaKraft ben Säften jur 3lufbe«
niol^rung übergebe. 93on ba fliege fie nad^ ^onen in eine
DenDanbte (Seele, bie (Srbin hti l^ol^en (SeifteS. — 2)er cq«
üifd^e 3)id^ter Stttop^^loS foU bie epifd^e ftraft 9on ferner
felbft geerbt l^aben. — SHefer unb jener, ber eine gewiffe
Hinneigung 3U einem großen ®eifte oerfpärt, ift gleid^ ge*
neigt, ftd^ olS feinen (Srben angufel^en. 3)ie meiften 9en)erber
g&]^It unbeftritten bie ^etl^ODenfd^e Sd^öpferfraft. ä^oufenb
unb aber toufenb ftred(en gierig bie H&nbe auS, bie? golbene
@rbe in Sntpfang ju nel^men.
@in Wlann, bem in ber SJeetl^ooenliteratur eine ]^en)or»
ragenbe @teQe gebäl^rt, ift ©riepenferl. ÜRertoürbig ge«
nng n)irb er von ben nteiften Siogropl^en SBeetl^onenS ntit
@tiQfd^n)eigen übergangen; — bie rül^mlid^fte äluSnai^me freilid^
mad^t Sßil^elm von fienj. Unb bod^ liegen in ©riepenlerl»
9lot)eIle „%aS Mufiffeft ober bie SBeetl^onener'' wo^ bie
diteften ©puren für eine rid^tige SBürbigung ber l^eroifd^en
unb ber neunten S^mpl^onie. ^olgenbe 93enterlung über
bie D-molU®9mp!^onie gef&Qt mir auSnel^menb gut (a.a. O.
p. 180):
^^IS bu biefen Jtolo^ auS beinern 9liefengeifte in bie
äBelt l^inaugmarfft, o bu über aQeä geliebter, erflaunlid^er
SReifter, mer lie^ bi^ bamalS in bem faufenben ^^ittid^ ber
3eit ben }Ud(enben 9lert) al^nen, ber fp&ter gu nod^ nie ge»
fel^enem $Iug l^inaugri^, fo bag bu biefe l^eilige Äranfl^eit
]^ineinbi(^teteft in bem 9Ber! unb bamit ben Jlnäuel n)arfft,
monad^ le^t aUeg rennt im Sabgrintl^ ber ÄunftI
9BaS ift ber 9liefenbau beiner ad^t S^mpl^onieen, biefer
präd^tig gleid^ ben äJlufen aufgerid^teten @tanbf&ulen, maS
ift er gegen bie neunte, biefe Urania il^rer ©^mefiern!"
italifd^er, 2He Vta^t »eetl^ODenft. 10
— 146 —
QSine 2:age6ud^nott} 99eet^0DenS auS bem 3^l^i^^ 1816,
— ©d^inbler, ber treue ©efftl^rte beS SWetflerS, teilt fle nttt
— lautet alfo: ,,®ott, l^elfe, bu ftel^ft mxä) von ber ganzen
9Renf^]^eit Derlaffen, benn Ünred^teS toxVi td^ nid^tS begel^en,
erl^dre mein f^lel^en bod^ ffir bte ß^^unft nur, mit meinem
Staxl jufammen ju fein, ba nirgenbg j[e^t ftd^ eine 9RSgIid^feit
baju seigt — o ^rteS (Sefd^id, o graufameS- SSerl^dngniS,
nein, nein, mein unglüdHicfeer 3wftanb enbet nie.'*
9Benn ein SBeetl^ooen im B^^itl^ feines Slul^meS fid^ fo
menfd^enT)erIaffen, fo DöQig ungtüdHid^ fäl^U, foOen fid^ ba
nid^t fleine ©eifter meiner 2lrt tröften, menn eS il^nen äu§er«
lid^ mie innerlid^ no6) trauriger ergel^t? — SBeld^ ein t)er«
flärenber Qtxdf)l fäQt au§ ben Seiben eines l^ol^en SBelten«
geifteS auf bie Dualen armer 9Äenfd^enfinber, bie bemül^t
ftnb, in einem fo erl^abenen Sßefen gu leben!
®ine ajlgtl^e, bie id^ bei ^ßlutard^ im Seben beS SRo«
muluä lefe, bringt mir abermals lebhaft ben urmüd^ftgen
^au ber Seetl^ooenfd^en ©^mp^onieen in bie Erinnerung.
SRomuIuS fd^Ieuberte einft, feine Jtrdfte ju t)erfud)en, eine
Sanje, beren @d^aft Don ^orneQenl^oIs mar, von bem Sloen«
tinifd^en $ügel l^erab. ®ie ©pi^e brang fo tief in ben 93oben,
ba§ nicmanb, fo mele aud^ ben SBerfud^ madE|ten, fie ]^erau§=
jujiel^en oermod^te. 9lun fagte baS ^olg in ber frud^tbaren
@rbe äBurgel, trieb ßi^^ig^ ^^^ mud^S ;u einem au^er»
orbentlii^ großen ÄorneHenbaum (Äornelfirfd^e) auf. 3)iefen
oerel^rten bie 9lad()foIger beS SlomuIuS als eineS ber e]^r=
märbigften Heiligtümer unb bauten }U feinem ©d^u^e eine
aRauer ringS um il^n. (@ie^e ?ßIutard)S SRomuIuS, Aap. 20). —
©0 l^at öeet^ooen einen mäd^tigen, fgmpl^onifd^en ^rad^t*
ftamm tief in baS äßeltenl^eri l^ineingefd^Ieubert. SSergeblid^
rüttelt i^r baran, il^n auS bem SBeltl^erjen ju reiben. 5)ie
frud^tbare ffirbe aber finb bie gemütSooBen SSölfer ber SQSelt,
in benen ber ©tamm feine pr&d^tigen, untjergleid^lid^ !oft=
— 147 —
baren l^rud^te l^etDorfproffen I&^t, en)ige f^rü^te beS ^eils
fflr baS anenfd^engefd^Ied^t. Sarum la^t und fortan unb
imnterbar biefe e]^rn)ürbigen f^mpl^onifd^en ^eiligtfimer
S3eetl^ooen8 offenen Sinnes pflegen, bamtt barauS fittlu^e
firaft unb ber 3:rieb ium (Sblen, SSoQf ommenen in bie Seelen
einf el^re.
99örne fd^reibt einmal in feinen ^agebü^ern: „^6) voiH
S^mpl^onieen von ^eet^open ober ein 3)onnern)etter."
Unb in ben $arifer Briefen:
,,®o l^at bie oorige SBod^e ein junger SRenfci^, 9lamen3
Serlioj, ben erften $reiS ber muftfalifd^en ftompofttion er«
Italien. 3<^ Unm il^n, er fielet auS n)ie ein @enie. @ef^iel^t
fo etoaS bei unS? 3)enfen ®ie an Seetl^ooen. O! x6) l^abe
eine SBut!"
SBie el^renb finb fold^e 3lugbrüd^e ebler ^oxmiUihtn^
f(^aft! -
Qn beut Sßerfe oon 2B. t)on Senj: Beethoven et ses
trois styles flnbet ber 93ere!^rer beg 9)teifter8 oiel beS S^reff»
lid^en; barunter aud^ folgenbe erl^ebenbe 3ttitteilung (Seng II,
p. 161)!
y^Fidelio a eu son tour pendant Texposition de Londres
{juillet 1851). Le public se leva pour ecouter debout
l'^Ouverture (mi majeur), la reine d'Angleterre donnant
fexemple.
La 2^^ Ouvertüre (en ut) fut jou6e pendant Tentreacte;
on couronna la huste de Beethoven, en jouant TOuverture
d'Eg^mont dont le caractere triomphant allait au triomphe
posthume du genie/'
Aber^upt l^at fi^ bie englifd^e 9lation um Xonl^eroen,
mit $&nbel, ^aqbn, SSeetl^oDen unb anbere, uuDerg&ng»
lid^e 93erbienfte errungen, ^öd^ft el^ren^oQ bleibt bem älnbenlen
aUer ^eell^jooenoerel^rer bie gro^mätige ^anblungSmeife ber
10*
— 148 —
Sonboner pl^ill^armonifd^en (Kefellfd^aft gegen biefett
Zonmeiflet. 9lur mit feiiger Stfil^rung lann man batan benfen.
— Unb SRofd^eleS fd^rieb im ^a^xt 1823 md^renb feine«
Seetl^ODenbefud^eS auf r"^) ,,3)er 9flame Sdeet^o^en ift ben (Sng»
I&nbern bie ^eseid^nung beS l^dd^ften ig^bealS.*"
Sliel^I fd^reibt in feinen fel^r roertooHen „muftfalifd^en
e^arafterfflpfen" (II, p. 356):
„(&S gel^ört Energie unb @:i^arafter baju, ein fd^roffer
^ad^ianer gu n)erben. ®erabe folc^e Seute ftnben aber in
bem SSerf^Ioffenen, jteiml^aften feiner SJlufe einen i^rer eige«
nen 9latur mel uerwanbteren Steig alS in ber SBoIIblüte
SKojartS unb a5eet]^ot)en8."
9US ob nid^t bie l^dd^fte (Energie unb gerabegu ein ge>
fi&l^Iter G^l^arafter erforberlid^ n)aren^ um 93eet]^ot)en auS bem
Ziefften ju genießen. SBeetl^ODen f)at bie ^raft^ burd^ haS
9)tebium feiner Sd^öpfungen einen ®l^aralter gu t)en)oQ»
fommnen, il^m eine unerfd^ütterlid^e $elfenfeftig!eit gu Der^
teilten. 2)aS fann feiner auj^er il^m.
(SS ift gegenm&rtig nid^tS 9leue8 mel^r, Seute Aber
^et]^OT)enfd^e SBerle, bie fte nun fd^Ied^terbingS nid^t gu faffen
Dermdgen, mit aQer 5{altblutigfeit tabelnb reben gu l^dren.
^a, bie l^dd^ften 9)teifterfd^öpfungen beS gröjseften ®eniu§
merben Derunglimpft.
SBie mürbe mol^I bei fold^em ©ebaren @d^umann8 Qoxn
auflobern, ber fogar oiele tapfer geißelt, bie unmert erfd^einea
muffen, einen 9eet]^ot)en gu loben. SDlan lefe baräber in
@d^umannS ©d^riften Sanb I, p. 67:
„Unten im Saternenbunfel fagte (Sufebiug mie oor ftd^
l^in: ©eetl^ooen — mag liegt in biefem SBort! fd^on ber
tiefe fitang ber @ilben, mie in eine @mig{eit l^ineintdnenb.
(SS ift, als {önne eg fein anbereS ©d^riftgeid^en für biefen
9lamen geben. —
*) Honoetfationllleft oom 9tor>mUt 1823 (6ign. D. €6, JBIati 28 a^
— 149 —
(£ufe6tuS, fagte td^ xoixUxi) vx^xq, unterftel^ft bu bid^
an^, 8eetl^ot)en ju loben? 9Bie ein Sdn>e würbe er ftc^
nor euc^ aufgerid^tet l^aben unb gefragt l^aben: »er feib il^r
benn, bie il^r baS wagt? ' — nitt§ benn aber ein gro^r
Snann immer taufenb Bi^^^g^ tm (Befolge l^aben? Q^n, ber
fo ftrebte, ber fo rang unter unjdl^Iigen Jlftmpfen, glauben
fie SU oerflel^en, wenn fie I&d^eln unb Matfd^en?** —
9Bie foU SDlenfd^engeftein geeignet fein, Seben ]^n>or«
Surufen? 9Bie foQen geiftlofe 93irtuofen in ben tiefen
@eifteSfd^ad^t ^eti^ooenS 3U fteigen oermdgen, nm biefe
@d^ä|e unter baS geifteSbebflrftige fBolt gu ftreuen?
9(riftippu3 gebrandet non unmiffenben aßenfd^en, meldte
bie fteinernen 23^eaterfi§e brüdten, ben 3lu8brudf: „3)a fl^t
ein @tein auf bem anbern." SBetrad^tet man ftd^ j^eute fo
mand^en muftfd^en Stlo^, bann mdd^te man mol^l ausrufen:
a)a ft^t ^olj auf ^olg!
Snand^e 93ere^rer ^eetl^ooenS lieben biefen @eift barum
mit ber innigften (Seelenfraft, meil fie il^n fo red^t auB bem
^erjen gu oerftel^en glauben, älud^ l^ierbei entfd^eibet ber
®laube oiel unb oerleil^t ©eligfeit. — Qm allgemeinen, unb
befonberd unter ben g^^auen, ift eine Settina oon Xrnim
l^ierfär baS aQerrul^mooQfte 93eifpiel. Straft il^reS (SlaubenS
an Seetl^ooen l^at fte bie aUertiefftnnigften Offenbarungen
Aber biefen ®eniuS burd^ baS berebte 9B3ort vortragen (Annen.
iCBer einen befonberS tiefen Sd^merj befd^nrid^tigen min,
fpiele baS tKnbante ber großen F-moli*®onate, ber foge»
nannten Appassionata (op. 57). (Sin 2:roft mirb il^m barauS
entgegentönen, mie fie il^m (eine Sfteligion ber SEBelt fd^dner
gem&l^ren fann. 9)ie l^öl^ere $otens baoon quiOt auS bem
Adagio sostenuto ber 9liefenfonate in B-dur (op. 106). 3)emt
bie l^öd^fte Straft ber ed^ten 5tunft-9teltgion ift burd^ SBeetl^oiien
offenbart.
~ 150 —
2)er 29. 9looember 1814 ift als einer ber benftourbtgften
(SUansta^e im StünjUerleben Seetl^ooenS ju 9er)ei(i^nen. 3)er
Xonl^errfd^er gerul^te, t)or ber oerfammeltenfürftlid^en 5tongre|«
gefeQfd^aft eine gro§e ntufilalifd^e 9ltabentie ju Deranftolten.
2)er Stdnig ber ®eifter fäl^rte ben irbifd^en ^errfd^ern einige
unoerg&ngUd^e @d^0pfungen vox: bie A-dur>®9mp]^onie, bie
5tantate ,,ber glorreid^e 9lugen6Ud", bie @d^Iad^tfgmp]^onie
unb bie ©gmpl^onie in F-dur (SJlr. 8).
9Bie ]()errlid| ber %aQ, an bem ft(^ aQe ge frönten
^ftupter vor bem JRiefengeifte Seetl^ODenS beugen mußten!
Seld^ ein munberbarer ®Ian) mvi% von biefem erl^abenen
Raupte gefhal^U ^ben! @elbftm&(^tig fäl^rte ber SReifter
feine ^eerfd^aren an.
3)iefer 9lot)embertag l^at ebenfomenig feineSgleid^en
in ber (Befd^id^te ber grofen ®eifter, mie ber 7. !SWai 1824^
mo fid^ bem SSSiener 93oIfe bie SCBelten ber 9. (Sgmp Ironie
erfd^Ioffen.
9lad^bem bie faft beifpiellofe $affionggefd^id^te einer
groj^en ^elbenfeele in ungeal^nter Xonl^errlid^feit T)oräber«
geraufd^t wax, mirfte mit eleftrifd^er Überm<igung plö^lid^
bie (Srfd^einung ber gramt)oQen, fd^mer^belabenen, l^eiligen
@eftalt biefeg ®otteSmenfd^en.
Unb ber irbifd^e Sol^n? (Sin üäglid^er ©eminn ermud^S
bem unfterblid^en ^eetl^ooen barauS. 3)er gemaltige Sömen«
mann brad^ nad| bem @rfennen beS fo traurigen @rgebniffe3
in fxd) gttfammen. Ol^ne ©peife unb 3;ranf lag ber fd^mer
geprüfte @eniuS lange teilnal^mloS ba, bis ber (54llaf ftd^
feiner erbarmte.
(So gleid^ft bu bem l^ol^en äBefen bed bid^tenben 9Renfd^en«
geifteS: bu fpenbeft ben SRenfd^enünbern unenblid^en ^od^«
genug, mdl^renb bu felbft ben £eib abmarterft: — fo er«
fd^einft bu ber SDtenfd^l^eit als magrer Slbglanj beS ^eilanbeS!
- 151 -
^6) lefe foIgenbeS im Seb^enSgange beS figfurg bei |
$lutard^ (Aap« 31): ,,anan erjäl^It ani), als feine fterblid^en .
Überrefte (Xst^ava) in8 SBaterlanb gebrad^t toorben, fei ein
Slit^ftral^l auf feinen ®rabpgel gefallen. 3)ie3 fei nid^t
Ui^t einer anbeten Serül^mtl^eit gefci^e^en, au^er in ber ■
fp&teren 3^^^ ^^^ (SnripibeS ju Slretl^ufa in äJtacebonien,
n)o er fein Seben enbete unb begraben iDurbe: ein n)id^tiger .
Umftanb jur 9led^tfertigung unb jum S^^gniS fär bie 93er»
el^rer htS @uripibe3, ba il^m aQein na^ feinem Xobe miber* 1
ful^r, mag Dorl^er bent l^eiligften 3)tanne unb bem grö^eften
Sieblinge ber (Sötter roiberfal^ren mar." (t<|X beo^filzardzff
xal 6oi(OTaT((>.) ^
@o ift benn ^eetl^ooen ber 2)ritte in biefem ru!^mrei(j^en
@enienbunbe; ja il^m gefii^al^, alg er feine gro^e, göttlid^e
@eele auSl^oud^te, boS nod^ 9Bunberbarere, baj^ pld^Iid^ ge»
maltiger 3)onner unb ^li^ baS bebenbe f^irmament burd^»
indte, gleid^fam al3 moQte aud^ bie ^el^re 9latur biefer un«
gel^euren 9nenf<^en!raft bie märbige ^ulbigung barbringen.
^a, ^eet^oDenS 2:obeSart barf fogor an bie 9latur»
erfd^einungen gemahnen, bie nad| bem @t)angeliften bem $in«
fd^eiben beS ^eilanbeg folgten: ,,Unb bie@rbe
bie Reifen jerriffen, unb bie ®r&ber taten fi^
ftanben auf mele Seiber ber ^eiligen, bie ba fd^lief
((2b. aWattl^. 27, 5L 52.)*)
g barbringen.
% bie Statur» V
ften bem ^in» j
)e erbebte, unb , A
|t^ auf, unb \j
ba fdbliefen." \
d»e<tt^07joav xil iroXXd ov&fAaTa töv xExoiuiT^fjivwv d|(iüv y^^ip^attv."
Sld^teS llapttel.
S)ad 2e5en i{t fo fd^al, toie'n olteS 9Rar4en,
S)em 6(^Iäfr{gett ind butn^fe D|v geleiert;
Unb ^d^mad^ verbarb bed (üfien SBortö (Sefd^mad,
^a^ ed nur e^ma^ unb Sttterlelt oemä^rt.
®9alefpeare: Itönig Sol^n.
3)0^ no bie grd^'re Itranl^eit @i| gefaxt,
gü^Ct man bie tninbre !aum.
S^alefpeare: St^nt% 8eac.*)
^rft ttad^ älnt^emiaS 9l6reife trat eS flar in (SbgarS %e«
lou^tfein, bajl er auä bem gangen ^ol^en äBefen biefer
l^Qenifd^en i^ungfrau bie fru^treid^fte SKnregung gefd^Spft
l^atte. (Sine !aunt auSfäQbare fieere mad^te fid^ in feinem
;3nnern f&fjiibat. 3biS ben ibealften 9Relobieen ^etl^ooenS
taud^te n)unberfant genug Sntl^emiaS l^el^re @(eftalt n)ie bie
lid^te 93erfl&rung l^eroor.
^reilid^^ n)enn biefeS ®eniuä gonge ^errlid^feit in i^rer
unn)iberfte]^lid^en SRad^tfälle an feinem ©eifte Dorübergog,
*) Life is as tedioas as a twice-told tale,
Yexing the doli ear of a drowsy man;
And bitter shame hath spoil^d the sweet word's taste,
That it yields nonght but shame and bittemess.
Shakespeare: King John.
But where the greater malady is fix'd,
The lesser is scarce feit.
Shakespeare: King Lear.
— 153 —
ha mu|te jeber anbete, no6} fo l^eQe ®lang er&leid^en.
(Sifriger no^ als fonft ftät^te ftd| Sbgai: in bie läuternben
f^mpl^onifd^ien SB&ber, bie auS bem unenblid^en 2;onftrome
^eetl^openS il^ren UrqueQ l^erleiteten. S)iefe reine Sid^tflut
go§ auö) i^m immer t)on neuem 2:roft unb ^eHigfeit in bie
empfdnglid^e @eele.
SSar i^m gegenm&rtig bie materieUe 9lot geUnbert^ ba
fingen fd^neQ genug bie ibeeUen Seiben mieber an^ il^re t>er«
l^eerenbe SBirfung in feinem ©emütSleben anjurid^ten. SBie
lange l^atte er {mifd^en ben beiben ^^ungfrauen gefd^manlt,
bie feinem geiftigen Seben entgegengetreten maren. 3)ie eine
in plaftifd^er Stulpe, gel^oben Dom Prüfte beS fiebenS, aber
nid^t l^inaufgetragen Dom l^o^en Slblerfluge ber Segeifterung :
bie anbete, nid^t minber l^el^ren @rnftei^ t)oU, mit Slugen ge^
fegnet, bie t)on äberirbifd^em ©lanje ftral^lten, ba§ jlebem,
ben ein fold^er ^immelSftral^I trifft, baS leibenfd^aftli^e ^^euer
l^immelanftrebenber ^egeifterung fär bie ^rl^abene auä ben
älugen f^ie^t. Sänge l^atten ftd^ biefe beiben ®efialten in
feinem Innern ben 9lang ftreitig gemad^t, bis baS Äunft«
mefen bie anbere Jungfrau ganj auS feinem ®eiftc Der«
fd^eud^t l^atte.
Unb biefe 93egeifterung üerjel^rte i^n je^t um fo mel^r,
als er bie reinen f^ortfd^ritte mit bem unenblid^ l^ol^en ©rabe
ber 9)tuftnu{l letneSmegS in @inflang gu bringen T)ermod^te.
Qmmer aufS neue mu^te frifd^e SebenSfraft unb feuriger
3Rut aus 93eet^ot)enS Slonf^dpfungen gefogen merben. 2)em
fül^nften Sttuffd^mung ber ©eele folgte ftetS mieber ber jÄl^e
©tura ins SÄeer ber ^offnungSlofigfeit.
9BeiI bie 9RitteI jur ©giftenj nun abermals fo aujier*
orbentlid^ mel !oftbare Qtxt unb 9[nftrengung verlangten,
mürbe bem Körper baS Unmdglid^e jugemutet. 93om fräl^eften
SRorgengrau bis in bie tieffte 9lad^t l^inein mußten ftdrper
unb ®eift madi erl^alten merben. Unb (Sbgar in feiner mal^r^
^aft rafenben öegeifterung verfpürte feine Slbnal^me ber
— 154 —
Gräfte. 9lur bte ftetige X&tigleit tonnte i^n von bem qu^
reibenben ®ebanlen an feine fonberbaren Seiben abbringen.
2)en SRitmenfd^en ntujste er fid^ ntel^r unb mel^r ent»
frembet fül^Icn. 3HIe8 größte bem Slpoftaten ber aßiffenfd^aft.
9Ran gab fx6) ade erbenflid^e Wlü})^, x^m bie unenbli^en
@d^n)ierigfeiten red^t greQ auSjuntalen, mit meldten felbft
fold^e ^nftler ju I&mpfen l^ätten, benen eS oon ber Sünb^
iftit an gegeben ift, il^r 2:alent auSjnbilben. äl'lan fud^te
il^m bie Unmdglid^feit barjutun, baj^ ein 9Renfd^, ber in fo
jp&ten Qöl^'^en erft muftfalifd^ ju lallen anf&ngt, nod^ ein
tJoHgüItiger 2;onbid^ter werben fönne. — ?Wid^tS frud^tete.
(Sbgar f anb aQeS redE|t teilnel^menb, pra!tif d^ nnb oerft&nbig :
allein bie ^i^eenoernunft oerfd^Io^ fid^ nnerfd^ötterlid^ allen
praftifd^en 3w^wtungen.
3Bie ein 3Renfd| ftd^ um einer ^bee miUen bie ganje
praÜifd^e SebenSfteHung au8 bem Äopfe fd^Iagen fonnte, baS
oermod^te leiner 3U begreifen. ®ein Streben mürbe faft oon
jebermann oerurteiU. SBar eS ba ju t)ermunbern, ba| @bgar,
um fold^en anl^altenben^ unerquidHid^en Sieben auS bem Sege
3U gelten, ftd^ immer mel^r t)on aQer SBelt iurädCjog, ober im
anberen ^aQe fein 9Befen nod^ mel^r mit ernfter SSerfd^loffen«
^eit umpanjerte?
2)ie el^emaligen gefeQfd^aftlid^en SUterSgenoffen fingen
bereits an^ aQerlei oerlel^rte 3)eutungen über fein oerfd^Ioffen
tr&nmerifd^eS 9Befen l^eroorjubringen. 3)er Strubel rein
finnlic^er SebenSgenäffe ^atte il^rem ^erjen ieben ©lanj ber
ibealen 9BeU entriffen. (Sbgar mu§te i^nen mit feinem
elegifd^en ^beenleben^ bag taum etmaS anbereS neben fx6)
bulbete, als ein $]^&nomen auS 3]ldrd^enmelten bafiel^en.
(Sollte er fo ibeaUofen Staturen ober Dielmel^r Unnaturen —
benn jebe mal^r^afte Slaturgeburt birgt eine ^bee in ftd^ —
foEte er fold^en QEpl^emeriben beS 3)afeinS feine l^e^ren ^eilig»
tämer preisgeben?
— 155 —
(BS tDar beS @rftauneng fein (Snbe, bag (Sbgar fx6) mit un«
jetftörbarer SSßtQengfraft betn Denoirrenben %om ber f^reuben>
luft entjog. @etne 3ui^ä<^9^3^9^n'^^^t l^aufte nun in il^ren
fidpfen gleid^ einer ©p^inj: mit unlösbarem 9l&tfel. SllS
man nun enblid^ bie fiöfung gefunben l^aben moQte, mn%U
fidi biefe £dn)enjungfrau von il^ren ^opfbergen l^erabftürgen
unb fern von xf)nm an Älippen jerfd^eHen. @bgar marb alfo
als vzxloxtn aufgegeben.
2)er merbenbe ftänftler empfanb einen immer l^eftigeren
9BibermiIlen gegen eine fo g&njttd^ materieSe äBelt^ ber eg
t)5Qig unfaßbar erfdieint, mie jemanb allein feiner für mal^r
er!annten @eelenerldfung leben fdnne, ol^ne fx6) irgenbmie um
ben materiellen 9ht^n ju fümmern.
(Sbgar fal^ ftd^ gesmungen, mie ein @inftebler ju leben.
S)a§ ^raftifd^e foQte nad^ mie vox nur infomeit eine 9lolte
in feinem Seben fpielen, alg eS il^m bie äJlittel jur reinen,
f d^lid^ten Sjriften) Derfd^affen mu|te. 2)aS mar feiner innerften
9latur gemd^. @ine ä^eufd^ennatur aber Idgt fld(| nid^t
mobein unb formen mie falteS @eftein. —
2)od| balb fing baS @d^id(fal an, mieber auf @bgar
l^erumjul^&mmern. ^er fd^mad^e Stimmer äugerlid^en @Iäd(eS
erlofd^ jufel^enbS. ^aS alte ©efpenft ber unenblid^en SebenS«
not umfd^mebte mieber fein ^aupt. @bgar l^atte eS f onberbarer»
meife meift mit unjarten, rüdtftd^tSlofen Seuten ju tun,
3Ran l^atte leidstes @piel mit il^m. ^enn er mar ju
ftol}, aud^ nur ben leifeften @inmanb gegen eine fd^einbar
notmenbig geworbene ^nberung su erl^eben. — 3)en l^öd^ften
Unban! erntete er immer t)on fel^r reid^en Seuten, t)on fold^en
gemeinl^in, beren duj^erer 9iei(^tum ju bem beS ^erjenS im
fd^reienbften aJtij^oer^<niffe ftanb. SQS&l^renb fte iu allen
Seiten feine faft übertriebene @en)iffen!^aftig!eit im Unter«
rid^ten priefen, gelang eS il^nen tro^bem gemiffenloS leidet,
o^ne jjeben 2)anf unb ol^ne j[ebe (Sntfd^ulbigung ben Unter»
ri^t (dS eingefteQt gu betrachten. 3)ie SBabefaifon tat aUeg
— 156 —
für fte. 3un)eilen ging tl^re fd^ndbe 2:a!tlofigfeit fb xo^xt,
ba^ @bgarS vollauf gerechtfertigte Stnfragen of)m jjebe 99e»
anttoortung blieben.
3umeift firgerte eS fte, bag @bgar trot^ feiner Slrmut
ftetS fo Dornel^m felbflben)U$t, gleid^fam atö ^errfd^er t)on
@otte§ ©naben auftrat, ber äbergeugt n^ar, mel^r ju geben,
benn ju empfangen.
3n)ctr l^atte @bgar fid^ längft ium Seigrer ber nmfilaK«
fd^en 3:i^eorie emporgearbeitet; aber il^m fel^tte ber 9Umbn§
ber Slutorit&t. 2)aS alte 3)oppeneiben trat mieber in feiner
jerftSrenben Straft auf.
3lu6) je^t mar eS allein bie ftd^ immer gauberooller ent»
faltenbe ^a6)t ^eetl^openS, bie feinen Jtdrper haS Unge«
l^euerfte^ menn aud^ immer fd^merer, ertragen lie|.
SQSol^l ein l^albeS ^a^r mieber mu§te ba§ malere 9rot
beS @lenbS gegeffen merben. Ser Jtdrper marb immer
fd^mftd^er. Qfn biefer Stxt gerabe forberte fein ©l^arafter bie
^dd^ften Opfer. 9lud^ nunmel^r l^ielt il^n ber Stolj aufredet,
menngleid^ il^m baS Seben eine entfe^lid^e Saft mar. iBefud^e
3U mad^en, bie aug bem reinen abriebe nai^ augenblidlid^em
9ht^en unternommen erfd^einen, maren feiner (Seele oflQig
gumiber. Unb fo0te er g&njlid^ )U grunbe gelten, er l^&tte eS
nid^t Dermod^t. @$ mar boc^ ^menigftenS baS reine 93rot
i^orl^anben.
Jtonnte er fid^ nun aud^ feine Stellung erringen, meil er
eS fd^led^terbingS nid^t oerftanb, ju l^eud^eln unb ju mebeln,
fo l^atte er bod^ bie trübe (Genugtuung, ba^ aUerl^anb bleiche,
grie^gr&mige ®eifter bei il^m eine um fo feftere (SteQung be»
l^aupteten. — Zro^bem ober oieQeid^t gerabe beSmegen fonnte
@bgar von feiner ^öl^e l^erab mit l^erjlic^fter ®eringfd(|&^ung
auf bie armen SRenfd^en^upter fd^auen, ol^ne 9leib ober gar
^a§ ju t)erfpftren. —
<Sinige SSriefe unb Siagebud^fragmente mdgen baS SBilb
aus biefer ^zxt erg&nsen:
— 157 —
3)en . . .
^6) übertreibe nid^t. ^\t c8 ho6) mand^mal
t)orgefommen, ba| iäf l^ungrig ju 93ette gelten mu^te. 3)er
treuefte ®ef&^rte meines SebenS, ber @d^laf, oerl&jst mid^
aud^ in fol(i^en 9löten nid^t. ^er fd^on lange leimenbe
SEBunfd^^ biefer gered^teften aQer ®öttergeftalten ein ftiUeiS
Opfer beS 3)anleg bargubringen, l^at enbUd^ feine poetifd^e
Erfüllung gefunben, bie id^ 2)ir l^ier mitteile:
9Ber %ab, o &6jlial Mr fo erl^abeneiS äBalten,
^bu freitnblid^ mint^er 6o§n ber fd^ioaraen ^lad^t?
S^ie tl^tonft bu ftol) in reid^er iSettiedprad^t
Unb gIStieffc iDunberfam bed jlummerd tJfalten.
;^u l&ffeft 9htl^ nad^ fd^ivecem Selbe f galten;
Du Siabegtoinger l^ttltft gewaltig SSad^
9(uf 5tönig, SBettler, ftetö mit gleid^er äRad^t,
StonnV 3eud mo^I beiner 5h:aft bie SBage galten?
Unb nenn auS beiner bunüen, ftiUen ®rotte
^bu l^eitre Sräume fenbeft, fd^neUbeflügelt,
^ie (inbemb Salfam tr&ufeln fd^weren SBunben —
Sergi^t ber SRenfc^ ber )DuaIen graufe äHotte,
^ed a^enfc^en^affed 98üten ift gejügeU —
Unb en)*gen ^anf wirb bir bad Sieb belunben.
3)en . . .
aae« f (^lagt fe^I. @8 ift ein fo fJuc^mürbigeS
^afein, bag bie !ü]^nfte ^l^antafte aJlä^e ^at, fid^ ba^inein
ju Derfe^en. SBarum flnb benn aud^ iene l^errlid^en QtxUn
@ried^enlanb3 ^erf^munben, wo ein @terblid^er freimiQig für
ben anberen in ben Xoh gelten fonnte! SBie oft taud^t in
meiner @eele ber eitle SSSunfd^ auf, für einen guten Sieben«
menfd^en ju fterben, n^enn mein %ob V)m baS Seben erl^alten
fönnte. 2)ann f önnte id^ bod^ ben Sroft inS ®rab nel^men^
mit einer guten 2:at auS bem Z^Un ju fd^eiben. 2)er 2iob
l^at !eine @d^red(en für mid^, ben eigentlid^ nid^tg als
— 158 -
ber ®eban!e an bie greifen @Itern anS i^eben fettet. —
^ier gebe id^ 9)ir einen fernigen äluSfprud^ beg ^aupt«
cpniferd Diogenes x>on ©inope: „SBenn id| bieSRegenten beS
SebenS, bie ^rjte unb ^^ilofopl^en betrad^te, fo bünft mx6)
ber 9Renf(i^ baS n)eifefte t)on aEenSßefen; n)enn id^ aber bie
Zraumbeuter, bie ^riefter mit il^rem 3[nl^ang, ober bie nad^
^eic^tum unb SRul^m i^fagenben fel^e, fo erfd^eint mir nichts
2)ummereS olS berSRenfäi." — 93ergi| nidE^t, ba| 3)iogene§
an bie meifen Siegenten feinet 93aterIanbeS badete, oon ben
l^eutigen märbe er im allgemeinen mol^l nid^t fo fpred^en. —
S)en . . .
®u begreifft eg faum, mag in mir vorging, alg
id) ang ben SBud^ern ber3)at)ibgbänbler bie @efd^id^te oom
„alten Hauptmann'' lag (@d^umann II, p. 116 ff.). SEBie fann
eg ein treffenbereg 9(bbilb meineg @trebeng geben, alg id^ eg
in jenem ^auptmanne finbe?
(Sin äJlann mit unerfättlidfer Siebe unb £uft }ur fSRufxt,
befeelt oom l^Sc^ften Opfermut — ber Jhinftlergefellfd^aft
felbft fpielt er niemalg t)or unb ruft il^nen bod^ burd^ SBort
unb (Srfd^einung fo red^t bie äBurbe ber ^nft oor bie @eele.
3)ie f^reunbe fönnen ftd^ nid^tg @d^dnereg benfen, alg il^n
äRuflf anl^ören ju fe^en. 3m SSerlaufe ber Sr^dl^lung l^ei^t
eg alfo: „Unb natürlid^ genug, ba§ il^m alle fidlere Sied^nif
fel^lte. ®enn mie fein tiefpoetifd^eg äluge alle ©rünbe unb
^d^en ber Seet^ooenfd^en Snufif gu errei(^en oermod^te, fo
l^atte er feine mufifalifd^en @tubien nid^t etma mit einem
Se^rer unb mit S^onleitern begonnen, fonbern gleid^ mit bem
@pol^rfd^en ^onjert, bie ©efanggfsene gel^ei^en, unb ber
großen B-dur*©onate oon öeetl^ooen (op. 106). SKan oer«
ftd^erte, ba§ er an biefen beiben @töden fd^on gegen jel^n
Salute lang ftubiert. Oft fam er aud^ freubig unb melbete,
mie eg nun balb ginge, mie il^m bie (Sonate gel^ord^en lernte,
unb mie mir fie balb ju l^ören befommen foUten; — mand^»
mal aber aud^ niebergefd^lagen, ba§ er, oft fc^on auf bem
— 159 —
®ipfel, toieber l^erunterftörge, unb ba^ er bod^ nx6)t ablaffen
fönne^ t)on neuem gu üerfud^en." —
^d^ begreife am beften, mie tief unglädHid^ fid^ biefer
eble Hauptmann f&l^Ien mu^te. — SBBie oft fprid^t'S in mir,
btt lannft bein Sx^^ ^^t erreici^en, ftel^e ab, törid^ter @rben*
fol^n! Unb id^ !ann nid^t aufhören, baS Unftberminblid^e
immer mieber ju verfud^en, aQe 93eet]^ot)enfd^en Sonaten in
meinen ®eift wie in meine giwfl^J^ P gmängen, obgleid^ —
Slber mir fagf 8 ber ®eift, id^ merbe, mie f o oiele
anbete @onaten, enblid^ aud^ ^eetl^ooenS Sliefenfonate DöEig
aus bem fiopfe f))ielen.
3)en ...
— ®aj3 id^ l^ier fo tjereinfamt mit meinen Qbeen
baftel^e, mirb mir aUerbingS jumeilen fd^auerlid^. ^ä) fel^ne
mid^ gang unf&glid^ nad^ einer gleid^geftnnten Sruft, nac^
einer !r&ftigen, burd^auS mal^rl^eitSoollen SRanneSfeele. älud^
bieS ®IM fd^eint mir nid^t befd^ieben gu fein, ^^räl^er l^atte
id^ ^reunbe im Überfluß. Unb e§ ift gemi^ fd^mer, fo gang
ol^ne Sreunb burd^S Seben ju manbern. 9(ber e8 mn^ fein,
i^ fel^e immer mel^r ein, ba^ man gegen fein innerfteS ^ä)
nid^t felbftjerftörenb auftreten fann. — ^i) mu§ meine SBe*
l^auptung aufredet l^alten, bajs l^ier menig ©inn fär e^te
Öbealität oorl^anben ift, nid^tS cdi ber bare äßaterialigmuS,
ber ben S^l^araf ter oerf umpft unb mit $&ulni8 übergießt.
3)ie t)oIIe Siebe Slntl^emtaS !önnte mid^ mol^I au§ meiner
buftern SSergmeiffung retten. fH&üd) ^zx^tS äJerlangen Der»
fpüre id^ gumeilen, an il^rem ^ergen ben l^ei^en @d^merg
meines SebenS auSgumeinen. Unb mie l^offnungSloS ift biefe
ftürmifd^e ©el^nfud^t! — aWit i^r, bie fo tief in SBeetl^ooen
lebt, mü6)tz xi) bann biefen ©eift in ©emeinfd^aft pflegen.
Sßir mähten unS gegenfeitig erg&ngen, id^ trage nun einmal
biefe 3uoerfid^t in mir. SSBenn fte bodf) l^ier märe! SBer
mei|, ob id^ nid|t meinem @toIg ein Opfer br&dC)te. Übrigeng
meif id^, bag il^r (Smma ^ilbebranbt fleißig fd^reibt unb
— 160 —
ani) aber tntd^. @ie erl^&U j[ebe neue Aotnpofition von
mir. — 3^ '<^nn aber n>o]^I Dor Unrul^e unb ©el^nfitd^t Der«
gelten, bis bie ^errlid^e loieber in unferen SRauern n>eilen
»irb. Sßenn x6) x^t l^ier gans meine (Kebanfen vertrauen
unb baffir ben Üarften QSinblidC in il^r gel^eimfteS iBebenS»
malten geminnen fdnnte, mai^rlid^, ber ^iebe mftrbe mein
9emllii nmarmen unb f&ffen. —
®ett ...
— — 9Reine Xraummelt mirb ie^t x>bUxQ oon ber
9Raieft&t SBeetl^ODenS unb oom Atl^erifd^en (Slanje älntl^emiaS
bel^errfd^t. 3)ie Slugen biefeS SBeibeS fd^ouen bann fo eigen«
artig in bie Sßelt, mal^r^aft äberirbifd^. ®tetS fül^ren fte
mir ben SugenauSbrud ber belpl^ifd^en Sibylle, beS utm&ö)^
tigen äHid^el Slngelo wx bie ®eele. 9Benn x^ bod^ aQe
bie fd^önen Zraumfeligfeiten bel^alten fSnnte! 9Rand^mal
fel^e id^ 93eet]^ooen mie ben roQenben 2>onner jur $erfon
gemeißelt am ftlamer [teilen. $od^tdnenb erüingt feine
Stimme. —
2)en . . .
Seit einiger Qtxt bin i^ aud^ tdrperlid^ leibenb.
2)er ftdrper miC anfangen, fid^ gegen biefe unliebfame 9e«
l^anblung au^ulel^nen. ^mmer nur SBrot unb ^rot unb
^ot! ^^ merbe am @nbe felbft nod^ }U SBrot. — 3)er
Snagen fd^merjt unb bod^ mn^ e§ beim lieben 9rot bleiben. —
@o meit l^abe id^ eS nun gebrad^t, bajs id^ fiberl^aupt
niemanb mel^r eine Sitte von SBebeutung Dortragen tonn.
2)en . . .
Snel^rere Xage mar id^ gtoglid^ frani, dou ^eber»
anf&Qen ^eimgefud^t ftein teilnel^menber f^reunb jur ©eite^
feine «uäl^ftlfe al8 »rot. —
äBarum lebe id^ in biefer fo arg materiellen Qtxt unb
oerftel^e nid^t im geringften, nad^ einer (Sjriften) p rennen,
in einer Qtxt, mo ba§ Sort „Sjriften}" aQeS übrige ju Der«
fd^Iingen brol^t? — Ob mol^l nod^ ein 3n>eiter in meinem
— 161 —
@tanbe fo anl^oltenb 9lot gelitten ober leibet? 0^ ivotVHt
baran. . . &S ift balb nid^t ntel^r ju ertragen.
^a! wenn id^ ht>6) einmal aQ ben bittern ®ram unb
^mnter, aEe fd^were Unbill be§ @d^id(falg in gen)altigen
2:onntafFen t)on ntir fd^leubern fönnte! SBBel^e bann ben
elenben SD^enfd^enl^&uptern! @ie foQten beben, wenn fie bie
fd^werbüftern 2:rilte be§ UnglödCd Dern&l^men, wie 3)onner<
ftimmen, —
®en ...
@§ wiQ nun einmal mit ber Slunft bei mir nid^t vou
märtg. 2)a3U baS quafooKfte 3)afein. 3e|)t ift eS fo öbe,
auSgeftorben in meinem @emäte, bajs mir felbft ber ®ebanfe
an 93eet]^ot)en unb feine fd^meren fieiben feine Sinberung
t)erfd^afft. £eiblid^e Dual ol^ne @nbe unb nid^t ein ^ünfd^en
geiftigen @rfa^! — 2;ob! Sob! 2;ob! fomm enblid^ l^erbei
unb erldfe mid^ au3 meinem (Slenb ! id^ fel^e feinen rettenben
$fab mel^r! —
S)en . . .
^a, wenn id^ fortmdl^renb in Seetl^ouenS Sonmeeren
fd^melgen fdnnte, bann l^&tte id^ bie @eligfeit auf @rben.
SBeld^ eine l^eilenbe 3!lla6)t liegt bod^ in ben S^m^l^onieen
Seetl^onenS! SBarum fann man nid)t unauf^örlid^ in biefer
©öttlid^feit leben? £ro^ beS unermejsli^en UnglädCS nel^me
i^ ju an ftoljem SBemu^tfein. —
S)en . . .
— dg wirb 3;ag in meinem näd^tigen S)afein»
®nblid^ fange id^ an, al8 SÄuflflel^rer feften gug ju fajfen.
3d^ fül^le mi^ in meinem Elemente. SefonberS bin id^ ber
Familie ^ilbebranbt ju großem 3)anfe t)erpflidE)tet, weil man
ba, ol^ne irgenbmie von mir aufgeforbert ju fein, ftetS be«
fliffen ift, mein ^efteg mal^rjunel^men. 3)enn id^ bitte nie»
manb mel^r um etmag ; 3)u ftel^ft alf o, wie molf enl^od^ mein
SRanneSftolj angemad^fen ift. 2>iefe perfönlid^e äBürbe ift
l^auptf&d^lid^ meine Sebengerl^alterin, weil mein innerfter
— 162 —
(Sloube an baS ®ute in ber Seit unD^tmüfÜxif) ift. Ülber
ber n)a]^r]^aft @nU, boS ift ber 9(IUiebenbe, woxUt nid^t
ah, bis er nm etn)aS gebeten n)irb: benn haS liebeooEe
@emftt empftnbet im tieffien i^fnnern bie 93efd^&mung beS
SRenfd^en mit, ber nm ^ülfe in ber 9lot flel^en mu^. SBiel«
mel^r l^at il^m ber ©eift ber Siebe bie Sugen gedffnet: unb
äberaQ fielet er boä @tenb itnb Unglfid flar nnb offen!unbig
auf ben @affen. SBer fo lebt unb liebt, fann ed lebmeben
2^00/ i^ iebmebe @tunbe offenbar mad^en, ba^ er 3ur ©emein*
fd^aft ber maleren ^eiligen gel^drt. — (SS mirb mir mol^l
au6) einmal eine 3^^t bläl^en, in ber id^ bemeifen fann, bajs
bie älugenb ber 3)anfbarleit mir nid^t verfagt ift. — 3)ie
3lot l^atte freilid^ il^ren ^öl^epunft erreid^t.
^6) l^abe geprt, ba^ Slntl^emia in ättl^en ein großes
ftonjert oeranftaltet l^at. Unermejslid^er ^nbtl folgte il^ren
93ortr&gen. 2)ie l^errlid^e Aünftlerin l^atte eS befonberd barauf
abgefel^en, il^rem 93olfe bie 3!fla6)t ber beutfd^en SRuftI in
bie ^er^en ju zaubern. Unb eS gelang ber 3^^^^^ aber
bie 9)ta^en. @ie trug ZonxotxU von 9ad^, ^anbel, ^a^bn,
ä^ogart, Seet]^ooen,@d^ubert, SBeber, aJtenbelSfol^n,
(Sl^opin, ©d^umann unb Äiel oor. —
9lo^ eine anbere angenel^me Sla^rid^t fann id^ 3>ir
l^eute auftifd^en. ^6) fenne jlet^t enblid^ einige junge SRanner,
bie id^ als ©eftnnungSgenoffen }u fd^d^en l^abe. 9Bir f ommen
mand^mal in einer beftimmten SeSd^e, alias: SBirtSl^auS, }U«
fammen, mo mir beim @d^oppen unfere ;3been auStaufd^en.
S>em 93erufe nad^ ftnb eS @d^riftfteQer unb SJhtftfer. 9lud^
Seutnant von @id(ingen finbet {i^ ein. @inige von il^nen
merben gemi^ meine ^reunbe merben. S)ie Hoffnung, enblid^
einmal 9)tenfd^en, baS l^eigt äRenfd^en im ooQen, fd^önen
@inne beS SBorteS ju entbed(en, erfuQt mid^ mit l^ol^er
greube. —
3^ t)ermag 3)ir'S faum ju fd^ilbern, mit meld^ Der«
längter ftraft i^ ie^t meine muftfalifd^en ©tubien betreibe.
— 168 —
3^ bel^erBerge fd^on red^t mel von ^tztffovtni SRuft! in
meinem ftopfe. —
fie6en8n)ei§]^eit.
Obeale Menfd^ennaturen l^aBen etmag 2)rafontfd^e8 an
ftd^. SBie jener blutige SKtl^ener felbft ffir baS geringfte SBer-
gel^en ben %oh oIS ©trafmittel l^infteQte, fo oerbammen ed^te
SbealSnaturen jeben 3Ritmenfd^en, an bem fle eine Heine
€]^arafterfd^n)ä(^e n)a]^rne]^men, leidet inm moralifd^en 2;obe;
{te n)eifen il^n in il^rer ftttlidjen @nträftung mo^I gar aug
bem 2:empel ber SRenfd^l^eit l^inauä. @in fold^er ^öl^epunft
be§ :3beaIigmnS r&d^t fid^ aud^ jumeift an bem Innern ber
Urteitgooöftredfer felbft: i^r innere« franft faft beft&nbig ob
ber SSSeltfd^m&d^e« — ÜBiQ man nun bag fd^öpferifd^e
@enie als eine kranfl^eit begeid^nen, fo ift baS @enie, in«
fonberl^eit baS etl^if d^e @enie, bie einzige munberfame Stranf«
l^eit^ bie ben 9)tenfd^en n)a]^r^afte Teilung bringt
95ei ben feierlid^en ©aftm&l^Iern ber SRömer erfd^ien eine
fiaroe, um jum fiebenggenuffe aufjuforbern. ©erabe biefeS
3eid^en fdEieint aud^ in ber ©egenmart gu liegen. @in un«
ftd^tbarer @m|)or!ömmlingggeift, nad() 9lrt beS bekannten
2:rimaId^io in ben fatirifd^en SBäd^ern beS $etroniug,
flüftert fd)n)ebenb bie SBorte:
„^t^ und elenber Qrut, ein 9li(§tö finb bie SRetifd^engeripf^e,
^Ue erfd^einen toir fo, nac^bem und ber Drfud oevfd^Iungen,
2ait tinS Ie6en fürtDa^r, »eil baS Beben no($ hli^^t"
(Heu, heu, nos miseros, quam totus homuncio nil est!
Sic erimus cnncti, postquam nos auferet Orcus;
Ergo vivamuB, dum licet esse bene.)
Unb baS San)engefpenft n)inft fo mit eiflgem ®ru^e fort.
S)ie 9fteid^en gleid)en oft bem eitlen $fau ber :3[uno,
ber bie Sla^tigaQ um ben fd^dnen ©efang beneibet. 9lud^
fte motten fingen unb fpielen, jeid^nen, malen unb meißeln,
11*
— 164 —
bieten unb fomponieren — unb looEen gefallen: aOein bie
Seele fann fein 9leid^tum fci^affen. Sßenn e8 nid^t Qtf)t,
n)erben fte — n)te ber ^fau über bie unanfel^nlid^e 9lad^tigaS
— unwittig Ober ben bfltftigen $oeten^ ber mit feinem metatt»
reinen Sone bie ^erjen ber 9)tenfd^en erqnidt. SBoKt i^r
aOeS ^aben^ meine lieben 9leid^en? SEBenn eS ^t^ui mit
9ie^t Der!änbet : ,,9Ba]^rlid^, id^ f age eud^, ein 9leid^er mirb
f^roerlid^ inS ^immelreid^ !ommen" (ajiriv U^to 6ji.iv 5tt
icXo6oioc 8uoxoXtt>c etoeXeüoetat zlq ty)V ßaatXetav tcov oupavcuv.
(Sü. anatt)^. 19, 23), fo gilt baS in nod^ l^fll^erem ®rabe
vom ^immelreid^e ber 5tunft.
^n Snciang ®dttergefpr&d^en fpri(i^t 3^^^ nad^ ber
^l^aetl^on^fiataftropl^e alfo sum @onnengotte l^elioS: „f&a»
l^aft btt angeri(i^tet, bu l^eiQofefter aller 2;itanen? Sltteg auf
ber (Srbe ift jufc^anben gegangen, meil bu einem bummen
jungen beinen 9Bagen anvertraut l^aft, mit bem er ber (Srbe
ju nal^e fam unb fie jumteil Derbrannte." (XXV, 1.)*)
SBeld^ ein öilb ffir mand^ einen unumfd^rSnften ^errfd^er*
fol^n! S)ie S^i^^ ^^^ ^errfd^aft merben in feine ^anb ge»
geben: in feiner ol^nmäd^tigen S^orl^eit mirb er gar ju balb
t)on ber ^errfd^erfonne geblenbet — unb bie verjel^renbcn
©tral^len bringen fd^nell in bie fersen beS bejammernämerten
fBolUS.
^l^aetl^on freilid^ mirb vom SBli^ftral^l beS S^n^ g^*
troffen. Slber pl^aetl^ontif^ Derblenbete S^egenten bleiben
meift ungeftraft, menn fte aud^ ba§ 93olf fo oft mit $ä^en
treten unb beffen loftbarfteS ^erjblut t)ernidE|ten.
@d^on oft l^aben %mt, milbe unb gej&l^mte, Dom 3n«
ftin!te getrieben, ber @age nad^ gro^e ®eifter erlogen unb
*) „Ola 7re7roCi}xac J) TiTdvutv xGtxtore; diroXwXtxac Td ^ rg 7^ dicavra,
(ittpax((p dvoi^Tip irtOTe6o«c '?^ ^Pf^t» ^C ^d fxb xati^Xe^c Tcpdoyetoc ht^n^tli,**
-^ Ai6c xal mCou 1.
— 165 —
fie ber SRenfd^i^eit erl^olten. SRomuIuS unb 9lemuS toerben
Don einer äBdlftn gen&l^rt S^nS felbft in ftreta von einer
Siege; Selepl^oS, ber äR^fterfdnig, non einer ^irfd^htl^,
@entirantiS oon Zauben^ (S^rnS Don einer ^ünbin. SEBiber
SBiUen atfo n^erben Xiere t)on ber gottbefeelten 9latnr ge«
)n)ttngen, il^ren SieblingSgefd^dpfen, ben 9Renfd^en, 2)ienfie
ju leiften.
@o ntäffen a\x6) Zliemtenfd^en n^iber SBoQen unb 9Biffen
grojsen @eiftern bienen.
9lad^ ber ä(rt, n)ie fxä) bei ben SRenfd^en ®ei{l unb
S^l^arafter ter^Iten, fann man füglid^ mer klaffen unter«
f d^eiben : @rften8 gibt eg Staturen, bie mit einem l^ol^en @eifte
h^n bebeutenbften G^l^arafter perbinben; jmeitenS SRenfd^en,
beren @eifte§grö^e einen f leinen @^]^arafter im @efolge l^at;
brittenS aSSefen, bie bei geringerer ©eifteSfraft ein ebleS, fefteg
®cmfit beft^en; enblid^ ^nbioibuen, bie ebenfo Hein an ®eifl
mic an Sl^arafter jtnb.
S)a§ ®enie ifl ber ^amlet, melii^er bie Sßelt gured^«
jufe^en berufen fd^eint. Sie Saft eineS fold^en SEBeltberufeS
brol^t feinen @eift gu jerfprengen. (£r n>inbet ftd^ burd^ bie
3eit l^in unb fangt ben fd^led^ten d^^tftoff ein, um il^n bann
gel&utert ben fDtenfd^en mieberjugebdren. S)ie ÜberfftQe ber
]^öd|ften ©ebanfenmeiSl^eit erfd^eint bem lursftd^tigen ältenf d^en«
gefd^led^te olS SBal^nftnn. @g erfolgt aber bod^ einmal bie
menfd^enerlöfenbe %at Unb menn er aud^ an feiner l^eüigen
©enbung }ugrunbe gel^t — mit feinem Untergange befiegelt
er bennod^ bie SRorgenröte ber neuen, reinen S^^^^ft-
3eber neue 9BeItenf>rop]^et fd^eint feine 9)org&nger loer»
bunfeln ju moQen. @d^on in ber 9Qten SEBelt mujste ber
Zeftoribe Aald^aS, ber Selber beS Std^demoIIeS, fterben, als
il^n 9RopfuS, ein ©prSfling beS älpoQon, burd^ feine meiS*
fagerifd^e Araft äbermunben l^atte.
— 166 —
9kn nieten ffinfüerif^en (nrnftf^n) @e^em loiberf&^ct
eilt Sfyüi^tS S^UtfoI. — ättor oon 3ett 31t Qtit tonnen in
htx Stunft ^op^eten von f unenblii^er OeifteStiefe auf, bog
il^e nnfterbli^ ^a^nbe Stroft iDol^l mntmer oecbimfelt loecben
fann. S)ttrd^ Jlioneti »ixten fte in nngefd^w&^tem 01ange
fort. &oU^ ^opl^eten ftnb oonie^nili<l^ @\)aU^ptatt nnb
Seetl^ooen. 3>iefe gunteiß bemi^ren in ber jhtnfl nne im
Seben boS ^o^e 9Bort beS SBelterlSferS: „OUeid^niie beS
9Renfd^en Sol^n ift nid^t gef omnten, ba| er i^nt bientn laffe,
fonbem bog er biene nnb gebe fein Seben su einer ^Ufung
f&r Diele'' (fioirep 6 M^ xou dvftpc&icoo o5x ^Xdev Siaxovi]d7jvat
dXka fiiaxov^oai xal Soüvai tijv ^o^ijv a&xoö Xotpov dvri koXXodv.
So. anattl^. 20, 28; A^nlic^ (£0. SRarc. 10, 45).
SEBenn bie üRenfd^en bid^ au^ nod^ fo fel^r il^re blinbe
üngered^tigteit ffil^Ien laffen, xotnn {te boS reinfle — allein
ber SBal^rl^eit ^ulbigenbe — Streben in il^rent £orenn)a][|ne
Derl^öl^nen, oerlennen unb Derfe^ern, xotnn fte aud^ aQe bi^
in f^amlofer ®elbftfftd^tig!eit auSjubenten tratl^ten, n>enn fte
Slenfd^enliebe ntit fd^worsent Unbanf nnb felbft mit SBer^
lenmbttng lol^nen — : la^ bie Sitteiieit nid^t in beinern @e<
m< onff ommen, befdmpfe rafttoS in bir ade bdfen ®eifier
beS Joffes ttnb ber 9lad^e. 2)aS Sernnftfein eines in l^dd^jter
^flid^terffiOnng Uebenben SRenf^en erl^ebe bid^ l^ol^en SRnteS
ftber alles ftleinlid^e unb umlend^te bein (Srbenleben mit
ber <5onne l^immlifd^er ^iter!eit. — 9lid^t Raffen, nid^t ner«
folgen.
üRand^e bebentenbe 9latur finbet im leiblid^en 93ater
nimmermel^r jngleid^ ben geiftigen @rgenger. $eQ iand^gt bie
@eele bann anf, menn fie enbltd^ i^ren @ei{ieSoater nnter ben
ÜReiftem im (Seifte gefunben l^at. — @o ^nbet man ftd^ am
loo^ttgfien in ben (Srgeugntffen feineS geiftigen SBaterS.
— 167 —
(Sl^rgei^iger äRenf d^enftnn ! f&ume nid^t, btd^ unauf^drlid^
in ber ®ebulb }U üh^n, auf ba^ bie ©emalt beS (Sl^rgeijeS
nid^t bie Derberblid^en S)dnionen auS bem gel^eitnniSooUen
©d^ad^te beiner Seele l^erauf bef d^n^dre. S)ie l^ol^e fiuft an
l^eiliger ^vmrmlSwa'^ti)txt, n)ie an ber eifenfeften SRann*
l^afttgleit n>irb ber äluSartung beS @]^rgeijeS ben fräftigften
3ögel anlegen.
D 9)lenfd^, roaS ftd^t ber äugere SebenSglan) bid^ an!
SBag DerlodCt bid^ bie @irenenftimme beS 9lu]^meS! £a^ bid^
nid^t vom ©lanje, nid^t vom Sftul^me beftridten, — Ia§ fie
nimmer einen trüben %Uä auf beine 9Ba]^r]^eit alS jt&nftler
unb fSfltn^ä) n)erfen. @trengfte Sßal^rl^eit fei beine unum»
fd^ränfte ^errfdEierin. ^Bleiben trol^bem ©lan), äußerer ^nf)m
unb äußere Sl^ren beinern Senje fern, bann begnftge bid^
feelenftols mit bem fd^öneren Slul^me eineg reinen SÄeufd^en,
ber innere @]^re beft^t.
Seiftungen, ©ebanfenarbeiten, bie ben (Stempel beS
Ungemöl^nlid^en, ®igenartigen an jidE» tragen, liebt bie
Ungal^l berer, fo auf gleid^em Oebiete mirfen, aber rul^mloä,
fd^ablonenl^aft, — mit voxn^^mtm ©tittfd^meigen abjulel^nen.
fjreilid^ fpri^t m6)tS berebter für bie l^ol^e Sebeutung fold^er
©eifteStaten als eben biefeS 9fiid^tSfagen, Xobfd^meigen.
aSie fd^ma^ ift bod^ ber aWenfd^engeift! Äann er mobl
je ganj bem SD3atten feiner 3bee nadtifinnen, il^r allein in
eifriger Siebe bie gel^eimen ^^rdnen tieffter ©eelenfreube unb
tieffter ©eelenpein nad^meinen? Sodft il^n nid^t ber 3^«^^''^
fdinett l^inmelfenben ©rbengenuffeS fort auS feinem l^eiligen
$aine? SBelaftet er nid^t ben in Sleinl^eit aufftrebenben ©inn
mit bem fteten ^ang nad^ irbifd^er Suft unb ^errlid^feit?
Sonnt er fxä) mol^l je allein in ber Sfttl^erl^öl^e feines felbft*
erfd^affenen ^immelSlid^teS? SBaS für golbene ^ütteu' jaubert
— 168 —
bie fletS gefd^&fttge ^l^antafie feinem ®eifle load^! SBie bie
eitle $rad^t bec fiutmeSioiU) Dernici^tenbe Sronb ber 9ht^»
fttd^t fein ^arf l^eintfud^t, in l^fe @&rttng bringt, fo bag
lange Qtiitn vergelten mäffen, tf)^ ber f^ebenual^n, bie un«
f&gli(j^ nagenbe ©el^nfud^t nad^ ^errfd^aft int 9leid^e ber
@eifter oor ber reinen ^reube an (Sebantenarbeit geroid^en
ift! ©p&t genug, mand^mol xod^l gu fp&t, gen^al^rt ber @eift
ben 9(bgrunb, in ben ein nid^tig @d^atten6ilb l^öl^nifd^ grin«
fenb il^n ftflrgen n)oQte. (Belangt bie @eele n)ieber jur fKKen,
friebnoOen ^infel^r, bann fd^ilt fte il^r eigenes tdrid^teS 9e«
ginnen/ bag unt ^ol^le (Sd^eingebilbe bem SEBeben unb Sinnen
im reinen i^fbeal, bem l^öd^ften, n)eltubern)inbenben @ein auf
lange 3^^*^« entfrembet warb, — auf 3^it^i^/ bie ftd^ ol^ne
i^rud^t für bag (Seelenl^eil im flä^tigen SebenSraufd^e gar ju
fel^r gefallen l^aben.
gür ben fd^affenben ©eift ift ftiHe Burfidtgegogenl^eit,
©infamfeit — ber mirffamfte ^ebel i\xx 9Sert)oIlfommnung.
2)ie Sauterfeit ber @eele ful^It ftd^ im SebenSmeere nur aK«
juoft gereist, Derle^t. 3art empftnbenbe ©emüter oermunben
fld^ oft unl^eilfam an fieben§Dorg&ngen, oon benen anbere
^erjen burd^aug feinen ftörenben ©inbrudt empfangen, ^t
einfamer, bem erl^abenen ©ebanfenfluge ergebener fld^ ein
ÜJlenfc^ entfaltet, befto fc^öner l^aQt ber ®lod(enton ber ©enien«
l^armonie in feinem @eifte mieber. 3)er ^aud^ feierlid^en
griebenS umfangt fein bid^tenbeä ©emfit, ber dtl^erifd^e ®uft
göttlid^er SiebeSaQmad^t erffiOt ben einfam 93egiadtten.
arbeite emftg baran, ba& bein ©inn, m&l^renb bu fd^af»
fenb bag ©eifteSaU in bir geftalteft, nid^t an ben ©rfotg oon
au^en l^er gemannt mirb. 3)ag fann bem äluffd^munge
ber freien ©eele nur l^inberlid^ fein. £ebe allein in ber
funftlerifd^spoetifd^en Qbee, in ben Dbieften beiner S)ar»
fteUung.
— 169 —
@o n)ie ben SRenfd^en eine felbftdnbige (Srfd^etnung
fiegenäbertritt werben fte in il^rer inneren @d^n)dd^e ange«
fagt. Slul^ige 9Bärbe erf^eint il^nen al8 9(nma^ung; fefte,
!Iare UrteilSfraft al8 Stx6)zn ber Überl^ebung, n)eU fte felbft
ja ftetS gemol^nt ftnb, ftd^ gegenüber bem Urteile ber 9[uto«
ritäten als gebanfenlofe Papageien )u oerl^alten.
3[n ber 3fugenbblüte ber geiftigen Xdtigfeit jtnb wir
no^ in }U l^ol^ent 3Sla^t ber @ud^t, bem S^'^i^fi^ber Untertan,
ba^ bie 3Belt wn unferen SQSerfen erfal^re, ba^ fte un3 be»
n)unbere unb ro6f)l gar ben)unbernb ju unferen trägen liege.
3e üarer ftd^ bag STtenfd^enbafein in unferen Jtöpfen ge»
fialtet, je tiefer xoxx t)on ber n)a]^ren 9BelteiteI!eit burd^»
brungen ftnb, befto mel^r unb immer mel^r mirb ftd^ aQ unfer
Streben, S)enfen, ^ul^len, (Smpfinben allein ben emigen ^htzn
ber 9Renfd^]^eit l^ingeben, bie gu il^rer fteten 93en)oUfomm«
nung bienen muffen. — @inb bann bie äu^erlid^en aWi|«
Derl^<niffe aud^ nod^ fo tief gu beflagen: baS 3Beben in ber
ibealen 9Belt mirb fx6) in un3 immer großartiger, begläcten»
ber unb befeligenber geftalten. 9lid^t aQein bie Sel^nfud^t
na^ einer anberen, l^dl^eren SEBelt, fonbern aud^ bie gut^er«
fi^tlid^e (Srmartung einer fold^en mirb fo in ftetem SBad^S»
tum begriffen fein.
3UmU& Stapttd.
Unob^ngigfeit obclt bie 6eele imb er^ ben Oeift
9eet|ooeit: SeoenSmasime.*)
3^ ii>ar nie ju oeroleid^en ein 9Rann oon ben ®rbe5e»o^em.
$omev: SK««.**)
6el^tt mir ben (Brokern tragen unfern Gd^ers,
itaunt rü^ bad eigne Seib no4 unfer ^erj.
6^a!efpeare: Itdnig Seor.***)
93ad nnflerblic^ int (Sefang foS leben,
SRuB int £eben unteraebn.
eqiller: 2)ie ®dtter (Sriec^anbd.
In einem eleganten, Dielbefud^ten SEBeinlofoIe ber 9leftben}
fa^en etneS älbenbS meistere ^reunbe (Sbgar SßttttgS^
bie Seutnant non Sidingen ju einem 9(benbfd^maufe einge«
laben l^atte. Slujser bem ©ajigeber befanben ftd^ bafelbfi nod^
brei geiftooQ auSfe^enbe junge SDldnner: ber ^^ilofopl^ %ttU
mann, ber Sd^riftfteEer ^onratl^ nnb ber aßuftfer ShtlpiuS
— atte etma bem brei^igjien SebenSjal^r nal^e- — (Sbgar
aEein fel^lte nod^ immer.
*) %(. 9(. @(^inb(er: Siogropl^te von 2. oan 9eetl^onen U, 32.
Homeri Ilias II, 553.
***) When we our betters see bearing our woes
We scarcely think our miseries, our foes.
Shakespeare: King Lear.
— 171 -
Sie iStimtnung ber jungen @eifter xoax bie roftgfte t)on
ber SBelt. 3lo6) befanben fte ftd^ ja aKe in itmm beglüdten
@tabiuin beS S)afeinS, in bem ein jeglid^er ftd^ mit ein
titanifd^er 9(tla3 Dottommt, ber baS gan^e SBeltaQ auf feinen
urlräftigen ©eifteSfd^uItern leidsten fSRnttS forttragen lann.
^fyc fauftifd^er 9Bi^ fprnbelte in unoerfleglid^er ÜRad^t. MeS
n)ttrbe Dor baS ^id^tbeil beS ©ebanlenS gebrad^t — unb
n^al^rlid^ blutmenig blieb in ftunft unb Sßiffenf^aft r>on ber
^inrid^tung Derf^ont.
(Snblid^ rief t)on ©idKngen ungebulbig aitS:
— ä(ber wo in aller Seit mag SBittig benn l^eute
fied(en ?
— S)iefe S^^Ö^ fönnten (Sie fic^ xoofjH fel^r gut felbft
beantworten^ antn)ortete ^reimann lad^enb. SBiffen @ie
benn nid^t, bajs l^eute abenb (S^mp^onielonjert ift? S)a
fd^n)elgt ^reunb SBittig n)ieber einmal in A-dur«®enäffen.
— 3<^ münfd^te, id^ bef&^e feinen unoenoäftlid^en (Sntl^u«
ftaSmuS, fagte 93ulpiu3 mit einem Slnl^au^e oon SBel^mut.
Senn id^ ben Sag l^inburd^ Snuftt getrieben l^abe, bann mag
id^ beS älbenbS leine Xöne mel^r.
— 3>a mäffen @ie ftd^ SittigS ajtuftimagen anfd^affen,
bemerfte ^onratl^ ironifd^. 3)ie muftfburd^mürite 3;age8}eit
mad^t il^n erft red^t fär f^mpl^onifd^e f^reuben empf&nglid^.
— Sei mir freilid^, entgegnete SulpiuS, ift bie Qtxt
I&ngft Derfd^oQen, in ber id^ fftr meine Jtunft aQeS l^inju*
opfern bereit mar. Sie ber 3Renfd^ nun einmal fo gern
geneigt ift, ftd^ wx feinem eigenften @emiffen rein ju baben:
fo fud^te aud^ id^ mand^ emporbringenben SOlal^nruf beS oer>
nel^mlid^ flüfternben ©emiffenS burd^ ben ftiQen ©egenruf gu
betduben, bajs l^eutjutage bem ganjen 3^it0^ift^ uad^, ber j[a
mit materiellen SRoleffilen überm&jsig burd^fdimdngert ift,
eine reine, odQig uneigennAt^ige Slufopferung fär bie ftunft
)ur Unmöglid^teit geworben ift. — Unb fo begleitete ii) an«
fangS biefe beifpieQofe SlufopferungSfreubigfeit unfereS f^reun»
— 172 —
beS SlBtttig mit argtodl^nifd^en 93Itden. ^^d^ glaubte, meine
eigene ©d^mad^l^eit gered^tfertigt ju feigen, xoznn i^ feinen
^eftrebungen bie (Sigenfd^aften ber älffeftation, ber QHUIUH,
©elbftgef&aigiteit unb OriginalitdtSfu^t beilegte. SßenigftenS
bid^tete id^ il^m gern berartige ^nge an. — Mein meine
gegenm&rtig fefte Übei^eugung von biefer butd^auS nnge«
funftelten äJhtftfluft, in ber er am liebften bie gan^e äRuftf,
ben 99eet]^ot)en obenan, verfd^lingen mSd^te, l^at nid^t verfel^lt,
mid^ jum rnl^igen, objeftiDen SBefd^auen meines i^nnern an«
jufpornen. Unb aud^ i^^l^nen geftel^e id^'8 offen, mie id^ e§
i^m felbft einmal freubig belannt l^abe: fein mufterl^afteS
^eifpiel reinen ftunftlermaQenS l^at oerebelnb auf mid^ felbft
aurüdCgemirft.
— Unb wenn Sie mit il^m barßber reben, fagte ber
£eutnant fo bemeift er'S ^})mn ^arfd^arf, ba^ er biefe
äluSbauer l^auptf&dEilid^ h^m unauSgefe^ten Stubium 9Jee«
tl^ooenS oerbanfe. — %o^ enblid^ !ommt er an, freubeftral^«
lenben älngeftd^tg.
(Sbgar n&l^erte ftd^ in freubiger ^aft ben f^reunben.
9lad^ ben üblid^en Segru^ungSformeln unb (SinleitungS«
fragen, bie er l^eiter gelaunt beantwortete, nal^m er feinen
$la^ neben l^reimann ein.
— SBie l^aben ©ie fid^ benn im Äongert erbaut? fragte
^onratl^.
— ^m ganjen äberaug fd^ön, lautete bie SKntmort. SBer»
]^ie| ja ba§ l^eutige Programm oon SBeetl^ooen nid^t n)eniger
als bie A-dur«@9mp]^onie, baS @eptuor unb bie übermäd^tige
Seonoren^Ouoerture, bie gro^e britte. Unb bod^ l^abe id^
meine älugen vergebens angeftrengt, einen t)on ^^mn ju er«
fpäl^en. @ie ftnb mir eine faubere SBeetl^ooengefeEfd^aft.
9[ber über bie S^emponal^me beim gmeiten @a^e ber Br^mp^onit
mn^te id^ mid^ mieber einmal meiblid^ ärgern. S)ie Ferren
^opeQmeifter bebenfen ober miffen eS nid^t, bajs biefer @a^
itrfpränglid^ mit 5;Andante'' begeid^net mar. (Srft bei ber ^erauS«
— 178 —
gäbe ber Q^mpffonit tarn bie Segetd^nung ».AUegretto'' ivm
SSorfd^ein. SBeil aber baburd^ t)ielfad^e äRijsoerftdttbniffe
sunt 9lad^tetle beS ^^atatUxS biefeS ;)^&nomenaIen @a^eS
^etDorgerufen tDurben, empfal^l fp&terl^in ^eetl^ooen felbft
toieber bie erfte 93enennung ,, Andante''. @o ifi eS in @d^inb«
UtS Seetl^ODenbiogropl^ie ju lefen, ift aud^ burd^auS
fein @runb t)or]^anben, an ber äBal^rl^aftigfeit biefer fSHxU
teilung ju 3n)eifeln. Unb ber @a^ mujs feiner ganzen ^b^^
nad^ in feierlid^ genteffenem ftotl^urnengange einl^erfd^reiten.
@inb @ie nid^t oud^ biefer 9)teinung, SBulpiuä?
— @en)i§, baS fd^eint mir gang feft jn (teilen, ant^»
n)ortete biefer. ^oä) nun eine anbere ^rage, bie mir am
bergen liegt. 9Bie n)urbe benn @d^Iad(eg fleine ftom|)ofttion
aufgenommen?
— @ie mürbe na^ SBerbienft föl^I gu ®rabe getragen;
Derfe^te @bgar. SBogu fom:poniert benn aud^ fold^ ein muft!»
lofer aWenfd^? aSon innerem ©d^affengbrange fann ja bei
btefem feine Sftebe fein. SBie id^ l^öre, l^at jid^ biefer 3Äenf(^,
ber ja überl^aitpt baS infarnierte Strebertum in ber SRufif
barfteQt, nunmel^r ber fogenannten 3Jluftf«$äbagogif ergeben,
momit jla am nad^brüdHid^ften unb ungeftrafteften 2)unft unb
9lebel gu Derbreiten ift. ^it feinem Klaoierfpiel ftel^t eS ja
erb&rmtid^ genug, fd^ier unglaublid^. ^tnn, ob il^r'S glauben
moQt ober nid^t, bag bleibt mal^r: Sa^t eud^ oon äRonfieur
©d^ladte bie fleinfte ber f leinen @onatinen oon Clementi
ober Äul^Iau Dorfpielen — er wirb fl&glid^ beftel^en unb in
jebem fleinften @a^e minbefteng gel^n 3Slal ftedCen bleiben.
Slber er ift ein großer .^honourable'' SÄufifp&bagoge, ber
meifterl^aft bef&l^igt ift, aUen il^m anvertrauten B^S^ingen
iebe ®pur von 3Ruftf l^erauSgubringen, furg unb gut: bie
BBs'^inge im eigentlid^en @inne muftflo§ gu mad^en.
— 3)a8 mögen bie Oötter roiffen! fiel fjreimann mit
feiner marfigen Stimme ein. Sßenn id^ an ben Klaoierlel^rer
Sd^lad(e, namentlid^ an fein l^öd^ft ftäncperl^afteg ftlaoierfpiel
— 174 —
ben!e, ba toirb mir'S greuli^ fc^Ittnm sumitte, unb immer
iDieber fdQt mir babei ber gried^ifd^e 9Ru|Uer SamproS ein,
ber einen ftlagegefang (einen Xl^renod) anf SK6i%e fomponiert
l^at. (Sin alter l^eUenif^er ftomöbienbi^ter gibt ii^m benn
and^ folgenbe (Ehrentitel: ber !I&gIid^e äKrtuofe, baS @e«
rippe ber SRufen, baS ^eber ber Slad^tigoEen, boS ftlagelieb
ber ^SQe.
(Sin f d^aOenbeS 9raoo erfolgte anf biefe bei^enbe ^araOele.
— äBenn biefer S^Iade, nal^m ^onrat^ baS SBort,
nnr nid^t bie oerfdrperte ätnmajsung nnb 9leflame»9But
m&re, bann ginge e8 nod^. 01aubt ber mal^rl^aftig, meil er,
jnft fo mie fein ftoQege ^ornmann, ein paar S&d^eld^en auS
^loSleln mol^lbefannter SDleiftermerle elenbiglid^ gufammen«
geftoppelt l^at, er l^dtte bie ganje ftlat)ier« nnb SRufthoeiSl^eit
gegeffen. Über baS gerippenl^afte ätuSfel^en moQte id^ mid^
ja leidet l^inmegfe^en, wznn nnr fein inneres einen reinen
Xon anfd^Iagen !dnnte. ^e^t l^at er ftd^ äbrigenS mit
aSel^emenj anf bie Orbenäjagb gefturat. — (88 ifl x)ielleid^t
feine Isabel, menn er^äl^It mirb, ber ^od^gefd^&l^te gried^ifd^e
£iebe8bid^ter ^l^iletag m&re fo fd^m&^lid^, fo lufttörper«
lid^ t)on ©eftalt gemefen, ba^ er 99leift&dCe in ben ©d^nl^en
tragen mn^te, nm nid^t Dom SEBinbe fortgemel^t gu merben.
älber er mar ein tiefempfinbenber, nad^tigaQenartiger @&nger.
— Sttfo fd|minbfü(^tigeS SÄnSfel^en Derfc^Iägt ni(^t8. »ei
©d^Iadte jebod^ ift eS bie feelifd^e ©emeinl^eit unb SBermorfen«
l^eit, bie feiner änderen ^&§Hd^fcit erft ben (Stempel anf*
brfid(en. Unb bamit moQen mir ben jldmmerlid^en @d^Iad(e
mit bem flainSgeid^en in bem l^dd^ft nneblen ®eftd^t ein fär
aQemal ad acta legen.
— 3)iefe SBIeigefd^id^te ift fürmal^r l^Sd^ft fd^nnrrig, fagte
t)on @id(ingen; bie mnjs id^ mir ad notam nel^men, bamit
meine SBraut fte erf&l^rt.
— A proposi — fiel (Sbgar lebl^aft ein, mie gel^t eS
benn S'^rer liebenSmärbigen @mma?
— 175 —
— äJottrefflid^. @te ift äbngenS tti^t loenig oetiounbett,
ba§ @ie aud^ i^r gegenftber ftetS ber feltene SSogel bleiben;
meine @d^n)iegereUern tun beSgleic^en.
— Sieber ©idtingen^ entf d^ulbigen Sie mx6), f o gut Sie
fönnen. ^if l^abe ben l^erjUd^ften SEßiQen, l^injugel^en, aber
leiber gar ju n)enig Qzxt ®ibt eS benn fonft nichts 9leue§
bei gi^rer öraut?
— ©al^inter, antwortete ber ©efragte, fterft bod^ wol^I
nur ber gel^eime, tiefe Sinn, ob grdulein Slntl^emia ^ßaHeufoS
nid^tS üon fx6) ^ören Id^t! @ie ntüffen'S ndmlid^ alle wiffen,
meine Ferren, ba§ $reunb SBittig mir unfterblid^ verliebt
Dorfommt. ^reilid), fein ©efd^macf mad^t feinem ftünftler>
tum aHe ©l^re. Übrigens fann id^ ^l^nen bie frol^e Sotfd^aft
Derffinben, ba§ grdulein Slntl^emia bie Sltl^ener ganj au§er«
gemdl^nlic^ burd^ il^r fünftlerif^ DoQenbeteS filaoierfpiel be»
geiftert, gerabeju l^inrei^t,
— O, ba8 ift du^erft l^errlid^! rief ®bgar freubig er»
regt auS.
— 9Hfo bie fdf|8ne ©ried^in unb munberbare ^ßianiftin
l^at aQen @rnfte§ ^'^r ^erj gefangen genommen? fragte
SJuIpiuS. ^6) badete immer, ^i)t SOSefen ginge fo ganj in
ber 9Äufif auf, ba§ in Ql^rem ^erjen gar feine Stegungen
für baS fd^öne ©efd^led^t mel^r auftaud^en !önnten.
— (&t mürbe j[a gar fein SiebeSfeuer gefangen l^aben,
bemerfte ^onratl^, menn fx6) nid^t }U il^rer bejaubernben
tSnmut als ^auptreij für il^n bie Sigenl^eit gefeQt l^dtte, ba§
fte ben Seetl^o^en fo munberbar fpielt.
— Unb Sie laffen baS aUeS fo forgloS Reiter über
{td^ ergel^en? fragte ^reimann.
— Saffen mir baS, antwortete (Sbgar. ®o mel aber
barf id^ i^l^nen fagen: 9Ber bie ed^te ^eiligfeit ber Siebe
^mifd^en SDtann unb SBeib nid^t fennt, ber vermag aud^ nid^t
t)oIlfrdftig in baS gel^eimfte SiebeSmalten ber jtunft einsu«
— 176 —
bringen, ^reilid^ foQ beim t^Un Jtftnftler bie 9Vhtfe immer
bie Obetgemolt über aUe anberen SiebeSgefioIten bel^anpten.
— 3)aS mvi% mal^r fein, bemertte ^i^eimann. Selbft
von Seetl^ooen, bem munberbarften @enittS ber äRenfd^l^eit,
l^ei^t t8, ba§ er fel^r l^&ufig verliebt unb meiftenS in l^ol^em
®rabe t)i)n ber Siebe ergriffen mar.
— 2lnd^ ©ie, ein ^l^ilofopl^, Italien Seetl^oven für ben
bebeutungSDoQften ®eniu3 ber SJtenfd^l^eit? fragte ber Seutnant
mit Srftaunen.
— @ang gemi§, ermiberte oott QwD^xfxiS)t Jreimann.
JEein ®eifl übt eine gleid^e äJlad^t auf mein ganzes ^ä) au§.
^iefer eine SBeetl^ooen ftel^t bei mir l^öl^er alg ^omer, ^inbar^
tfd^^IoS, ©opl^oIIeS, l^öl^er als aUe 3)id^ter, ^l^Uofopl^en
unb Jtünftler be§ SlltertumS; er erfaßt nod^ tiefer al§ bie
©ro^en Italiens, f^ranfreidiS, (Spanien^ unb (£nglanb§, felbft
al§ ber göttlid^e 9tapl^ael unb al3 bie ©emaltigen 3)ante,
9Rid^el älngelo unb ©l^alefpeare: j[a! er ftel^t mir aud^
l^öl^er als unfere eigenen grö^eften S)enfer, SÄufifer, ®id^ter
unb bilbenben ftünftler, mögen biefe aud^ bie aUerglorreictiften
Flamen tragen.
— ®ann finb ©ie mein ed^ter ^J^eunb! rief ®bgar
freubeftral^lenb auS. 2)afür mu§ id^ ©ie umarmen. Um
fo mel^r entjüdtt mid^% als eine fold^e mir oöQig fpmpa^
tl^ifd^e ©enieanfd^auung einem ^l^ilofopl^enfopfe entfpringt.
— Unb id^ erHäre ^^mn, marf ^onratl^ firgerlid^ ba*
jmifd^en, ba^ ©ie bann meinen ©l^alefpeare nid^t orbentlid^
Derftel^en. @r bleibt ber l^öd^fte SReifter unter aQen ©terb»
lid^en.
— Sieber ^onratl^, cerfe^te greimann, id^ fpred^e ber*
gleid^en meiner eigenften @mpflnbung unb Überzeugung ge*
mä§ aus. 9luf mid^, mie erft rec^t .auf äBittig, mirft nun
einmal {ein @eniuS fo nad^l^altig, fo unmiberftel^lid^ jum
©Uten l^in, mie biefer eine, einsige SBeetl^onen. 3^n aOein
oerel^re id^ abfolut.
— 177 —
— ;3d^ !ann 99eet]^i)9en burti^auS nt^t abfolut oerel^ren,
platte j|e|(t SSulptuS l^erauS, v^ü fein Sl^araltenoefen mir
ietneSioegS bie gleid^e ^dl^e toie fein Sd^affen 6e]^au|)tet.
— Sie! rief (Sbgar unmutig aus, SBeetl^o^enS SebenS»
ort ft&nbe nid^t auf gleid^er {^dl^e be8 Stenfd^entumS, mie
feine f^öpferifd^e Äraft! So fprid^t ein iWupfer?
— ®a8 fönnen (Sie nid^t aufredet ^alten^ befter 9SuI'
piuS, fagte aud^ ^onratl^. 3)er S:^ara!ter Seetl^ovenS ift
gro^, mie feine £onfd|Spfung, obgleid^ er mir in mand^en
^ßunften beg fiebenS ju meit gegangen ju fein fd^eint.
— XaS finbe id^ aud^, ftimmte t)on ©idtingen bei.
— %x^ id^ teile ^onratl^S Hnfid^t, bemerfte ^reimann.
— J)ann Derfünbe id^'8 3^nen, meine ^enen, rief
@bgar empl^atifd^ auä, ba§ ®ie famt unb fonberS bie SebenS«
l^ol^eit biefeS mäd^tigen @eifte8 nid^t DoOIommen mürbigen.
^^ !ann eS S'^nen jur Jtlarl^eit bringen, ba^ unter allen
fd^öpferifd^en @eiftern aud^ al8 etl^ifd^er SReufd^ ftd^ feiner
f ber SSoIÜommenl^eit gen&l^iert l^at, mie biefer eine ^eetl^ooen.
— S)arauf m&re id^ bod^ Anwerft begierig, fagte 93ul«
piuS. SBer mir baS jur ftlarl^eit bringt — magnus mihi
erit Apollo I
— Sßol^Ian benn! ful^r (Sbgar fort, fiaffen Sie unfer
Seifammenfein 9on biefem SRomente an ein S^mpofion ju
(Sl^ren 93eetl^ot)en8 merben. Me foQen @elegenl^eit nel^men,
baS oorjutragen, xoai fle an SSeetl^oüenS <S^ara!ter etioa ju
tabeln l^aben: id^ übemel^me bie ooQe 9Inn>altfd^aft.
— eingenommen! rief ähilpiuS. ^ beginne uner«
f d^rodfen mein 9lAgeIieb. — SRir bleibt eS in äBal^rl^eit r&tfel«
l^aft^ mie ein Zonbid^ter, bem baS ®en)altige, mie baS 3^^^
in fo Aberreid^em äßage ju @ebote ftanb, im Seben felbft
fo l^Auflg einen großen aitangel an SatÜfdt, cot ^inl^eit jur
Sd^au tragen tonnte. 9eet]^09en mar Anwerft fd^roff, tol^,
grob gegen feine Umgebung, Abermfltig, t^rannifd^ gegen
— 178 —
fold^, bie nutet i^m ftostben — unb meleS anbete nod^.
Sott id^ boS nieOeic^t loben?
— ®ie l^oben ba in einem Stent niele gewid^tige 9e^
fd^nlbignngen auf 99eetl^onenS ^oupt ge»&Iit, enoiberte
(Sbgar in fefter Stnl^e. Sie feigen, bag id^ baburd^ nid^t
an^er Raffung gerate; benn berartige SSonoürfe {inb mir
leiber nid^t nen! fSRan begegnet il^nen gerabe nnter 9)luftlern
am l^&nftgften. 3d^ be!enne 3^nen frenbig, bag id^ ni(!^t
allein bie 9Änftf liebe, fonbem and^ bie SRnfifer. S)tefe
ganje ÜJtenfd^engefeEfd^aft enoedCt meine Xeilnal^me in ^ol^em
SRa^e. Unb eS fd^merjt mid^ tief, bag id^ gerabe in biefem
©tanbe fo t)iele treffe, benen ebenfo baS ^eilige Sßefen i^rer
Stnnfl an ftd^, mie bie l^ol^e @enbnng Seetl^ODenS nfldig un»
begriffen bafte^t. @ie finb mir bod^ ber SBeften einer, ^rennb
ähtIpiuS, nnb and^ ®ie ftedFen im tiefflen i^rrmal^n über baS
etgenttid^e, l^ol^e SSSefen ^eetl^ooenS. SBeSl^alb mol^I? Sßeil
aud^ Sie mal^rfd^einlid^ ^l^re 9(n{td^ten aber beS 9ReiflerS
<S^ara!ter mel^r anS ber trabitioneQen (Srbfd^aft fd^öpfen,
mie fle ftd^ nnter ben 9nu{t!ern leiber eingebärgert l^at, al8
ans bem emftgen ©tnbinm ber nielen CneQen, bie nom
Seelenleben biefeS @eifteS erj&^len.
— ®a8 trifft bei mir nnr teilmeife jn, nerteibigte ftd^
ähtIpiuS. ^6) !enne baS StUn Seetl^ovenS leibtid^ gnt nad^
ben gangbaren OueQen. 3d^ l^abe gefunben, ba| bie meiften
Siograpl^en bie t)on mir erm&l^nten 9lnItageobj|ef te faft unisono
vorbringen, am menigften freilid^ älnton Sd^inbler.
— aber gerabe biefer, ber lebenSootte 3^wge be8 StrebenS
nnb SeibenS nnfereS äJleifterS — nerfet^te ®bgar — , J)at im
mefentlid^en bie ftngulare ©ro^artigfeit beS Seetl^onenfd^en
Sl^arafterS rid^tig er!annt. ^ntfd^iebene ftlarl^eit fSnnen
mir 9lad^geborenen jebod^ erft gewinnen, menn mir unS
mit ganzer £iebe, von ganjem ^erjen in bie (Eigenl^eit
feines SBefenS oerfenfen. 3)iefeS Stnbinm gelingt am beften
an ber UrqneQe felbft.
— 179 —
— 9Ba8 Derftel^en Sie benn l^ter untet Urquelle? fragte
Don @i(fingen.
— darunter tjerftel^e x6) bie S)ofuinettte^ bie nni ber
SOteifter fel&ft über feinen (El^arafter l^interlaffen l^at Saju
gel^dren in erfter Sinie feine SSriefe unb S^agebud^notigen.
äluS il^nen lann man fid^ bie ^auptibeen iufantmenfud^en,
bie Seetl^ODenS SBeltanfid^t bebingen. IXnfer SReifier n)ar im
ganjen mortlarger Slatur; aber gerabe barum l^aben bie l^ie
unb ba auftaud^enben aQgemeinen ©entengen bie l^öd^fte S3e«
beutung fär bie (Sr!enntni§ feines S^^aralterS. 9ln unS liegt
eS bann, berartige S^l^arafteribeen nad^ alten Seiten ^in ju
gergliebern unb bie logifd^^etl^ifdEien @rgebniffe barquS ju
jiel^en-
— 0^ begreife aber nod^ gar nid^t, mo baS ^inauS
mid, fagte ^onratl^ — , bie 9ln!Iagen unfere§ ^reunbeS ähtl»
piuS finb bamit bod^ feineSmegS miberlegt.
— ©ebulb, @ebulb, lieber ^onratl^! Sie f ollen gleid^
befriebigt werben. 9lod^ eine %ta%t, greunb S3ulpiu8.
Äennen Sie bie SSriefe beS SWeifterS an feine fjreunbe unb
fjreunbinnen?
— 9lur infoweit, antwortete biefer, afö bie befannteften
^iograpl^ieen 99rud^ftudCe entl^alten.
— O bann, fprad^ ®bgar, munbere id^ mid^ frellid^
nod^ weniger, ba^ ftd^ x>erle]^rte 3lnfd(|auungen in ^l^nen
feflfei^en. 3)enn ba gemeinl^in aQe, bie aber SBeetl^ot)enS
@i^aralter reben, entmeber gar feine ober nur eine oberft&d^»
K^e ftenntniS Don feinem SSriefmed^fel, von feinen SDage«
bÜd^ern unb Äon^erfationSl^eften beji^en, tjererben fte in
leid^tf ertiger SBeife bie Vorurteile, bie nun einmal über bief en
(Sl^arafter im Sd^mange finb, f o weiter fort. Einigermaßen
entfd^ulbige td^ Sie: benn bie Sriefe SBeetl^OüenS, bie wir
bem Sammelf[eiße S. 9lo^lS oerbanfen, finb erjt t)or furger
3«it in jwei ^&nben t)eröffenttid^t worben. — $ören Sie mid^
benn alfo aufmerffam an. 3^ tierfud^e eS nunmel^r, inbetn
12»
— 180 —
t(^ mtd^ in oDent ^cmptfftcl^id^ auf Seet^ooenS eigene
SbtSfprfld^e p|e, Q^ntn haS SEBefen feines (E^ottetS oitS«
eittanberpfelen.
3)aS Ibnoefen Seet^ooenS Befte^t in DoIBomntener 0e«
red^tigfeit, 9Ba^r]^eit, Sftei^eit unb Sleligiofitftt —
Xttgenbfomten, Me alle bei il^nt wn ber ^dt^fhn SRenf c^en«
iiebe nmjiral^It waren. 9DK biefe ^ol^en SDtenfc^ntngenben
l^at ber SReifter mit eiferner 9BiQeni^aft, SuSbauer unb
tapftttt Ü&er}engttngStreue tro^ aller Seiben burci^ fein ganjeS
Seben toerpflon}!.
— 3^ bitte um Semeife au8 bem Urquell, fagte Don
(SicKngen, bamit mir einmal t)5(Iig überjeugt merben, ober
anberS auf unferer äReinung bel^arren bürfen.
— ^eunrul^igen ®ie ft(^ nid^t unnötig, teurer ^reunb,
id^ laffe Sinnen nid^tS unbemiefen. — 93eet]^ooen gel^drte ju
ber auSerlefenen ®eifterf^ar, für bie eS als bie mefentlid^fte
älufgabe beS SRenfd^en gUt, ba§ er fein i^m vom Sßelten«
fd^dpfer x>erUe]^eneS äRenfd^entum fort unb fort Idutern muffe,
nm biefeS immer mel^r beS @otte3fun!enS mürbig gu mad^en^
ber in ieber 3)lenfd^enbruft oerborgen ift. @o — \m ein
DueQenbeifpiel gu geben — fd^reibt ber SReifter in feinem
brei^igften Sebengjlal^re auä 3Bien an feinen ^reunb, ben
^rofeffor unb äRebiginoIrat Dr. 3Be geler in Sonn, biefeS
l^errlid^e äBort : „®o oiel miQ id^ dnä) fagen, ha% ^f)x mid^
red^t grog mieberfel^en werbet; nid^t als fiunftler foQt 3^r
mid^ größer, fonbern aud^ aUSRenfd^ foQt 3^r mid^ beffer
unb oodommener ftnben, unb ift bann ber SBol^lftanb etmoS
beffer in unferem SBaterlanbe, bann f oQ meine Jtunft ftd^ nur
^m heften ber Firmen aeigen. O glüdtlid^er Slugenblid!, mie
glädKid^ l^alte id^ mid^, ba^ id^ bid^ l^erbeif klaffen, bid^
felbft fd^affen fann." —
■
— ^ S)aS ift in äBai^rl^eit f#5n! rief ^eimann aü8.
hierin offenbart ftd^ olfo baS boppette SBeftreben beS SRei^etS
- 181 -
u^i bentlid^. 9lud^ fpi^i<^t e8 mit glänjettber ^erebfatnfett
t9on feinem eblen ^ergen unb von feiner SBaterlanbSliebe.
— Unb biefe ffiin^eit ber 3fbeen in Ännfk nnb Seben^
er!I&rte (Sbgar meitet, fd^n)e6te bem 9Rei{ier fd^on red^t fräl^«
geitig als Obeal vor. 908 fed^8unbgn)an)igj[d^riger 3Rann
fd^rieb er feinem ^reunbe £en} oon Oreuning bie Schiller«
fd^en 93erfe tnS @tammbud^:
„^ie SBal^l^it i^ oov§anl»ett ffiv ben Skifen,
3>ie ed^dn^eit ffir ein ffi^letib f^.
Sie beibe gehören für einanbev.^
^e innige Harmonie von SEBal^rl^eit unb Sc^önl^eit mar
alfo baS unx)errüd!te 3^^! ^W^i^ unmgleid^Iid^en äRanneS
t)on ber 3^it ber beginnenben @eifte8reife bis an fein
SebenSenbe.
— 9lber bamit merben bie ä^erlel^rSfünben Seeti^ooenS
immer nod^ nid^t Dertilgt bemerfte SSnlpiuS. äSie moQett
Sie baS Übermaß beS ^eetl^onenfd^en 6eIb^benm^tfeinS i>er'
teibigen, auS bem aUein feine gange @d^roffl^eit^ fein l^errifd^eS
SBefen entf prang?
— SßaS man bpd^ immer vom oermeintlid^en Übermaß
beS 9eet]^ot)enf ^en ®elbftbemu§tfein8 rebet enoiberte C^bgar,
mdl^renb tith biefer SReifter in fd^dnjier Sßeife nur t)a8
©etbftbemu^tfein vertritt, baS auf ber bebingten — bof ^ei^t
potengieEen — 9laturgleid^l^eit aUer vox. aSen berul^t. SBie
menig lehnen @ie bod^ SBeetl^ooenS bie liefen unb ^öl^en
ber 9EBelt mie im ^luge berä^renben @ered^tig!eit8finne8 !
3)a8 ®e]^eimni8 biefeS Sinnes murgelt in feinem emig benf«
mftrbigen SluSfprud^: „^tmxt beS ällenfd^en gegen ben
Snenfd^en — fte fd^mergt mid^.'^
— 3)aS ift ein SBeetl^ooenfd^er StuSfprud^? fragten ooQ
SSermunberung ^onratl^ unb ^reimann gugleid^.
— ^reilid^^ antwortete (£bgar. ^a8 ift inbeS nur ber
intereffantefte, rdtfefooOfte £eU eineS (lteban!engangeS, ber im
gangen fo lautet: „3)emut beS 3)tenf^en gegen ben SRenf^en
— 182 —
fle f^tnei^t mxi), unb wenn id^ ntid^ im B^farnntenl^ang beS
UniDerfumS bettad^te^ vooS bin id^ unb tocA ift ber, ben ntan
bM ®rd^ten nennt? nnb bod^ — ift n)ieber hierin baS @5tt«
lid^e beS ältenfd^en." Sie finberi biefe bod^ n^al^rlid^ nid^tS
ipeniger olS ^od^mut atmenben SEBorte in bem berftl^ntten
Liebesbriefe an bie „unfterblid^e beliebte''. —
— 3>Qmit faQen mir felbft Sd^uppen x)on ben 9(ugen,
fagte aud^ ähtl^oiuS. ^^d^ ^&tte nie geglaubt, ba^ ein äJlann,
mie SBeetl^ooen, @d^met} empfinben !dnnte, menn fid^ il^m bie
ältenfd^en in 2)emut nal^ten.
— ^ab id^'8 nid^t DorauSgemu^t, rief (Sbgar trium^
pl^ierenb aaS, ba^ (Sie baS mirflid^e äBefen biefeS ureigenen
(SeifteS 9er!ennen? 3>urd^ j[eneS tiefftnnige äßort, beffen ®eift
fid^ in feinem ganjen SBefen abfpiegelt, l^at eS benn 99eet]^ot)en
aud^ offenbar gemad^t, mie fid^ bie unfterblid^e 9Raieftdt beS
®eifle8 t)on ber rein ftu^erlid^en irbifdEien SRaieftdt unter*
fd^eibet. i^ene bur^bringt ben (Sd^Ieier Derg&nglid^er Se«
fangenl^it, mirb fid^ ber eigenen Ol^nmad^t im ^inblidC aufS
9Beltgan}e bemüht unb mirb fd^merjlid^ betroffen, menn fld^
il^r, ber felbft l^älfSbebürftigen (Srbengeftalt, bie SBefen in
^emut beugen ; bie irbif d^e a)taj[eft&t l^ingegen, ber gemetnl^in
ein fold^er @ebanfenflug fern liegt, ftnbet jumeift ein natür«
lid^eS äBol^tgefaQen baran, aUeS ju il^ren ^§en 3U erblidCen.
— 93ortreffIid^ , befr&ftigte oon ©idRngen. S)onad^
muffen j[a aUe äJteinungen über 99eet]^ooenS ^od^mut in nid^tg
jerfaEen.
— 9htn fel^e man bod^ biefen le^erifd^en i^ünger beS SRarS!
fagte ^reimann. 9Benn man in oberen Itreifen $(f)x SSel^agen
an fo t6fUn ^reil^eitSibeen mal^mimmt, bann bürfte eS um
^l^re milit&rifd^e Saufbal^n gef^el^en fein.
— 3)arum mürbe id^ mid^ menig gr&men> oerfe^te
@id(ingen, benn in feinem @tanbe ber 3BeIt vm^ man oft
fo unmürbige Sflaoerei üben, mie in bem meinigen. S)er
(Solbat mvL% bie 2)emütigung unb Untert&nigleit bis jur ^efe^
— 188 —
irinfen, nid^t nur im n>ir{Ud^en 2)ienfte, fonbern ani) ba,
Too anbete il^re freien Ferren ftnb. Unb bann beft&nbig t)on
biefem SDfloberbuft ber Sefd^r&nftl^eit umgeben ju fein, baS
l^alte xi) nid^t au8. —
— SBraDo! fiel Sbgar ein. 2)a8 ift red^t; ein ed^ter
93eet]^ot)ener mu^ ein freier SOtann fein. Übrigens l^at ^ee«
t]^ot)en felbft in biefem @inne fein lapibareg Urteil aber ben
@oIbatenftanb abgegeben. (Sinmal ging ^eetl^ooen, alS er
feine le^te £eben3n)o]^nung im (Bd^marjfpanier^^aufe inne
l^atte, mit feiner oerel^rten Familie oonSreuning f parieren.
Wlan mad^te eine ^u^partie nad^ @d^önbrunn. S)er Heine
„älrier 93eet]^ODenS, ©erl^arb x). ^reuning, mar aud^ von
ber Partie unb l^at eS unS überliefert. S)a ging iuft ein Qn^
fanteriefolbat an il^nen Doräber. Unb alfogleid^ rief SSeetl^o^en
farfaftifd^ aaS: „(Sin @flat)e, ber um täglid^e ffinf ftreujer
feine greil^eit verlauft l^at."
©idKngen unb alle anbern ladE^ten l^ier l^eQ auf.
SRun, greimann — nal^m @bgar, als Stulpe eingetreten
mar, mieber baS SQSort, ©ie ftarren ja fo unaufl^altfam t)or
ftd^ l^in, mag foll'8 ba geben?
— Sei allen guten ©ciftern ! antmortete ber auS tiefem
SRad^finnen 2lufgerüttelte, jener SBeetl^oüenfd^e S)emut8»2luS«
fprud^ ift einer von ben Dermetterten ©ebanfen, bie eS einem
antun, ol^ne ba^ man ftd^ fo o^ne meitereS beS KaufalnejruS
bemüht mirb, — man fommt nid^t loS bat)on. ^6) fel^e eS
fd^on fommen, ^reunb äBittig mad^t unS nad) unb nad^ nod^
alle 3U ed^ten Spopten in Seetl^ooen.
— JBraDO, 95rat)iffimo! fagte ®bgar unb ladete l^erjlid^
babei. — S)od^ nun laffen Sie mid^ in altgemol^ntem ßmfte
nod^ einige weiteren Folgerungen auS SBeetl^o^enS @ered^«
tigfeitSliebe 3ie^en. Seetl^ooen mar nid^t nur ganj von ber
^htt burd^brungen, ba| aCe SDlenfd^en von 9latur gleid^«
bered^tigt ftnb, ba^ bemnad^ allein bie e$&^ig!eiten beS @eifteS
unb ber Seele baS (Sntf d^eibenbe fein mähten : oielmel^r mar
— 184 —
eS Qttd^ fein fd^toereS, l^etgeS 93emfil^en, biefe ^Ut, fomeit
eS in feiner ÜRad^t lag, tpft^renb feineS gangen SebenS ju
energifd^er ©eltung ju bringen. Xl^eoretifd^, meine ^ennbe,
beft^en n)ir bie erl^abenften ^b^n, n)a^re 9Rnfter»eIten: aber
bie aUenoenigften (Sterblid^en befl^en bie fittlid^e ftraft^ bie
n^al^r^eitöt^oQen @ebanlen in bie ^ra^iS l^inüberjuleiten. Xritt
bann einmal ein fold^er fSRtn^6) mit ber SSoQIraft feiner
^beenl^errlid^Ieit inS Seben, meidet er leinen ®d^ritt wm
$fabe ber mdnnlid^ften 2;)tgenben ab, — gleid^ mirb bie
SBelt bereit fein, i^n, ber fx6f h^m altl^ergebrad^ten SebenS«
f dEflenbrian bemüht entgegenftemmt, für einen @onberUng ober
gar fär einen 2:oren ju er!I&ren. ^a, eS ftel^t mit ber SRenfd^«
l^eit ber ©egenmart no^ j|uft fo, mie in vergangenen 3^it^n,
ba^ fle eine iegUd^e 3ni>i^ii>ualit&t, bie im l^öd^ften, l^eilig^en
@inne beS SBorteS 9)tenfd^ fein n>iQ, fär unjured^nungSf&l^ig
ober gar fär mal^nftnnig erll&rt. 9S3er aber einmal unbeirrt
fär feine innerften Heiligtümer leibet, ber l^at bemu|t ober
unbemugt am SSSelt» ober S^l^riftfreuje feinen Anteil, meld^er
religiöfen ®enoffenfd^aft er im übrigen aud^ angehören mag.
— &S mu^ aber aUeS 3Ra§ unb Qxü l^aben, eiferte
IButpiuS. ^aS ©emol^n^eitSred^t I&^t ftd^ ni^t mit einem
SJlale über ben Raufen merfen.
— ^eetl^ooenS SRitmelt, fprad^ @bgar bagegen, miU id^
aud^ bafür nid^t meiter verantmortli^ mad^en: aber an nnS
liegt es, eingemurgelte SSorurteile über biefen SJleifter gänglid^
abjuftreifen. SJlan nennt il^n grob, ^reilid^ erfd^eint tS
Dielen olS ©robl^eit, menn il^nen in unoerfdrbter 9tebe eitel
äOßa^rl^eit geprebigt mirb. ^reilid^ finben eS bie SBertreter
verrotteter 93orred^te fd^roff unb ungebü^rlid^, menn ein
Snenfd^, um geredet gu fein, fte mie aUe anberen bel^anbelt,
lebiglid^ mie eS il^rem inbioibueUen SSerbienfte angemeffen
mar. Unb freilid^ galt unferem SBeetl^ooen bie l^od^geborene
SDumml^eit nid^tS, mie fte aud^ feinem ed^ten 9)tenfd^en etmaS
gelten foH — Sßenn man aber anbererfeitS no^ nid^t auf«
— 185 —
^bvt, uon ber l^od^mütigen ^anblitngSmeife btefeS SneifterS
gegen niebriger @te^enbe )u fabeln, bann nrn^ man um f o un«
n)iatger n^erben, als nid^t aQein 99eet]^09enfd^e SluSfprfld^e,
fonbem aud^ ntannigfad^e Zatfad^en bagegen geugen.
— @ie ereifern fx6f, lieber äBittig, bemerlte greimann.
J^fd^ beflnbe mid^ ja faft oSKig im (Sint)erft&nbmffe mit
3^nen; l^offentlid^ mad^e id^ l^eute nod^ ^\)xt 9lnfld^t t)on biefen
fingen ganj gur meinigen. 9(ber mag fär Xatfad^en l^aben
<Sie benn babei im Sinne?
— @elbftrebenb tatf&^ßd^e iBorg&nge auS iBeet^ooenS
Seben. (SS ift belannt, bag ber äßeifter fel^r l^&u^g bie
SEBol^nnng med^felte, oft aus l^dd^ft eigentfimlii^en @rftnben.
Dflun^ and feiner @ommermo^nung in ^e^enborf bei SBien im
j^al^re 1823 vertrieben il^n oüSein bie tie^n StompUmente beiJ
^aronS «on^rona^. 3)ief e menf d^lid^e 2)emut gegen einen
IDtitmenfd^en fd^mergte ja gerabe ben unflerblid^en 9Reifter.
9Bie miU i^l^re 9ln{id^t bax^or beftel^en, ^reunb 93utpiuS?
— 3^ begreife mal^rlid^ nid^t, antwortete biefer, mie
Sn&nner mit gutem 9lamenSf lange in ber ajtufthoelt, nad^«
htm fle berartige SebenSgüge gur fienntniS genommen l^atten,
itnS fo fd^iefe Urteile aber biefen SReifter oorfäl^ren lönnen.
— SBenn biefe ält&nner, meinte ^onratl^, aud^ einen
guten Flamen in ber ftunfhoelt tragen, fte merben ftd^ nimmer
ben 9lang feelengro^er SRenfd^en ermerben. Äennen Sie
nod^ anbere fo eigentämlid^e 3^0^ ^^^ bem Seben beS bonner«
frol^en aÄeifierS?
— 3^ beeile mid^, ^onrat^S SBunfd^ gu erfäKen, fagte
<£bgar, inbem id^ l^infi^tlid^ ber $emut unb il^reS ^el^rbilbeS
nod^ einige Slatfad^en auS Seetl^ooenS £eben anfül^re. ®erabe
biejenigen äßenf d^en, bie unferem äUeifter in f d^üd^ternfter
^emut nal^eten, fanben ^dd^ft unliebfame ätufnal^me bei il^m.
Sd^inbler berid^tet unS anbererfeitS angiel^enbe (Singell^eiten
über bie 9lrt, mie ber bagumal junge Maler @d^imon fein
x)ortreffIid^eS Ölgem&Ibe oom SReifter entmarf unb bann auS^
— 186 —
fäl^rte. 3uft boS freie, offene, natunoftd^jige Sßefen beS |ungen
StünftlerS, fein feffellofeS 99ene^men lentte Qeetl^ooenS 9(uf»
merffamleit auf il^n l^in. 993te fel^r bann baSb ber junge
9Rann gefiel, erl^eQt auS bem Umftanbe, ba^ er naäf einiger
3eit wm SReifter jum Staffee eingelaben n>urbe — eine gang
befonbere (Sl^re! — 3)iefe Aaffeejeiten ntugte übrigens ber
SRaler benu^n, \m baS ebenfo n)unberbare als ganj eigen«
artige Suge beS SDteifterS wiebergugeben. 2)ie (Einlabungen
n)teber]^oIten ftd^ ju gegenfeitiger 3ufrieben^eii, bis boS 93Ub
ganj DoQenbet n)ar. — 9lod^ mel^r besagte bem 9Reifter baS
frif^e, ungebunbene Sßefen beS SS^nd^ener SRalerS Stieler,
ber i^n fogar }U Dielen jeitfpieligen @i^ungen }U bewegen
n)U^te. Unb in Sirtlid^feit jtnb bie SSeetl^ooenbilbniffe non
@tieler unb ©d^imon bie n)o]^lgelungen{len t)on aDen.
— Wln^ ii) nun aud^ einfel^en, fagte ähtlpittS mit etmaS
reftgnierter (Stimme, ba§ eS Seetl^ooen Abel oermerlte, menn
ft^ il^m iemanb gar ju bemutSDoQ geberbete — mu^ id^
bemnad^ aud^ fiobeS S9eetl^0DenfeinblidE|e ^u^erungen, ium
Seifpiel, ba^ ber SReifler ,,biejlenigen, meldte bürgerlid^ i^m
gleid^ ober gar unter il^m ftanben, t^rannifterte", für bobenloS
oerfel^rt l^alten: fo foQte id^ bod^ meinen, eS I&me ben @terb«
lid^en ju, gegen bie l^öd^ften äBürbentr&ger beS @taateS unb nod^
mel^r gegen bie ^errfdl^er eineS SanbeS unb beren Slngel^drige
eine gemiffe el^rfurd^tSooQe 3>emut ju beobad^ten, Seetl^ooen
aber bel^anbelte aOe mie feineSgleid^en, felbft fürftlid^e $&upter.
— ^6) fcl^e, oerfe^te ffibgar, ba§ auS 3^nen immer
nod^ Sobefd^e :6been reben, mie fie in beffen ^Äonfonangen
unb 2)iffonan3en", in ben ,,muflfalifd^en 93riefen eines SBo^l»
befannten" unb in oielen meitoerbreiteten iQfournalartileln
unfeligermeife ju ftnben ftnb. — %oä) id^ fd^id(e mid^ an,.
S^rem neuen Sinmanbe ju begegnen. — älfo gegen bie
^Regenten ber Staaten foQte ftd^ ein SRenfd^ oon ber ^ol^eit
eines 93eet]^ooen gur 3)emut veranlagt füllen? 3^ lann'S
nid^t faffen, unb — maS boS fiomif^e an ber ®a^e ift —
— 187 —
Seetl^ooen nxtr eigetitltd^ fel^t oft tief bemätig gegen f&rftltd^e
^&is))tet^ oft untertäniger, als man eS i^nt zutrauen unb ald
man e« an il^m gern feigen fottte. — ^eetl^ooen ging — ba8
fei jundd^ft J^eroorge^oben — mie aOe geifteSfreien äR&nner
Don ber mol^lbered^tigten Slnfd^auung uuS, ba^ voix aKe le*
biglid^ älngel^drige beS ©taatSganjen unb nid^t Untertanen
eines ^rfd^erS ftnb. ^btx mu^ fxäf ben ®efe^en beS
Staates, mie fle einmal feftfte^en, unterorbnen — unb je
{ittlid^r ber SRenfd^ ift, befto bereitwilliger fägt er ^6) ber
@taatSorbnung, ol^ne ftd^ babei jemals feineS auf benfelben
®efe^en berul^enben SteformierungSred^teS px begeben: aber
niemals gel^ord^t er auS freiem älntriebe ben oberften Staats«
bienern als fold^en, er gel^ord^t bem ®angen, ber ^eiligfeit
beS ©efe^eS, baS burd^ (ä^njelmefen mit reprdfentiert mirb,
nie ber einjelnen ^erfdnlid^feit felbft* S3iele Potentaten —
fo lel^rt bie @efd^i(i^te — maren oerad^tenSmerte ©efd^dpfe.
9Bie foQ ba ein d^arafterftar!er Sllenfd^ oor einem ^ärften,
ben er auS tiefftem @runbe oerad^ten mu^, in S>emut er^
fd^einen; er m&re bann ja nur ein $eud|ler. Sen!e id^ mir
nun einen mal^rl^aft Derel^rungSmärbigen Slegenten — unb
felbft bie beften 9^egenten !ennen im ®runbe ber Seele nur
il^re bgnaftifd^en Sntereffen —, mfi^te fic^ benn fo ol^ne mei*
tereS bie SSerel^rung ed^ter reiner 3Äenf d^en ba in ber Semut
gegen baS Oberl^aupt funbgeben? 9Bie foltte mol^l ein mal^reS
SRanneSl^erj fo gang allgemein oon S)emut gegen einen
9lebenmenfd^en befeelt fein, ba bod^ in feinem ©eifte bie äln«
fid^t feftftel^en mu% ba§ jeber ältenfd^ oon 9latur bie poten«
}iale Sered^tigung beft^t, traft feiner Talente, ^d^igfeiten,
feiner ®eifteS« unb Seelenftdrfe ben l^dd^ften StaatSrang ein«
sunel^men — mie eS ja bie freien Staaten alter unb neuer
3eit fo erl^benb leieren! 3>aS barf freilid^ nie bie ^od^«
ad^tung, bie SSerel^rung oor bem geiftig ober ftttlid^ l^dl^er
Stel^enben auSf^lie^en ober oer!ümmem. — ^eetl^ooen mar
freilid^ !ein f^ftematifd^ gefd^ulter 2)en!er: aber baS tief in
— 188 —
iffm wnxiüvht dkred^tigleitSgeffil^l trieb U^ottig jit deittn
waffxt Sßttnber von äBeltiueiS^t auS feinem OeifteSfd^ad^te
l^roor. Soit biefem Sefi^töpttttlte oitS fiitb oOe brannten
3uge feiner vermeintli^n dd^roffl^t jn belend^ten.
— ^ ganjen, bemerfte t^ntann baju, teile id^ 31^
älnfid^t, mie id^ benn and^ glaube^ ba| eine berattige ^ei*
l^eitdibee ftd^ in einet Stepnblit freier Seiftet wol^I bntd^«
fähren l&^t: oQein bie 9Ronard^ie nntgl&njt ein gel^intniS«
voUtx ®lorienf(^ein, bet n)ie aOeS Don 0otte8 ®naben nun
einmal bie S>enmt an fid^ bannt.
-- 3)ie 3^ee bet Sr^ei^rit, entgegnete Sbgat, !ann {id^
bod^ vot>fjl, menn and^ fd^met, in SSoIffommenl^eit mit bet
^htt bet SRonotd^ie oetttagen.
<£in lend^tenbeS Sßott :gfefn gilt mit gemiffetma^en als
OffenbatnngSfd^Iftffel sut Sdfung all betattiget SSetl^<niffe.
^m (Svangelium 9latci (2, 27) ift alfo in lefen: „3>et Sab*
batl^ ift nm beS äRenfd^en miSen gemad^t, nnb nid^t bet
ältenfd^ nm beS Sabbat^S mitten."*) 3)atan8 l&^t fld^ fel^t
einf ad^ bie ptaltif d^e Ülnmenbung auf 9legietungen unb Staats«
obetl^dupter mad^en. @o mie eS Diele gegeben l^at nnb nod^
gibt, bie ben Sabbat)^ als eine Sltt ^l^antom obet $etifd^
Detel^ten, fo gefd^iel^t eS bei melen mit ben Stegietnngen unb
mit ben (StaatSobetl^&uptetn: 2)iefe gelten fold^en gemiffet«
ma^en olS etmaS, baS ganj nm feinet felbft mitten ootl^anben
}u fein fd^eint.
3)0^ baS äSoaSgange ift nid^t um bet jlemeiligen Süegie«
tung mitten, obet nm beS jemeiligen l^ettfd^etS mitten ba:
fonbetn bie 9tegietung, bet jemeilige ^otentat ift nm beS
äiolfeS mitten ba. Unb getabe oon biefem fittlid^ teligiöfen
@tanbpuntte auS mdd^te id^ beS meiteten behaupten, ba|
aud^ in einet SRonatd^ie bet mal^tl^aftige SRenfd^ ol^ne alten
lOPTOV.
— 189 —
3>emutöfd^ein bie (Staffeln gutn ^Sd^ften ernimtnen fann,
loenn er ftd^ eine l^o^e Ihtnft }tt eigen gemad^t l^at: bie un«
fd^fttibare ftunft beS (Sntbe|rren8. — 9ßag l^eigt benn aber«
l^aupt 2)emttt? 3>ie S)emut bebentet in i^rent ®runbferne
nid^tS anbereS als eine @eIbfteidFenntnii$ wn nnferer 9lid^tig«
!eit unb ^inf&lUg!ett. (Sx^ä^ant ber n^al^rl^aftige SKenfd^ an
anberen SSorjäge beS ©eifteS ober bed ^ergenS, bie er felbft
nici^t befi^t, fo toith x^m biefeS (Srtennen eine gen)iffe ®l^r»
furd^t ober @d^en oor biefen anberen einflößen ; er voxtb fid^
i^rem |öl^eren Sßefen gern unb wiQig beugen. — Qm M«
ben)U$tfein ber Sltenfd^l^eit tl^ront ed feft unb !Iar^ ba^ bie
©eelenreinl^eit bie ®eifte8ft&rle nod^ äberragt. @o ift ber
befte äßenfd^ jugleid^ ber n)eifefte unb in äBa^rl^eit ber @ott
feiner äBelt. — ®o ift e8 aud^ 8^ Derftel^en, ba^ felbfl gro§e
®eifter il^re ^ulbigung unb SSerel^rung bereitn>iSig ben
grauen barbringen, xoM biefe int aQgenteinen reineren, ebleren
<^er)enS ftnb afö bie Sn&nner. Slber n^ol^I jeber 9Renfd^ ntu|
einmal im SSergleid^ ju anberen feine @d[iranfe na^ ber
@eite be8 (SeifteS, ober nad^ berjenigen be8 ^rgenS, ober gar
nad^ beiben ©eiten l^in n^al^rnel^men; @runb genug sur ^tmnt
fär il^n. Unb mer'iS an feinem 9)^tlebenben erfaffen !ann,
ben len!t feine SBefonnenl^eit auf oerüdrte ®eifter ^in. äBer
feinen Slid nad^ oben te^rt, ber mirb ftd^ fd^neQ genug
feiner Ol^nmad^t, @d^n)ad^]^eit, ia feiner Sänbl^aftigteit
bemüht. 3^ fittlid^er ber 9nenfd^ xoxxi, befto bemütiger mirb
er in feinem 3>nnern, mftl^renb pd^ ber pl^arif&ifd^e SDlenfd^
gern fftr ein a»ufterbUb aOer 2;ugenb l^&It. Unb treibt eg
enblid^ gar einen tieffinnig ftttlid^en ®eift mit äRad^t an,
bie ®&nben anberer auf fld^ ju nel^men, bann gelangt er
ooQenbg jur innerlid^ften 3)emut.
-< 2)a8 ^&tte id^ bod^ ma^rlid^ nid^t gebadet, rief ^nU
piuS in einem Slnfluge iooialen ^morS auS, bag bie 93ee«
tl^ooeufd^en SD^fterien ^ffutn noc^ ben ®inn fär bie d^rifl»
lid^en SVlpfterien offen gelaffen l^aben.
~ 190 —
— 9Q8 Seiner) toiQ i^ biefe Semerfutig xoofjl l^nnel^men,
entgegnete (Sbgar, benn 3^rem (Srnfte traue xi) bie (Srfennt«
nis }u, ba^ bie 93eet]^ot)enfd^en Sl^fterten mit benen beS
(Sl^ri^ntuntS in innigem B^f^^i^inenl^nge (teilen, mie ja aud^
vooffi. laam ein anbetet äRuftfgeift in fo ^ol^em 9Ra§e bie
innigfie Setfd^ioiftetung bet fSfbxfil unb bet 9leIigion offen»
batt l^at, wie 93eet]^ooen. —
Unb nun no6) einmal bie 3)emut8ibee. 2)ie meiften
iDteufd^en bemeifen fd^on bamit baS ^alfd^e il^tet 3>emut,
ba^ fie ftd^ felbft t)ot unmetten^ unfaubeten äRenfc^en be«
mutigen, menn fle babutd^ matetieSe SSotteile etmatten
!önnen. 3lbet ein fcttlid^ fteiet anenfd^, bet mit ^o^et Jttaft«
anftrengung bie ftunft beS Gntbel^tenS ettungen l^at, fäl^lt aud^
ben 9Rut unb bie @tdtfe in fid^, j|ebe Sput von unpaffen«
ber 2)emut gegen feine SRitmenf^en auS feinem £ebenS!teife
3U bannen. Qn biefem @inne fptid^t benn aud^ @d^inbter
baS tteffenbe SSSott übet 9)eet]^ot)en8 eigenattig freien @;^atafter
auä: ,,^bfolute ^reil^eit im Xun unb Saffen nad^ jeglid^er Seite,
menngleid^ von jammern unb SEBe^flagen begleitet, einjig unb
allein eingefd^r&nft burd^ baS (Sittengefe^ — barin beftanb
bie SebenSnorm biefeS ejrseptioneQen ۤarafter8."
äBie foEte alfo mol^l ^eetl^ooen, ein SRann riefengro^
an @eift unb Seele, gegen &u§erlid^ ^od^ftel^enbe befonbere
%tmut empfinben ! Unb nimmermel^r t)erfagte er ben @ro^en
beg iReid^eS, mofem fte nur 9(bel ber (Seele ober beS ®eifte§
befagen, feine tiefempfunbene <Sl^rfurd^t.
— ®egen men benn ium Seifpiel? fragte ber immer
nod^ ffeptifd^e 93ulpiu8. ^6) l^abe immer gel^ört unb ge«
lefen, ba^ ^eetl^ooen aQe ®ro^en mie feineSgleid^en be«
l^anbelt ^abe.
— ^aben Sie einmal einen (SinblidC in SBeet^ooenS
iBriefe an feinen l^od^oerel^rten ^reunb unb Sd^üler, ben (Sr)*
^erjog 9lubolp]^ Don Öfterreid^, getan, bie Dr. Submig
9titter oon ftöd^el l^rauSgegeben, bie bann aud^ S. 9lo]^l
— 191 —
htm II. Sanbe feiner SBeell^ODenbriefe einverleibt l^at? fragte
@bgar.
— Seiber nein, lautete bie Stnn^ort.
— 9lttn, ful^r (Sbgar fort, id^ glaube jUDerfid^tlid^, ba^
@ie unb leber anbere, ber bieS einmal unternintmt, fid^ f opf «
fd^ättelnb fragen roixb: bin id^'g ober bin id^'S nid^t? @inb
baS in äßal^r^eit briefliche SrgAffe beS unS äberaO als älu3»
bunb oon ^o^mut unb @d^roff^eit beleumunbeten Seetl^ooen?
SSielmel^r n)irb banad^ ein fiefer, ber etnia ein befonbereS
^0% oon ^reil^eitSfto^ befi^t, befennen muffen: id^ ^nbe mit
nid^ten ben feuerftolgen ^eetl^ooen barin, mol^l aber einen
ganj bemutSooQ ergebenen SRenfd^en. Unb ad benienigen,
fo gegen ^eetl^ooen ben fteten äJormurf erl^eben, il^m l^abe
baS „^lämlein 3)emut" gefel^lt, mirb er jornglül^enb ent«
gegen^alten: il^r ^abt entmeber Ud bie Unmal^rl^eit gerebet,
ober il^r feib inbejug auf ^ttti)ot>tni Sl^arafter bobenlofe
J^gnoranten. ^n SQSirflid^eit atmen alle Briefe Seetl^ooenS an
ben @r)]^er}og unb fpäteren ftarbinal^lSrjbifd^of Slubolpl^
tieffteS (Sl^rfurd^tSgefül^l; mand^e gemal^nen entfdifieben baran,
bai aud^ ber unabl^dngigfte aQer großen ®eifter htm ätb«
l^angigfeitSflttd^ feinen Slribut jal^len mu^te. — 3d^ er«
laube mir ^i^mn jmei groben auS biefer ftorrefponbenj
mitzuteilen. @nbe beS 3^^i^^ 1818 l^atte biefer „er»
^bene @d^üler unb SRufengönftling", Srjl^ergog 9^ubolpl^,
feinem Sel^rmeifter felbft fomponierte SSariationen bebijiert.
Unterm 1. ^^i^^^i^ ^^^^ fd^reibt nun ^eetl^ooen an feinen
erjl^ergöglid^en @d^äler: ,,SReinen S)an! fär biefe Überrafd^ung
unb ®nabe, momit id^ beel^rt morben bin, mage id^ meber
mänblid^ nod^ fd^riftlid^ auSjubrädCen, ba id^ ju tief ftel^e,
aud^ menn id^ moUte ober eS nod^ fo l^ei^ münfd^te, @leid^eS
mit Oleld^em ju vergelten." fjerner im 3»ci^^^ 1823:
,,nnter bem @d^atten eines gränenben, 'l^rrlid^e ^räd^te
tragenben Raumes ebenfalls grönen )U bärfen, ift ein Sabfal
fär äl'tenfd^en, meldte baS ^öl^ere fäl^len unb gu beuten oer»
— 192 —
mSgen. 60 ift mir aud^ unter her ilgibe O^rer Jtaiferlid^en
^o^eit."
— $ii) bin ]^od^ erftaunt, fagte 93ulpiu8; bod^ hcß ftnb
wol^lsumei^ Briefe auS ben fp&teren SebenSjol^ren beS SReifterS.
^n ber Sülle feiner ftraft wirb Seetl^oven votlffl nid^t fo
beoot gef^rieben l^aben.
— SHefe SBriefe^ belel^rte (Sbgor, beginnen mit bem
i^al^re 1812, alfo mit SBeetl^oi^nS 42. SebenSjol^re; ber Zon
tieffter (Srgebenl^ieit ift Don Anfang bis ju (Snbe berfelbe. —
t^eiliii^ lann man aufS neue barauS erfennen, mie gef&l^r«
Ud^ es ift, aus einigen ^ugerungen unb Sikgitn auS ber
f,®turm» unb 2)rangperiobe" gleid^ ein t)oQpnbigeS (El^aratter«
bilb entn)erfen )u nroQen. — Übrigens fdnnte id^ i^l^rer
Kenntnis nod^ mele 3%^ ^^^ Seeti^onenS mirflid^ bef^ei^
benem @emäte vorlegen; id^ erm&^ne nur nod^ eine SteQe
eines SBriefeS an feinen $reunb ben 9)aron Smtitall Don
S)omanonec3 (t)om 3)tH 1810): ,,id^ bin l^alb in Sd^ön»
brunn, l^alb l^ier, jeben £ag tommen neue S^ad^fragen t)on
^remben, nmt 9e!anntfd^aften, neue äterl^&Itniffe, felbft aud^
in 9läd({td^t ber Jtunft, mand^mal mdd^te id^ balb toU merben
über meinen unnerbienten Stul^m, baS ®lädt \nä)t mid^ unb
id^ fordete mid^ faft beSmegen t)or einem neuen Unglüdf." —
Unb mie Hingt 3^nen benn ber folgenbe ©a^ auS einem
»riefe an bie @r&ftn SKarie t)on (Srböb^ (aus bem^al^re
1816): ,,a3on mir nichts, baS ^ei^t^on nid^tS nichts?'' ^ft
baS fo befonberS l^od^mutSnoU?
— 9lid^tS weniger als baS, fagten ähtlpiuS unb ^onratl^
SUgleid^. 9[ber, fügte letzterer l^inju, um fo einleud^tenber
mirb eS mir, ba^ eS fürma^r bie fd^mierigfte Slufgabe beS
SJlenfd^en bleibt, x)oaiommen mal^r unb geredet burd^S Seben
gu gelten. Unb bod^ mvi% man eS l^eig erftreben.
— aber »eld^ eine ibeole SJefriebigung — lieg fid^
(Sbgar oemel^men — , meldte eine l^eilige ®eelenrul^e empfinbet
ber äRenfd^, ber ftd^ bemüht ift, unauSgefet^t in biefem Sinne
— 193 —
an feinem 0etfte, ja an feinem ganjen Snenfd^entnm ju
arbeiten! VLnh bann baS innere, unoergleid^Iid^e ^od^geffil^I,
ein mal^teS ®ottfd^atten, menn eine fo l^ol^ Stufe ber
®ittlid^!eit errungen ift!
— 3^ftt erft, bemer!te Don SidRngen, begreife id^ ben
fd^önen änenfd^enflol) beS ©partanerfönigS SgefitaoS, ber
ftber ben gepriefenen <9ro$!dnig ber Werfer auSruft: „Sie
ift iener benn größer afö xö), menn er nid^t aud^ geredeter
ift?"*) — Unb xjon bemfelben SÄanne fü^rt berfelbe ®e*
w&f)x8mann furj juüor folgenben ^^mnuS Aber bie @ered^»
tigfeit an: bei aQen delegenl^eiten l^abe SKgefUaoS bel^auptet,
„ba| bie @ered^tigleit unter aQen Xugenben bie erfte unb
oornel^mfte fei, ba^ bie Z^apferleit ol^ne @ere^tigfeit gar
leinen 9ht^en f)aht, unb menn aOe geredet m&ren, man bie
2;apferfeit ganj entbel^ren fönne."**)
— ®aS ift burd^auS rid^tig, fprad^ greimann. SEBer bie
noQ!ommene @ere^tigfett; in beren (Sefolge bie SiQigfeit
voalUn mug, auf feine SebenSfal^ne gefd^rieben l^at unb un«
beirrt t)on allerlei l^emmenben (Sinflöffen biefer Saline folgt,
— wer Äraft genug befi^t, gebulbig bie Seiben ju ertragen,
bie fid^ im ®ebiete ber t^ttn ®ered^tigfeit beflnben, ber mu|
naturgemäß feine SRenfd^enmürbe f o angemad^fen fällten, baß
er ftd^ jeber äußerUd^ nod^ fo l^od^ ftel^enben ^erfdnlid^feit
ebenbärtig erad^ten mu^; nur einem fold^en mirb er ftd^ im
@rnfte beugen fffnnen, ber mit ber gangen ©ered^tigfeit unb
ben Dermanbten männlid^en £ugenben eine ^d^ere ®eifteS>
fraft Derbinbet. —
— (Sie jlarrfflpfiger Stepubtif aner ! rief Don ©idfingen
freunblid^ nedCenb au§.
(^(utatd^d 9[fieftIao8, 5!ap. 23.)
•*) „KaCroi tq) Xd^tp «avTa^^oO tr^v StxaiooiSvT^v 7i(Io)Te6€tv xtSv dprröiv* dv-
^hovm, [v^ Mpcioc Mflto^W* Plntarchos, L 1.
ftolif^er, S>U fBta^ »cel^oocnB. 13
— 194 —
— Unfer lOeetl^oven^ ertlang'S barauf aus <SbgarS
fSftmU, max ein toastet ^offtpmfltx ber l^eiligen ©ered^tig^
Uxt <Sein ganjeS Sefen voox fo poQ t)on Mefer Xitgenb^
ba| er il^rer ftetö, im Seibe toie in ber ^reube, eingeben!
blieb. S)erleibenbe9eet^ooenfd^reibt(1817): „^d^fdnnte
fe^r empftnblid^ fein^ aber ber (Beredete mu^ aud^ Unred^t
leiben {dnnen, ol^ne fid^ im minbeften vom Siedeten ju ent«
fernen. ^ biefem @inne merbe id^ jebe $ro6e beftel^en^
unb man mirb mid^ nid^t roanhn madigen." S)er mutige
SBeetl^oven fd^reibt (1815 an bie @r&fin (Srböb^): „SRit Wtat
geminnt man aQentl^alben, menn er geredet ift.'' Unb ber
freuben« unb l^offnungSnoIIe SBeetl^ooen fd^reibt (1820 an
ben (Srjl^ergog 9luboIpl^): ,,2)er ^immel fenbe aQeg@ute,
@d^öne, ^eilige, @egenSDoQe auf ^. ft. ^. ffzxab, mir ^f^x^
^ulb — bod^ nur gebilligt t)on ®ered^tig{eit!" —
Übrigens mug id^ unferem ^^reunbe @id(ingen^ ol^ne feiner
politifd^en SebenSanjtd^t irgenbmie )U nal^e treten )u moQen,
bennod^ frei t)erfünben: mer auS bem äBefen ber ®ered^tig<
feit bie rid^tigen Folgerungen ix^\)t, mug ber Xl^eorie nad^
notmenbig ein 9lepubU!aner ober Slnl^dnger einer fold^en
Wlonax6)k fein, in ber bie Oberl^errlid^feit beS IBoIteS fid^
fein ^aupt mä^It, mag biefeS nun ftönig, ober $r&ftbent
ober fonftmie l^ei^en.
— SBie oerl^ielt fid^'S benn mit SSeetl^ooenS Slepubli«
faniSmuS?, beeilte fid^ oon @id(ingen ju fragen*
— 2)a^ Seetl^ooen, erfldrte (Sbgar, ein entfd^iebener Sin»
l^änger beS ^reiftaatenlebenS mar, ift unS nun bod^ gerni^ nid^t
mel^r munberfam* ^latoS ,,9lepublil" mar fein 3beoü[.
@S mar ein fd^öner 2;raum feineS £ebenS, bag SBonaparte
t)on ber SSorfel^ung beftimmt fei, bie platonifd^^republifa«
nifd^en 3been in bie reale Sßelt ju oerpflangen. Slber bie
jtaiferfrönung beS genialen ftorfen oernid^tete fd^neU genug
feine roftgen träume oon emigem SRenfd^engläct unb oon
SJlenfd^engleid^l^eit. 3)er bitterfte ®roQ über ben Ufurpator
— 195 —
mftete jid^ in SBeet^ot)en8 Seele. 6elbft 9lapoIeonS Xbb auf
<Banlt ^elena lonnte ben SAeifter nid^t mit il^m auSföl^nen«
<Sr tna^te bie bei^enbe ^emerfung: „^aV id^'S nid^t t)orauS«
geal^nt?, id^ l^abe il^m Idngft bie Sei^entmtjtf baju gefegt''
9eet^ot)en meinte bamit btn Xrauermarf(^ ber Sinfonta
Eroica« @o tief murjelte bie j^bee ber ^reil^eit unb ®leid^'
^eit in SBeetl^ooen, ba| felbft bie ^dd^fte Betätigung beS
@enie8 il^n mitnid^ten ju blenben Dermod^te, m&^renb ftd^
bod^ fonft felbft bie grögeften ©eifter 3)eutfd^IanbS nur adju«
leidet Don biefer SBonopartifd^en Shtl^meSfonne berädten Hefen.
— (Sin SBeetl^oüen !onnte nid^t anberS als republüanifd^
benten. (SS mar il^m einleud^tenb, baf bie gel^eime fßou
fel^nng nid^t fo ungered^t malten lonnte, gemiffen (Sinjel-
mefen bie ^errfd^ermad^t alg ein ©eburtSted^t px vttUü)tn,
ein 9led^t, baS ein gangeS 9}olf mol^l gar einem Sd^mad^fopf
ober einem S^rannen miUfdl^rig mad^en — , baS bie begab»
teften @eifter einem Unmftrbigen unterorbnen !ann. (Sin fo
angeredetes SBolten !ann nid^t im ®eifte ber göttlid^en 93or«
fel^ung tl^ronen. {^at nun SRenfd^enmadit traft il^rer @elbft<»
fud^t baS l^eilige Urred^t ju ^oben gemorfen, fo mu| ein
jeber, in bem ba8 ©ered^tigfeitSgefäl^l lebt, eine fold^e fid^
forterbenbe Ungered^tigteit fd^merglid^ empfinben unb feine
ganje ftraft anmenben, ber 9latur ju il^rem alten l^eiligen
Siebte iu Derl^elfen, menn aud^ erft fommenbe ©efc^led^ter
bie glüct^erl^eif enbe (Smte genießen lönnen. 93on fold^en
(Smpfinbungen unb @eban!en mar ääeetl^ODenS ®eift doU, —
ganj fo mie fein großer @etfte8bruber ^^an ^^[acqueS
9louffeau, ber feinen riefenl^aften ^reil^eitSbrang ebenfo an
^lutard^ n&l^rte, mie Seetl^ooen. ^dren Sie menigftenS einen
@a^ l^ierüber auS 9iouffeau8 ,,SBefenntniffen": ,;De ces
interessantes lectures (beS ^lutard^ nämlid^), des entrettens
qu'elles occasionnaient entre mon phrt et moi, se forma
cet esprit libre et r6publicain, ce caractere indomptable et
fier, impatient de joug et de servitude, qut m'a tounhente
13*
-~ 196 —
tout le temps de ma vie dans les situations les moins
propres k lui donner l'essor." Unb nun p Seetl^ODen
iwc&d. fionnte er mtd^ nid^t lo&l^nen, felif) etwoS jur (Sr«
fftOnng feiner polittf(|fen i^beole beijutragen, fo moSte er
bod^ »enigftenS dar bartun, ba| eS ber !r&fttge ältanneSgeift
in ber OefeQfd^aft )u aOen S^ittn DöQig in feiner (Semalt
^at, biefen 3^8 f^ineiS SßefenS ju bet&tigen, alfo burd^ouS
geredet ju fein. S)ie eiferne SoIgeri^tig!eit biefer :3bee bei
Seetl^ooen l^at benn freilid^ ben @d^n>ad^!dpfen üiel Ärgernis
bereitet unb f&l^rt nod^ iet)t fort, fd^wac^ ®emäter ju be«
unrul^igen. SBeetl^ooen fäl^Ite fid^ burd^auS frei unb wav
jebenfaQS l^od^geborener als aSe du^erlid^ ^od^geborenen ;
er vou^U feine Unabl^&ngigfeit )U bewal^ren, wie n)enige:
foQte er fld^ t)or (Strafen unb dürften bemütigen, ober fie
l^dflid^er bel^anbeln, als feine anberen 9)titmenfd^en, n)enn
jene nid^t beffer n)aren? 3)amit n)äre er ja ungered^t ge«
wefen. 9htr in ber ^ornt l^at eS SSeetl^ot^en l^ie unb ba
oerfel^en.
— 9lud^ id^, nal^m ^onratl^ baS 9Bort, mn% hierbei
mit £ad(|en an eine naml^afte ©d^riftfteOerin benfen, bie in
il^rer ntufifalifd^en ©tijse aber SSeetl^ooen erft t)ieIeS oon
feiner SSerad^tung beS ^i^bifd^en erj&l^It, wofär er ftetS Don
böfen 3)dnionen oerfotgt n>orben fei. S>ann l^ei^t eS alfo:
„@S gibt nur einen XaliSman fär biefe bun!eln, grauftgen
@en)alten, nur einen @d^u^ unb @d^irm gegen bie fSRaöft
ber ^öKe: baS »lämlein 9)entut!"
— ällfo, meinte t^reimann lad^enb, mar Seetl^ooenS
@eele ber ^bUt, bem ^Arften £ucifer ober 93eel}ebub anl^im»
gefallen. 9lud^ nid^t übel.
— 9BaS munbern mir unS über biefe Slnfid^t einer
i^rau, fprad^ (Sbgar, feit mir'8 miffen, ba^ faft aQe än&nner
aus einer ftl^nlid^en 2:onart aber unfern Unfterblid^en reben.
SQBir l^aben — bem ^immel fei'8 geflagt — f o oiel fd^mad^e,
bemötig fromme @d^afe, ba^ bie freie QSntmidEelung beS
— 197 —
Sttenfci^entttmg immer grouenerregenbere StädCfc^ritte ma^t.
W>tt gerabe bie fflaDen^afte S)emttt beS SDlenfd^en gegen
Sltenfd^en bleibt bie fd^ma^t^oOfte (Emiebrigung beS SRenfd^en«
geifteS.
— ®enn id^ aud^ — lieg fld^ SBuIpiuS t)eme]^men —
immer mel^r einfel^^ ba| 3)emut gegen SKenfd^en oft t)om
Übel ift, n)eil biefer 3)emntSfd^immer jumeift ein SnSflug
beS (SgoiSmuS ift, fo mäffen @ie bod^ aQe einr&umett, ba^
eines jjeben ®tmi!it 3)emut empfinben mvi% toenn eS an feine
Ol^nmad^t gegenüber ben gel^eimniSooQen 9R&d^ten ber 9latur,
wenn e8 an baS l^ödE^fte Urmefen erinnert mirb. $at SBee*
tl^ooen in feinem ftolsen Setbftbemugtfeih wof^l j|emal3
^Regungen fold^er ed^ten ^^mnt uerfpärt? ^ä) be}meifle eS.
— 3)aS bejmeifeln @ie, ungläubiger %f)omaS'i, fragte
@bgar erftaunt. Sd^afft man eine ^aftoralf^mpl^onie, bid^t^t
man eine neunte S^mpl^onie, fingt man baS l^ol^e Sieb ber
gro^n, feierlid^en ^effe, menn bie Seele nid^t gans doQ ift
von fo ed^ten ®efü]^len ber 3)emut, mie fie ber Sllenfd^ ber
x&tfelDoOen ©ottl^eit gegenüber notmenbig l^aben mrx^l 2)aS
ift ia gerabe baS äRerfmal eineS mal^r^aft mftrbeooQen,
l^ol^tgebietenben, ftolsen, felbftbemugten G^l^arafterg, bag er
DoO ed^ter ^efd^eibenl^eit ift. Unb gerabe meil ein fold^er
ftd^ in tieffter 2)emut bem bunflen SEßeltengeifte nal^t, meil
er erfennt, n>ie nid^tig ba§ ganje 9)tenfd^engef(^led^t oor ber
@otte8gemalt erfd^eint, — fann er eg nid^t bulben, bag ein
fd^mad^er @terblid^er fid^ in eitlem ^od^mut über ben anberen
erl^ebt, il^n ju unterbrüdCen beftrebt ifl, — eben beSmegen
n)irb er bie l^eige Wt&i)t nid^t fd^euen, mit bem innigften
^erjblute l^eroifc^en SRuteS gegen j[ebmebe l^immelfd^reienbe
Ungered^tig!eit raftloS unb unbeirrt anjuldmpfen.
— 3d^ miQ ie^t leine SBefr&ftigungen auS SSeetl^ooenS
Zonfprad^e, fagte ähtlpiuS. ^ meig, bag Sie nie ben
ftünfSer Dom 9)tenfd^en fd^eiben. ^ä) miä)U ^emeife auS
beS SReifterS äBortfprad^e l^aben.
— 198 —
— %xä) biefe, terfet^te (Sbgar, foUen @{e l^aben, Sie un«
verbeffetUd^er Sxo^x^Ux an Oeetl^otieitS IReinl^eit 3ttn&<^ft <^ber
möd^te id^ ^i^nett gur abermaligen 3Qttflration beS eben 93or«
getragenen eine überaus feinfinnige ^uferung eineS ^rangofen
mitteilen^ ber bamit einen nteriwärbig rid^tigen (EinMidC in
9eetl^O0en8 SBefen vttt&t ^tnvi Slage be Sur^ ftellt
in einer SDbl^anblung über 9toffini int 39. i^al^rgange ber
,,R6vue des deux mondes'', n)orin er nad^ ^an}ofenart
ben Sd^wan von $efaro bis in bie SEBoIfen erlebt, über
unferen SReifter unter anberen biefe (Gebauten auf: >,C'est
en se respcctant qu'on 6crit la Symphonie en ^ut mineur^
et Toeuvre tout entiire de Beethoven/' Unb ferner: ,>0n
dtt de Mozart ^cette chose a vieilli'; et ceia ne se dit point
de Beethoven, II est de tous celui qui vieillira le moins^
parcequ'il est celui qui s'est le plus respecte."
— S>aS ift l^errlid^, rief ^onrat^. i>a, lieber iButpiuS,
ffdbtn (Sie aud^ einen ^rangofen, ber eS rid^tig begreift^ n>ie
ber (Sf)axahtx bie Sd^affenSart beS ftünftlerS bebingt.
— O! unfern ähtIpiuS n>oQen n)ir nod^ grünblid^
belel^ren^ ^pxa^ (Sbgar. S)ie bemutSnoQe SBefd^eibenl^eit
SBeetl^ot^enS gegen ben Sd^öpfer beS ^intmelS unb ber (Srben
foQten Sie eigentlid^ fd^on !Iar unb beutlid^ auS bem bereits
mitgeteilten ®ebanlen auS jenem Siebesbriefe an bie „un*
fterblid^e ®eliebte" er!annt ^ben. 2)iefer ©ebanfe ift x)on
3U gel^eimniSbergenber Sd^dnl^eit, als ba^ id^ benfelben nid^t
nod^ einmal anfül^ren foQte. SUfo, l^ören @ie mol^I: «^SSer«
folgt Don ber ®üte ber SAeufd^en ^ie unb ba, bie id^ meine
— ebenfomenig oerbienen ju moQen^ als fte mirflid^ ju
Derbienen. 2)emut beS 9)tenfd^en gegen ben 9)tenfd^en — fle
fdEimerjt mid^, unb menn x6) mx6) im ^ufammen^ang beS
UninerfumS betrad^te^ maS bin id^ unb maS ift ber — ben
man ben Orö^ten nennt — unb bod^ — ift mieber l^ierin
baS @0ttlid^e beS Snenfd^en." — (Sinen weiteren SBint über
beS SReifterS bemutSvoKe SBefd^eibenl^eit gibt unS ein 99rief
— 199 —
über ben (Srfolg ber OuDertAce ,,3ur Seilte beS ^aufeS"
(op. 124) an bie 93erleger ®d^ott in Wlaxni* 3)arin fd^reibt
9eet]^ox)en : ,,3)ie Owtttüu, toAi)^ ®ie von meinem Grübet
erl^alten, mirb l^ier biefer Xage aufgefül^rt. ^6) erl^ielt bes-
iegen SobeSerl^ebungen k. 9Ba8 ifi bieS aQeS gegen ben
grd^ten Xonmeifter oben — oben — oben, nnb mit 9led^t
(iVitxf)ii)% mo l^ier nnten nur ®polt bamit getrieben mirb.
a)ie Srott%Uxn — allerl^öd^ft! ! ! ! ! !" — »eetl^ooen, ba8
lenktet unS l^ierauS oon neuem ein, mirb burd^ oieleS £ob
jur ^emut gefül^rt. (£r fül^lt ben S)rang in fid^, bem
^öd^ften Zonmeifter oben im ^immel, @ott bem l^errn, einen
Tribut ber SBerel^rung barjubringen, il^n mal^rl^aft „aSer-
l^öd^ft" ju nennen, mobei bie !öniglid^en unb faiferlid^en
3n)erglein gegeißelt merben, bie trot) il^rer Ol^nmad^t bod^
„aUtt^i^^" benannt merben.
— 9)lan foQte eS faum glauben, bemer!te f^reimann,
bag biefer SBrief oon einem Seetl^ooenbiograpl^en als ein
äRerfjeid^en beS &u^erften ^od^mutSauSbrud^eS bargefteUt mirb.
— 9htn fd^Iage id^ Dor, fagte oon @idKngen, ba^ n)ir
einen furjen äßaffenftiUftanb eintreten laffen. Sittig nament«
lid^ trin!t bie Seetl^ooenbegeifterung in fo ooQen 300^"/ ^<^^
er !aum nod^ @inn für bie liebe Säacd^uSgabe i^at, bie beS
9Renfd|en ^erj bod^ fo munberfam erquid(t. ^ä) trinfe
Sinnen ein l^erjl^afteS @täd( vor, SBittig.
— Unb id^ folge mit Aül^nl^eit nad^, antwortete biefer.
Sber fd^on fel^e id^ ^reunb ähtIpiuS neue Pfeile aus feinem
polemifd^en ftdd^er l^eroor^olen.
— 9lod^ eine Spanne (Sebulb, mein Xeuerfter, fagte
^onratl^ ooQer 9BeinfeIigteit }U IBuIpiuS. In vino veritasl
— SHefeS ®IaS, rief ^reimann mit l^od^tdnenber Stimme,
meil^e id^ aü benen, bie im @eifte Seetl^ooenS bie 9)tufen>
lunft vertreten.
2)ie ^reunbe liefen jubelnb bie ®I&fer Hingen unb
leerten fie, burd^brungen oon f^reimannS ®eban!en.
— 200 —
9lad^ man^erlei (Sd^ersen unb @d^n>&nfen würbe bie
Unterhaltung tpieber in baS ernfte SSeetl^oi^nfd^e @eleife
eingelenit. 93ulpitt8 fd^neOte einen neuen ^feil gegen
SBeetl^ooen loS.
— Qä) erinnere mid^, fagte er, in ß, 91 o 1^18 SBeetl^oiien«
biogropl^ie gelefen ju l^aben, n^ie ft^ §rau 8ernl^arb
in älugSburg, eine ^reunbin ^ttf)ODtnS, Aber be§ älteifterS
©toi) auSfprid^t. (SineS 2:ageS lag bie ^tter ber ^ürftin
£i^non)g!9, bie alte pl^antaftifd^e ®r&fin S^l^un, t)or bem
bamalS nod^ iunQ^n 93eet]^ot)en, ber einen (Sofa))la^ behauptete,
auf b^n Jtnieen, um il^n gum iBorfpielen gu bewegen. 3)er
ftolae äSeetl^ooen gerul^te aber nid^t, il^rer ^itte nad^}ugeben,
^eigt baS nid^t, ben ©toi) big inS Übermaß fteigern? SBenn
fid^ eine fo l^od^ftel^nbe S)ante berartig erniebrigt, mö^te fx6)
93eet]^ot)en nid^t unbebingt veranlagt feigen, il^ren SBunfd^ ju
erfüaen?
— SBag @ie bod^ immer mit S'^rem unerquidtlid^en
Unterfd^iebe gmifd^en ^oc^ftel^enben unb dliebrigftel^enben
moEen ! entgegnete @bgar in f d^roffem 2;one. 9Bann werben
@ie eS benn einfel^en, ba| bei unferem äReifter bcS ^txou^U
fein t)on ber Oberl^ol^eit beS @eifte8 in l^dd^fter Sebenbigleit
obwaltete? f^reilid^ mu^ ber 99eetl^ooenfd^e @tols etwaS un«
Dergleid^lid^ großartiges an fid^ getragen l^aben. ^dren @ie
bod^, in wie flammenber ^egeifterung bie geniale Bettina
t)on älrnim unter anberem in ,,@oetl^eS ^riefwed^fel mit
einem ftinbe" baräber rebet: ^O ©oetl^e! fein Kaifer unb
!ein ftönig l^at fo baS ^ewußtfein feiner Wla6)t, unb baß ade
^raft pon il^m aui^gel^e, wie biefer Seet^ooen/' Unb ferner:
\i „3Ran möd^te wei^fagen, baß ein fold^er @eift in fp&terer
aSoHenbung al8 SBeltl^errfc^er wieber auftreten werbe/' 3a —
— ^öre id^ wieber einmal, unterbrad^ il^n ^reimann,
etwas oon 93ettinaS ftb^Ilinifd^er Urweig^eit^ bann erlenne
id^ aufs neue, ba| gerabe biefe ^rau aufS aUertieffte in baS
Sßefen biefeS einzigartigen @eniuS gefd^aut ^be.
1
~ 201 —
— @e]^r nml^r, fprad^ <Sbgav. 3)od^ laffen ®te mx6)
fortfoi^r^n. — %>cS gel^Srte j[a ger(^)e mit jur (Sro^l^ett an
äSeeti^ODeti, ba^ er hraft feines feuerftolsen @eifteS feinen
©tanbeSunterfd^ieb mad^en tonnte, freilid^ nur, foweit t» in
feiner Spiere lag. 916er oud^ baDon abgefel^en, fonnte er
]^ier6ei ni<^t anberS l^anbeln. (£r l^atte eS einmal entf^ieben
abgelel^nt, }n fpielen. (BoQte er ftd^ nun burd^ biefe 3>emü<
tigung einer J^od^ftel^enben ^rau umftimmen taffen? 2)amit
iDärbe er feinem l^ol^en ©runbfo^e untreu getnorben fein.
äBurben bie SAenf d^en bann nid^t mit 9ted^t gefagt l^ben :
@e]^t bod^ biefen äbermütigen Äünftler an, ber er{t bann
einen SBunfd^ erfüllt, n^enn man fid^ il^m fugfdQig na^t!
^od^ ein ^ugfaQ barf auf einen SRann oon ber ^rt
iBeetl^ooenS feinen maggebenben Sinbrudf l^erDorrufen. ®erabe
n)eil er Sd^merg ob fold^er 3)emut8erfd^einungen empfanb,
fonnte er burd^ äBiUfal^ren nid^t bagu beitragen, in einem
SRitmenfd^en bie 9leigung }ur @elbfterniebrigung ju förbern.
Svcm 3n)eiten 9)lale mirb eS ber @r&ftn nid^t eingefallen fein,
por ^eetl^ooen ju fnieen.
— SRun frellid^, menn man bie Äonfequenj fo auf bie
@pi^ treiben miQ, bann fann id^ 3^nen faum Unred^t geben,
bemerfte SSulpiuS. 3lber n)aS foQ bann auS ber ®efeQfd^aft
werben?
— S)ie ©efellfd^aft, lautete (SbgarS Slntmort, mörbe an»
fangen, il^ren gleit nerifdf^en Sägenfd^immer ju verlieren«
^ören ®ie nod^ ein anbereä ^eifpiel t)on ^eetl^ooeng cd^t
m&nnlid^cp Sluftreten an. 3^ S^ren beS fänftlerifd^en ^rinjen
SouiS Serbinanb t)on ^reugen n)Urbe einmal n)&]^renb
feines 93efud^eS in äBien (üxoa 1803) ton einer abelSftolsen
<®r&fln eine 9lbenbgefellfd^aft Deranftaltet. ^[ud^^eetj^onen,
htn ber ^rinj l^od^ verel^rte, nnirb eingelaben. 9lebenbei be«
merfe id^, ba^ unfer SReifter bei feinem Slufentl^alte in 93erlin
über ba8 ©piel be8 ?ßrinjen alfo geurteilt- l^atte: „er fpiele
gar nid^t prinjlid^, fonbern mie ein ed^ter SÄufifer" — eine
— 202 —
äluferung, bie ienev geniale ^tn; oft mit freubigetn (Stolje
anfahrte. — 3n biefer SbenbgefeQfd^aft lourbe nun aber ein
Xifd^ befonberS ffir ben ^rinjen unb ben l^ol^en älbel ge>
bedt. @obalb SBeetl^ooen bieS fal^, fptang er unter berben
3orne8auSbrfld^en auf, nal^nt feinen ^ut unb Derlieg ben
@aal. 9Birb eS viele geben, bie fo für bie verlebte 3Renfd^en«
iDärbe eingufte^en bereit finb?
— ®txox% nx6)t, \pxa6) ähtIpiuS. Q^ ben^unbere 99ee«
tl^ooenS auftreten, n)enn id^ mir aud^ nid^t Derl^el^len mag,
ba| er babei mie aud^ fonft meifer getan l^&tte, aQ biefe$
in manierlid^eren formen ju bemerffteQigen. — SKber id^ be«
munbere il^n barum nid^t n)eniger. — ^ebenfaKS l^at ^rinj
Souig ^erbinanb unferm SDteifter red^t gegeben. SBeranftaltete
er felbft bodE) balb banad^ ein ^efteffen, moju er SBeet]^ox)en
einlub, il|m an feiner Seite ben $la^ anmieS, m&Iirenb baS
Vis-ä-vis beS 9Reifterg jluft jene abelsftolje ®r&ftn bilben
mu^te. — a)od> baran erfennen mir SÄuflfer t)oIlenb8 mieber
b^n %lui) ber 9lb]^dngig!eit. SBir l^aben für unfer elenbeS
gortfommen fo ferner ju fSmpfen, ba§ mir meber Jlraft
nod^ S^it bel^alten, um für bie verlebten äJtenfd^enred^te ein«
aufteilen.
— ®ie (Sd^ulb, menbete greimann ein, liegt tielmel^r
baran, ba^ aud^ bie 9)^fifer am äJtaterialiSmuS franfen.
Sß&ren biefe meniger materiell, lebten fle mel^r im i^bealig«
mnS ber ibealften Aunft, fte mürben aud^ l^öl^eren ftttUd^en
3)tut U^l^^n unb bamit gegen ben falfd^en Stünbeftolg an«
!&mpfen, ber mitnid^ten auf flttUd^er ^afiS berul^t. ^nn
bie SRenfd^en felbft in fo überaus fd^mad^ooQer SBeife ben
großen (Sd^m&d^en ber &u|erlid^ beoorjugten @t&nbe ent'
gegenfommen, bann foQten fie ftd^ bod^ menigftenS f^&men,
über bag meitere SBeftel^en T)on 3uftünben ju Hagen, bie bem
gefunben SWenfd^enoerftanbe fort unb fort ^ol^n fpred^en.
— ffiä ift aber aud^, fagte oon ©idKngen, eine gar ju
fd^mierige 3lufgabe für ben äRenfd^en, ftd^ bie ooQe Unab^
j
— 208 —
l^&ngigfeit ju erringen, ^ür eine banad^ ftrebenbe @eele er»
I)e6en ft^ fa Dielfeitige ®d^n)ierigfeiten, ba^ bie n)enigften
nad^ biefent l^ol^en fRul^me geijen f dnnen. StUein ani) x6) laffe
mir ben ©louben nid^t nel^men, ba^ in erfter Sleil^e ber
tüa1)xt jtünftler fraft feiner g5ttlid^en Begabung biefe $od^»
n)ärbe bei^ SAenf^entumS nnauSgefe^t anftreben mn% ^\t
benn nid^t ber ed^te ftänftler mit ber SeibenSpalme ein Dor»
nel^mer Seigrer ber SKenfd^l^eit?
— 911^! Sie fangen Äunftfeuer, rief Sbgar freubig be»
megt au8. ^a, menn nur mtU Äönftler eine berartige 9ln»
fd^auung ju il^rem ©eifteSeigentum mad^en moQten, mal^rUd^
— bie Kunft mörbe mie nid^tS anbereS bie Seelen ber
SRenfd^en immer mel^r t)on aQer il^r anl^aftenbeu Unlauter»
teit, Unreinl^eit befreien. (Srm> man nun t)oIlenbg, ba^
bie SOlufüer ben mürbet)oQften ber SReufd^en gu ben ^l^ren
i&f)Un bürfen : bann mdd^te man t)or Sd^merjenSunmut t>er»
gelien, ba| ber gro^e ^eetl^oDen nod^ immer fo fpurlog an
ben 9)tuft!ern t)oräber3ie]^t, bag bie Seit feine 2:onmad|t
preift unb t)er]^errlid^t^ ol^ne für baS ©eelenl^eil ben auS i^r
ftrömenben (SrldfungSglanj ju fd^öpfen.
— ©ie oerfünben 95eetl|0t)en ja al8 eine Sttrt SWenfd^en»
l^eilanb ! rief 93ulpiu3 Dermunbert aug. 3<^ ^^^^ immer nod^
einige ffeptifd^e Semerlungen gegen feine ÜRenfd^enl^ol^eit in
öereitfd^aft.
— Saffen ©ie ^ören, fagte Sbgar. 3^ wiberlege
3l^nen aUeS.
— Sie merben bod^ einräumen^ begann ähtlpiuS, ba^
bie 3)anlbarfeit eine feinegmegg ju unterfd^&^enbe Xugenb ift.
— 3>arin ftimmen mir PöQig , überein, tjerf etite öbgar.
%x^ id^ mvi^ ber 3)anfbarleit einen mid^tigen Zugenbrang
einräumen»
— 3^ flni>^ «M«/ ftt^^^ aSulpiuS fort, ba§ SJeetl^ooen
biefe a;ugenb nid^t feiten auger ad^t lieg. ÜÄugte il^n bie
— 202 —
'jnl^nRig, Mc' [RHC gwritrif ^htsi oft nrit iiiiibiy QoM*
OKfi^ttE. — ^ titc^ Xtenbajcfefl^t^cft nKbe tm afac (ts
£f^ Ocfuutei'S ffc bst ^TTinfii mb bcit ^rtiH SDH 9^
OnCt 'SabKÜi ^Tft^fftTiT bös fa^, finmig er anttr tefn
i^nuMSmäcät^Bi (nif, as^nt fernen $itt mal okucs of
■ShO. 9iib fS oicie gcfai, bte fo fSr bie nede^ 9b^i^
IVälbC l9U^ll(ll(|CB fRVRt fhtb'?
— ®api§ nii^t, fpxni^ Stt^iiiift ^t^ tennniteie Stt'
tf Mw eitf SuftntBi, nmii it^ ikx <otäf nit^ a g^tt i ifw vs>
boS ec baäcT vie ou^ io'^ mcifer getan ^Itf, ou DKttä
in flBnnffrftfflrrnr praLjjivii nt TfnffffTffTiltftfTi — ^ ^t^t tc^ u^
naabeiz i^n barmtt iri^t lorargiT, — ^)eba[fTiS8 tfot ^:ng
2maS '^eünxamii imferm Sefta m^t gegefin. S wmiftritfte
ec ie£&^ ba^ ^"^ baixaä^ ein ^efieffai, loi^ ec ÄetfcBM
Einbib, i^tn an feiner t^rrtT ben ^la^ mnonä, wntprfti^ btä
Vi»^vta beä StetfterS infi irne obeläfiD^ «Eöfta fiäbrii
ben ^liu^ bec Xfi^ängi^it. Sir Ifaimt pr nnfec dadttS
^^artfotmnen fa fdintec ju fänqifen, bK§ Bitr m^Kc traft
1104 3^t i^iaitm, um fftr bie oede|ten Senft^eniedtte etn^
— ^te <S^^ttQt. «enbete gcri i au a n eär, ficgt anlBH^
bocan, bofi as(^ bie 9Iufitei an WnlrrinfTBanm Cbmmi>
'Baten btefe »rai^ anäerteO, lefttcn ffe an^ im 3Nfe
inws ber
aRut Kftt
faRpftR,
bie 9lenfi
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fc^orienge
(«am, J. äiMMiänja. min J^'
3Qn ünc uBii .
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— 204 -
2)anf6arfe{t fär bte äßol^Itaten fo oielec l^ol^er (Kdnner nid^t
anfpornen, ein 6efd^eibeneteS unb rüdtftd^töooIIereS äBefen
gegen 9R&nnet »ie Sid^nowSfq, &of>tovs>x%, AtnS!^,
9tafuini)n)Sf9, gegen mete anbete ^Arften nnb @rafen
unb t)or allem gegen ben (Srjl^ersog 9flubolp]^ an ben
ä^ag ju legen? 3d^ table e» nimmer, ba^ ber Sneifter <9elb
unb dtunft ber 9ieid^en unb SSornel^men nid^t t>erf<i^m&l^te,
iebod^ table id^ ben SRangel an geb&l^enber (Sdenntlid^ieit
für fo uneigennä^ige Sßol^Itaten. SBürbe ^eetl^oDen ol^ne
feine l^ol^en @dnner fo unabl^&ngig in feiner S^affenSfraft
bageftanben l^aben?
— @o nneigennü^ig, mie ©ie benten :— nal^m {^onratl^
baS SSBort — maren bie SBo^Itaten bod^ nid^t Si^ laffe
l^ier am geeignetften bie fd^dnen ®eban!en au8 (BottfftS
2;affo für mid^ reben, bie Seonore über ben ^eiligenfd^ein,
mit bem ber @eniu8 aUeS in feiner Umgebung beftral^It, alfo
oortr> :
„Utib e8 ifi oorteUl^aft, ben C^eniud
Setoirten: gibft bu i§m ein (Safkgefd^enl,
@o (ft(t er bir tin (dßntxtd aurüd.
^ie &&ttt, bie ein guter 9}enf4 betrat,
3ft etngeweil^t: nad^ l^unbert Sauren Hingt
@ein äBort ttnb feine %at bem ®n!e( nieber."
Sßie gef&Qt :g[^nen baS, ähtIpiuS?
— ®a8 ift ganj fd^ön, entgegnete biefert aHein bie
$f{id^t bie Sanibarfeit mtrb aud^ bann nod^ nid^t aufgel^oben,
n)enn eine SBol^Uat einen fd^mad^en Slnftug t)on (Sigennu^
im ^intergrunbe l^at.
— 933enn Sie biefem ganjen ®inge auf ben @runb
gelten, fprad^ je^t (Sbgar, bann merben ®ie mol^l eingeftel^en
muffen, ba^ bei 99eet]^ot)en eigentlid^ fein triftiger Sniag
3ur 3)anfbar!eit oorlag, ba^ er ftd^ aber nid^tSbeftomeniger
als burd^auS banfbar ermieS. Unbegreiflid^, lieber SSuIpiug,
mar e§ mir in ^^[l^rer 3)ebuItion befonberS, ba^ @ie ben
— 205 —
@t}]^er30g 9luboIp]^ gu SBeetl^ooenS Stadtteile l^etDOtl^eBen
ju tnäffen glaubten. Erinnern @ie fld) benn nid^t mtf)x,
ba^ td^ ^l^nen gerabe ^eetl^ooenS Briefe an btefen genialen
gfirften al8 ein nierfroörbigeS Seifpiel Don Seetl^oöenS
Säefd^eibenl^eit, ja t)on feinem Untert&nigfeitSfinn fd^Ubern
fonnte? 3)od^ nun weiter. @ie fennen SBeetl^ot^enS Seben
unb n)iffen bentnad^, ba^ ber SJleifter fel^r balb nad^ feiner
anfunft in SBien (1792) burd^ fein überaus geiftooQeS
^aoierfpiel roit burd^ ba§ in ber SJhtftfgefd^id^te n)o]^I
einjig baftel^enbe improüifatorifd^e S^alent bie Slufmerf famfeit
ber erften SBiener OefeUfd^aftSfreife auf jid^ jog. SBergegen«
ro&rtigen ©ie fld^, meine Sieben, ba§ ber bamalige Slbel
SBienS, überl^aupt Öfterreid^^UngarnS, von einer mufifalifd^en
99egabung unb ^egeifterung erfäQt mar, mie lein anberer
©tanb. Saft jeber SBornel^me t)eranftaltete in feinen SÄÄumen
größere ober Heinere Äonjertauffül^rungen unb belol^nte bie
Seiftungen ber 3Äufifer mie ein mal^rl^after 3Rdcen. 2lu(^
^eet]^ot)en marb fd^neQ gu aUerlei JSongerten l^injugejogen.
©eine munberbare Originalität, jumal in ber freien ^l^an«
tajte, üerbunfelte aßeS neben fid^. 6in 2lbliger bem x)or»
nel^men SQSortfinne nad^ mar l^ier in erfter Sfteil^e gürft Äarl
von Sid^nomäf?. — Sluf meldte SBeife fottte ein SWann,
mie Seetl^ooen, für bie l^ol^en Äunftgenüffe, bie er vor attem
in biefen fürftlid^en ©alonS ber ©efeUfd^aft in fo reid^em
aRage fpenbete, materieß belol^nt merben? S)enn Seetl^otjen
mar uuDermögenb, — barum brandete er feine 3^it- — ®i^
Sid^nomSf^S unb anbere SSornel^me l^aben gun&d^ft ba§ un«
beftrittene SBerbienft, 93eet|ot)en8 ]^en)orbred^enbe m&d^tige
Originalität rid^tig erlannt unb gemürbigt ju l^aben. görft
Sid^nomgf^ t)ergalt nun feinerfeitS ben ^od^genug, ben il^m
öeetl^oüenS Äunftgenug bereitete, junäd^ft burdt) ein ^ai)u
gel^alt für ben erft merbenben 3Reifter; bann nal^m er il^n
in fein $au8 auf, um il^n immer mel^r an ftd^ ju feffeln.
Sreilid^ ^atte SBeetl^ouen nid^t nStig, bafür auSbrüdEIid^e
— 206 —
IBerbtnbl^f eilen gu fiberne^men: aQein ftiUfd^iDeigenb fenfte
ftd^ aus biefer fürftltd^en Sßo^ltat ^erauS bie ^eilige ^flid^t
in Seetl^ooenS ©eele, feine mufifolifd^e Stxaft ftetö fflr ben
^ärften in SBereitfd^aft ju Italien. S)a8 n)ar olfo nid^tS
n)eiter olS eine 9[rt 3(u8taufd^ ber ben 3)tenfd^en verfd^ieben«
artig oeiliel^enen @üter« Seetl^open reid^te baS geiftige ®ut
für baS empfangene irbifd^e bar* — SCBoQen ®ie bie dtid^tig»
!eit biefeS ©tanbpunfteS anfeilten?
— 3^ ^u§ geftel^en^ antn)Qrtete 93ul|>iu8, ba^ mir ein
fold^er ®tanbpunft gang unermartet entgegentritt.
— 3wmer auS ein unb berfelben Urfad^e, belel^rte (Sbgar,
meil ®ie fld^ nod^ niemals in ben (SffaxatUt ^eetl^ooenS
vertieft l^aben. Q6) fal^re nun fort: SBir bärfen mol^I an»
nel^men, ba^ ^eetl^ooen baS fefte 93emtt^tfein t)on bem l^atte,
n)aS er Sid^nomSf^ unb anberen @ro^en für bie il^m ge«
n)ä^rten @äter barbot. älber fein ed^teS ©efül^I ber 2)anf«
bar!eit lie^ eS nid^t babei ben)enben. 9Ule biejjenigen^ bie
ftd^ irgenbmie um il^n oerbient gemad^t l^atten^ mürben mit
äBibmungen unfterblid^er 2:onfd^öpfungen bebad^t. — &nU
bed(en @ie eS mir bod^: mag mürbe bie ©efd^id^te t)on tenen
fiid^nomSf^S, oon Sobfomi^, ^ing!^, oom (Srgl^ergog
^nbolp^, oon oielen anberen f^ärften, ®rafen^ 93aronen
unb ^anbelgl^erren mel gemußt l^aben, menn bie l^el^re
@eifte8fonne ^eetl^ooeng il^nen nid^t einen ©tral^l ber Un«
fterblid^feit oerliel^en l^ätte. ^^ rmi)i Seeti^ooenS Stul^m
xon^S, befto mel^r mu^te er aud^ felbft oon einem fo ge»
redeten 93emu§tfein gel^oben merben. — 3)ie . erften dürften
beg SlaiferftaateS mürbigten nur ooUfommen bie ^ol^eit feines
©enieS, al8 fte 93eet]^ooen eine fefte 3<^^^^Srente auSmarfen,
um il^n gu oerl^inbern^ eine il^m angebotene StapeQmeifter«
mürbe beim Könige oon äßeftfalen gu befleiben. 3)iefe $anb«
lungSmeife gereid^t ben brei Ferren: Grgl^ergog dtubolpf),
gürften Sfofepl^ oon Sobfomife (^ergog gu SRaubni^)
unb gürften gerbinanb oon ftinSf^, gu unoerg&ngUd^er
— 207 —
<Sf)xt. aitan fill^lte bie l^ol^e SBebeutung beS ^eetl^oDenf^en
©enitt« für bie Raiferfiabt. — ®er SJleifter jcbod^ burfte fld^
burd^ biefe ^eunbfd^aftSbeiDetfe fd^Ied^terbingS nid^t v^x^
anlaßt feigen, von feinen feftauSgeprägten ©runbfd^en beS
Gebens ab3Un)eid^en. SBoOten biefe ^ärften unb eine Segion
anberer Ferren bie ^reunbe eines Seetl^ooen l^ei^en, bann
mußten fie ouä) n)iffen^ rocS gur ^reunbf d^af t gel^drt, bajl e§
nintnterntel^r f^rennbfd^aft genannt n^erben barf, votnn ein
^reunb ängftlid^ vor bem anbeten cerentonielte 9lädftd^ten
beobad^ten .ntu^. 2>aS 9Rer!n>ärbigfte baran mag eS fein^
ba^ jene oornel^nten, l^od^gebietenben Ferren eS ganj in ber
Orbnung fanben, rotttn ber SReifter mit il^nen burd^auS alg
mit feineSgleid^en umging. 2)enn fte l^atten in SEBal^rl^eit
(Sl^rfurd^t t)or ber ®naben]^errlic^!eit beS ©eniuS, — m&l^renb
eg unterfd^ieblid^en Slutoren ber @egenmart Dorbel^alten bleibt,
barin eine Unjol^I blauer SSunber ju erblid^en.
— aWid^ aber foöten ©ie nid^t mel^r ju biefer Tutoren«
gunft iSüfUn^ fptad^ SSuIpiuS. 3^ befenne reueuoK, ba^ id^
in Dielen fünften unferen äßeifter oerfannt l^abe. Unb
menn id^ Sinnen nun bod^ nod^ nid^t gang ^eereSf olge leiften
f ann, fo liegt bieS an ber (Sigenl^eit ber SSorurteile aber»
]^aupt, bie leidster einmurjeln, als ftd^ entmurgeln laffen.
— Sie glüdtlid^, ^erfe^te (Sbgar, mad^t mid^ ^l^r mert«
voüzS S^S^ft&n^n^S/ teurer 93ulpiu8. Senn @ie unb anbere
IDtufiler mit ^^mn bod^ anl^altenber unb intenfi^er auf ben
SRujtfgeift als fold^en läufigen moKteur fo oft fid^ ^^^nen bie
©prad^e ber SAuftt Dernel^mbar mad^t. @S ift meine felfenfefte^
unerfd^ätterli(^e Überjeugung, ba^ fid^ t)on ben @d^öpfungen
eines 2:onf&ngerS immer ein fidlerer 9täd(fd^lu^ auf feinen
G^l^arafter mad^en lä^t, mie aud^ umgefel^rt t)om Sl^arafter
eines SDtenfd^en auf feine ®eifteSmer!e.
— ®ine fold^e Slnfld^t^ bemerfte gj'^eimann, l^at mel
äSerlodCenbeS an ftd^. 3<^ f^^^bft gmar fann mid^ no(^ immer
nid^t red^t mit il^r befreunben, obgleid^ ja f ogar neuerbingS ein
- 208 -
getftooQer 9Ratin, (Sugen S)ül^ring, in feiner „!ritifd^en
@efd^d^te her ^l^Uofopl^ie", wof^i pxm erften Stole ben
gl&njenben SSerfud^ gemad^t l^at, antl^ in ber ^l^ilofopl^ie
eine jebe 3nbit)ibualitdt auf il^re ©efinnung ju präfen. S)a»
bebeutet bann nid^tS anbereS, alS bei jebent ^l^Uofopl^en ha»
SBiffen nnb SBoQen jngleid^ in 93etrad^t ju jiel^en.
•— 9lun, maS t)on ber ^l^ilofopl^ie nnb überl^aupt von
ber SEßiffenfd^aft gilt, erüärte ^onratl^, baS Id^t ftd^ mol^r«
1x6) mit größerem Üted^te auf bie ftunft anmenben; benn bei
biefer ift baS ^tmüt baS entfd^eibenbfte 3)tontent.
— S)anad^ n)ürbe man alfo bered^tigt fein, fagte fSnU
piu§, ani ber übergroßen etl^ifd^en ^ol^eit, bie unS au§
Seetl^ooenS 2:onbi(^tungen entgegenftral^tt, ol^ne weitere ^tt^
mittelung auf bie große @eeIen]^ol|eit feineS Cl^aralterS einen
fidleren @d^luß )U ^iel^en. Bene, me hercule!
— @ang entfd^ieben! unbefd^abet ^l^reS ^erluIeStumS^
befräftigte (Sbgar lad^enb. SBaS ift benn bie Urfad^e, baß
felbft unfere beiben 3>id^terfürften auf geft&l^Ite 9laturen nid^t
fo äbem)&Itigenb unb nad^l^altig einn^irten? Seil il^ren
®d^öpfungen nid^t feiten baS feurig 9R&nnlid^e, ftttlid^
^eroifd^e, großartig 9lftit)e, befonberS bag propl^etif^ Sei^
benbe fel^It. ^ä) fann eS 3^nen faum auSbrüdCen, t)on n>eld^
einem ^reubenraufd^, von mie unoergleid^Ud^em i^fubel iä)
neuUd^ ergriffen n)arb, als id^ folgenben ^[ugfprud^ be8 ge»
banfentiefen ®id^ter8 Otto Submig lag: „SReine airbeit ift
freilid^ mol^l bie ^aitpturfad^e meiner fir&n!lid^teit; id^ l^abe
mir ein großeg S^^ g^f ^^t, nämlid^ : baS m&nnlid^e $rin}i)>
in unfere S)id^tung nid^t aQein, fdnbem aud^ in unfer Seben
mieber l^erein^ufäl^ren, meld^ed ©oetl^e unb Sd^iQer gänjlid^
aus il^r l^erauggetan. ^^xt $oefie umfaßt nur eine @eite
ber menf^lid^en 9latur, bie meiblid^e, bag ift: bie £ugenben
il^rer gelben ftnb m^ativ, meiblid^e: t^affung, Slnftanb;.
SS^ärbe; aber fär bie Slffette, bie ftant bie mad^eren nennte
ift fein Pa^ bei il^nen, fomol^l in il^rer pajng, alg in il^rer
•--^
— 209 —
Xl^eorte. 2){e S^iQerfd^e $^tlofo|)]^ie fennt nur eine Stt
menfd^Iid^er ®t&%t, bie pafftoe. Stlax voxxh ^r, toaS id^
meine^ bnt(i^ bie eine ^age werben: Jtannft 2)u S)ir 3. SB.
Sutl^er von Sd^iQer ober @oet]^ bel^anbelt beulen? @ie
n)firben feine utdnnlid^e ®rd^e in eine n>eibU(l^e ©rdjse l^aben
umu)anbeln ntäffen, um i|n junt gelben eineS StficIeS
brausen ju !dnnen. aber baräber ein anbermal; id^ n^oDte
nur fagen^ ba§ fold^ ein neueg Seben, baS man ber Station
)uu)enben mSd^te, erft in uns felber }ur SS^irüid^feit hut^^
!&mpfen mu^^ unb bajs ein fold^er Stampf eine 9liefemtatur
Derlangt." 60 weit Otto Subwig. 2)aS nenne ^.^ mir
bod) einmal einen ®ebanfengang einer malirl^aft l^clben«
fäl^nen (Seele.
— ^m uollen (Srnfte! fagte ^reimann; bie Sleul^eit biefer
Submigfd^en ^bee erfaßt mid^ mit !r&ftigem Urbel^agen, ob»
mol^l td^ mir nid^t oerl^el^len mag^ bag er unferm propl^etifd^
begeifterten (Sd^iller bamit bod^ ein menig }U nal^e tritt.
Ol^ne t)om maleren 9Befen beS ,,männlid^en ^nji^^S" geloftet
iu l^aben, bid^tet man meber eine ;0^ngfrau dou Orleans,
nod^ etma einen SSßill^elm XeQ. über bie Submigfd^e ;9[bee
bleibt barum nid^t weniger gro^. Seld^ ein genialer SBinf
ift bamit ben fd^affenben ®eiftern aOer kaufte gegeben!
— 3)ad^te id^'S mir bod^, ful^r SQBittig fort, ba§ Sie
biefe Submigfd^e :^bee mit freubiger (S^mpatl^ie begrüben
mürben. SBaS nun aber ber 3)id^tlunft oerfagt blieb: bie
!änftlerifd^e SBerflärung ber l^ol^en m&nnlid^en ^htt ju
fd^affen, baS DoQbra^te in ber @d^n>efterlunft SRuftl Submig
Dan ^eetl^oten im l^Sd^ften 9Ra^e. Unb il^m mujste ein f
l^ol^eS 9Berf gelingen, weil er bie gemaltige 9liefennatur
befajs, um bie m&nnlid^'fr&ftigen ;3been aud^ im Zthtn in
Qermirllid^en.
— %6), wenn mir bod^ nid^t fo armfelig fd^mad^e SRen*
fd^ennaturen mdren! rief dou (Sid(ingen mel^mutSooQ anS.
3)a^ mir bod^ bie Araft bef&jsen, ben leud^tenben Snuftern
— 210 —
ed^ter SRenf^Iid^fett nad^juleben! (&i mfi^te bann bod^
troftret^er in btefet Sßelt beS (Sd^einS ausfeilen.
— ©olci^c fld^ aus ber Siefc ber SRenfd^enbruft empor*
ringenbe ftlagen, fagte barauf ^onratl^, bleiben xoai^tlid)
nid^t ol^ne ^il fftr bie Seele. (Seelenl&uterung mn^ bie
Sofnng ber erlöfungSbebärftigen äRenfd^l^eit bleiben. 3)ie
fd^dpferifd^e ®abe ift ein felteneS ®nabengefd^enf t)on oben;
biefe fann ftd^ niemanb geben, fte aud^ nid^t einmal erfolg»
rei^.nad^al^men; aud^ burd^bringt bau SBefen ber fd^öpferifd^en
Jtunf) nic^t bie ©efamtl^eit ber Sßenfd^en. S)ie Sleinl^eit be§
(Seelenlebens liegt unS n&l§er; fte ift bie l^dd^fte $alme, nad^
ber ein jeber bie l^&nbe auSftred^en barf. 3n ber @eelen«
ISutemng ben l^dd^ften ©eiftern mit Semu^tfein nad^gueifern,
ift nid^t aQein nid^t tdrid^t, fonbern Dielmel^r el^renl^aft unb
fd^led^terbingS menfd^lid^.
— SBortrefflid^ ! rief SBittig. SBSenn bie* aQ biejienigen
Aomponiften bod^ mel^r beben!en moQten, bie ftd^ in eitlem
SBal^ne bemül^en, burd^auS bem Xonmeifter Seetl^ooen na^«
juftreben, m&l^renb fie bod^ bie 9luSbilbung il^reg ^er^enS,
il^reS @emäte3 fo leid^tfertig oemad^l&ffigen. SBurben fte
mel^r an bie Steinigung il^rer Seele ben!en, bann märbe aud^
il^re SDtuftf beffer, ebler unb reiner merben. 2)a§ eS ben
Jtomponiften übrigeng leidet jur SSer^meiflung bringen fann^
menn er fo ol^ne meitereg SBeetl^ooenS Xonfprad^e nad^al^men
loiQ, baS l^aben am frfil^eften unb fd^önften bie $arifer
SRufiler auSgebräd^t. Sd^inbler teilt eg ung aug bem i^al^re
^1841 nac^ eigenen (Srlebniffen olfo mit: „^ttüfomn leierte
/ ung bie ^oefte ber Xonfunft, feine a)lufif ermedfte in ung
; juerft bag SBemu^tfein ber SBürbe unb ^ebeutung unfereg
j SBerufeg unb nad^bem mir il^n gum Seil begriffen l^atten, er»
I fannten mir aud^ bie ung obliegenbe ?ßf[id)t, bie Verbreiter
\ feiner 3Äufif merben gu follen. ffir ift unfere ^Jreube, aber
aud^ unfere SSergmeifiung, menn mir il^m nad^ftreben moSen."
— 3)ag mar anno 1841. @egenm&rtig aber fd^eint man in
— 211 —
^ariS I&ngft oergeffen ju l^aben, toaS man bet beutf^en ©eifteä-
tnad^t fd)ulbtg ift.
— S)a8 ift ja atleS gang rid^tig, Derfet^te SJulpiuS, aber
ber f otnponierenbe aRuftf er lann nun einmal nid^t t)on See«
t^oven loSfommen. Sßte tntereffant genial unb l^inreijsenb
aud^ Derfd^iebene unS na(^ ^Seetl^ooeh gefd)enfte äRufUgeifter
trfd^einen, tl^re Seud^tfraft l^ftlt ffir un8 ni^t lange vox, Unb
mit ]^et|er <Se]^nfud^t fud^en mir bann mieber baS gelobte
Sanb JBeet]^ot)en8 unb ber flafftfd^en SWuff überl^aupt auf.
%a attein Derfpürt man ben maleren ®eift ber ßmigfeit.
— Um fo mel^r, fprad^ gretmann, möd^te id^ ben Äom*
poniflcn ben 9lat erteilen, ba| fie ein Seben voU ftitter S3e«
fd^aulid^Iett fäl^ren; baS fd^ä^t ebenfo t)or fflat)ifd^er 3la6)^
a^mung mic Dor Originalit&tgfud^t. Sllfo, meine Ferren
Aünftler: befreit eure Seelen vom @tofflid^en, @d^ladtener«
fäQten, fo merbet il^r euer mal^reS ^immelreid^ finben.
— Unb „fo mirb eud^ fold^eS aUeS juf allen" — erg&njte
<£bgar in feierlid^em 2one. — Sluf biefe SBeife müj^U ber
SWuflfer, überl^aupt jeber Rfinftler begreifen lernen, ha% bie
Aunft im l^öd^ften (Sinne nid^t ©elbftjmedf ift, fonbern oiel*
mel^r ein l^öd^ft voxnt^xmi fSflxtUl ptm (SnbgmedC beS 3)afeinS
— nnb baS ift bie ftttlid^e SJeroottfommnung be8 SWenfd^en*
gefd^led^te«. — 3)iefe tiefe 3)lifflon aller Shtnft, iumal ber
aRitftt, mar in SSeetl^ouen ftet8 lebenbig. Ql^m lag bie SSer*
«belung ber üUenfd^l^eit burd^auS am ^erjen — unb burd^
feine aÄujif l^offte er an biefer Sffieltaufgabe mitzuarbeiten.
€o fd^reibt er benn mieber einmal an feinen Sr^l^erjog:
„^dl^ereS gibt eS nid^tS, als ber ©ottl^eit fid^ mel^r als an«
bere SOteufd^en n&l^ern, unb t)on l^ier auä bie ©tral^len ber
@ott]^eit unter ba8 SWenfd^engefd^led^t verbreiten ". — ®lauben
<Sie nid|t, ba^ Seet]^ot>en8 @eele Dom ^amletf d^merje erfüllt
mar, ben tl^m bie Sd^led^tigfeit ber SBelt einbrüdtte? SaSeld^er
SRenfdi, ber bie @enbung iBeetl^ooenS begreift, foQte nid^t an
ben meland^olif(^en 3)anen|)rinsen erinnert merben, auf beffen
14*
:(
— 212 —
<S<i^itIteni eine fo wtfftooU^ Saft rul^te? 9Rit ^amlet mix^it
voo^l aud^ fßttt^ovzn feufgenb ausrufen:
The time is out of Joint, cnised spite!
That ever I wm born to set H rif^t.
(rr^ Seit ifl otti ben ^gen; Sd^mod^ imb Otam,
^at icl^ 3ur äßelt, fle ein§tt¥i(^ten, fasn.")
Sold^ {^amletif^e äBeUfd^mer^gebanfen l^aben aud^ bie
Seeti^otienfd^e Seele oft genug beioegt. Sold^e Stiageergüffe
taufd^te ber 3)tetfter aud^ mit bem eblen 3>i(l^ter (Krillparser
aus, als biefer xf)m feine Opern'3)tdE|tung „äßelufine'' Dor*
legte. S)a Ilagten )n)ei eble Stünftlerfeelen über bie fd^mad^«
DoQen <8ebre^en ilirer 3^it-
— Sie fd[)einen banad^ angunel^nten, benterfte ^reimann^
bag fid^ 93eetl^OT)en feiner boppelt l^ol^en iSenbung bewußt mat.
— 3n feiner fpdteren S^xt Qtn>x% erwiberte (Sbgar. 3)aS
n)&re übrigens ein eigenartiges, anregenbeS Jtapitel, Don
SSeetl^ooenS ^ropl^etennatur ju reben. 2)o^ baS mxfl xä)
Q})ntn ein anbermal in gebül^renber SluSfül^rUd^Ieit t)ortragen.
3n ber reifften Qtxt feines Gd^affenS toax bie l^ol^e SEBelt^
anfd^iauung, bie fid^ biefer ®eift mit unenblid^er SRül^e an«
geeignet l^tte, fo ganj unb gar in fein muftfoIifc^eS ^^eif^
unb SBlut übergegangen, ba^ feine Xonfprad^e jene propl^e»
tifd^^erl^abenen Sßeltibeen in ffinftlerifd^er 93erfl&rung oer»
lünbete. Unb biefer SSeetl^ooen fd^rieb nod^ in ber legten
(Spod^e feines SebenS einmal an feinen 93erleger @d^ott in
aRain): ,,3ft eS mir bod^, alS ^&tU id^ !aum einige 9loten
gefc^rieben''.
— Saffen biefe SBorte nid)t in einen Slbgrunb oon SBeiS«
l^eit blidCen? fagte SSuIpiuS. Slber meine lieben JtoQegen in
älpoQo! — f)a, i)a\ — 2)ie aUermeiften oon il^nen l^dben eS
rid^tig fo meit gebrad^t, ba§ fte üBeetbooen einen guten SRann
fein lajfen. 3)afür {inb fie aber gan} in ber (Erbfünbe ber
93dller unb ber 3^iten befangen, bie fte antreibt, !ned^tifd^
bem 3^itgefd^mad!e )u l^ulbigen.
— 218 -
— 2)aS ift eine trautige SBal^mel^mung, beirdftigte
aSittig. SEBieanberS aber fprid^t bie loal^re itünftlermaj[eft&t
93eet]^ODeng: „3)ie Seit ift ein Jtönig nnb fle wid ge»
jd^meid^elt fein, foQ fie fid^ günfÜg jeigen« S)o(i|^a|^£sJSttnft
ift eigenftnnifl, I& gt jid^ nid^t in fd^meid^elnbe formen jw&n«
gen!*" Unb weiter lefen voit in beS SReifterS Aont)erfation8«
J^eften: „W>tx bem ®eift feiner 3^^^ nid^t nad^geben! fonft
ift e§ mit aOer Originalit&t auS. — ^i) !ann meine SBerle
nid^t nad^ ber äftobe meißeln unb jufd^neiben, mie fle'3 ^ben
sooUen; boS 9leue unb Originelle gebiert fid^ felbft, o^ne ba^ l
man baran benft". y
— 3Ran foUte eS bod^ foum fär glaublid^ l^alten, fprad)
barauf ^onratl^, ba^ geleierte ältuflier, bie f old^e 9udfpräd|e
^eetl^ooenS bod^ mol^l !ennen m&ffen, unoerbefferlid^ in il^ren
93erunglimpfungen gegen baiS Sd^affen beS SVleifterS f ortfal^ren.
SBie Yed( man feine le^te Sd^affenSperiobe mit ben 93einamen
be§ „SSermorrenen, Unllaren, ^inftem unb 3Birren^ belegt!
iBie man fo DieleS, voaS man ju begreifen unf&l^ig ift ber
@tarrflnnigleit unb Originalit&tSfud^t SBeetl^ot^enS beimißt!
SBer eg nid^t oerftel^t, ber foQte boc!^ menigftenS ben ^u^e«
rungen be8 mal^rl^eitSliebenben SReifterS bie nötige Sd^tung
sollen unb — fd^meigen, anftatt eine fo einjige ©eifteSgrd^e
mit t&ppifd^ freoelnber ^anb antaften.
— 3)ag laffe id^ mir gefallen, ^reunb ^onratl^! rief
Gbgar freubig au8. 9Da| SBeetl^ooen jid^ um leinerlei Suxti^U
meifungen Donfeiten ber ftritifer !fimmerte, barf un8 nid^t
mel^r munbern. <Sr ful^r fort, auSfd^liejsKd^ ber Stimme
beS in il^m mirfenben (SotteSgeifteS )u folgen. Unb aQe
e^ten Seigrer ber 3)^tenfd^]^eit befa^en biefe l^ol^e (Sigenfd^aft.
3d^ erinnere Sie, um ein Seifpiel auS bem Slltertum su
^^htu, an einen 3ug auS bem Seben be8 (Suripibed. tiefer
mürbe einft befd^moren, eine Stelle einer Xragöbie umiU'
önbern. 3)a trat er auf bie SBül^ne unb fprad^ bie benf^
mörbigen SBorte: „er fei ba, baS 93olI }u belel^ren, nid^t aber.
— 214 —
^d^ wm SSoIte belehren ju laffen". 3^ gleid^em ©elbftbe«
lott^tfein mirb S^et^ooen burc^ feinen l^ol^en SebenS« unb
Jtnnftabel bef&l^gt.
— 3e^t enbtid^, bemerlie 93ttlptu8, fielet man immer
florer, ba| Don einer !än{tlerifd^en SBiOtfir bei Seetl^ooen
nid^t bie 9lebe fein !ann^ baf fid^ aUeS orgonifd^ auS ber
muft!alif(i^en 3bee l^erauS entmidCelt, — nnb felbft bann,
xoenn in unnnterbrod^ener i^olge unj&l^Iigemal ein nnb haS^
felbe 9Rotit) ober irgenb eine SEBenbnng ertlingt, fprid^t man
gegenmdrtig nid^t mel^r oon SßiQfür, fonbern wn |)oetifd^
tiefer SBal^rl^eit
— 9[ber, meine ^enen, f?>ra^ f^reimann, Sie fd^meifen
t)on nnferem eigenüid^en Sl^ema ab, inbem ®ie ftd^ in @e»
banfen über ^Seetl^ooenS Sd^affenSmefen verlieren. Saffen @ie
bie $9gm&en ober bie Uneingemeil^ten an SSeetl^oven l^emm»
Serren, fooiel i^nen beliebt, — ung foU feiner nnfer (Soan»
gelinm rauben. SBielmel^r mfinfd^e id^ nod^ immer oon ^r«
}en, ba^ nnfer ^reunb Sßittig unS auS bem reid^en SSorne
feiner SSeetl^ooen-ftenntniS nod^ einige rebenbe d^^^gniffe bei^
9ReifterS felbft oorfäl^ren möd^te, bie unS befr&ftigen mftffen,
bajl SBeetl^ooen fid^ fär berufen anfal^, fein manneSfrdftigei^
^rinjip aud^ im £eben vertreten gu mfiffen.
— 3Jlan6) eine Seetl^ooenfc^e ^ugerung liierüber, verfemte
®bgar, l^abe id^ ^[l^nen^ mofern aud^ meine Erinnerung nid^t
tdufd^t, mol^I fd^on t)orgetragen. (Sin neueS berebteS Qtvi%n^
oon feiner SebenSfenbung gem&l^ren bie ^Briefe an feinen über»
aus geliebten Steffen, — biefe erl^abenften 3)en!male feines
(SbelftnneS, feiner ©eelengrS^e unb SiebeSfüQe. Einmal f d^reibt
ber }drtUd^e 93ater«Ol^eim alfo: „Unfer 3^italter bebarf
fräftiger Eeifter, bie biefe üeinfüd^tigen, l^eim?
tüdCif d^en elehben Sd^ufte oon SRenfd^enf eelen geijseln,
fo fel^r fid^ aud^ mein ^erg, einem ^enfd^en mel^e }u
tun^ bagegen fträubt." äSeetl^ooen liebt bie SRenfd^l^eit
über atteS — barum mu§ er in feiner f elfenftarlen (Sitten*
— 215 —
ftrenge il^re Safter tief oerabf^euen. Set tetnfte 9)tann mu|te
felbft in feiner n&c^ften Umgebung an feinen SBIut§t)ern)anbten
fo Diel Unreines wal^rnel^nten, baf fein (&tmüt fd^n^er unb
immer fd^merer bavon belaftet marb. (Sr fftl^It bie l^eilige
^id^t in fld^^ gegen aQeS @d^led|te, unter meld^er ®eftalt
im Seben e8 aud^ auftreten mdd^te, unerbittlid^ ansufdmpfen.
— Unb bo^, fagte S^^^^wann, verbreiten fo uiele bie
%xfx(f)t, SBeetl^ODen l^&tte Don ben SRenfd^en unb il^rem ganzen
treiben gar feine Sloti) genommen, er l^dtte nur in feiner
ftunft gelebt.
— 2)iefe 2^uU, erfl&rte (Sbgar, mdgen oiel miffen unb
Derftel^en, aber fte mögen jid^ bod^ t^ nid^t räl^men, einen
Seuerfopf mit SBeetl^ooen gu begreifen, ©einen lebl^aften
®eift befd^&ftigte mal^rlid^ nid^t feine gdttlid^e Jhtnfi aQein,
melmel^r aQeS, maS SRenfd^engemüter, namentlid^ maS ben
aSoItegeift bemegt. ^oUtifd^e, ooIfSmirtfdiaftlid^e, felbft
religidfe i^fbeen erregten in nid^t geringem iSla^t fein teils
paffix)e8, teils aftiueS 3fntcreffe.
— SKud^ um bie SReligion fottte ftd^ SBeetl^ooen ge«
fümmert ^ben?, fragte 93utpiuS erfiaunt. Sefanntlid^
beobachtete ber äReifter über Objlefte ber 9leligion ein un«
oerbrüd^Iid^eS StiUfd^meigen, mie er'S |a nad^ @d^inblerS
SRitteilung auSfpra^: „bajs 9leIigion unb @eneralba| in
fxd) abgefd^Ioffene 3)inge feien, aber bie man nid^t meiter
biSputieren foße." ^agbn nannte il^n ja gerabeju einen
ältl^iften; na^ ber SReinung anberer l^&tte er ftetS bem
Sll^eiSmuS gel^ulbigt. Sßie reimt fid^ baS aQeS mit ^^xtx
SBel^auptung jufammen?
— ^l^nen ein erfd^öpfenbeS 9ilb oon Seetl^ooen als
religidfem äRenfd^en ju entwerfen, mfirbe unS }ftnU gu meit
fäl^ren. 2)iefeS mid^tige Xl^ema oerbient eine eigene fär ftd^
beftel^enbe (Erörterung, ^ier nur fo oiel, ba^ SSeetl^ooen
eine burd^auS religiöfe 9latur t)on jener feltenen tief d^rift*
lid^en SpejieS mar, meldte bie ©ottl^eit ,,im ®eifte unb in
— 216 —
ber SBol^rl^eit" oecel^rt^ unb ba^ ber gereifte SRonsi mit immer
l^eiligerem Semfil^n ber notmenbigen „9lad^foIge Cl^rijÜ"
eingebenf mar. — SSeniger bürfte ^ freilid^ belaiint fein,
ba| ber SDleifier in fd^dner SBSeife feinen Sinn för religiSfe
aSoSSergiel^nng bet&tigte. Stn^ baS ift a&ti inSd^inblerS
^eetl^ovenbiogropl^ie jn lefen. (El^riftian (StnrmS Sd^rift
^Setrad^tnngen über bie äßerte @otte8 im 9tei(l(>e ber
Slatitr unb ber 93orfel|ttng auf aUe Xage beS ^df^xti", ein
9u^, baS nor bem mobemen, riefengro|en äuffd^munge
ber 9laturmiffenfd^aften aDerbingS laum no^ beftel^n iann,
ge^drte gu beS SÜeifterS auSerlefenften Siebling86ftd^ern, meil
tS feiner gUl^enben Siebe ju 9latttr unb gu @ott reid^en
^lal^runggftoff barbot. — (Sin munberfam religidfer @eift
tdnt bem ÜReifter auS Um noEen, frif^en 9laturleben l^er»
t>or; biefen @ott in ber Slatur offenbart am l^errlid^ften bie
ib^Qifd^e unb majefidtif^e ^rad^t ber ^aftoralf^mpl^onie.
(Sd^reibt bod^ aud^ SBeetliooen einmal ber jungen Iiebrei}enben
2:^erefe SRalfatti: „3Bie glödlid^ ftnb (Sie, ba^ @ie fd^on
fo fräl^ aufs £anb lonnten. CSrft am 8.*) !ann x^ biefe ®IM-
feligfeit genießen, ftinblid^ freue id^ mid^ barauf. 9Bie fro^
bin id^, einmal in @ebäfd^en, SCB&lbern, unter ^üumen,
Kräutern, {Reifen manbeln }U fönnen! ^ein aSenfd^ lann
baS £anb fo lieben mie id^. @eben bod^ Sßälber, ^&ume,
f^elfen ben äBiberi^aQ, ben ber iDtenfd^ mänfd^t!'' Unb ein
anbermal mieber an ben 93erleger 9(rtaria:\9)tein unglädC*
feligeS @e]^dr plagt mid^ l^ier nid^t. 3ft tS hoi), al8 menn
ieber Saum auf bem Sanbe ju mir fpr&d^e: l^eiltg, l^eilig!"
— ^od^ laffen ®ie mid^ jum @turmfd^en Sud^e 3ur&d(«
fel^ren^ Seetl^ooen l^atte ben fel^nlid^en äBunfd^, ba^ biefeS
93ud^, meil eS 9leligion unb 9laturerfenntniS ju vermitteln
Derftanb, (Singang ing ißoltSleben gewinnen möd^te; er oer»
fprad^ fx6) baoon baS fd^dnfte ^eil für bie ftttlid^e (Ergiel^ung
be8 golfeg. S)er SJleifter lie^ eS nid^t beim SBünfd^en be«
*) @tiDa im Salute 1809.
— 217 —
loenben. — S)te melen S^xt^^, bie er auf bem Sanbe oer»
lebte, tierfd^afften if^m ret(i^e (Helegenl^eit, mit Sanbpfarrern
in Seiäfel^r git treten. SEBieberl^oIentlid^ mad^te er biefe auf
haS Stumtf^e (fobonungSbud^ aufmerffam, empfal^l il^nen
fogar, manc^n fär bie ftonsel geeigneten 93ortrag3ftoff
barauS ju fd^ö|)fen, bantit fte nad^ bem @otte8bien{te als
ed^te ®eelforger mit bem SanbooKe barftber reben lönnten.
— älQein ber gro^e ?ßrop]^et äSeetl^oven prebigte — gleid^
bem einfamen ^rebiger in ber Süfte — l^ier vox falfd^en
^^xop^titn beS göttlid^en 9BorteS. 91IS il^m nun einmal ber
Pfarrer ju 3)ldbling mnb l^erouS er!l&rte: „Unfer fßoll
brandet oon ben (Srfd(|einitngen am ^irmamente nur ju
miffen, ba^ Sonne, SRonb unb Sterne auf> unb nieber*
gel^en^, ba mu^te ber (Sif er unfereS ^eiligen mol^I erfalten ;
aber tS regnete oft genug SarlaSmen über ^faffentum,
3)umm^eit, 93erbummung, über bie ,,3)eutungen ber unbe*
rufenen 9(|>ofteI, bie fid^ mit ganj anberen SRitteln als mit
bem (Soangelium fortl^elfen". Unb ber Sd^mei^ über bie
Sd^mad^^eit beS SRenfd^engeifteS fenfte fld^ tiefer unb tiefer
tn bie erl^abene Seele ^eetl^ooenS.
— Sßie ergriffen Sie mit einem SRale baftel^en!, rief
t)on Si(fingen in 93emunberung auS.
— Sie entl^üQen unS ober aud^ immer fd^önere 3^8^
aus bem unerfd^dpflid^en SebenSborne Seetl^ooenS, bemer!te
^reimann.
— Unb bod^, fprad^ (Sbgar meiter, mad^t man fid^ erft
eine redete SBorfteQung von ber Sfliefenfraft biefeS (SeifteS,
menn man eingeben! ift, meld^ eine unenblid^e SebenSlaft il^m
bie neibifd^en S)ämonen mit ber Srtötung feines äußeren
®ifyit8 entgegengemdlgt Ratten. 3)er ,, taube SRuftfant"
mu| barum au^ feinen SebenSabenb anberS erblidten, als
anbere l^ol^e @enien. SB&l^renb fonft ber leibenbe @eniuS,
ie mad^tnoller bie Sonne feineS SRul^mS il^re Stral^len oer«
fenbet, mel^r unb mel^r bie ^eiterfeit unb S^ul^e beS ftugeren
— 218 —
Seben8 bei {tc^ einleimten fiel^t^ with eS im SebenSgange
unfereS (KeninS — infonberl^eit bur^ biefeS entfe^l^e fieiben
ber Xaubl^eit — tm fo n&d^tiger^ büfteter, 0ber, j|e tmfterb«
lid^er ftd^ fein @eift offenbart. 9Bie %xo% ntutte bie SDtenfd^en«
liebe in Seetl^ODen fein^ ba in feiner reinen @eele itngead^tet
ber ntannigfa^ften Dualen burd^ boiS @d|i({fal unb bur^ bie
(Srb&rmlid^Ieit ber äRenfd^en bod^ niemals Siegungen beS
aReufd^enl^affeS auf landeten!
— @e]^r mal^r!, befr&ftigte SSulpiuS. Unb bod^ err5ten
Snenfd^en niti^t, einem SSeetl^oiien SRenfd^enm t)or)un)erfen.
— 9ßo eg eine ^elibifci^e ^elbenfraft gibt, bemerfte
^onratl^, ba n)irb aud^ immer baS ®efr&d^e beSXl^erfiteS
bie äRenfd^en erfd^reden.
— 3)effen ®eele, rief Gbgar auS, mnj^ gerabe}u mit
Slinbl^eit gefd^Iagen fein, ber einen SBeetl^ODen aud^ bann
nod^ fär menf^^enfeinblid^ unb ftarrföpfig ^Üt, na<^bem er
baS emig bentmärbige 2;eftament in fld^ aufgenommen, baS
ber Steifter in feinem smeiunbbreiligften SebenSial^re Der«
fagte, (di fein @eift m&l^renb einer fd^meren 5tran!^eit oon
Sobeäal^nungen erfaßt marb. D, id^ fönnte ^i)nm baS
ganse „^romemoria" l^erfagen, fo oft l^abe id^'S gelefen; id^
miU mid^ iebod^ mit einigen Srud^ftädCen begnügen. (&i be«
ginnt alfo: „O il^r SHenfd^en, bie il^r mid^ für feinbfelig,
ftdrrifd^ ober mifantl^ropifd^ l^altet, mie unred^t tut i^r mir,
il^r mi^t nid^t bie gel^eime Urfad^e oon bem, ma8 eud^ fo
fd^einet! SWein ^rg unb mein @inn waren t)on Äinb^eit
an für baS garte ©efül^I beg äBo^lmoQeng. @elbft groge
^anblungen gu oerrid^ten, baju mar id^ immer aufgelegt,
aber bebenft nur, ba§ feit fed^g ^al^ren ein l^eillofer 3u«
ftanb midi befaflen, burd[| unoernünftige trjte oerf^limmert."
gerner: „3Jlit einem feurigen, lebl^aften 2;emperament
geboren, felbff empf&nglid^ für bie 3erftreuungen ber ©efeß«
fd^aft, mu§te id^ frül^ midEi abfonbern, einfam mein Seben
jubringen." - — Unb weiter: „Äd^, mie m&re e8 möglid^.
— 219 —
ba§ id^ bte @d^iü&d^e eines Sinnes angeben foQte, ber bei
mir in einem DoQfommneren @rabe fein foQte olS bei an«
beten, einen ®inn, ben id^ einft in ber l^dd^ften 93oQfommen«
l^eit befaf , in einer äioQfommenl^eit, mit ifyn n>enige von
meinem gfad^e gemi^ ^aben, nod^ gel^abt l^aben. O, itS) fann
es nid^t." ferner: „Sold^e Sreigniffe brad^ten mid^
nal^e an SSerjmeiflung, eS fel^lte menig, unb id^ enbigte felbft
mein Seben. — 3lur fte, bie Äunft l^ieft mid^ jurüdt! Sld^,
eS bünfte mir unmögUd^, bie Sßelt el^er gu Derlaffen, bis id^
baS aQeS l^eroorgebtad^t, rnogu id^ mid^ aufgelegt ffil^lte.
Unb f b friftete i^ bieS elenbe Seben, f o n^al^rl^aft elenb, ba^
mid^ eine etmaS fd^neQe 93er&nberung auS bem beften Qn»
ftanbe in ben fd^Ied^teften x>erfe^en !ann." f^erner biefe
l^immlifd^e Stelle: ,,®ottl^eit, bn flel^ft l^erab auf mein
3nnereS, bu !ennft eS, bu mei^t, baf SRenfd^enliebe unb
9leigung tum SBol^ltun barin l^aufen! O, SAenfc^en, menn
il^r einft bieS lefet, fo benfet, ba^ il^r mir Unred^t getan,
unb ber Unglädtlid^e, er trdfte fid^, einen feineSgleid^en ju
ftnben, ber tro^ aQen ^inbemiffen ber 9latur bod^ no^ aQeS
getan, maS in feinem SSermögen ftanb, um in bie Stetige
mürbiger ^ünftler unb SReufd^en aufgenommen ju merben."
3)ann auc^ biefe SQSenbung an feine SBräber: „(&mp^tH)Ut
euren ftinbem SCugenb, fie nur aQein fann gtädHid^ mad^en,
ni4it @elb. Q6f fpred^e auS (Srfal^rung. Sie mar eS, bie
mid^ felbft im (Slenbe gel^oben; il^r banfe id^ nebft meiner
Aunft, ba^ id^ burd^ feinen ©elbftmorb mein Seben enbigte."
— (Snblid^ nod^ bie f d^öne 9lad^f d^rift : „So nel^me id^ benn
Slbfd^ieb von 2)ir — unb jmar traurig, ^a, bie geliebte
Hoffnung, bie id^ mit l^iel^er nal^m, menigftenS bis gu einem
gemiffen ^unlte gel^eilet ju fein, fte mu% mid^ nun gftnslid^
Derlaffen."
„fS&k bie Blätter beS ^erbfteS l^erabfaOen, gemeßt ftnb,
fo ift aud^ fte fär mid^ bärre gemorben. ^aft mie i^ l^ie^er
fam, gel^e idE| fort; felbft ber frol^e iDhtt, ber mid^ oft in ben
— 220 —
fd^Stien ®oittmertageii befeelte, er ifl vecfd^tounben. —
O 93orfe]^ung, la^ einmal einen reinen 2ag ber f^reube mir
erf deinen! Solange fd^on ift ber maleren f^reube inniger
SBiberl^aQ mir fremb. 9Bann, o mann^ o Oottl^eit! lonn
ii) im Xemi^el ber Statur unb ber SRenfd^en il^n mieber
fül^Ien? 9lie? nein, eS m&re ju l^art!''
®o fd^Iie^t baS 93efenntniS biefer fd^önen Seele, bie
mit ben Sßeltfreuben abgefd^loffen l^atte. 3>ie traben S^mtn»
gen trogen bem SHeifter nid^t. 9lur wenige ooUe ^renben«
tage l^at fein fp&tereS Seben auf}umeifen.
— SBeld^ ein l^eroifd^er Wtat, fprad^ barauf ^eimann,
mu^U in SSeetl^ooen tl^ronen, ba| er tro^ fo unf&glid^er
Seiben, bie {td^ burd^ einen faft breif igjdl^rigen Q^xttcatm
wie ein freffenbeS ®ift l^inburd^manben, unmanbelbar feinen
Xitanenftol} bel^aupten lonnte!
— Über beS a^eifterS eingigeS üRi^gefd^idt, na^m 93ul«
piuS boS SBort, mad^t ber einft fo einflußreiche Submig
SteUftab eine oortrefflid^e 93emerlung. (Srfagt: „Seoormir
nid^t von einem in ber ^if^e ber üebenSfraft erMinbeten
IRof^l^ael 3U ers&l^Ien l^aben, mirb ^eetl^o^en feineSgleid^en
an ^eil unb Unl^eil in ber ftunft« mie in ber SBeltgefd^id^te
nid^t flnben.'*
— 9(ber gumeilen, betonte (Sbgar, brol^te bie b&monifd^e
ftraft biefeS UnglüdtS au6) ben ftarfen ^eetl^ooenfd^en (Seift
ganj banieberjubeugen. 3Bie einfd^neibenb erg&l^len baoon
93riefe an 9iieS, SBegeler, SKmenba unb anbere! 9Bie mnj^
ftd^ fein ®eift immer gemaltfam aufraffen, um nid^t gang
ben jerjleifd^enben AraQen biefeS Ungemad^S anl^eimjufaDen,
bis enbUd^ mieber feine moralifd^e Xopferleit ben ^elbenfieg
baoontr>! 9Bie troftreid^ unb mie anfeuernb muj^ baS
genaue 93erfolgen biefeS eigenartigen SebenSfampfeS fär unS
werben !
@intge l^ierl^ergel^drige ^rieffteQen !dnnen Sie immer nod^
anl^dren. 3)er 9)tetfter fd^reibt an feinen ^reunb äBegeler:
— 221 —
o3^ l^abe fd()on oft mein S)afein oerflttd^t; ^lutar^ l^at i ^
mid^ }ur SReftgnation gefül^rt. i^^d^ lüiQ, TDenn eS anberS I r)
mSglid^ ift, meinem Sd^iclfole trogen, obfd^on eS Xugenblitfe
meines SebenS geben mix:b, mo id^ baS nnglütfltd^fte @efd^öpf
OotteS fein merbe/'
Unb ein anbermal, im Oal^re 1801: „^u lannft e$ \ ^^
!aum glauben^ mie öbe, mie tranrig id^ mein Seben feit }mei | f
^dffttn jngebrad^it: mie ein ®efpenft ift mir mein fd^ma^eg
©el^dr überall erfd^ienen unb id^ ^o^ bie SRenfd^en^ mtt|te
Snifantl^rop fd^einen unb bin'S bod^ fo menig."
gerner: „ol^ne biefeS Übell O bie aan?ie SEBelt n?i^ll te.
id^ nmjpannen, von biefem frei.""^ „SRur l^albe 93e* /
freiung t)on meineW ftbel UHFFann — al8 DoUenbeter, reifer f
Mann, lomme id^ )u eud), erneuere bie alten greunbfd^aftS*
gefällte. ®o glädttid^ als eS mir l^ienieben befd^ieben ift,
foUt il^r mid^ feigen, nid^t unglfidtUd). tRein, baS lönnte id^
nid^t ertragen, i^ miU bem Sd^idCfal in ben 9lad^en greifen ;
ganj nieberbeugen foQ eS mid^ gemijl nid^t! O, e8 ift fo ))/
fd^ön, baS Seben taufenbmal leben!" — '
— Qa, fagte ^onrat^, mir l^aben unfere immermd^renbe
^eube am taufenbf&Itigen Lebensbaume biefeS l^ol^en ®eifteS;
aber iDie feiten bebenten mir, ba^ fooiel !oftbareg Seelen*
blut an biefen ^eiligen 2;onreliquien l^aftet.
— 2)arum, bemerfte f^reimann, bejt^t aud^ SBeet^ooenS
tiefe SeibenSfprad^e im l^öd^ften 3Ra%t bie Straft, unfere
®eifter gu tl&ren. ©eine fieiben ftnb unfer Segen.
— 93ergeffen mir aber aud^ niemals, fprad^ Sßittig
feierlid^en 2loneS, mie unenblid^en 3)ant unfere Seele biefem
unfterblid^en ©eniuS fd^ulbet. — S)od^ oernel^men Sie, mie
ber SReifter jel^n ^df)x^ fipdter bemfelben ^eunbe flagt:
„%oä) ii) m&re glädClid^, oieUeid^t einer ber glädtlid^ften
Stenf^en, menn ni^t ber 3)&mon in meinen Clären feinen
älufentl^olt aufgefi^lagen. ^&tte ic^ nid(|t irgenbmo gelefen,
ber SWenfd^ börfe nid^t freimiUig fdjeiben oon feinem fieben.
— 222 —
folange er nod^ eine giite %at oerrid^ten -fann, Iftngft tD&re
i^ nid^t mt^x — utib iwat bnx^ mtd^ felbft. — O f o ^^bn
ifi hai Seben, aber bei mir ift eS für itnmer oergiftet"
— 3n biefer anl^tenben ^artl^drigfeit, bie fpdter in
DöKige 2:aub]^eit überging — fagie SSuIpütS —, mag mol^I
aud^ oomel^mlid^ ber (Sntnb für Oeetl^ooenS mürrifd^,
barfd^S unb mi^trauifd^eS äBefen gu fud^n fein.
— älber^ oerfe^te Q^bgor, ®ie fpre^en bieS ja gerabefo
aus, als m&ren biefe (Sigenfd^aften (Bmnbjüge in Seetl^onenS
G^oroÜer. @o ner^&It eS ftc^ burd^auS ni^t. SBielme^r ift
eine gro|e 0utmütigfeit bie @runberfd^einung beS SBeetl^ooen«
fc^en SBefenS« SBenn er aud^ mol^I einmal, gereijt, inS ®egen«
teil umfd^lttg, f o bat er unoer^&ItniSm&^ig mel^r ab, als er in
ber älufmadung begangen l^atte, mie eS jal^Ireid^e 3ufd^riften an
f^reunbe unb ^^reunbinnen überaus fd^dn unb glanjooll bartun.
93on @toI} in ber üblen SBebeutung beS SßorteS, alias wn $od^«
mut ober 3)ün!el mar feine @pur in biefem @eifte Dorl^anben.
SRon erfennt bieS infonberl^eit auS ben aQbefannten Briefen
beS 9ReifterS an feine ^^eunbin (Sleonore oon Sreuning in
99onn, ber nochmaligen (Sattin feineS f^reunbeS äBegeler. —
älUerbingS mar eS bie ^olge feines (Ke^örleibenS, bajl er ju
gemiffen St\im leidet reigbar unb aud^ l^eftigem Soxnt unb
bem ani^trauen leidet )Ug&ngIid^ mar. ^eetl^ooen fd^reibt
über biefe (Sigenl^eit felbft einmal alfo an feinen ©d^üler
unb gfreunb ^erbinanb SlieS: „^ä) ^be bie ®abe, bag id^
über eine SRenge (Sadien meine (Smpftnblid^f eit verbergen unb
jurüdß^alten f ann ; merbe id^ aber aud| einmal gereijt )U einer
3ett, mo id^ empfänglid^er für ben S^^cn bin, fo pla^e id^
aud^ ft&rfer auS, alS ieber anbere."
— (SS liegt in ber inneren ®&rung DuIIanifd^er SRenf d^en*
naturen, meinte r>on @idtingen, bat 1^^ s^^^Üen l^eftig auS«
bred^en unb il^ren Savaftrom über bie äRenfd^enl^&upter
ergießen, adeS nieberrei^enb, maS ftd^ ber feurigen (S^Iut
entgegenftetit.
— 223 —
— SHefer Sßerglcid^ gefällt mir, fprad^ ffibgar; aber gu
itnferm @lü(Ie tDiffen toir, ba^ ein fold^er fiaDafteom auS
Seetl^ooenS ^euergeift lool^l äuterft feiten etioaS SteoIeS
tiieberri^. Shtr au8 feinen 2;onfratern ftärjt eS gujeiten
mit fo elementarer ®emalt l^ervor, al8 foQte baS SEBeltaQ
vermietet werben.
— 3^ glaube, begann barauf 93ulf)iu§ mit jenem eigen«
artigen Sad^en, l^inter bem ftd^ innere SBef(i^&mung t)erbirgt,
bei S'^nen ftel^t 93eet]^ot)en in f o unermegUd^er SSerel^rung
ba, ba| @ie and^ nid^t bie geringfte ®d|attenfeite an feinem
(£f^ax<dtei gngeben mürben.
— ©d^attenfeiten, entgegnete ber Stngerebete, finb freilid^
nid(|t fo leidet an biefem ®eifte ju entbedten. 3d^ l^abe
mand^mal bei gemiffen großartigen (Sl^arafterjugen SSeetl^ooen^
unaufl^örlid^ geftaunt unb bemunberrib baräber nad^gefonnen,
obmol^l id^ mal^rlid^ nid^t fo leidet anftaune. ®ie !ennen
gemi| alle ©ottl^olb (Spl^raim SeffingS ä(ugfprud^ aber
Dr. äRartin Sutl^erS ®röße im jmeiten ^Briefe an ben
^tttn $. aus bem II. Sleile ber @d^riften (1758), morin tS
^eißt: ,,Sttt]^ent3 ftel)t bei mir in einer fold^en SSerel^rung,
ba| ti mir, aQeS mo^I überlegt, red^t lieb ift, einige fleine
äR&ngel an Vfvx entbed(t ju l^aben, meil id^ in ber ä^at ber
©efal^r fonft nal^e mar, il^n ju oergdttern. S)ie @puren ber
Sßenfd^l^eit, bie id^ an il^m ^nbe, finb mir fo !oftbar als bie
blenbenbjle feiner SSolUommenl^eiten.'' @o weit Sefpng. S3ei
äSeetl^ooen nun liegt bie (Kefal^r ber SSergdtterung für unS
nod^ n&l^er, benn eigentlid^e (S^ara!termdngel finb ba faum
auf}ufpären. SAand^erlei Unebenl^eiten, bie fid^ ab unb ju
in beS SReifterS &tbtn bemer!bar mad^en, ftammen oornel^m«
lid^ aus bem Übermaße einer Xu gen b. 3)aS Übermaß ber
Siebe Seetl^ooenS 3U feinem leid^tflnnigen 9lef f en fann allein
unfer gerechtes Stopffd^ütteln erregen. Unb barin liegt baS
3:ragifd^e feineS eigenartigen SebenS. 9Bie ber ^elb ber
Sragöbie baS Unglüdt bamit l^eraufbefd^mdrt, baß er alle
— 224 —
9iüäfxi)Un, fie tndgen nod^ fo bered^tigt fein, feiner einzigen
mit Seibenfd^aft erfaßten SebenSibee opfert, f o vxu^U e8 ber
^b Seetl^ooen bitter bfl|en, ba| ber einzige @ebanle ber
Siebe jn feinem Steffen (die anberen notmenbigen ZthtnS*
rädtfid^ten ani feinem ®eftd^tSfreife 9dIIig verbannte. Sie
oertl&renbe 93uge fär biefe @d^ulb fprid^t flberm&d^tig in
Xdnen iu nnS.
— 9Bie fd^mer aber, fagte l^reimann mit iSitterfeit, l^at
fid^ biefe geringfügige @d^ttlb am 9Reifter ger&d^t.
— 93et)or}ttgte (Seiner, belel^rte (Sbgar, auSerm&l^Ue
Stäftgeuge ber ' göttlid^en SBorfel^ung, mäffen and^ fär il^re
SSergel^en ganj anberd leiben unb bü|en, als anbere ®terb»
lid^e. (Sinjigartig mie il^r ^immelSlol^n ift aud^ il^re (Srben*
ftrafe, moDon il^r großes SSeltberj allein Jtunbe gibt. SHefe
Seetl^ooenfd^e @d^nlb bleibt freilid^ nur auS i^ol^en ibealen
®eftd^tSpun!ten eine fold^e. Sft eS bod^ faft unfaßbar, bei^
nal^e ein pf^d^ologifd^eS Problem, ba^ ein Ol^eim einem
Steffen juliebe, von bem er eitel @ram unb Sd^mad^ l^at^
fid^ felbft martert, feinen eigenen Seib gerabeju {afteit, ba^
er ein mül^felig errungenes 93ermdgen als unantaftbareS ®ut
beS Steffen betrad^tet, m&l^renb er felbft barben unb fd^lie^»
lid^ frembl&nbifd^e ^älfe anrufen mu^. 993o flnb bie SSdter,.
bie fold^er 9luf Opferung für einen Sol^n, felbft menn biefer
mol^lgeftttet ift, fdl^ig erfd^einen, gefd^meige benn, menn biefet
@o]^n unauSgefei^t baS ^aterl^erg beleibigt? — Sud^ (oii
biefer fd^meren Prüfung, bie ftd^ ber SDteifter felbft auferlegt,,
gel^t feine ^elbenfeele geläuterter f^tvoox. 9B3&re bie bem
3)teifter oerliel^ene ©eifteSfraft nid^t fo felfenftarf gemefen:
bie trielen tragifd^en SebenSereigniffe mähten fte fräl^geitig
untergraben l^aben. 9Ran Dergegenmdrtige ft^, mie biefer
ftrenge @ittenrid^ter oon ber ©efal^r ber SBersmeiflung bebrol^t
merben mu^te, als er fo mele unlautere, unfaubere 3)inge
im Streife feiner n&d^ften Senoanbtfd^aft erlebte. — älud^ als
^eetl^ooen oon biefem Steffenalp befreit mar, oerl^arrte et
--1
— 225 —
gegen il^n in ber alten D&tertid^en Siebe; aud^ let^t mitb
faft nid^tS t)on htm für ben teuren 9leffen t^orl^anbenen Set«
ntdgen angerül^rt; ber 9leffe muth^ ber Unit)erfalerbe beS
gro|en O^eintS.
— S08tr feigen, betnerf te ^onrotl^, t^oU ^el^ren ©taunenS
ein, ba^ ein Seetl^ooen ond^ in ber tragifd^en @d^ulb einjig
baftel^en ntuf . 2)enn biefe Sd^ulb geretd^t feinem 2titn
nid^t§befton)eniger jnr (Sl^re, ebenfo mie bie anbere Seite
feiner ebel-tragifd^en (Sd^ulb: ber ftete leibenfd^aftlid^e Stampf
gegen baS ©d^Ied^te in ber SBelt.
— SHe aRenfd^enliebe, na^m 93ul))iu8 baS SBort, ift |a
äberl^aupt ein l^etDorragenber Quq in 93eet]^ot)en9 fieben.
%x9 ifft entf^rogt fein groger äBol^It&tigteitSftnn, ber inbeS
t)on melen n)O^I aud^ ma^loi überfd^d^t n>irb.
— ®a8 mag rool^I fein, entgegnete SQSittig; allein voit
beflt(en voafftf^aft erl^ebenbe Urfunben ton SBeetl^ODenS reid^er
Betätigung in biefent <Sinne. ^olgenbeS fd^reibt er einmal
an SBegeler: ,,9lud^ ^be id^ auf jebe €^ad^e fed^S, fleben
SBerleger unb nod^ mel^r, menn id^'8 mir angelegen laffen
fein n)iQ; man aflorbiert nid^t mel^r mit mir, id^ forbere
unb man jal^It. 3)u ftel^ft, bag eS eine l^äbfdie Sad^e ift,
i. 93. id^ fel^e einen ^reunb in 9lot, unb mein Beutel erlaubt
eben nid^t, x\)m glei^ ju l^elfen, fo barf id^ mid^ nur l^in«
fe^en, unb in lurjer Stxt ift il^m gel^olfen." 9>ann einmal
an feinen @d^üler ^. 9lieS: ,,9Barum t)erbergen ®ie mir
3^re 9}ot? Steiner meiner ^reunbe barf barben, folange
x6) etmaS l^ab."" Unb ein anbereS SRal: „3)arben lann id^ '/i 1^
nid^t feigen, geben mug id^." Sffiie grog, rfll^renb, mal^rl^ft
menfd^lid^ Hingt Beetl^ooenS ©prad^e an ben ftammer«
prolurator Baren a in @ra^, ber ben SReifter für bie
bortigen Urfulinerinnen um 3Ranuftript>ltompofitionen bel^ufS
öffentlid^er Slufffil^rungen gebeten l^atte! 3)a lefen mir einmal:
„Seud^tete nid^t aus bem Sj^reiben t)on i^l^nen bie Slbftd^t,
ben ^rmen su nü^n, fo beutlid^ l^eroor: fo mfirben Sie
— 226 —
mid^ nu^t »enig gelt&nit l^aben, inbem Sie bie Suff orbenuig
an 8ti<^ g(ei<i^ mit QafjUtn belegen. 9Ke^ oon meiner erflen
ftinbl^t an^ lie^ fid^ mein (Eifer, ben armen leibenben
9{enf(i^en mit meiner ftunft }U bienen, mit etmaS onberem
abfinben, iinb eS brandet nid^tS anbereS als baS innere
SBol^Igeffil^l, baS bergleid^en immer begleitet." Unj&l^Iige
Al^nUd^e SDofumente eineS fold^en nnerfd^Spflid^n ^od^fnnS
fdnnte id^ nod^ t^orfül^ren. Unenblid^ ift bie Siebe nnb
malere Sefd^eibenl^eit biefer reinen 9tatur. 99eim Sßol^ltnn
mar er gang ibealer SRenfd^, er badete nid^t an fid^, l^atte
babei feinen ber felbftfüd^tigen 9lebengebanfen, bie fo ]^&nftg
eine Sol^ltat il^reS ^eiligenfd^eineS berauben, ^a, er
fonnte fogar felbft barben, menn eS galt, anberen mol^l gu
tun — fo ebel mar fein ®emfit — SEBer fann e8 vooijl in
ebenfo geredetem Stolje ausrufen, mie iBeetl^oDen oor ben
|9tid^tern tat, alS eS ft^ in bem befannten SSormunbfc^aftS«
I projeffe gegen feine (Sd^migerin^ bie SRutter feines geliebten
I 9leffen, um feinen uermeintlid^en (SeburtSabel l^anbelte! 9Ber
n I eS, mie er, von {td^ bel^upten !ann: ,,aitein 3(bel i{i l^ier
7 \ unb ba!" (inbem er auf {^erj unb Stopf seigte), ber barf ftd^
in Sal^rl^eit STlenfd^ nennen, ^reilid^ mar ein fold^er 9lbel
bamalS ebenfomenig t)on SBebeutung mie in ber @egenmart
Sie bamaligen 9tid(|ter tonnten eS nid^t miffen, ba^ feine
ftolje Unabl^&ngtgfeit feine Seele geabelt unb feinen @eift
erl^oben l^atte.
— 9Bie ftral^lt bod^ ^l^r ganjeS 3lngefid^t oor ©lädt-
feligleit, fagte t)on Sidtingen, menn Sie auS DO&tm ^rjen
einen ^anegprifuS auf ben aQgeliebten äReifter l^alten fönnen!
— 9lun nod^ eine anbere ^rage. SBSar ^eetl^ovenS @emut
iut 9lad^e geneigt? Ober mar er aud^ über biefe faft aQe
Snenfd^en bänbigenbe ©d^mad^l^eit erl^aben?
— 3Rein lieber @idtingen, ermiberte ber Gefragte, biefe
^rage mad^t mir gu meiner 93etr&bniS flar, bag Sie SBee«
t]^ooenS mit bem 9ieligiöfen jufammenl^&ngenben S^bealiSmuS
— 227 —
bod^ noäj nid^t gan} nad^ ®ebfil^r toürbigen. 93on 9la^e
lott^te feine gro^e, engelreine ®eele nid^tö. Stier eS lag in
ber 9latur feiner ibealen ©eflnnung unb feines ganjen fitten«
ftrengen SebenS, 9R&nnern bie tieffte SSerad^tung in seigen,
f obolb fle fid^ irgenbn)ie olS fafd^, untreu, fUtenloS enoiefen
l^atten. Sebiglid^ auS feiner ftoifd^en £ugenblraft ift aud^
fein Urteil aber SRojartS Son :3[uan au begreifen: ,,Sa^
bie l^eilige ftunft fid^ nie jur ^^olie eineS fo ffanbalöfen
@ujet8 entn)ärbigen laffen foQte." 2>asu ntad^t ber SRojart«
biograp]^ Otto ^a})n biefe jutreffenbe Semerfung: ,,3)ie
l^ol^e @ittlid^!eit, nield^e ber gro^e Mann (Seetl^ooen) im
2iben wie in ber jtunft unoerbrüd^lid^ hvx>af)xU, n)irb man
aud^ in biefem ätuSfprud^e el^renb aner!ennen, er l^&tte eine
f old^e Oper nid^t lompDnieren Idnnen, ol^ne ftd^ felbft untreu
ju werben." SBel^e bem, ber fi^ ^olfd^l^eiten gegen
h^n SReifter erlaubte! ^ebeiS 8txä)tn einer fold^en ®efinnung
loarb unerbittlid^ geal^nbet. S)a mod^te eS nun ein S&rft ober
ein 3)iener fein — baS galt ber SBeetl^ooeufd^en ®ered^tigfeit§*
liebe glei^l, 9lur t)ermi|t man babei jumeUen größere 9Rilbe
in ber $orm. (Sinmal, x>or ber erften Slufful^rung ber neunten
^^mpl^onie, mu^U ^eetl^o^en annel^men, ber ®raf Wloxx^
Sid^nomSfq, @d^inbler unb ©d^uppangigl^ l^&tten i^n
l^intergangen. Sofort erlief er an ben @rafen folgenbe
bünbige 9lote: „f^alfd^l^eiten Derad^te id^, befud^en ®ie mid^
nid^t mel^r. SSabemie l^at nid|t ftatt. 93eet]^OQen." ä^l^nlid^eS
miberful^r ©d^inbler unb (Sdiuppanjig]^, bem berül^mten @eiger.
Sro^bem fam aber balb mieber eine SSerfdl^nung juftanbe. —
S)a| SSeetl^ooen bei fold^en 9lnl&ffen gar fein ^nfel^en ber
$erfon gelten lieg, erfäUt un8 mit tiefer (Sl^rfurd^t. Qn
fold^en l^od^ernften 9lugenblid(en ftanb er gans unter bem
ftberm&d^tigen (Sinfluffe beS ©eifteS aSer $eilig{eit. SBie
ieber abfolut für bie ©ered^tigleit eintretenbe SRenfd^, mar
aud^ er in fo meil^eoollen iDtomenten SteQoertreter ^otteS
auf Srben. <Sr ift bann mie ^ileam, ,,ber äRann, bem
15*
— 228 —
bie Xugen geöffnet flnb". „dS faget ber ^5rer g5ttltd^er 9iebe^
ber beS Wim&6)tx%tn Of^nbantng flel^et/' (IV. SRofe 24^
SBerS 3—4.) — 2)at aber $0eet]^ot)en8 ®emüt ber felbfllfd^en
9lad^egebanlen gang unfftl^ig n>ar, fd^retbt er einmal ouS*
brätflid^ an feine eble ^reunbin, ^au 9lanette @treid^er:
,,9lad^e übt i<^ nie anS; in S&Qen, n)0 ii) ntu| gegen anbere
SRenfd^en |anbeln, tue id| nid^tS nte^r gegen fte, ali voa^
bie 9lotn)enbigteit erforbert, ntid^ t)or il^nen gu btxoaffxzn^
ober fie t)erl^inbert, n)eiter fVbUi gu tun.'' SBBir n)iffen eS
fogar auS guten OueQen, ba| ber SReifter aud^ feinen er«
fldrten fjfeinben fortful^r, ®ttte8 gu enoeifen.
— 3)aS ifi mir mol^Ibefannt, f|)rad^ t^reimann. SBei
iBeet]^ot)en erftredte fld^ bie iSiebe aud^ auf feine ^einbe.
— (Sinmol unterl^ielt fii) 99eet]^ot)en mit Sd^inbler Aber
ben @rafen ©allenberg, ben ©emal^t feiner einft fo innig
geliebten ®iulietta ©uicciarbi. Qm ^f)it 1823 mar
biefer ®raf ^nfpigient ber Sibliotl^ef am SBiener Stftrntl^nertl^Dr«
tl^eater. dt \)atU fid^ Sd^inbler gegenüber l^dmif^e ^u^e»
rungen über ben Steifter gu mad^en erlaubt, tro^bem i^n
biefer immer unterftfi^t l^atte. 2)ie bamalige Unterrebun^
mürbe in einem ©aftl^aufe fd^riftlid^ gefftl^rt. 3)arin fpric^t
SBeetl^ot^en felbft unter anberem: ,,^6) mar fein unfld^tbarer
SBol^It&ter burd^ anbere." t^erner: ;;II itait toujours mon
ennemi; c'^tait justement la raison, que je fisse tout le
bien que possible.'' S)aS ift mir immer ali ein ^eilanbSgug
be8 Sfteifterg Dorgelommen.
— SBenn man aQe l^ol^en G^araftergüge SBeetl^ooen^
t)orfä^ren moQte, fagte bar auf (Sbgar, fo märbe man 93&nbe
füKen mäffen. (Sr bleibt ber eingig @ro^e, man mag fein
2tbm menben unb breiten, mie man moQe. Stuft eS ber eble
greunb be8 aJleifterg, ber SÄboofat Dr. ^ol^. SBaptift »ad^,
bod^ mit t)oIIem 9ied|te balb nad^ SSeetl^ooenS 2:obe au8:
„Slein 3^9 ii^^^t großen Seele barf tjerloren gelten!"
' — Sie werben utt8 mit bafür f orgen, erfd^oK e8 barauf
— 229 -
launig aus beS fieutnantS 9)^ttnbe. 3)o^ nun, meine e^ren*
TDerten ^^reunbe, eine lurje ^bf^n^eifung inS bacd^ifdie (Se*
biet! 3>a^ f^reunb SEBittig .l^eute nid^t oiel tointt, baS wun»
bert mxif nid^t fonbetIi(i^; er Idfd^t jla feinen 2)urft unauf-
l^örlid^ aus ^Beetl^ODenS reid^em ©eelenqueU: aber ba| aud^
<Sie, lieber ähilpiuS, wn unS anberen in ber ftraft unb Suft
bed XrinfenS gans unb gar auS bem (Sattel gel^oben n)erben^
baS erregt mein (Srftaunen. (Sagt man nid^t, bie Sl^ufiter
feien ein trinIfeligeS 93olt? 9lennt bod^ fd^on ein rdmifd^er
^tor bie SRufUer gerabeju ,,vini avidum ferme genus'^"^)
— $t^ trinfe fonft freilid^ me^r, antwortete barauf
^IpxnS, l^euie aber t)ergeffe id^ über ben SBeetl^ooengefprad^en
fogar bie mir fo fel^r f^mpatl^ifd^e eble ^ald^uSgabe. —
Übrigens trifft jener äluSfprud^ beS Sit)iuS nod^ l^eute baS
9)tuft!antent)oIf.
— A propos, äBittig! fiel l^ier l^onrat^ ein. äßie ftanb
eS benn bamit um SBeetl^ooen? I^rauen unb (Sefang liebte
er, ob aud^ baS britte Objjeft in biefer l^otben XriaS „SEBein,
Beib, 0efang/' ben Sein?
— Seoor id^ biefe Srage beantworte, fagte ber Gefragte,
miäfU id^ mir über SBeetl^ooenS ^egiel^ungen ju ben grauen
bie iBemerfung erlauben, ba^ fein SebenSf^iff aud^ nid^t an
biefer gefal^rooQen Alippe fd^eiterte. Sud^ barin bem&l^rte
ft(^ bie l^olieitSooUe (Sittenreinl^eit feines Sl^aralterS, im
mertmürbigften ®egenfa^e px oielen feiner 3^itg^noffen unb
nod^ mel^r ju mand^en melgepriefenen Jtunftgeiftern ber
@egenmart, ftbrigenS gel^ört baS S^l^ema ,,99eetl^ooen unb
bie f^rauen'' ju meinen Sieblingen; ein anbermal, meine
*) ®iefe SRelnung, bie SioiuS (IX, cap. 80) oon ben tdmifd^en
^pitUtutm, ben tlbicineB ^at, ift Don Dr. (8. 98egeUr in feinen ,fi\ot
^ap^(^ 9{oÜ}en 9eet(ot)enft'' fo bem 9inne entffwed^enb sufammen»
gefeit, (^tttau genommen aber fagtBioiud an Jener ®teKe: «die festa alii
alios per speciem celebrandarum cantu epularum [causa] invitant et
Tino, cnlus avidum ferme id genus est, oneratos sopiunt, atque
ita in plaustra somno vinctos eonidunt ac Romam deportant.*"
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fetten, loerbe x^ fo frei fein, Sie Aber biefeS SiebltngS«
tl^ema )U unterl^alten. — Qnb nun gut Sßeinfrage. ^Seetl^ooen
liebte ben SEBein, ober mit SRa^. SSon unferem 9Rei{ter I&^t
ftd^ burd^anS baSfelbe be]^au)>ten, n>a8 aber StriftoteleS ouS»
gejagt n>irb: „Ser SRann war m&^ig, nt&tig bis jum Über«
nta^" ([jtitpio^ fjv xa&* 6irspßoXi{v). Unb bod^ l^at eB nid^t
an 3nbimbnen gefel^It, bie bent SReifter bie Xrinlfud^t ange«
bid^tet l^aben; mit eS beifipielSweife ber äCrjt Dr. 9ßan)rud^
tat. Sd^on 9B egeler berid^tet in feinen biogropl^ifd^en
9loti)en: „^eetl^oüen lebte im ganjen fel^r m&|ig unb leiner
feiner ^reunbe unb Gelaunten l^otte il^n, fomel mir befannt
gemorben, je beraufd^t gefeiten." 9Rit fenem SBannfiral^le
beS rdmifd^en ^iftoriferS fiber baS meingierige SRuflfer«
gefd^led^t quUte aud^ SBBegeler oft feinen großen ^reunb.
älÖein ba er in il^m eine fo l^errlid^e SluSnal^me fanb, marb
er ber 9)teinung, baf jener SSormurf beS SiüiuS betr&d^tlid^
einjufd^rdnten fei. — 93ei Seetl^ODen ift biefe 9n&|ig!eit um
f ffSf)tx an}ufd^lagen, als er mol^I oon feinem 9}ater fteime
3ur Xrindu^ geerbt l^aben mag. Slud^ feine @ro§mutter —
traurigen 9lngeben!enS — mar eine trin!felige f^rau gemefen.
2)aS bemeift unS abermals, ba$ ein frftftiger (Seift felbft an«
geborene Steigungen jum Sd^Ied^ten burd(i bie ^ol^it beS
ftttlid^ien SBiSenS ber SSernid^tung ju äberliefern oermag.
— 3fl ber aSormurf irgenbmie gered^tfertigt, fragte
barauf ^reimann, ba^ fld^ SBeetl^ooen ffir baS ftunflfd^affen
feiner B^^tS^^^^ff^" 0^ ^^^ intereffiert l^abe? Ö<^ l^abe
fold^e SUogen non nid^t menigen SRujtlem oernommen.
— Unb ®ie l^aben eS geglaubt? lautete bie etmaS oor«
murfSooUe Gegenfrage (EbgarS. 9Bie foQte ber SReifter mol^I
in fo greOen äBiberftreit mit feiner entfd|ieben auSgef>r>en
aQgemeinen SRenfd^enliebe geraten! 9leib unb (Eiferfud^t
lannte er nid^t; biefe 2)&monen fanben feine ^erjenSpf orten
g&n}Iid^ Derfperrt. 9lber nid^t menige iBeifpiele laffen fi^
fär baS birelte Gegenteil anfül^ren. ®o fd^rieb SBeetl^ooen
— 281 —
im ^al^re 18^8 an feinen großen, jel^n ^f)tt dlteren 3^it»
genoffen Sl^ernbini unter anberem folgenbeS: ,,®o f)oä) aa^
3^te anbeten 9Berfe von n)a]^ren Jtünftlern gefd^ft^t n)erben^
fo ift eS bo^ ein walltet 93erluft fäc bie Aunft fein ntua
^robult ^l^reS großen @eifte8 für baS 2:]^eater jtt beft^en.
äBal^re ftunft bleibt unoerg&ngli^, nnb ber n^al^re Jhinftter
^at inniges 93ergnägen an großen @eifte8|)robu!ten. (Sbenfo
bin x^ aud^ entjädtt, fo oft id^ ein neneg 9Berf Don i^l^nen
Demel^me, unb nel^nte größeren 9(nteil baran, als an meinen
eigenen; !ttrg, i4 el^re nnb liebe Sie." Unb an einer
anbeten (SteUe beSfelben Briefes l^ei^t eS: ,>L'«rt unit tout
le monde, mie mel mel^r malere ^nftler". 3)iefe8 ^ntereffe
beS äßeifierS an ben Shtnftfd^dpfungen feiner @enoffen ging
nnenblid^ meit. Jtarl SDlaria t)on 9Beb er liefert ben
gl&njenbften SemeiS bafär. S)iefer ä)teifter t)erbreitete, mie
fattfam betannt ift, in feinen längeren ^al^ren fel^r fatirifd^e
^uSfdQe gegen ^eetl^ooenS Sd^affen. Über bie m&d^tige
A-dttr«@9mp]^onie foQ Sßeber geurteilt l^aben: ,,3e^t l^aben
bie ^straoaganjen biefeS ©enieS ben ^ö^epunft erreid^t, je^t
ift er färS 9larrenl^au8 reif". 3)erartige fogenannte ftri«
tifen maren SBeetl^ooen mit nid^ten oerborgen geblieben. 9lid^tS«
beftomeniger fanb ber gloriofe Jtomponift beS .^^reifd^ä^'^ im
i^al^re 1823 bie ]^er3T)oQfte Stufnal^me bei unferem SReifter.
hieraus offenbart ftd^'S, mie menig ein SBeetl^ooen felbft burd^
bie nnmärbigften Äritilen in feinen erl^abenen ®eftnnungen
beirrt werben fonnte. — 3)ie $ianiftin Sigot, geb. Jti6n£,
^rdulein 9(malie (Sebalb, bie @&ngerin, bie ^aniftinnen
unb Slomponiftinnen Seopolbine Slal^etla unb Sltarie
Sj^manomsifa, f^erbinanb 9iie8, (Sr^l^erjog Slubolpl^,
bie Sjern^S, 9leid^arbt, (Spol^r, 3gn^3 Stofd^eleS,
^ran) Sad^ner, SBdl^m, SRa^feber, Sd^upipanjigl^,
9Rarfd^ner, Stul^Iau, Xomafd^ef, Sn^ber von Sparten«
fee unb oiele anbere l^at ten fid^ ber liebreid^ften Slufnal^me
oonfeiten be8 SWeifterS ju erfreuen.
_ 282 —
— ®o faQen benn, fpra^ t^reimann, bie gegen See«
tl^ooenS $eUigen]^att))t gefd^leuberten SBortoürfe immer mel^r
in i^r leeres, elenbeft Slid^tS jttfammen. S)od^ unter ben wn
Sinnen angefül^rten jt&nftlemamen 9ermi^te id^ ju meiner
iBermunberung ben beS mir fo äberaud teuren SieberlönigS
©d^ubert. @tanb benn SSeetl^ooenS grd^efter Q^iigi^nt^z,
t^fran) @d^u6ert, in gar !einem SSerfel^r mit il^m?
— 5Der l^errlid^e granj ®d^ubert? rief SBittig feurig
aus. @ein ^Begegnen mit SBeetl^oven liefert gerabe ben
fd^dnften 3)en!ftein für bie au6) &u|erlid^ auSgepr>e 019m«
pifd^e SDtaieftät biefeS @rogmeifter8. ~ äBiO man ftd^ eine
rid^tige SSorfteQung Don bem überm&Itigenben (Sinbrude mad^en,
ben beS äReifterS grogartige, gebanlenf d^mere (Srf d^einung in ber
@Ian}epod^e feiner Sd^affenSfraft l^eroorrief, bann tut man gut,
ftd^ etma bie befannte ^abel vom Sömen unb bem f^ud^S
}U Deranfd^aulid^en. 3)iefe ^abel aber l^at folgenben ;3[n]^aU:
(Sin %ni)S empfanb ben lebl^aften äBunfd^, einmal einen Sömen
Don Sngefld^t }u Slngefid^t ju fd^auen. 911S i^m ber 3ufaQ
einft ben Stönig ber Siere entgegenfül^rte, marb er burd^ bie
überm&d^tige Sdmenerfd^einung fo tief erfd^red(t, bag er faft
ben ganzen SebenSatem verlor. 9lur mit groger Slnftrengung
Dermod^te er'8, fid^ burd^ bie ^lud^t bem nieberfd^metternben
%tMxde )u entjiel^en. ällg er jum smeiten SRale in bie 9l&^e
eines Sdmen gebrad^t mürbe, fu^r il^m mol^l abermals ber
jäl^e (Sd^redt in bie (Slieber, aQein nid^t in fo l^ol^em ä^age,
mie baS erfte ä^al. Unb bei ber britten Begegnung l^atte
bie £ömenma|eftclt immer mel^r il^re Sd^red(l)aftigfeit t>er«
loren. 3)er ^ud^S !onnte nun beinal^e in gemätlid^er fRul^e
^en 9liefenbau beS Sömen bemunbern unb ol^ne Slngft feinen
Sßeg fortfe^en.
^^nlid^ mie bem S^ud^fe in ber Isabel erging eS ben
meiften SRenfd^en mit bem S^onlömen Seetl^ooen; freilid^ trugen
nid^t menige 00m erften Sefud^e ein fo nad^l^altig niebec«
bructenbeS ©efu^l baoon, bag fie ber „^ö^le" biefeS Königs
— 288 —
niemals toieber ju naiven wagten. — @o etoa oerl^iett e3
{id^ aud^ mit bem großen ^rans ©d^ubert. Sie änaieft&t ber
SSeetl^ODenfd^en Srfci^einnng l^atte biefen eblen ®dnger ber*
geftalt eingefd^äd^tert, ba^ er faum ein einjigeiS t)oQeä SSort
l^eroorbringen !onnte/ tro^bem in ber ^anptfad^e Slnton
SiabeUi fein f^ärfpred^er mar. Unb gerabe ber freunblid^
geminnenbe^ fanfte Zon beS ®emaltigen brad^te Sd^ubert
ooQenbS nm aQe Sctffung. (Srft brausen tonnte er mieber ju
ftd^ fommen. @eitbem trng ®d^ubert (ein ä)erlangen mel^r,
feinen ^od^oerel^rten SBeetl^pnen in beffen ^el^anfung aufgu*
fud^en. — SBie ^oä) aber Sd^ubert felbft in Seetl^ODenS
Sd^&lnng unb 93ere]^mng ftanb, baS gel^t fo red^t ftar unb
erl^ebenb ans einem älugfprnd^e l^ernor, ben ber fd^on bem
Xobe nal^e 9Reifter tat (Sinmal n&mttd^, auf bem legten
Aronfenbette, rief Seetl^open, nad^bem er mel^rere neue Stom*
pofltionen Sd^ubertS angefel^en l^atte^ Dernel^mlid^ auS : ,,Sßa]^r'
1x6), in bem Sd^ubert mol^nt ber göttUd^e ^unfe!"
• — SaS entjüdCt mi^ augerorbentlid^, fprad^ ^onrat^
mit SBegeifterung; benn ton ganzer Seele liebe id^ biefen
^ran) (Schubert.
— Slber baS, fagte fjreimann^ bleibt fürmal^r l^öd^ft benf •
märbig, ba^ bie 9)taieftät ber Seetl^ooenfd^en ^lidCe biefen
fWufenfol^n faft um ben ^Um brachte. — SWan begreift eS
mol^I, menn man fld^ erinnert, mie unS SSeetl^oDenS S^ongemalt
oft ben 9ltem su rauben brol^t.
— ädleS an Seetl^ooen, erüdrte QSbgar empl^atifd^, gibt
uns nur bie l^errlid^e SBeftätigung von ber flarften Harmonie,
bie ftd^ im Seben unb in ber 5tunft biefeS SffiunbermanneS
offenbart — fragen Sie nod^ immer ®elüfte in fid^: }u
tabeln, lieber SöuIpiuS?
— 9lein, nein, unb taufenbmal nein! oerfe^te biefer.
SBie oielen San! fd^ulbe id^ ^l^nen, bem feuerbefeelten jünger
S3eet^ot)en8. — SÄber felbft menn id^ nod^ fold^e ©elüfte
— 284 -
^&tte, ^mU wfirbe xif fit bod^ ntd^t mt^x vortragen, benn
es fd^eint mir l^ol^e Qtxt, ba| mir unS jur 9M)t begeben.
— 93eim l^etligen Oral^ma! rief von Sictingen auS; eS
ift faft sn>ei Ul^r. 9(ber nod^ flnb manci^e ®I&fer gu leeren.
— 3ft es fd^on fo fpdt? fagte aud^ Sbgar doH <Sr^
ftaunen. 3)ann la^en Sie unS nod^ ein befonbereS @taS beut
i^el^ren ®eifte unfereS gepriefenen SlteifterS »eilten, ^nttn
mir baran, ba^ bie S^t immer mel^r l^eranrüdCt, in meld^er
bie gefamte Sßelt bie l^unberti&l^rige ®eburt beS grd^eflen
2;onmeifterS fefUid^ begel^en mirb. SßaS mirb boS fär eine
Subeljeit merben ! — Saffen ®ie ung olfo l^ier biefem gött«
lid^en SRenfd^en biefen Opfertranf mit bem ^erlid^en ®e«
IdbniS meil^n, oQeS, maS ein ieglid^er von vmS im 2then
erfinnt, aQein im reinen, l^eiligen (Keifte biefeS (Sinnigen ju
unternel^men unb auSsufül^ren. 3llfo bem Xnbenfen 8ee«
tl^ODenS, bem Seitfteme aller dhUn, leeren mir biefeS (SlaSl
— 3)a8 moUen mir tun! riefen aOe begeiftert burd^ein«»
anber. |^eQ er!langen bie (9l&fer, — in bion^ftfd^er Stirn»
mung mürben fie geleert. Sreubetrun!en umarmten ftd^ aUe
^reunbe. (Sbgar erl^ielt nod^ ein befonbereS Sebel^oc^ für
feine feurige, ftegreid^e SSerteibigung ber £]^aralter]^errlid^!eit
Seetl^ODenS.
9lad^ Smei lü)t trennten {td^ bie greunbe, nad^bem fie
htm eblen @aftgeber x)on SidKngen oon ^ergenSgrunbe ge«
ban!t l^atten.
SBol^l nod^ nie l^atte fid^ Sßittig in fo gel^obener, feft«
lid^er Stimmung jur Stulpe begeben, mie in biefer 9lad^t.
St^nUi^ jtapttel.
Wx finb ble 9larrett nur «on Gd^aS unb gfurd^t;
^ie %a%t !ommen, gel^ faft uttmerKid^ --
2)od^ leben »it ; baS Seben deli und,
Unb benno^ türmten »ir und fteiS, )u ftetben.
e^ron: SRanfreb.*)
'ie fDlorgi^nröte einer glädUd^eren Q^xt fd^ien il^ren er^
^ebenben @d^tmmer auf (SbgarS 3)afetn fallen ju laffen.
(Sr lebte ntel^r unb me^r in ber }ut)erftd^tlid^en Hoffnung,
bag er bod^ nod^ alle muftfalifd^en flippen fiegreid^ um*
fegein u)ärbe.
3)ie S^'^t feiner STtufiffd^äler max in ftetem SSad^Stum
begriffen unb geut&l^rte V)ttt eine befd^eibene SebenSquelle.
@S n)ar w6f)l anjunel^men, ba| bamit einem IRädtfaQ in baS
frül^ere, unf&glid^e äußere ®Ienb ein fefter 9liegel Dorge»
f droben n)ärbe.
SB&l^renb fx6) äSittig bereits fonneuDollen SebenStr&umen
l^ingab, l^atte fein unerbittli^ ftrengeS @d^id(fal bereits einen
neuen^ fd^n)eren Jtnoten in ©eftalt eines lad^enben ®lüd(S«
fd^einS um fein ^aupt gefd^first.
*) We are the fools of voice and terror: days
Steal on us and ateal from us; yet we live
Loathing our live, and dreading still to die.
Byron: Manfred.
— 286 —
SSiebet einmal mar ^eetl^ooenS (SeiurtSfeier l^eran«
ge!oiinnen. Sbgor befanb fid^ in ber roftgflen ^{tfUmimtng:
mar il^m bod^ abermals ber befeligenbjie 2;ag feines SebenS«
jal^reS erfd^ienen.
S)a ~ in ber ÜRitte biefeS l^ol^en SBonnetageS — traf
il^n eine nnermartete Sotfd^aft auS ber teuren ^eimat. Seine
(SItern teilten il^m mit, ba^ ftd^ il^m bie glüdtlid^e SuSftd^t
erdffne, in einem rufftfd^en {^aufe eine gldngenbe Stellung als
(Srjie^er, Sprad^« unb SJlufttlel^rer ju be!leiben. @ie be»
f d^moren il^n fo rü^renb unb l^ersinnig, biefen Sd^idtfalSminf
als eine l^dl^ere Fügung ju betrad^ten; fte befd^moren il^n
bei feiner ünblid^en Siebe, biefeS (SlüdE nid^t jurädCsumeifen;
er foQte bod^ enblid^ einmal fein notgetrdnfteS Seben mit
einem freubigeren Sofe oertaufd^en. —
SBunberbar, l^dd^ft munberbar, bag il^m fold^e Aunbe
iuft an feinem l^öd^ften f^eiertage, an Seetl^ooenS @eburtSfefte
merben mugte! ^n ber äJolUraft feines ^eetl^ooen^ffintl^n^
ftaSmuS gerabe an biefem 2:age mar er in ben erften Stugen«
blid(en nur ju fel^r geneigt, biefen SlettungSmin! als eine
fd^Iimme $iobSpoft anpfe^en. 9la(^ unb nad^ freilid^ begann
meife SBefonnenl^eit xf)x 9led^t geltenb 3U mad^en. 9Hd^tS«
beftomeniger blieb ber Aonflift nod^ gro^ unb m&d^tig genug.
@bgarS ©emüt l^atte l^iermit eine l^arte ^röfung ju befleißen.
(£S mar ein l^eiger Seelenfampf. 9BaS foÜte auS feiner SDtuft!
merben?
SBie foQte er auf bie 3)auer ein Seben in einer @tabt
ol^ne 53eet]^ot>enfd^e ©gmpl^onieen ertragen, bie il^n jeberjeit
fo ^06) aber aQe irbifd^e @rbärmUd^!eit emporgel^oben l^atten?
3lQetn ein bebeutungSooQeS ÜJloment in ber anbern SBag«
fd^ale mar bie JtinbeSpflid^t gegen bie @Itern. 3Bittig mugte
ftdi'S eingeftel^en, bag mir ben Altern niemals aQ bie Siebe
unb Streue aud^ nur annäl^ernb vergelten fSnnen, bie mir
mdl^renb einer forgenloS l^eiteren ^ugenbjeit erfal^ren l^aben.
Oft genug l^atte er eS ftd^ im ftiKen feierlidtift gelobt, il^nen
— 287 —
jlebe irgenb möglid^e f^reube ju bereiten: je^t foQte er fold^
ein ©elöbnid enblid^ einmal erfäQen.
Saju gefeilten fid^ bie t)on aQen Seiten fort unb fort
auftaud^enben 3t^^^f^i <^^ ber reinen Sal^rl^eit feiner 9Ruftf «
freubigfeit. SSieQeid^t br&ngte ftd^ x^m felbft fold^ ein ^age»
gefpenft auf. SBielleid^t »ar biefeS aOeB eine nid^tige, leicht
Derpuffenbe bilettantifd^e (S(i^n)&rmerei, für bie eine %oifyct in
bie n)eite, n^eite äBelt gen)i$ ©enefung bringen ntfi^te. —
<£bgar trat alfo al8 93en)erber um jene Stellung auf;
freilid^ in ber gel^einten Hoffnung, (einen (Srfolg ju erringen,
älber ba8 gel^eime ^offen f anb^ n)ie er ju feinem f d^weren Seib«
n)efen fd^neQ genug l^ören mugte, leine (Srfällung: er mürbe
gem&]^It unb foQte in furjer §rift fein ißaterlanb oerlaffen.
©eine (SItern fd^mammen in einem maleren $reuben«
meere. ©eine ganje uermanbte unb befreunbete Umgebung
mar l^od^erfreut aber biefeS (SreigniS.
S)od^ in (SbgarS Seele mürbe eS txm fo büfterer, j|e
n&l^er bie entfd^eibenbe Stunbe (am. {^ier galt ^S, ben
ganzen Seelenmut jufammenraffen, benn ein ^urüdmeid^en
mar nid^t mel^r möglid^. ^I^t, mo ber mufUalifd^e 9lebel
immer mel^r t)on feinem @eifte ju fd^minben fd^ien, j[et)t
gerabe foQte er fld^, fo3ufagen^ Don ber ganjen SSfin^t loS«
reiben. ^f)m mar fo jumute, al8 begebe er ftd^ lebenbig
in ein norbifd^eS @rab.
SSoQ t)on ben traurigften Sll^nungen trat 9Bittig feine
9leife inS unmirtlid^e 9lu§Ianb an.
3)er neue 903ir(ungS(reiS bemieS il^m balb, bag er ein
rid^tigeS SBorgefäl^t t)on ber Unerquid(Iid^(eit feines rufftfd^en
^afeinS l^eräbergebrad^t l^atte.
&t lebte in einer SRittelftabt SRu^IanbS.
^ür ben SRangel an Sd^Snl^eitSfinn, ber aus bem
ftdbtifd^en Sangen überall ]^erx)orgud(te, mürbe man butd)
baS bortige SBSalten ber 9latur nur in ^öd^ft befd^eibenem
SRa^e entfd^äbigt.
— 288 —
^S fd^tnu^ige, otool^I auS »etter ^rne molertf^e
SuSfel^en ber Stobt l^armomette nad^ SbgorS 9n{ld^t nic^t
fibel mit bem unpolierten ®eelen}uftanbe il^rer ^tmoffmx.
Sein fieben in Stu^lanb »ar ein an^oItenbeS $in«
feufeen.
(Sbgor in feiner unumiounbenen^ offenen SebenSart l^atte
tnan^ l^orten Strauß mit feiner Umgebung ju befielen.
3)ie aitenfd^enmürbe^ mie fte bie ed^te SUbung oerletl^t,
galt bort nxä)t8. (Sinjig unb allein ®elb unb Anderer SRad^t«
glanj ftanben im Stnfel^en.
2)er Seigrer mirb ba im großen unb ganjen einem oberen
S)iener glei^ gead^tet; ein ^auSlel^rer foQ feine Siilingt
nid^t aQein unterrid^ten unb erjiel^en^ er foQ aud^ i^r oolt«
ft&nbiger SBdrter fein.
älber bie ^rren beS ^aufeft fanben an (Sbgar einen
l^arten Reifen, an htm j[eber tdrid^te ungered^te äBunfd^, fo«
balb biefer mit ber (Serabl^eit unb äBärbe feines Qil^arafterS
nid^t in (Einfkng ju bringen mar, unerbittlid^ jerfd^eEen
mu^te. @ine fteife ftdite mu%tt fid^ naturgemäß bei einer
fo oerfd^iebenartigen S)en!ungSart gegenfeitig einfteQen.
SBittig mar aber aud^ gar nid^t ber fSflann, eg rul^ig
mit anjufel^en, mie l^ier t&glid^ ben emigen, unmanbelbaren
ältenfd^enred^ten inS Slngefid^t gefd^Iagen mürbe. Sel^r fd^neQ
gemann ber @ntfd^Iug in feiner (Seele S^ftigfeit, ein fo un«
murbigeS $io^, fobatb ftd^ bie 9)löglid^Ieit erdffnen märbe,
t)on ftd^ ju fd^ätteln.
©eine Siätigleit mar eine l^öd^ft anftrengenbe. SDtod^te
tl^m feine Umgebung aud^ nod^ fo antipat]^ifd[| erf feinen:
bie gemiffenl^aftefte SrfäQung feiner Abernommenen ^flid^ten
galt il^m ftetS alS l^eiligeS, unoerIe|bareS @efe^. ^ier nal^m
ber Unterrid^t in allerlei Sprayen unb in ber SnufU, bie
(Srjiel^ung im ^aufe unb auf ben ^romenaben faft feine
gan}e XageSjeit in 3lnfprud[|.
SBefonberS l^atte für (SbgarS freil^errlid^eS äBefen boS
— 239 —
ftete 3ttf<^in<nenfein mit feinen (Sd^ülern ttrocS l^öd^fl Uner-
quidlid^eS. 9Bie ^aufl mit feinem $ubel — fo l^ier mit
feinem ^cutptfd^olaren ftetS ein unb biefelbe QeÜJt teilen ju
muffen —, baS mar für feinen an (£infamfeit ubenn&gig
gemSl^nten Sinn bie aUerl^&rtefte @ebuIb§pro6e. i^ebenfaQd
fnurrte biefer ®d^oIar einbringUd^er als Rauften? munber«
lid^er $ttbel.
fHn ben (Sd^ülern l^atte Q^bgar anf&nglid^ feine malere
Sreube; bemjufolge fäl^lte er ftd^ aud^ mit ber Xrourigleit
feines ntffifd^en 3)afein3 einigermaßen auSgeföl^nt. Sttein
iaib trat eS an ben Xag, baß aQeS (Sute, baS er mit uner*
mAblid^em (Sifer feinen Sigfin^zn einjuimpfen beftrebt mar,
fd^neU bttrd^ oerfel^rteS (Sinmirfen namentlid^ Donfeiten ber
viüxQ unDernünftigen SRutter Dernid^tet mürbe.
3)ie 93er3&rtelung, bie aui ber falfd^en SRutterliebe
^eroorgel^t, ift bie Urquelle fär baS 93erberben ber Slinber.
9[u8 ber SSerj&rtelung entmidCelt ftd^ in ben Stinbern baS
(Srsböfe, ber ®r)feinb, ber l^&uftg genug feinen ftrafenben
^rm gegen bie eigenen Derj&rtelnben (Sltern erl^ebt.
^iefe Snutter l^ier mätete mie feiten |emanb in il^rer
Dirmeintlid^en ^erjenSliebe gegen il^r eigenes (Sebein. Sd^on
iet(t maren bie traurigen folgen fid^tbar. SGBenn fx6) bie
§rau äRama einmal einfallen ließ, ben (EngelSünbern einen
^unfd^ }u verfagen: bann lonnte fte eS erleben, baß fo
mgel^afte Stinber i^re eigene SDtutter }tt uerflatfd^en f&l^ig
maren. — 3)er SBater maltet meift braußen im mogenben
SBelttreiben: barum ift bieüRutter ber mefentlid^fte fieiter in
ber Stinberersiel^ung. (Sine l^ol^e 93erantmortIid^!eit legt bie
gdttlid^e 3}orfe]^ung auf ben mfifterlid^en @eift.
dS ift einleud^tenb, baß unter fold^en Umft&nben l^ier
bei SBittig iebe ^reube an einer gelungenen Srjiel^ung bitter
t)erg&IIt merben mußte. $alb gemann aud^ ber böfe (Sin«
f(uß naturgem&ß bie Oberl^anb.
SRit ber Sltufi! beS emporftrebenben StänftlerS fa^ eS
— 240 —
DoKenbS troftloS aitS. 3n feinem S^^^^^^ ^^^^tte er Fein
:3nftrument. Sonft war eS fein erfteS %aQtrotd, an einer
^eet]^ot)enfd^en Zonbid^tung feine Seele gu erqnidten. ^9
ntugte |e^t gAnjlid^ n^egfaQen, n)ie überl^aupt jeber unge*
trübte Äunftgenn|. — 3)o8 ?ßianoforte ber fjamitte — ein
loftbarer t^lägel — ftanb im ^uptfaole; biefer voat aber
faft niemals menfd^enleer. 9Ba8 ift ba8 alfo fär ein SRufl«
gieren, n)enn balb biefer, balb jener burd^S Sxmtmx fd^reitet;
n)enn fld^ balb JKnbergefd^rei erl^ebt, balb ^amiliengef^mfi^
l^drbar wirb, ober taufenb anbere Stdrenfriebe erf^einen.
9BeId^ ein jl&l^er ^aU marb il^m benn fo ntpU^U!) anS
irgenb einer ibealen Zonwelt SJeetl^ooenS in bie j[ämmerlid^e
rnfftfd^e Qürbenwelt gu teil? — 93on Ord^eflermuftt war in
ber @tabt feine Siebe. 3llfo l^ieg ti, feine reinfte @eifte8«
freube, wie fle il^m in ber beutfd^en 9leflbeng auS ben ^n^
ftrumentalfii^dpfnngen SBeetl^ooenS oft fo rettenb erllnngen
war, l^ier oöQig entbel^ren.
Unb feine Äompojltiongftubien? ^n ber ©tabt ejiftierte
niemanb, nnter beffen f d^ütyenber Sftgibe StBittig biefe f d^wierige
Seigre betreiben !onnte ober mod^te. (S6 l^at aber fein SRi^^
lid^eS, in ber ÄompofitionSlel^re fein eigener Sel^rmeifter ju
fein, wenn man biefe Stubien nid^t bereits einmal gu einem
älbfd^luffe gebrad^t ^at. 9Ber ba nod^ nid^t auf eigenen
gügen ftel^en fann, ber mn^ feine arbeiten ftetS einer
leitenben ^anb gur 93erbefferung übergeben. (Sbgar mod^te
bieS einfel^en unb befd^r&nfte ftd^ beSl^alb auf bie nü|lid^e
Sßieberl^olung mand^er frül^eren tl^eoretifd^en ©tubien.
ffig war anbererfeitS aud^ ein groger Vorteil für dbgar,
bag er längft eine ftarfe IBorliebe für bie (Sinfamfeit ge«
Wonnen l^atte. ®o fonnte er eS l^ier leidet oerfd^mergen,
bag il^m nur gang feiten geeigneter Umgang t)erg5nnt war.
^m ^aufe felbft erregte fein ^ntereffe eingig unb attcin
feine fieibenSgef&l^rtin, eine ehrbare beutfd^e <Srgie]^erin, bie
gleid^geitig mit il^m baS fdidne S)eutfd^lanb mit bem raul^en.
j
— 241 —
ttiifyolietten 9htf(anb oettauf^t l^atte. %üt xf)xt ad^iung»
geMetenben (Sigenfci^ctften fptt^it bet eine ttmfUmb am bfin-
btgflen, ba^ fte in {letem ^ber, in vofkx Unjufriebenl^eit
mit ber l^od^mfitigen, rfidCfid^tölüfen ^milie beS ^oitfeS
lebte« Sßol^l nod^ fd^merer olS (Sbgar feu^te fie unter ber
£aft biefeS fär^tertid^en 2)afein8 in ber unl^eimlid^en ^rembe.
^fir bie oielen Unbilben, benen fid^ ber jnnge SSftnftter
im {^anfe onSgefe^i fol^, entfd^&bigte il^n iebo<i^ anjlerl^alb
befifelben bie überaus gaftfreunblid^ Sbtfnal^me in mand^er
beutfd^en S^^i^/ ^^^^^ 99elanntfd^aft er burd^ bie Ser^
mittelung eineS i|m befreunbeten S)eutfd^'9tu{fen erlangte.
SHe Eurje Spanne Qüt, bie Sbgar nad^ ber langwierigen
älnftrengung in feinen SerufSpflid^en für bie SluSbilbung
beS eigenen (SeifteS Derblieb, erlaubte il^m freilid^ nid^t oft,
feine SanbiSIeute aufsufud^en.
Sßie ber SSogel iau<i^3t, ber nad^ langem Gd^mad^ten in
feinem engen 5t&flge tbieber einmal baS roflge Sid^t ber ^ei«
l^eit begrübt: iaud^gte aud^ (SbgarS (Seele, fo oft er feine
iBel^anfung, in ber ti il^n mie Jterferluft anmel^te, DerliejI
unb ftd^ brausen im trauten ^amilienbeife als S>eutfd^en
unter 3>eutf^en füllte. Unb ber jlebeSmaligen Trennung aus
fo ongenel^mer ®p]^ftre oerliel^ ber (Bebanie, ba^ eS nun
mieber bem alten, mobrigen 5^unft!reife ehtgegengel^e, einen
befonberen ®rab bitterer SBel^mut
So unertr&glid^ il^m au^ baS Beben im ^aufe erfd^ien,
fo entfd^&bigte il^n bo(| faft täglid^ bie gel^eiligte StiUe ber
9lad^t für bie Seiben unb SRül^en beS XageS* 2)a vertiefte
er fid^ in feiner feierlid^en (Sinfamteit gan} unb gar in baS
l^ige Seben SBeetl^ooenS unb fd^öpfte immer oon nmtm bie
munberfamfte Seelenft&rtung borauS, oornel^mlid^ bie Straft,
baS über alle Begriffe unfelige fieben in biefer ruffifd^n
Stabt eine SBeile }u ertragen.
^e Sel^nfud^t nad^ S)eutfd^Ianb marb aber baburd^ oon
Zag iu Zage l^ei^r, m&d^tiger in il^. ^mmer ndl^r rücfte
— 242 —
bte 3^ l^eran, in bet 2)etttfd^Ianb baS i^fubelfeft ber (Sthwct
feines großen Oeetl^oven begd^en fottte. SB^e oft unb wvt
innig l^atte (Sbgar ftd^ ntit bent Oebanfen getragen, hoi)
aud^ ein tleineS S^erflein gut Serl^etrlid^ung feined über
ade begriffe geliebten unb Derel^rten 9ReifterS beizutragen.
(San) S)eutfd^Ianb follte fld^ freuen — unb er foUte fern
von biefem ^efteSraufd^e bleiben, 1^ in biefen unl^eintlid^en
ät&umen? — 9lid^t feiten »ar fd^on in S>eutfd^Ianb biefe
großartige ^^eier ooral^nenb in feiner £raunnoeIt aufgefUegen,
fo baß il^n gerabe ber ®ebante baran bis junt Ie|ten Sbtgen«
blicfe immer nod^ fd^n)an!enb erl^alten l^atte: ünb foUte er
l^ier müßig mit anfe^en, mie ftd^ taufenb unb aber taufenb
^ftfte gefd^&ftig regen, um bem Stnbenfen biefeS SEBeltgeifteS
baS glansDoQfte gfeft }U bereiten? 9lein! SS märbe il^n
nad^ 3)eutfd^Ianb getrieben l^aben^ felbft menn fein rufflfd^
Safein auf lauter Stofen gebettet märe. — ^od^ fd^moU
il^m ber SRut an, lieber in 2)eutfd^Ianb baS ^ußerfte immer*
bar )u ertragen, als l^ier ein unmärbigeS £eben bei Äußerem
<Slan}e fortjufel^en. Unb menn er gans sugrunbe ginge: eS
foQte il^m feiner feine SRenfd^enmürbe beleibigen.
9(ud^ über Sntl^emia erful^r (Sbgar l^ier gar nid^tS.
Smma ^Ubebranbt erm&l^nte in il^ren Briefen an ii^n biefeS
teuren SEBefenS mit feiner (Silbe. Unb bod^ badete er il^rer
fo oft, mad^enb unb träumenb. SHeUeid^t mar eS entfd^ieben,
baß fie mieber unb bann für immer in S)eutfd^lanb bliebe!
<Sbgar aber mu^U gange lange, lange 3^^^^ i^^ ber gram«
i9ollften Ungemißl^it oerl^arren.
<SS iß leidet erfl&rlid^, baß unfer junger SJ'htftfer in
feiner Slunft 9lüd(fd^ritte mad^en mußte, namentlid^ in ber
Xed^nif jleber 9lrt 3)ie8 IBemußtfein preßte, il^m bie Seele
oor Unmut jufammen, unb — maS feinem SRißmute bie
5lrone auffegte — baS mar ber.Umftonb, baß er biefen l^erben
Sd^mer) fa^ gang in ftd^ uerfd^ließen mußte. 2>a fanb fid^
feine Seele, bie er in SBal^rl^it gur Stitmifferin feiner
— 248 —
tnnerften troitert^oQen ®e]^etmniffe ttiad^en fonttte. — Über»
bieS l^atte er nod^ nietnols fo oft unb fo inl^Sretd^ oon
Seetl^ODcn geträumt, al8 eS l^ier in ber ruf^fd^n (Sinöbe
gefd^al^. @rö^tenteifö erjäl^Iten btefe Xrdume ooit ber 6e«
Qorftel^enben SBeltfeier beS geliebten SReifterS.
^n einer 2;raumnad^t betrat (Sbgar eine ^aSt, in ber
ftd^ boS Orabntot SSeetl^openS befanb. £eife, eigentüntßd^e
Sdne entn)anben jld^ bei biefem ätnblide ber 93ru{} beS jungen
ItänftlerS. 2)ie ungel^eure 9[ufregung brol^te fein inneres
Stt gerfprengen. (Srft in freier Suft feierte fein Stern jur
9lu]^e guräd. @in blül^enb jungeS/ jauberreijenbeS SRdbd^en«
geftd^t ladete iE|n ob feiner rafenben 99egeifterung, bie aOeS
um fld^ l^er oergag, re^t n)ad(er auS. — ©leid^ naci^ biefem
2:raume ern)a(i^te (Sbgar; fein traumoenoöl^nteS Suge !onnte
ftd^ nur fd^n^er an bie nücfiteme SEBirflid^feit gen^öl^nen.
(Sin anbermal jeigte il^m bie Siraummelt eine mer!«
loürbige ®tatue beS SReifterg. @bgar befanb fld^ mit
mel^reren ^reunbinnen in einem l^errlid^en ^aine von munber«
barfter Sd^önl^eit. (Sine fo l^el^re Slnbad^t ^errfd^te an biefer
traulid^ anmutigen ®t&tte, als m&rbe ber 3<^u^^^^ttt ber
l^immlifd^en ^eerfd^aren ermartet. ^lö^ici^ n)urbe ben 9ln«
n)efenben eine lebenSooQe SUbf&uIe 93eet^ot>enS gegeigt, beren
feltfamfte Sigenl^eit barin beftanb, ba| ^&nbe unb Sugen
aUerl^anb tieferregenbe Semegungen mad^ten, gleid^fam als
tönte nod^ auS bem @rge ber fd^mere SebenSfc^merg nad^.
darauf erfd^ien ein m&d^tiger 93ogel unb l^ielt in feinen ge<
maltigen ItroQen ein Pergament, auf bem in feuriger (Sd^irift
p lefen ftanb: feiert il^n märbig, mie eS einem mal^rl^aft
majefidtifd^en Äönige gebül^rt!
SHe {^erjenSangft mud^S Don Zage )u 2:age in (Sbgar;
er !onnte fld^ nid^t entflnnen, jemals guoor eine fold^e Stxt
ber unauf^drlid^en ©emütSunrul^e bur^lebt p l^aben.
S)er meland^olifd^e (SntJ^ufiaft fd^rieb von l^ier auS fleijlig
16*
— 244 —
an Sennanbte, ^cetmbe ttnb gfceunbinnen. (Eistige SScief »
frogniente Unneit }ur (fegfinsung biefer äRttttttuitgeit bietien.
2)eii • . •
— -^ Shtti bin id^ faft jipei SRonate in btefer j&tnmeci
lid^en SteQung. ^ Jtopfe ^enfd^t ein »ftfteS <Ül^aa8: oKe
gefunben <3[been »ollen mid^ gonj oerlaffen. ÜberbieS ift eS
eine 3^^^ rafenben 93eicge(fen& Unb ba}U ^abe id^ mid^
Äberreben laffenl 9Bie l^eig fel^ne id^ mid^ nad^ meiner
elenben, notpeinlic^en beutfc^en (Stiften} s^rädt! SBer ftd^
nie als 2)eaUfd^en geffil^U I|at, ber lernt l^iec biefen Stolj
empfuiben. $in ber ganzen (Stabt ift non einer »iffenfd^aft^
lid^en ober fünftlerifd^en ^Betätigung, bie Aber ben ^nbwerfS^
mäßigen Sentf l^inauSginge, tanm bie Spur gu entbedten.
3n n)eit ft&rlerent SOta^e nod^ als bei unS br&ngt ftd^ l^ier
bie Überjeugung auf, ba^ nur ^ud^Ier unb ©d^meid^Ier e^
3U etn>aS (SrüedtUd^em bringen lönnen. 3)a8 ®erabe, (Sd(|Ii^te
unb SBal^re n)irb Derad^tet.
®en . . .
3)u fragft ®id^ mitunter fopffd^üttelnb, wenn
3)u meine SBrief e ooller Älagen unb SSormfirf e lief eft : ift
baS mein fonft fo milber (Sbgar, ber aSen (Srfc^einungen
beS 2)afein3 il^r ®ute3 abgulaufd^en gemol^nt ift? 2)er mirb
mir fd^lieglid^ nod^ ganj Sitterfeit unb 2;abelfud^t! — 9lun,
fo fd^limm ftel^fg mit mit nod) nid^t. SÄud) l^ier in biefem
munberlidien SBerl^ältniS bin id^ gegen bie l^ie unb ba auf*
taud^enben Oafen in einer (KeifteSmüfte nid^t blinb. ©emig
lann man aud^ biefem rufftfd^en 3)afein baS l^od^menfd^lid^e
3Sloito oorfe^en: IntroTte, nam et heTc dei sunt! ^6) föl^re
®ir barum l^eute allerlei oerföl^nenbe SÄomente oor. — ©elbft
bie bumm^od^mütige ^errin beS ^aufeS l^at il^r SBerfdl^nen»
beS. Sßenn biefe 2)ame aud^ meiftenteils fo einl^rfd^reitet,
als n)oQte fte mit il^rer 9lafe ben ^immel tro^ aDer ent«
gegenftel^enben @e^rne burd^bol^ren, ift fie b^d^ gang SRenfd^en*
freunblid^feit, SiebenStnfirbigfeit, fobolb fie $Beet^aoenfd|e
— 245 —
Mttft! |drt. S)ann erf<l^eint tl^r ganjeS SBefen wie umge«
iDcmbelt. ®ie freunblid^^ faft bemätig tonn fle mir banien,
ioentt id^ il^ einmal in gemeii^ @tmtbe eine ^et^onenfd^e
Monate Dortrage. — Überl^cntpt ift baS mfftfd^e Stoß red^t
mitfUaI{f<l^, fftv flaffifd^ äßufif, sumol fftr bie Oeefl^ODenS
fel^t empfängliii^. lUib fo bftrfte eS bem l^eiligen @ei|te
t^eet^mienS bod^ nod^ gelingen, bag and^ Slaoenndller fhi«
lid^e Uraft unb <3t&i^ttng geminnen, um eine mol^te geiftige
SStebergeburt }u erleben. — SRein fel^r begabter ^npU
fd^olar ift bnrci^ mi^ fd^on ein gang enragierter SBeet]^ot)e«
nianer gemorben nnb vM von meiter nid^ mel^r ^dren als
t)on Seetl^onen — nnb aSenfoKS nod^ oon {^omer. aftettUd^
mAl^renb beS SteligionSnnterrid^tS Ke§ er fi^ pld^lid^ jn
folgenbem d^or alteriftif d^en anSmfe l^inreifen: ,,£> fc^dne
3Iiabe, l^errlid^er ^omer! nnb o bu kngmeilige SJSibel!
lieber <3ott, xKtitxf^t mir meine <9otte8ld|temng!'' ®o ge«
metften, lebl^aften ®eifte8 jetgt fid^ ber ftnabe befonberS in
ber 9htft!. SaS Jtlanierfpiel gn mer ^&nben nnb baS freie
^l^ntafteren finb babei feine ^afftonen. ®d^on lei^t beginnt
er na^ beftimmten ^ebanlenentmürfen am ftlanier ju bid[^ten.
SieQeid^t mirb tro^ aKer Setiiel^ung bod^ nod^ ttmaS 9led^te8
ans il^m. — Sin id^ nnn mieber ber SUte? —
3)en . . .
»ei mir fielet eS unerfd^fttterlid^ feft, ndd^ftenS
meine (SteQnng in biefem ^onfe anfjugeben. Slnd^ bie lieben
Gltern l^ben il^re B^^fi^^i^^nl^eit Aber meinen ißorfal ans«
gefprod^n. — SBeld^ ein l^erber (Segenfa^^ menn id^ ben
geflrigen ®ebnrtB» ref|>. Zanftag Seetl^oi^enS mit bem Dar»
i&l^rigen nergleid^e! ^dtte id^ nid^t no^ menigftenS belegen«
l^eit; immer neue 3:iefen unb (Shrl^abenl^eiten auS bem 2^ien
biefeS (fingigen )u erfal^ren, id^ mürbe famt meinem (Seifte
ju einem (Sd^attenbilbe gufammenfd^rumpfen. — Xber eine
gro^e, ^ol^e ^reube marb mir an biefem Stage gu teil. WUin
nun aud^ bereits tüd^tig in SBeet^otien fdimelgenber @d^ftler
— 246 —
^otte eS in vocUx Seife fo 9erante|t, boß mix an See
t^ooeitf <Be6itrtStage ftetlici^ Stlaoierfonaten nteises
SReipecB in bet beßen, totrrftefien SbtSgoBe (Steitfopj
ft ^&rtel) neie^ würben. 3^ fonb eS überonS finnig unl
nerfiftnbnifnon^ ba| i^ bie fftx ntitl^ befUmmte Sei^na^tS«
gäbe gecabe an biefem »einem eigentUc^n ^eptage er^
60 oiel S0xtitf&^ ^ biefer Slnobe bereits asS ber @i»
fennlniS 9eet^onen8 gefd^ipft — SBieber ein fiic^tblid in
biefem an^attenben 2)ttideL —
3)en . . •
— Son einem {^onSlei^rer mirb ^tx hai Unge^rpe
nedangt: erfl foD er DoDft&nbiger miffenf(i^aftlici^ Belgier,
bann an^ noO^Anbiger ^ofmeifier fein; iü^ bin mm banebes
niHl^ SDbtpk^ breier itinber. — Xber im grrfli^iai^r foSen
biefe Sfeffeln abgeftreift merben. — Übrigens filmet bol
mffif^e IKima meinem Mrper gang erfiannli«^; balb vitb
ber ntfftf«^ ^oii^nmiter anii^ bie 9erf(i^ebenen l^äbfc^en
^omenaben ner^bem. — 3>ie <5tabt gemfi^rt, meti jie
terraffenfdrmig angebaut xft, intmerl^ maa6) eine fc^Jne
SnSfic^t, namentlich non ben {^Sl^epnnften auf bie tiefet
gelegenen Zeile, mop benn anci^ bie ga^bei^^ Stird^en vä
i^ren golbig f(i^immemben Sbxppdn ni^t menig beitragen.
^on meinen 6pa)ierg&ngen mar mir einer, immer no^
non befonberS poetifcl^m 9lei)e, i^ meine ben oon mir (d\o
getauften «.S^manenparf". 3)aS iß ein deiner, aUerliebflei
£tt{lgarten, beffen lieblici^ 9Htte ein Harer Xeii^ bilbet, auf
bem brei flol^, blenbenb mei^e Sd^m&ne i^r fel^nfud^terfMteS
Spiel treiben. %a^ t&gli(^ ftatte i^ biefen fo gl&nsenben
SHd^ter^mboIen, biefen 99ilbem meiner eigenen nie geftiOten
nnb fonm ftiOboren Sel^nfnc^t, meinen Oefnij^ ab. Xn^ biefe
anmutige ^i^^^be mu^te ber immer rau^ merbenbe SBinter
ganj vernichten. ^ bin je^t fdft beflfinbig leibenb uni
fc^Iei^e mie ein tr&umerifd^eS (ikfpenft einl^. 9S toiti
immer unertr&glici^er, tro|bem {i^ baS Oanje rein &n|erli4
j
— 247 —
;t, liit etioaS beffer geftaltet. 9lo^ faft mer älHonate toirb btefe
ütvtv^ ^Itamxzi, »orin anbete ein fel^r l^ol^eS (Slädt erbtiden, an«
iüiAi bauern mAffen. 3)ann abev iDfluftfant ober Untergang! —
tiiicä: 3)en . . .
erjafti giKeS erfuttt ftd^ no^ trauerDotter, aö id^ x)or-
^ i^ auSgeal^nt. (£8 tft ein ^injted^en fowol^l geiftiger al8 aud^
tenß5 !drperli(^er 9lrt. SBon einem QfbeenauStaufci^ mit einem
inmz ©eifteSgenoffen ift ftugerfi feiten eine f d^mad^e (Spur ju er«
l^afd^en. 9Ba8 fd^ert eS mid^, n)ie id^ lebe! 2)aS ..SEBo"
beS SebenS gibt bei mir immer ben ätuSfd^Iag. —
a te I? _ mt ami^e unb Slot muß ber ©eift au8 bem Sefen,
rrirä auS bem ©tubium ber SBeltgefd^id^te befrud^tet werben; mein
i fe b: getreuefter ^ßaraflet bleibt fürmal^r immer bie Sefd^&ftigung
m^ä? mit bem Seben Seetl^ooenS. ©elbft ber burd^ Äampf unb
^'^ Seib geftai^Ite Seffing f^reibt einmal au8 SBolfenbättel im
(ucSi.k; gfJooember 1771 an feinen Sruber Äarl: „Sefonberä mürbe
'ittüoas x^ bie ^infamfett, in ber id^ }U SBolfenbüttel notmenbig
^mts ' leben mvi% unb ben g&njlid^e 9Rangel beS Umgangs, mie id^
nasi Ä il^n an anberen Orten gemol^nt gemefen, auf mel^rere i^al^re
ta oi ^ f^merlid^ ertragen lönnen. Q6) merbe, mir gdnglid^ felbft
(tt^ajb äberlaffen, an @eift unb Störper frani, unb nur immer unter
wcin^ ^d^ern oergraben fein, bünft mid^ menig beffer, al8 im
iser '\tx eigentlid^en Ißerftanbe begraben ju fein." — SBaS foUen mir
itn^^ ftleinen erft fagen?
Im,'^ ®en ...
ieij^^ aSon Sntl^emia erfal^re id^ l^ier gar nid^tS. Sßeld^
fefioä^ neue, aber fä^e Du^Ut beS Sel^nenS! 9Bie oft gebenfe i^
leo fo !^ in äSel^mut bief eS l^errlid^en ^rauenbilbeS mit il^rer unbe*
tmi^f fc^reiblid^ l^olben 9(nmut! D, menn id^ mid^ je entmSl^nen
^ oi J^ mä|te, mid^ mit il^r in l^armonif d^en Buf^^inm^nl^ang }u
wfä^' bringen, eS m&re }U l^art! 9Ba8 ift eS bod^ für ein uner«
i\i l0^ grünbUd^ eignes 2)ing um Seelenoermanbtfd^aft! 2Slan ffot
iIns. ^ nie etmaS ooneinanber gemußt unb lommt ftd^ bod^ mit
— 248 —
einem Wial tote mitetsianber oermad^fen oorl S)aS ift baS
oOerl^Jid^fle Sßeltnmnbei:! —
dd^ (ann mit feinen größeren SBetbtn^ ffir einen ftreb*
famen SDtenfd^en benlen^ olS ge}n)ungen ju merben, fein Seben
in geiftiger Seti^orgie l^injubringen. allein 9eift ift l^ier
odQig eingelertert unb vermag fid^ bnrd^ouS nid^t, mie el^e«
bem^ in bie l^iol^en Sid^tregionen emporjufd^mingen. — fortan
wirb eS fo leidet feinem mel^r gelingen, mid^ in meinen
SebenSnnternel^mungen in beeinfluffen, ba id^ fo fd^mer unter
meiner legten 9flad^giebigfeit ju leiben ^aU. i^d^ fel^e ein,
ba^ bie reine Siebe 3U einer ftunft ober Siffenfd^aft ober
äberl^aupt ju irgenb meld^er l^ol^en 3bee aQe anberen Siebeä«
arten, felbft bie gegen Sßeib, ^inber, Altern unb @efd^mifter,
xotit in ben $intergrunb {ieKen mug. — 3u^^ift ift bie Siebe
ber (SItern gegen il^re Jlinber rein fubjeftioer Statur! S)ie
@Itern meinen eS j|a munbergut: aQein fte gelten gemdl^nlid^
oon ftd^ aus unb m&l^nen traurig genug, ba| auc^ bie Jtinber
Infi baS allein lieben unb gut l^eigen mähten, ma3 fxe felbft
für lieb, gut unb bemnad^ fär begel^renSmert erad^ten. —
9Bie menige (SItem, |a mie menige SReufd^en ftnb bod^ oom
®eifte ber Siebe fo begnabigt, ba| fte fid^ im @rnfte ganj
in hcS SBefen ber geliebten @eele oerfenfen unb nur baS ju
greifen unb ju ergreifen bemalet ftnb, maS nun aud^ in ooQfter
SBal^rl^eit ber innerften 9leigung ber geliebten @eele entfpräd^e.
^ai mdre benn aud^ bie malere Siebe, frei oon aQer ©elbft*
fud^t, oon aKem Sigennu^, bie, mie eS ber SEpofiel ber
Äorintl^erbriefe fo fd^ön auSbrödCt, „niemals baS ^^xt
fud^t". 2)a3 m&re benn in Sßal^r^eit ein Slbglan) ber melt»
umfaffenben, ber objeftioen ober ber {^immelSliebe. — Unb
nun Sibbio! Seuerfte; mit @t. ^aul rufe id^ 3)ir ju: „(Sin
®ru6 mit meiner ^aulu8»$anb!" COaairaojiJ? t^ ifi^ x«^p''
na6Xou, Soloffer 4t, 18.) Sßabrlid^! ein fd^iner, l^lmmlifc^er
®ru§! — —
— 249 —
S>eti ...
Unb fo l^abe id^ bettn in SStrflid^Ieit wtt einer
cm^enel^ttten^ anregenben S^^ in biefem dben mfflfd^ S>a*
fein SU oermelben. — SBie eS in biefem ^oufe feit Iftngeter
3eit fiUid^ ifi^ »irb jur Geburtstagsfeier ber 5linber eine
Sro^e ®efefifd^aft t)eraiiftoltet^ in ber bie SRuft! eine nor«
nel^me 9loIle fpielt. ^^ J)atit nun ^um unenne|Iid^en
<2totbium meiner SRufitfd^äler ein Stinberfonjert fär einen
fold^en Sbenb vorbereitet. @oIo>Jlomtiofttionen fär ftlanier
unb fdld^e gu vier ^&nben, 2)uoS fär ftlanier unb SHoline
n^urben eifrig einffatbiert. Silber boS ^auptintereffe bewegte
ftd^ um bie ^a^b nfd^e Stinberfqmp^onie^ bie id^ — id^ barf
mol^Ifagen — fd^ott md^r in (EngelSgebuIb mitmeinen brei (Steven
tmb fed^S Sefpielen berfelben einftubierte. StmaS 9)erartige8,
mie eine ^oQbnfd^e Stinberf^mpl^onie, mar l^ier nod^ gänj«
Itd^ unbelannt; id^ mar boppelt oergnägt, vor meiner ^er«
reife auf ben glädtUd^en ®eban!en getommen ju fein, ba|
aUeS jur JtinberfQmpl^onie (Srforberlid^e auS 2)eutfd^Ianb
]^e|ergebrad^t merben mäffe. 9[m intereffanteften unb er«
gdllid^en maren l^ierbei bie groben, ftein 9Renfd^ moQte
re^t baran glauben, ba^ id^. biefe milbe (leine rufftfd^e
Itinbermelt unter einen $ut bringen märbe. SDaS naive
Sad^en, Sd^ergen biefer bläl^enben llinberfd^ar ftimmte mid^
im SBerein mit ^a^bnS unvermäftlic^ (inblid^er Sltufff fo
l^eiter, ba^ id^ mäl^renb biefer 3^^^ ^^^ äRelond^olie Salet
fagen burfte. — fturioS mar aud^ ber mannigfad^e Sprad^en*
med^el beim S^cdtg&l^len. SBoBten bie beutfd^en Bci^^fitter:
einS^ gmei, brei, vier, bei ben 9iuffen nid^t red^t giel^n, bann
verfud^te id^ eS mit ben meniger energifd^en frangdftfd^en
Porten: un, deux, trois, quatre it., tnWidf fogar gur un«
gel^euren ^iterfeit beS rufflfd^en ftleinvolIeS mit ben rufft«
fd^en 3<^IioS<tem: ras, dwa, tri, tschetirre; bod^ bie beut«
fd^en dal^lmArter ermiefen ftd^ fd^liejslid^ immer mieber als
bie geeignetften.
— 250 —
Snblic^ mar bec QkfeQfd^aftSabenb ba. XQeS, mai biefe
®tabt an 9lotabiIit&ten aufguiDeifen l^atte, prangte in l^öd^fter
®ala in ben SalonS biefer überaus reid^en Familie. Stxc
^errenn>ett ^atte baS SRUit&r mit feinen bli^enben Uniformen
baS gröfefte Kontingent geftedt; bie 3)amen litten felbftoer«
ft&nblid^ il^ren toftbarften, lujniriflfeften 6taat angelegt —
Um biefem (SefeUfd^aftSabenb — mie eS bie Xrabition jeneS
^aufeiS mit ftd^ bringt — einen befonberen mufltalifd^en
Slonj }n oerleil^en^ maren bie {leben beften Zonidnftler ber
Stabt, merlmurbigermeife lauter S)etttfd^e bziw. 990|men^
eingelaben morben. Unb bau mar mir fpejieU au^erotbent«
Ii<i^ lieb: fanb id^ bod^ fo fqmpati^ifd^e 9R&nner, mit benen
id^ mid^ unter^aUen !onnte. SRit ben eigentlid^en Shtffen
oerbot ftd^ bie Unterhaltung f^on barum non felbft/ meil ic^
bie ruffif^e ©prad^e bo^ eben nur rabebred^en fonnte; ob*
mo^l man ftd^ nid^t genug baräber oermunbern !onnte, mie
meit id^ eS barin in biefer lurjen 3^it gebrad^t l^atte. — 3)en
(Blangpunft be8 ftonjerteS bttbete bie ^a^bnfd^e itinber«
f^mp^onie. 3)aS ging aUeS fo l^errlid^, feuerbegeiftert oon
@taf^el, ba^ bie rufftfd^e (SefeUfd^aft mie eleltrifiert erfd^ien.
^r iBeifaE banad^ mar unbefd^reiblid^« äßid^ burd[|}og
inbeiS erft ba ein Qkfüi^I freubiger ®taustavin%, (di id^ nad^«
l^er ium erften SDtale oon ben a)>htft!ern att (Ben off e,
College begrubt murbe^ mdl^renb id^ bis ju biefem ftot^ert«
abenbe nur als mufidiebenber ^I^UoIoge gegolten ^tte. —
Übrigens gefiel bie ftinberf^mpl^onie fo fe^r, ba| id^ fle im
Saufe beS ^eftabenbS nod^ einmal }u neuem unerme^lid^en
;0^bel ber ®efellfd^aft birigieren mu^te. — So mar benn
biefe 3^it biSl^er bie einzig freubenooQe^ frol^gemute meines
SebenS auf rufflfd^em @runb unb Soben.
^ aÜer (Sile teile id^ SHr bei biefer Gelegenheit noc^
mit, ba^ mir l^ier ben ^od^genu^ l^atten, furg nad^einanber
bie beiben ftlaoiertitanen Slnton 9lubinftein unb ftarl
Saufig bemunbern }U !önnen.
---1
— 251 —
2)ie ' Programme entl^teUen — t)on Sl^optn obgefel^en
— ouSfd^IieBIid^ beutf^e ftünfOentamen, tote Seetl^oven,
Sd^ubert, Sd^umann, SBeber^ SRenbelSfol^n. äBol^I
fetortett Beibe Jtänftler bie m&d^tigften S^riumpl^e^ aber bie
elementareren SBirlungen gingen oon SlubinfteinS Oenie«
fraft ans. SDtir tarn eS fo t)or, als ob 9lnbin{)ein baS
nsfjifd^e 9bibttorimn »ie einen oulfanifd^en Strater au^u*
rftl^ren oerftanb, fo ba^ il^nt nad^ beenbigtent (Spiele feurige
Strdme ber »ilbefien SBeifaQSlaoa entgegenl^eulten. Sold^
einen SeifaOSftnrm l^abe id^ nod^ nie erlebt. Übrigens ntad^t
Slnbinftein bent $ubHIum erftonnlid^ tiefgel^enbe ftontpli*
mente, »ftl^renb Zaufig au^ l^ier immer feine oomel^me
ffifirbe bel^onptete. i^inbeS mitf^tt man glauben, bat ^i"
berartig entfeffelter 3ubel feben nod^ fo ftolsen (8eifl auS
feiner Stulpe ober (Sranbegja werfen mfi^te! —
3)en . . .
3e|t atme i^ ein (lein menig freier, id^ l^abe
bereits meiner (Stellung entfagt unb ber Familie bamit fein
geringes (Srftaunen oerurfac^t. 2)iefe Seute Unnen eS nid^t
begreifen, ba^ man ftd^ in il^rem ^aufe unbel^aglid^ fäl^len
!ann. ^reilid^, maS ben SOtenfd^en jum 9)tenfd^en mad^t,
^rei^eit unb 9)lenfd^enn)iirbe — biefeS unb ^l^nlid^eS mirb
i^nen mol^l nod^ lange ein t)erfd^loffeneS 9ud^ bleiben. —
9lo^ einige SRonate @ebulb! 2>ann {el^re id^ in mein ge*
liebteS SSaterlanb juräd. — 3Rein Unbel^agen mirb borum
immer unm&|iger, meil meine B^g^inge fo befd^affen ftnb,
ba| eine l^erjlic^e 3uneigung ober ein red^teS ^ntereffe für
biefelben fd^led^terbingS unmdglid^ gemad^t mirb, obgleid^ bie
9latur fte in oielfad^er ^infid^t oerfd^menberifd^ auSgefiattet
l^at. Sie merben mit jebem Zage unertr&glid^er; fie flnb
unge}Ogen bis jur ^red^eit, faul unb — n>aS baS Sd^limmfte
ift — oon l^ersen fd^led^t. 2)aS finb bie folgen ber matter*
lid^en SSerjiel^ung ! ^
- 252 -
S>€tr ...
Sie 9ttx^ wn SBod^en, bie id^ nod^ l^ier }it
l^oufen oecbammt bin, f^Ieid^t »ie eine Stttte oon (Emigfeiten
langfam unb einidnig ba^in. Qn meinem Ibpfe tft oSHige
(Ebbe eingetreten. O Aber biefe Armften Statt Ifktl ®ie
l^offen no^ immer, baf i^ mein SdfnngSmort jutüAiel^men
unb nod^ Iftnger {Konif^e Stttfbtft einfangen merbe. — (Ein
mel^rjl&l^ger Stnfenti^t in ®t&bten biefer Sbt mftfte wU*
(ommen onireid^en, in einer {eben bem i^beolen ergebenen
Sl'lenfci^nfeele Heben ffiffeun Xnff^mnng jn ertSten. — Sßie
bie Sorfel^g eS ond^ über mid^ ond^&ngt l^oben mag: mögen
fid^ in meinem SBnterlanbe bie alten Übd emenem, mdgen
fid^ il^en nene ^njttgefeOen: ber (Sebanfe an mein ruffifd^
@ied^m mirb mid^ oHe weiteren 99t&l^felig!eiten beS Sd6en8
gemi^ leidster ali fonfi ertragen laffen. Senn l^ier ifl an«
l^oItenbeS (SIenb beS @eifte8. —
SDen ...
Sttnftd^fl gebenfe id^, einen longe in tieffter 93m|l
rul^nben SiebUngSpIan anSjnffil^ren. ^fd^ nnternel^me eine
furje Steife nad^ 9ßien. (Snblid^ einmal merbe id^ baS irbifd^e
^elb ber gdttlid^en IBeetl^ooenfd^en (Saaten betreten. @d^on
ffi^Ie id^'S, mie in biefer XuS^d^t fld^ aU meine fiebenSgetfier
mieber frtfd^ jn regen anfangen. —
93on einem SBeetl^ooentranm nrng id^ 3)ir nod^ erj&l^Ien.
Q6) fal^ anf einmal baS ftnnfteigfinm x>or mir. äBeld^ ein
fefUid^eS SSBogen ber beDorjngten (Genien. Aber ba erblidfte
id^ einen !oftbaren Zitron aus magifd^ f d^immernbem Wlatmot*
geflein, non gmeen SSmen getragen. Qu biefem 2:^rone
fährten mel^rere ©tnfe l^inan. Unb anf biefem Jl^rone fa§
bie ma|ef}fitif d^e ®ef}alt Seetl^ODenS. 2)er gStäid^e SAnger
mar mit ber (S^renfrone ber Unfierbltd^eit gef^mödCt nnb
fd^ien jum ^errfd^er im (Seifierreit^e erm&l^t ju fein. See«
tl^openfd^ SQSeif en erf langen unb aCeS lauf d^te ben Äl&ngen
biefeS gottbegeifterten ©eljerä in anbftd^tlger ^rgebenl^eit. — *
— 253 —
9lad^ bem trä6ften (Srbenletb loarb Seetl^ooen bie feltgfte
Unfierblul^Ieit juteil. — 8Bte »onnetnmfen warb baS 9luge,
als eS biefe el^noärbige @eifterfd^at mufterte^ biefe Srftger
unb Sel^rmeifter ber l^dd^ften ®ebanlen ouS aQen S&nbcrn
unb 3^tten.
2)a erbltdtte id^ aud^ meistere fd^toarje ^unbe. SefonberS
auffaUenb unter btefen loar ber 6e!annte „rl^etorifd^e {^unb",
ber unter bem Seffel beS greifen Isomer lag. Suf btefer
^unbeftim n)ar beutltd^ ju lefen: 3oiIui$, ^omeromaftij:
(baS l^ei^t: 0ei§el beS ^onier). — Qn ben %&^tn be8 oer»
l^errlid^ten S3eet]^ot)en fauerten ntel^rere ^unbe, am H&g«
lid^ft^ anjufd^atten ein mürrifd^er Jtdter mit ruffifd^er
S^nauje, auf beffen <Stirn px lefen voax: Sde^anber Ulibi*
fd^eff, ^omeromafti; ü. —
Sben xooUttn fxä) bie ^errlii^en ®enien an bie reid^ge«
fd^mfidtte Za^d begeben, — eben fd^idfte ftd^ S5eet^ot)en an,
eine Slnfprad^e an biefe verfl&rte (SeiftergefeQfd^aft ju rid^ten,
als id^ enoad^te: wU Unmut, au§ bem fd^dnften SebenS«
träume fo unbarml^erjig auf gerottet ju fein.
eifted jtapitel.
@ttte freubenboEe ÖBenafd^ung*
^,. tote ^a^ k( aefd^nuul^tet in dbev gf^enbe!
<8Ui4 einer tpeuett fßlumt
Sn bed 8otani!etiS blecherner ^wpl\d
2aq mir bad |^ in ber Orttft
SR« ift, 0(8 fat td^ »interlanae
din ^tatätx, in biuiller itranfenflube;
tlnb niitt oedflf ' ii fle p(ö|(i4,
Unb blenbenb ftro^lt mir entgegen
^)«r fmaragbne ^l^lina, ber fonnengemedfte,
Unb eft rauf(^n bie met^ SNütenbftume,
Unb bie jungen Blumen fc^auen mid^ an
9Hi bunten, buftenben Kugen,
Unb ed buftet unb fummt unb atmet unb laö^t,
Unb im Mauen {^immel fingen bie Sdglein. —
$. C^eine: 8u($ ber Sieber (IXeergru^).
n einem l^etter blidenben i^rü^KngStage, roxt l^el^rer
$tmmel8buft bie menfd^Iid^e @eele erquidenb, ful^r
ein ftntpler Sßagen burd^ einen (Sc^lagbaum, ber baS ruf«
ftfd^e ®ebiet vom preufifd^en Slad^barftaate fd^eibet.
^m 9Bagen fa^ ein faum breigigi&l^riger junger SKann,
beffen gongeS Sntli^ immer mel^r von freubigem (Slanje
uberjogen mürbe, als er an baS SBiberfpiel smifd^en ber
eben t)erlaffenen ruffifd^en Unfauberfeit unb ben ftd^ immer
lieblid^er auSbreitenben Qtiä)^n t)on Steinl^eit unb gefittetem
SBefen feineS fo l^eig erfel^nten 93aterIanbeS badete.
3)er äBagen l^ielt vor htm 9a^n]()ofe ber f leinen, f ^mudCen
@ren)ftabt an. — 9lad^bem ber junge 3flann ben Äutfd^er
— 255 —
jufrtebengefteQt l^atte; blidte er mit bem 9(u8btttd beS l^dii^ften
ISittjfldett? nm fx6).
SS mar <Sbgar Sßtitig^ ber nad^ langem Sd^ma^ten im
3arenreid^e trunlen oon reinfter (5elig!eit bie Daterldnbifd^e
£ttft in langen, fräftigen SH^^ einfd^Iärfte.
9(n biefem Xage gab eS gemi^ lebten ®IAdlid|eren unter
ber ganzen gro|en @onne, als (Ebgar. (Sine fo frenbige
ftfi^nl^it ftral^Ite att8 feinen Sbtgen, alS w&re bie n>eite,
weite Seit fein nnnmfd^rdnfteS (Eigentum.
%xä)t am ^dffn^ofz befanb fid^ ein Heiner, forgfftitig
0e|>f[egter $arF, offen für baS ^blifnm. (Sbgar trat ein
unb fttd^te fid^ einen uerborgenen 9lafenplal| auS. |^er (niete
er nieber unb !ü^te ben oaterl&nbifd^en Soben fo inbrfinftig,
als l^ielte er baS l^immlifd^efte .äBeib in feinen Srmen. —
3)iefen Sht^ l^atte @bgar l&ngft mftl^renb feineS ^inmelfenS
im 9lttffenlanbe ber l^eig erfel^nten l^eimatlid^en (Srbe gelobt.
Qn biefem @tdbtd^en mu^te er ftd^ mel^rere @tunben auf«»
l^alten, el^e ber CSifenbal^n^ug abging, ber il^n meiter befdrbem
foDte. (Sbgar luftmanbeUe nod^ eine geraume 3^tt in ben
^ngen beS freunbHd^en ^arfeS, n>obei fein ganjeS SEBefen
ben Sbglan) ber ooQften (SlädCfeligfeit jur Sd^au trug, unb
begab ftd^ bann in ben ®))eifefaal.
(Sbgar mufterte bi^ (SefeQfd^aft, ol^ne auf belannte (Se-
ftd^tSsfige SU flogen.
(Sr ftanb eben auf bem fünfte, einen $la^ an ber
Sofel einsunel^men, als fein ^Ixi in baS Heine angrenaenbe
3iutmer ^el.
Sßie feftgebannt blieb fein äluge unb fein ganjer ftdrper.
9BaS mar baS? (Sin lebenbiger Xraum bei mad^em 3uftanbe?
(Srblidfte er nid^t bort an einem Zifd^ leibl^afttg ^ntl^emia
in (SefeSfd^aft einer mfirbeooQen ^rau unb eines dltlid^en
^errn? 2)er ganje 9ltem ftodte il^m oor innerfter Aufregung;
eS (onnte feinem 3i^^if^l unterliegen : bort im tleinen (Sj^tra»
jimmer fag älntl^emia mit il^ren (Sltern.
— 256 —
(BlüitKc^enoeife wox er von btefem ftreife nod^ nid^t
bemerlt worben. 9la(^bem er fid^ oon feinem tiefen Srftott*
nen erl^olt ^te, n&l^erte er fUi) feften S^ritteB bem Xifd^e^
an meinem Sn^emia nebft il^ren äbtgel^Brigen fa|.
(Srft als (Sbgar i^rent ^Ia|(e ganj nal^ tarn, tontht
^ntl^mia feiner anfid^tig. ^ie l^errlid^e SRaib aber marb
burd^ feine il^r gang nnermartet lontmenbe (irfd^einung fi>
urm&d^tig übeixafd^t, ba| fte gnerfi gang fprad^loS fl|en bliebe
(Sbgar mit ein unglonblid^eS SBnnber anftarrte nnb feinen
voStönenben ®m^ gu ftberl^dren fd^ien.
Snblid^ gen)ann älntl^emia il^re ^faffnng toieber, fhQte
(Sbgar il^ren !auni n^eniger erstaunten <Sltern wx nnb bat
i^n, fid^ gn il^nen gu fe|en.
Sbgar blidfte mit großem SBol^lgefaQen auf biefe n)fir^
bigen ®eflaUen.
— 9ber, um adeS in ber 9BeIt! n)ie tommtn Sie l^ier^er,
^err SSittig? fragte Wxtfftmia, nod^ immer fe^r nermunbert
blidfenb.
— 3^ bin, mein gn&bigeS ^r&ulein, gemi^ nod^ Aber»
raf d^ter, ®ie in bief em ®rengorte gn ftnben, als eS ^^l^nen
mit mir ergeben tann. Sie miffen eS gemif, ba^ id^ vox
längerer 3^it ^eutf d^Ianb oerliejs, nm in 8ttf|lanb eine (SteOung
als (Srgiel^r unb Seigrer ju betleiben.
— 2)aS meig id^ fel^r mol^I, antwortete Xntl^emia; (Smma
^at eS mir gefd^rieben. 3)arum glaubte id^ <5ie tief im
3arenreid^e: unb nun fel^e id^ Sie auf beutfd^em SBoben
mieber. IXuternel^men Sie nur eine SSergnügungSreife in ^Ift
93aterlanb, um fpdterl^in mieber nod^ 9lnj|lanb suräd(}u«
feieren?
— Um alles in ber Sßelt nid^t! entgegnete (Sbgar.
— ^at es ^^mn benn bort fo fe^r mißfallen, mein ^rr?
fragte Slntl^emiaS $ater.
— 3n ieber SBegiel^ung. S>aS mar fftr mid^ lein £eben )u
nennen, — baS mar ein anl^ltenbeS, langfameS ^infterben.
— 257 —
— 2)aS !ann td^ mir 6et ^l^en tbealen ftunftbefirebungen
VDü^l erfldren^ bemerft« baraitf bte nod^ immer fd^dn au8«
fe^enbe, ftattlid^^ SRutter 9lnt^emia8. Unfere %oifttt \fQt
uns fo mel von ^^mn er}&]^It, ba^ id^ mol^rl^aft erfreut
bin^ fo fd^neQ unb fo unermartet 3^re Se!anntfd^aft ju
mad^en.
— @ie ftnb f el^r f reunblid^, gn&bige $rau, oerfe^te (Sbgor,
fx^ leidet oerneigenb. @ie merben eS mol^I begreiftid^ finben^
ba^ id^ mid^ unenblid^ freue, bie (SItem einer fo l^od^begabten^
funfberfidrten Sod^ter lennen ju lernen.
— SRitunter, f agte Slntl^emia anmutSooK Idd^elnb, gefeilt
ftd^ aud^ bei $erm SBittig sur reinen 9Bai)r]^eit ein 9[n]^aud^
von @d^meid^elei.
— SBenn 3[]^nen ^fft grdulein 2;od^ter — fprad^ (Sbgor^
)U ben (£Itern älntl^emiag geleiert — mele 5teime fold^er (Sigen»
fd^often Don mir entl^öQt l^at, bann merben (Sie ftd^ ja eine
red^t erbaulid^e 93orfteIIung von mir gemad^t l^aben.
— So folgt @d^Iag auf ©d^Iag, entgegnete ^err ^ol«
Ieu!o8 in iooialem Xone. 2)od^ Sd^erj beifeite! @o mel
barf id^ Sinnen freubig eingeftei)en: feitbem meine Xod^ter au$
Seutfd^tanb jurädt ift, mirb Seetl^ooen mit einer 93orliebe
von xi)x fultioiert, mie nie juoor. Slber nx(S)t aQein feine
3)^fil/ bie ganje oorl^anbene Siteratur über biefen ©dttlid^eu
mürbe nad^ unb nad) von xf)t mit mai)rem ^ei^l^unger oer»
fd^Iungen. Unb (Sie ftnb bod^ aQein als mefentlid^e Xrieb^
feber ju biefer l^od^eblen Sefd^dftigung anjufel^en. 2)a3 muj^
3^rer (Seele mal^rtid^ !eine geringe Genugtuung Derfd^affen.
— 2)aS mu^ id^ banfenb anerfennen, oerfe^te QSbgar.
&S erfäQt mid^ mit unenblid^er ^reube, ba^ id^ etmaS bei»
getragen l^abe, ein ®emüt ber befeßgenben ^raft ^eetl^ooenS
in bie Slrme ju fül^ren. — älber nod^ mei^ id^ eS nid^t,
meld^em Umftanbe id^ baS l^ol^e @l&d oerbanle, (Sie l^ier ht^
grämen )U fönnen, eben nadfbem x^ aufg neue meinen teuren
beutf^en ^oben betreten ^abe. 3)ev SQSal^rl^eit immer bie
italifc^er, 2)ie 3Ra($t IBect^ooenS. 17
— 258 —
(SUftzl 3)e8^aI6 6e!enne tc^ offen, ba^ id^ biefen %aQ al§
eine gludtoerl^etlenbe 93orbebentung för mein n^eitereS Seben
betrad^te. Srfal^ren (Sie alfo, ba^ id^ mxä) fd^on auS bem
dntnbe t)oIler (Seligfeit befinbe, roM id^ bie rufflfd^e ©flaDen«
tnft im Stüdten l^abe unb mieber neueS Seben onS bem t)ater«
Idnbifd^en Suftfreife einfauge. Unb nnn begegne id^ nad^
ben erfien SRomenten folget äBonne meiner mnfifalifd^en
greunbin auS bem fd^ önen ®rie^enlanbe, genieße ftberbieS
baS Sergndgen, bie (Sltern biefer ftfinftlerin fennen ju lernen,
von benen id^ bereits fo Diel Slül^menSmerteS vernommen
l^abe: mnj^ ba nid^t mein ^erg t)or ©lüdteSfüUe uberftrömen?
— SBergeil^en ®ie bie 9lebfeligleit eineS Übetglfldttid^en!
älntl^emta (am bei biefen Sieben !aum nod^ auS bem @r«
röten unb (Srgläl^en l^erauS. 9hin nal^m fle baS SBort.
— 3)a8 mn§ id^ fagen, no^ niemals ^abe id^ @ie aud^
nur ann&l^emb in fo freubiger (Srregung gefeiten, mie l^eute.
(Sonft maren (Sie baS 93ilb ber ^erfon geworbenen SRelan«
d^olie — unb l^eute ftral^len ^^^eimut, ^rol^ftnn, bie Doßfte
@läd(feligfeit oon ^l^rem Sngeftd^t.
— D, mie miß id^'S Ql^nen oon ^erjen mfinfd^en, fagte
SSntl^emiaS 9Rutter in liebreid^em Xone, ba^ bie gegenwärtige
(Stimmung innigfter 3ufnebenl^eit @ie burd^ 3^r ganjeS
weiteres £eben geleiten möge!
— ^i) banf e ^[l^nen auS tieffter (Seele, entgegnete (8bgar.
— ^reilidf bin id^ l^eute gang £uft unb fieben, gan} £ob unb
Siebe. So doQ ift mir baS ^er} oor ^immelSfreube, bajs
id^ bie ganje SBelt an meine frd^lid^e Sruft jiel^en möd^te.
2)a id^ mit l^eiler ^aut bem finfteren, rufjifd^en 3)afein
entronnen bin, benf e id^, ba§ id^ aÖen weiteren SebenSgefal^ren
furd^tloS ins Slntli^ fd^auen fann. — 3)od^, mein ^err, oer»
^eil^en ®ie mir eine nod^malige ^rage, bie id^ wol^rlid^ nid^t
aus eitler 9leugier tue. 2Bie fommen (Sie l^ierl^er, unb waS
für weitere ifteifepldne l^aben Sie?
— ©ie wiffen, antwortete ber ©efragte, ba§ wir feit
— 259 —
langer Qtit bie ^bft^t liegen, ganj naif 2)eutf(I^Ianb über«
gujtebeln. S)iefer äJorfo^ ift nunmel^r jum feften (Stttfd^Iuffe
gereift. 2)etttf^Ianb l^alte \6) in ber @egenn)art für ben
^auptqueQ aller ©eifteSnal^rung unb gan} befonberS fär bie
^auptftAtte ber fSbifxt, berjienigen Kunft, bie fld^ ja t)ornei)nt»
lid^ burd^ beutf^e 99teifter jnr n)unben)oQften ^lütenprad^t
entfalten burfte^ fo ba^ fte aQe eblen @emäter fort unb fort
erquidCen ntu§. — Unfer @op]^ron n>irb nod^ geraume 3^^^
in ältl^en bleiben, um bort feine @tubien ju beenben, nad^
beren 9(bfd^lu^ anö) er ftd^ bei unS in beutfd^en Sanben gan;
htm miffenfd^aftlid^en 83erufe mibmen foH. Unb unfere teure
äntl^emia, bie mir über alleg lieben, foU in 3)eutfd^Ianb bie
t)oIIe ftunftmeil^e empfangen. — SKud) mir fommen bireft au8
SRu^Ianb. @rft geftern finb mir auf ber Slfldffal^rt üon einem
längeren Sefud^e, ben mir 9}ermanbten t)on un8 in Obeffa
gemad^t l^aben, l^ier angelangt, um tagS barauf l^ier in
biefem aQerliebften Stftbtd^en gan} unermartet ^errn @bgar
SBittig fennen 3U lernen. 2)aS ift ma]^rli(]^ ein ^d^ft munber«
bareS 3ttf ammentreffen ! — Slun merben mir, n&mlid^ meine
^rau unb x6), unS erft allein in ben beutfd^en ^auptft&bten
umfel^en, bis mir unS fär eine berfelben enbgältig entfd)eiben.
Unfere 2:od^ter aber unternimmt insmifd^en eine ^efu(j^8reife
ju meinem @d^mager, i^rem Onfel, nad^ 9Bien.
— 9lad^ 833ien?, rief ®bgar in freubigfter Überrafd^ung
aus. S)aS trifft fx6f ja anwerft merfmürbig unb l^errlid^.
Grfal^ren @ie eS benn: mein n&d^fieS Steifejiel ift gleid^fallS
biefe ftaiferftabt.
— äud^ ®ie reifen nad^ ©ien?, fragte äntl^mia,
md^renb ein l^immlifd^eS purpurrot i^r 3[ngeftd^t übergog.
— @nblid^ einmal, lautete @bgarS feurige Slntmort,
mu| id^ bie langgen&l^rte Seelenfel^fud^t ftillen, bie mid^
unaufl^altfam 3U ben irbifd^en £ebenSft&tten unfereS ^eiligen
äJleifterS l^intreibt. ^z^t l^< mid^ nid^tS jurädt, biefem
airiebe golge ju leiften.
17*
— 260 —
— Qi) el^re btefen Zmh, fprad^ 3lntl^einta8 93ater ge*
rül^rt ju (Sbgar^ tnbem er il^tn bie ^anb retd^te. ÜberbteS
nel^men ^e unS mit biefer unern>arteten 9leutgfett eine ge«
tDtffe Sorge vom ^ergen. 9Bir werben unfere eigene Steife
nunntel^r weit rul^iger fortfe^en, feitbem wir wiffen, bag
unfere Xod^ter einen fo el^renwerten 9leife6egleiter gefunben l^at.
— Unb id^, fagte fjrau ^aßeufoS^ bitte Sie ebcnfo
freunblid^ als bringenb, in Sßten red^t oft meinen einzigen
Sruber ju befud^en. ^n feinem ^^aufe wirb eifrig muft^iert;
aQe werben (Sie bort mit offenen Slrmen empfangen.
— äSon biefer gätigen Erlaubnis werbe id^ ben auS«
gebel^nteften ®tbxanö) mad^en, antwortete @bgar, wdl^renb
er feine freubeftral^Ienben 9Iid(e auf Stntl^emia fallen lie^,
bie t>on il^r ebenfo freubig^ ja nod^ weit fel^nfud^tSooller er^
wibert würben.
— SBeld^er Slrt ^i)x^ 93ergnägungen in SBien fein
werben^ baS ift mir wol^l einleud^tenb, bemerfte SSntl^emia.
®ie werben ben gangen lieben 2:ag bie ©tragen 9Bien8 burd^«*
laufen^ jebe @t&tte auffud^en, bie ber ®eniuS SJeetl^ooen ge«
weilet l^at^ werben enblid^ alle äRenfd^en aufftöbern, bie
i^l^nen aber SBeetl^ODen ergäl^Ien fönnen, unb fil^nlid^eS.
^abe id^ nid^t rid^tig erraten?
SSollfommen rid^tig, oerfet^te (Sbgar l^eiter Idd^elnb; id^
goQe ^^ttx 3)ioination3gabe meine unumwunbene ^od^ad^«
tung. äCber id^ l^offe, mein liebeS ^^räuiein, bag au^ @ie
aus bem 93ergnägungSftrome, ben ^^^nen in 2Bien On!et unb
Xante l^erbeifd^affen, nod^ S^xt genug retten werben^ um
aud^ oon ftd^ behaupten gu !5nnen, (Sie ^tten eine äßaltfal^rt
gum @rabe SBeet]^ot)en$ unternommen.
— Äönnen (Sie barau gweifeln, Sie Stteingidubiger!
rief Slntl^emia aKerliebft fd^moHenb au8. ©ott id^, bie eifrige
SBerel^rerin unfereS ©rofemeifterS, jenem alten, fd^IidEiten
aJlufifer ber 9flefibeng.ftabt nad^ftel^en, oon bem bie Slatfad^e
— 261 -
berid^tet toirb, er l^abe nid^t aUein biref t eine 9leife nad^ SBien
unternommen^ um bog ®rab biefeS aUoerel^rten älteifterS auf»
^ufud^en, fonbern er ^abe ftd^ au^ ium erl^ebenben 3lnbenfen
an lenen ftird^l^ofgang ein A&ftd^en mit ^eet^openfd^er
@rabe$erbe l^eimgebrad^t?
— 9Bo m&re ber }meite SDIenfd^engeift ju finben, ber
eine fo unbegretigte^ aQfeitige, ma^rl^aft göttUd^e SSerel^rung
gendffe, mie unfer einjiger beutfi^er 3)teifter!, fagte ^rau
^SeuIoS. 3)enn @ie bürfen ni^t glauben, ^err SEBittig,
ba^ f&ttti)own nur in 2)eutf d^Ianb f o unenblid^ wxtfftt mirb ;
ic^ !enne auger mand^em l^od^gebilbeten @ried^en mele dng«
I&nber, :3[taliener, i^ranjofen, 9luffen, 9Heberl&nber, Sd^meben,
Slormeger, S)änen, felbft Spanier, bie mit ben 2)eutf4ien in
bejug auf baS SRag il^rer feurigen Segeifterung fär biefen
göttlid^en SReifter mol^l einen fiegreid^en Stampf befielen
!önnten.
— 9lud^ auf mid^, bemerlte Slntl^emiaS SBater, ber id^
l^auptfftd^Ud^ im (Stubium meiner altHafflfd^en $eroen auf«
gemad^fen bin, fiben Seetl^ooenS Sßerfe biefen gigantifd^en
(Sinbrud au8, fo ba^ id^ vermeine, in biefem einen 9Ranne
l^abe ftd^ bie epifd^e SRad^t ^omerS, bie Iqrifd^-bitl^^ram«
bifd^e (Sd^mungtraft eines $inbar unb bie bramatifd^e Siefe
eines ^fd^^IoS unb ©opl^ofleS ju einer munberbaren <Sin«
^eit Derfd^moljen.
— Qf)x Urteil t&ufd^t Sie mal^rlid^ nid^t, fprad^ (Sbgar.
3)enn aOein bie i^nftrumentalmuft! 93eetl^0DenS bel^errfd^t aQ
biefe f^ormen. 9lun, in beutfd^en Sanben werben Sie ja
reid^lid^ Gelegenheit flnben, bie ;9[nftrumentalmufil aQer
aReifter su l^dren; ba mug fxi) benn aud^ mit ber 3^it in
Sinnen, als einem Saien von fo umfaffenber 93ilbung, baS
Urteil flären unb befefKgen.
— S)od^ nun, nal^im $rau ^aSeufoS baS SSßort, möd^te
i4 gel^orfamft bitten, ben fublimen (Steift SSeetl^ooenS in Stulpe
ju lajfen- — 3lud^ anbere S)inge muffen su il^rem Siedete
— 262 -
gelangen. 3d^ l^offe ho6) leine ^el^IMtte }u tun, ^rr 3Bittig,
wenn id^ Sie etniabe, l^eute unfer ®aft ju fein.
— O, ganj gewig nid^t, antwortete @bgar, ^6) tief
Derneigenb. ^f)x^ äbergro^e ^rennbti^Ieit rä^rt unb t^tt
mxä) fo fel^r, bag x6) faum einen SuSbrudC bafär finbe.
9Rit äjetgnägen nel^nte xd) O'^te liebenSnoürbige Sinlabung
an. @o bringt mir benn j[ebe ®tunbe, j|a jebe SRinute biefeä
l^errlid^en 2;ageS nene ^reuben.
SDarauf begab ftdE) ttnfere Heine @efeDfd^aft jnr S^afel,
bie fel^r gefd^mactDoQ angeorbnet n^ar unb ft^ namentlid^
für (Sbgar burd^ feurige gried^ifd^e äBeine auSjeid^nete, benen
er mit fid^Üid^eni Sel^agen jufprad^. — Ob SKntl^emia be«
glüdter mar, ober @bgar — wer wollte baS entfd^eiben?
3>er aSerfel^r jwifd^en il^nen einerfeitS unb jroifd^en (Jbgar
unb ben (SItern Slntl^entiaS anbererfeitS gestaltete ftd^ immer
l^erjüd^er.
3)ie Unterl^altung bewegte ftd^ fd^neQ genug T>on einem
©egenftanbe ium anbern.
^rr ^aQeufoS lie^ e§ fld^ unter anberem nid|t nel^men,
feine fiberrafij^enben SKnfidjten über bie SluSfprad^e beS 9Ht«
grieiä^ifdien ju x)erfed(ten. S)ana(i( rodre bie beutfd^e SSuS*
fpradEie beS ©ried^ifd^en, wie fel^r jener aud^ im übrigen baS
tiefe Sinbringen ber ®eutfd^en in ben antifen ®eift prieä
unb aner!annte, eine burd^au§ t)erfe]^Ite.
Selbftoerftdnbttd^ fanb benn anö) bie SluSfprad^e ber
gried^ifd^en SSerfe, bie @bgar auf ^errn 5ßalleufo8 SSitte auS
IJomerS SBerfen remitierte, leineSmegS beffen SeifaD. @ben»
fomenig oermod^te (Sbgar ber neugriet^ifd^en Slrt, in ber bann
Don unferem funftftnnigen ^anbelSl^errn au8 9>doi bie alt»
l^ellenifd^ $oefie bellamiert mürbe, redeten ©efc^madC abju»
gewinnen. — @bgar fanb in ber beutfd^en 9lrt weit mel^r
aWuftf.
Ser alte pl^ilologifd^e Streit, genannt StajiSmuS (baS
]^ei§t: Slugfprad^e beä Qta, tq, = ö) unb ^tagiSmuS (b. 1^.
— 268 —
SlttSfiJrad^c beS tj = i [^ta]), fanb aud) an ^crrn ^aUcu««
toS eitlen eiferüoQen fi&ntpen. älQerbingS !ottnte btefer
mand^en fd^Iagenben SeiDeiS auS gemiffen alten Slnefboten
für bie 9lid^tigfeit be$ ^FtojiSmuS anful^ren, nooor (£bgar
t>erftnmmen mn^te.
älntl^enria unb (Sbgar n)aren frol^, olS bie Unterl^altung
n)ieber in Ud^tooQere, angiel^enbere @pl^&ren einlenite.
9lad^ anfgel^obener 2;afel begab man ft^ in ben ®arten,
n)0 bie 93ögel fo Inftig fangen, ba| aud^ baS trubfte ^erg
aufgel^eitert n)erben ntugte. — S)er Kaffee toox unter bem
ntilb fd^^enben fjfräl^inggbad^e Don befonberer äCnnel^m«
lid^feit.
SS^renb bie (SItem nod^ ft^en blieben, ergingen fid^
9[nt]^emta unb (Sbgar in ben Dont uppigften @rün n>ie ein«
geral^mten ä(Eeen. Oft genug trat ein @tillfd^n)eigen x>on
tiefftcr, befeligenber öerebfamfeit ein, — äugenblidte, in
benen bie liebeglül^enben @eelen tdoxi ben al^nungSreid^en
(SvnUidtn ineinanber rafteten. SBaS ber ä)lunb t)erfd^n)ieg,
briidtte baS Sluge um fo inniger, DerftdnbniSDoUer auS. —
äBeld^e Seligfeit, n)el^ unnennbares ^o^geful^I fär beibe;
— meld^ ein anbad^t§t)olIeg 3[]^nen einer ubergläd(lid^en 3^'
fünft burd^jog il^r ganzes SBefen, olS fle bann aud^ in ber
ftiUen, lauf d^igen Saube ^anb in ^anb nebeneinonber fogen !
%xjS ben Iiebe8n)armen, fammetn)eid^en ^änben verbreitete
fld^ ber @trom unenblid^en äBol^Igefül^Iä bur^ ben ganzen
Körper f|in. SKUeS: ®eift, Körper n)ie @eele fd^ienen ein
einziges SiebeSparabieg ju fein.
3)od^ aUjuboIb mn^U biefe ftille ^erjenSfeier ein @nbe
erreid^en. S)ie 3^tt ber äbfal^rt eilte ndl^er unb iwnier
n&l^er Iierbei. Unter ben mannigfaltigften ©efül^Ien unb
@ntpfinbungen begaben ftd^ aQe in ben @aal jurädC.
äJlit einer gen)iffen SOSel^mut nal^m äBittig innerlid^ von
biefcm lieben ©täbtd^en 3lbfd^ieb, ba8 feinen Sebengl^orijont
mit fo t)ielfad^en freubenreidjen Silbern angefüßt l^atte.
— 264 —
Snblid^ braufte ber 3^0 bal^tn. SBiS jum anbeten
SRorgen reiften aKe jufammen. (Sine fel^r belebte Station
foHte ber XrennungSort fein.
Slntl^emiaS (SItem nal^men ben i&rtlid^ften SCbfd^ieb oon
il^rer geliebten Xod^ter unb einen l^erjlid^en oon Sbgar.
@ie fprad^en bie ^offnnng onS^ il^n red^t bolb in feiner ge«
liebten Steflbengftabt wieber^ufel^en^ nnb empfol^Ien il^re tenre
Sod^ter nod^molS feinem frennbfd^aftlid^en Sd^n^e an. —
älntl^emia nnb (Sbgar blieben allein gnrüd. 99alb fe^te
fid^ anci^ ber 3^8 ^^ 99en)egnng, ber bie Siebenben nad^
Sßien tragen foQte. — SBebarf eS erft nod^ ber ouSbrüdCIid^en
(Snoal^nung, ba| biefe t^al^rt bie glädCfeligfte il^reS 2thvxS
war? S)ag fie fid^ aOein^latnr, @ott, SBelt, äberl^anpt bag
Sin n)aren? — 3^^^^^ glanbte nod^ immer ^bgar }tt
tt&vimtn, ber fld^ anS ber grauenooQften 9lad^t feines mfflfd^en
3)afeinS fo bli^fd^nell in ben aQerroftgfien £ag l^inein«
gejanbert fanb. —
@p&t am Slbenb erreid^ten Slntl^emia nnb (Sbgar bie
^eigerfel^nte ftaiferftabi Slntl^emiaS Ol^eim, ein mannet«
fr&ftiger, ^o^er, blonbbdrtiger SRann, empfing feine tenre^
l^errlid^e 9lid^te anfiS liebeooDfte. 9lad^bem bie äblid^e
SSorfteQnng wt ftd^ gegangen ntib bie am SBal^nl^ofe not>
n)enbigen 93orfe]^mngen getroffen maren, nerabfd^iebete fid^
(Sbgar t)on älntl^emia nnb il^rem Ol^eim. ^eft nnb feierlid^
mugte er'S beiben oerfpred^en, am anberen 2:age f o frfil^jeitig
n)ie mdglid^ s^ erfd^einen, ebenfo and^^ tftglid^ bei il^nen baä
SRittagSma^l einjunel^men. (Sbgar fagte jn allem ^a nnb
3(men — nnb fnl^r bann in aUerl^öd^fter (Sntg&dCtl^it nad^
einem ftattUd^en ^ötel ber fd^önen S)onanftabt.
•r^i^
Swölfte« ÄapitcL
^nf bem SB&^rmger ^irii^l^ofe.
„3ft ^ nU&t ein ma^eS 6immeldgebäube unfere Siebe,
ober ou^ fo feft, toie bie Sefte bed ^imntetö ?''
Oeetl^ooen: Briefe an (Siulietta (Suicciatbt.
ir^er SRu jl!er, ber xum erftenmol SSien befuAt, mag
ft^ ool^I eine SBeUe umg an bem feftfid^en äfcmfc^en
in ben @ira|en ergoßen !önnen, unb oft itnb oenounbernb
oor bem Step^andturm geblieben fein; balb ober mirb
er baran erinnert, roit unn)eit ber ®tabt ein Itirc^l^of
lieai, il^m mid^tiaer, aU aUed, maS bie ®tabt fonft an
€^9endmürbig!eiten l^at, mo 9n)ei ber 6errli(l^ften feiner
Hunft nur wenige Stritte ooneinanber ruben. (So
mag benn, mie iq, fc^on mancher funge SRufuer, ba(b
no!^ ben erflen gerAuf(690llen Sagen (inauSgemanbert
fein 9um SßA^ringer Itirc^^of,*) auf ienen (Brftbern ein
Vlumenopfer nieber^ulegen, unb m&re ed ein n)i(ber
SRofenfIraucb, mit i^ i^n an Seet^ooend ®rab l^inge«
pfCanst fano. grana ScbubertS Sftul^eftfttte mar un«
gefd^mfiat."
S^umann: @^ften über 9Rufi!.
liefeS lange itngeftöite Seifammenfein nad^ fo unenbUd^
"^^ langer Trennung mu^te naturgemdl älntl^emia unb^bgar
immer inniger aneinanber fetten. 9Bie gern Iie| Slntl^emia
il^re gidnjenbe alabaftermeige ^anb mit il^rem blanblätig
Sarten @eäber in ber il^reS @ef&]^rten rul^en, f o oft ber 3(ngen«
blid günftig mar! SSSie gefpannt laufd^te fie aDen (Sinjel«
l^eiten Aber feine iftngfte SSergangenl^eit ! Unb mie beeiferte
^ 'StAt ^erblid^en ftberrefte Seet^ODend unb ^d^ubertd mürben in
fpftterer 3eit es^miert unb ru^en ie^t auf bem (^entralfrieb^ofe.
— 266 —
fie ftdd anbecerfeitg, il^ aUe i8er]^ftltoi|fe t|ceS %awlxw
lebenS in onmtttigfter 9Betfe offen^ o^e itQliijtn 9iMfyäi
barjulegenl Mgemad^ tourben bie gel^eimften SebenStoünfd^e,
^o^nungen unb (Snttoürfe auSgetaufd^t. 3)iefe stoei @eelen
fäl^Iten ftd^ mit immer magifd^eren SSanben aneinanber
gefeffelt, ol^ne ia% e3 bie Sippe auSgufpred^en magte. ®e*
fu^lSflarl^eit l^errfd^te l&ngft in beiber ^erjen; {te l^atten baS
SBemu^tfein, ba§ eine innere 3ufammenge]^örig!eit Dorl^anben
mar, ba§ jeber von il^nen beftimmt mar, boS SBefen beS
anberen l^armonifdi ju erg&njen; bag fie fo in entjädenber
@emeinfd^aft bie aden 9Renf(|en t)on ber äSorfel^ung gefteUte
Sebengaufgabe getreulid^ meiter }tt Ufen nnb ju erfüllen
l^atten. —
Staum l^atte @bgar am anberen 2;age feinen Jtaffee ju
fx6) genommen, eis er fxi) fogleid^ aufmad^te, nm bie Statte
aufjufndien, bie feit langer, langer 3^^* f^^"^ ^ß^antafte fo
m&6)txQ bemegte.
(Sr fanb gemutlid^e 9)lenfd^en in 3Renge, bie il^m ben
Seg ium SBäl^ringer ^ebl^ofe bejeid^neten.
3)er gl&ubigfte 3)tenfd^ fann eine Jtird^e nid^t fo an»
bad^tSuoD, nid^t fo doH tjon aHerl^eiligfter ©d^eu unb d^u
furd^t betreten, vok (Sbgar biefen gemeil^ten SBoben. 3US er
enblid^ baS l^eilige ®rab erfannte, Don meld^em ber 9lame
,,93eet]^ooen" fo meltoerl^eigenb l^inauSblidCte, lonnte er fld^
nid^t bel^errfd^en. ^ feinem Qnnern arbeitete eS m&d^tig,
bis ein 2;r&nenftrom feiner ©eele bie befeligenbe (Srleid^te«
rung nerfd^affte. S>ann marf er fid^ auf bie @d^oUe l^in,
meldte bie fterblid^en ®ebeine feineS l^eiligen 9RetfterS in fid^
fd^Io§, unb ffi^te baS teure @rab mit ber tiefften Sfubrunft,'
beren feine ©eele fällig mar.
@ine gauberifd^e @emalt Abte biefeS @rab immer mieber
auf Sbgar auS. ®o fel^r il^n aud^ anbere @r&ber, befonberS
baSienige ^rang ©d^ubertS, auf biefem ftird^l^ofe feffeln
mod^ten, immer aufS neue mu^te ftd^ fein tief finnenber SBIidE
— 267 -
auf baS @rab 93eet]^ot)en8 l^eftctt. SBon ben fdimcrjl^afteften
©cful^Icn tüarb fein ®tvx&i bur^judtt, als ll^ttt l^ter bie fd^njcre
ScibcnSfette bcS ©cetl^otjenfd^n ©rbctitoaHettS fo lebcnbtg
üor btc ©eele trat.
2)oc^ aitd^ btefem gramDoH ©d^öncn mu^te er enbltd^
cntfagen. ©ditoeren, ju fti^toeren ^ergcnS trennte er fi^ t)on
btefem l^od^geweil^ten ^nebengorte. — 3>^m mar eS pIötjKtä^
nid()t anberS, als l^örte er liebliche ©ngelftimmen baS l^err»
Itd^e ?ßropl^etenn)ort fingen: „STHeS %lt\\ii fei ftttte tjor bem
^errn, benn er l^at fl^ aufgentad^t auS feiner ^eiligen ©tdtte."
(Sadjaria^ 2, 13.)
Unb nun gingS fort auS biefent 9ieid(e bcr Slul^e unb
beS ^rtebenS inS frol^bemegte SBBiener Sebcn l^inein. ®a8
2ireiben beS luftigen, fröl^Ii^en, urgentütlidien S33iener SSoßeS
t)erf(i(eud^te fd^neU genug bie SBoKen ber Sraurigfeit t)on
@bgarS Stirn. — Sf^^m ntu^te eS balb Ilar n)erben', ba§
bie lebensluftigen, l^eiteren Xongenien ^agbn unb SÄOjart
ftd( unter einer fo munteren, leid^tblätigen ÜKenge reti^t be»
^aglid^ fül^Ien mußten, mSl^renb ber tiefernfte, unerbittlid^
fittenftrenge rl^einifd^e Sonl^eroS Seetl^ooen feinem Unmute
über biefe mobernen „^l^äafen" oft in berben ©arfaSmen
Suft mad^en, unb ba§ er immer mel^r jur @infamfeit ge«
brdngt werben vxvi^i^.
2CI8 @bgar Slntl^emia auffud^te, atmete fein SDBefen mieber
bie t)ollfte ^eiterfeit.
älntl^emia trug ein einfad^eS meines ^leib, baS bunfel
ergidnjenbe ^aar trat fo no(^ oerlorfenber l^eroor, fie ftral^Ite
l^eute im blenbenbften ©c^mudte il^rer märd^enartigen ©li^ßn»
l^eit. S33ie bie ©öttin ber emigen Qfugenb, umftoffen t)om
Sauberl^au^e l^erjgeminnenber 3lnmut, ftanb fie l^eute t)or
@bgarS t^ermirrten SBIid(en ba.
SÄan mar l^ier bod^ ein menig überrafd^, als man er«
ful^r, meldte ©e^enSmörbigfeit SBienS t)on @bgar juaKererft
in SKugenfdiein genommen morben mar.
— 268 —
^ier im ^aufe il^reS OnlelS (onnte Slntl^emta nun ou^
in reid^Ud^em fBla^t i^re l^&uSlic^en Xugenben unb (Skfdiid«
Iid^!eiten entfalten. 2>ie 9Dante war leibenb: halber Iie| eS
{id^ bie bod^ ganj unb gar im 3^^^^^^^^^^ ^^^ äRufxf
mebenbe SUc^te ni^t nel^men, atleS, maS einer {^auSfrau )u
tun obliegt, mit SiebenSmurbigteit unb SuSbauer gu ooU'
fähren. — (Sbgar bemunberte im ftiUen, mie fie babei in
aQem ben 9oQenbetften (Skfdimadt unb fifeinftnn offenbarte.
(Sin magres f^eubenmeer bereitete fid^ in biefer Itaifer«
ftabt 9or ben ents&dtten Sugen ber Siebenben auS.
9lad^ ben @enüffen ber Zafel liebte eS Slntl^emiaS Xante
iu rul^en, mft^renb ber O^eim feinen 93erufiSpf[id^ten nad^*
ging. S)amit erfc^ien ffir 9(nt]^emia unb (Sbgar bie erfe^nte
3eit beS älUeinfeinS. S)ann fanb ber gel^eimfte (Skbanfen»
unb ®efä]^lSn>e^feI fiatt; ba erf^lo| {td| immer mel^r i^r
innerfteS 3Befen ooreinanber. 3)ie Stunben vergingen bann
mie SJtinuten — unb nie fd^ien il^re gegenfeitig feffeinbe
unb anregenbe Unterl^altung ein (Snbe nel^men ju !önnen.
3n (Sbgar mar nunmehr ein (Sntfd^lug )ur 9leife ge*
fommen.
2)a3 Seben beiber in äSien flo^ in faft gleid^m&|iger
S(nne^mli(^!eit bal^in. SBSdl^renb Slntl^emia in ber SBormit«
tagSjeit ju ^aufe ooDauf bef 4l&ftigt mar, benu^te (Sbgar biefe
Stunben, um aU bie Stdtten auf^ufud^en, benen baS Sßalten
beS @eniu8 SSeetl^ooen unfterblid^en (Slanj oerliel^en l^atte.
2)er iunge ftunftler fud^te inSbefonbere bie SEBo^nftdtten
beS oerfldrten SKeifterd auf, f o in ber Slftergaffe, am Sauf«
graben, auf ber aüölfer 93aftei, in ber ^farrgajfe, Unger«
gaffe, 93orftabt Seimgrube — unb oor aQem bie Sterbe«
mol^nung äSeetl^ooenS im Sd^marjfpanierl^aufe am ®Iaci8 ber
aSorftabt SBd^ring.
3)ann mürben aQe nal^eliegenben Ortfc^aften burd^«
manbert, bereu prad^tooQe iDlaturfd^önl^eit ben SJleifter fo oft
unb fo frudE|trei(|i entaüdtt l^atte. SKand^e ^oetenfl^e fud^te
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(£bgar nametttlid^ in SDtöbltng (^afnerl^aug)^ in ^e^enborf
mit bem @(i^3n6tunner Sd^Io^garten, in ^eiligenftabt mit
bem Jtal^Ienberg nnb in ®rin)ing auf.
3)ie äBiener ®emätli^!eit fant @ibgar babei w6f)l ju
ftatten. (Sr befud^te oft genng Staffeeliäufer, fud^te fid^ be»
fonberg altersgraue Seute auS^ !nüpfte eine Unterl^oltung
mit il^nen an nnb lenlte bann in fd^ier biplomatifti^er ^ein^*
l^eit ba§ ©efpr&d^ auf ^eetl^ooen. üBie fd^moQ bann fein
^er; vox (Sntjüden an, n)enn mand^ ein el^noärbiger @reiS
unmiQfürlid^ anbad^t8t)on bie ^dnbe faltete unb t)on Sob,
^eiS unb (Segen ob be§ ^auptftoljeS ber ftaiferftabt über*
ftrßmte. UnauStöfd^lid^, fo erjdl^lte mand^er, l^atte {id^ baS
95ilb beS ftnnenb, n)ie erbentrüdtt einl^erfd^reitenben 9RanneS
il^rer SBorfteQung eingeprägt.
SBon ber SÄittagägeit an burfte @bgar in ©emeinfd^aft
mit Slntl^emia bie fd^önften ^errlid^!eiten SBienS, moju in
erfter Sleil^e ber @tep]^an8bom unb bie SBeloebere-^alerie
geliören, fattfam bemunbern. S^mtiUn burd^manberten fie
beS 9lad^mittag8 aud^ allein bie gl&n}enben ©trafen 9Bien8
unb ergd^ten ftd^ an ber ^röl^Iid^feit beS SBoIfeS unb an ber
?ßrad^t ber 93auten.
3in Dorgerüdfterer XageSftunbe fanben ftd^ in SKntliemiaS
SSel^aufung gemöl^nlid^ Odfte ein, fo ba§ man ftd^ teifö ju
^aufe beluftigte, babei oiel SKuftf trieb, teils mit ben ®&ften
einen gemeinfamen 3(u§f[ug unternal^m, teils aud^ ein ^onjert
ober ein S^^eater mit il^nen befud^te. Seetl^ooenS f^belio
lie^ man ftd^ mal^rlid^ nid^t entgelten.
©0 maren etma oierjel^n Sage in einem ununterbrod^enen
^reubenrauf d^e für Slntl^emia unb ®bgar bal^ingcfioffen.
@bgat moQte nad^ einigen 2:agen 9Bien oerlajfen.
@ine8 XageS forberte er Slntl^emia auf, mit il^m einen
©pagiergang nadEi bem SBßft^ringer Äird^l^ofe ju unternel^mcn.
Slntl^emia miHigte ein, mdl^renb il^re leud^tcnben Säugen benen
®bgarS begegneten.
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(£r fal^ fte fo rul^ig unb bod^ fo ierebt an, ba§ i^n
@eele von einer unauSfpred^Iid^ fü^en 9ll^nung ergriffen xocxh.
Saft unter vbUxQtm StiUfd^weigen würbe ber 3Beg nac^
bem 9ß&]^rinser ®otte8acIer jurädgelegt.
(Sine feierlid^e ©tiQe l^rrfd^te auf bem ^rd^l^ofe.
fiSbgar fül^rte Slntl^emia uml^er unb mad^te fte auf ntand^
ein ben!n)ärbige8 ®rab auf merffam, baS bann t)on il^nen mit
Blumen gefd^mädt warb.
(SnbUd^ blieben fte vor bem ©rabl^ägel äSeetl^ooenä [teilen.
älntl^emia pflanzte l^ier abermals 93Iumen l^inein. — @r»
ftaunt blidte fte auf Sbgar, in beffen 3ägen fte eine eigene
SEBeid^l^eit wal^mal^m.
@nblid^ erfaßte @bgar beibe ^änbe S(nti^miag unb fprac^
in feierlid^ gel^obenem S^one alfo ^ur ftdnigin feines ^rjenS:
— ^örenSie mid^ jefet an! Slnt^emia. ©ie n>iffen eg,
wie unenblid^ id^ ben üßann Derel^re, an beffen @rabe mir
l^ier ftel^en. @ie fennen bie unerfd^ätterlid^e äßal^rl^eitSliebe
biefeS ^eifterS, @ie !ennen aud^ fein unperbräd^Ud^eS §eft* I
^Iten an ber Streue in ^reunbfd^aft unb Siebe. äB&re id^
{ein mal^rl^eitSliebenber Wlann, id^ märe mal^rlid^ ein falfd^er
SSerel^rer SSeetl^ODenS! ^ulbigte id^ nid^t ber t)oIIften 2;reue
in ber f^reunbfd^aft mie in ber Siebe, id^ m&re unmürbig,
mid^ einen ed^ten länger biefeS Unfterblic^en gu nennen. —
O meine älntl^emia! eS !onnte ^f^nen nid^t verborgen bleiben,
mie tief, mie unfterblid^ id^ @ie liebe unb Derel^re. 3)iefeS
S3efenntniS aber ^abe i^ barum fo lange mit fd^merer SJlitl^e
unterbrüd(t, meil id^ 3^nen ein ^eid^en ber l^öd^ften f!&af)x*
l^af tigf eit biefeS befeligenben ©efül^lS geben moQte. @ie merben
nid^t glauben fönnen, ba^ id^ l^ier am ®rabe beS fSSlanmS,
ber mir als ber l^öd^fte unter allen l^el^ren ©eiftern baftel^t,
ein fo l^eiligeS ©efül^I l^eud^eln fdnnte, ober ha^ eS nid^t in
unjerftörbarer 97la(^t meine @eele gefangen l^ielte. S)amit
i^abe xä) ^^mn baS ©el^eimniS meiner ®eele auSgefprod^en.
3>e^t frage id^ ©ic l^ier im 2lngefid^te beS 9lamenS 93eetl^ot»en,
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ber l^olie Siebe, üBal^rl^eit unb 2:reue bebeutet: l^aben @te
^fjt ©erj fo Toeit geprüft, ba§ ©ie mir bie feltgfte ©Ifidt «
oerl^ei^ung tun !önnen, bie ntetn äBefen fo unabtoeigbar Der«
langt? Äönnen Sie mir an fo l^eiliger ©tdtte offen einge»
ftel^en, bag ©ie mid^ lieben, Slntl^emia? roal^rl^aft lieben?
Don ganjent ^erjen? t)on ganzer ©eele? 2:rauen ©ie fxä)
bie ftraft ju, mir in unmanbelbarer £reue jugetan ju fein?
älntmorten ©ie mir ol^ne SlüdCl^alt, Slntl^emia. ^ier miQ x^
mein ©eelenl^eil auS ^l^ren ^dnben empfangen. —
3(nt]^emia l^atte gefenften 931icle§ jugel^ört.
9la(j^ einem {urjen, langen ©tiUfd^meigen fprad^ fte leife
oernel^mlid^, inbem jte fanft ju @bgar emporfal^:
— 3»a, @bgar ; 16) miH ba§ SBeib fein, baS ©ie in ßiebe
unb Xreue auf aQ d'^ren SBegen beS SebenS, beS 9lingenS
unb Jt&mpfeng begleiten foQ. @bgar, mein @bgar! 2)u einzig
©eliebter meiner ©eele ! S)u aQein f oQft emig barin tl^ronen.
^ier am ®rabe ^eetl^o^eng gelobe id^ 2)ir fold^eg l^eilig in
DoKer ©eligfeit.
' (£in Iiimmlifd^eS 9Ra| ber reinften ©lücff eligfeit nm^
fd^Iang l^ier bie ®emuter jmeier Siebenben.
— ^aft 3)u mid^ aud^ mal^rl^aft lieb, Slntl^emia? fragte
(Sbgar nod^ einmal mit unenblid^ meiner ©timme. ©ag'S nod^
einmal, bamit id^ baS fü^e öefenntniS für aüe Qtxttn bemal^re.
— Söon gangem bergen lieb' id^ 3)idö, mein ßbgar, —
tDar älntl^emiaä überglüdClid^e Slntmort.
3)a fü^te Sbgar feine 9lnt^emia mit ^erjenSinnigfeit.
(SS mar ber emig binbenbe Stvi% ber Siebe. Sänge, lange l^ielten
fie bie Sippen feft aufeinanber gepreßt, als foHten mit biefem
Äuffe il^re ©eelen für alle ©migfeit ineinanber fliegen.
Unb ber Slame „SSeetl^oüen" marf feinen golbigen
©d^immer auf biefe feiige ®ruppe.
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2)ru(ff eitler:
@eiie 21 SeUe 17 oon oben lied: ooUfl&ttbigfte ^aii x>oU^&oh\%t.
„ 40 „ 12 ^ ,, „ o§ne i^um Präger ffcatt ol^ite il^rem
,r 42 „ d „ unten ,» dpißpömat ilatt dußp^atau
« 116 ,, 10 „ „ ,, »urbe ic^ fUttt »urbe i{l.
,, 126 „ 1 „ „ „ ein weniges ftait neniged.
3n^alt
6ftte
(SrfteS Itapitei: (Sin iton^ettabenb i
3n>eited StapM: (Sine griec^if^j^e 3nfe( 8
^Drittes Rofyitel: Eigenartige Q^ntn)i(fe(ung eined bebend . . 14
Sierted ftopitel: ^ag SBunber ber Seetl^ooenfd^en %onma^t . 39
fünftes j^ofyitel: ^ad (Soangelittm Oeet^ooenS. — S)ie Gis«
moll(@onate < « . 61
eed^ed 5tapitel: (Sin liebenbeS äSeib 105
Siebented 5lapitel: 2)ie A-dar«@9mpl^ottie. — 9CuS (Sbgat
SBittigS IBeetl^ooenbüc^ern 125
3(d^ed jtapitel: 9leue Seiben. — SebendneiiS^eit 152
9leunted Itopitel: ^ie (S^atafter^errüc^feit Seetl^ooend ... 170
3e^nteS 5tapite(: (Sine ruffifd^e ®tabt 235
®lfted Itapitel: ®ine freubenoolle ftbetrafd^ung 254
3n)blfted 5tapitel: ^uf bem SBäl^ringer Ititd^l^ofe. — &^lu% . 265
'^'^^fS^ßS^
Sßil^Im (Bronau'8 »ud^brudEerel, 6^9ne0er0*9er[in.