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Full text of "Die mutationstheorie. Versuche und beobachtungen über die entstehung von arten im pflanzenreich"

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Marine Biological Laboratory Library 


Woods Hole, Massachusetts 


Lillie estate - 1977 


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Gift of FE 


Verlag von VEIT & COMP. in Leipzig. 


HANDBUCH DER MINERALÖGIE, 


Von 
Dr. Carl Hintze, 


0. ö. Professor der Mineralogie an der Universität Breslau, 


Zwei Bände in Lex. 8-Format mit zahlreichen Figuren. 


Erster Band. 
Elemente, Sulfide, Oxyde, Haloide, Carbonate, Sulfate, Borate, Phosphate. 
Erste bis siebente Lieferung & 5 #. (Schluß in Vorbereitung.) 


Zweiter Band. 
Silieate und Titanate. 
1897. geh. 58 %, geb. in Halbfr. 61 . 


“The work is an invaluable book of reference, since it contains all that 
is to be found in other descriptive treatises and a great deal more besides, and 
appears to be extraordinarly accurate.” 

H. A. Miers. (The mineralogical Magazine. 1897. Vol. XT.) 


LEHRBUCH DER ORGANISCHEN CHEMIE 


Victor Meyer und Paul Jacobson. 


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Cyclische Verbindungen. — Naturstoffe. 
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Lex. 8. 1902. geh. 27 .%#, geb. in Halbfranz 30 #. 
Zweiter Theil. 


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Erste Abtheilung. 


Lex. 8. 1901. geh. 7.4 50 2. 


Der dritte Teil des zweiten Bandes wird die heterocycelischen Verbin- 
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Der erste Band ist vergriffen. Die zweite Auflage wird vorbereitet. 


ELEKTROCHENMIE. 


ihre Geschichte und Lehre 
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Dr. Wilhelm Ostwald, 


0. ö. Professor der Chemie an der Universität Leipzig. 


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Roy. 8. 1896. geh. 28 #, eleg. geb. 30 #. 


Verlag von VEIT & COMP. in Leipzig. 


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Professor an der Universität Lund. 
Erster Band. 
Mit zahlreichen Figuren. 
gr. 8. 1902. geh. 18 #, geb. in Halbfranz 20 # 50 2. 
Der zweite Band erscheint 1903. 


VORLESUNGEN ÜBER NATURPHILOSOPHIE 


gehalten im Sommer 1901 an der Universität Leipzig 
von 


Wilhelm Ostwald. 


Zweite Auflage. 
Lex. 8. 1902. geh. 11 #, geb. in Halbfranz 13 .# 50 2. 


Die „Vorlesungen über Naturphilosophie‘‘ des berühmten Chemikers, der auch ein 
hervorragender Schriftsteller ist, sind eine der interessantesten Erscheinun- 
gen der letzten Jahre; sie werden in den Kreisen der naturwissenschaftlich 
denkenden Gebildeten sich wachsende Verbreitung erringen. Die „Vorlesungen“ 
stellen kein Lehrbuch oder System dar, sondern sind dasErgebnis umfassender 
Erfahrung bei Forschung und Unterricht, das durch die schöne Form, in der es 
geboten wird, eine außergewöhnliche Anziehungskraft aufden Leser ausübt. 


GESCHICHTE DES GELEHRTEN UNTERRICHTS 


auf den deutschen Schulen und Universitäten 
vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. 
Mit besonderer Rücksicht auf den klassischen Unterricht. 
Von 
Dr. Friedrich Paulsen, 


o. ö. Professor an der Universität Berlin. 


Zweite, umgearbeitete und sehr erweiterte Auflage. 


Zwei Bände 


Erster Band: Der gelehrte Unterricht im Zeichen des alten Humanismus. 1450—1740. 
Zweiter Band: Der gelehrte Unterricht im Zeichen des Neuhumanismus. 1740—1892. 


gr. 8. 1896 u. 1897. geh. 30 #, geb. in Halbfranz 34 #. 


„Wenn diese Deutung der historischen Tatsachen nicht gänzlich fehlgeht, so wäre hieraus 
für die Zukunft zu folgern, daß der gelehrte Unterricht bei den modernen Völkern sich immer 
mehr einem Zustande annähern wird, in welchem er aus den Mitteln der eigenen Erkenntnis und 
Bildung dieser Völker bestritten wird.‘ 


GRUNDZÜGE DER PHYSISCHEN ERDKUNDE 


von 
Prof. Dr. Alexander Supan, 


Herausgeber von Petermann’s Geographischen Mitteilungen. 


Dritte, umgearbeitete und verbesserte Auflage. 
Mit 230 Abbildungen im Text und zwanzig Karten in Farbendruck. 
gr. 8. 1903. geh. 16 %, geb. in Halbfranz 18 .% 50 2. 


MUTATIONSTHEÖORIE 


VERSUCHE UND BEOBACHTUNGEN 


ÜBER DIE 
ENTSTEHUNG VON ARTEN IM PFLANZENREICH 
VON 


HUGO ve VRIES, 


a Ola > PROFESSOR DER BOTANIK IN AMSTERDAM. 
& E > 
| | ZWEITER BAND. 
er, = /SV/ELEMENTARE BASTARDLEHRE. 


Tun - —_ 


MIT ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN UND VIER FARBIGEN TAFELN. 


LEIPZIG, 
VERLAG VON VEIT & COMP. 
1903 


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Vorwort zum zweiten Bande. 


Die Zerlegung des Artbegriffes in seine einzelnen Factoren ist 
das Ziel der Mutationslehre. Dieses Ziel soll auf dem Wege des 
Experimentes erstrebt werden. Die Mutationen und die Kreuzungen 
bieten dazu die Mittel. In meiner Intracellularen Pangenesis habe ich 
zuerst den Gedanken ausgesprochen, dass diese Factoren nicht, wie 
man bis dahin meinte, die Organe und die Zellen sind, sondern die 
im lebenden Protoplasma thätigen Eigenschaften. Die Hoffnung einer 
experimentellen Begründung dieses Satzes war für mich seitdem (1889) 
die Richtschnur bei den Untersuchungen, welche den Gegenstand des 
vorliegenden Werkes bilden. 

Dazu war zunächst die fluctuirende Variabilität auszuscheiden. 
Die Gültigkeit und die hohe Bedeutung des QUETELET’schen Gesetzes 
für die Botanik waren allerdings dem genialen Begründer der statis- 
tischen Anthropologie nicht entgangen, den Botanikern jedoch waren sie 
unbekannt geblieben. Im Jahre 1894 habe ich in einer vorläufigen 
Mittheilung in den Berichten der Deutschen botanischen Gesellschaft 
darauf aufmerksam gemacht und gezeigt, welche Aufschlüsse ab- 
weichende Curven für specielle Vererbungsfragen versprechen können. 
Seitdem ist dieser Gegenstand von LupwiG, VERSCHAFFELT, MAc LEoD 
und vielen Anderen eingehend behandelt worden. Ihre Beiträge bilden 
mit meinen eigenen Studien die Grundlage, auf der ich im vorliegenden 
Werke versucht habe, eine völlige Trennung der Variabilitätslehre in 
ihre beiden Hauptabtheilungen, die eigentliche oder oscillirende Varia- 
bilität und die Mutabilität, durchzuführen, nachdem ich das Princip 


IV Vorwort. 


in einem im Jahre 1898 gehaltenen Vortrag über „Einheit und Ver- 
änderlichkeit“ dargelegt hatte. 

Sodann galt es, die Monstrositäten in den Bereich der Erblich- 
keitslehre hereinzuziehen. Dass sie erblich sind, habe ich, der damals 
herrschenden Auffassung entgegen, zuerst 1889 ausgesprochen. In 
meiner „Monographie der Zwangsdrehungen“ und in einer Reihe von 
Beiträgen zu dem von Mac Leon herausgegebenen Krwidkundig Jaar- 
boek (1891—1899) habe ich diesen Satz weiter begründet. Die in 
jenen Abhandlungen beschriebenen Versuche sind in dem vorliegenden 
Buche nur in sehr abgekürzter Form vorgeführt. 

Meine wichtigste Aufgabe war die Beobachtung des Mutations- 
vorganges selbst. Hierüber habe ich zuerst im Jahre 1900 in den 
Comptes rendus der französischen Academie, sodann in einem in 
Hamburg auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte 
gehaltenen Vortrag (1901) und in einer Reihe weiterer Aufsätze 
und Vorträge berichtet. Die Veröffentlichung mehrerer ähnlicher 
Fälle durch verschiedene Schriftsteller hat sich seitdem daran an- 
geschlossen. Auch auf die von mir beobachteten Mutationen .von Dahlia 
variabilis fistulosa, Linaria vulgaris peloria und Chrysanthemum segetum 
plenum sind Beobachtungen über das plötzliche Auftreten verschiedener 
Varietäten gefolgt. Alle diese Erfahrungen gestatten den Schluss, 
dass Mutationen in nächster Zeit voraussichtlich einem Jeden durch 
Beobachtung zugänglich sein werden. 

Hauptsache ist es dabei, zwischen progressiven und retrogressiven 
Mutationen zu unterscheiden. Sowohl für die Erblichkeitslehre als 
für die Bastardlehre hat dies eine principielle Bedeutung. Der 
Fortschritt im Stammbaum beruht ja auf Progression, wenn diese 
auch ganz allgemein von Regression begleitet wird. Diese beiden 
Richtungen des Evolutionsprocesses zu trennen, ihren inneren Gegen- 
satz zu beleuchten und sie dem Experiment zugänglich zu machen, 
betrachte ich als eines der wesentlichsten Ziele des vorliegenden 
Werkes. 

Seit der Bearbeitung der ersten Lieferung dieses Buches (er- 
schienen im November 1900) sind jetzt drei Jahre verflossen. Auf 
dem Gebiete der Bastardirungen schlummerte die Forschung bis zu 


orwort. V 


unbekannt geblieben, wohl in Folge des Umstandes, dass weder 
MENDEL selbst, noch seine Leser, sogar nicht die hervorragendsten 
Hybridologen jener Zeit, wie Fockz, die Tragweite seiner Ergebnisse 
erkannten. Sie musste den Anhängern der Selectionslehre noth- 
wendiger Weise entgehen; sie konnte erst durch ein zusammen- 
hängendes Studium der Bastardirungsvorgänge mit den Mutations- 
erscheinungen an’s Licht gefördert werden. Erst nachdem der 
Nachweis der realen Existenz der Einheiten, welche MENDEL zur 
Erklärung seiner Formeln annimmt, durch die Mutationen der Oenothera 
geliefert worden war, trat die hohe Bedeutung dieses mustergültigen 
Einzelstudiums an’s Licht. Meine im Frühjahr 1900 veröffentlichte 
Auffassung der Mrnper’schen Ergebnisse fand bald darauf sehr 
wesentliche Stützen in den hervorragenden Veröftentlichungen anderer 
Forscher, unter denen namentlich CoRRENS, TSCHERMAK und WEBBER, 
und auf zoologischem Gebiete BATEson und ÜvExorT zu nennen sind. 
Wohl überall werden jetzt diese Principien als Ausgangspunkte für 
die weitere Forschung benutzt. 

Doch soll man sich vor Uebertreibung hüten. Die Menper’schen 
Gesetze, obgleich von viel grösserer Tragweite als ihr Urheber ahnte, 
umfassen keineswegs das ganze Gebiet der Bastardirungserscheinungen. 
Gerade im Gegentheil sind sie auf die retrogressiv und degressiv 
entstandenen Differenzen beschränkt, wie ich in meiner letzten vor- 
läufigen Mittheilung dargelegt habe, und im vorliegenden Bande aus- 
führlich zu begründen suche. Die fortschrittlichen Differenzen fügen 
sich ihnen weder während ihrer Entstehungsperiode, noch auch später, 
wenn das betreffende Mutationsvermögen längst verschwunden ist. 
Sie folgen ganz anderen Gesetzen, indem constante Bastardrassen 
oder doch constante Bastardeigenschaften entstehen. Diese Erschei- 
nung führt im Freien zu der Bildung neuer Arten durch Bastardirung. 

Die retrogressiv und die degressiv entstandenen Merkmale sind 
im Allgemeinen kennzeichnend für die Varietäten, die progressiven 
für die elementaren Arten. Die systematischen Arten unterscheiden 
sich von ihren nächsten Verwandten theils in progressiven, theils in 
retrogressiven und degressiven Kennzeichen, d. h. also theils durch 


vI Vorwort. 


echte Artmerkmale, theils durch eigentliche Varietätsmerkmale. Von 


der Erhebung dieser Erfahrungen zu einem Prineip für die syste- 
matische Behandlung dürfte früher oder später eine Klärung auf dem 
überaus verworrenen Gebiete des Artbegriffes zu erwarten sein. Und 
dazu wird die Bastardlehre in sehr hohem Grade beitragen können, 
indem sie ermittelt, welche Merkmale sich im Bastard spaltungsfähig, 
also nur vorübergehend, und welche sich auch für die späteren 
(renerationen constant verbinden lassen. 


Amsterdam, im April 1903. 


Hugo de Vries. 


Inhalt. 


Elementare Bastardlehre. 


Seite 
mE a RAP ar re 
Erster Abschnitt. 

Die elementaren Eigenschaften in der Bastardlehre. 
I. Die einfachen Bastarde erster Generation . 
$ 1. Mischlinge und Blendlinge 
S 2. Die Eigenschaften der es na su üiefenigen de Eltern 
beschränkt . .-.. . N ha 
Grosse Ueppigkeit 12. " Monstrositäten 16. 
$ 3. Imtermediäre, goneokline und einseitige Bastarde . . . le 
Abschätzung der Merkmale 21. Prrer’s Zahlengruppe 24. 
$ 4. Die Präpotenz der phylogenetisch älteren Eigenschaften . . . 33 
Gattungstypen 36. 
SE DereAtayısmussbeis.den. Bastardene 27 er 42 
816 Die Variabilitätsder, Bastardepr.n.H =. ıanalas run 2 146 
Schwankende Prävalenz 48. Kreuzung und Selection 53. 
Pleiotypie 54. 
If. _Die Nachkommen der einfachen Bastarde . .» : » »: 2 u 2.2.0... 56 
S 7. Die Fruchtbarkeit der Bastarde . . aD E56 
Sexuelle Affinität 57. Absolute Sterilität 58. Schwächung 
der Sexualorgane 61. Jencıc’s Zahlen 64. Spätere Gene- 
rationen 65. 
SL 82 Dies eonstanten Bastardrasseme =, 0 Tr er heizen... 66 
$S 9. Die inconstanten Bastardformen . . . ET en A 
Einige Eigenschaften inconstant, ee che 7. 
12 Die Folgen wiederholter Kreuzungen . 2 a mise 2. 2,0% 18 
8.410. x Zweielterliche abgeleitete Bastarde .: . 2. ne. 202°. 78 


Zufällige Kreuzungen mit den Eltern 84. Ueberführen einer 
Art in eine andere 84. 
SERL2 7 Dernaresundmehrfache Bastarde) % mer ED re 28 


VII 


IT. 


Inhalt, 
Seite 
s 12. Die variablen Bastardrassen des Gartenbaues . : 87 
Gladiolus 89. Amaryllis 93. Canna 95. Viola 96. 
$ 13. Kreuzungen vermuthlicher Bastarde : : 97 
Werth von Ausnahmefällen 97. Oenothera er ae 100. Oeno- 
thera rubiennis 102. 
Zweiter Abschnitt. 
Die MENDEL'schen Spaltungsgesetze. 
Die Methode der Erbzahlen 111 
S$S 1. Mono-, Di- und Polyhybriden ee 
Gegenwärtiger Stand der ER 11l. Primäre und 
secundäre Merkmale 113. Ziele der Bastardlehre 113. Mono- 
hybriden 114. Erbzahl 117. 
$ 2. Uebersicht der Fehlerquellen . 2 118 
Keimprobe 119. Genauigkeit 120. 
S 3. Die in der Landwirthschaft bei en En 
Latitüde FE A 123 
300 Keimlinge Al 124. Latitüde 8— 5°/, 124. "Tabellen 
über die Latitüde 126, 128. 
$ 4. Empirische Ermittelung der Fehlergrenze 131 
Versuche mit Trieotylen 133. Dan 137. 
Die typischen Bastardspaltungen 137 
S 5. Die Menper’schen Bastarde En 
Rassenmerkmale 141. Menxper’sche Bastarde 141. eolane 
Bastarde 142. 
$ 6. Die erste Generation der MEnper’schen Monohybriden 143 
Dominanz des activen Merkmales 145. Tabelle 146. 
S T. Die zweite Generation der Monohybriden 149 
Tabelle 151. 
$ 8. Die dritte Generation der Monohybriden 160 
Papaver somniferum 164. 
$ 9. Die späteren Generationen der Monohybriden . 168 
Spaltung nach acht Generationen. 171. 
$ 10. Die Ei- und Samenzellen der Monohybriden . 172 
Zerlegung des Artcharakters in Factoren 173. 
$ 11. Die Kreuzung der Monohybriden mit ihren Eltern 175 
Tabelle 178. 
$ 12. Die Dihybriden 5 150 
Erklärung aus den en De 186. 
$ 13. Die Tri-Polyhybriden . 187 


Combinationsreihe 139. 


Inhalt. 


IX 
Seite 
III. Anwendungen der Spaltungsgesetze 194 
S 14. Die Zerlegung der Blüthenfarben . KOREn an 194 
Hybridologische Analyse und Synthese 200. Künstlicher 
Atavismus 206. 
S 15. Der dornlose Stachelginster . 206 
IV. Kreuzungen tricotyler Rassen . ehe alu 2 
S 16. Das Vorkommen von we als Halbrassen und als Mittel- 
rassen . al 
Dil 215. Halbe 215. ine 219. Trans- 
gressive Variabilität 221. 
$ 17. Trieotylen, Hemitricotylen und Tetracotylen . re ER DDD 
Hemitricotylen sind keine Bastarde 223. Gabelung tetra- 
cotyler Stämme 227. 
S 18. Einfluss der Tricotylie auf die Blattstellung . 1: 
Ternäre Blattstellung 229. Zwangsdrehung 231. Gespaltene 
Blätter und Stämme 232. ar Becher 236. 
$ 19. Trieotyle Halbrassen en 238 
Tricotylen in käuflichen en 939. Isolirung der Mittel- 
rasse 240. Grossmutterwahl 242. Tabelle über die Erb- 
lichkeit in den Halbrassen 247. 
$ 20. Tricotyle Mittelrassen entstehen nicht durch Seleetion 247 
Amarantus speciosus 251. Scrophularia nodosa 258. 
$ 21. Die Isolirung tricotyler Mittelrassen . En nn eh 
Selection von Hochzuchten 269. Tabelle über die Isolirung 
und die Verbesserung’ durch Selection 281. 
S 22. Die partielle Variabilität der Tricotylie : 285 
Ort der tricotylen Keime auf der Mutterpflanze 286. 
$ 23. Einfluss der Lebenslage auf die Tricotylie 239 
Düngung 290. Topfeultur 291. Schatten 293. 
$ 24. Kreuzung der Mittelrassen mit den Halbrassen . 293 
Die Bastarde sind keine Mittelbildungen 294. Transgreine 
Variation 296. Tabellen 306. Anschluss an die MEnper’schen 
Formeln 309. 
$S 25. Kreuzung tricotyler Rassen von verschiedenen Arten . 309 
Tabellen 318. 
V. Kreuzung syncotyler Rassen f 319 
S 26. Hemisyncotylie, Syncotylie, FE ren 319 
Blattstellung 324. Zwangsdrehung 325. Aseidien 326. 
$ 27. Helianthus annuus syncotyleus . Sal See 2 Krane 326 
Stammbaum 329. Curven 332. 

S 28. Eine hemisyncotyle Zuchtrasse . 333 
Stammbaum 337. 

S 29. Atavistische Zuchtrassen 337 
Stammbaum 339. 

$ 30. Einfluss der Lebenslage auf die Erbzahlen 340 


Spätere Blattstellung 341. 


v1. 


Vu. 


VII. 


Inhalt. 


s 31. Kreuzungsversuche u 
Anschluss an die MENDEL’ Ehe ER 345, 


Kreuzung stark variabler Eigenschaften 
s$ 32. Kreuzungen von Halb- und Mittelrassen 


Doppelte Curve von Chrysanthemum 349. Trausgressive 
Variabilität 351. Beispiele 351. 
$ 33. Papaver somniferum polycephalum Danebrog 


D) 


Uebersicht der Mexper’schen Bastarde 
S 34. Retrogressive und degressive Merkmale ee ee 
Activ x latent oder typische Mexper-Kreuzungen 369. Kreu- 
zungen stark variabler Eigenschaften 370. Uebersicht 373. 
Merkmalspaare 373. Activ dominirt über latent, semi- 

latent über semi-activ 374. 


Der sogenannte Atavismus im Gartenbau 


5. Die Mernper’schen Gesetze im Gartenbau 

6. Die Reinheit käuflicher Samenproben 

7. Das Vieinovariiren und die Viecinisten : ee 
Variiren unter dem Einfluss der Nachbarn 383. Erforder- 

liche Entfernungen 386. Zufällige Artkreuzungen 387. 

38. Kritik des Gartenbau- Atavismus r u 
Der sogenannte Atavismus ist oft en 389. 

39. Inconstante Rassen und Varietäten 

Fixiren neuer Varietäten 394. 


UN UM UM 
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#74) 


Dritter Abschnitt. 


Die Mutationskreuzungen. 


Kreuzungen in einer Mutationsperiode 


$ 1. Mutationskreuzungen in der Gattung Oenothera 
Mutationskreuzungen 398. Dihybride 399. Erste nn 
zwei- bis dreiförmig 399. Bastarde constant 399. 
$ 2. Die Erbzahlen von Oenothera lata . : Va 
Werth 21—24°,, Grenzwerthe 4—45°/, 405. Werth nach 
neun Generationen 406. 


s 3. Die Erbzahlen von Oenothera nanella ME ne 
Sie sind dieselben wie bei O. lata 407. Reciproke Erb- 

zahlen 411. 
Ss 4. Die Abhängigkeit der Erbzahlen von verschiedenen Ursachen . 


Individuelle Kraft 412. Correlation mit Samenreichthum 415. 
Seitenzweige 416. Quantität des Blüthenstaubes 416. Be- 
schneiden der Narben 417. 


$ 5. Die Erbzahlen der übrigen neuen Arten . 


Seite 


342 


346 
346 


360 


367 
367 


374 
374 
376 
383 


388 


391 


396 
396 


400 


406 


411 


418 


Inhalt. XI 


Seite 
$S 6. Dihybride Kreuzungen . . ER PETE ER NE RAU 
Oen. lata x O. nanella 421. 
S 7. Die Constanz in den späteren Generationen . . 2.2.2... 42 
Oen. nanella 423. OÖ. Lamarckiana 425. 
$ 8. Mutationen nach Kreuzungen. . . DET ERBEN A425 
$ 9. Die Kreuzung mutabler Eigenschaften N ee ee 2} 
Uebersicht 427. 
IE :CombininirterMutationskreuzungen! » Yun kur) man ten rag 
$ 10. Oenothera brevistylis . . 3 Pe rd 
$S 11. Oenothera Pohliana (O. Be x ö. ee Ser 5 
Stammbaum 441. 

$ 12. Die Spaltungen unter den Bastarden der Oenothera nanella . 443 
Oen. rubiennis x nanella 445. 

Sals.2 "Oenotheratrubrinervir Xonanella ı ur are er ra 


Menper’sche Spaltungen 451. Oen. rubrinervis nanella, Con- 
stanz 453. Kreuzungen 455. 
S$S 14. Der Austritt aus der Mutationsperiode . . . . 0.45 
Oen. rubrinervis in Bezug auf das Nanella- Merkrial 458. 


Vierter Abschnitt. 


Die unisexuellen Kreuzungen. 


I. Die constanten Eigenschaften der Bastarde. . . . 461 
$ 1. Die Kreuzung auf den Gebieten der Variabilität und ie Mutabilität 461 
S 2. Ungepaarte Eigenschaften . . . 466 


Avunculäre und collaterale en 469. Ssmeskelen 
Stammbaum von Oenothera 470. 


IE, Combinitte unisexuelle Kreuzungen 387. 2 Kun Bea ae u. 403 
S 3. Kreuzungen der Abkömmlinge von Oenothera Lamarckiana mit 

älteren Arten . . . IR N RE RIRIE NN NAAR BEAT 

S 4. Die erste Generation der Eatarde: a 474 


Oen. lata 475. O. nanella 476. O. Seintallans 477. 0. nn 
nervis 478. Einfluss der Verwandtschaft 479. 
$ 5. Die Constanz in den späteren Generationen . . . . 2... 480 


Fünfter Abschnitt. 
Anwendung der Bastardlehre auf die Lehre von der Entstehung 
der Arten. 


EBEN StONISche SM a ee a a era nei 348 


$S 1. Die Ansichten von Lın£ . . . AR an 2: A488 
Artbildung durch Kreuzung 485. 


II. 


IIl. 


IV; 


VI. 


Inhalt. 


2. Die jetzt herrschenden Meinungen . 
3. Neue Combinationen und neue Einheiten 
Anomalien oberhalb von Gallen 491. 


Constante Menper'sche Bastardrassen . 


U UN: UR Ya 
Se 


RT 


Constante wildwachsende Bastardrassen 
Kerxer’s Bastardrassen 501. 
Neue Arten entstehen als Bastarde . 


UR 
—ı 


Schartige Gerste 509. Tomaten 511. 


Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen? 


S 8. Die Entstehung gestreifter Blumen . 


Alter 514. Unähnlichkeit mit etaehraneen 516. 


9. Die Inconstanz der Mittelrassen . 


SR 


UN 


10. Zufällige Mutationen . 


stehung von Varietäten 531. 


$ 11. Die Kreuzung als Ursache von Atavismus 
Jugend-Atavismus 533. Atavistische Varietäten 534. 
$ 12. Die Hypothese von Kreuzungen in der Prämutationsperiode 


önnen durch Kreuzung constante Rassen entstehen? . 


Die constanten Bastardrassen der unisezuellen. er e 


Kreuzung mutirter Sexualzellen 504. Darer Finfines der 
Kreuzungen 507. Mutationscoöffieienten 1—100°/, 509. 


Vicariirende Eigenschaften 518. Ernährung begünstigt die 
Anomalie 523. Entstehen nicht durch Kreuzung 526. 


Mutationen nach en 529. Polyphyletische Ent- 


Erklärung der Mutationen von Oenothera Lamarckiana, nicht 


durch Kreuzung 538. 


Die Ineonstanz der verbänderten Rassen . 


$ 13. Die Erblichkeit der Verbänderungen . 

Strahlige und Ring-Faseiationen 548. 
14. Halbrassen mit erblicher Verbänderung . 
15. Mittelrassen mit erblicher Verbänderung 
16. Die Bedeutung der Atavisten 


IR UR UR 


Zweigipfelige Curven 564. Mehrgipfelige Curve 568. 


Erbliche Zwangsdrehungen . 


$ 17. Die spiralige Blattstellung 
Einfluss der Lebenslage 573. 

$ 18. Seltene Zwangsdrehungen . 

$ 19. Zwangsgedrehte Rassen 


Dipsacus 579. Dianthus 584. ee 585. Doppelrassen 586. 


$ 20. Die Bedeutung der Atavisten 


Kreuzungen des Cruciata-Merkmales 
Ss 21. Das Cruciata-Merkmal . 


Sepalodie der Krone 595. Cruciate Rassen 599. 


513 
513 


518 


528 


593 
593 


I. 


IT 


Inhalt. XIH 
Seite 
S 22. ÖOenothera cruciata varia als Mittelrasse . 602 
Zweigvariation und sectoriale Variation 605. Semeibaum 606. 
s 23. Vergleichung cruciater und gestreifter Blumen 607 
$ 24. Kreuzungen von Oenothera cruciata . 611 
Uebersicht 611. 
$ 25. Oen. lata x O. cruciata varia 612 
Spaltung 614. Stammbaum 616. 
$S 26. Oen. Lamarckiana x O. cruciata varia 617 
$ 27. Oen. rubiennis cruciata 618 
Constanz 618. 
$ 28. Kreuzungen von Oen. rubiennis cruciatia 621 
$ 29. Die Entstehung von Oen. Lamarckiana cruciata 622 
Stammbaum 625. 
$ 30. Kreuzungen von Oen. Lamarckiana cruciata . 627 
Stammbäume 629 und 630. 
$ 31. Vergleichung der ceruciaten Bastardrassen mit OÖ. eruciata varia 630 


Uebersicht 631. 


Sechster Abschnitt. 


Die Beziehungen der Mutationstheorie zu anderen Disciplinen. 


Der Artbegriff in der Mutationstheorie 
$ 1. Systematik und Mutationslehre ; ; 
$ 2. Progressive, retrogressive und degressive Maren e 
Vicariirende Merkmalspaare»639. Doppel- oder Mittelrassen 640. 
Menper’sche oder Varietätskreuzungen 641. Unisexuelle 
oder Artkreuzungen 642. 


$ 3. Der theoretische Unterschied zwischen Arten und Varietäten 
Progressive oder Artmerkmale, retrogressive und degressive 
oder Varietätsmerkmale 644. Merkmale der systematischen 
Arten 650. 
S 4. Der praktische Artbegriff 
Definition 653. 
Der Parallelismus zwischen der Byrlemalischen und der sexuellen 
Verwandtschaft . 
Arten und Varietäten 657. 


IM 
or 


Der Geltungsbereich der Mutationslehre 


$ 6. Die Tragweite der bisherigen Erfahrungen . 

Giebt es Mutationen? 659. Entstehen Arten Kahl aus 
diesen wie aus fluctuirenden Variationen? 661. Neuere 
Mutationen 663. 

S 7. Die Erklärung der Anpassungen : BE 

Lineare und begrenzte Variabilität 666. ieh 667. Kampf 


um’s Dasein 667. Erste Anfänge 668. Nutzlose Eigen- 
schaften 669. 


634 
634 
636 


642 


664 


xIV Inhalt. 


S 8. Vegetative Mutationen 
"Der Zeitpunkt des Mutirens 871. we Be ee 
674. Cytisus Adami 676. Atavistische Knospenvariation 679. 


III. Die stofflichen Träger der elementaren Eigenschaften 


$ 9. Darwın’s Pangenesis . a N Da De re 
Innere Anlagen 684. Idioplasma 684. Bunte Blätter 686. 
Garton 687. Brooks 688. 
$ 10. Intracellulare Pangenesis . 
$ 11. Die Pangene als Träger der epkehen ee 


IV. Die geologischen Mutationsperioden . MER? 

$ 12. Die Periodieität der progressiven Mutationen 
Empirische und hypothetische Stammbäume 700, 701. 
$ 13. Die iterative Artbildung i 
$ 14. Die biochronische Gleichung Ä 

Die Dauer des Lebens auf Erden 708. 
Anhang: Literatur . i 

Vorarbeiten und aber Mittheilungen e 
Register 


Seite 
670 


682 
682 


688 
691 
697 
697 


704 
706 


715 
715 
718 


ELEMENTARE BASTARDLEHRE. 


er = Pe — 
Ei 
= 
vr 
1 SHTELIBER FA EN TR 
Er x 


Einleitung. 


Neben der bisherigen Bastardlehre erfordert die Mutationstheorie 
eine neue Abtheilung, welche nicht von der Bastardirung der Gattungen, 
Arten und Varietäten, sondern von dem Verhalten der elementaren 
Eigenschaften bei der Kreuzung handelt. Diesen Theil bezeichne ich 
als elementare Bastardlehre; ihre Prineipien sollen in diesem 
Bande, so weit es jetzt thunlich ist, vorgeführt werden. 

Die elementaren Eigenschaften bilden für die Theorie die Ein- 
heiten, welche den sichtbaren Eigenschaften und Merkmalen zu Grunde 
liegen. Sie sind die Elemente der Art. Jede Art unterscheidet sich 
von der ihr nächst verwandten durch wenigstens eine solche Einheit. 
So oft eine solche Eigenschaft sich ausbildet, entsteht eine. neue Art. 
Einen solchen Vorgang nennen wir eine Mutation. 

Während aber die Mutationen selbst bis jetzt nur in vereinzelten 
Fällen der Forschung zugänglich ‚sind, und die Entdeckung der 
Versuchsobjeete an sich in diesem Theile der Mutationslehre einen 
grossen Aufwand von Zeit und Arbeit erfordert, verhält es sich in der 
Bastardlehre durchaus anders. Hier liegt ein weites Feld für die Unter- 
suchungen offen. Ueberall ist es bearbeitet worden. Die hervor- 
ragendsten Forscher eines ganzen ‚Jahrhunderts, von KÖLREUTER bis 
auf MEnper, haben ihm ihre besten Kräfte gewidmet, und die neueren 
Untersuchungen von RımPAU, PETER, MACFARLANE, ÜORRENS, TSCHERMAK, 
WEBBER, Hurst und vielen Anderen haben die Aufmerksamkeit in 
weiteren Kreisen auf diese Forschungsrichtung gelenkt. Die Methoden 
des Arbeitens sind jetzt feststehende, und die Wahl der Objecte bietet 
kaum Schwierigkeiten. 

Es bedarf nur der Einführung eines neuen Princips, um zu 
einer eingehenden Analyse der Erscheinungen zu gelangen. Beim 
jetzigen Zustande der Wissenschaft zeigen die Organismen bei Kreu- 
zungen eine gewisse Freiheit, eine sich jeder Berechnung entziehende 
Bildsamkeit, wie FockE sagt. Und die „ganz unglaubliche Mannig- 
-faltigkeit“ der Erscheinungen schemt Vielen ein unübersteigliches 
Hinderniss beim Aufsuchen ihrer Gesetze (HILDEBRAND). Auch ABBADo 

1% 


4 Einleitung. 


und viele Andere mit ihm betonen, dass man auf die Ableitung all- 
gemeiner Gesetze einstweilen verzichten müsse. Naupın geht sogar 
so weit, dass er den Formenreichthum der’ Hybriden Variation desor- 
donnee nennt, „par ce quelle semble n’ötre assujettie ü aucune regle“, Und 
wenn man die Schlüsse vergleicht, zu denen die einzelnen Forscher 
gelangen, so findet man gar zu häufig die auffallendsten Wider- 
sprüche, je nachdem die Verallgemeinerungen von dieser oder jener 
Gruppe von Erscheinungen ausgehen. Mit grossem Rechte sagt 
MACFARLANE in seinen grundlegenden Studien über die anatomische 
Structur der Bastarde, dass alle die viele mühsame Arbeit, welche 
bis jetzt auf die Erforschung der Hybriden verwandt worden ist, doch 
nur betrachtet werden darf „as the small beginning to an inquiry that 
will yield results of great value“. 

Seit um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts KÖLREUTER die 
ersten pflanzlichen Bastarde machte, wurde die Bastardlehre stets 
vorwiegend im Dienste der Systematik betrieben. Die Abgrenzung 
der Arten und Gattungen war fast überall das mehr oder weniger 
deutlich ausgesprochene Ziel. Den Grenzen, welche der Systematiker 
nur nach vergleichenden Studien ziehen kann, hoffte man hier durch Ver- 
suche eine sichere Grundlage zu geben. Die Zähigkeit, mit der die 
Artmerkmale auf die künstlichen Bastardorganismen übertragen werden, 
zeugt in hohem Maasse von ihrer selbstständigen Existenz, sagt NAUDIN, 
und noch schärfer spricht BarEsox dieses aus, wenn er sagt: „species 
is a mixture of different phenomena“, eine Gruppe von sehr verschieden- 
artigen Erscheinungen, welche wir unter einem Namen vereinigen. 
Allerdings hatte es im Anfang den Anschein, als ob das Studium 
der Hybriden die Systematik mit äusserster Verwirrung bedrohe, 
aber diese Gefahr ist jetzt wohl verschwunden, oder doch auf jene 
Gruppen beschränkt, in denen noch nicht durch künstliche Kreuzungen 
eine tiefere Einsicht erreicht wurde. 

Sollen aber wirklich einmal die künstlichen Bastardirungen die 
Grundlage für die wissenschaftlichen Begriffe der Arten, Unterarten, 
Gattungen u. s. w. werden, so dürfte es zu allererst erforderlich sein, 
dass man bei den Kreuzungen selbst rein objectiv vorgehe. Die 
conventionellen Grenzen der genannten Gruppen sind einstweilen bei 
Seite zu stellen; man muss es versuchen, die Thatsachen ohne ihre 
Hülfe anzuordnen. Allerdings eine schwierige, beim jetzigen Stand 
unseres Wissens bei Weitem noch nicht genügend zu lösende Auf- 
abe. Aber dennoch kann nur eine rein empirische und vorurtheils- 
freie Behandlung der experimentellen Ergebnisse die Grundlage werden, 
auf der man später einmal den Artbegriff wird gründen können. Die 


Einleitung. 5 


systematischen Gruppen werden wohl immer conventionelle Grössen 
bleiben, ihre wissenschaftliche Unterlage sollte aber von jeder solchen 
Einmischung durchaus frei sein. j 


Und dieses hohe Ziel kann meines Erachtens auf dem bis dahin - 


betretenen Wege nicht erreicht werden. Die Mittel und Methoden, “ 
welche man bis jetzt benutzte, erscheinen gegenwärtig wohl Jedem 
als erschöpft. Nicht der Begriff der Art soll den Ausgangspunkt | 
bilden, um zur Erforschung der Art aufzusteigen. Es bedarf 
augenblicklich eines tieferen, mehr im Wesen der Organismen be- 
gründeten Principes. Dieses Princip aber ist meiner Ansicht nach 
die Lehre von den Einheiten, aus denen die Lebewesen aufgebaut 
sind, das Princip von den elementaren Eigenschaften. NäÄserı hat 
dieses in seiner Theorie der Bastardbildung klar auseinander- 
gesetzt: „Die äusseren Merkmale, die unserer sinnlichen Wahrnehmung 
zugänglich sind, haben gewiss einen grossen Werth, aber sie geben 
uns noch kein vollständiges und richtiges Bild. Sie drücken die 
inneren und wesentlichen Eigenschaften nur mangelhaft aus. Zwei 
Pflanzenformen können systematisch einander Ähnlich sehen, und doch 
in Wirklichkeit weiter von einander entfernt sein, als zwei andere, 
die in Bau und Habitus mehr von einander abweichen“ u. s.w. Im 
weiteren Aufbau der Bastardlehre sollte dieses Princip von den inneren 
und wesentlichen Eigenschaften immer mehr in den Vordergrund treten.‘ 
Denn gerade die Erscheinungen der 'Bastardirungen bilden die besten 
Stützen für die Auffassung der Artmerkmale als aus solchen elemen- 
taren Einheiten zusammengesetzte Eigenthümlichkeiten, wie JOHANNSEN 
in seinem und Warming’s Lehrbuch der Botanik betont. 

Gelingt es einmal zu der Erkenntniss dieser Einheiten vorzu- 
dringen, so wird darauf ohne Zweifel eine in viel weiteren Kreisen 
befriedigende Lösung der Frage nach dem Artbegriffe möglich sein. 
Und ebenso einleuchtend dürfte es sein, dass auf keinem Gebiete 
diese Aufgabe eine grössere Aussicht der Lösung bietet, als gerade 
auf dem der Bastarde. Nur soll man die Pflanzen nicht als „Arten“ 
oder „Varietäten“, sondern einfach als Träger bestimmter elementarer 
Eigenschaften betrachten. 

Aus diesen Erörterungen ergiebt sich als leitender Gedanke für 
unsere „Elementare Bastardlehre“ das Princip, dass es wesent- 
licher ist, eine einzelne Eigenschaft bei verschiedenen 
Pflanzenformen auf ihr Verhalten bei Kreuzungen zu stu- 
diren, als möglichst viele Eigenschaften in den Kreuzungen 
innerhalb einer einzelnen Gruppe von Pflanzen, z.B. inner- 
halb einer Gattung oder Art, zu berücksichtigen. Namentlich 


6 Einleitung. 


aber sollen diejenigen Eigenschaften aufgesucht und zusammengebracht 
werden, welche sich bei den Kreuzungen in analoger Weise verhalten. 
Haben die Eltern bei einer künstlichen Verbindung mehrere Difterenz- 
punkte, so braucht man diese nicht alle zu berücksichtigen, sondern 
kann, nach dem von SAGERET bereits 1826 gegebenen Beispiele, sich 
auf einzelne beschränken. 

Diesen Prineipien entsprechend soll im vorliegenden Bande den 
Bastardirungen der neuen, aus Oenothera Lamarckiana in deren 
Mutationsperiode entstandenen Eigenschaften eine besondere Aufmerk- 
samkeit gewidmet werden. Denn hier kennt man die fraglichen Ein- 
heiten aus der Art und Weise ihrer Entstehung aus der Mutterform; 
ihr Verhalten bei Kreuzungen kann also als Muster für weitere 
Studien gelten. Daneben sollen die constanten Bastardformen bei 
einer Reihe von Arten studirt werden, um ihr übereinstimmendes 
Verhalten in solchen Fällen zu zeigen. Andere specielle Gegen- 
stände sollen eingehend besprochen werden, und namentlich sollen 
die von MENDEL in der Gattung Pisum entdeckten und in der neuesten 
Zeit von ÜORRENS und TSCHERMAK gründlich studirten Spaltungs- 
gesetze an möglichst verschiedenen Beispielen auf ihre allgemeinere 
Bedeutung geprüft werden. 

Diesen, der Methode der elementaren Bastardlehre gewidmeten 
Studien möge eine sehr gedrängte Uebersicht über den jetzigen Zu- 
stand unseres Wissens vorangeschickt werden. Allerdings nicht in 
der Form einer „Allgemeinen Bastardlehre“ sondern ausschliess- 
lich mit dem Zwecke, darzulegen, welche Bedeutung dem Prineip der 
elementaren Eigenschaften in kritischer Himsicht zukommt. Erst nach 
allen diesen Vorbereitungen scheint es gestattet, der Frage nach der 
Anwendung der Bastardlehre auf die Lehre von dem Artbegriff näher 
zu treten. 

Schliesslich habe ich mich, bei der Wahl der vorzuführenden 
Versuche, sowohl aus der Literatur als auch aus meinen eigenen 
Culturen, soviel wie möglich leiten lassen von dem, in WıcHURrA’Ss 
schöner Weidenarbeit niedergelegten Satze, misstrauisch zu sein 
segen alle von der gewöhnlichen Regel abweichenden Re- 
sultate eines Experimentes. Denn ich bin fest überzeugt, dass 
nur eine Sichtung nach diesem Princip aus dem Chaos der sich 
widersprechenden Meinungen einmal eine reine und schöne Wissen- 
schaft wird aufbauen können. 


Erster Abschnitt. 


Die elementaren Eigenschaften in der 
Bastardlehre. 


I. Die einfachen Bastarde erster Generation. 


$1. Mischlinge und Blendlinge. 


Die Bastardlehre oder Hybridologie steht nicht ausschliesslich 
im Dienste der Systematik. Sie bildet neben der physikalisch- 
chemischen Physiologie und der eigentlichen Befruchtungslehre eine 
völlig selbstständige und gleichberechtigte Abtheilung der biologischen 
Wissenschaften. Sie hat zu mehreren anderen Disciplinen gleich enge 
Beziehungen. KÖLREUTER stellte bekanntlich seine Kreuzungen an, 
um den ersten exacten Beweis für die Sexualität der Pflanzen zu liefern, 
und noch heute beruht ein sehr wesentlicher Theil unserer Einsicht 
in den normalen Befruchtungsvorgang und seine Folgen auf den Er- 
gebnissen der Bastardirungsversuche. Der Systematiker sucht in der 
Hybridologie nach Bausteinen für den Artbegriff, der Landwirth und 
namentlich der Gärtner betreiben die angewandte Bastardlehre in 
grossem Maassstab, und zum Theil mit wichtigen Ergebnissen auch 
für die theoretische Wissenschatt. 

Soll die Bastardlehre sich als selbstständiges Forschungsgebiet 
weiter entwickeln,! und soll sie wirklich eine sichere Stütze für andere 


! Die Literatur über Bastarde findet man, mit Ausnahme der Arbeiten aus 
den letzten Jahren, zusammengestellt in: 
W. O. Focke, Die Pflanzenmischlinge. 1881. 
L. H. BaıLey, Cross-breeding and Hwybridizing. Rural Library Series. 
New York 1892. Bibliography S. 26—44. 
MıcnH. ABBaDo, L’ibridismo nei vegetali. Nuovo Giornale bot. Ital. N.S. Vol. V. 
1898. Literaturliste S. 63— 70. 
Ferner verweise ich in Bezug auf die in der Einleitung erwähnten Citate auf: 
HıtDEBRAND, Ueber einige Pflanzenbastardirungen. Jen. Zeitschr. 1889. S. 545. 
ABBapo, 1. c. S. 30, Focke, 1. c. S. 445. 


I) Die einfachen Bastarde erster Generation. 


Wissenschaften und namentlich für die Systematik werden, so ist es 
offenbar erforderlich, dass sie sich von den conventionellen Begriffs- 
bestimmungen dieser Disciplinen möglichst fern halte. Die Kritik 
dieser Begriffe ist eins ihrer Ziele, demnach darf sie auf ihnen sich 
nicht aufbauen. Neben dem Studium der Mutationen selbst enthält 
die Bastardlehre wohl das einzige Mittel auf experimentellem Wege 
entscheidende Thatsachen über die systematischen Einheiten an’s 
Licht zu bringen. Daher hat sie diese Einheiten aufzusuchen ohne 
jede vorgefasste Meinung, ohne jede im Voraus festgestellte Ein- 
theilung der Organismen in grössere und kleinere Gruppen. Die 
Thatsache, dass die verschiedenen Organismen in ungleichen Graden 
mit einander verwandt sind, muss ihr genügen; wie gross diese Grade 
in den einzelnen Fällen sind, und wie sie sich zu einander verhalten, 
hat sie aus ihren Versuchen abzuleiten. Sie darf dabei nicht an 
vorgefasste Meinungen oder aprioristische Regeln gebunden sein. 
Was Art ist und was Varietät, ist in der Bastardlehre die Frage, 
zu deren Beantwortung noch viel Material wird angehäuft werden 
müssen. Die Systematik kann nicht auf diese Antwort warten, sie 
behilft sich mit vorläufigen Bestimmungen, welche fortwährend wech- 
seln, indem sie sich dem Fortschritte der Wissenschaft unaufhörlich 
anzupassen versuchen. Aber die Thatsache dieses Wechsels ist für 
den Hybridologen wichtiger, als die zeitweise Entscheidung, welche 
gerade in dem Augenblicke seiner Versuche die herrschende ist. 


Chu. Nauvın, Annales des Sc. nat. 6. Serie T. II. 1875. 8.73. 

J M. MacrARLAnE, A comparison of the minute structure of plant hybrids 
with that of their parents and its bearing on biological problems. 'Transact. 
Roy. Soc. Edinburgh. Vol. 37. No. 14. S. 272. 

W. Bateson, Hybridisation as a method of scientific investigation. Journ. 
Roy. Hortie. Soc. Vol. 24. April 1900. S. 66. 

C. v. Näserı, Botanische Mittheilungen. Sitzber. der Münch. Akad. Wiss. 
13. Jan. 1866. S. 123. 

Warnung 0g JoHANNsEn, Den almindelige Botanik. 2. Aufl. 1901. 8. 676. 

Max Wıcnura, Die Bastardbefruchtung im Pflanzenreich, erläutert an den 
Bastarden der Weiden. 1865. 8. 53. 

MEnper’s Spaltungsgesetze sind bis auf meine ersten vorläufigen Mittheilungen 
über diesen Gegenstand (Comptes rendus, März 1900 und Ber. d. d. bot. Ges., 
XVII, S. 83) in der Literatur unberücksichtigt geblieben. Die im Text zu 
gebende Darstellung bezieht sich daher auf die diesen Publikationen voran- 
gegangene Periode. 

Eine Zusammenstellung namentlich der neueren Literatur findet man in 
dem Sammelreferat von ©. Correns in den Ber. d. d. bot. Ges. Bd. XIX. 1901. 
Generalversammlungsheft, S. 92—94. Die seitdem erschienenen Abhandlungen 
auf diesem Gebiete konnten bei der Bearbeitung des Textes des vorliegenden 
Bandes nur theilweise und nachträglich berücksichtigt werden. 


Mischlinge und Blendlinge. 8) 


Wer im einer bestimmten Gattung Bastardirungsversuche macht, 
kann den Werth seiner Experimente nicht davon abhängig machen, 
ob andere dieselbe Gruppe in mehrere Gattungen spalten, und ob 
sie darin zehn oder hundert „Arten“ unterscheiden. 

Daher betrachte ich auch das Streben, zwischen Bastarden als 
Hybriden von Arten und Blendlingen als Varietätsmischlingen einen 
Unterschied zu machen, als durchaus verfehlt. Nichts ist nach KERNER 
bedenklicher, als der Zirkelgang der Folgerungen, zu welchen diese 
Trennung nur zu leicht verführt.’ FockE erhebt in seinem vorzüg- 
lichen Werke über die Pflanzenmischlinge diesen Unterschied zu 
einem Lehrsatz, und fasst die Bastarde und Blendlinge als Mischlinge 
zusammen. Und bei seiner systematischen Behandlungsweise mag solches 
einen Vortheil haben. Sobald es aber auf die Erforschung der all- 
gemeinen Gesetze ankommt, sollte man die Trennung fallen lassen. ? 

In historischer Hinsicht ist diese Auffassung auch keineswegs 
richtig. Bei den ältesten und bei den besten unter den neueren Ex- 
perimentatoren ist Bastard oder Hybride der allgemeine Begrift, und 
bilden die Blendlinge davon eine Unterabtheilung. Bereits KÖLREUTER 
spricht von Bastardvarietäten, wenn er die Bastarde zweier Varietäten 
meint (z. B. bei Datura Stramonium und Tatula),” und Sachs unter- 
scheidet zwischen Varietätenbastard, Speciesbastard und Gattungs- 
bastard.* Unter den älteren Forschern nenne ich SAGErErT und 
Lecog, unter den neueren WEBBER als Anhänger dieser Auffassung. 
Wesmaeun hebt in einer ausführlichen Erörterung über den Art- 
begriff hervor, dass es zwar sehr wünschenswerth wäre, zwischen 
Blendlingen® und Hybriden zu unterscheiden, dass solches aber all- 
gemein nicht gethan wird.* Dazu kommt, dass die Gärtner sich ge- 

ı A. Kerner von Marıraun, Das Pflanzenleben. Il. S. 569. Zu einem ähn- 
lichen gefährlichen Zirkelgang führen die spontanen Bastarde, bei denen man 
aus den Eigenschaften auf die Eltern schliesst, und dann daraus auf die Gesetze, 
welche die Verbindung der elterlichen Eigenschaften im Bastard beherrschen. 

? In der älteren botanischen Literatur ist das Wort Mischlinge gleich- 
bedeutend mit Bastarden, und so soll es auch im Folgenden benutzt werden. 

3 Zweyte Fortsetzung der vorläufigen Nachricht von einigen das Geschlecht 
der Pflanzen betreffenden Versuchen. Leipzig 1764. S. 125. 

* J. von Sacus, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. S. 888. 

5 Als etymologisches Curiosum mag hier angeführt werden, dass Blendlinge 
jene Mischlinge sind, bei denen die Eigenschaften entweder nicht oder doch am 
wenigsten „blenden“, während diese völlige Vermischung der Merkmale um so 
unzweideutiger zu sein pflegt, je weniger die Eltern verwandt, je bessere „Bastarde“ 
sie also sind. 

6 A. Wesmaeı, La fecondation au point de vue des croisements et des hybri- 
dations. Gand 1863. 8. 32—33. 


10 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


wöhnlich des Wortes Hybride in dem weiteren Sinne bedienen, während 
die Bezeichnung Blendling von ihnen nur in ganz besonderen Fällen 
benutzt wird. Es wäre ja auch allzu unbequem, diese Unterschei- 
dung durchzuführen, so lange es jedem Systematiker frei steht, 
Arten zu grösseren Arten zu verbinden oder umgekehrt Unterarten zu 
Arten zu erheben. Denn damit würden jedesmal die betreffenden 
Bastarde Blendlinge und die Blendlinge Bastarde werden. 

Ich werde somit im Anschluss an die genannten Autoritäten das 
Wort Bastarde oder Hybriden in seiner allgemeinen Bedeutung be- 
nutzen. „Mischlinge“ hat dann denselben Sinn. Die Bezeichnung 
„Blendlinge“ benutze ich nur bei Formen, welche so allgemein als 
Varietäten aufgefasst werden, dass eine Verwechslung gar nicht zu 
befürchten ist.! 

Die Bezeichnungen weitere und engere Verwandtschaft sind von 
den zur Zeit gerade herrschenden Artgrenzen unabhängig, und dürften 
einstweilen genügen. Nähere Angaben sollen stets nur so verstanden 
werden, dass sie zur rascheren Örientirung im Anschluss an die 
herrschenden Vorstellungen bestimmt sind. Den wirklichen Grad der 
Verwandtschaft zweier Formen kann man ja nur abschätzen, so lange 
nicht gerade Kreuzungsversuche eme sichere Entscheidung bringen. 

Noch einen weiteren Punkt möchte ich hier betonen. Es scheint 
mir im höchsten Grade wichtig, die rein wissenschaftlichen Versuche 
über Bastardirungen den Studien an Gartenbastarden und spontanen 
Hybriden gegenüber in den Vordergrund zu stellen. Die grösste 
Schwierigkeit auf diesem ganzen Gebiete liegt wohl darin, 
dass man den Eltern zu wenig Aufmerksamkeit zu widmen 
pflegt. Man untersucht die Bastarde genau, macht es sich aber 
mit den Eltern meist viel bequemer. Aber es leuchtet ein, dass 
auch ihre Eigenschaften genau studirt werden sollten, und dass dieses 
Studium für die Kenntniss der verwandtschaftlichen Beziehungen der 
Bastarde zu den Eltern von gleich hoher Bedeutung ist. Die Varia- 
bilität der Eltern wurde bis jetzt viel zu wenig berücksichtigt, sowohl 
die eigentliche fluktuirende Variabilität als die systematische Poly- 
! Die Bastarde bezeichne ich als axb, d.h. a befruchtet durch 5, wobei 
also a die Mutter und b der Vater ist. Auch in dieser Beziehung herrscht viel 
Verwirrung, namentlich weil der Congress von 1567 in Paris in entgegengesetztem 
Sinne beschlossen hat. Jedoch wurde diese Bestimmung bereits von DE CANDOLLE 
zurückgewiesen. Vergl. auch die neueste Auflage des Lehrbuches von WArmınG 
und Jonannsen: Den almindelige Botanik. Aufl. 1901. S. 677. Bei spontanen 
Bastarden oder solchen, deren Eltern man nicht aus einem Versuchsprotokolle 
kennt, ist es vorzuziehen, nicht ax b, sondern a+b oder a-b zu schreiben, oder 
die Namen zu combiniren, wie z. B. in Salixz auritopurpurea. 


Die Eigenschaften der Bastarde sind auf diejenigen der Eltern beschränkt. 11 


morphie oder der Reichthum an constanten Varietäten. (Vergl. den 
ersten Band, S. 33.) Erstere geht wohl selbstverständlich auf die 
Bastarde über, und in Bezug auf die letztere werden wir später ein- 
gehend die Gewohnheit der Gärtner besprechen, möglichst viele Varie- 
täten einer Art zu derselben Kreuzung zu verwerthen, um dadurch 
sofort „sehr variable“, d. h. formenreiche Bastardgenerationen zu 
erlangen. 

Neben dieser schwachen Seite der bisherigen Bastardlehre möchte 
ich noch auf eine sehr gefährliche, mir aus eigener Erfahrung leider 
zu gut bekannte Fehlerquelle hinweisen. Sie ist diese, dass man, 
ohne es zu wissen, zu einer Bastardirung nicht reine Arten, sondern 
einen Bastard nimmt. Denn in sehr vielen Fällen kann man es 
einer Pflanze nicht ansehen, ob sie Bastard ist oder sortenrein. Die 
Folgen können aber offenbar ganz andere sein. Und wenn ein Ver- 
such, wie es ja so oft vorkommt, bei der Wiederholung nicht das- 
selbe Resultat giebt, wie früher, so schemt mir die Möglichkeit, dass 
im einen oder im anderen Falle mit einem Bastard statt mit einer 
reinen Pflanze operirt wurde, in den meisten Fällen die nächst- 
liegende zu sein. Viele auffallende Ausnahmen von den gewöhnlichen 
Regeln werden voraussichtlich in dieser Weise einmal ihre einfache 
Erklärung finden. 

Ich werde mich daher bemühen diese „Bastarde von Bastar- 
den“, diese mehrfachen oder abgeleiteten Bastarde möglichst aus 
meiner Behandlung auszuscheiden, und in einem besonderen Kapitel 
für sich zu behandeln. Aber die Angaben der Verfasser reichen 
dazu bei Weitem nicht immer aus, und beim jetzigen Stande der 
Wissenschaft ist man wohl gezwungen, über manches Fragezeichen 
hinweg zu gehen. 


S 2. Die Eigenschaften der Bastarde sind auf diejenigen der Eltern 
beschränkt. 


Eine vielfach ventilirte und sehr beliebte Frage ist diejenige 
nach der Erhöhung der Variabilität durch künstliche Bastardirungen. 
In der Praxis ist diese Erhöhung das gewöhnliche Ziel der Operationen, 
und manche Gartenpflanze, welche früher ganz starr und einförmig 
war, hat erst angefangen sich den Bedürfnissen des Gärtners zu 
fügen, nachdem sie mit einer verwandten Art gekreuzt wurde. Aber 
Variabilität ist ja ein vieldeutiger Begriff, und für eine wissenschaft- 
liche Einsicht ist stets eime Analyse, oder doch eine Beschränkung 
auf diesem (Grebiete erforderlich. 


12 Die einfachen Bastarde erster (Generation. 


Die höchst varıabelen Bastardrassen des Gartenbaues sind stets 
durch wiederholte, und oft durch vielfach wiederholte Kreuzungen 
erzielt worden und verdanken wohl gerade diesem Umstande ihren 
erstaunlichen Reichthum an Formen. Auf sie ist die allgemeine 
Ueberzeugung gegründet, dass Kreuzung die Variabilität erhöhe, aber 
ob diese Verallgemeinerung auch auf die einfachen Hybriden an- 
gewandt werden darf, scheint sehr fraglich. 

Offenbar ist es aber eine ganz andere Frage, ob Bastarde im 
Stande sind, einfach durch die Operation der Kreuzung Eigenschaften 
hervorzubringen, welche ausserhalb des Formenkreises ihrer Eltern 
liegen. Dass durch wiederholte Kreuzungen fast alle denkbaren Ver- 
bindungen der elterlichen Merkmale erhalten werden können, dürfte 
keinem Zweifel unterliegen. Aber darauf ist auch, nach der Ueber- 
zeugung der erfahrendsten Praktiker, denen ich diese Frage persönlich 
vorgelegt habe, ihre Variabilität beschränkt. Die Gattungen Amaryllis 
(DE GRAAFF), Begonia (VERLOT), die berühmten Versuche von NAUDIN 
mit Zinaria und vielen anderen Pflanzen, und eine Reihe weiterer 
Beispiele könnten als Belege für diesen Satz angeführt werden. 
Ebenso die Culturen von ALFRED BrLEu mit Caladium-Bastarden, 
welche bei dreissigjähriger Fortsetzung nur zwei unten zu erwähnende, 
scheinbare Ausnahmefälle boten. Auch GÄRTNER und WIcHUrA sind 
derselben Ansicht, und bei den Handelsgärtnern gilt sie als die all- 
gemeine Regel bei der Wahl der zu Kreuzungen zu verwendenden 
Sorten. 

Wirklich neue Eigenschaften erzeugt die Kreuzung 
nicht. « 

Allerdings giebt es scheinbare Ausnahmen von dieser Regel, 
in denen die Hybriden den Formenkreis ihrer Eltern überschreiten, 
aber bei genauerer Betrachtung sprechen diese nicht gegen die 
Regel, sondern sind sie eher mehr oder weniger deutliche Be- 
stätigungen. Die wichtigsten Fälle mögen somit hier zusammen- 
gestellt werden. 

Eine erste sehr bekannte Ausnahme bildet die oft hervorgehobene 
excessive Kraft der Bastarde. Zwar scheinen die ziemlich wenigen 
Fälle, in denen diese Erscheinung beobachtet wurde, zu irgend wel- 
cher Verallgemeinerung keinen Grund abzugeben. Ribes Gordonianum, 
Berberis stenophylla und mehrere Datura-Bastarde sind bekannte Bei- 
spiele. Der erstere Hybride wächst überall in Anlagen und auch im 
hiesigen Garten äusserst viel kräftiger als seine beiden Eltern (Ribes 
sanguineum und R. aureum). Bei Berberis stenophylla fand Hurst, dass 
die grosse Ueppigkeit des Wuchses eine rein individuelle Erscheinung 


Die Eigenschaften der Bastarde sind auf diejenigen der Eltern beschränkt. 13 


ist, welche sich in den Nachkommen nicht wiederholt." Datura (NauDın), 
Melonen (SAGERET), Erbsen, Weizen, Pinus, Quercus, Ulmus, Alnus 
(Krorzsch), Aepfel (KnıcHr), Kohl (Wıecmans) und viele andere 
Gattungen bieten Fälle von erstaunlichem Wuchs der Mischlinge. 
Darwıy hat von diesen und zahlreichen anderen Bastarden eine aus- 
führliche Zusammenstellung gegeben; alle Experimentatoren waren, 
sagt er, von der wunderbaren Kraft, Höhe, Grösse, Lebensfähigkeit, 
früher Reife und Widerstandsfähigkeit ihrer Bastardproducte über- 
rascht.? Bekannt ist KÖLREUTER’s Ansicht, der hierin eine gewisse 
Compensation gegenüber der Sterilität der Hybriden suchte, und die 
Erwiderung GÄrTNeEr’s, dass die grössere Ueppigkeit bisweilen auch 
an ganz fruchtbaren Bastarden (z. B. Datura) gefunden werde. 

Alle diese Beispiele sind aber doch nur als Ausnahmen zu be- 
trachten von der Regel, dass die Bastarde auch in ihrem Wuchs? 
zwischen den Eltern stehen. Die Bastarde der Weiden waren nur 
in einem einzelnen Falle in Wıckura’s ausführlichen Untersuchungen 
kräftiger als die Eltern? und die zahlreichen spontanen Weiden- 
Bastarde, die ich selbst beobachtet habe, zeigten in ihrem Wuchse 
nichts Auffallendes. Viele weitere Beispiele könnte man anführen,* 
aber die Autoren heben in der Regel die fraglichen Punkte nur dann 
hervor, wenn der Wuchs ihnen besonders aufgefallen ist; war er ein 
normaler, so. wird darüber nichts erwähnt. Ein grosser Factor dürfte 
hier die Methode der Cultur sein. Bekanntlich zog GÄRTNER die 
zu kreuzenden Pflanzen in Töpfen, da er die Operation selbst im 
Zimmer vornahm; er hatte also durchgehends die Elternarten in 
schwachen Exemplaren, während er andererseits den Bastarden alle 
mögliche Sorgfalt angedeihen liess. Dieser Einwand ist bereits von 
NÄgeuı hervorgehoben worden. In meinen eigenen Öulturen fanden 
die Kreuzungen nie im Zimmer oder im Glashause statt, sondern 
immer im Garten, und nur in einzelnen besonderen Fällen zog ich 
meine Pflanzen dazu im Töpfen. In weitaus den meisten Versuchen 
wuchsen sie frei im Garten, unter genau denselben Bedingungen in 


1 C.C. Hurst, Journ. Roy. Hort. Society. Vol.XXIV. April 1900. S.124—125. 

2 Darwın, Das Variüren der Pflanzen und Thiere. Bd. U. 1868. S. 174. 

3 Max Wiıcnura, Die Bastarderzeugung im Pflanzenreich. S. 31, 41 u. s. w. 
„Wirklich auffallend erschien mir nur das schnelle, üppige, übermässig wuchernde 
Wachsthum des sechsfachen, aus S. viminalis, purpurea, Lapponum, Silesiaca, 
caprea, daphnoides zusammengesetzten Bastardes.‘ 

* So sagt z.B. Goprox: „Les hybrides entre especes de Digitalis, de Pri- 
meveres ete., n’ont pas une stature plus Elevee que leurs parents, et commencent 
leur floraison en m&me temps.“ Memoires del’ Academie de Stanislas. 1862. S. 233. 


14 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


Bezug auf Besonnung, Raum, Boden, Düngung, Bewässerung u. s. w. 
als ihre Nachkommen, und mit Ausnahme von Datura und einigen 
nicht ganz sicheren Fällen ist mir der Wuchs der Bastarde nie be- 
sonders aufgefallen. 

Man hat oft behauptet, dass enge Verwandtschaft der Eltern 
eine Bedingung für das Luxurüren der Bastarde sei, und in manchen 
(Gattungen giebt diese Regel den Thatbestand genau wieder. So 
z.B. in PETER's Untersuchungen! über die Piloselloiden-Bastarde. 
Aber das völlig sterile Ribes Gordonianum, der Bastard zwischen R. sangui- 
neum und R. aureum besitzt Eltern mit so geringer Verwandtschaft, 
dass eine Wiederholung der Kreuzung bis jetzt nicht gelungen ist, 
und wird dennoch wohl von keinem anderen Mischling an Ueppigkeit 
des Wuchses übertroffen. Und sehr viele Varietäten-Bastarde luxu- 
riiren gar nicht. Hurst macht darauf aufmerksam, dass die Eltern 
von Gartenbastarden ott seltene Formen sind, welche durch die Art 
der Cultur, durch jahrelange vegetative Vermehrung oder Inzucht 
geschwächt sind, und dass in solchen Fällen eine Verbindung von 
Arten denselben günstigen Effect haben könnte, den Darwın für die 
Kreuzung von Individuen derselben Varietät, aber verschiedener Her- 
kunft beschreibt.? 

Den üppigen Bastarden gegenüber stehen die bei Weitem häufigeren 
Fälle, in denen die Hybriden individuell so schwach waren, dass sie 
nur mit der besten Pflege gross gebracht werden konnten, oder sogar 
regelmässig in der Jugend zu Grunde gingen. Von diesen bis zu 
den Bastardkeimen, welche es nie zu reifen Samen bringen, giebt es 
eine ganze Reihe von Uebergängen. Im Allgemeinen dürfte die Ent- 
wickelung um so kümmerlicher sein, je geringer die Verwandtschaft 
der Eltern, doch ist es selbstverständlich, dass es hier vielfache Ausnahmen 
geben muss, wenigstens so lange man den Grad der Verwandtschaft 
nicht besser beurtheilen kann, als beim jetzigen Stande der Wissenschaft. 

Die grössere Ueppigkeit mancher Bastarde wird aber von keinem 
Forscher als eine besondere, neue Eigenschaft betrachtet. Vielmehr 
sind Alle der Ansicht, dass ihre Erklärung sich früher oder später 
aus der Art der Verbindung der elterlichen Eigenschaften ergeben 
wird. Und dasselbe gilt von denjenigen Fällen, in denen sonst die 
fluctuirende Variabilität diejenige der Eltern überschreitet. Beispiele 
dazu geben namentlich einige Hieracium-Bastarde aus der Section 


! A. Peter. Ueber spontane und künstliche Gartenbastarde der Gattung 
Hieracium sect. Piloselloidea. Esser, Botan. Jahrbücher V. S.203 und 226. 

® Hvrst, ]l.c. S. 124. Darwın, Cross- and Selffertilisation of plants. Be- 
kannt ist Darwın’s Ausspruch „A single cross restores the pristine vigour“. 


Die Eigenschaften der Bastarde sind auf diejenigen der Eltern beschränkt. 15 


Pilosella.. PETER nennt sie „überschreitende Merkmale“! und führt 
eine Reihe von Fällen an. Manche von ihnen treten nur in den Ver- 
hältnissen der Grösse und der Zahl hervor, indem die betreffenden 
Organe grösser oder zahlreicher sind als bei beiden Eltern, — aber 
von dieser Veränderung werden nur solche Merkmale berührt, welche 
in geringerem Grade auch durch Ernährung und Standort modificirt 
werden können, namentlich Blattgrösse, Stengelhöhe, Stolonenlänge, 
Reichthum der Verzweigung, also wohl dieselben Erscheinungen, welche 
auch sonst bei Bastarden das üppigere Wachsthum zusammensetzen. 
Die Eltern solcher luxurirenden Hieracium-Bastarde sind fast stets 
sehr enge verwandt, während eine von beiden eine vegetativ sehr 
kräftige Form ist; sehr selten verhält es sich umgekehrt und sind 
die Eltern fernstehende Formen von sehr complieirter Abstammungs- 
formel. Aber auch in constanteren Merkmalen können die Hieracium- 
Bastarde die Grenzen ihrer Eltern überschreiten; dann sind aber die 
Ueberschreitungen meist geringe, wenn auch bisweilen sehr bezeich- 
nende (z. B. H. tardansx und H. thaumasium x). Sie betreffen längere 
Behaarung, stärkere oder geringere Beflockung, Auftreten von Stengel- 
blattdrüsen, dunklere Farbe der Bracteen, bedeutendere Kopfgrösse 
und veränderte Blattform, und stellen, sofern sie ausserhalb des Ge- 
bietes der fluctuirenden Variabilität liegen, Merkmale vor, welche in 
der Reihe der Ahnen der jetzt lebenden Piloselloiden schon vielfach 
vorgekommen sein mögen. Sie gehören also zu den Erscheinungen 
des Atavismus, welche ich erst in einem späteren Paragraphen dieses 
Abschnittes behandeln werde. 

Ausser PETER’s schönen und sehr eingehenden Untersuchungen 
liegen nur wenige zuverlässige Angaben über Grenzüberschreitungen 
vor.?2 Sehr häufig gilt aber von den vorliegenden Beobachtungen der 
Ausspruch von MACFARLANE, dass eine genauere Kenntniss der Eltern die 
erste Bedingung für die Beurtheilung der Variabilität der Bastarde sei.? 

Wirklich neue Eigenschaften treten an Bastarden höchst selten 
auf. Sie sind hier wohl eben so spärlich wie bei nichtgekreuzten 
Arten. Und dass unter den zahllosen Bastarden der Gartencultur 
einzelne Male neue Varietäten entstanden sind, kann nicht Wunder 
nehmen. Doch findet man sehr wenige gut beglaubigte Fälle. So 
theilt HiLDEBRAND mit, dass unter seinen zahlreichen Bastarden in 
der Gattung Oxalis einmal eine weisse Varietät aus violetten Eltern 


1 2.a.0. S. 225. 

? Einige weitere Beispiele sind von Kerner, im Pflanzenleben II. S. 565 zu- 
sammengestellt. 

® Transactions. Roy. Soc. Edinburgh. 1892. 8. 205. 


16 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


hervorgegangen ist. Die Eltern waren Oxalis hirta und O. canescens, 
die erstere dunkel-, die letztere purpurviolett. Diese Kreuzung giebt 
in der Regel leuchtend rothe, also überschreitende Producte.' Und 
‚der erfahrene Züchter der Caladium-Bastarde, ALFRED BLEU in Paris, 
theilte mir bei meinem Besuche in seinen Gewächshäusern mit, dass 
in den dreissig Jahren seiner mit einer stattlichen Reihe von Arten 
in dieser Gattung angestellten Versuche keine anderen neuen Eigen- 
schaften aufgetreten wären, als bunte und krausige Blätter, und auch 
diese nur sehr vereinzelt. Offenbar sind solche spontane Abänderungen 
keine Folgen der Kreuzungen, sondern nur solche, die auch ohne 
Kreuzungen, bei umfangreichen und wiederholten Aussaaten vorzu- 
kommen pflegen. 

Sehr verbreitet ist auch die Meinung, dass Bastarde eine be- 
sondere Neigung haben würden, Monstrositäten hervorzubringen. Seit- 
dem aber in dem letzten Jahrzehnt der Beweis geführt worden ist, 
dass auch diese anscheinend zufälligen Erscheinungen erblich sind 
und als Aeusserungen latenter oder semilatenter Anlagen betrachtet 
werden müssen,? bedarf der Thatbestand der an Bastarden beobachteten 
Anomalien offenbar eine Revision. Die Frage, ob die betreffenden 
Anlagen vielleicht von den Eltern ererbt waren, ist offenbar eine völlig 
berechtigte, aber leider kann die Entscheidung in den vorhandenen 
Literaturangaben meist nicht gefunden werden, und ist eine Wieder- 
holung der Versuche das einzige Mittel, dazu zu gelangen. Dieser 
Weg ist aber offenbar ein sehr zeitraubender. 

Ein Beispiel aus Gärrxer’s Versuchen möge zunächst angeführt 
werden. Er betont wiederholt (z. B. a. a. OÖ. S. 342 und S. 351), dass 
Lychnis vespertina X diurna oft 6 Griffel habe statt 5. Aber auch 
die Eltern zeigen die nämliche Abweichung, wenn auch seltener. Ich 
habe eine verwandte Kreuzung ausgeführt, indem ich Lyehnis vespertina 
glabra mit L. diurna befruchtete. Die Bastarde zeigten dieselbe Anomalie 
in der Anzahl der Griffel, aber bei der L. vespertina glabra fand ich 
diese bei genauer Inspection eines ziemlich grossen Beetes in gleichem 
Umfange zurück; es gab sogar einzelne Blüthen mit 7 Grifteln. In 
diesem Falle kann es also keinem Zweifel unterliegen, dass die Ano- 
malie einfach von den Eltern oder von einem der Eltern ererbt wurde. 
Aehnlich dürfte es sich in den übrigen Fällen verhalten. 

Im ersten Bande wurde bereits darauf hingewiesen, dass monströse 


! HıLvEsrann, Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaften. Bd. 23. 1889. 
S. 544. 
? Vergl. die im ersten Bande $. 339 eitirte Literatur. 


Die Eigenschaften der Bastarde sind auf diejenigen der Eltern beschränkt. 17 


Abweichungen in Bastardrassen, wenn auch nicht gerade häufiger, 
doch auch keineswegs seltener vorkommen als bei reinen Arten 
(Bd. I, S. 336—351). Bei den zahlreichen Culturen von Hybriden 
in der Gattung Oenothera fand ich diese Regel stets bestätigt. Einige 
Monstrositäten traten in den Bastardeulturen, andere in den reinen 
Arten etwas häufiger auf, doch muss solches offenbar dem Zufall 
zugeschrieben werden, und würde es sich bei fortgesetzter Cultur 
wohl anders verhalten. In mehreren Bastardrassen traten, wenn auch 
sehr selten, z. B. zweizählige Blüthen (Fig. 1) auf, so namentlich in 
der später ausführlich zu behandelnden 
aus Oenothera Lamarckiana x 0. eruciata 
varia.' 

KÖLREUTER erhielt aus der Kreuzung 
von Digitalis lutea und D. obsceura eine mon- 
ströse Pflanze. MOoRREN fand an einem 
künstlichen Bastarde von Calceolaria plan- 
taginea pelorische Blüthen.? Brassica Napus 
x B. Rapa bildet häufig -Wurzelknospen. 
Begonia phyllomaniaca (= B. manicata + in- 
carnata) führt ihren Namen wegen der 
zahlreichen Adventivknospen auf dem 
Stamme, und eine ähnliche Anomalie soll 
auch B. prolifera (B. manicata + B. coceinea) 
zeigen.” Unter den Bastardweiden kommen 
nicht selten Individuen vor, welche herma- 

hroditische Blüthen tragen, indem die n le 2 
Carpelle theilweise in Staubfäden, oder en De 
die letzteren theilweise in Carpelle um- u ER Be 
gebildet sind, und zwar m allen Ab- des entstanden. 
stufungen dieser merkwürdigen, auch in 

hiesiger Gegend nicht seltenen, und von mir seit vielen Jahren im 
botanischen Garten zu Amsterdam cultivirten Anomalie (Fig. 2). Nach 
WiıcHurA und KERNER ist diese Monstrosität fast ausschliesslich auf 
Bastarde beschränkt und bei den reinen Weidenarten äusserst selten. 
Sie ist wohl offenbar ererbt, aber in ihren Aeusserungen in den 


! Ueber eine dreizählige Blüthe von O, biennis, von Weısse beschrieben, 
vergl. Bd. I, S. 347, 

* Pryrırscn, Zur Aetiologie pelorischer Blüthenbildungen. Sitzungsber. d. k. 
Akad. d. Wiss. Wien, 1. März 1877. $. 113, Noten 4, 5 und 6. 

® M. W, Beyeriscr, Beobachtungen und Betrachtungen über Wurzelknospen 
und Nebenwurzeln. Verh. K. Ned. Akad. v. Wet. 1886. $. 115—119. 


DE VRIES, Mutation. II. 2 


13 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


Bastarden gefördert. Aehnlich dürfte es sich mit den gefüllten 
Blumen verhalten, welche nach GÄRTNER, ÜARRIERE und vielen anderen 
Autoren vorzugsweise bei Bastarden auftreten; auch hier wird wohl 
stets die Anlage, welche sich ja häufig nur im einzelnen Blüthen 
durch die Umbildung einzelner Staubfäden in ganz schmalen petaloi- 
den Organen äussert, einfach in den Eltern übersehen worden sein. 

Ich habe im diesem Paragraphen 
einige der wichtigsten Beispiele zu- 
sammengestellt, welche ich, abgesehen 
vom Atavismus, in der Literatur als 
Stützen für die Meinung habe autf- 
finden können, dass bisweilen bei Kreu- 
zungen neue, im den Eltern auch 
Fig. 2. BEE EN nicht als Anlagen vorhandene Eigen- 
Fruchtknoten, in derenoberenHälften schaften auftreten.! Sie sprechen im 


man die offene Spalte sieht und wel- A]loemeinen meiner Ansicht nach 
che seitlich 1—2 Antheren tragen. > 


Am Fuss das Deckblatt und dieDrüse. für die entgegengesetzte Meinung. 
Nach einem lebenden Exemplar des Jassen sich auch einzelne Fälle, ohne 
botanischen Gartens in Amsterdam, : i : 
April 1900. weitere eingehende Untersuchung, bis 
jetzt nicht aufklären, so fehlt ihnen 
doch die genaue Kenntniss der Eltern, welche allein zu einem Schlusse 
berechtigen würde. „Der Glaube,“ sagt Darwıs, „dass Charaktere, 
welche in keinem von den beiden Erzeugern oder in deren Vorfahren 
vorhanden waren, häufig aus einer Kreuzung ihren Ursprung nehmen, 
ist zweifelhaft“,2 und meiner Meinung nach kann man es jetzt auch 
als sehr unwahrschemlich hinstellen, .dass sie gelegentlich oder doch 
öfter als bei reinen Befruchtungen so entstehen würden. ‚Jedenfalls 
liegen keine Thatsachen vor, für welche nicht eine andere Erklärung 
die wahrscheinlichere wäre. 


$ 3. Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 


Bis auf die allerletzten Jahre haben die Forscher bei ihrem 
Studium gewöhnlich solche Bastarde in den Vordergrund gestellt, 
deren Eltern in einer ganzen Reihe von Differenzpunkten von ein- 


ı Weitere diesbezügliche Zusammenstellungen hat namentlich in der letzteren 
Zeit E. Tscuermax gegeben in seinen Beiträgen über Verschiedenwerthigkeit der 
Merkmale bei Kreuzung von Erbsen und Bohnen, Zeitschr. f. d. landw. Versuchs- 
wesen in Oesterreich 1901. Vergl. namentlich S. 90—95. 

? Darwın, Animals and plants under domestication. 2. Aufl. 1875. II. 
S.77. (8.131 der deutschen Ausgabe 1868.) 


Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 19 


ander unterschieden waren. Wir haben also die Frage in’s Auge 
zu fassen, in wie weit in solchen complicirten Fällen sich das Princip 
der elementaren Eigenschaften anwenden lässt. Durchführen lässt 
es sich hier allerdings nicht; dazu sind selbstverständlich neue 
Experimente erforderlich, bei denen dieser Zweck besonders beachtet 
wird. Doch wird ein kritisches Studium uns lehren, dass die Eigen- 
thümlichkeiten der Hybriden keineswegs aus einer einfachen Ver- 
mischung der Elterntypen zu erklären sind, sondern dass gar häufig 
die verschiedenen Eigenschaften an dem Bilde des Bastardes sich in 
verschiedener, oft in geradezu entgegengesetzter Weise betheiligen. 
Müssen wir also auch vorläufig auf eine genaue Analyse verzichten, 
so wollen wir doch versuchen dem Beweise des Satzes, dass den 
äusseren Merkmalen auch hier bestimmte innere Einheiten zu Grunde 
liegen, möglichst nahe zu kommen. 

In Bezug auf ihre sichtbaren Eigenschaften werden Bastarde 
ganz allgemein als Mittelbildungen zwischen ihren Eltern bezeichnet. 
Richtiger wäre es allerdings, sie Zwischenbildungen zu nennen, denn 
der Ausdruck Mittelbildung erweckt nur zu leicht die Meinung, dass 
die Hybriden in allen Punkten mehr oder weniger genau die Mitte 
zwischen den Eltern hielten. Dem ist aber nicht so. Dabei sind 
zwei Methoden der Behandlung zu unterscheiden. Denn erstens 
kann man den Bastard als ein Ganzes betrachten, und als solches 
kann er häufig mehr dem einen als dem anderen seiner Eltern gleichen. 
7/weitens aber kann man die Kennzeichen der Bastarde je einzeln 
in Betracht ziehen und aus diesen das Mittel berechnen. Viele 
Bastarde gleichen in einigen Punkten dem Vater, in anderen der 
Mutter, und es kann vorkommen, dass diese beiden Richtungen ein- 
ander das Gleichgewicht halten und die Summe also der Mitte 
zwischen den Eltern entspricht. 

In diesen letzteren Fällen scheint es mir aber klar, dass die 
Analyse wichtiger ist als die Zusammenfassung. So lange die ein- 
zelnen Merkmale sich gleich verhalten, entweder mittlere sind, oder 
in demselben Sinne vom Mittel abweichen, kann man damit zufrieden 
sein, sie einstweilen nur als Ganzes zu behandeln. Sobald sie aber 
sich getrennt verhalten, nach verschiedenen Richtungen oder ın un- 
gleichem Maasse abweichen, scheint es mir unabweislich, sie als die 
Factoren zu betrachten, welche einzeln dem Studium zu unterwerfen 
sind. Für jeden Factor wäre zu erforschen, wie er sich verhält, und 
weshalb er sich so und nicht anders an den Erscheinungen betheiligt, 
und womöglich wären in verschiedenen Kreuzungen die nämlichen 


Factoren darauf zu prüfen, ob sie denselben Gesetzen folgen. Erst 
DES 


20 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


wenn diese Gesetze für zahlreiche solche Einheiten ermittelt wären, 
würde es sich lohnen, die Combination vorzunehmen, und eine Er- 
klärung der morphologischen Beziehungen eines solchen Bastards zu 
seinen Eltern aufzusuchen. 

Augenblicklich herrscht auf diesem Gebiete eine äusserst un- 
angenehme Verwirrung, aus der es kaum möglich ist, die Hauptzüge 
der Erscheinungen herauszufinden. Und wenn man dieses versucht, 
so wird man immer mehr gezwungen, die einzelnen Eigenschaften ın 
den Vordergrund zu stellen, und somit die Frage, ob in einem und 
demselben Bastard Eigenschaften vorkommen können, welche sich 
einander entgegengesetzt verhalten, als Hauptzweck zu betrachten. 

Die wichtigste Folgerung, welche sich aus der vorhandenen Lite- 
ratur ergiebt, scheint mir diese, dass die sichtbaren Eigen- 
schaften der Bastarde zwar in der Regel zwischen jenen 
der Eltern liegen, dass sie aber auf der Linie, welche diese 
beiden Extreme verbindet, jede beliebige Lage einnehmen 
können.! Ist dem so, so kann man drei Hauptgruppen unterscheiden, 
wobei es sich um die äusserlich sichtbaren und vorläufig wenigstens 
nicht um die inneren oder elementaren Eigenschaften handelt. 

1. Die intermediären Bastarde, welche die Mitte zwischen 
beiden Eltern halten. d 

2. Die goneoklinen Bastarde, welche mehr zu dem einen 
oder dem anderen der Eltern hinneigen.? 

3. Die einseitigen Bastarde, welche den Typus eines der 
beiden Eltern mit Ausschluss des entgegengesetzten führen. 

Diese Eintheilung macht eine Sache sofort klar. Denn die 
Gruppen 1 und 3 würden bei schärfster Fassung nur einen bezw. zwei 
Punkte auf der soeben besprochenen Verbindunsslinie vorstellen, wäh- 
rend die Gruppe 2 nahezu deren ganze Länge einnehmen würde. Wollte 


! Wıcnura, a. a. 0. S. 51: Der Bastard ist eine zwischen den beiden Stamm- 
pflanzen stehende Bildung, „und darauf liegt, wie mir scheint, das Hauptgewicht, 
nicht darauf, ob er der einen oder der anderen der beiden Stammarten sich 
mehr oder weniger nähert“. Zu derselben Ansicht gelangte auch CorrEns in 
einer schematischen Uebersicht der hier möglichen Fälle. Vergl. Berichte d. d. 
bot. Ges. Bd. XIX. 1901. Generalvers.-Heft S. 78. 

® „Bastarde, welche zwischen den Stammarten nicht die Mitte halten, son- 
dern in ihren Eigenschaften und Merkmalen der einen oder der anderen näher 
stehen, werden goneoklinisch (yovevs, Erzeuger; #Aivo, hinneigen) genannt.“ 
Solche entstehen schon bei der erstmaligen Kreuzung. Aber die Kreuzung ein- 
facher Bastarde mit ihren Eltern giebt auch Formen, welche zu der betreffenden 
Stammart mehr hinneigen, und welche man also von diesem Gesichtspunkte auch 
als goneoklin bezeichnen kann (Kerner, Das Pflanzenleben. II. S. 551). Im 
Obigen beschränke ich mich aber auf die einfachen Bastarde. 


Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 21 


man die Definition so scharf nehmen, so wäre die Aussicht auf genau 
intermediäre, oder völlig einseitige Bastarde wohl eine sehr geringe. 
Aber wenn man auch bei der Schätzung einen etwas grösseren Spiel- 
- raum lassen will, würden doch leicht die intermediären und die ein- 
seitigen Bastarde den goneoklinen gegenüber selten sein und sich als 
Ausnahmen verhalten. Dazu kommt, dass, wenn sich die Eltern in 
mehreren Hinsichten von einander unterscheiden, die einen Eigen- 
thümlichkeiten in Bastarde intermediär oder einseitig erscheinen 
können, während andere sich anders verhalten. 

Wir stossen hier auf eine sehr grosse und von den hervor- 
ragendsten Forschern zu wiederholten Malen betonte Schwierigkeit.! 
Diese liegt in der Abschätzung der Merkmale. Nur in ganz unzwei- 
deutigen Fällen lässt es sich mit der erforderlichen Objectivität be- 
stimmen, ob ein Kennzeichen in einem Bastarde einseitig, goneoklin 
oder intermediär zwischen den Stammarten sei. Alles hängt davon 
ab, ob man die Gruppen der einseitigen und intermediären weit oder 
enge nimmt, und darüber kann offenbar ein jeder seine persönliche 
Ansicht haben. Auch lassen sich die hier in Betracht kommenden, 
meist feinen Unterschiede kaum genau in Worten ausdrücken, und 
zahlenmässige Angaben würden nur dann Werth haben, wenn sie ' 
nach der variationsstatistischen Methode, unter Berücksichtigung aller 
die fluctuirende Variabilität beeinflussenden Factoren, und auf Grund 
eines umfangreichen Materiales gemacht werden könnten. 

Wie die Sache sich jetzt verhält, nennt der eine Forscher Vieles 
intermediär, was der andere zu der goneoklinen Gruppe rechnet, 
und ist auch die Reihe der einseitigen Bastarde für den einen eine 
viel grössere als für den anderen. Umgekehrt aber ist es für einen 
‚Leser meist nicht möglich, aus der Angabe, dass ein Bastard das 
eine oder das andere sei, sich eine klare Vorstellung über sein Ver- 
halten zu machen. 

WiıcHurA stellt die aus einander gehenden Ansichten seiner Vor- 
gänger und seine eigenen in so scharfer Weise zusammen, dass es 
sich lohnt, die betreffende Stelle hier wörtlich anzuführen.? Er eitirt 
zunächst die folgenden Sätze aus GÄrrtxer’s Buch:? „In Beziehung 
auf die Beurtheilung der Typen, ob nämlich ein Bastard mehr der 
Mutter, oder mehr dem Vater ähnlich sei, hat die genaue Bestimmung 
in manchen Fällen grosse Schwierigkeiten, indem hier sehr Vieles 


! Namentlich von Näserı, Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wiss. 15. Dee. 
1865. 8. 423—431. 

® Wıcuura, Die Bastardbefruchtung. S. 50. 

® GÄRTNER, Bastarderzeugung im Pflanzenreich. 8. 252. 


22 Die einfachen Bastarde erster (Generation. 


auf die subjectire Anschauung der Beobachtung ankommt; denn wegen 
der öfters vorkommenden Verschmelzung beider Charaktere findet der 
eine Beobachter im einem Bastard den mütterlichen, ein anderer aber 
den väterlichen vorherrschend.“ Ferner citirt WıcHuRA aus GÄRTNER 
eine andere Stelle: „KÖLREUTER sieht die Nieotiana rustiea-paniculata 
als den Ausdruck des vollkommenen Mittels von den beiden Eltern- 
pflanzen an; wir (GÄRTNER) können damit nicht übereinstimmen, 
sondern halten den Typus derselben der N. panieulata näher als der 
rustica, wegen des schlanken Wuchses, der zarten Verästelung, der 
mehr länglichen als herzförmigen Blätter, der kleineren conisch zu- 
gespitzten Frucht und den bedeutend kleineren Samen als bei der 
N. rustiea“ Ebenso verschieden ist die Ansicht des Typus des Ver- 
baseum Lychniti-phoeniceum von KÖLREUTER und WIEGMANN. Diese 
beiden Beispiele beweisen ebenfalls, dass das Urtheil über die Form 
eines Bastardes in Beziehung auf seine Aehnlichkeit mit den Eltern 
sehr verschieden ausfallen kann, was wir schon oben bemerkt haben.! 

Diesen Citaten gegenüber äussert sich nun WıcHurA selbst in 
der folgenden Weise: „In der That hängt hier alles von der subjec- 
tiven Beurtheilung ab. Möglich, dass ich mit KÖLREUTER in der 
Nieotiana (rustica + paniculata) das vollkommene Mittelding der Eltern- 
pflanzen erblicken, möglich, dass GÄRTNER in den Weidenbastarden, 
die ich für vollkommene Mittelbildungen halte, den überwiegenden 
Einfluss irgend einer typischen Species heraus erkannt haben würde: 
am Ende wäre der ganze Streit ein ziemlich unerheblicher.“ 

Unter solchen Umständen liegt es auf der Hand, dass mancher 
Leser aus den von einem Autor gegebenen Beschreibungen und Ab- 
bildungen zu anderen Folgerungen gelangt als ein anderer. Am 
besten ist es wohl, mit Wıc#hura die Gruppe der intermediären 
Bastarde ziemlich weit zu nehmen, und nur in evidenten Fällen von 
goneoklinen Mischlingen zu reden, aber auch dann bleibt die Grenze 
eine willkürliche. MacrAarLAanE betrachtet seine Bastarde stets als 
Mittelbildungen,? auch wenn ein Hinneigen zu einer der Stammarten 
in seinen Abbildungen auffällt. 

Aehnliche Betrachtungen gelten auch für die Grenzen zwischen 
den goneoklinen und den einseitigen Bastarden.? GÄRTNER sagt,* 


1 GÄRTNER, a. a. 0. S. 281. 
M. MacrARLANE, On the minute structure, a. a. O. 

° Ebenso sagt Correns: Homodyname (einseitige) und heterodyname (go- 
neokline) Merkmalspaare halte ich jetzt nicht mehr für so scharf getrennt wie 
früher. Berichte d. d. bot. Ges. Bd. XIX. 1901. S. 213. 

4 GÄRTNER, 2.2.0. S. 254. 


23 


Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 25 


„dass die Charaktere der Stammeltern niemals rein und unverändert 
in die Bildung des Bastardes übergehen.“ Und wenn von dieser 
Regel seitdem auch Ausnahmen gefunden worden sind, so scheint 
mir die Aehnlichkeit mit einem der beiden Eltern in manchen Fällen 
doch eine so auffallende, dass man ruhig die Gruppe der einseitigen 
Bastarde in nicht all zu kleiner Ausdehnung nehmen darf. 

Bis jetzt habe ich soviel wie möglich die äusseren Eigenschaften 
in ihrem Gesammtverhalten betrachtet. Wir kommen nun aber zu 
der Frage, wie sich die einzelnen Merkmale ın den Bastarden ver- 
binden können. Die Erfahrung lehrt, und ich werde unten einige 
Beispiele davon anführen, dass gar häufig in demselben Mischling 
einige Eigenschaften intermediär, andere einseitig und wieder andere 
soneoklin, nach dem Vater oder nach der Mutter hinneigend sind. 
Hier kommt nun eine zweite grosse Schwierigkeit in’s Spiel, nämlich 
die Werthschätzung der einzelnen Charaktere! Das eine 
Merkmal fällt mehr auf als das andere; dem einen Forscher scheint 
diese Eigenschaft wichtiger als jene. Und je nach dem Stand- 
punkte, den man einnimmt, wird man also die Summe als inter- 
mediär, als goneoklin oder als einseitig betrachten. Es hat dies 
oftenbar so lange keine Bedeutung als die Beurtheilung der Werthig- 
keit noch erst in ihrem Anfange ist.” Soll man diese nach syste- 
matischen und phylogenetischen Gesichtspunkten behandeln, oder soll 
vielleicht eben das Verhalten bei den Kreuzungen selbst maassgebend 
sein? 

Die erörterten Schwierigkeiten in der conventionellen Bestimmung 
der Grenzen zwischen intermediär, goneoklin und einseitig dürfen 
aber nicht von dem Studium der verschiedenen Grade abhalten, ın 
denen sich die Bastarde von den Eltern, oder von deren Mitte ent- 
fernen. Und bei einem solchen Studium finden wir als die wichtigste 
Regel, dass die Eigenschaften um so mehr unverändert, d.h. | 
also um so einseitiger auf die Bastarde übergehen, je näher | 
sich die Eltern verwandt sind. Oder wie man es gewöhnlich 
ausdrückt, die Varietätsmerkmale gehen unverändert über; sie werden 
von der einen Stammart ererbt, während die Artmerkmale nur ın 
mehr oder weniger stark geschwächtem Grade, oft auf die Hälfte 
reducirt, übermittelt werden. 


! HıLDEBRAND, Jenaische Zeitschrift. 1889. S. 542. 

® Vergl. E. Tscuermax in: Beiträge über die Verschiedenwerthigkeit der 
Merkmale bei Kreuzung. Zeitschr. f. d. landw. Versuchswesen in Oesterreich. 1901, 
und in mehreren anderen Werken. 


24 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


Ehe ich dazu schreite, das Gesagte an einigen auserwählten 
Beispielen zu erläutern, möchte ich jetzt noch die Methode erwähnen, 
nach der mehrere Forscher es versucht haben, die Verwandtschafts- 
grade ihrer Bastarde zu den Stammeltern zahlenmässig auszudrücken. 

In seinen vorzüglichen Untersuchungen über die Bastarde in der 
Gattung Hieracium hat PETER diese Methode folgendermaassen aus- 
gearbeitet." Für jede gekreuzte Sorte und jede Bastardform wurde 
eine Liste der äusserlich wahrnehmbaren Eigenschaften aufgestellt, 
in der neben den gemeinsamen Merkmalen der Eltern die inter- 
mediären, goneoklinen und einseitigen möglichst genau angegeben 
wurden. Aus der Gesammtzahl aller Merkmale und aus den Summen 
der genannten Merkmalkategorien berechnete sich dann der Procent- 
satz, welcher auf den Antheil jedes der beiden Eltern entfiel. So 
entstand eine Tabelle, in der für jeden Bastard der sich zu Gunsten 
der einen oder der anderen Elternform ergebende Ueberschuss der 
sichtbaren Eigenschaften angegeben ist. Diese Uebersicht umfasst 
115 Bastarde; unter ihnen ist nur ein einziger verzeichnet als absolut 
intermediär, während alle anderen ein stärkeres oder schwächeres Hin- 
neigen zu einem der beiden Eltern zeigen. Gruppiren wir die Bastarde 
nach den Graden dieses Uebergewichtes, so finden wir zwischen Vater 
und Mutter keinen Unterschied mehr, indem wir von der Mitte aus 
die Abweichungen bezw. Annäherungen an die Eltern auf eine Seite 
verlegen. Drücken wir ferner die Präponderanz des dominirenden 
Elters in Procenten aus, so erhalten wir die folgende Zahlenreihe.? 


e Grade der Präponderanz im Bastard 
zul Erle des einen der Eltern über den anderen. 


5 nf il Intermediäre Bastarde. 
31 10—20 
13 a Goneokline Bastarde. 
8 30—40] 
2 40—50 Einseitige Bastarde. 


Summa: 115 
Oder in Worten: In etwa der Hälfte der Fälle halten sich die 
beiden Eltern im Bastard ungefähr das Gleichgewicht (0—10°/, Prä- 


ı A. Prrer, Veber spontane und künstliche Bastarde der Gattung Hieracium 
sect. Piloselloidea. Engler’s Botan. Jahrbücher. V. S. 221. Vergl. auch die Tabelle 
auf S. 246— 251. 

® Da die nach beiden Richtungen vom Mittel fallenden Abweichungen zu- 
sammengerechnet sind, gehen die Procentzahlen nur von 0—50. Es bedeutet 
also 0, dass beide Eltern sich im Bastard das Gleichgewicht balten, 50, dass einer 
der Eltern den anderen völlig ausschliesst und die Zahlen zwischen 0 und 50 geben 
den Grad des Uebergewichtes des prävalenten Elters in Procenten an. 


Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 25 


ponderanz nach beiden Seiten vom Mittel); in der anderen Hälfte 
sind die verschiedenen Grade des Vorwaltens um so seltener, je 
grösser sie sind. 

Es ist sehr schwer, ein allgemeines Urtheil zu fällen, so lange 
ähnliche Untersuchungen nicht für andere Gattungen und Familien 
ausgeführt worden sind. Doch macht die vorhandene Literatur den 
Eindruck, dass die von PETER aufgestellten Regeln wenigstens in sehr 
zahlreichen anderen Fällen ihre Geltung behalten, und somit bis auf 
Weiteres als Muster hingestellt werden können. 

C. CH. Hurst hat nach derselben Methode zahlenmässige Be- 
rechnungen für Orchideenbastarde angestellt.! Er findet, dass sowohl 
in Gattungsbastarden (deren man bei den Orchideen etwa 150 ver- 
schiedene kennt) als in gewöhnlichen Artbastarden die Merkmale beider 
Eltern in der Regel zu etwa gleichen Theilen auf den Bastard über- 
gehen, dass aber Abweichungen von dieser Norm vorkommen und 
zwar um so seltener, je grösser sie sind. Aber auch hier sind die 
Summirungen aus oft entgegengesetzten Einzelwerthen zusammen- 
gesetzt, und findet man, dass in einzelnen bestimmten Merkmalen 
bezw. Organen die beiden Eltern sich nur selten das Gleichgewicht 
halten, dass stets der eine oder der andere mehr oder weniger stark 
vorwaltet. 

Aus den mitgetheilten und anderen ähnlichen Untersuchungen 
ergiebt sich somit, dass genau intermediäre und absolut ein- 
seitige Bastarde sehr selten sind, dass die intermediären 
im weiteren Sinne des Wortes die grösste Menge, vielleicht 
etwa die Hälfte ausmachen, und dass die schwächer und stärker 
goneoklinen zwischen diesen beiden Extremen vielleicht nach den Ge- 
setzen der Wahrscheinlichkeitslehre vertheilt sind.” Es kann solches 


1 C. Ca. Hurst, Notes on some experiments in hybridisation and crossbreeding. 
Journ. Roy. Hortic. Soc. April 1900. Vol. 24. S. 102, und Mesper's law and 
orchid hybrids, a.a. ©. April 1902. Vol. 26. S. 688. 

?2 Die oben aus Perer’s Tabelle abgeleiteten Zahlen stimmen mit dem 
Wahrscheinlichkeitsgesetze so genau überein, wie es bei einer solchen Versuchs- 
reihe nur erwartet werden darf. Vertheilt man sie über die beiden Schenkel 
einer Curve, so lauten sie 1. 4. 6,5. 15,5. 30,5. 30,5. 15,5. 6,5. 4. 1. (Summe 115), 
während die Coeffieienten von (a + 5b)’, auf eine annähernd gleiche Summe (116) 
redueirt und in ganzen Zahlen ausgedrückt 1. 2. 8. 19. 28. 28. 19. 8. 2. 1 
sind. Man erblickt die Uebereinstimmung vielleicht noch bequemer, wenn man 
von der letzteren Zahlenreihe die Hälfte nimmt, und die einzelnen Werthe ver- 
doppelt, also 56. 38. 16. 4. 2 und diese mit Prrer’s Zahlen 60. 31. 13. 8. 2 
vergleicht. Es deutet dieses darauf hin, dass die einzelnen Eigenschaften in 
diesen Bastarden unabhängig von einander gruppirt sind, und dass die physio- 
logischen Gesetze, welche das Verhalten der Bastarde zu ihren Eltern beherrschen, 


26 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


selbstverständlich nur von solchen Bastarden gelten, deren Eltern 
sich von einander in mehr als einer Eigenschaft, am besten in einer 
ziemlich bedeutenden Reihe von Merkmalen unterscheiden, denn bei 
einer zu geringen Anzahl von Differenzpunkten wird die Aussicht 
auf das Ueberwiegen des einen oder des anderen der Eltern offenbar 
zunehmen. Somit werden wir auch hier dazu geführt, das Studium der 
elementaren Eigenschaften in der Bastardlehre in den Vordergrund 
zu stellen. 

Nach diesen allgemeinen Erörterungen will ich jetzt eine Reihe 
von Beispielen aus der Literatur zusammenstellen und fange mit den 
intermediären Bastarden an, dabei diese Bezeichnung in seinem oben 
angedeuteten weiteren Sinne benutzend. Es gehören dazu somit, 
soweit es sich abschätzen lässt, etwa die Hälfte aller beschriebenen 
Bastarde. 

Nach WiıcHhtra sind die Weidenbastarde, mit ganz seltenen 
Ausnahmen, stets Mittelbildungen zwischen ihren Eltern; sie neigen 
nicht deutlich zu der väterlichen oder zu der mütterlichen Stammart 
hin. Ebenso verhalten sich die Bastarde von Zufa und vielen 
anderen von NAUDIN studirten Gattungen.! Geum intermedium (Geum 
urbanum X rivale) ist eine constante, zwischen den Eltern nach den 
meisten Forschern die Mitte haltende Form, wenn sie auch nach 
(sopRoN etwas mehr dem @. rivale ähnlich ist.” Sehr ausführlich 
wurde Drosera filiformis x D. intermedia von MACFARLANE studirt.? Es 
ist ein schöner, in allen Hinsichten intermediärer Bastard, in welchem 
aber dennoch ein Vorwiegen des Vaters nicht ganz ausgeschlossen ist. 
Ribes nigrum x Grossularia ist nach Wırsox intermediär zwischen den 
Eltern, hat aber keine Spur von dem Geruch des ersteren und wird 
von den Raupen von Zerene grossulariata gefressen, während die Mutter 
immun ist.* Sehr bekannt ist die Abbildung von Primula pubescens 
= P. Auricula X P. hirsuta, nebst ihren beiden Eltern in KERNER’s 


somit nicht an der Gesammtheit der Merkmale, sondern an den einzelnen Eigen- 
schaften studirt werden müssen. Weitere Untersuchungen zur Bestätigung dieses 
Satzes scheinen mir sehr erwünscht, werden aber äusserst umfangreiche Versuchs- 
reihen erfordern. 

1 ©. Navpın, Nouvelles Archives du Museum d’histoire naturelle. Paris 1869. 

” Goproxn, Memoires de U Academie de Stanislas. Nancy 1865. p. 347—348. 

® J. MuırRueAnD MAcrFARLANE, Publications of the University of Pennsylvania. 
Bot. Vol. II. No. 1. 1898. S. 87, und Journ. Roy. Hortic. Soc. Vol. 24, April 1900. 
S. 248. 

* J. H. Wırson, The structure of some new hybrids. Journ. Roy. Hortie. 
Soc. Vol. 24, April 1900. 8.146. Hier eine Reihe weiterer Beispiele mit Ab- 
bildungen. 


Intermedtäre, goneokline und einseitige Bastarde. 27 


Pflanzenleben (Bd. Il. S. 558).! Ebenso Phaseolus vulgaris x P. multi- 
florus, der von MENDEL gemacht und später von KÖRNICKE zufällig 
aufgefunden wurde;? dieser Bastard entstand im Jahre 1887 im meinen 
Culturen in einigen wenigen Exemplaren, welche gut mit der von 
den citirten Forschern gegebenen Beschreibung übereinstimmten. 

In Bezug auf den anatomischen Bau sind die Bastarde wohl 
zuerst von VON WETTSTEIN,? später von Branpza und anderen For- 
schern, am eingehendsten aber von MACFARLANE* untersucht worden. 
Dieser hervorragende Forscher giebt eine sehr ausführliche anatomische 
Vergleichung von einer grösseren Reihe von Bastarden mit ihren 
Eltern, und findet sie im Allgemeinen intermediär, namentlich überall 
dort, wo es sich um Zahl und Grösse der Organe handelt. Aus 
seiner Arbeit nenne ich Philageria Veitchü (= Philesia buxifolia+ Lapageria 
rosea), Dianthus Grievei (= D. alpinus + D. barbatus), Geum intermedium 
(= @. urbanum x G. rivale) und Sazifraga Andrewsü (= S. Geum + S. 
Aixoon).? 

Aber auch hier giebt es m nicht wenigen Fällen Ausnahmen, 
d.h. eine mehr oder weniger starke Präpotenz des einen der Eltern.® 
Ich führe als Beispiel den soeben genannten Philageria-Bastard an.’ 
In der Form der Oberhautzellen der Oberseite der Blätter herrscht 
oft P. buxifolia vor, wegen der dicken und wenig geschlängelten Wände, 
aber an einzelnen Stellen verschwindet dieses Uebergewicht und 
scheinen die beiden Eltern sich in gleichem Maasse am Bastard zu 
betheiligen. Die unterseitige Epidermis ist meist ziemlich genau 
intermediär, doch sind in den beigegebenen Figuren die Stomata 
mehr nach der Art der Lapageria als nach dem Modus der Philesia 
mit den übrigen Zellen verbunden. 

Die goneoklinen Bastarde nannte GÄRTNER decidirte Typen, weil 
sie entweder dem Vater oder der Mutter glichen. Als solche nennt 
er (a. a. O. S. 286) z. B. Mirabilis Jalapa X longiflora und Nicotiana pa- 
niculata X vincaeflora, welche dem Vater, dagegen Lychnis diurna x Flos 
ceuculi, Dianthus barbatus X prolifer und Nicotiana quadrivalıis X glutinosa, 
welche der Mutter ähnlich waren. Aus den Untersuchungen von 


! KERNER, 2.2.0. giebt weitere Beispiele intermediärer Bastarde. S. 550—556. 
* Vergl. Focke, Die Pflanzenmischlinge. 8. 111—112. 
® R. v. WETTSTEIN, Ueber die Verwertung anatomischer Merkmale zur Er- 
kennung hybrider Pflanzen. Sitzungsber. d. k. Acad. d. Wiss. Wien, Nov. 1887. 
| * J. M. Maorarrane, The minute structure of plant hybrids. Transactions 
Roy. Soc. Edinburgh 1892, mit 8 Tafeln. 
° Ueber die Bedeutung der Zeichen x und + vergl. oben S. 10. 
6 MACFARLANE, |. ce. S. 207. 
"1. e. 8. 214—215, und Tafel III, Fig. 4—9. 


28 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


WIcHuRA nenne ich ferner Salix Arbuscula X purpurea. Diese bildete 
die einzige Ausnahme von der Regel der Mittelbildungen. Zwar 
war sie in den Blättern noch ein vollständiges Mittelding zwischen 
den Stammarten, im Wuchs jedoch hatte sie nichts mit den gerade 
aufgerichteten Zweigen der S. purpurea gemein, vielmehr lag sie völlig 
niedergestreckt am Boden, wie die S. Arbuscula. Alle acht von 
WicHurA erzeugten Exemplare verhielten sich dabei in derselben 
Weise (a. a. O. 8. 47). 

Aus meinen eigenen Beobachtungen führe ich hier einen aus- 
gesprochen goneoklinen Bastard an, den ich durch Kreuzung von 
Oenothera muricata mit O. Lamarckiana gewann. 

O. muricata ist eine bei uns häufige, wild wachsende, constante 
und sowohl durch die Beobachtung im Freien als durch die Cultur 
im Versuchsgarten durchaus bekannte Art, von der ich die Samen, 
Blüthen und Pflanzen zu meinen Culturen stets an solchen Stellen 
der Küstengegend meines Vaterlandes eingesammelt habe, wo nur 
diese Art von Oenothera vorkam, wo also die Reinheit der Herkunft 
völlig gesichert war. Die Lamarckiana-Blüthen zu diesen Versuchen 
entnahm ich den im ersten Bande beschriebenen reinen Familien. 

Oenothera muricata und O. Lamarckiana habe ich dreimal gekreuzt, 
das erste Mal im Jahre 1894, die beiden andern im Sommer 1899. 
Dabei erhielt ich stets nur eine einzige Bastardform, welche in allen 
Individuen der drei Versuche sehr genau dieselbe war (Fig. 3 und 4). 

Im August 1894 wurden drei Pflanzen von ©. Lamarckiana ca- 
strirt, und unter Ausschluss des Insektenbesuches mittels Pergamin- 
beuteln, mit dem Staube von im Freien eingesammelten Blüthen von 
O. muricata belegt. Von jeder Mutter säte ich im nächsten Frühling 
eine Samenprobe, und erhielt etwa 200 Pflanzen, welche theilweise nur 
Rosetten von Wurzelblättern bildeten, theilweise Stengel trieben und 
zum Blühen gelangten. Bei fast täglicher Beobachtung zeigten sich 
keine Differenzen in den Merkmalen dieser Pflanzen. Da die ein- 
jährigen Individuen keine Früchte reiften und die Rosetten im Winter 
eingingen, habe ich die Aussaat mit einer neuen Probe der Bastard- 
samen von 1894 im Jahre 1897 wiederholt, indem ich jetzt nicht auf 
dem Beete aussäte, sondern im Gewächshaus. Die jungen Pflanzen 
wurden einzeln in Töpfe mit stark gedüngter Erde gesetzt und An- 
fang. Juli auf das Beet gebracht. Dennoch fingen sie wiederum zu 
spät an zu blühen, und reiften sie keine Samen. Es waren 60 meist 
reich verzweigte Exemplare, von denen mehrere im September und 
October üppig blühten; sie bildeten ein höchst einförmiges Beet von 
ganz eigenem Aussehen. 


.# 


Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. 29 


ckiana die Mutter. Im esteren Versuche wurden zwei Exemplare aus 
meiner Rasse castrirt, ım letzteren eine Pflanze aus käuflichem 
Samen. Die Ernte wurde getrennt gesammelt und mit möglichst 
grosser Sorge ausgesät. Die Keimpflanzen waren, wie beim ersten 


Versuch, schmalblättrig und gelblich. Etwa die Hälfte war so schwach, 


Fig. 3. Oenothera Lamarckiana X O. muricata. Fig. 4. Oenothera Lamarckiana x 
Blühender Gipfel des Stammes. 1899. O. muricata. Nahezu reife Früchte. 


dass sie nach der Entfaltung von einem oder einigen wenigen Blättern 
zu Grunde gingen, die übrigen wurden ausgepflanzt. Die Anzahl der 
letzteren betrug im ersten Versuch etwa 130, im letzten etwas über 
100. Von diesen blühten im September 85 und 64 Exemplare; die 
übrigen blieben Rosetten von Wurzelblättern oder trieben ihren 
Stengel zu spät im Sommer. Von dem zweiten Versuch wurde 1901 
noch eine weitere Probe ausgesät, welche 46 theils blühende, theils 


30 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


sich zu spät entwickelnde Pflanzen lieferten. Im Ganzen also nahe- 
zu 300 Exemplare, welche Anzahl in Verbindung mit denen der Jahre 
1895 und 1897 wohl ausreicht, um die Bastardgeneration als eine 
durchaus monotype bezeichnen zu dürfen. 

Die Figuren 3 und 4 geben ein Bild von diesem Typus. Die 
Pflanzen sind niedriger als die beiden Mutterarten, was aber wohl 
nur daher rührt, dass sie im Allgemeinen mehr gelblich als grünlich 
sind, und daher zu wenig Chlorophyll besitzen. Sie erreichen kaum 
die Höhe von einem Meter, und dementsprechend sind die Inflores- 
cenzen arm an Blüthen und die Blüthen selbst klein!. In Bezug auf 
die eigentlichen Merkmale sind zunächst die Blätter schmal, nur wenig 
breiter als bei ©. muricata, mit buchtigem Rande und meist ohne 
Buckeln. Ebenso die Bracteen der Inflorescenz. Stengel und Früchte 
mehr oder weniger behaart, oft röthlich. Derselbe Farbenton auf 
den Kelchen und den jungen Internodien. Die Kelchzipfel erreichen 
?2/, der Länge der Röhre, oder weniger. Die Staubfäden sind von 
der Höhe der Kronenblätter; die Narben zwischen ihnen liegend, sich 
wenig öffnend, Selbstbefruchtung oft schon vor dem Oefinen der Blüthe 
herbeiführend, wie bei O. muricata. Früchte dünn, meist nur etwa 
4mm dick bei einer Länge von etwa 20—25 mm (Fig. 4), also 
dünner als bei den beiden Eltern. j 

Sehr typisch ist das in Fig. 3 dargestellte Nutiren der blühenden 
Sprossgipfel, eine für O. muricata so durchaus charakteristische Eigen- 
schaft. Deutlich an den einzelnen Exemplaren, fällt diese Erschei- 
nung auf den Beeten, wo alle Sprossgipfel nach derselben Seite über- 
neigen, sehr stark auf. 

Wie aus dieser Beschreibung hervorgeht, fehlen dem Bastard die 
Hauptmerkmale der O. Lamarckiana, welche in der Tracht und in der 
Grösse der Blumen liegen. Dagegen herrschen in den Blättern und 
Früchten die Eigenschaften der O. muricata vor. Für eine richtige 
Analyse würde man aber unbedingt die zweite Generation brauchen, ! 
und diese habe ich noch nicht erzogen. 

Wir kommen jetzt zu den einseitigen Bastarden, und fassen diese 
Gruppe zunächst in dem weiteren Sinne des Wortes auf. Hymeno- 
callis, Lilium, Billbergia und Nicotiana liefern hier die älteren Beispiele, 
denen sich aus PETER’s Untersuchungen einige Hieracium-Bastarde an- 
reihen lassen. Fasst man die Gruppe sehr eng, so enthält sie nur 
die von MitLArnET beschriebenen Hybriden von Fragaria und einigen 


! Verwandte Culturen lehren, wie wir später sehen werden, dass diese Diffe- 
renzen sich in der nächsten Generation ausgleichen können. 


Intermediäre, goneokline und einseitige Bastarde. ol 


anderen Gattungen, die von Hurst zusammengestellten Orchideen- 
Mischlinge und eine grössere Reihe von Varietätbastarden. Es lohnt 
sich, diesen extremen Fällen eine etwas eingehendere Besprechung zu 
widmen. 

Ehe ich dazu übergehe, gebe ich eine Beschreibung eines sehr 
typischen einseitigen Bastardes, den ich durch die Kreuzung von zwei 
nächstverwandten Arten von Oenothera gewonnen habe. Der Mischling von 
Oenothera biennis und O. Lamarckiana gleicht der ersteren Art so stark, 
dass man beide kaum von einander unterscheiden kann. Ich habe 
diese Kreuzung theils im Jahre 1894, theils im Sommer 1899, und 
im letzteren Jahr theils mit O. Lamarckiana aus meinen eigenen Culturen, 
theils mit derselben Art aus käuflichem Samen ausgeführt. Stets 
wählte ich die O. Lamarckiana als Mutter. Den Blüthenstaub nahm 
ich im ersteren Jahre von im Freien eingesammelten Blüthen,! im 
letzteren von meinen Culturen. Die Bastarde waren einförmig, und 
sowohl im Rosettenalter als während der Blüthe und der Fruchtreife 
der O. biennis zum Verwechseln ähnlich. Ich hatte im Jahre 1895 
etwa 50 blühende Pflanzen, im Sommer 1899 aus den beiden Ver- 
suchen deren etwa 70 + 60, im Ganzen also etwa 180 blühende Exem- 
plare, nebst einigen jüngeren Stengeln und einigen Rosetten (zwei- 
jährigen Individuen). Unterschiede kamen vor, waren aber nicht so 
erheblich oder so deutlich, dass davon eine Beschreibung entworfen 
werden könnte. 

Im Sommer 1895 erntete ich, nach künstlicher Selbstbefruchtung, 
einige Samen und hatte aus diesen im Jahre 1896 die zweite Ge- 
neration. Sie wiederholte in etwa 50 Pflanzen nur die Merkmale der 
ersteren. 

MILLARDET hat mit verschiedenen wildwachsenden Arten und cul- 
tivirten Sorten von Erdbeeren Kreuzungen ausgeführt, und dabei fast 
ausnahmslos Bastarde vom Typus der Mutter erhalten.? Nur von 
Fragaria Hautbois x Globe kam neben 14 mütterlichen ein väterlicher, 


' d.h. wie immer, aus den noch nicht geöffneten Knospen. 

° A. Mırzarper, Note sur U’hybridation sans croisement ou fausse hybridation, 
Mem. Soc. Sc. phys. et nat. de Bordeaux. T. IV. (4. Serie.) 1894. MiLLARDET 
nennt diese Bastarde, welche nur dem einen der Eltern mit völligem Ausschluss 
des anderen gleichen, und sich in ihren Nachkommen gleich bleiben, falsche 
Bastarde, und in meinen beiden vorläufigen Mittheilungen über das Spaltungs- 
gesetz der Bastarde und über erbungleiche Kreuzungen (Berichte d. d. bot. Ges. 
Bd. XVII. 1900. Heft3 und Heft 9) habe ich diese Bezeichnung in derselben 
Weise verwendet. Von competenter Seite sind dagegen aber Beschwerden er- 
hoben, in denen man behauptete, dass es besser sei, den Begriff der unechten 
Bastarde nicht zu erweitern. Auch hat inzwischen Wessrr den Namen falsche 


32 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


und von F. alpina x Ananas neben 79 der ersteren ein einziger der 
letzteren Form vor.! Vierzehn weitere Kreuzungen gaben auf 76 
Hybriden nur den mütterlichen Typus. Diese Bastarde waren bei 
Selbstbefruchtung in der Regel constant. Die Arten Fragaria virginiana, 
F. chiloensis und F. Grayana geben aber Bastarde, in denen die Merk- 
male der beiden Eltern vermischt beobachtet werden. Auch in den 
Gattungen Pitis und Rubus gelang es MitLARDET solche völlig ein- 
seitige Bastarde zu erhalten. 

Hvrst giebt eine Zusammenstellung von zehn Bastarden in der 
Familie der Orchideen, welche gleichfalls völlig einseitig waren, und 
keine Spur der Merkmale des einen der Eltern zeigten.” In MIiLLARDET’S 
Versuchen waren es vorwiegend die Mütter, zu denen die Bastarde 
hinneigten, bei den fraglichen Orchideen war solches ausschliesslich 
der Fall. In einigen Kreuzungen handelte es sich allerdings nur um 
wenige Bastardexemplare, in anderen aber um sehr zahlreiche, bis 
weit über 300, welche alle diese auffallende Einseitigkeit zur Schau 
trugen. Die Versuche waren aber nicht von Hursrt selbst angestellt, 
sondern zumeist von Handelsgärtnern; die Gefahr einer zufälligen 
Selbstbefruchtung schien aber in genügender Weise ausgeschlossen. Die 
meisten dieser Kreuzungen fanden zwischen Arten verschiedener Gat- 
tungen statt. Die Aehnlichkeit mit der Mutter war eine so vollstän- 
dige, dass Hvrsr die Vermuthung äussert, dass es sich um Partheno- 
genesis wie bei Aniennaria alpina oder um Adventivembryonen wie bei 
Citrus und Funkia zu handeln scheine, welche dann, ähnlich wie bei 
Coelebogyne, sich bei misslungener Kreuzungsbefruchtung entwickelt 
hätten. Namentlich gilt diese Vermuthung dem Fall, wo auch die 
reeiproke Kreuzung ausgeführt wurde (Laelia harpophylia x Paphio- 


Bastarde auf die bei Kreuzungen von Citrus aus den adventiven Embryonen 
entstehenden, der Mutter gleichen Individuen angewandt, und Andere haben sich 
diesem Gebrauch angeschlossen, (Hybrid Conference Report, Journ. Roy. Hortie. 
Soe. April 1900. $. 132—136). Vergl. auch C. Cn. Husst, a.a. O0. 8. 104 und 
A. Gıaro in: Comptes rendus de la Societe biologique de Paris. 4. Nov. 1899. 

! Vergl. über die Möglichkeit von Fehlerquellen: Berichte d. d. bot. Ges. 
1901. 8. 219. 

2 ©. Cu. Hurst, Notes on some experiments in hybridisation and cross-breeding. 
Hybrid Conference 1899 Report; Journ. Roy. Hortie. Society. Vol. 24, April 1900, 
S. 104. Die Kreuzungen sind: Zygopetalum Mackayi x Odontoglossum nobile; 
dieselbe Mutter mit anderen Arten von Odontoglossum, wie O. crispum, O. grande 
und 0, bietonense, mit Lycaste Skinnerii und mit Oneidium ungwieulatum. Ferner 
Epidendrum O’Brienianum (x) x Dendrobium eristallinum, Phragmipedilum longi- 
folium X Paphiopedilum Stoniü, und Phragmipedilum Sedeniü x Paphiopedilum 
Stonei, 


Die ralnn der N. ylogenetisch älteren IE, 93 


pedilum en), und wo jedesmal die Eanlehen Mana mit 
Ausschluss der väterlichen auf den Bastard übertragen wurden. ! 

Einseitig ist schliesslich eine ganz bedeutende Reihe von Kreu- 
zungsprodukten von sogenannten Varietäten. In der Regel waltet 
dabei das Merkmal der Art, falls diese mit einer ihrer Varietäten 
verbunden wurde, im Bastard vor, so z. B. wenn weissblühende Varie- 
täten mit ihren blauen oder rothen Stammarten gekreuzt werden. 
Fasst man die Gruppe der einseitigen Bastarde nicht zu enge, so 
zeigt es sich auf den ersten Blick, dass alle hybriden Individuen einer 
Kreuzung unter sich gleich sind, und nur in den Schranken der ge- 
wöhnlichen fluctuirenden Variabilität von einander abweichen. Aber 
eine genauere Prüfung ergiebt auch hier, dass die Einseitigkeit nur 
eine relative ist, und dass die Bastarde, im Mittel aus grösseren 
Gruppen, dem Mittelwerthe der prävalenten Elternart nicht absolut 
gleich zu sein brauchen. ? 

In der Praxis ist es unzweckmässig, die Grenzen der einseitigen, 
sowie der intermediären Bastarde gegenüber den goneoklinen zu enge 
zu fassen, da ja Differenzen in den Auffassungen der verschiedenen 
Autoren stets vorkommen und überall unvermeidlich sind, wo die 
Hybriden nicht durch umständliche variationsstatistische Untersuchungen 
mit ihren Eltern verglichen wurden. 

Als Schluss dieses ganzen Paragraphen sehen wir also, dass im 
Bilde des Bastardes sich nicht die beiden Elterntypen als Einheiten 
vermischen, sondern dass sie sich als zusammengesetzte Werthe er- 
geben, deren einzelne Componenten an jenem Bilde einen sehr ver- 
schiedenen Antheil nehmen können. 


4. Die Präpotenz der phylogenetisch älteren Eigenschaften. 


Getreide-Kreuzungen sind von hervorragenden Forschern theil- 
weise mit praktischen Zwecken, theilweise in der Hoffnung gemacht 
worden, „aus dem Verhalten der folgenden Generationen einigen An- 
halt zu bekommen zur Beurtheilung der genetischen Entwickelung“ 
der einzelnen Formen. In seinen berühmten Untersuchungen über 
die „Kreuzungsprodukte landwirthschaftlicher Kulturpflan- 
zen“ hebt Rımpau diesen Zweck nahezu bei jeder einzelnen Versuchs- 


! Diese letzteren Angaben, deren Urheber nicht genannt wird, scheinen 
auch deshalb fraglich, weil die beiden Eltern zu verschiedenen Desndlen 
gerechnet werden. 

® Vergl. hierzu den im nächsten Abschnitt zu beschreibenden Versuch mit 
Hyoscyamus. 

DE VRIEs, Mutation. II. 3 


34 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


reihe hervor. Die Beobachtungen an den Bastarden sind für ıhn „ein 
Argument — selbstverständlich kein Beweis“ in der Frage, welche 
von zwei verwandten Sorten die ältere, und welche die jüngere sei. 

Dieselbe hohe Auffassung der Ziele des Bastardirens finden wir 
bei den meisten Forschern, bald mehr, bald weniger klar ausgesprochen 
wieder. Und dieses sowohl auf botanischem als auf zoologischem 
(Gebiete. Sranpruss leitet aus seinen bahnbrechenden Kreuzungsver- 
suchen mit verschiedenen Insecten, namentlich aus den Schmetterlings- 
(rattungen Smerinthus, Bombyx, Saturnia u. s. w., als das erste und 
ausschlaggebendste Gesetz über den morphologischen Charakter der 
Hybriden „das Vorwiegen des Gepräges der phylogenetisch 
älteren Art“ ab.” Der Bastard steht der erdgeschichtlich älteren 
Art näher als der jüngeren.? Ihm folgte namentlich Erıc Mory in 
dem Studium der Bastarde des Sphingiden-Genus Deilephila.* 

Dass die älteren Merkmale wenigstens oft und in hohem Grade 
bei den Bastarden von Thieren und Pflanzen prädominiren, war auch 
den älteren Forschern bereits aufgefallen und wurde namentlich auch 
von GÄRTNER (z. B. a. a. O. S. 233) hervorgehoben, und auch den 
Thierzüchtern ist es bekannt, dass bei Kreuzungen die älteren Formen 
stärker wirken als die jüngeren. ? 

Die einschlägigen Erfahrungen lassen sich in zwei Gruppen zu- 
sammenstellen, je nachdem es sich um Merkmale handelt, welche bei 
einem der beiden Eltern sichtbar sind, oder um solche, welche in 
ihnen nur verborgen vorhanden sind. Im letzteren Falle spricht man 
von Atavismus; diesen werden wir erst im folgenden Paragraphen 
besprechen. 

Selbstverständlich beschränke ich mich auch hier auf die bota- 
nische Seite der Frage, aber die Schlüsse sind, soweit ich solches 
ermitteln konnte, dieselben wie auf zoologischem Gebiete. Hier wie 
dort ist die Hauptschwierigkeit, dass man in den meisten Fällen nur 
mit einem grösseren oder geringeren Grade von Wahrscheinlichkeit 


! W. Rımpav, Kreuzungsprodukte landwirthschaftlicher Culturpflanzen. Land- 
wirthsch. Jahrbücher. 1891. 8.25, 31 u. a. a. S. des Sonderabdruckes. 

® M. Stanpruss, Experimentelle zoologische Studien. Neue Denkschriften der 
allgemeinen schweizerischen Gesellschaft für die gesammten Naturwissenschaften. 
1898. S. 23 des Sonderabdruckes, und an anderen Stellen. Derselbe in „Zhe 
Entomologist“. May 1895, und Bull. Soc. entomologique de France. 1901. Nr. 4. 

° Vergl. auch M. Stanpruss, Handbuch der paläarktischen Grossschmetterlinge. 
Zürich 1896. 

* Erıch Mory, Mittheilungen d. schweiz. entomol. Gesellsch. Bd. 10, Heft 8. 

5 Vergl. z. B. Naturwiss. Wochenschrift. Bd. XIV, Nr. 24. 1899. 8. 278. 


Die Präpotenz der phylogenetisch älteren Eigenschaften. 35 


entscheiden kann, welcher von zwei gekreuzten Typen der ältere sei. 
Manchmal ist solches allerdings, unserer allgemeinen Auffassung des 
Fortschrittes in der organischen Welt entsprechend, „evident“; manch- 


mal kann uns die Analogie aber auch täuschen. Es handelt sich | 


somit hier bei Weitem nicht um ein Gesetz. Es giebt viele Aus- 
nahmen. Allerdings liegt die Vermuthung nahe, dass diese, wenig- 
stens oft, nur scheinbare sind, und bei einer tieferen Kenntniss der 
fraglichen verwandtschaftlichen Beziehungen verschwinden würden. 
Aber beim jetzigen Stande der Wissenschaft müssen wir uns hier 
darauf beschränken, sie als Ausnahmen vorzuführen. 

Das schönste Beispiel des Vorwaltens der phylogenetisch älteren 
Eigenschaften bilden wohl die von Hurst beschriebenen Orchideen- 
Bastarde der Gattung Epidendrum.! Es handelt sich hier nament- 
lich um E. radicans, eine schlanke, dünnstengelige, nicht knollenartig 
verdickte Art. Wird diese mit Formen aus den verwandten, knollen- 
bildenden Gattungen Laelia, Cattleya oder Sophronitis gekreuzt, so ist 
die einfachere und offenbar ältere Tracht des Epidendrum stets prä- 
potent über die stärker differenzirten Formen jener höheren Gattungen. 
Man kennt nur sieben Kreuzungen zwischen Epidendrum und den drei 
genannten Gattungen; in allen war Epidendrum der Vater und zeigten 
die Bastarde, neben dessen Merkmalen, in untergeordneten specifischen 
oder Varietätseigenschaften den Einfluss der Mutter doch noch 
so weit, dass über die Thatsache der Bastardirung kein Zweifel ob- 
walten kann.? 

Ein zweites Beispiel liefert Citrus trifokata in ihren Kreuzungen 
mit den cultivirten Arten von Citrus, da die offenbar älteren drei- 
zähligen Blätter der genannten Art stets über die einfachen Blätter 
mit ihrem sogenannten geflügelten Blattstiel prädominiren. WEBBER,’ 
der seit dem Jahre 1893 etwa 2000 Citrus-Bastarde gemacht hat, 
giebt hierüber sehr ausführliche Mittheilungen. Ist die cultivirte Art 
die Mutter, und COitrus trifoliat« der Vater, so kann man an diesem 
Merkmal die echten Bastarde von den falschen unterscheiden, d. h. 
von den Pflanzen, welche aus Adventiv-Embryonen hervorgegangen 


ı Journ. Roy. Hortic. Soc. April 1900. S. 104. 

® Die Bastarde sind: Epiphronitis Veitchüi (= Sophronitis grandiflora x Epid. 
radicans), Epi- Cattleya matutina (= Cattleya Bowringiana x E.r.), Epi- Laelia 
radico-purpurata (= Laelia purpurata x E. r.), Epi- Laelia Charlesworthüü 
(= Laelia cinnabarina x E. r.), Epi- Cattleya Mrs. JAMES O’BRIEN (= Cattleya 
Bowringiana x Epidendrum O’Brienianum, welch’ letzterer selbst ein Bastard von 
Epid. evectum x E. radicans ist) und Epi- Laelia heatonensis (= Laelia einnabarina 
x E. O’Brieniamum). 

® J. H. Weser, Journ. Roy. Hort. Soc. April 1900. $. 128—138. 

3+ 


az; 


36 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


sind und also nur die Merkmale der Mutter besitzen können (vergl. 
oben S. 31). Ebenso verhält es sich in Bezug auf das Abfallen des 
Laubes im Winter, das doch wohl eine jüngere Eigenschaft ist als 
das Verharren der Blätter an den Zweigen im Winter.! Denn die 
Bastarde sind regelmässig wintergrün. 

Weitere Beispiele findet man in der Literatur zahlreich. So 
geben perennirende Arten von Papaver mit einjährigen gekreuzt nach 
GoproN perennirende Bastarde, und dominirt Petunia violaces über 
P. nyctaginiflora (Naupıs). So soll man in der Gattung Amaryllis 
nicht mit A. aulica und A. solandraeflora kreuzen, weil das grüne 
Herz und die unschönen Blumen der ersteren, sowie die hängenden, 
sich fast nicht öfinenden Blumen der letzteren zu stark präpotent 
sind (VEITCH, DE GRAAFF). Bekannte Beispiele geben ferner die Gat- 
tungen Althaea, Pisum, Antirrhinum, u. v.a. Die Präpotenz ist häufig 
so stark, dass die Bastarde einer dominirenden Art mit verschiedenen 
anderen Arten unter sich gleich sind, und man somit aus ihren Merk- 
malen nicht ableiten kann, welche Species der andere Erzeuger war. 
So erzeugten z. B. Nicotiana rustica, asiatica, humilis und pumila mit 
N. panieulata befruchtet den gleichen Typus (GÄRTNER a. a. O. S. 275) 
und bietet dieselbe Gattung noch manche andere derartige Fälle. 

In vielen Gattungen giebt es eine Art oder einige wenige Arten, 
welche in Kreuzungen mit den übrigen Species den Bastarden sehr 
regelmässig ihr Gepräge aufdrücken, welche sich also, so zu sagen, 
im ganzen Genus als die dominirenden auszeichnen. GÄRTNER nennt 
sie deshalb Gattungstypen. Einen solchen formbestimmenden Einfluss 
bestimmter Arten hat er in verschiedenen Graden in den Gattungen 
Dianthus, Digitalis, Geum, Lobelia, Lychnis, Nicotiana und Verbascum be- 
obachtet. So wird z. B. in Nieotiana panieulata x Langsdorfii und N. pani- 
culata X vincaeflora der Einfluss der Väter durch die prädominirende 
Wirkung der Mutter beinahe ganz vernichtet oder völlig unkenntlich 
gemacht (a. a. O. S. 289). Auch Naupm berichtet über ähnliche 
Fälle; dagegen halten sich bei den Weiden nach WicHurA die beiden 
Eltern fast immer ziemlich genau das Gleichgewicht. In der Gruppe 
der Piloselloiden aus der Gattung Hieracium besitzen nach PETER 
H. setigerum, H. aurantiacum, H. Pilosella und H. magyaricum eine solche 
Präpotenz, da sie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ihre 
Merkmale vollständiger auf die Bastarde übertragen als die zweite 


' Denn der Laubabfall ist wohl als eine Anpassung an kältere Klimate 
aufzufassen. 


Die Präpotens der phylogenetisch älteren Eigenschaften. 37 


mitwirkende Stammform (a. a. O. S. 229), doch hält Prrer grade 
diese typischen Arten nicht für die phylogenetisch älteren. 

Gehen wir jetzt zu den Varietätenbastarden über, so wird allge- 
mein das Varietätsmerkmal für jünger als das antagonistische Kenn- 
zeichen der typischen Art betrachtet. Dementsprechend waltet in den 
Hybriden das Artmerkmal vor und verschwindet die Eigenthümlich- 
lichkeit der Abart (HEerBErr). Solches gilt sowohl wenn man Art- 
genossen kreuzt, als wenn man Varietäten mit anderen nächst ver- 
wandten Arten verbindet. Wir werden später von dieser Regel so 
viele Beispiele zu besprechen haben, dass an dieser Stelle einige 
wenige genügen dürften. 

Bei bekannter Abstammung waltet die ältere Eigenschaft in den 
Kreuzungen vor, z. B.! 


Präpotent: Recessiv: bekannt seit: 
Chelidonium majus ©. laciniatum? + 1590 
Oenothera Lamarckiana O. brevistylis? + 1880 
Lychnis verpertina (behaart) L. v. glabra + 1880. 


In diesen Beispielen sind als „recessiv“ drei jüngere Formen 
angegeben mit den Jahren, in welchen sie zuerst aufgefunden worden 
sind, diese Jahre entsprechen also annähernd dem Zeitpunkte ihrer 
Entstehung aus den in der ersten Spalte genannten Arten. Bei der 
Kreuzung mit der betreffenden Art dominirt deren Merkmal, dasjenige 
der Varietät verschwindet so gut wie völlig. 

Die systematisch höhere Eigenschaft prävalirt, unter anscheinend 
völligem Ausschluss des Varietätenmerkmales, z. B. in den folgenden 
Verbindungen: Papaver somniferum x P. s. nanum, Calliopsis tinctoria 
x 0. t. brunnea (Fig. 5), Polemonium coeruleum x P. e. album., Datura 
Stramonium x D. S. inermis. In Rımpau’s Getreidekreuzungen? ver- 
halten sich die jüngeren Formen im Allgemeinen in ähnlicher Weise 
gegenüber den älteren. So glich z. B. das Produkt der Kreuzung 
von Rıverr’s Grannenweizen x sächsischem rothem Landweizen in allen 


! Berichte d. d. bot. Ges. Bd. XVIII, 1900. 8. 85. 
® Vergl. Bd. I, S. 134 und Fig. 36 ebendaselbst. 
2 Verg]. Bd,T, 8.223. 
* Ebenso fand ich bei Kreuzungen von Oenothera biennis und von Oenothera 
' muricata mit einer neuen, in meinen Öulturen zufällig aufgetretenen Sorte, Oen. 
hirtella (siehe unten), die beiden ersteren älteren Arten dominirend, mit völligem 
Ausschluss des hirtella - Typus. 

5 W.Rımpav, Kreuzungsprodukte landwirthschaftlicher Culturpflanzen. 1891.8.9. 


38 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


Aehren völlig der Vaterpflanze und prädominiren die unbegrannten 
Typen regelmässig über die begrannten.! 

Ein weiteres, sehr wichtiges Beispiel bilden die Pelorien, welche 
zwar häufig als atavistische Erscheinungen betrachtet werden, aber 
doch als Anomalie wohl stets jünger sind als der Typus der Art, zu 
der sie gehören. Dieser letzteren Beziehung entsprechend verhalten 
sie sich bei Bastar- 
dirungen recessiv. 

Es lohnt sich, die 
Angaben über Kreu- 
zungen von Pelorien hier 
aus der Literatur zu- 

NS} sammenzustellen. DAR- 

\ P, wıx kreuzte Antirrhinum 
majus mit A. majus pe- 

a loria und erhielt aus den 


= 
gr 


u, beiden reciproken Ver- 
$ . . .. 
R\ \ bindungen eine grössere 
N \ Zahl von Nachkommen, 
INN 


i von denen aber kein 
einziger pelorisch war. 
Das jüngere Merkmal 
war somit recessiv. Aus 
den Samen der Bastarde 
hatte Darwın im näch- 
sten Jahre 127 Pflanzen 
der zweiten Generation, 
und von diesen waren 88 
oder 71°/, von der nor- 
malen Form, während 
die übrigen nur pelo- 
rische Blüthen trugen. ? 
Diese Zahl deutet darauf hin, dass die pelorische Eigenschaft in den 
Bastarden latent war und in deren Kindern in demselben Verhältnisse 
sichtbar wurde, wie in den später zu behandelnden Mexper’schen 
Kreuzungen. Huxsr giebt eine Uebersicht über die Kreuzungen von 
Dropedium Lindenii, welche als eine spontane, wild wachsende Pelorie 


Fig. 5. Calliopsis tinctoria. 


! Vergl. auch Henrı L. ve Vırmorın, Experiences de croisement entre des 
bles differents. Bull. Soc. Bot. France. 1888. 
? Cu. Darwın, Animals and plants under domestication. II, p. 46. 


Die. Präpotens der phylogenetisch älteren Eigenschaften. 39 


von Oyripedium caudatum betrachtet wird. Diese merkwürdige Orchidee 
besitzt keine Unterlippe, die Stelle dieses Organes ist von einem 
langen blumenblattartigen Theile eingenommen, welcher oft über 
einen halben Meter lang wird; auch findet man einen dritten frucht- 
baren Staubfaden unter dem Stigma am Gynostemium ausgebildet. 
Die Pflanze wächst ın den Wäldern von Colombia, wo sie zuerst 
von JEAn LinpEn im Jahre 1843 entdeckt wurde; sie wurde später 
aber auch in benachbarten Gegenden angetroffen. Sie ist also offen- 
bar in ihrem Wohnorte samenbeständig. Kreuzungen dieser pelorischen 
Form sind ausgeführt worden mit verschiedenen Arten von Oypri- 
pedium (Phragmipedilum), z. B. C©. longifolium, C. conchiferum x, 0. Ains- 
worthü calurum x und C. grande x, aber in allen diesen Fällen war 
der pelorische Charakter völlig recessiv.! Naupn kreuzte Linaria 
vulgaris peloria anectaria (ohne Sporne) mit L. vulgaris; die Bastarde 
hatten symmetrische, einspornige Blüthen.? Ich habe selbst die ge- 
spornte Form von Linaria vulgaris peloria, welche ich im ersten Bande 
beschrieben habe (I, S. 552), mit der gewöhnlichen Halbrasse L. vul- 
garis hemipeloria gekreuzt, und zwar zu wiederholten Malen, nament- 
lich in den Jahren 1896 und 1897. Die Nachkommen, von denen 
ich weit über neunhundert in voller Blüthe untersuchen konnte, waren 
sämmtlich nur hemipelorisch, vielleicht etwas stärker als die betreffende 
Stammform, aber doch stets höchstens mit ganz vereinzelten pelorischen 
Blüthen. 

Kreuzt man eine Varietät einer Art mit einer anderen Art, so 
verschwindet im Bastard in der Regel das Varietätsmerkmal. Dem- 
zufolge sind die Bastarde verschiedener Varietäten einer Art mit einer 
zweiten Art häufig unter sich völlig gleich, wie es z. B. GÄRTNER in 
mehreren künstlichen Bastardirungen in der Gattung Nicotiana fand. 
Lychnis vespertina glabra verliert bei Kreuzungen mit L. diurna den 
Mangel der Behaarung, die Bastarde sind behaart wie diejenigen von 
L. vespertina selbst mit L. diurna.? 

Schliesslich haben wir einige Ausnahmen von der Regel der 
Prävalenz der älteren Eigenschaften zu erwähnen. In dem Vorder- 
grund stehen hier die Fälle, wo dasselbe Merkmal bei einigen Kreu- 
zungen dominirt, bei anderen aber nicht. Doch sind solche Fälle 
sehr selten. So sind nach PFTER die Stolonen von Hieracium Pilo- 
sella bei Kreuzungen dominirend, diejenigen von H. flagellare aber re- 


! C. C. Hurst, Journ. Roy. Hortic. Soc. April 1900. Vol. 24, p. 97. 
®? Cu. Naupın, Nouwvelles recherches. 1869. 8. 137. 
® Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24, April 1900. 


40 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


cessiv (zurücktretend).! So prävalirt bei Weizenkreuzungen die Be- 
haarung der Aehren von Triticum turgidum über die Nacktheit der 
Aehren des Squarehead, während der unbehaarte sächsische Land- 
weizen in dieser Eigenschaft gegenüber Tritieum turgidum (im Beson- 
deren Rıverr’s bearted) vorwaltet. Hordeum trifurcatum, die Nepaul-, 


Fig. 7. Hordeum trifurcatum, 
Gabel- oder Löffelgerste. Ein 
einzelnes Seitenährchen, A von 
der Rückseite, B von der Innen- 


Fig. 6. Hordeum trifurcatum, die 
Nepaul-, Gabel- oder Löftelgerste 
(dreireihige Sorte). Die Sorte ist 
seit alten Zeiten völlig constant, 
aber in der Länge der Anhängsel 
ihrer äusseren Spelzen sehr va- 
riabel.e. Diese sind am Gipfel 
monströs dreizackig, die Zacken 
sind häutig, nicht starr wie Ge- 
treidenadeln ; dermittlereZacken 
ist kapuzenförmig. 


seite gesehen, schematisch. Jede 
der drei Klappen hat in ihrer 
Achsel einenormaleBlüthe. Jede 
ist aber in ihrem oberen Theile 
rückwärts umgebogen und bildet 
eine Art Löffel, in dem wie- 
derum eine kleine Blüthe stehen 
kann. Diese Blüthen sind bis- 
weilen normal ausgedildet, meist 
mehr oder weniger rudimentär 
und in hohem Grade variabel. 


Gabel- oder Löffelgerste (Fig. 6 und 7), eine in gewissen Gegenden 
im Grossen cultivirte, aber in der Ausbildung ihrer Spelzen monströse 
Sorte,? welche dadurch den Eindruck macht eine jüngere Form zu 


1 A. PETER, ENGLER’s Jahrbücher. V, S. 223. 

?® Vergl. W. Rınpav, Kreuzungsprodukte landwirthschaftlicher Culturpflanzen. 
a. a. 0. S. 21 und L. Wırrmack, Neue Gersten- Kreuzungen. Berichte d. d. bot. Ges. 
Bd. IV, 1886. S. 433. Vergl. ferner Racızorskı, Bull. Acad. Se. Cracovie. Jan. 1902. 


Die Präpotenz der phylogenetisch älteren Eigenschaften. 41 


sein, prävalirt dennoch in manchen Kreuzungen gegenüber den 
Sorten ohne Kapuzen. Ich führe als Beispiel Rımpav’s Kreuzung 
von STEUDEL’s Gerste und Gabelgerste an.! „SrEupEr’s Gerste ist 
eine zweizeilige, bespelzte, begrannte Gerste, deren Seitenährchen 
nicht, wie bei vielen zweizeiligen Formen, männliche Blüthen tragen, 
sondern zu schwachen Rudimenten verkümmert sind. Die Gabelgerste 
ist eine vierzeilige, nackte, grannenlose weisse Gerste, welche statt 
der Grannen das eigenthümliche dreigabelige Gebilde (Kapuze) trägt. 
Die Kreuzung gelang vortrefflich. Die erzielten Körner — etwa 15 
— brachten eine grosse Menge Aehren, welche einander so gleich 
waren, wie die der konstantesten Sorte: das Produkt der Kreuzung 
war eine zweizeilige bespelzte, grannenlose, mit der Kapuze der Gabel- 
gerste versehene schwarze Gerste.“? 

Einen sehr interessanten Fall bildet die Kreuzung des bedeckt- 
samigen Mais mit den gewöhnlichen Sorten. Ersterer wurde von 
St. HiGLATRE in Süd-Amerika entdeckt und wegen der Spelzen, welche 
die Körner einschliessen, als die ursprüngliche Stammform des Mais 
betrachtet.” Er nannte sie Zea Mays tunicata, während Bonarovus ihr 
den Namen Zea Mays cryptosperma gab, beide Namen beziehen sich 
auf dieselbe Eigenthümlichkeit (vergl. die Fig. 15 im ersten Bande 
S. 44). Der‘ Umstand, dass der Mais mit seinen nackten Körnern 
unter den Gramineen allein steht, deutet darauf hin, dass er von einer 
bespelzten Form abstammt; daraus folgt aber noch keineswegs, dass 
der jetzige Spelzen-Mais diese Urform sei. Anfangs glaubte Sr. HıLAıke, 
dass dieser Typus in den Wäldern von Paraguay spontan vorkam; 
aber diese Meinung hat sich nicht bestätigt, vielmehr wird er seit ur- 
alten Zeiten in Brasilien cultivirt. Hier führt er den Namen Pinsi- 
gallo, Hühnermais. Je nachdem man nun den Spelzenmais als eine 
neue Varietät oder als den Urtypus betrachtet, wird man das Resultat 
der Kreuzungen verschieden auffassen. In ihnen zeigt sich die Nackt- 
samigkeit als dominirend,* und dieses spricht also, in Verbindung mit 
der allgemeinen Regel, gegen die Ansicht von Sr. HiLAıke. 

Aehnlich verhält es sich mit der Kreuzung des weissblüthigen 


' Würden vielleicht, bei grösserem Umfange des Versuches, die Bastarde 
theils Gabelgerste sein, theils nicht? Vergleiche unten die Kreuzungen von 
Papaver somniferum polycephalum und diejenigen gefüllter Blumen. 

® a. a. O. 8.21. Hier und bei Rünker, Getreidezüchtung, 1889 auch die 
übrige Literatur über ähnliche Bastardirungen. Die beiden Eltern und der 
Bastard sind a. a. D. auf Taf. X, Fig. 101—103 abgebildet. 

® ALPH. DE CanvoLze, Sur Vorigine des plantes cultivees. 1883. $S. 316. 

= Ber. d. d. bot.. Ges. 1900. Bd. XVII. S. 85. 


42 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


Stechaptels, Datura Stramonium, mit der blauen Form D. Tatula, 
welche letztere häufig als Varietät zu der ersteren! gerechnet wird 
(vgl. Bd. I S. 22 Fig. 5, und S. 119 Note 2). Die Kreuzung ist 
von GÄRTNER, NAUDIN und mehreren anderen Forschern ausgeführt 
worden und giebt stets Bastarde mit blauen Blüthen wie diejenigen 
der D. Tatula. Es spricht dieses dafür, dass letztere die Art, und 
Stramonium die Varietät sei, doch komme ich hierauf im nächsten 
Paragraphen zurück. 

Aus meiner eigenen Erfahrung nenne ich schliesslich als anschei- 
nende Ausnahme den Umstand, dass in der Kreuzung von Oenothera 
cruciata Nutt. mit der offenbar älteren O. biennis die braunrothe Farbe 
des Laubes der ersteren völlig auf die Bastarde übergeht. Die 
Bastarde haben die Tracht der biennis, aber die Farbe der erueiata.? 


$ 5. Der Atavismus bei den Bastarden. 
Tafel I. 


Hat die Frage nach der Präpotenz der phylogenetisch älteren 
Merkmale eine hohe Bedeutung für die Lehre von der natürlichen 
Verwandtschaft, viel wichtiger ist offenbar die Thatsache, dass bis- 
weilen an den Bastarden Eigenthümlichkeiten zur Schau gelangen, 
welche keine von den beiden Elternarten besitzen, welche aber, allem 
Anscheine nach, ihre Vorfahren einmal gehabt haben können. Denn 
ist diese Auffassung richtig, so gestatten uns die betrefftenden Erschei- 
nungen offenbar einen viel tieferen Einblick in die stammesgeschicht- 
lichen Beziehungen, als es die im vorigen Paragraphen behandelten 
Beispiele thun. 

Eine solche Wiederholung vorelterlicher Eigenschaften nennt man, 
mit einem in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts dazu von 
Duchesne gebildeten Worte, Atavismus.” Allerdings hat diese Bezeich- 
nung später im Gartenbau einen anderen Sinn erhalten, indem die 
meisten Fälle von anscheinender Rückkehr zu den Voreltern durch zu- 


! So z.B. von Kocu in der Synopsis Florae Germanicae et Helveticae. 8. 442. 
D. Stramonium L. $chalybea = D. Tatula L. Dagegen sagt DE ÜANDoLLE in 
seiner Geographie botanique raisonnee. Vol. II, S. 733: In Amerika ist D. Tatula L. 
etwas häufiger als Stramonium, und „Si c'est la meme espece, elle laurait preeede, 
Je suppose“* Die ganze Frage ist hier, sowie auch von Gopron (Memoires de 
l’Academie de Stanislas. 1862, p. 232 und 1865, p. 330) ausführlich behandelt worden. 

* Vergl. unten, $ 13 des zweiten Abschnittes. 

° SAGERET, (onsiderations sur la production des hybrides. Ann. Se. nat. Vol. 8. 
1826. 8.298. Vergl. auch GÄRTNER, a. a. 0. S. 438. 


Der Atavismus bei den Bastarden. 43 


fällige, nicht vermuthete Kreuzungen verursacht werden. Aber seit 
Darwin wird das Wort doch wieder allgemein in seiner ursprüng- 
lichen reinen Bedeutung angewandt. 

Einen unmittelbaren Beweis für die Auffassung einer Erschei- 
nung als Atavismus wird man offenbar nur in jenen äusserst seltenen 
Fällen liefern können, wo die Abstammung der betreffenden Formen 
durch die directe Beobachtung gesichert ist. Solches leisten die aus 
Oenothera Lamarckiana neu entstandenen Arten, und einen Fall eines 
solchen Atavismus nach Kreuzung stellt uns die Tafel I dar. Kreuzt 
man Oenothera lata mit O. nanella, so erhält man in der ersten Gene- 
ration, also aus den durch die Kreuzung gewonnenen Samen sofort 
die drei Typen, welche unsere Tafel abbildet. Ein Theil der 
Bastarde hat die Kennzeichen der Mutter, ein Theil jene des Vaters, die 
übrigen aber sind zu der Form der grossmütterlichen Art, des ge- 
meinschaftlichen Vorfahrens der beiden Eltern, zurückgekehrt. Sie 
haben alle Merkmale dieser Eltern verloren, und stellen rein den 
Typus der O. Lamarckiana dar, haben selbst dessen Fähigkeit zu mu- 
tiren nicht eingebüsst. Solche Atavisten kommen in jedem Kreuzungs- 
versuch zwischen den beiden genannten neuen Arten vor, und zwar 
in etwa einem Drittel der Individuen. Sie lehren oftenbar, dass die 
Eigenschaften der ©. Lamarckiana ın O. lata und O. nanella nicht ver- 
loren gegangen, sondern nur latent geworden sind.! 

In etwas anderem Sinne kommt Atavismus bei vielen Bastarden 
in der zweiten und den späteren Generationen vor, falls sie zu den- 
jenigen Eigenschaften der ursprünglich gekreuzten Sorten zurück- 
kehren, welche an den Hybriden in der ersten Generation nicht sicht- 
bar waren (vergl. unten). Hier aber beschränke ich mich, wie bisher 
stets, auf die erste Generation selbst.? 

Das bekannteste Beispiel von Bastard-Atavismus bietet die Blüthen- 
farbe der Stechäpfel, Datura, welche am Schluss des vorigen Para- 
sraphen schon kurz berührt wurde. Es handelt sich um einen Ver- 
such von Naupıx vom Jahre 1863, welchen dieser folgendermaassen 
beschreibt:? Datura laevis und D. ferox sind zwei weissblüthige, sonst 
aber von einander möglichst verschiedene Arten. Als diese in den 
beiden reciproken Verbindungen gekreuzt wurden, erhielt NaupDın 
60 Individuen von D. laevis x ferox und TO von D. ferox X laevis. 


! Vergl. für ausführlichere Beschreibung dieser Versuche den III. Abschnitt. 

? Ueber Atavismus bei Bastarden unter den Thieren vergl. ausser den oben 
eitirten Werken von Staxnprtss und Anderen, namentlich J. Cossar EwaArT, Presi- 
dential Address. Brit. Assoc. Sept. 1901. 

® Annales des Sc. nat. 1865, 5. Serie, T. IH. p. 155. 


+4 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


Diese 130 Ptlanzen wuchsen sehr kräftig und waren unter sich völlig 
gleich, namentlich war zwischen den beiden Gruppen aus den ent- 
gegengesetzten Kreuzungen kein Unterschied zu sehen. Alle diese 
Exemplare hatten aber braunrothe Stengel und Zweige und blassblaue 
Blüthen, ähnlich wie die D. Tatula. Als die Kreuzung im nächsten 
Jahre wiederholt wurde und von den reciproken Verbindungen 36 
und 39 neue Abkömmlinge blühten, war das Ergebniss das gleiche. 
Diese Thatsache deutet offenbar darauf hin, dass wenigstens bei einem 
der beiden Eltern die blaue Farbe im latenten Zustande vorhanden 
sein muss, und diese Auffassung fand ihre Bestätigung in dem Um- 
stand, dass wenigstens bei D. ferox noch geringe Andeutungen der 
latenten Eigenschaft beobachtet werden konnte. Denn hier findet man 
bei der Keimung die hypocotylen Glieder mehr oder weniger bräun- 
lich, mit derselben Farbe also, welche dieses Organ bei den blau- 
blühenden Sorten zu haben pflegt. Diese letzteren, z. B. D. quereifolia 
würden somit den älteren Typus in der Gattung bilden, von welchem 
die weissblühenden Arten in ähnlicher Weise abzuleiten wären, wie 
die zahllosen weissblühenden Varietäten der meisten blau oder roth 
blühenden Pflanzen. 

Atavismus nach Kreuzungen ist bei wildwachsenden Arten im 
Allgemeinen sehr selten, während er bei cultivirten Sorten mehrfach, 
wenn auch nicht gerade häufig beobachtet wurde.! So fand WıcHurA 
in seinen Weidenkreuzungen niemals Beispiele, während Naupis, der 
vorzugsweise cultivirte Arten untersuchte, die Neigung zum Atavismus 
als sehr verbreitet betrachtet. Darwıv hat aus der von ihm sorg- 
fältig zusammengestellten Literatur nachgewiesen,? dass, wenn an- 
scheinend neue Eigenschaften bei Kreuzungen entstehen, solche wohl 
immer nur Rückschläge auf vorelterliche Eigenthümlichkeiten sind.’ 

Die Angaben der Gärtner enthalten sehr viele Beispiele von so- 
genannten Rückschlägen, aber hier handelt es sich dann meist um 
mehrfache Kreuzungen, in denen wenigstens eine der gekreuzten 
Sorten bereits ein Bastard war. Treten dann in den neuen Hybriden 
die Merkmale der ursprünglich gekreuzten Grosseltern oder Urgross- 
eltern wieder rein auf, so ist solches offenbar eine Erscheinung, welche 
besser zum Atavismus in den späteren Generationen zu rechnen ist. 

Aus den in der Literatur zerstreuten Beispielen hebe ich noch 
die folgenden hervor. Hybriden zwischen einjährigen Arten von Pa- 

! Darwın, Animals and Plants under domestication. 11, S. 24—25. 


®?]. c. II, S. 77; ebenso GäÄRTXER a..a. O. S. 255 und 295, und Focke, 
Pflanzenmischlinge. S. 486. 


Der Atamismus bei den Bastarden. 45 


paver sind bisweilen perennirend (Goprox), während solche von Pepo 
Citrullus nach SAGERET bisweilen Varietäten hervorbrachten, welche 
seit langer Zeit verschwunden waren. Auch wäre hier zu erwähnen, 
dass in den Bastarden der Runkelrüben in der zweiten Generation 
nach Rımpau (a. a. O. S. 39) Farben und Gestaltungen der Wurzeln 
auftreten können, welche sich bei keiner der elterlichen Formen finden. 
Die meisten Beispiele liefern aber die Blüthenfarben,! wie FockE nach- 
wies (a. a. O. S. 474). Blendlinge von Papaver somniferum und von 
Datura Stramonium haben manchmal Eigenschaften, welche nicht den 
Stammformen, sondern anderen Rassen derselben Art zukommen.? 
Nieotiana rustica X paniculata zeigt zuweilen die Blüthenfärbung der 
N. Texana, einer fremden Unterart der N. rustica. 

Während alle diese Fälle vereinzelt dastehen, und die Möglich- 
keit einer anderen Erklärung — z. B. aus der Bastardnatur der für 
reine Arten genommenen Eltern — nicht völlig ausgeschlossen erscheint, ® 
liegen in den ausgedehnten Untersuchungen PErEr’s Erfahrungen über 
Atavismus vor, welche diese Erschemung wohl über jeden Zweifel er- 
heben.* Er sagt: Wenn Merkmale zwar nicht an den Eltern der 
Bastarde selbst, aber an denselben nahe verwandten Formen beobachtet 
werden, so kann man dieselben als Rückschläge auffassen. Denn 
jeder der Bastardeltern ist mit den zunächst stehenden Formen gleicher 
Abstammung, und ihre gemeinsamen Vorfahren besassen ebenfalls 
schon das fragliche Merkmal. Solche Rückschläge wurden bei 54 
der von PETER aufgeführten Bastarde beobachtet, und in einer aus- 
führlichen Tabelle zusammengestellt. 

Im Ganzen scheinen mir die gut beglaubigten Fälle von Atavis- 


! Ueber die Wiederherstellung zusammengesetzter Eigenschaften durch 
Kreuzung ihrer Componenten und den so erzielten Atavismus vergl. unten, bei 
Antirrhinum majus, Abschnitt Il, S 14. 

?2 Nach meinen eigenen Erfahrungen bei Papaver somniferum trat solches 
gleichfalls nicht selten ein, aber am meisten, wenn ich Exemplare aus nicht von 
mir selbst gereinigten Culturen kreuzte. Es deutet somit wohl auf Bastardnatur 
in einer der zur künstlichen Verbindung benutzten Eltern hin. 

3 So erhielt ich z. B. aus der Kreuzung von Oenothera Lamarckiana mit 
Oen. erueiata Nutt., unter mehreren Hunderten von Bastarden in der ersten Gene- 
ration einige Exemplare mit dem Typus der Oen. biennis, des vermuthlichen 
gemeinschaftlichen Vorfahren. Ich möchte darin aber eher eine Mahnung sehen, 
an die Reinheit meiner Oen. eruciata zu zweifeln, als einen exakten Beweis für 
Atavismus. Vergl. weiter unten $ 13. 

4 A. PETER in ENGLER’s Jahrbücher, Bd. V, a. a. O. S. 225. Unter PETERr’s 
Beispielen sind auch mehrfache Bastarde mit Rückschlägen auf die nachweis- 
lichen Eigenschaften der gekreuzten Sorten aufgenommen. 


46 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


mus bei Bastarden erster Generation aus nachweislich reinen Eltern 
äusserst selten zu sein. 

Schliesslich sei erwähnt, dass ternäre und mehrfache Bastarde 
von Hieraeium nach PETER (a. a. O. S. 231) oft ungefähr einen An- 
blick darbieten, wie man ihn aus phylogenetischen Gründen für ältere 
Stammsippen der Piloselloiden erwarten würde, ohne aber dabei das 
Bild der vermuthlichen Vorfahren vollständig zu reproduciren. 


$ 6. Die Variabilität der Bastarde. 


Bastardirung ist der mächtigste Hebel der Variabilität im Garten- 
bau. Zählen die Formen innerhalb einer Gattung bei Hunderten und 
Tausenden, und wetteifern sie mit einander in der Ueppigkeit der 
Gestalten und m der Pracht der Farben, so verdanken sie solches 
wohl stets den künstlichen Kreuzungen. Bringt jedes Jahr in einzelnen 
Gruppen eine Reihe neuer Errungenschaften, so sind die Einfuhren 
von im Freien neu aufgefundenen Arten, oder die spontan in den 
Gärten aufgetretenen Mutationen dabei nur in sehr untergeordneter 
Weise betheiligt; die Kreuzungen sind es, welche die Gattung hoch 
halten, welche sie den stets steigenden Anforderungen unseres Kunst- 
sinnes immer nachkommen lassen. 

Aber die Gärtner beschränken sich nie oder doch fast nie auf 
einfache Kreuzungen und primäre Bastarde. Diese sind ja zu ein- 
förmig, denn jede Kreuzung liefert meist nur eine einzige Verbindung 
zwischen den Eltern. Die so sehr gewünschte Vielförmigkeit pflegt 
erst in der zweiten Generation einzutreten, sei es, dass bei Selbst- 
befruchtung die Merkmale sich trennen, um sich in den verschieden- 
sten Weisen zu combiniren, sei es, dass der Bastard wiederum mit dem 
Pollen seiner Eltern befruchtet wird, sei es endlich, dass man den 
Bastard mit einer dritten und vierten Art verbindet. 

Diese letzteren, die doppelten und mehrfachen Kreuzungen sind 
die wahre Quelle der Variabilität; ohne diese würde die ganze Me- 
thode nie ihre jetzige hohe Bedeutung errungen haben. 

Unsere Aufgabe in diesem Paragraphen beschränkt sich aber auf 
die Variabilität der einfachen Hybriden erster Generation. Hier ver- 
hält sich die Sache ganz anders. Hier sind die Bastarde in der 
Regel nicht wesentlich „variabler“ als die elterlichen Sorten. Ein- 
förmigkeit ist die Regel, Variabilität und Pleiomorphie sind die Aus- 
nahmen.! Dieser Satz wurde von fast allen Forschern aufgestellt 


! Hier wie überall würde voraussichtlich eine eingehende Kritik die Anzahl 
der Ausnahmen wohl noch erheblich einschränken. 


Die Variabilität der Bastarde. 47T 


== — 2 


und anerkannt, und von FockE als erster und Hauptsatz in der 
Bastardlehre ausführlich formuliert und begründet.! 

Bei der Besprechung dieses Satzes vom Standpunkte der Muta- 
tionstheorie sind zwei Punkte stets aus einander zu halten. Ich meine 
die fluktuirende Variabilität der einzelnen Merkmale, und die Wechsel- 
wirkung der von je einem der beiden Eltern geerbten und im Bastard 
verbundenen Eigenschaften. 

In Bezug auf ersteren Punkt ist zunächst fest zu stellen, dass 
die einzelnen Eigenschaften bei der Kreuzung mit ihrer vollen in- 
dividuellen Variabilität vererbt werden, genau ebenso gut wie bei der 
normalen Befruchtung. Nur ist dabei zu berücksichtigen, dass ganz 
gewöhnlich die Eltern weniger genau, oder in einer geringeren Anzahl 
von Individuen untersucht zu werden pflegen, wenn es sich um sehr 
fruchtbare Kreuzungen handelt. Im entgegengesetzten Falle ist man 
oft zufrieden, wenn man ein einziges Bastardindividuum erhält oder 
zwei oder doch nur wenige. Offenbar wird man aber die gewöhn- 
liche Variabilität um so höher veranschlagen, je mehr Exemplare man 
mit einander vergleicht, und daher scheinen das eine Mal die 
Bastarde mehr, das andere Mal weniger variabel als ihre Eltern su sein. 
Hierauf mag es auch wohl zu einem wesentlichen Theile beruhen, dass 
die Bastarde von einigen Autoren im Allgemeinen als sehr variabel, 
von anderen aber als sehr constant betrachtet werden. 

Das beste Material zu Untersuchungen bilden hier die constanten 
Bastardrassen, da man diese in willkürlichen Anzahlen von Individuen 
leicht und ohne Mühe cultiviren kann. Sie verhalten sich im Allge- 
meinen nicht mehr oder nicht weniger variabel als gewöhnliche Arten. 
Hat aber der eine ihrer Eltern eine ganz auffallend variable Eigen- 
schaft, so geht diese mit ihrem vollen Abänderungsspielraum auf den 
Bastard über. Indem ich für die constanten Bastardrassen auf einen 
späteren Paragraphen verweise ($ 8), beschränke ich mich hier auf ein 
einzelnes Beispiel, welches sich an eine im ersten Bande (S. 98) be- 
sprochene und abgebildete Rasse anschliesst. Ich meine das Papaver 
somniferum polycephalum des Handels. Dieses habe ich, wie später 
noch ausführlich zu erörtern sein wird, mit dem P. s. Danebrog ge- 
kreuzt, welches weisse statt schwarzer Herzflecken auf den Blumen- 
blättern trägt. Das Ergebniss war eine constante Rasse: P. s. poly- 
cephalum Danebrog. Diese aber wies in Bezug auf die Nebenfrüchtchen, 
welche durch die Umwandlung der Staubfäden entstehen, genau den- 
selben Grad von Variabilität auf wie die Urform. Halbgefüllte Kränze 


! Focke, Die Pflanzenmischlinge. S. 469. 


45 Die einfachen Dastarde erster Generation. 


bildeten die Mehrzahl; je voller einerseits die Füllung und je weniger 
zahlreich andererseits die abnormalen Gebilde waren, auf um so 
weniger Individuen kamen sie vor. Aus demselben Grunde lassen 
sich solche constante Bastardrassen auch durch stetige Selection ver- 
bessern, genau in derselben Weise wie andere, reine Typen. Jeder- 
mann kennt die prachtvollen grossblumigen Varietäten von Canna, 
welche namentlich von CUrozy in Lyon erzeugt wurden. Die culti- 
virten Canna aber sind Bastarde, wie wir unten sehen werden, aber 
ihre Petalen sind jetzt fast doppelt so lang und viel breiter als die- 
jenigen der ursprünglich gekreuzten Arten. 

‘Neben dieser einfachen Huktuirenden Variabilität kann, wie gesagt, 
auch noch eine zweite vorkommen. Ich meine den Fall, dass die 
elterlichen Merkmale in den einzelnen Individuen (bezw. Organen) in 
ungleicher Weise mit einander verbunden sind. Hier ist somit die 
Präpotenz der betreffenden Eigenschaften keine constante Grösse, man 
könnte vielmehr behaupten, dass diese Variabilität der Hybriden 
auf einer schwankenden Prävalenz beruhe. Dementsprechend 
werden die einen mehr dem Vater, die anderen mehr der Mutter ähn- 
lich sein. Verbindet man die Eltern, wie wir es oben S. 20 ver- 
sinnlicht haben, durch eine Linie, so gruppiren sich diese Bastarde 
nicht um einen, sondern um zwei oder mehrere Punkte auf dieser 
Linie.! Diese schwankende Prädominanz kann nun entweder indivi- 
duell, oder partiell auftreten, d. h. sie kann Verschiedenheiten zwischen 
Individuen, oder zwischen den gleichnamigen Organen eines und des- 
selben Individuums bedingen. Offenbar ist die partielle Variabilität 
die am meisten auffallende, und namentlich die am leichtesten zu 
demonstrirende. Aus diesem Grunde wollen wir von ihr zunächst 
einige Beispiele anführen. Ich fange mit zwei Fällen an, welche 
jeder leicht selbst cultiviren und controliren kann. 

Das erste Beispiel ist Salix aurita + purpurea, und die zu be- 
handelnde Eigenschaft ist die Gabelung der Staubfäden. Dieser Misch- 
ling kommt im Freien häufig zwischen den Eltern vor, und wurde von 
Wimmer, Wıchura und Anderen beschrieben. Ich fand ihn in einigen 
wenigen Exemplaren in der Nähe des Dorfes Vogelenzang unweit 
Haarlem, und pflanzte Stecklinge im Jahre 1891 im botanischen 
Garten zu Amsterdam, wo sie zu kräftigen Sträuchern heranwuchsen, 
welche alljährlich reichlich blühen und die in Fig. 8 abgebildete Viel- 
törmiekeit der Blüthen zeigen. Die Verbindung 8. aurita + purpurea 
ist allerdings von Wiıchura nicht künstlich gemacht worden, wohl 


ı C©. CorrEns, Ber. d. d. bot. Ges. Bd. XIX. 1901, Generalvers.-Heft, S. 79. 


Die Variabilität der Bastarde. 49 


aber 5. purpurea X einerea und S. purpurea X viminalis (a. a. O. S. 12). 
WıIcHURA äussert sich darüber folgendermaassen (a. a. O. S. 46): 
S. purpurea hat zwei Staubblätter, deren Filamente und Antheren so 
mit einander verwachsen sind, dass sie nur ein Filament und eine 
vierfächrige Anthere darzustellen scheinen. Die Staubblätter der 
übrigen europäischen Weiden sind dagegen frei, und nur S. incana 
macht eine Ausnahme hiervon, indem ihre Staubblätter vom Grunde 
bis zur Hälfte hinauf verwachsen sind. Bildet nun S. purpurea mit 


Fig. 9. Salix aurita + purpurea, Gabelung 
der Staubfäden der Blüthen eines einzelnen 
Kätzchens. a Zwei nahezu freie Staubfäden, 


Fig. 3. Salix aurita + purpurea. Zweig- annähernd an $. aurita, b, c, d Zwischen- 
lein mit blühenden männlichen Kätzchen. stufen, e beide Staubfäden fast völlig ver- 
Botan. Garten, Amsterdam. April 1900.! wachsen, annähernd an $. purpurea. 


einer der anderen Weiden einen Bastard, so sind die Staubfäden des- 
selben am unteren Theile verwachsen, während sie am oberen frei 
sind und zierlich gabelförmig auseinander gehen. In den Pflanzen 
des Amsterdamer botanischen Gartens schwankt der Grad dieser 
Verwachsung nun sehr stark (Fig. 9); die meisten Blüthen zeigen 
allerdings eine Vereinigung bis zur Hälfte (Fig. 9c), daneben stehen 
aber andere, welche mehr zur S. aurita (Fig. 9 a, b) bezw. zur S. pur- 
purea (Fig. 9 d, e) hinneigen. Ferner beschreibt Wıchura noch 
„Pflanzen mit schwankender Narbenstellung“, wenn diese Stellung in 


! Dieser merkwürdige Bastard lässt sich leicht durch Stecklinge vermehren 
und ist im Tauschverkehr der botanischen Gärten erhältlich. 
DE Vrıes, Mutation. I. 4 


50 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


den beiden Eltern des Bastardes eine verschiedene ist, z. B. Salix 
triandra + viminalis. 

Mein zweites Beispiel ist der käufliche Bastard Berberis Neuberti 
(Fig. 10), der eine hybride Verbindung! sein soll von Mahonia aqui- 
folia (Fig. 11) und Berberis vulgaris (Fig. 12). 

ürstere Art hat gefiederte Blätter, die letztere aber einfache. 
Am Bastard findet man meist einfache Blätter; diese tragen aber die 
stärkere Bewaffnung der Maho- 
nia. Einige Blätter sind gefiedert, 
meist nur dreizählig, bisweilen 
gestielt (Fig. 105), bisweilen sind 
die drei Blättchen eines Blattes 
zusammen sitzend (Fig. 10 a), 
seltener fand ich fünfzählige. 
Die Blätter schwanken also 
ziemlich stark zwischen den 
Merkmalen der Eltern, ohne 
aber deren Typus zu erreichen. 
Bei der Berberitze sind die nor- 
malen Blätter durch dreispitzige 
Dornen ersetzt, in deren Achseln 
die eigentlichen Blätter an Kurz- 
trieben sitzen; beim Bastard 
fehlt diese Eigenschaft, welche 
Fig. 10. Berberis Neuberti = Mahonia aqui- Ja offenbar eine Jüngere ist. Die 
folia + Berberis vulgaris, ein Gattungsbastard. Neuberti-Berberitze wird bei uns 
Die moon Ber Ania und dog, haufig eultivirt, sie ist grösser 
am Grunde der Sprosse gestielt dreizählig (2,c). und stärker als die Mahonia 

und verliert, wie diese, ihre 
Blätter im Winter nicht. In dieser Beziehung stimmt sie also 
mit den oben (S. 36) besprochenen WEBBER’schen Citrus-Bastarden 
überein. 

Einen sehr schönen Fall partieller Variabilität bildet HıLDEBRAND 
für die Blätter eines von ihm gewonnenen Bastardes zwischen Cha- 
maedorea Schiedeana und Ch. Ernesti Augusti ab.” Die Blätter der 
ersteren Art sind gefiedert, diejenigen der letzteren einfach; der Bas- 
tard trägt nun alle Uebergänge zwischen diesen beiden Grenzen, und 


I Gardener’s Chronicle, 26. Juni 1886. S. 815, Fig. 825. 
® F.HırLpEgranD, Ueber einige Pflanzenbastardirungen. Jen. Zeitschr. Bd. XXIII. 
1889. Taf. XXV. 


Die Variabilität der Bastarde. 51 


zwar oft auf demselben Individuum; die Blätter sind in der unteren 
Hälfte mehr oder weniger stark gefiedert, im oberen Theil aber ganz. 
Auch einige Piloselloiden-Bastarde variiren nach PETER partiell. Das- 
selbe gilt von anatomischen Merkmalen. So bildet MiLLARDET eine 
Reihe von Zwischenstufen in den Spaltöffnungen der Blätter von Vitis 
York-Madeira, einen Bastard von V. aestivalis und V. labrusca ab,! und 
beschreibt MACFARLANE? die schwankenden Eigenschaften der Chromo- 
plasten in Geum intermedium (G. urbanum X rivale) und in Saxifraga 
Andrewsii (= 5. Aixoon + 8. Geum). 

Einen anscheinend vereinzelt dastehenden Fall? bilden die von 
Hınpesrann abgebildeten Blumenblätter der Bastarde zwischen Oxa- 


Fig. 12. Berberis vulgaris, 
Fig. 11. Mahonia aquifolia, Blatt. beblätterter Zweig. 


lis articulata und O. lasiopetala, welche auf je zwei Feldern die beiden 
elterlichen Farben violett und rosenroth mit scharfer Trennung neben 
einander zeigen. Dabei wechselt die Grösse der Felder in allen 
Graden, bald ist das rosenrothe das grösste, bald das violette, bis- 
weilen bis zum nahezu vollständigen Ausschluss des anderen.* 


! A. MitLArDET, Mem. Soc. Se. phys. et nat. Bordeaux. T. IV (4. Serie). 
1894. S. 28. 
®2 J. M. MaAcFARLANE, The minute structure. a.a. O0. S. 272. 
® Die Bastarde gestreiftblumiger Sorten, und die Frage, ob aus ungestreiften 
Sorten durch Kreuzung gestreifte Bastarde erhalten werden können, bedürfen 
meiner Meinung nach einer kritischen Bearbeitung sehr. (Vergl. weiter unten.) 
= a. 3. 0. Tafel XXVI, Fig. 21. 
4* 


52 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


Wir kommen jetzt zu den Beispielen individueller Variabilität 
bei den Bastarden, und fassen auch hier das Vorwalten einzelner be- 
stimmter Typen unter den Hybriden aus derselben Kreuzung ins 
Auge. MEnDEL und PETER fanden bei den Piloselloiden (a. a. O. 
S. 223), dass die Bastarde manchmal einzelne Merkmale besitzen, 
welche bei den einen Individuen mehr gegen die eine Stammform, 
bei anderen Exemplaren mehr gegen die andere Elternform hinneigen, 
bei noch anderen mehr die Mitte inne halten. Jedes Exemplar kann 
eine etwas andere Stelle des vereinigten Formenkreises gewisser Merk- 
male verwirklichen." Manchmal schwankt das Bastardmerkmal zwischen 
den durch die Eltern gegebenen Extremen von einem derselben bis 
zum andern, manchmal bewegt es sich innerhalb engerer Grenzen, bei- 
spielsweise vom einen Extrem bis zur intermediären Mischung. Ebenso 
zeigen die Bastarde von Oxalis rubella mit verschiedenen anderen 
Arten nach HiILpDEBRAND ein continuirliches Schwanken;? kein einziger 
glich genau weder dem Vater noch der Mutter, eben so wenig, wie 
ein Bastard dem anderen trotz der gleichartigen Erzeugung vollständig 
gleich war. Am meisten bekannt ist dieses Schwanken wohl bei der 
Sandluzerne, Medicago media = M. falcata X sativa, die in Süd-Deutsch- 
land und in anderen Ländern vielfach im Grossen angebaut wird und 
häufig verwildert vorkommt, und die ich selbst um Würzburg und 
bei Paris in allen ihren Formen beobachten konnte.” Dieser Bastard 
wird deshalb vorzugsweise cultivirt, weil er im Vergleiche zur einen 
seiner Stammarten eine gesteigerte Fruchtbarkeit zeigt. Denn M. fal- 
cata setzt nur vereinzelte Samen an, während M. media reichlich fruc- 
tificirt. Die Kreuzungsverhältnisse sind ausführlich und gründlich von 
Uran untersucht worden.* Er fand die beiden reciproken Misch- 
linge unter sich gleich, d. h. in denselben Einzelformen variirend. 
In der ersten Generation war etwa die Hälfte der Hybriden interme- 
diär, während die andere Hälfte sich der einen oder der anderen 
Stammart näherte. Die Blüthen waren in den verschiedensten Weisen 
gelb, grün und violett gescheckt. 

Die hohe Variabilität der Bastarde liefert in solchen Fällen ein 
ähnliches Material für die künstliche Zuchtwahl, als die gewöhnliche 


! Die Mexper’schen Hieracium-Bastarde sind von PFTer (a. a. O.) beschrieben 
und von Üorrens übersichtlich zusammengestellt worden. Ber. d. d. bot. Ges. 
XIX. 1901. Generalvers.-Heft, S. 75. 

® HırpEgrAnD, a. a. 0. S. 493; dort auch Abutilon u. A. 

% Kerner von Marıraun, Das Pflanzenleben. Il. S. 568 und Focke, Die 
Pflanzenmischlinge. S. 106. 

* J. Ursan, Verh. d. Bot. Vereins Brandenburg. XIX. Sitzungsber. 8. 125. 


Die Variabilität der Bastarde. 53 


Variabilität bei den reinen Arten und Sorten. Allgemein findet man 
dementsprechend in der Praxis die Ueberzeugung, dass die Kreu- 
zungen nur dann eine wesentliche Bedeutung für die Production 
neuer Rassen haben, wenn sie von strenger Selection begleitet sind.! 
In landwirthschaftlicher Beziehung hat in dieser Richtung wohl 
Hays? in Minnesota am meisten geleistet, auf dem Gebiete des 
Gartenbaues aber BuRBANK® in Californien. Mancher neue Getreide- 
bastard erhöht jetzt in den mittleren Staaten Nord-Amerika’s den Er- 
trag der Aecker um bis 10°/,, und die vielen neuen, grossfrüchtigen 
und wohlschmeckenden Obstsorten BurBAnK’s sind gleichfalls der 
Beweis für die Vortrefflichkeit der Verbindung von Kreuzung und 
Selection. 

Aber gerade hier zeigen sich am klarsten die Unterschiede zwischen 
den praktischen und den wissenschaftlichen Experimenten. Den ersteren 
gilt das Ergebniss als Ziel, den letzteren aber die Erforschung der 
Gesetze, nach denen die Ergebnisse erreicht werden. Die Selection 
erfordert ein möglichst grosses Material zur Auswahl;* wie aber das 
Material erhalten wurde, und ob es rein oder unrein ist, daran liegt 
nur wenig, denn durch die künstliche Wahl wird ohnehin alles Un- 
taugliche ausgeschieden. Kreuzen und Aussäen haben daher mög- 
lichst im Grossen zu geschehen. Reinheit der Kreuzbefruchtungen 
ist nur insoweit Bedingung, dass wenigstens ein bedeutender Theil 
der Samen wirklich gekreuzt sei. Und besser ist es, zu den Kreu- 
zungen Bastarde als reine Arten zu wählen, weil dadurch ja die Aus- 
sicht auf grössere Variabilität erhöht wird. Genau entgegengesetzt 
sind die Anforderungen des wissenschaftlichen Studiums. Denn hier 
kommt alles auf die Reinheit der Vorbedingungen und des Verfahrens 
an, hier handelt es sich um genaue und ausführliche Buchhaltung, 
um die getrennte Ernte der Samen für jedes einzelne, im Buche be- 
sonders bezeichnete und beschriebene Individuum. Solche anscheinend 
nutzlose wissenschaftliche Bemühungen haben aber die Grundlage für 


172.B: T. Laxron, Journ. Roy. Hort. Soc. XII. 1890. S. 29. 

® W. M. Hays, Wheat, varieties, breeding, eultivation. University of Minne- 
sota, Agrieultural Experimentstation. Bull. No. 62, March 1899. 

® L. BurBank, New Creations in frwits and flowers. BURBANK’s experiment 
grounds. June 1893. Santa Rosa, California. 

* Manche Züchter ziehen die Verbesserung reiner Rassen durch Zuchtwahl 
weit vor und behaupten, dass wenigstens für Europa durch Kreuzung fast nie 
etwas nur halbwegs Hervorragendes unter den Getreiderassen erhalten worden 
sei. So nach mündlicher und brieflicher Mittheilung Amtsrath Rımrau und 
Em. Rırter von Proskowerz. Derselben Meinung ist auch Graf Bere über 
Roggenzüchtungen. Vergl. Botan. Centralblatt, Bd. 46, 1891, Nr. 19, S. 183. 


54 Die einfachen Bastarde erster Generation. 


die späteren Experimente im praktischen Interesse zu bilden (W. 
M. Hays). 

Die Variabilität der einfachen Bastarde erster (Generation ist 
keineswegs immer eine so continuirliche wie in den oben besprochenen 
Beispielen. Oft zeigen sich nur zwei oder drei, oder einige wenige 
schärfer umgrenzte Typen. Bisweilen ist der eine Typus in der Mehr- 
zahl der Individuen und der andere nur sehr selten vertreten. In 
solchen Fällen spricht GÄRTNER von Ausnahmstypen; es sehen dann 
einzelne Bastarde mehr dem Vater oder der Mutter ähnlich als ihre 
(Geschwister (a. a. O. S. 235). Das bekannteste Beispiel bildet Passi- 
flora racemosa x coerulea, ferner Lobelia fulgens X syphilitica, L. syphi- 
litica X cardinalis, u.s. w. Nur in Gattungen, welche überhaupt an 
Bastarden reich sind, beobachtete sie GÄRTNER. Auch spätere Forscher 
haben ähnliche Verhältnisse beschrieben, so z. B. MEnDEL für Hiera- 
cium! und NauDIn für Digitalis purpurea x lutea. Abutilon, Pista- 
cia, Lilium, Oxalis und Cirsium liefern weitere Beispiele. 

Es scheint gestattet, hier auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass 
solche Fälle von Pleiotypie? sich vielleicht oft aus der vorher be- 
sprochenen continuirlichen Variabilität werden erklären lassen, wenn 
man annimmt, dass bei der geringen Samenernte, welche so viele 
Kreuzungen geben, besondere Typen gespart werden und andere nicht, 
wie solches bereits von MENDEL für Fleraeium vermuthet wurde. Für 
die Möglichkeit einer solchen Erklärung durch ungleiche Sterblichkeit 
spricht auch die von WıcHhuraA in Bezug auf das Verhältniss der 
männlichen und weiblichen Individuen bei Weiden und bei deren 
Bastarden gemachte Erfahrung. Während bei den reinen Arten aus 
den Samen stets etwa ebenso viele Männchen als Weibchen hervor- 
gehen, ist solches bei den Hybriden nicht der Fall. Hier walten die 
Weibchen vor; von mancher Verbindung hat WıcnurA überhaupt nur 
solche erhalten. In anderen Fällen kommen Männchen vor, aber 
selten. WrcHhurA schätzt das Verhältniss im Ganzen auf etwa eine 
männliche auf 20 weibliche Pflanzen (a. a. O. S. 44). 

Schliesslich gelangen wir zu denjenigen hybriden Verbindungen, 
in denen eine sehr variabele Eigenschaft von einem der beiden Eltern 


! Gresor Menper, Versuche über Pflanzenhybriden. Zwei Abhandlungen, 
1865 und 1869. In Ostwaıv’s Klassiker der exacten Wissenschaften als Nr. 121 
(1901) herausgegeben von Erıch TscHERMAK. 

® Wenn man irrthümlicher Weise zu einer Kreuzung einen Bastard statt 
einer reinen Art verwendet, so ist die Aussicht auf Ditypie eine ziemlich grosse. 
Und dass solche Irrthümer vorkommen, weiss Jeder, der sich längere Zeit mit 
Bastardirungen beschäftigt hat. 


Die Variabilität der Bastarde. 55 


auf die Nachkommen übertragen wird.! Die gefüllten Blumen bieten 
dafür im Gartenbau ein gewöhnliches Beispiel, und ich selbst habe 
neben solchen das höchst schwankende Merkmal der Polycephalie von 
Papaver somniferum mehrfach auf sein Verhalten bei Kreuzungen 
geprüft. 

Bei Kreuzungen gefüllter Blumen mit einfachen Sorten scheint es 
die Regel zu sein, dass die Füllung auf die Hybriden oder auf einige 
von ihnen übertragen wird, aber in sehr geschwächtem Grade. Oft 


Fig.14. Gefüllter Flieder von LEMOINE. 

Fig. 13. Syringa vulgaris X 8. vulgaris azurea Einzelne Blüthen der in Fig. 9 dar- 

plena. Eine der von LEMOINE erzeugten gross- gestellten Traube, die verschiedenen 
blüthigen gefüllten Sorten. Arten der Füllung zeigend. 


ist die Eigenthümlichkeit auf eine geringe petalodische Verbreiterung 
einzelner Staubfäden beschränkt, oft fehlt auch diese. Nur selten 
zeigen einige wenige Exemplare schöne Füllung. So fand ich es auch 
in meinen unten zu erwähnenden Kreuzungen mit gefüllten Varietäten 
des Mohns (Papaver somniferum). Doch bedürfen diese Erscheinungen 
noch sehr einer eingehenden und kritischen Prüfung. Die Angaben 
aus der Praxis des Gartenbaues sind meist Bedenken ausgesetzt ın 


! Einige weitere Beispiele pleiomorpher Hybriden findet man in Horrmann’s 
Aufsätzen besprochen, z. B. Bot. Ztg. 1881, 8. 382, 


56 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


Bezug auf die Frage, ob die erreichten Resultate nicht etwa Folgen 
wiederholter Kreuzungen waren. In dieser Beziehung sind jene künst- 
lichen Verbindungen noch am zuverlässigsten, bei welchen es sich um 
Bäume oder Sträucher handelt, welche erst mehrere Jahre nach der 
Aussaat blühen. Ich führe als Beispiel die jetzt in Gärten allgemein 
eultivirten gefüllten Fliedern an, welche von Herrn LEmomeE in Nancy 
gewonnen wurden." Nach seinen Angaben wurden in der ersten Ge- 
neration theils Pflanzen mit gefüllten Blüthen, theils einfache erhalten; 
die letzteren wurden nicht weiter beibehalten, die ersteren aber mög- 
lichst vermehrt und in den Handel gebracht (Fig. 13 und 14). Bei 
meinen Kreuzungen von Papaver somniferum polycephalum (Fig. 27 auf 
S. 98 des ersten Bandes) mit Varietäten ohne Polycephalie erhielt ich 
meist nur Hybriden ohne jede Spur von Nebenfrüchten (in 6 Ver- 
suchen), in zwei Versuchen fand ich aber 2 bezw. 22°/, der Exemplare 
im Besitze der Anomalie, wenn auch in ganz schwachem Grade, da 
nur etwa 1—3 Staubfäden pro Blüthe die Umwandlung erlitten hatten 
(vergl. unten). 

Die Beobachtungen an gefüllten Blüthen und an Papaver sind 
namentlich deshalb wichtig, weil sie einfachere Kreuzungen betreffen 
als die meisten anderen. Es handelt sich nur um die Variabilität 
einer einzigen Eigenschaft, während sonst mehr complicirte Verhält- 
nisse vorliegen. 

Ueberblicken wir die in diesem Paragraphen zusammengestellten 
Erfahrungen, so sehen wir, dass die Variabilität der Bastarde theil- 
weise unmittelbar von ihren Eltern ererbt wurde, theilweise aber die 
Folge ist von einer besonderen Art der Verbindung der Eigenschaften, 
welche in beiden Eltern verschieden waren. Obgleich diese Verbin- 
dung meist eine einförmige und feste ist, kann sie in einigen wenigen 
Fällen doch auch eine schwankende oder vielförmige sein. 


II. Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


$ 7. Die Fruchtbarkeit der Bastarde. 


Zu den auffallendsten und bekanntesten, aber noch am wenigsten 
genau untersuchten Eigenthümlichkeiten der Mischlinge gehört ihre 


! Vergl. den ersten Band S. 130: Kreuzungen zwischen gewöhnlichen Flie- 
dern und Syringa vulgaris azurea plena sind zu derselben Zeit auch im Jardin 
des Plantes in Paris von Cornu vorgenommen worden; hier gelangten aber 
die gewonnenen Samen durch besondere Umstände nicht zur Aussaat. Vergl. 
L. Henry im Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24, April 1900. S. 218. 


De U u 


Dis Fruchtbarkeit der Bastarde. 97 


häufig verminderte Fruchtbarkeit. Im Ganzen und Grossen hängt 
der Grad dieser Sterilität von der Verwandtschaft der Eltern ab, je 
näher diese sich standen, um so fruchtbarer pflegt der Hybride zu 
sein. Aber es giebt hier äusserst viele Unregelmässigkeiten und Aus- 
nahmen, welche darauf hindeuten, dass unsere Kenntniss von der 
natürlichen Verwandtschaft bei Weitem noch nicht ausreicht, die ganze 
Reihe der Erscheinungen aufzuklären und die richtige Fassung des 
bis jetzt nur vermutheten Gesetzes zu finden. 


NÄgerı hat für diejenige Art der Verwandtschaft, welche sich 
unmittelbar in den Bastardirungsversuchen äussert, den Namen der 
sexuellen Affinität eingeführt. Es lässt sich die fragliche Er- 
fahrung dadurch so fassen, dass man sagt, dass systematische und 
sexuelle Affinität im Allgemeinen parallel verlaufen, aber mit vielen 
Abweichungen in den einzelnen Fällen. Die meisten Forscher gründen 
ihre Fassungsweise auf die jetzt geläufigen Grenzen zwischen Arten 
und Varietäten, und sprechen ihre Ansicht dahin aus, dass die Bas- 
tarde zwischen Varietäten, Rassen und Unterarten einer selben Art 
meist unter sich völlig fruchtbar, d. h. ebenso fruchtbar als die elter- 
lichen Sorten sind. Verwandte Arten sollen Hybriden mit wenig 
herabgesetzter, entferntere Arten solche mit stark verminderter Ferti- 
lität geben. Aber auch hier giebt es keinen Parallelismus, denn 
einerseits sind die anerkannten Ausnahmen noch immer zahlreiche, 
andererseits herrschen über die Abgrenzungen der Arten, Varietäten 
u. s. w. in den einzelnen Fällen noch stets die am weitesten aus ein- 
ander gehenden Meinungsverschiedenheiten.‘, 


Die objective Darstellung der Thatsachen hat sich einstweilen 
auch hier möglichst von den conventionellen Grenzen der Systematik 
frei zu halten. 


Aber auch die Thatsachen selbst reichen noch bei Weitem nicht 
aus. Die einfache Beobachtung, dass Hybriden bei isolirtem Stande, 
weit entfernt von ihren Eltern, keine Samen ansetzen, oder doch nur 
eine mangelhafte Ernte geben, genügt nicht immer, um ein Urtheil 
zu fällen. So habe ich z. B. im Sommer 1899 Oenothera biennis L. 
und O. muricata L. mit O. odorata Jacq." gekreuzt. Die Operation 
gelang sehr schwierig und gab auf vielen castrirten und „bearbeiteten“ 


! Diese Pflanze bezog ich von einem Handelsgärtner. Ist vielleicht der 
Name nicht völlig zuverlässig, so zeigten doch die Samen und die ganze Tracht, 
dass sie zu der Untergattung Euoenothera gehörte, also zu einer anderen Unter- 
gattung als die beiden Sorten, welche ich mit ihr kreuzte und welche zu Onagra 
gerechnet werden. 


58 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


Blumen nur wenige Samen. Ich benutzte O. odorata als Mutter, be- 
fruchtete ihre Blumen mit dem Staub der beiden anderen Arten, und 
hatte im Sommer 1900 15 Pflanzen von O. odorata x biennis und 47 
von O. odorata X muricata. In beiden Gruppen haben die meisten 
Exemplare sehr reichlich geblüht, aber alle Früchte sind zusammen- 
geschrumpft. Sie fielen nicht ab, sondern blieben als dünne Stielchen, 
ohne Spur von Samen, in den Achseln der Blätter, bis tief in den 
Herbst hinein. Die Hybriden waren sehr schöne empfehlenswerthe 
Pflanzen, welche den feineren Bau der Euoenothera mit den besonderen 
Merkmalen von O. biennis und O. muricata verbanden. In jeder der 
beiden Gruppen waren alle Exemplare unter sich gleich, mit der ge- 
wöhnlichen fluktuirenden Variabilität der Eltern. Die O. odorata x 
biennis verriethen ihre Herkunft durch grössere Blumen und breitere 
Blätter; diese Organe waren bei der O. odorata x muricata auffallend 
kleiner bezw. schmäler, den Merkmalen des Vaters entsprechend. 
Freie Befruchtung durch Insecten mit dem Pollen der Eltern sowie 
meiner sämmtlichen damaligen Culturen von ©. Lamarckiana nebst 
deren Abkömmlingen und Bastarden war ihnen gestattet; dennoch 
setzten sie auf vielen Hunderten von Blumen kemen einzigen Samen an. 

Darf man aus einem solchen Versuch auf absolute Sterilität 
schliessen? Offenbar nicht, denn man kann nur behaupten, dass unter 
den Uulturbedingungen meines Versuchsgartens (sowohl für die Bastarde 
selbst als namentlich für ihre Eltern), von weniger als Hundert Exem- 
plaren kein Samen gebildet wird. Unter anderen Bedingungen, bezw. 
bei weit umfangreicherer Aussaat würde man wohl doch noch Samen 
erhalten, wenn auch nur wenige. Denn es ist ja bekannt seit Darwın’s 
schönen Untersuchungen, dass gerade die sexuellen Organe für die Lebens- 
lage am empfindlichsten sind, und leicht von Aenderungen in den äusseren 
Umständen oder von der Cultur derart beinflusst werden, dass die Frucht- 
barkeit darunter leidet. Bekannt ist ja auch die Thatsache, dass manche 
Thiere in der Gefangenschaft überhaupt keine Nachkommen erzeugen. 

Bei der Beurtheilung der Angaben über verminderte Fruchtbar- 
keit muss man stets auf diese Punkte Rücksicht nehmen. Die ein- 
zelnen Individuen einer selben Kreuzung brauchen nicht in demselben 
(rade in ihren sexuellen Organen affıciırt zu sein, viel weniger die 
Nachkommen verschiedener Kreuzungen zwischen denselben Stamm- 
formen. GÄRTNER fand z. B. allgemein, dass die beiden reciproken 
Kreuzungen eimer selben Verbindung Bastarde geben, welche in un- 
gleichem Grade fruchtbar sind. Offenbar kann solches von den je- 


1 GÄRTNER, 2.2.0. 8. 407. 


Die Fruchtbarkeit der Bastarde. 59 


weiligen Versuchsbedingungen abhängen, ohne dass dabei die Frage, 
welche der beiden Eltern der Vater gewesen sei, als einziger ent- 
scheidender Factor zu betrachten wäre. Von NÄGELI, Darwın und 
Anderen ist es GÄRTNER mehrfach vorgeworfen worden, dass er durch 
seine Cultur in Töpfen und seine Castrationen im Zimmer die individuelle 
Kraft seiner Pflanzen herabsetzte, und dadurch oft die Fruchtbarkeit, 
auch unter den Nachkommen, vermindern musste. Auch fand GÄRTNER 
selbst, dass von Hybriden, welche gewöhnlich steril waren, unter beson- 
deren Sorgen wohl noch einzelne Samen zu erhalten waren. 

Bei sehr vielen zufälligen Bastarden stammen alle Exemplare 
unserer Gärten auf vegetativrem Wege von einem einzigen ursprüng- 
lichen Individuum ab, namentlich wo es sich um holzige Gewächse 
handelt, wie z. B. bei Cytisus Adami und Ribes Gordonianum. Wenn 
solche Bastarde völlig steril sind, so kann das ja eine individuelle 
Eigenschaft sein, welche sich nicht nothwendiger Weise zu wiederholen 
braucht, wenn es je gelingen sollte, die fraglichen Kreuzungen noch 
einmal mit gutem Glück durchzuführen. Denn auch unter reinen 
Arten kommen bekanntlich von Zeit zu Zeit Individuen mit herab- 
gesetzter oder gar mit völlig fehlender Fertilität vor. So fand ich auch 
in meinen Culturen von Oenotkera gigas (Bd. I S. 225) im Jahre 1899 
eine Pflanze, welche bei wiederholter künstlicher Befruchtung völlig steril 
war. GÄRTNER giebt an, dass bei Geum urbanum x rivale, bei Aquilegia 
atropurpurea X canadensis und bei mehreren Dianthus-Bastarden, unter 
theilweise fruchtbaren Individuen aus einer und derselben Kreuzung 
sich auch noch ein oder das andere total sterile Exemplar fand.! 

Die Frage, ob es Bastardverbindungen giebt, welche absolut 
steril sind, dürfte nach diesen Auseinandersetzungen schwierig, wenn 
jemals, zu beantworten sein. Die Möglichkeit, dass dieselbe Verbin- 
dung sich später unter anderen Umständen auch einmal fruchtbar 
zeigen wird, dürfte kaum auszuschliessen sein. Ueberhaupt sind die 
Beispiele völlig steriler Bastarde seltene, wenn man von den oben 
erwähnten durch Zufall im einem Exemplar entstandenen absieht. 
Gattungen, welche, bei nicht all’ zu geringer Fähigkeit zu bastardiren, 
bis jetzt überhaupt nur sterile Artbastarde gegeben haben, dürfte es 
kaum geben. Hursr fand bei genauer Prüfung aller vorhandenen 
Angaben als solche nur Ribes, Polemonium, Digitalis und Papaver,? aber 


1 GÄRTNER, a. a. O. S. 436. Vergl. ferner Fockr, a. a. O. S. 316—318. Digi- 
talis purpurea x lutea ist nach KÖLREUTER, GÄRTNER, GopDRoN und Lecog völlig 
steril, bringt aber nach Kock und Dörr gelegentlich auch keimfähige Samen. 

® C. C. Hurst, Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. April 1900. S. 118. Schon 
Jetzt wäre hier wohl wenigstens Digitalis zu streichen, vergl. die vorhergehende Note. 


60 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


es ist nicht unwahrscheinlich, dass spätere Versuche auch diese Aus- 
nahmen aufheben werden. GÄRTNER fand, dass die in geringem Grade 
fruchtbaren Bastarde den allergrössten Theil derselben ausmachen 
und führt als absolut unfruchtbare nur etwa 30 Beispiele aus den 
Gattungen Dianthus (5), Niecotiana (12), Oenothera (2), Verbascum (6) 
und einigen wenigen anderen an (a. a. O. S. 388, 389). 

Diese geringere Fruchtbarkeit der Bastarde ist im Gartenbau 
allgemein bekannt. Manche schönen Gartenpflanzen, ja sogar mehrere 
Sorten von Kartoffeln geben entweder nur selten oder überhaupt keine 
Samen, und es gilt die grössere oder geringere Sterilität als eins der 
gewöhnlichen Merkmale, um die etwaige Bastardnatur einer Pflanze 
zu beurtheilen. 

Ueber den Mangel des Parallelismus zwischen der sexuellen und 
der systematischen Verwandtschaft lässt sich beim jetzigen Stande 
der Wissenschaft noch wenig Sicheres aussagen. Varietäten derselben 
Art können unter sich steril sein, wie einige Formen von Mays, von 
Cueurbita, von Verbascum (weisse mit gelben), u. s. w.' In der Gat- 
tung Hieracium fand PETER als Regel keinen Parallelismus. Es wäre 
liberflüssig, hier die ausführliche Zusammenstellung der Thatsachen 
zu wiederholen, welche FockE in seinem Werke über die Pflanzen- 
mischlinge giebt (S. 476--481), und so hebe ich nur hervor, dass 
einzelne Mischlinge aus sehr nahe verwandten Arten völlig steril zu 
sein scheinen, wie Capsella rubella x bursa pastoris, Viola alba x scoto- 
phylla und Papaver dubium x Rhoeas. 

Wie die Schwächung der Sexualorgane bei den Bastarden jeden 
Grad von der normalen Fruchtbarkeit bis zur völligen Sterilität auf- 
weisen kann, so kann auch der Zeitpunkt, in welchem die Organe 
funktionsunfähig werden, ein sehr verschiedener sein. In weitaus den 
meisten Fällen tritt diese Anomalie zur Zeit der Bildung der Sexual- 
organe ein, oder kann man wenigstens vorher keine Abweichungen 
vom normalen Verhalten sehen. 

In Ausnahmsfällen unterliegen die Bastarde ihrem Schicksal be- 
reits früher, sei es alle oder nur eimige, sei es in allen Organen oder 
nur theilweise. So keimen bei den Weidenhybriden immer zu wenige 
männliche Pflanzen, wie wir bereits oben gesehen haben. Ebenso 
fand ich die jungen Pflanzen, welche aus Kreuzungen von Oenothera 
Lamarckiana mit O. muricata entstanden waren, zum grösseren Theile 


! Auf die Fruchtbarkeit bezw. das Misslingen der Kreuzungen selbst, d.h. auf 
die Fähigkeit verwandter Formen, bei künstlicher Vermischung überhaupt keim- 
fähige Samen und somit Bastarde zu geben, komme ich im letzten Abschnitt 
zurück. 


Die Fruchtbarkeit der Bastarde. 61 


starben, bevor sie das 8.—10. Blatt entfalteten, während es in anderen 
Jahren (z. B. 1898), wenn auch mit vieler Mühe gelang, sie zur Blüthe 
und zur Samenbildung zu bringen.” Bekannt sind die hybriden Kar- 
toffelsorten, welche nie oder fast nie Blüthen bilden. Naupm be- 
richtet, dass auf den Bastarden von Datura Stramonium mit verwandten 
Arten in der Regel die ersten Blüthen abfallen, bevor sie sich öffnen. 
Aehnlich verhalten sich nach demselben Forscher Luffa acutangula x eylin- 
drica, Nicotiana rustica X paniculata und Mirabilis longiflora x Jalapa, welch’ 
letzterer drei Viertel seiner Blüthenknospen abwirft. Andere Bastarde, 
wie diejenigen von Cucumis und Luffa bilden bisweilen ausschliess- 
lich weibliche Blüthen (a. a. ©. S. 142). Auch giebt es Beispiele von 
Bastarden, welche in ihren Blüthen keine Staubfäden bilden oder diese 
doch frühzeitig absterben lassen. In hybriden Sorten von Begonia 
fand GvIGsarD die Samenknospen bisweilen ohne Embryosack,? und 
die nämlichen Organe sind bekanntlich bei Cytisus Adami in der Regel 
verlaubt. 

Gewöhnlich tritt aber, wie oben hervorgehoben, die Schwächung 
zur Zeit der Bildung der Sexualorgane ein. Aber auch hier giebt 
es alle Stufen. Dabei ist zu bemerken, dass fast stets die männ- 
lichen Organe stärker verändert werden als die weiblichen, und dass 
sehr viele Bastarde, bei völlig oder fast völlig sterilem Pollen, sehr 
gute Samen, wenn auch meist nicht viele, heranbilden können, so oft 
sie mit dem Staub einer verwandten Art befruchtet werden. In der 
Praxis wird dazu häufig der Staub von einer der beiden Stammarten 
benutzt, oder aber der Mischling mit einer dritten Art verbunden. 
Wir werden unten sehen, dass diese wiederholte Kreuzung die eigent- 
liche Quelle der Variabilität der Bastarde bildet, und sie wird dem 
entsprechend im Gartenbau stets mit Vorliebe gewählt. In den Gat- 
tungen Verbascum, Primula, Niecotiana, Digitalis, Antirrhinum, Linaria, 
Aegilops und mehreren anderen sind die meisten Artbastarde in der 
Regel mit ihrem eigenen Pollen steril, aber im Stande, mit dem elter- 
lichen Blüthenstaub Samen anzusetzen.’ 

Hursr berechnete die Erfahrungen von R. Young in Liverpool 
über die Fruchtbarkeit der Bastarde bei den Orchideen, namentlich 
in der Gattung Paphiopedilum. Es waren im Ganzen 849 Kreuzungen. 


! Die reeiproke Kreuzung: O. muricata x ©. Lamarckiana gab bis jetzt nur 
kräftige grüne Keimpflanzen. 

®? L. Guisnarnp, Comptes rendus de Acad. Paris. 1886. T. II. p. 769. 

3 D. A. Gopron, KRecherches experimentales sur Uhybridite. Mem. Acad. 
Stanislas. 1862. -S. 228. 


62 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


Von den Hybriden, welche mit dem Staub einer reinen Art befruchtet 
wurden, gaben 91-8°, Samen, während reine Arten mit dem Staub 
der Bastarde nur zu 60°/, fruchtbar waren. Man kann hieraus folgern, 
dass die Schwächung der Fruchtbarkeit des Pollens zu derjenigen der 
Samenknospen etwa im Verhältniss von 90:60 oder von 3:2 stehe.! 
Mit dieser Angabe stimmen die älteren Erfahrungen von Darwıx, 
FockE, MASTERS, MACFARLANE und vielen anderen Autoren in genügen- 
der Weise überein. Wie weit sich die Bedeutung dieser Verhältniss- 
zahl erstreckt, müssen weitere Untersuchungen lehren, doch wies 
WiıcHvrA auch für Weiden einen gewissen Zusammenhang zwischen 
der unvollkommenen Ausbildung der männlichen und weiblichen Ge- 
schlechtsorgane der Bastarde nach (a. a. O. S. 40). 

Diesen Erfahrungen entsprechen die geläufigen Sätze, dass weib- 
lich sterile Bastarde viel seltener sind als männlich sterile, und dass, 
wenn ein Hybride mit fremdem Staub keine Samen anzusetzen ver- 
mag, er es stets auch nicht mit dem eigenen thun kann. 

Ueber die Art und Weise, wie die Eizellen steril werden, habe 
ich keine erwähnenswerthen Angaben gefunden. Die meisten Forscher 
haben sich ‚auf den so viel leichter zugänglichen Pollen beschränkt, 
und auch hier bleibt wohl noch das Meiste zu untersuchen übrig. 
Am vollständigsten beschäftigt sich WıcHurA mit diesem Gegenstand, 
und da seine Erfahrungen bei den Weiden im Allgemeinen mit den 
älteren und neueren Befunden bei anderen Hybriden übereinstimmen, 
mögen sie hier in den Vordergrund gestellt werden. Wir können die 
Erscheinungen in zwei Gruppen zusammenfassen, je nachdem sie vor 
der Bildung der Pollenmutterzellen, oder bei deren Theilungen statt- 
finden, bemerken aber, dass in der Regel der Verlust der Fertilität 
die einzelnen Zellen eines Antherenfaches in ganz verschiedenen Sta- 
dien der Differenzirung trifft. Statt freier Pollenkörner fand WICHURA 
entweder linealisch längliche Körper, etwa von der Grösse eines An- 
therenfaches, welche eine grosse Anzahl dunkelschmutziggelb gefärbter, 
runder Pollenkörner von etwas mehr als gewöhnlicher Grösse einge- 
schlossen enthielten, oder mehrere unförmliche, aus wenigen oder 
zahlreicheren verwachsenen Körnern bestehende Körper von ähnlichem 
Bau. In den meisten Fällen waren aber die Pollenkörner frei, und 
zum grösseren oder geringeren Theile normal, mit leeren oder schlecht 
ausgebildeten untermischt. Dabei sind dann die fertilen Körner häufig 
etwas grösser als die Körner der Eltern. Unter den sterilen Körnern 
sind diejenigen, welche mehr oder weniger regelmässig zusammenge- 


10. C. Husst, a.a. O0. Vol. 24. $S. 120. 


Die Fruchtbarkeit der Bastarde. 63 


faltet, dunkel und undurchsichtig sind, und in Berührung mit Wasser 
nicht aufquellen, die häufigsten.! 

Antheren ohne eigentliche Pollenbildung, mit einem compacten 
oder breiartigen Inhalt der Fächer kommen nach GÄRTNER bei sehr 
vielen Bastarden vor (a. a. 0. S. 332); häufig sieht man ihnen dieses 
schon äusserlich an, da sie eingeschrumpft und missfarbig erscheinen. 
Oder sie sind ganz leere Beutel ohne materiellen Inhalt, wie z. B. 
bei Lobelia nach GÄRTNER und bei Saxifraga Braunü (= S. muscoides 
x tenella) nach JENCIC. 

Ist der Blüthenstaub aus fertilen und sterilen Körnern gemischt, 
so kann das Verhältniss dieser beiden Typen bei den einzelnen Hybri- 
den wiederum sehr wechseln. Bestimmungen dieser Beziehungen sind 
gelegentlich von verschiedenen Forschern gemacht worden, und NAUDIN 
hat auf der letzten Tafel seiner mehrfach citirten Abhandlung viele 
Abbildungen des Pollens von Bastarden und ihren Eltern gegeben. 
Am ausführlichsten sind zahlenmässige Ermittelungen aber von A. 
JEencı6? gemacht worden. Dieser Forscher hat für eine ganze Reihe 
von Bastarden zwischen verschiedenen Arten den Gehalt an sterilen 
Körnern im Pollen in Procenten ermittelt. Auf den einzelnen Exem- 
plaren eines Bastards schwanken die Zahlen selbstverständlich, so 
z. B. bei Sempervivum Huteri (= S. montanum + S. Wulfeni) zwischen 
71 und 82 °/,, bei Geum intermedium (= G.urbanum x @. rivale) zwischen 
33 und 52°/,, bei Primula acaulis + pannonica sogar zwischen 47—65 
—85 und 98°/,. 

Die von Jzxcıc erhaltenen Ergebnisse lassen sich folgender- 
maassen zusammenstellen, wenn man nur die Procentzahlen und nicht 
die Bastarde selbst berücksichtigt. Ich übergehe die sehr vereinzelten 
Fälle, in denen er den Pollen völlig oder nahezu fertil fand, da ab- 
sichtlich nur Bastarde von verschiedenen Arten untersucht wurden, 
und schreibe die gefundenen Zahlen einfach der Reihe nach hinter 
einander, indem ich die Reihe auf den Grenzen 12!/,, 371/,, 621), 
87'/, in Gruppen abtheile; die Mittelwerthe der Gruppen sind dann 
250, 15-und 100°), oder */,, 2/, ®/, und #/,. 

Die von ‚JEexcı6 erhaltenen Zahlen waren die folgenden :? 


! WicHUrA, a. a. 0. S. 33. 

” A. Jencı6, Untersuchungen des Pollens hybrider Pflanzen. Oesterr. bot. 
Zeitschrift. Jahrgang 1900. Nr. 1, 2, 3. Die Procentzahlen werde ich ohne die 
Decimalen wiedergeben. Vergl. das Kapitel über die Genauigkeit der Erb- 
zahlen in dem folgenden Abschnitt. 

® Die Fricaceen sind von dieser Tabelle ausgeschlossen worden. Vergl. unten. 


64 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


Procentischer Gehalt an sterilen Körnern: Mittel: Beben 
17 17. 17.2307 2317 2322628780736 25 10 
2 25925959355 — — — 50 7 
69 71:72 >74 76.780182 84.784 85 19 10 
89 =r792 79579379 — — — Uebergänge'! 5) 
100 100 100 100 100 100 100 — — — 100 7 


Nach der von JExcı6 gegebenen Zusammenstellung gehören die 
oberen niederen Zahlen, soweit sich die Verwandtschaft der Eltern 
abschätzen lässt, zu Bastarden mit nahe verwandten Eltern, während 
diejenigen mit geringerer elterlichen Verwandtschaft in den höheren 
Zahlen vertreten sind. Unter den völlig sterilen (100°/,) befinden 
sich zwei Bastarde von Verbascum und zwei von Üirsium. 

Die gewählte Darstellung zeigt eine gewisse Vorliebe der Pro- 
centzahlen für eine Gruppirung um die Hauptwerthe !/,, ?/, und ?®/,, 
während zwischen °/, und */, eine Grenze nicht gesehen wird. Fett- 
gedruckt sind die Zahlen, welche sich von diesen Werthen um höch- 
stens 5°/, entfernen, eine Abweichung, welche durch die gewöhn- 
lichen Fehler der Probeentnahme gestattet ist, wie wir später sehen 
werden. Wir gelangen hier zu der principiellen Frage, wie sich die 
Sterilität des Pollens zu der Viertheilung der Pollenmutterzellen ver- 
hält. Es leuchtet ein, dass, wenn sich alle Pollenmutterzellen eines 
Bastardes in derselben Weise verhalten würden, man nur die Procent- 
zahlen 25—50—75—100 finden müsste, je nachdem ein, zwei, drei oder 
alle vier die Zellen einer Tetrade steril geworden wären. Je mehr 
die Pollenmutterzellen sich ungleich verhalten, um so weniger scharf 
werden diese typischen Werthe hervortreten. Die mitgetheilte Zahlen- 
gruppe lässt offenbar eine endgültige Entscheidung noch bei Weitem 
nicht zu; sie ist aber die beste, welche augenblicklich vorliegt, und 
spricht ziemlich klar für eine mehr oder weniger scharfe Trennung 
der drei ersteren Gruppen, und für einen sehr allmähligen Uebergang 
der Tetraden mit je einem fruchtbaren Korn zu der völligen Sterili- 
tät. Diese Frage könnte offenbar am leichtesten bei den Ericaceen 
beantwortet werden, und JExcı6 theilt über Rhododendron intermedium 
[= R. hirsutum + ferrugineum) eine Beobachtung von von WETTSTEIN 
nit, nach welcher nur 5°/, der Tetraden vollkommen normal waren, 


! Die Uebergänge kommen bisweilen auf denselben Bastarden vor, auf 
denen andere Blüthen vollkommen steril sind, z. B. Azalea sinensis; vergl. JENdıG 
a.2.0. 8.8. 


Die Fruchtbarkeit der Bastarde. 65 


indem von den vier Zellen meist nur eine oder zwei sich quellungs- 
fähig zeigten; circa 30°/, aber waren vollständig verkümmert. 

Eine eingehende Untersuchung über diesen Gegenstand ver- 
danken wir Juer, der die Entstehungsweise des Pollens von Syringe 
rothomagensis erforschte. Dieser Bastard zwischen S. vulgaris und 8. 
persiea bildet überhaupt keine fruchtbaren Körner aus, aber auch die 
Eltern sind in dieser Beziehung nicht normal, indem S. vulgaris nur 
etwa 50°/,, S. persica nur vereinzelte gute Körner hat. Im Bastard 
bilden sich die Pollenmutterzellen normal aus; die Theilungen inner- 
halb dieser Zellen geschehen aber in unregelmässiger Weise, indem 
der Vorgang offenbar durch irgend welche Eigenthümlichkeiten im 
Bau der Zellkerne, speciell der Ohromatinfäden gestört ist.! Bei den 
Weiden scheint überhaupt die Tetradentheilung in den Pollenmutter- 
zellen sich bisweilen auf die Production von nur zwei Körnern zu be- 
schränken, oder die Scheidewände bleiben unvollständig und es bilden 
sich eigenthümliche knollig difforme Körner aus. Meist aber bildet 
sich hier in jeder Tetrade ein gutes Korn neben drei tauben; das 
fruchtbare kann dabei entsprechend grösser und kräftiger werden als 
gewöhnliche normale Staubkörner.? 

Eine sehr wichtige und vielfach erörterte Frage ist diejenige nach 
dem Verhalten der Fruchtbarkeit der Bastarde in den späteren Gene- 
rationen. Hier, wie so oft in der Bastardlehre, stehen die Meinungen 
der verschiedenen Forscher sich diametral gegenüber, je nach den 
Beispielen, von denen sie ausgehen. GÄRTNER, WICHURA und NÄGELI 
sprechen sich dahin aus, dass die Fruchtbarkeit im Lauf der Gene- 
rationen allmählig abnehme; dem zu Folge würden die Hybriden 
sowohl in der Cultur als im Freien stets früher oder später aussterben. 
NaAuDin ist der entgegengesetzten Meinung, und Hursr fand in seinen 
Versuchen mit Berberis stenophylla (= B. Darwinüi x B. empetrifolia) 
die Fertilität der Nachkommen erheblich grösser als diejenige des 
ersten, käuflichen Bastardes.” Einer kritischen Behandlung wurde 
diese Frage von KERNER unterworfen.* Er betont zunächst, dass auch 
reine Arten bei derselben Cultur, in der die Bastarde meist gehalten 


ı H. O. Juer, Beiträge zur Kenntniss der Tetradentheilung. Jahrb. f. wiss. 
Bot. Bd. 35. 1900. S. 638. Juer fand auch, dass bei Carex im normalen Blüthen- 
staub sich nur eine Zelle in jeder Tetrade entwickelt. 

® M. Wicaura, a. a. 0. S. 36. 

® GÄRTNER, a. a. O. S. 420, WıcHhura 8.38, Näaenı 8. 412, Naupm S. 144, 
Hussr S. 121. 

* A. Kerner von MarızLaun, Können aus Bastarten Arten werden? Oesterr. 
bot. Zeitschrift. XXI, Nr. 2. 1871. 8.6. Vergl. auch Kerner, Das Pflanzenleben. 


DE VrIEs, Mutation. II. % 


66 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


werden, und namentlich bei fortdauernder Inzucht allmählich zu Grunde 
gehen würden, und dass somit namentlich die Erfahrungen GÄRTNER’S 
über diesen Punkt keinen Aufschluss zu geben im Stande sind. Dann 
aber zeigt er an einer Reihe im Freien vorkommender Hybriden, dass 
diese sich in vielen Hinsichten wie echte Arten verhalten, ja zum 
Theil als solche beschrieben worden sind. Einzelne solche Bastarde 
sind so häufig, dass an ihrer fortdauernden Fruchtbarkeit wohl nicht 
sezweifelt werden kann. 

Die Erscheinungen sind hier offenbar sehr complicirte. Die 
Fruchtbarkeit hängt ja wesentlich von der Lebenslage ab, und wenn 
somit die Bastarde erster Generation durch irgend welche Einflüsse, 
sei es auch nur durch das Reifen in nicht genau geeigneten Samen- 
hüllen und Kapseln geschwächt sind, kann es ja vorkommen, dass 
die Fertilität im der zweiten Generation zunimmt.! Dann aber ist 
darauf zu achten, dass die Aussaat von Bastardsamen in den meisten 
Fällen eine ziemlich starke Selection mit sich führt, denn man wählt 
unwillkürlich und nothwendiger Weise die fruchtbaren Individuen und 
die am besten adaptirten Keime, und auch dieses würde eine Er- 
‚höhung der Fertilität erwarten lassen. Andererseits erhalten sich 
manche Bastardrassen im der Cultur, bei ausreichenden Sorgen für 
die Isolirung, auch bei ziemlich geringer Fruchtbarkeit, im Laufe der 
(Generationen, wie z. B. der im nächsten Paragraphen zu besprechende 
Hybride von Oenothera muricata und O. biennis. 


$ 8. Die constanten Bastardrassen. 


Die Frage, ob es überhaupt constante Bastardrassen giebt, ist 
von den älteren Forschern stets vernemt worden. Um die Mitte des 
vorigen Jahrhunderts galt Aegilops speltaeformis, der damals sogar in 
der Descendenzlehre eine grosse Rolle spielte, als das einzige Bei- 
spiel eines Bastardes, der ebenso constant war als eine reine Art. 
Erst Wıcnura lehrte dauerhafte Bastarde unter den Weiden kennen, 
und zeigte, dass auch einige Erfahrungen GÄrrner’s sich in Ähnlichem 
Sinne deuten lassen. Es ist aber namentlich das Verdienst KERNER’S, 
durch eine grössere Reihe von Beispielen aus den verschiedensten 
(sattungen die Existenz von unveränderlichen Bastardrassen, nament- 
lich im Freien, nachgewiesen zu haben. Und seitdem haben sich die 
Fälle allmählich gehäuft. 


! Meine Bastarde von Oenothera Lamarckiana x eruciata waren in der 
zweiten und dritten Generation stets auffallend kräftiger und samenreicher als 
in der ersten. 


Die eonstanten Bastardrassen. 67 


Aber dennoch sind die Beispiele sehr selten. Weitaus die 
meisten Bastarde zeigen sich in ihren Nachkommen inconstant, wie 
wir im nächsten Paragraphen sehen werden. Und dieses Verhältniss 
ist auch dasjenige, das man erwarten muss. Die beiden Formen, 
welche im Bastard verbunden werden, unterscheiden sich nur selten 
in einer einzigen Eigenschaft; auch so enge Grade der Verwandt- 
schaft, dass die Differenzen sich nur auf zwei bis drei Punkte 
beziehen, sind selten, da die meisten Forscher eine scharfe Grenze 
zwischen Arten und Varietäten ziehen, und sich dadurch von dem 
Studium der Kreuzungen zwischen den letzteren abhalten lassen. 
Unterscheiden sich somit die Eltern in mehreren Eigenschaften, so 
nimmt offenbar die Aussicht ab, dass alle diese Eigenschaften con- 
stante sein würden; im Gegentheil werden sich bei steigender Zahl 
der Differenzpunkte sehr bald constante und inconstante zusammen- 
finden. Um aber als constant betrachtet zu werden, muss «ein 
Mischling solches in allen Charakteren sein; sobald auch nur eine 
Eigenthümlichkeit unbeständig ist, wird er schon zu der anderen 
Gruppe gerechnet. GÄRTNER betont ausdrücklich, dass viele Bastarde 
in den vegetativen Organen constant seien, während die Merkmale 
ihrer Blüthen bei der Fortpflanzung wechseln, d. h. sich in den Nach- 
kommen verschieden verhalten und namentlich auch die im Bastard 
latenten elterlichen Eigenthümlichkeiten zur Schau bringen. Man 
sollte also eigentlich von constanten und inconstanten Eigenschaften, 
nicht aber von constanten und inconstanten Bastardrassen sprechen. 
Wenigstens bilden die letzteren einen abgeleiteten, speciellen Fall. 

Ich beschreibe zunächst ein Beispiel einer constanten Bastard- 
rasse von höchst geringer Fruchtbarkeit, welche sich aber bei künst- 
licher Befruchtung und geeigneter Cultur in meinem Versuchsgarten 
im Laufe der Generationen erhielt, ohne je eine Andeutung eines 
Rückschlages oder auch nur verstärkten Hinneigens zu einem der 
Eltern zu zeigen. 

Dieser Hybride war Oenothera muricata L. x O. biennis L. Die 
Kreuzung führte ich 1895 aus; die erste Generation war zweijährig 
(1896/97), die zweite theils zwei-, theils einjährig; die dritte und 
vierte (1899 und 1900) eultivirte ich nur in einjährigen Exemplaren.! 
Alle diese Generationen bildeten in allen Individuen nur einen einzigen 
Typus, der demjenigen der O. biennis durchaus nahe stand. 

Im Sommer 1895 bestimmte ich für die Kreuzung ein zweijähriges 
Exemplar von O. muricata, welches im vorigen Jahre als junge Rosette 


‘ Die Cultur dieser Rasse wird fortgesetzt. 
H* 


68 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


aus dem Freien in meinen Garten übergepflanzt worden war. Ende 
Juli fing das Castriren und Befruchten an; es wurde der Blüthen- 
staub von ©. biennis dazu wiederum im Freien von mir eingesammelt. 
Der Versuch lieferte nur eine geringe Samenernte, welche im nächsten 
Frühling ausgesät wurde. Die Saat ergab (1896) etwas über 
50 Pflanzen, von denen einige im Herbst Stengel trieben und es 
noch bis zum Anfang der Blüthe brachten. Die meisten aber blieben 
Rosetten von Wurzelblättern und wurden überwintert, aber nur drei 
waren im Frühling 1897 kräftig genug, um weiter cultivirt zu werden. 
Sie trieben hohe Stengel, blühten reichlich und wurden in Pergamin- 
beuteln mit ihrem eigenen Pollen befruchtet. 

Sie lieferten eine ganz geringe Ernte, etwa 1 cem pro Pflanze, 
während bei den elterlichen Arten jede Frucht im Mittel etwa !/, cem 
Samen enthält. Schon vor der Reife sah man es den Früchten 
an, dass sie viel zu klein und nur mangelhaft ausgebildet waren. 
Im Uebrigen glichen die Pflanzen vorwiegend der O. biennis, hatten 
namentlich deren Blätter, Stengel und Blüthen. Aber die Traube 
war dichter beblättert und reichblüthiger, beides Merkmale der 
O. muricata. 

Von zwei Pflanzen wurden die Samen im nächsten Jahre (1898) 
ausgesät, und zwar in Schüsseln im Gewächshause des Laboratoriums. 
Die Aussaat fand Ende März statt, das erste Versetzen der Keim- 
linge in gedüngte Erde Anfang Mai und das Auspflanzen auf dem 
Beete Mitte Juni. Durch diese Behandlung gelang es einen grösseren 
Theil der Pflanzen bereits im ersten Sommer zum Blühen zu bringen. 
Ich hatte im Juni 240 junge Pflanzen, von denen nur 150 am Leben 
erhalten wurden; von diesen blühten im Laufe des Sommers und des 
Herbstes etwa 70 Exemplare. Sowohl diese als alle übrigen wieder- 
holten dabei nur die Merkmale der vorigen Generation. Von den 
einjährigen gewann ich nach Selbstbefruchtung Samen, aber ganz 
wenig, von drei Pflanzen zusammen kaum 0,2 cem. Die Rosetten 
überwinterte ich, und als sie im Juni Stengel trieben und sich alle 
als durchaus gleich erwiesen, rodete ich die meisten aus und behielt 
nur ein Dutzend übrig, welche dann im Laufe des Sommers reich- 
lich blühten. 

Die Samen von 1898 gaben im nächsten Jahre die dritte Gene- 
ration. Es keimten nur 55 Exemplare, von denen etwa 20 Rosetten 
blieben, etwa 10 zu spät ihren Stengel bildeten, während die übrigen 
im ersten Jahre ihre Blüthen entfalteten und zum Theil auch Früchte 
reiften. 

Aus selbstbefruchtetem Samen von diesen Pflanzen hatte ich 


PET u 


Die constanten Bastardrassen. 69 


denen 22 es im September zum Blühen gebracht haben; von den 
anderen hatten 33 meist hohe Stengel, während die übrigen zwei- 
jährig blieben. 

Im Ganzen habe ich also etwas über 400 Individuen erzogen, 
von denen mehr als 100 geblüht haben. Es ist dies allerdings für 
vier Jahre kein bedeutender Umfang der Versuche, aber doch der 
äusserst geringen Fruchtbarkeit des Bastardes gegenüber ein befrie- 
digendes Ergebniss. Jedenfalls reicht es aus, um die Constanz der 
Rasse im Laufe der Generationen darzuthun, da unter allen diesen 
Pflanzen keine einzige von einem abweichenden Baue vorkam. Ich 
habe die Hybriden in den verschiedenen Jahren mit ihren Eltern 
eingehend verglichen und entnehme meinen diesbezüglichen Notizen 
noch die folgenden Angaben, welche selbstverständlich, da man die 
Merkmale der Eltern noch nicht hinreichend auf die ihnen zu Grunde 
liegenden elementaren Eigenschaften zurückführen kann, höchstens 
den sehr beschränkten Werth der üblichen Beschreibungen von 
Bastarden haben.! 

Wählt man im Hochsommer ein mittleres Wurzelblatt von O. biennis 
und ein solches von ©. muricata x O. biennis aus und legt diese auf ein- 
ander, so findet man keine nennenswerthen Differenzen. Länge, Breite 
und Form, sowie der Rand und die Nerven sind zum Verwechseln 
ähnlich. Sogar die blassröthliche Farbe des Mittelnerven ist auf den 
Bastard übergegangen. Selbstverständlich sind alle diese Merkmale 
der fluetuirenden Variation unterworfen, aber die schmalen Blätter 
von O. muricata unterscheiden sich von diesen doch stets scharf. 

Die Grösse der Blumen hängt, wie bei den reinen Arten von 
Oenothera, in hohem Grade von der Jahreszeit und der individuellen 
Entwickelung ab. Die Bastarde sind nun keineswegs kräftiger als 
ihre Eltern, wenn man Culturen unter gleichen Bedingungen mit 
einander vergleicht. Öft scheinen die Blüthen etwas kleiner zu sein 
als diejenigen von O. biennis, oft aber auch nicht. Diese geringere 
Grösse mag auch damit zusammenhängen, dass sie in grösserer An- 
zahl hervorgebracht werden als bei O. biennis, denn die Trauben 
besitzen, wie bereits bemerkt, die Merkmale von O. muricata. Ihre 
Internodien sind zahlreicher und kürzer, ihre Blüthen also mehr 
gedrängt und in grösserer Anzahl sich an demselben Tage öffnend. 
Die Bracteen sind lang, länger als die Blüthen, oft bis hoch hinauf 
in die Trauben reichen. 


! Max Wiıcuura, Die Bastardbefruchtung im Pflanzenreich. 8. 49. 


70 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


Der Blüthenstaub ist in hohem Grade steril; die Samenknospen 
sind in geringerem Maasse zur Befruchtung ungeeignet. Ich über- 
zeuste mich davon in reciproken Kreuzungen mit O. Lamarckiana 
und mit O. biennis, mit deren Blüthenstaub der Bastard ausreichend, 
wenn auch nicht reichlich Früchte und Samen bildet, während um- 
gekehrt diese beiden Arten vom Bastard so gut wie gar nicht be- 
fruchtet werden. Es hat sich dieser sehr geringe Grad der Fertilität 
im Laufe der Generationen bis jetzt allem Anscheine nach unverändert 
erhalten. 

Die im Anfang genannte Aegilops speltaeformis ist eine Bastardrasse, 
welche seit etwa einem halben ‚Jahrhundert vielfach eultivirt wird, und 
welche sich jedes Jahr aus Samen in genau derselben Weise wieder- 
holt. Auch grössere Aussaaten zeigen sich ebenso einförmig wie die 
besten Arten. Im Garten zu Amsterdam habe ich mich mehrfach 
davon überzeugen können. Sie ist ein abgeleiteter Bastard und gehört 
also eigentlich nicht zu der hier zu behandelnden Gruppe, soll aber 
dennoch, wegen ihrer allgemeinen Bekanntheit, in den Vordergrund 
gestellt werden. 

Der Bastard von Aegilops ovata und Triticum vulgare führt den 
Namen 4eg. triticoides. Durch Befruchtung dieses Bastardes, der mit 
seinem eigenen Pollen steril ist, mit dem Staub des gewöhnlichen 
Weizens ist der abgeleitete Hybride Aegilops speltaeformis entstanden. 
Es lohnt sich, die öfters angeführte Geschichte dieser Pflanzen hier 
kurz zusammenzustellen.?! 

In der Gegend von Montpellier wächst Aegilops ovata nicht 
selten an den Rändern der Getreideäcker, und hier tritt der erste 
Bastard, Aeg. triticoides, bisweilen spontan auf. Esprir FABRE, der 
ihn zuerst beobachtete, erkannte seine Bestardnatur nicht und hielt 
ihn für einen Uebergang von Aegilops zu Tritieum.” Er äusserte diese 
Meinung zu einer Zeit, als die Frage nach dem Ursprunge der cul- 
tivirten Pflanzen und namentlich der Getreidearten lebhaft diseutirt 
wurde, und behauptete, in Aegilops ovala die wilde Stammpflanze des 
Weizens entdeckt zu haben. Er nahm diese vermuthliche Uebergangs- 
form zu wiederholten Malen in Cultur; sie blieb anfangs steril, brachte 
aber einmal einzelne Samen, aus welchen ein sich noch mehr an den 
Weizen annähernder Typus hervorging, den JORDAN später Aeg. speltae- 
formis nannte (1838). Diese Pflanze war fruchtbar, ergab sich als 


Es 


! Naupin, Ann. Sc. nat. 1875. p. 73. Wiıcnvra, Die Bastardbefruchtung. 
1865. 8. 85. Arsen Rorre, Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. April 1900. p. 195. 
® E. Faure, Mem. Acad. Se. et lettres Montpellier. 1853. 


Die constanten Bastardrassen. ya! 


constant, brachte aber von Zeit zu Zeit nebenbei Samen hervor, welche 
zu Weizenpflanzen heranwuchsen. Und damit glaubte FABRE den voll- 
ständigen Beweis für die Entstehung des Weizens aus einem kleinen 
wilden Grase gebracht zu haben. 

Gegen diese Auffassung erhoben sich namentlich JoRDAN und 
GopRon. Eirsterer betrachtete Aeg. speltaeformis als eine eigene, un- 
abhängige Art.! Gopron aber hat durch ausführliche und wiederholte 
Bastardirungsversuche den wahren Sachverhalt an’s Licht gebracht.? 

Die Constanz des Hybriden Aegilops spellaeformis ist über allen 
Zweifel erhoben? und durch eine so grosse Anzahl von Beobachtern 
in einer so langen Reihe von Generationen gesichert, dass ihm in 
dieser Beziehung kein anderes Beispiel zur Seite gestellt werden 
kann. Man kann einfach behaupten, dass die Pflanze seit 1838, als 
sie zuerst entstand, bis jetzt, also durch etwa 60 Generationen, sich 
unverändert erhalten hat. Die ersten 20 Generationen hat FABRE 
selbst cultivirt; dann erhielt GopRon Samen von ihm, und erwähnt 
im Jahre 1865 die 23. Generation.* Seitdem ist die Pflanze, wie 
oben hervorgehoben, in die Cultur fast aller botanischen Gärten über- 
gegangen.” Rückschläge, auffallende Polymorphie oder auch nur be- 
sonders starke Variabilität sind dabei nie erwähnt worden. JoRDAN’s 
Meinung, dass Aegilops speltaeformis eine gewöhnliche Art sei, lässt 
sich schon dadurch widerlegen, dass sie im Freien nicht vorkommt, 
und dort auch nicht im Stande sein würde ihre Samen zur Keimung 
zu bringen, namentlich aber durch den directen Nachweis ihres 
hybriden Ursprunges in Gopron’s Versuchen. 

GODRON kreuzte Aegilops ovata mit Tritieum vulgare und er- 
hielt Aegzlops triticoides. Diese Pflanze befruchtete er wiederum mit 
Weizen und erhielt jetzt Aegilops speltaeformis, welche sich bis zum 
Jahre 1862 durch vier Generationen rein erhielt. Die Kreuzung 


! Arzxıs Jorpan, Memoire sur U’ Aegilops triticoides et sur les questions d’hy- 
bridite et de variabilite specifique. Ann. Se. nat. Bot. 3. Serie, T. IV. p. 295. 361. 
Ders., Nouveau memoire relatif aux Aegilops triticoides et speltaeformis. Ann. 
Soc. Linn. Lyon. Nouv. Ser. T. IV. 1875. Mit einer Tafel. 

® A. Gopron, De l’Aegilops triticoides et de ses differentes formes. Ann. Se. 
nat. Bot. 4. Serie. T. V. p. 74 und 4. Ser, T. II. 1854. p. 218. Ders. in 
den Memoires de l’ Academie Stanislas « Nancy. 1858, p. 1. 1862, p. 290—296, 
1865, p. 361. Ders., De l’espece et des. rages. 1872. I. p.. 229. 

° J. GrönLann, Ueber Bastardbildungen in der Gattung Aegilops. PrınasHEım's 
Jahrb. f. wiss. Bot. I. S. 515.. Taf. 30. 

* Mem. Stanislas. 1865. p. 363. . 

5 Wıcaura, 2. a. O. 1865. 8. 65. Fock, a.a. 0. 1881. 8. 411. 

° Die Pflanze keimt nur bei künstlicher Aussaat unter guter Pflege. 


12 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


wurde nach zwei Jahren von Neuem begonnen, und diese zweite Rasse 
hatte im Jahre 1862 bereits zwei constante Generationen hervor- 
sebracht.! Während einiger Jahre wurden diese beiden Rassen im 
botanischen Garten von Nancy neben dem ursprünglichen 4Aegilops 
speltaeformis von FABRE durch GoDRoN cultivirt; es zeigte sich dabei 
überhaupt kein Unterschied. 

Während vieler Jahre ist Aegilops speltaeformis für das einzige 
Beispiel eines constanten Bastardes gehalten worden.? In den letzten 
Jahrzehnten hat man aber immer zahlreichere Fälle entdeckt, und 
wurde damit auch der Zweifel an den diesbezüglichen Angaben der 
älteren Forscher zu einem wesentlichen Theile beseitigt. Denn bereits 
(HÄRTNER erwähnt einige Hybriden, welche sich bei wiederholter Aus- 
saat unverändert fortpflanzen sollen, wie @eum intermedium (G@. urba- 
num x rivale), Lavatera pseudolbia X thuringiaca, Dianthus superbus X D. 
arenarius und einige andere Mischlinge von Dianthus. Auch in den 
(rattungen Gladiolus, Crinum u. a. kommen Beispiele von Constanz bis 
in die sechste und achte Generation vor.” WICcHURA nennt die Hybriden 
seiner Weiden constant in den vier Fällen, wo reine Befruchtung 
möglich gewesen ist (a. a. O. S. 27). HERBERT fand den von ihm er- 
zeugten Bastard von Petunia nyctaginiflora und P. phoenicea bei wieder- 
holter Aussaat in einer grösseren Anzahl von Individuen einförmig* und 
erhielt auch in der Gattung Loasa einen durch mehrere Generationen 
constanten Mischling.? Hurst nennt unter den Orchideen Paphio- 
pedilum Harrisianum (= P. barbatum x P. villosum) und P. vexillarium 
(= P barbatum x Fairieanum) als samenbeständig. Ebenso den Bastard 
von Epidendrum radicans und E. evectum, mit Ausnahme der Blüthen- 
farbe. Auten RotreE berichtet über eine Kreuzung, welche von Ber. 
SALTER zwischen Epilobium tetragonum und E.montanum ausgeführt wurde; 
die Mischlinge waren intermediär zwischen den Eltern und diejenigen 
der beiden reciproken Kreuzungen waren von einander nicht zu unter- 
scheiden. Während vier Jahren wurden die Bastarde durch ihren Samen 
vermehrt, und erhielten sie sich echt.” Medicago media (= M. falcata 
x sativa) ist eine seit Jahrzehnten im Grossen angebaute, constante 
Bastardrasse, welche oben bereits besprochen wurde. 


! Mem. Stanislas. 1862. p- 290. 

Naupis, Nowv. Arch. du Museum. 1869. p. 159. 
® GÄRTNER a. a. O. 8. 421 und 149. 

* Hybrid Conference Report, a. a. O. S. 124. 

° Darwın, Das Varüren. U. 8. 130. 

6 Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. 8. 124. 

” Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. $. 182. 


Die constanten Bastardrassen. 13 


Die früher erwähnten emseitigen Bastarde aus der Gattung 
Fragaria, welche MiLLARDET erzeugt und beschrieben hat, erwiesen 
sich nahezu alle, soweit sie untersucht wurden, als unverändert bei 
der Aussaat, und dasselbe gilt auch von der oben (S. 31) be- 
schriebenen Oenolhera Lamarckiana x biennis, sowie von den Hybriden 
von Hieracium in den Untersuchungen von MEnDEL und von PETER, in 
denen sogar die beiden Typen eines in der ersten Generation zwei- 
förmigen Bastardes sich in den folgenden Generationen als constant 
erwiesen." 

Einige constante Bastardrassen sind im Gartenbau als Samen 
im Handel, so z. B. die bekannte Veronica Andersonü (= V. salieifolia 
x V. speeiosa), welche zwischen ihren Eltern intermediär ist.? Am 
wichtigsten sind aber wohl die Bastardirungsversuche JANCzEwSKT’S 
in der Gattung Anemone, und namentlieh seine Verbindung von 
A. magellanica mit A. silvestris, welcher Bastard in der zweiten und 
dritten Generation der ersteren völlig glich, und sich auch sonst in 
jeder Hinsicht als eine gute Art verhielt. Janczewskt folgert daraus: 
„Il faut alors consid&rer la plante hybride comme une nou- 
velle espece d’Anemone, parfaitement constante et f6Econde“, 
und nur der theilweise sterile Blüthenstaub könnte noch den hybriden 
Ursprung verrathen.”? An diese Bastarde würden sich die von KERNER 
beschriebenen wildwachsenden Bastardrassen anreihen lassen. Da 
diese aber für die Frage nach dem Antheile der Bastardirung an der 
Entstehung neuer Arten von höchster Bedeutung sind, werde ich sie 
erst bei der Besprechung dieses Gegenstandes anführen. 

Aus den mitgetheilten Beispielen folgern wir also, dass es eine 
nicht unerhebliche Reihe von constanten Rassen giebt, 
welche durch künstliche Verbindung von zwei verschiedenen 
Arten entstanden sind, und sich im Laufe der Generationen 
in jeder Beziehung, höchstens mit Ausnahme der vermin- 
derten Fruchtbarkeit, wie gewöhnliche Arten verhalten. 
Solche constante Bastardrassen können aber offenbar nur dann ent- 
stehen, wenn sich unter den Unterschieden zwischen den Eltern kein 


! Die zahlreichen von Rımpau und Anderen nach den Spaltungen in der 
zweiten Generation der Bastarde beim Getreide erhaltenen constanten Bastard- 
rassen könnten hier gleichfalls angeschlossen werden. Vergl. unten. 

” M. Assaoo, L’ibridismo nei vegetali. Nuovo Giorn. bot. italiano. V. Nr. 1—3. 
1898. 8. 52. Vergl. auch Wırson, Bot. Jaarboek 1891 und Focke, Die Pflanzen- 
mischlinge. 8. 325. 

® E. pe Janczewskı, Les Hybrides du genre Anemone. Bull. intern. Acad. 
Sc. Cracovie. Juin 1889 et Juin 1892. p. 230. 


74 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


— 
einziger Charakter findet, welcher sich in den Nachkommen der 
Bastarde anders verhält. Kommen aber solche neben den constanten 
Merkmalen vor, so gehört der Bastard in die Gruppe, welche wir im 
nächsten Paragraphen zu behandeln haben. 


S 9. Die inconstanten Bastardformen. 


Die allgemeine Regel für das Verhalten der einfachen Bastarde 
ist, dass sie bei Selbstbefruchtung in den nachfolgenden Generationen 
unbeständig sind. Der Gärtner sagt, dass sie zu varliren anfangen, 
für den Botaniker bringt aber das Wort Variiren, sobald es ausser- 
halb des Gebietes der fluktuirenden Variabilität gebraucht wird, be- 
kanntlich nur vage und unscharf umschriebene Vorstellungen mit sich. 
In den Nachkommen trennen sich die im -Bastard theils sichtbaren, 
theils latenten Eigenschaften seiner beiden Eltern; diese Trennungen 
können mehr oder weniger vollständige sein. 

Bereits GÄRTNER hat gefunden, dass dieser Wechsel nicht noth- 
wendiger Weise alle Eigenschaften eines Bastardes trifft, dass gerade 
im Gegentheil nur einige davon berührt werden, während andere 
constant bleiben. Er giebt an, dass namentlich die Merkmale der 
generativen Organe zur Abwechslung geneigt sind, und unter diesen 
die Blüthenfarbe wohl in erster Linie; die vegetativen Organe ver- 
halten sich meist nach der Art der constanten Bastardrassen.! Diese 
Eintheilung soll aber keine scharfe sein und mehr das Vorhandensein 
eines Gegensatzes betonen, als die Natur dieses (regensatzes erläutern. 
Nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft würde man eher sagen 
können, dass die systematisch höheren Merkmale im Allgemeinen 
mehr constant sind, während die geringwerthigen, oberflächlichen 
Eigenschaften, wie Farbe, Behaarung, Bewaffnung u. s. w. mehr zur 
Inconstanz neigen. Doch ist auch bei dieser Fassung die Grenze 
zwischen beiden Gruppen noch durchaus keine scharfe. 

Die Bezeichnung: halbeonstante Bastardrassen würde somit 
auf die meisten fruchtbaren Bastarde Anwendung finden können. 
Ausgenommen wären einerseits nur die oben besprochenen constanten, 
und andererseits viele Hybriden, deren Eltern sich nur in einem oder 
einigen wenigen Merkmalen von einander unterscheiden. 

Aber gerade die Thatsache, dass die meisten Bastarde in ihren 
Nachkommen in einzelnen Merkmalen constant sind, in anderen aber 
nicht, führt uns wieder zurück zu unserem Prinzip, dass nicht die 


I GÄRTNER, a.a. 0. 8. 388 und 422. 


Die inconstanten Bastardformen. 75 


Gesammtheit der. Merkmale eines Bastardes Gegenstand wissenschaft- 
licher Erforschung sein sollte. Jede einzelne Eigenthümlichkeit sollte 
für sich betrachtet werden, und erst, wenn für die einzelnen Eigen- 
schaften die Gesetze bekannt wären, sollte man ihre Verbindung zu 
dem Gesammtbilde versuchen. Aber bis dahin ist allerdings noch 
viele Arbeit erforderlich. 

Das erwähnte Verhalten ist so allgemein, dass es sich kaum 
lohnt, Beispiele anzuführen. Andererseits sind die Angaben über die 
Inconstanz meist nicht so scharf formulirt, dass man stets genau ent- 
scheiden könnte, welche Eigenschaften beständig bleiben und welche 
nicht. Dieses aber wäre offenbar das Wichtigste, und Einzelnes 
hierüber wurde in dem vorigen Paragraphen bereits gelegentlich mit- 
getheilt. HERBERT fand, dass Amaryllis Johnsoni (= A. regia X A. villata) 
in der zweiten Generation verschiedene Formen und Farben der 
Blüthen hervorbrachte.e GÄRTNER giebt an, dass Nicotiana rustica 
x N. paniculata, Aquwilegia vulgaris X canadensis, Dianthus barbatus 
x chinensis, Linum perenne X austriacum sich in der zweiten Gene- 
ration derart verhalten, dass einige Individuen mehr zum Grossvater 
und andere zu der Grossmutter hinneigen, während die meisten inter- 
mediär bleiben. Je näher die Eltern verwandt sind, um so grösser 
wird diese „Variabilität“, wie Lobelia cardinalis X fulgens, L. cardinalis 
x splendens, Lychnis vespertina X diurna, und namentlich sehr zahl- 
reiche Varietätsbastarde lehren. Berberis stenophylla ist ein käuflicher 
Bastard zwischen B. Darwinii und B. empetrifolia. Hursr säte davon 
soviel Samen aus, dass er etwa 500 Bastarde zweiter Generation 
erhielt (a. a. ©. S. 121); 90°/, waren wiederum B. stenophylla, während 
die übrigen 10°/, zwischen dieser und den beiden Eltern in den ver- 
schiedensten Graden schwankten. Lactuca virosa X sativa wurde von 
Naupin zufällig gefunden, und brachte in der nächsten Generation 
eine grosse Reihe von Formen hervor.! 

Im zweiten Abschnitt werden wir diejenigen Fälle zusammen- 
stellen, welche für eine methodische Behandlung ausreichend emfach 
und klar sind. Es giebt daneben aber sehr viele, für welche unsere 
Kenntniss noch keineswegs eine genügende ist. Doch scheint es, dass 
die Variabilität in der zweiten Generation oft derjenigen analog ist, 
welche wir oben (8 6 S. 46) für die erste Generation behandelt haben, 
und dass namentlich dann, wenn die ursprünglichen Bastarde einförmig 
sind, sich in ihren Nachkommen bisweilen eine Variabilität einstellt, 
welche vorläufig wenigstens als ein Schwanken zwischen den beiden 


! Cu. Nauoin, Ann. Sc. nat. 1875. 8.73. 


76 Die Nachkommen der einfachen Bastarde. 


elterlichen Extremen zu betrachten ist. Ich führe als Beispiel das 
Verhalten einiger Zwergvarietäten an, wie es bei Erbsen und anderen 
Arten von verschiedenen Forschern beobachtet wurde. 

Sehr geeignet zu diesen Beobachtungen sind die Zwergvarietäten 
des gewöhnlichen Mohnes, von denen mehrere im Handel sind. Ich 
wählte Papaver somniferum nanum al- 
bum plenum, den sogenannten weissen 
Schwan, eine Varietät, welche ich 
durch viele Jahre eultivirt und bei 
reiner Befruchtung durchaus constant 
sefunden habe. Sie erreicht etwa 
S0 em, also nur wenig mehr als die 
halbe Höhe desgewöhnlichen P. somni- 
ferum (130 cm), bei gleicher Cultur. 
Nach der Castration befruchtete ich 
einige Blüthen des Zwerges mit der 
hohen Sorte Mephisto. Ich hatte im 
Sommer 1894 etwa 160 Bastarde, 
alle von derselben Höhe wie der 
Vater, und auch sonst höchst ein- 
förmig. Ich wählte zwei Exemplare 
für die Selbstbefruchtung aus und 
hatte aus ihrem Samen im nächsten 
‚Jahre wiederum etwa 160 Exemplare, 
welche in jeder Hinsicht ein buntes 
(Gemisch von Formen bildeten, und 
in Bezug auf die Höhe im allen 
Stufen zwischen den Stammeltern 
schwankten. Pflanzen von mittlerer 
Höhe bildeten die Mehrzahl, gingen 
aber so continuirlich in höhere und 
Fig. 15. Papaver somniferum nanum niedere//Mormen, her, /plzuEaiszuE 
album plenum, der weisse Schwan. Eine Grenzen anzugeben waren. 

ganze Pflanze. Aehnlich verhielt sich die Zwerg- 

form des Antirrhinum majus in der 

dritten Generation. Ich befruchtete im Sommer 1896 einige Blüthen 
einer niedrigen Varietät mit dem Staub einer hohen Sorte. Die 
Zwergvarietäten sind sehr gedrungen, mit kurzen Trauben, welche auf 
kurzen Aesten dicht zusammen stehen; die hohe Sorte erreicht etwa 
die doppelte Höhe und ist von lockerem Bau und mit langen ab- 
stehenden Seitenzweigen mit gleichfalls langen Trauben. Beide Sorten 


Die inconstanten Bastardformen. 17 


fand ich in umfangreicher, mehrjähriger Cultur samenbeständig und 
rein. Ich erzog im Jahre nach der Kreuzung etwa 250 Bastarde; 
sie hatten alle dieselbe Höhe wie die väterliche Sorte. In dieser 
'ultur wählte ich eine Pflanze für die künstliche Selbstbefruchtung 
aus, säte ihre Samen im Jahre 1898 und hatte 41 hohe und 
4 zwergige Individuen. Als ich nun diese letzteren in Pergamin- 
beuteln, jedes mit seinem eigenen Staub, befruchtet hatte, erhielt ich 
im Sommer 1899 vier Beete, jedes von einer Mutter, welche in Bezug 
auf die Höhe der Individuen die bunteste Mischung zeigten. Auf 
jedem Beet kamen typische Zwerge mit gedrungenem Bau, nebst 
hohen, locker verzweigten Individuen mit langen, blüthenreichen 
Trauben vor. Erstere trugen die Merkmale der Urgrossmütter, letztere 
diejenigen der Urgrossväter. Dazwischen gab es alle Uebergänge. 
Versuche, die Grössen durch Messungen festzustellen, scheiterten an 
dem Mangel eines brauchbaren Merkmales, denn die Trauben schliessen 
am Gipfel ihr Wachsthum nicht scharf ab. Die vier Beete trugen 
zusammen etwas über 600 blühende Pflanzen, von denen sehr viele 
theils hoch, theils zwergig waren, indem die mittleren Formen 
keineswegs die Mehrzahl bildeten.! 

Es giebt eine Reihe von Gartenpflanzen, in denen das eine oder 
das andere Merkmal derart varıırt, dass man ein ähnliches Schwanken 
zwischen zwei Extremen annehmen kann. Und die Umstände legen 
dann oft die Vermuthung einer Vermischung zweier getrennter Rassen 
nahe. Solches war z. B. der Fall in den im ersten Bande be- 
schriebenen Versuchen mit Chrysanthemum segetum (Bd. I, S. 527, 
Fig. 149 und S. 534—555). Hier gab die Mischung der 13-strahligen 
und der 21-strahligen Rasse nicht eine Öurve, welche der Summe der 
Curven dieser beiden Rassen entsprach, sondern eme solche, welche 
zwar zweigipfelig war, aber ausserhalb der beiden Gipfel auf 13 und 
21 Strahlen viel zu wenig Individuen enthielt, während zwischen diesen 
Gipfeln die Individuen derart angehäuft waren, dass sogar ein secun- 
därer Gipfel auf etwa 17 Strahlen entstand.? 

Ueberblicken wir die in diesem Paragraphen mitgetheilten That- 
sachen, so ergiebt sich einerseits, dass Unbeständigkeit in den 
späteren Generationen bei einfachen Bastarden die all- 
gemeine Regel ist, dass sie aber andererseits gewöhnlich 
nur einen Theil der Eigenschaften betrifft, während andere 


! Die Zwerge von Oenothera Lamarckiana, welche ich im ersten Bande als 
O. nanella beschrieben habe, geben bei Kreuzungen mit der Mutterart solche 
Zwischenformen nicht. Vergl. unten. 

® Vergl. hierüber den folgenden Abschnitt. 


78 Die Folgen wiederholter Kreuxungen. 


constant bleiben. Das eingehendere Studium dieser Erscheinungen 
erfordert somit eine Trennung der verschiedenen Eigenschaften von 
einander, und eine gesonderte Behandlung jeder einzelnen; dieses 
Prineip soll aber erst in den nächstfolgenden Abschnitten durch- 
geführt werden. 


III. Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


S 10. Zweielterliche abgeleitete Bastarde. 


Was wir Arten nennen, sagt BarEson, sind Mischungen von ver- 
schiedenen, theilweise sehr ungleichartigen Erscheinungen, und es ist 
die Aufgabe der wissenschaftlichen Kreuzungsversuche, diese ausser- 
ordentliche Quelle von Verwirrungen zu zergliedern. Nur in dieser 
Weise kann eine empirische Grundlage gewonnen werden, welche uns 
von dem ewigen Streite, was Arten sind und was nicht, wird erlösen 
können. ! 

Ich schliesse mich diesem Ausspruche durchaus an. Die Zer- 
lesung der Artcharaktere in ihre einzelnen Factoren ist auch für 
mich eins der Hauptziele der Bastardlehre. Wir können die Elemente 
der Art nun einmal nicht von den lebenden Organismen selbst trennen 
und gesondert untersuchen, etwa wie man die Krankheitserreger iso- 
liren und für sich eultiviren kann. Für eine elementare Eigenschaft 
bleibt wohl immer die Pflanze oder das Thier selbst der einzige 
Culturboden, auf dem sie wächst. 

Diese Culturböden aber sind so zusammengesetzt, dass an eine 
vollständige Analyse bei Weitem noch nicht zu denken ist. Wir sind 
darauf beschränkt, sie zu wählen, wie wir sie finden, wir können nur 
dafür sorgen, dass in vergleichenden Versuchen die Difterenzpunkte 
möglichst wenig zahlreich und möglichst klar sind, und dass im 
Uebrigen die Culturböden einander völlig gleich bleiben. 

Die einfachen Bastarde der ersten Generation, also die unmittel- 
baren Nachkommen aus der Verbindung zweier reiner Typen, lehren 
in der Regel in dieser Beziehung nicht viel, und auch die constanten 
Bastardrassen, oder der in den späteren Generationen constant blei- 
bende Theil der Bastardeigenschaften trägt noch wenig zur Analyse 
bei. Erst die Inconstanz bietet die Mittel zur Zergliederung. 


' Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. 1900. S. 66. 


Zweielterliche abgeleitete Bastarde. 79 


Hier lernt man die Einheiten kennen, welche sich von einander los- 
lösen lassen, und ebenso die Gruppen der äusserlich sichtbaren Merk- 
male, welche unzertrennbar verbunden sind, und also wohl nur die 
Aeusserungen je einer einzelnen elementaren Kigenschaft sind. 

Aber bei Weitem nicht alle Eigenschaften trennen sich in den 
Nachkommen der Bastarde. Gerade die wichtigeren, tieferen, sogenannt 
systematisch höheren pflegen unverändert auf die folgenden Generationen 
überzugehen. Hier gilt es also, nach neuen Methoden zu suchen, 
um dennoch das Ziel zu erreichen. 

Diese neuen Wege sucht die Bastardlehre in den wiederholten 
Kreuzungen. Die hybriden Exemplare werden dazu nicht mit dem 
‚eigenen Blüthenstaub, sondern mit demjenigen einer verwandten Art 
oder eines neuen Mischlings befruchtet. Die Producte nennt man 
abgeleitete Bastarde. Unter ihnen unterscheidet man die zwei- 
elterlichen oder binären, die dreielterlichen oder ternären u. s. w., je 
nach der Anzahl der ursprünglichen reinen Arten oder Typen, welche 
schliesslich zu der Entstehung des Bastardes beigetragen haben, oder 
welche, wie man häufig, aber unrichtiger Weise sagt, in dem Bastard 
verbunden sind. Ich nenne diese Bezeichnung unrichtig, weil man 
meist gar nicht weiss, ob alle Eigenschaften aller Eltern, oder auch 
nur von jedem Elter ein oder einige Merkmale in dem Bastard bei- 
behalten worden sind. Sie können ja gerade durch die Inconstanz 
oder vielleicht durch andere uns noch, unbekannte Vorgänge theilweise 
eliminirt worden sein. Hierauf komme ich aber erst im nächsten 
Paragraphen zurück. 

Zweielterliche oder binäre abgeleitete Bastarde nennt 
man diejenigen, welche durch die Kreuzung mit einer der ursprüng- 
lichen Stammarten entstanden sind. Stellt man den unmittelbaren 
Mischling vor durch a x b, so sind die abgeleiteten binären Bastarde 
axbxb, axbxa, und bei weiteren Kreuzungen axbxbxbu. s.w. 
GÄRTNER nannte die Typen axbxb undax bx a väterliche bezw. 
mütterliche Bastarde. KÖLREUTER und GÄRTNER legten ein grosses 
Gewicht auf die Kreuzungen nach dem Typus axb xbxbu.s. w, 
und axbxaxau.s.w. und nannten diese Versuche das Ueber- 
führen der einen Art in die andere. Sie suchten dabei die Frage 
zu beantworten, wie viele Generationen dazu erforderlich wären. 

Bei der Behandlung der einfachen Bastarde wird man, wie wir 
im Vorhergehenden gesehen haben, immer mehr dazu gezwungen, die 
constanten und die inconstanten Eigenschaften auseinander zu halten. 
Solches ist aber bei den abgeleiteten Mischlingen in noch höherem 
Grade der Fall. Betrachten wir die Möglichkeiten etwas genauer, 


80 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


welche sich bei der Kreuzung eines Bastardes mit einer seiner Stamm- 
formen darbieten. Handelt es sich um eine beständige Bastardrasse, 
so sind die Samenknospen der hybriden Mutter, soweit sie befruchtet 
werden, einander im Wesentlichen gleich, und die Kreuzung kann 
unmittelbar mit einer künstlichen Verbindung zweier reiner Typen 
verglichen werden. Handelt es sich aber um Eigenschaften, welche 
sich in den Kindern des Bastardes verschieden verhalten, so sind 
offenbar bereits die Samenknospen unter sich ungleich, und werden 
somit bei der Befruchtung wie eine Mischung wirken. Im ersteren 
Falle besteht die Möglichkeit einer gleichförmigen neuen Bastard- 
generation, und lässt sich erwarten, dass dies die Regel sein wird 
und dass Schwankungen oder Variabilität nach ähnlichen Gesetzen, 
in besonderen Fällen, eintreten werden, wie bei den Kreuzungen 
reiner Typen. Im zweiten Falle werden sich offenbar die Nachkommen 
so herausstellen, als ob als Mutter nicht eine einzige Form, sondern 
eine Mischung verwandter Arten oder Varietäten gewählt worden wäre. 
Es lohnt sich dann kaum, die Züge der ganzen neuen Generation Zu- 
sammenfassend zu beschreiben; viel zweckmässiger wäre es, die Gruppen 
verschiedener Herkunft so viel wie möglich auseinander zu halten. 
Leider eignet sich die vorliegende Literatur zu einer eingehenden, 
kritischen Behandlung um so weniger, je complicirter die Erschemungen 
sind. Die Widersprüche zwischen den einzelnen Autoren lassen sich 
meist nur durch Controleversuche lösen, und so lange man die all- 
gemeinen Gesetze der Kreuzungsvorgänge, und namentlich den Einfluss 
der Lebenslage nur so oberflächlich kennt, wie es jetzt noch der Fall 
ist, besteht immer die Aussicht, dass Wiederholungen zu neuen Wider- 
sprüchen und somit zu einer Vergrösserung der Verwirrung führen 
werden. Der einzige Weg, den die Forschung unter solchen Um- 
ständen einzuschlagen hat, ist offenbar das Aufsuchen möglichst ein- 
facher und klarer Fälle, und ein eingehendes Studium von diesen. 
Nach diesen Auseinandersetzungen komme ich zu der Vorführung 
einer Reihe von Beispielen, und fange mit der wiederholten Kreuzung 
einer constanten Bastardrasse an. Ich wähle dazu den oben (88, S.67— 0) 
beschriebenen Mischling Oenothera muricata X biennis, der sich durch 
vier Generationen constant und einförmig erhalten hat. Diesen habe 
ich einerseits mit ©. muricata, andererseits mit O. biennis. gekreuzt. 
Die Operationen fanden im Sommer 1899 statt, und es dienten dazu 
theilweise überwinterte zweijährige Pflanzen aus der zweiten, zum 
anderen Theile aber einjährige Individuen aus der dritten Generation. 
Wegen der hohen Sterilität des Pollens dieser Bastardrasse wurden 
die Hybriden als Mütter, und die reinen Arten als Väter benutzt. 


zZ 


Zweielterliche abgeleitete Bastarde. 81 


Für die Versuche wurden die Bastarde castrirt. Da solches 
‚aber nicht selten, zumal wenn es zu früh stattfindet, die Blüthen 
unbefruchtet abfallen lässt, wurden daneben auch Versuche angestellt, 
in denen das Castriren unterlassen wurde. Bei der hohen Sterilität 
des eigenen Blüthenstaubes schien diese Methode wohl zulässlich, und 
sind die Versuche in denjenigen Fällen, wo die abgeleiteten Bastarde 
einförmig und denjenigen aus den Castrationsversuchen gleich waren, 
jedenfalls völlig beweiskräftig. Sie liefern aber den Vortheil einer 
erheblicheren Ernte bei viel geringerem Zeitaufwand. 

Die Bastarde wurden in dieser Weise im August 1399 mit den 
beiden Eltern, also mit O. biennis und O. muricata, gekreuzt. Beide 
Verbindungen gaben einen eindeutigen Erfolg. Es wurden von der 
erstgenannten etwa 80 Kinder der castrirten und ebensoviele der nicht 
castrirten Mütter erzogen. Im jeder dieser beiden Gruppen brachte 
etwa die Hälfte der Pflanzen es zur Blüthe, während die übrigen 
theils ihre Stengel zu spät trieben, theils Rosetten blieben, theils ım 
Laufe des Sommers starben. Die Blüthe dauerte von Ende August 
bis etwa Mitte October. Alle diese Pflanzen waren sonst unter sich 
gleich, und von der Mutterform O. muricata X biennis nicht merklich 
verschieden. Selbst die dichten, langbeblätterten und reichblühenden 
Trauben waren dieselben. Ob sie eine Annäherung an O, biennis 
darstellten, vermag ich, bei der grossen Uebereinstimmung des ursprüng- 
lichen Bastardes mit dieser Stammform, nicht zu entscheiden. 

Die Kreuzung des Bastardes mit O. muricata verhielt sich in 
. dieser Hinsicht ähnlich. Auch hier war die ganze Generation 
wiederum einförmig. Sie umfasste wie oben S0 Pflanzen von castrirten 
und SO von nicht castrirten Müttern, nachdem eine zwei bis drei Mal 
grössere Anzahl im Juni, beim Auspflanzen, weggeworfen worden war. 
Aber alle diese Pflänzchen waren unter sich gleich, und die ausgepflanzten 
zeigten auch im August keine Unterschiede, als sie alle ihren Stengel 
getrieben hatten und die Hälfte bereits in voller Blüthe war. 

Weder in dieser Periode noch in der Jugend unterschieden die 
abgeleiteten Bastarde sich merklich von der O. muricata, was wohl 
daher rührt, dass der primäre Bastard O. biennis x muricata dem reci- 
proken Mischlinge nicht gleich ist, sondern sich dem väterlichen Typus 
bedeutend nähert. Die neuen Hybriden wurden in Bezug auf die 
Blätter, Stengel, Blüthen und Früchte sowie auf die ganze Tracht, 


! Dieses zeigt ferner, dass das Castriren völlig überflüssig gewesen war. 
Denn hätte Selbstbefruchtung stattgefunden, so würden die so entstandenen 
Bastarde sich sofort und auffällig von den übrigen unterschieden haben, da sie 
den zuerst beschriebenen biennis-ähnlichen Typus gehabt haben würden. 


DE VRIES, Mutation. 11. 6 


82 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


auch auf das Ueberhängen der Gipfel, genau verglichen, aber ohne dass 
es eelang, durchgehende Differenzen aufzufinden.! Die mit O. muricata 
befruchteten Exemplare gehörten der dritten Bastardgeneration an. 

Nach GÄRTNER sind die väterlichen Bastarde oft einförmig, in 
vielen Fällen aber geben sie zwei verschiedene Typen; bisweilen 
kommt dazu sogar noch eine dritte, meist nur in einem oder einigen 
wenigen Individuen auftretende Form (a. a. O. 8. 430—431). Grössere 
Variabilität scheint nur unter besonderen, bis jetzt noch nicht 
aufgeklärten Bedingungen, vielleicht durch mehrmals wiederholte 
Kreuzungen mit den beiden Eltern, oder bei sehr inconstanten Eigen- 
schaften einzutreten. Ich führe davon zwei verschiedene, aber noch 
Zweifeln unterworfene Beispiele an.! 

Linaria vulgaris X purpurea bildet wohl den bekanntesten Fall 
von Variabilität im ganzen Gebiete der Bastardlehre. Naupin eultivirte 
sie durch eine längere Reihe von Generationen und beschreibt den 
dabei jedesmal auftretenden Formen- und Farbenreichthum in aus- 
führlicher Weise.? Die diesen Darstellungen beigegebene Tafel mag 
auch viel dazu beigetragen haben, diesem Versuch bei Erörterungen 
über die Variabilität der Bastarde einen hervorragenden Platz ein- 
zuräumen. Doch hat es auch nicht an kritischen Bemerkungen ge- 
fehlt. Namentlich hat Gopron darauf aufmerksam gemacht, dass 
Naupis für die Isolirung seiner Blüthen nur sehr ungenügende Maass- 
regeln nahm.” 

Naupin befruchtete im Jahre 1854 Linaria vulgaris mit L. pur- 
purea und erhielt drei Pflanzen, welche einander gleich und zwischen 
den Eltern genau intermediär waren, aber erst im zweiten Jahre 
keimfähige Samen trugen. Diese Samen wurden im nächsten Jahre 
vergessen und erst 1858 ausgesät. Sie gaben ein grosses Beet mit 
etwa 400 blühenden Pflanzen, in denen eine unabsehbare Mannig- 
faltigkeit der Formen auftrat. Wie die Pflanzen befruchtet waren, 
bleibt undeutlich. GoDRoN behauptet, dass dieser Bastard, wenigstens 
in seinen Versuchen, stets mit seinem eigenen Blüthenstaub steril 
gewesen sei, und dass somit Naupıv’s Pflanzen wohl durch eine oder 
beide Stammarten, und namentlich durch Linaria vulgaris befruchtet 
sein dürften, und Naupın selbst sagt darüber (S. 99): „Get emprunt 


! Eine Wiederholung der beiden zu beschreibenden Versuche scheint mir 
dringend geboten, und habe ich diese auch bereits in Angriff genommen. 

® Ouartes Naudın, Nowvelles recherches sur Uhybridite dans les vegetaux. 
Nouv. Archiv. du Museum d’histoire naturelle A Paris. 1865. (1869; Me&moire 
present en 1861.) p- 96—105. Pl. V. 

3 Gopron, Mem. Acad. Stanislas. 1362. 


m 


Zweielterliche abgeleilete Bastarde. 83 


de pollen A l’esp&ce type est sans doute probable“, aber doch 
war er wohl nicht die einzige Ursache der grossen Variabilität. 

Wie dem auch sei, die 400 Hybriden zeigten die verschiedensten 
Abstufungen zwischen den Stammarten. Etwa 9°/, von ihnen konnten 
von Linaria vulgaris nicht unterschieden werden, 21°/, verhielten sich 
nahezu so wie die Bastarde der ersten Generation, zeigten aber unter 
sich in untergeordneten Punkten noch manche Abweichungen, 5°/, 
näherten sich ziemlich dicht der L. purpurea, und eine einzige Pflanze 
war dieser in jeder Hinsicht gleich. Alle die übrigen, 65°/,, stellten 
sich zwischen die Linaria vulgaris und den ursprünglichen Bastard, 
ohne dass es möglich gewesen wäre, unter diesen nahezu 300 Exem- 
plaren zwei zu finden, welche dieselbe Mischung der elterlichen Eigen- 
schaften aufwiesen. Die Differenzpunkte der Eltern aber lagen in 
der Höhe und der Verzweigung der Stengel, in der Grösse und der 
Farbe der Blüthen, und in den orangenen Unterlippen der L. vulgaris. 

Aus dieser Mischung wurden Samen der verschiedenen Typen, 
aber ohne reine Bestäubung gesammelt, und während fünf Generationen 
und mehr wiederholte sich die auffallende Variabilität. ! 

Geum intermedium (= Geum urbanum X rivale) ıst ein häufiger, 
oft spontan auftretender und von mehreren Forschern künstlich ge- 
machter, in geringem Grade fertiler aber constanter Bastard.?2 Eine 
ausführliche und kritische Uebersicht des über ihn Bekannten gab 
vor wenigen Jahren der jetzt verstorbene französische Forscher E. Roze, 
der auch selbst den Bastard gemacht hat,? mdem er @. urbanum mit 
G. rivale befruchtete. Die von ihm erhaltenen Mischlinge stimmten 
völlig mit den bekannten Beschreibungen des @. intermedium überein. 
Herr Roze hatte die Freundlichkeit, mir die Samen dieses Hybriden 
zur weiteren Fortzucht zu überlassen, theilte aber in seinem Briefe 
(Oct. 1896) über deren Befruchtung nichts mit. Aus diesen Samen 
erzog ich weit über 100 Pflanzen, welche im Jahre 1898 und in den 
nächstfolgenden Jahren äusserst reichlich geblüht haben und dabei 
eine unabsehbare Mannigfaltigkeit in den Verbindungen der elter- 
lichen Merkmale zeigten. Auch hier waren wohl keine zwei Exemplare 
einander gleich und sah man fast alle denkbaren Combinationen der 
beiden ursprünglichen Typen. Obgleich ich über die Constanz des 


! Naupin, a. a. O. und Ann. Se. nat. 1865. 8. 159. 
®? GÄRTNER, a. a. 0. S. 422. Focke, Die Pflanzenmischlinge. Menden, Ver- 
suche über Pflanzenhybriden. Verhandl. d. naturf. Vereins Brünn. IV. 1865. 
S. 40 und Ostwald’s Klassiker. 1901. 8.40. 
3 E. Roze, Le Geum rivali-urbanum, in Bull. Soc. bot. France. Tome XLIII. 
1896. p. 273. 
6* 


S4 Die Folgen wiederholter Kreux zungen. 


Geum intermedium bei reiner Befruchtung selbst = oe habe, 
liest es auf der Hand, wenigstens einen sehr erheblichen Theil dieses 
Formenwechsels einer zufälligen Bestäubung mit stammelterlichem 
Pcllen zuzuschreiben. 

Ausserdiesen beiden Beispielen giebteseine Reihe von Beobachtungen, 
in denen die zweite Generation einen mehr oder weniger auffallenden 
Formenreichthum zeigte. Handelt es sich nur um inconstante Eigen- 
schaften, so hat solches weiter nichts Auffallendes. In anderen Fällen 
dürfte die Ansicht Goprox’s zutreften, dass eine Kreuzung des Bastardes 
mit einer der elterlichen Formen die Ursache der erhöhten Variabilität 
gewesen sei.! So ist z. B. Primula variabilis ein häufig wildwachsender 
Hybride zwischen P. officinalis und P. acaulis, der in seinen Nach- 
kommen den Formenreichthum unserer Garten-Primeln erzeugt und 
davon seinen Namen erhalten hat. Aber Gopron, der diesen Bastard 
auch künstlich machte, fand ihn stets mit seinem eigenen Blüthenstaub 
steril, und behauptet somit, dass die vielen Formen der Nachkommen 
durch Befruchtung mit den Elternarten entstehen.? 

Wie oben bereits bemerkt wurde, haben KÖLREUTER und GÄRTNER 
ein grosses Gewicht auf die Frage gelegt, durch wie viele Kreuzungen 
ein Bastard in eine der stammelterlichen Formen übergeführt werden 
kann. Dabei wurde vorausgesetzt, dass der Mischling in einer Reihe 
von Generationen ausschliesslich mit dem Blüthenstaub entweder der 
einen oder der anderen Stammart befruchtet würde. Die neuen 
Hybriden glichen selbstverständlich jedes Jahr mehr dem gewählten 
Vater, bis ein Unterschied nicht mehr zu sehen war. GÄRTNER giebt 
eine Liste von Beispielen (a. a. O. S. 463), aus denen ich hier die 
folgenden hervorhebe: 


Aquilegia atropurpurea in canadensis in der 3. Generation, 


e£ canadensis  , vulgaris Fe ” 
Nieotiana rustica „ panieulata „ »„ 4—9. „ 
Dianthus chinensis „ barbatus 5 >» en 
1 superbus „‚Darbatus nm Dr. , 


An diese schliessen sich die übrigen Bastarde der Liste an, indem 
sie alle in der 3. bis 6. Generation in den Stammvater umgewandelt 
wurden. Bei anderen Kreuzungen kehrte bisweilen der Bastard sofort 
zum Typus des neuen Vaters zurück, und solches war z. B. in Naupın’s 


1 Gopron, Mem. Acad. Stanislas. 1862. S. 261—263 u. 8. w. 
? Vergl. auch den Primel-Bastard Naupıw’s in Nowv. Archives du Museum. 
1865. 8.38 und Taf. Ill. 


Ternäre und mehrfache Bastarde. 85 


angeführtem Versuche mit Linaria vulgaris x purpurea in Bezug auf 
die Rückkehr zu L. vulgaris der Fall. 

Es ist klar, dass es sich bei dieser Ueberführung wesentlich 
um die constanten und nur nebenbei um die übrigen Kennzeichen 
handelt. Denn die Inconstanz besteht ja gerade darin, dass die im 
Bastard verbundenen Eigenschaften der Eltern sich in seinen Nach- 
kommen trennen und wieder isolirt activ und sichtbar werden. Dazu 
bedarf es also einer Rückkreuzung mit einer der Stammformen gar 
nicht. Es genügt einfach eine Wahl aus den durch Selbstbefruchtung 
erhaltenen Nachkommen, und diese Wahl kann, wie, MENDEL! aus- 
führlich darlest, bei umfangreichen Culturen stets bereits in der ersten 
Generation der Nachkommen des Bastardes zum Ziele führen. Es 
handelt sich ja nur darum, ein Individuum zu finden, in welchem die 
einzelnen Eigenschaften in. derselben Weise verbunden sind als bei 
einem der Eltern. Die constanten Eigenschaften verhalten sich aber 
anders, denn sie sind in allen Individuen einer Bastardrasse dieselben, 
ändern sich im Laufe der Generationen nicht und gestatten somit 
kene Wahl. Die erwähnten KÖLREUTER-GÄRTNER’schen Versuche 
sind also doppelte gewesen; sie wählten in Bezug auf die inconstanten 
Merkmale die sich dem Ziele nähernden Individuen aus und schwächten 
die constanten Eigenthümlichkeiten des Bastardes durch die neuen 
Kreuzungen in einer bestimmten Richtung allmählich ab. Sie sind 
aber gerade aus diesem Grunde wichtig, da sie wiederum auf die 
Nothwendigkeit hinweisen, zwischen diesen beiden Haupttypen der 
elementaren Eigenschaften zu unterscheiden. 


S 11. Ternäre und mehrfache Bastarde. 


Nicht die Bastardirung, sondern die wiederholte Bastardirung ist 
im Gartenbau die wahre Quelle der „Variabilität“ Erst dadurch, 
dass drei, vier und mehr Sorten in den Hybriden verbunden werden, 
erreicht der Gärtner den bewunderungswerthen Formenreichthum 
seiner variablen Bastardrassen. Diese sind, wie ich bereits mehrfach 
betont habe, nicht im eigentlichen Sinne variable, sondern bestehen 
vielmehr aus einer grossen Reihe von Einzelformen, welche dann, bei 
neuen Kreuzungen, jedesmal diesen Reichthum erhöhen, indem sie 
alle, oder doch in möglichst grosser Anzahl, zur Erzeugung neuer 
Bastarde herangezogen werden. 


! GrEGoR MEnDEL, a. a. O. 8. 45—46, 


sb Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


Was die gärtnerischen Erfahrungen uns auf diesem Gebiete 
lehren, werde ich im nächsten Paragraphen an einigen hervorragenden 
Beispielen erläutern. Hier aber möchte ich versuchen, in wie weit 
es gelingt, auch in diesen verwickelten Erscheinungen zu einer klaren 
Einsicht zu gelangen. 

Im Grunde verhalten sich die Bastarde aus drei und 
mehr Eltern nicht wesentlich anders als die gewöhnlichen 
binären. Sie können ebenso einförmig und constant sein wie diese 
oder in ihren Nachkommen emen ähnlichen Wechsel der Formen 
hervorbringen. 

Zunächst führe ich einen sehr einfachen Fall an, den ich durch 
Kreuzung meiner oben beschriebenen constanten Bastardrasse Oeno- 
thera muricata X biennis mit einer dritten Art erhielt. Diese einförmige 
Rasse von stark verminderter Fruchtbarkeit war bei künstlicher 
Selbstbefruchtung während vier Generationen constant geblieben und 
hatte bei der Rückkreuzung mit den Eltern zwei Gruppen gleichfalls 
einförmiger Nachkommen erzeugt (vergl. oben S. 67 und 81). Ich 
kreuzte sie im Jahre 1899 mit O. Lamarckiana und wählte dazu theils 
Individuen der zweiten, theils solche der dritten Generation aus. Sie 
wurden alle castrirt. Die Aussaat gab etwa 350 Pflänzchen, welche 
beim Verpflanzen Anfang Juni noch keine deutlichen Unterschiede 
zeigten. 

Es wurden von jeder der beiden erwähnten Gruppen ohne Wahl 
SO Exemplare auf die Beete gebracht und die übrigen weggeworfen. 
Bereits im Juli zeigte sich aber ein Unterschied, indem die Blätter 
der meisten Pflanzen die gewöhnliche Breite der Blätter der Oenothera 
biennis und des Bastardes O. muricata X biennis hatten, während ein 
kleinerer Theil, etwa ein Drittel aller Individuen umfassend, sich 
durch schmälere Blätter auszeichnete. Hier ging die Breite dieser 
Organe auf etwa die Hälfte des in der anderen Gruppe normalen 
Werthes zurück, und näherte sich somit ganz bedeutend der für 
Oen. muricata gültigen Gestalt. Zu bemerken ist dabei, dass die 
breitblätterigen und die schmalblätterigen Exemplare keineswegs scharf 
von einander abgegrenzt waren, sondern vielmehr durch Uebergänge 
verbunden. Aehnliche Unterschiede in der Blattbreite habe ich auch 
sonst bei umfangreicheren Culturen von binären PBastarden von 
O. biennis und O. muricata mit ©. Lamarckiana als Vater beobachtet. 
Ein besonderer Werth ist darauf somit wohl nicht zu legen. Im 
August entwickelten sich die Stengel und entfalteten sich ihre Blätter, 
welche dabei den erwähnten Unterschied noch deutlicher zeigten. 

Abgesehen von diesen somit vielleicht unwesentlichen Differenzen 


” 
‘ 


Die variablen Bastardrassen des Gartenbaues. (6) 


war die ganze Bastardgruppe eine einförmige, und namentlich hatten 
alle Blüthen die Grösse derjenigen der O. biennis. 

Eine wichtige und vielfach ventilirte Frage ist die, wie viele 
elterliche Typen in einem Bastarde verbunden sein können. WICHURA 
gelang es, sechs Arten in dieser Weise zu vereinigen, und zwar führt 
er drei so entstandene Bastarde an. So kreuzte er Saliv Lapponum 
x Silesiaca mit Salix purpurea X viminalis und den daraus entstandenen 
quaternären Bastard verband er wiederum mit 8. einerea X incana zu 
einem senären. Den erwähnten quaternären Bastard kreuzte er auch 
mit S. caprea x daphnoides, und diesen senären wiederum mit S. daph- 
noides. Mehr Arten gelang es ihm aber nicht zu verbinden. 

Aehnliche Versuche hat in späterer Zeit namentlich PETER gemacht, 
der im der Gattung Zkeracium, als die am höchsten zusammengestellten 
Bastarde, solche von 5 oder 6 Arten fand (a. a. O. S. 231). Er 
führt 13 solche Combimationen an; vielleicht kommen auch spon- 
tane oder theilweise spontane Hybriden mit noch complicirterer 
Zusammensetzung vor, aber dann lassen sich die Eigenschaften 
der einzelnen Stammarten nicht mehr mit hinlänglicher Sicherheit 


erkennen. 

Ueber die Constanz oder die Veränderlichkeit der ternären und 
mehrfachen Bastarde bei Selbstbefruchtung liegen nur wenige brauch- 
bare Erfahrungen vor. Denn in der Regel nimmt die Fruchtbarkeit 
in dem Grade ab, als mehr ursprüngliche Typen verbunden werden. 
Die Anzahl der erhaltenen Hybriden aus eimer Kreuzung lässt dann 
oft kein entscheidendes Urtheil zu. So hat z. B. WıcHuRA nur vier 
binäre Bastarde in mehreren Exemplaren gezogen (a. a. O. S. 52) und 
von höher zusammengesetzten häufig nur ganz einzelne Pflanzen. 
Nach seiner Erfahrung sind die abgeleiteten Weidenbastarde bald 
polymorph, bald einförmig, bald einförmig, ersteres dort, wo hybride 
Pollen, letzteres hingegen wo Pollen einer echten Art zur Befruchtung 
verwendet wurden (S. 56). 


S 12. Die variablen Bastardrassen des Gartenbaues. 


Schönheit und Formenreichthum sind die Ziele des Gärtners, und 
künstliche Bastardirungen sind die wichtigsten Mittel, um diese Ziele 
zu erreichen. Manche Gattungen eignen sich ganz besonders dazu, 
und je zahlreicher die ursprünglichen wilden Arten sind, welche sich 
unter einander kreuzen lassen, um so grösser wird der Reichthum an 
Formen unter den Bastarden, um so freier die Wahl der schönsten 
unter ihnen sein. Möglichst viele Arten werden somit mit einander 


ss Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


verbunden, ja es gilt als Regel, jede neu eingeführte Sorte, oder jede 
zufällig aufgetretene gute Varietät sofort mit allen Verwandten zu 
kreuzen. Es entsteht dadurch eine so grosse Menge von Formen, 
dass die einzelnen Handelssorten in solchen Gattungen bei Hunderten 
und Tausenden zählen, und dass grosse Ausstellungen, welche nur 
einer einzigen Gattung, wie z. B. Chrysanthemum, gewidmet sind, jetzt 
keineswegs mehr selten sind. Die älteren Gattungen Dahlia, Fuchsia, 
Pelargonium u. s. w. sind Jedem bekannt, aber auch die neueren, in 
bestimmter Richtung fortschreitenden, wie Begonia, Canna, Caladium, 
Gladiolus und Amaryllis sind jetzt in fast allen Gärten und Gewächs- 
häusern vertreten. (Vergl. den ersten Band S. 55 und 421.) 

Die Erfahrungen, welche im Gartenbau über solche variable 
Bastardrassen gemacht worden sind, sind in vielen Hinsichten auch 
für die theoretische Wissenschaft von grosser Wichtigkeit. Doch 
wird diese vielfach überschätzt, und indem ich hier die Geschichte 
solcher Culturen an einigen Beispielen zu erläutern beabsichtige, 
möchte ich dabei vorausschicken, dass die Angaben der Gärtner stets 
mit Vorsicht aufzunehmen sind, und dass man ihnen nicht eine höhere 
Bedeutung geben darf, als ihnen vom Urheber selbst zugestanden wird. 
Der Gärtner arbeitet nun einmal nicht im Dienste der Wissenschaft, 
seine Mittheilungen über den Ursprung seiner Pflanzen macht er fast 
stets nur im Interesse der Reclame, wie wir dies ja auch bereits im 
ersten Bande mehrfach besprochen haben. 

Ueber die ausgeführten Kreuzungen werden im Allgemeinen keine 
Notizen gemacht. Beim Einsammeln der Samen weiss man natürlich, 
welche die Mutterpflanze ist und sammelt im besten Falle die Samen 
der einzelnen Individuen, meist aber nur die Samen der ganzen zu den 
Kreuzungen benutzten Gruppe durcheinander. Aber auf jeder Pflanze 
werden oft die verschiedenen Blüthen mit dem Staube anderer 
Varietäten und Arten belegt, so dass aus dem Samen ganz gewöhnlich 
eine Mischung aufgeht, aus der man später die besten Typen aus- 
suchen kann. Denn das ist ja der Zweck des Züchters. Auf der 
Gärtnerei des Herrn Örovusse in Nancy zeigte der Inhaber mir seine 
Bastarde von Begonien, mit den Namen der Mütter, dasselbe sah ich 
für Caladium bei Herrn ComtE in Lyon, und ebendaselbst zeigte mir 
Herr Örozy eine Gruppe von Bastarden, welche aus gekreuzten Samen 
seiner Canna „Madame Crozy“ entstanden waren. Aber die Väter 
kennt man selbstverständlich nicht, man erräth sie nach den Eigen- 
schaften der Bastarde, legt aber darauf nur dann Wert, wenn man 
durch unbescheidene und zudringliche Fragen dazu gezwungen wird. 


a 


Es liessen sich aus der Bastardliteratur ganz merkwürdige Angaben 


Die variablen Bastardrassen des Gartenbaues. 89 


anführen, welche den auf solche Fragen gegebenen Antworten ent- 
sprungen sind (M.). Die besten Züchter ziehen es in diesen Fällen 
vor, bestimmte Antworten zu geben, lieber als emem Jeden ein- 
zugestehen, dass sie die Antwort nicht wissen, und machen daraus, 
Anderen gegenüber, gelegentlich wieder kein Geheimniss.! Nur in 
besonders auffallenden Kreuzungen erinnert man sich der Wahl des 
Vaters, z. B. wenn es sich um Gattungskreuzungen, oder selten gelingende, 
oder solche mit neuen eingeführten Arten handelt. Aber wenn es 
perennirende oder holzige Arten sind, welche erst nach drei oder 
mehr Jahren blühen, so ist selbstverständlich alle Erinnerung an die 
Einzelheiten der Operationen verschwunden. Die Angaben in Handels- 
katalogen, Zeitschriften und die daraus zusammengestellten oft sehr 
schönen monographischen Darstellungen sind also stets unter dieser 
Rücksicht zu verwerthen, und wenn man die historischen Angaben 
über dieselben Gattungen aus verschiedenen Quellen mit einander 
vergleicht, so findet man oft weitgehende Differenzen in den Auf- 
fassungen.” Denn bisweilen ringen wissenschaftliche Genauigkeit und 
Eifersucht hier um den Vorrang. 

Als erstes Beispiel wähle ich die Gattung @ladiolus.” Vor mehr 
als einem Jahrhundert cultivirte man in Europa in den Gärten all- 
gemein die kleinblüthigen Arten @. communis und @. byxantinus, wäh- 
rend allmählich einige neue Formen eingeführt wurden, denn die 
Gattung besitzt weit über 100 Species, alle in der Alten Welt, grossen- 
theils im südlichen Theile Afrikas, ferner in Persien und Afghanistan, 
einzelne sogar in Mittel-Europa. Aber der erste wirklich bedeutende 
Schritt war die Einführung von @. floribundus und @. cardinalis in die 
Culturen um das Jahr 1824. Aus den Kreuzungen dieser Arten ging 
die @. Gandavensis hervor, welche jetzt weitaus die beliebteste und 
verbreitetste Formengruppe ist, und welche erst in den späteren 
Jahren ihren Vorrang mit den verbesserten Sorten LEmomr’s theilt 
(Fig. 16). Die erste Kreuzung wurde von BEDDInGHAUS, Obergärtner 


! Mir ist der Fall vorgekommen, dass ein sehr bedeutender und hoch- 
gebildeter Züchter mir versprach, aus seinen Notizen eine Geschichte seiner 
Kreuzungen zusammenzustellen. Als ich ihn dann später brieflich an sein Ver- 
sprechen erinnerte, antwortete er, die Notizen seien leider bei einer Feuersbrunst 
verloren gegangen. (A. B.) 

° Zu den besten Monographien dieser Art gehören The Chrysanthemum von 
F. W. Bursivee, 1885, The Begonia, The Narcissus und andere aus derselben 
Reihe („The Garden“, London). 

® E. Lemoine, Journ. Roy. Hortie. Society. Vortrag vom 9. Sept. 1890, und 
ders., Les glaieuls hybrides rustiques, Naney 1891, 26 8. 


90 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


des Herzogs von ÄAREMBERG in Belgien, ausgeführt, und zwar zwischen 


G. psiltacinus und @G. cardinalis ($). Die Bastarde hatten die Tracht 
und die Rispe der ersteren Art und die Blüthenfarbe der letzteren, 


Fig. 16. Gladiolus hybridus Lemoinei. 

Eine derzahlreichen Neuheiten dieser 

Sorte, welche im Winter 1892/93 in 

den Handelgebracht wurden,! undder 

bei meinem Besuche im Sommer 1891 
ihr Name gegeben wurde. 


die Blüthen waren gross und von ver- 
schiedener Form und Zeichnung. Die 
Neuheit wurde vom Handelsgärtner 
Lovıss van HovrtE in Gent käuflich 
erworben und von ihm im Jahre 1841 
unter dem Namen @. Gandavensis in 
den Handel gebracht. 

Der Erfolg war ein ganz über- 
raschender, die Neuheit hatte all- 
gemeinen Beifall und fand rasche Ver- 
breitung. Denn die Rispen trugen 
17—20 grosse, leuchtend rothe Blumen 
und übertrafen alles, was man bis da- 
hin von Gladiolen gesehen hatte. Sie 
wurde in der Flore des Serres et des 
Jardins de U Europe 1846 abgebildet. 
Aber wie klein und unbedeutend 
scheinen sie uns jetzt auf dieser Tafel, 
wenn man sie mit den heutigen Er- 
rungenschaften vergleicht. Seit jener 
Zeit kam das Hybridisiren der Gla- 
diolen in die Mode, in Oxford wid- 
mete sich WILLMORE, in Fontaine- 
bleau SoucHEr dieser Aufgabe, und 
zahlreiche andere Gärtner folgten ihrem 
Beispiele. Neben @. psittaeinus und 
@. floribundus wurden @. blandus und 
G. ramosus in die Kreuzungen auf- 
genommen. Wichtig ist es dabei zu 
bemerken, dass niemals Kreuzungen 
mit beliebigen Arten gemacht wurden, 
einfach zu dem Zwecke, die Varia- 


. . x . 
bilität zu erhöhen. Im Gegentheil, man kreuzte stets nur mit solchen 
oO ’ 
Arten, die eine ganz bestimmte gute Eigenschaft besassen, welche 


! Um eine Vorstellung von dem Handelswerthe solcher Neuheiten zu geben, 
theile ich hier mit, dass die Neuheiten damals 5—8 Frances pro Zwiebel kosteten, 
ein Preis, der übrigens ein ganz normaler für neue Gladiolen ist. 


Die variablen Bastardrassen des Gartenbanes. 91 


bis dahin in der cultivirten Bastardrasse fehlte, und Zweck der 
Kreuzungen war jedesmal, diese besondere Eigenthümlichkeit auf die 
Rasse zu übertragen. Die Variabilität rührt von der alten Culturrasse 
her, die neu eingeführten Species sind in der Regel nicht, was man 
in der Cultur „variabel“ nennt, d. h. sie sind einförmig, ihre Varia- 
bilität ist auf die gewöhnliche fluctuirende beschränkt. Wie die 
„Variabilität“, d. h. der Formenreichthum der Bastardrasse anfäng- 
lich entstanden ist, lässt sich aus den vorhandenen Angaben nicht 
mehr eruiren, ebenso wenig wie diese Mannigfaltigkeit bei den späteren 
Kreuzungen allmählich zugenommen hat. Die Vorschrift lautet, dass 
man für die Kreuzungen stets möglichst variable Formen wählt, und 
das bedeutet ganz gewöhnlich, dass man mit einer neu eingeführten 
Sorte alle gerade verfügbaren Varietäten seiner Cultur kreuzt. Giebt 
dann jede Kreuzung auch nur eine neue Form, so tritt doch sofort 
der neue Bastard in einer stattlichen Reihe von Typen, also mit 
grosser „Variabilität“ auf. (Vergl. auch Band I, S. 130.) Und die 
praktisch oft unvermeidliche Mischung der Samen von verschiedenen 
Kreuzungen lässt häufig einen tieferen Einblick im den Vorgang der 
Erhöhung der Variabilität durch Kreuzung nicht zu, obgleich es 
wohl feststehen dürfte, dass die Reihe der cultivirten Formen eine 
viel grössere ist als der Annahme einförmiger Bastarde für jede ein- 
zelne Kreuzung entsprechen würde. 

Die Sorten des Gladiolus Gandavensis sind in den Gärten von 
Mittel-Europa nicht winterhart; die Zwiebeln müssen aus der Erde 
genommen, trocken aufbewahrt und erst im März oder April gepflanzt 
werden. LEMOINE machte es sich zum Zweck, eine Sorte darzustellen, 
welche den Winter im jenem Klima würde ertragen können, und wählte 
dazu den @. purpureo-auratus,' der im Jahre 1870 von WırLıam BULL 
in London aus Natal eingeführt worden war, eine völlig winterharte 
Art, aber mit kleinen, mehr geschlossenen, fast röhrenförmigen und 
wenig zahlreichen Blumen. Er führte die Kreuzung im Sommer 1875 
mit verschiedenen Formen von @. Gandavensis aus und erhielt eine 
Reihe von Hybriden, aus denen nur die beiden besten ausgewählt 
wurden. Sie kamen 1880 in den Handel und erregten lebhaftes 
Interesse. Sie waren winterhart, aber mit der reichen Blüthentraube 
des @. Gandavensis, und mit anderen Farben und Zeichnungen der 
Blüthen. Aus ihnen wurde durch weitere Kreuzungen die stattliche 
Menge der Formen des @. kybridus Lemoinei erhalten (Fig. 16). 

Während diese Kreuzungen nur die bereits cultivirten Varietäten 


Abgebildet in Flore des Serres et des Jardins 15. Febr. 1874. 


92 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


von @. Gandavensis in mannigfaltiger Weise mit den beiden neuen 
Hybriden verbanden, wurde einige Jahre später die Gruppe abermals 
bedeutend vergrössert durch die Aufnahme von @. Saundersü. Diese 
ist eine kleine winterharte Pflanze, welche kurze Zeit vor 1872 aus 
Natal eingeführt wurde und in diesem Jahre in den Gärten von Kew 
blühte. Das Laub war bläulichgrün, die Rispen schwach und wenig- 
blüthig, die Blumenblätter sehr gross aber nicht weit geöffnet, blass- 
roth und zierlich punktirt. 

Trotz einiger weniger günstiger Eigenschaften empfahl sich diese 
Art sofort zu neuen Kreuzungen und wurde dazu auch bald von den 
verschiedensten Seiten benutzt. Die meisten Züchter verbanden sie 
mit @. Gandavensis, LEMOINE aber mit seinem neuen @. Lemoinei. 
Dadurch vereinigte er die in letzteren bereits errungenen Fortschritte 
mit den guten Qualitäten des @. Saundersiü. Die ersten Kreuzungen 
fanden im Jahre 1883 statt, und zwar wurde wiederum sofort eine 
ganze Reihe der Formen von @. Lemoinei mit @. Saundersii befruchtet 
und umgekehrt. Diese ganze Gruppe von Bastarden erhielt den Namen 
G. nanceianus (Gladiolen von Nancy). Der Stammbaum dieser sehr 
variablen, d. h. also polymorphen und polyphyletischen Gruppe, kann 
in der folgenden Weise übersichtlich dargestellt werden: 


G. nanceranus 


A 
Jahr der Kreuzung: v Fa 

1883 @. Lemoinei x G. Saundersti 
A 

1875 G. Gandavensis x G@. purpureo- auratus 
A 
Y < 

1837 G. psittacinus x @. cardinalis.! 


Neue Kreuzungen mit immer zahlreicheren älteren Culturvarietäten 
haben seit 1883 den Formenreichthum des @. nanceianus allmählich 
vergrössert. Im Jahre 1889 waren von diesen bereits neun im Handel, 
und fast jedes spätere Jahr fügte eine ähnliche Anzahl dazu. 
Die Grösse und die Punktirung der Blumenblätter des @. Saundersii 
gehören zu den Merkmalen der neuen Rasse, die geschlossenen und 


! Je älter die Angaben, um so unsicherer pflegen sie zu sein. So behauptet 
W. Hekrserrt, dass nicht @. cardinalis, sondern @. oppositiflorus zu dieser Kreuzung 
diente, da erstere Art sich überhaupt nicht fruchtbar mit @. psittacinus kreuzen 
lasse (Journ. Roy. Hortic. Soc. London 1847. Vol. 2. p. 89). 


Die variablen Bastardrassen des Gartenbaues. 93 


hängenden Blüthen aber nicht, da alle Bastarde, welche solche zeigten, 
als werthlos aus den Oulturen ausgeschieden worden sind. 

Wie Gladiolus, so bildet auch Amaryllis eine ganz beliebte Gattung 
für Kreuzungen, und zwar seitdem der berühmte Monograph dieser 
Gruppe, W. HERBERT, die grossen Erfolge hat kennen gelehrt, welche 
hier von künstlichen Befruchtungen zu erwarten sind.! Auch hier 
zeichnet sich die Gattung, namentlich aber die Untergattung Hippe- 
astrum durch einen Reichthum an natürlichen Formen aus, unter 
welchen man die besten und schönsten für die mannigfaltigsten Ver- 
bindungen aussuchen kann. Dabei gilt es als Regel, nur solche 
Formen zu wählen, welche wirklichen Werth haben, d. h. welche be- 
stimmte gute Eigenschaften in die Rasse einführen können. Nie kreuzt 
man, wie mir namentlich der berühmte Züchter DE GRAAFF in Leiden 
versicherte, einfach zu dem Zwecke, die Variabilität zu erhöhen, ganz 
im Gegentheil vermeidet man gerade solche Arten, welche minder- 
werthige Eigenthümlichkeiten besitzen. Die älteste Form, Amaryllis 
speciosissima, mit ihren schmalen einfarbigen dunkelrothen Blumen- 
blättern, wird auch jetzt noch vielfach in Gärten cultivirt; vergleicht 
man sie mit den grossen, weitgeöfineten breitblätterigen gestreiften 
Hybriden der neueren Zeit, so sieht man auf den ersten Blick den 
grossen Fortschritt. Aber dieser Fortschritt beruht nicht darauf, dass 
etwa neue Eigenschaften ausgebildet würden, sondern einfach hierauf, 
dass man bessere und schönere Arten aus fernen Ländern einführte 
und diese mit einander kreuzte, ihre Merkmale in den verschiedensten 
Weisen verbindend. Ausserhalb des Kreises der vorhandenen Eigen- 
schaften haben die Amaryllis-Bastarde bis jetzt nicht variirt, oder 
doch wenigstens nicht in Richtungen, welche für die gärtnerische 
Praxis Erfolg versprachen. 

Ausgangspunkt für die Kreuzungen war namentlich A. vittata mit 
weiss und roth gestreiften grossen Blumenclättern und 4—5blüthigen 
Schirmen.? Sie wurde mit den verschiedensten Arten gekreuzt, namentlich 
mit A. equestris und A. Johnsonii (A. Reginae var.), welche letztere leuchtend 
feuerrothe Blumen trägt. Die Bastarde brauchen, je nach den Sorten, 
3—D Jahre, bis sie zur Blüthe kommen und beurtheilt werden können, 
und oft erlaubt erst das zweite Blühjahr eine richtige Schätzung. In 
dieser Zwischenzeit werden selbstverständlich immer neue Kreuzungen 


! W. HeERBERT, Amaryllidaceae, with a Treatise upon Cross-bred Vegetables. 
London 1837. 

° Vergl. Harry Verten, The Hippeastrum. Journ. Roy. Hortie. Soc. Vol. XII. 
Earl II. S.243--955. 


34 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


ausgetührt, und das Material nimmt allmählich an Umfang zu. Sobald 
Hybriden blühen, werden diese vorzugsweise zu Kreuzungen verwandt, 
und allmählich füllen die Neuheiten die für sie bestimmten Gewächshäuser 
völlige aus. Dass unter solchen Umständen beim Kreuzen der einzelnen 
Blüthen eines Schirmes mit verschiedenen Vätern und beim selbst- 
verständlichen Mangel genauer Buchhaltung die Genealogie nur in 
ganz grossen Zügen aufgestellt werden kann, braucht kaum betont 
zu werden. Von den neu eingeführten oder käuflich bezogenen Arten 
kennt man das Jahr ihrer Aufnahme in die Rasse, alles Weitere aber 
seht im bunten Wechsel der Farben und Formen verloren. Einzelne 
Bastarde überragen alle übrigen weit an Schönheit und werden daher 
für die späteren Kreuzungen vorzugsweise benutzt; sie üben auf diese 
oft einen grossen Einfluss aus, und ıhr Antheil bleibt somit frisch 
im Gedächtniss. So z. B. Amaryllis Graveana, von Herrn DE (HRAAFF 
gewonnen, und der spätere Hybride „Empress of India“. 

Die aus den drei oben genannten Arten erzeugten Bastarde 
wurden später mit neuen Species gekreuzt. Zuerst mit A. Brasiliensis 
und 4. psittaeina, mit viel breiteren äusseren Kronenblättern, und 
nachher mit den beiden von Peru herrührenden Arten A. Leopoldi und 
A. pardina, welche ihren gelben Farbenton und ihre carmoisinrothen 
Flecken in die Rasse einführten. Immer neue Arten wurden entdeckt, 
und falls sie gute Eigenschaften hatten, mit den älteren Formen ver- 
bunden, und zwar jedesmal mit möglichst vielen, wodurch die „Varia- 
bilität“ sowohl erhalten als vermehrt wurde. Schlechte Arten, wie 
A. solandraeflora mit ihren hängenden Blüthen, wurden aber in der 
Regel von den Kreuzungen ausgeschlossen. Die Cultur in Gewächs- 
häusern muss ja mit mehreren Hunderten von Exemplaren zufrieden 
sein, und gestattet es nicht, Kreuzungen vorzunehmen, von denen eine 
grössere Anzahl der Hybriden bei der Blüthe, d. h. nach 3 
Pflege, sich als werthlos herausstellen könnte. 

Die Hybridisirung in der Gattung Caladium habe ich in den 
(rewächshäusern des Herrn ALFrED Breu in Paris studirt, wo während 
dreissig ‚Jahre die besten Arten des Handels zu einer alles Uebrige 
an Pracht und Reichthum der Farbenmischungen weit übertreffenden 
(sruppe verbunden worden waren. Der Ursprung dieser Kreuzungen 
geht auf das Jahr 1858 zurück, da damals in den Urwäldern Brasiliens 
von ÜHANTIN die ersten wirklich prachtvollen Species entdeckt wurden. 
Sie waren acht an der Zahl, fanden bald weite Verbreitung in Europa 
und verlockten durch die Leichtigkeit der Operation ebenso sehr zu 
Kreuzungen als durch die sonderbaren Farben und Zeichnungen ihrer 
Blätter. Anscheinend völlig weisse Blätter sind wohl bei keinem 


5jähriger 


Die variablen Bastardrassen des Gartenbaues. 95 


anderen Gartengewächs etwas so Gewöhnliches und so Anziehendes 
als gerade bei Caladium. Die fraglichen Arten waren! C©. Chantini, 
©. argyrites, C. Brongniarti, C. Verschaffelti, ©. Neumanni, ©. Houlleti, 
C. argyrospilum und C. thripedestum. Zu den damals bekannten 15 Arten 
der Gattung, von denen nur einzelne in Cultur waren, war dieses 
somit ein plötzlicher, ganz unerwarteter und ganz bedeutender Zusatz. 
Von jenen älteren Arten nenne ich nur (©. bicolor, das bereits im Anfang 
des vorigen Jahrhunderts bekannt war, nebst C©. pellucidum und C. pictum, 
welche im Jahre 1826 von DE CANDoLLtE beschrieben wurden. Seit 1358 
aber war die Aufmerksamkeit der reisenden Botaniker und Gärtner 
auf diese Gattung gelenkt, und nahm die Zahl der neu entdeckten 
Arten rasch zu. Inzwischen wurden sowohl von Herrn Breu? als von 
Anderen immer weitere Bastarde in den Handel gebracht. Es ent- 
stand eine Gruppe von Formen, welche allmählich sich der Erschöpfung 
näherte, da alle brauchbaren Combinationen bald gemacht worden 
waren. Unter solchen Umständen muss man einfach die Entdeckung 
einer neuen, von der Bastardrasse in bestimmten Merkmalen scharf 
abweichenden Species abwarten. Eine solche wurde in den siebziger 
Jahren gefunden, als ©. Wendlandi beschrieben, und von Trısaur und 
KETELEER mit den vorhandenen Bastarden gekreuzt. Dieser Einfuhr 
verdanken die jetzigen Caladium-Formen ihre lebendigen Farben, ihren 
metallartigen Glanz und die häufigen, ganz weissen Blätter. 

Die Gattung Canna, deren Gartenformen durch die Kreuzungen 
von Canna indica mit anderen Arten erhalten worden sind, war in der 
Mitte des vorigen Jahrhunderts nur als Blattpflanze bekannt und 
beliebt. Etwa im Jahre 1875 kam Urozy in Lyon auf den Gedanken, 
aus ihr eine Rasse mit niedrigerer Tracht und grossen schönen Blumen 
zu machen. Die älteren Formen umfassten neben C. indica nament- 
lich C. nepalensis und C. Warezewiexii, die zuerst 1846 von AnNkE zu 
Kreuzungen benutzt wurden. Welche Arten zu den weiteren Bastar- 
dirungen benutzt worden sind, fand ich nicht mitgetheilt,? doch waren 
auch hier die neuen Eigenschaften nur solche, welche an wildwachsenden 
Arten bereits beobachtet worden waren, und rührt namentlich die auf- 
fallende Thatsache, dass es noch keine weissblüthigen Varietäten giebt, 
daher, dass eine solche weder spontan entstanden, noch als Species 
im Vaterlande der Canna entdeckt wurde. 


! Lyon horticole. 1892. p- 231. 

? Revue horticole. 1892. p. 309. 

3 Die Geschichte der Gartenformen dieser Gattung findet man beschrieben 
in E. Cuartk rıns, Ze Canna. Paris, 1867. 


96 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


Wie in den oben behandelten Beispielen werden auch bei Canna 
die neuen Errungenschaften auf vegetatiriem Wege vermehrt; die 
Theilung des Wurzelstockes erlaubt es, in wenigen Jahren jede Neuheit 
bis auf 200—400 Stück zu bringen, und ehe das erreicht ist, werden 
sie nicht verkauft. In den Gärtnereien der Züchter sieht man also 
nicht nur die älteren und neueren Sorten des Handels, sondern kann 
man auch jene bewundern, welche in den zwei bis drei nächstfolgenden 
Jahren in den Handel gebracht werden sollen. Ich pflückte auf dem 
Gute des Herrn Urozy nach seinen Anweisungen einzelne mittlere 
Blüthen der verschiedenen Sorten und maass nachher ihre Petalen 
aus, um einen Ueberblick über den Fortschritt der Rasse zu bekommen. 
Die Zunahme wurde hier aber theils durch Kreuzung, theils durch 
Selection aus der gewöhnlichen fluetuirenden Variabilität erhalten, und 
gilt, wegen der vegetativen Vermehrung, wie wir im ersten Bande (S. 60) 
gesehen haben, von den extremen Varianten. 

Die Mittelzahlen waren für die Länge und Breite der Blumen- 
blätter in Millimetern: 


Canna hybrida Länge Breite 
Etwa 1875, älteste grossblumige 45 13 
1889, mittlere Sorten op 21 
1889, „Madame Crozy“ 66 30 
1592, die besten Handelssorten 66 35 
Neuheiten für die späteren Jahre 83 43 


Ueber die Entstehung der gegenwärtigen grossblumigen drei- 
farbigen Veilchen besitzen wir eine sehr schöne Studie von WITTROCK, 
welche namentlich in ihrer historischen Darstellung hier für uns von 
Interesse ist.! Die ursprüngliche Art war Viola trieolor, welche, ohne 
Veredelung, im achtzehnten Jahrhundert allgemein cultivirt wurde. 
Im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts hat man in England 
angefangen, diese zu veredeln, indem man sie gemischt mit anderen 
Arten wachsen liess; die Befruchtung überliess man aber der Natur. 
Namentlich Viola lutea wurde in dieser Weise mit V. trieolor verbunden. 
Seit 1816 hat auch V. allaica einen Antheil an diesen Bastardculturen 
genommen, doch wird ihre Bedeutung vielfach überschätzt. Erst viel 
später wurde Viola cornuta mit den damals schon sehr zahlreichen 
Varietäten gekreuzt, und in seltenen Fällen auch PV. calcarata. Wie 


ı V, B. Wirrrock, Viola-studier I. Acta Horti Bergiani. Bd. 2, Nr. 1, 
1897 und ebendaselbst II. Bd. 2, Nr. 7, 1896. 


Kreuzungen vermuthlicher Bastarde. 97 


viel von den jetzigen Formen diesen Kreuzungen, wie viel der Cultur 
und der Auswahl und wie viel zufälligen Mutationen zugeschrieben 
werden muss, lässt sich nicht mehr ermitteln. Und beachtet man, 
dass die Viola tricolor selbst eine an constanten Unterarten äusserst 
reiche Sippe ist, wie solches namentlich durch Wırrrock’s aus- 
gedehnte Culturversuche nachgewiesen wurde, so scheint es gestattet, 
auch diesen anfänglichen Formenreichthum als eine der wichtigsten 
Ursachen der jetzigen „Variabilität“ der eultivirten Pensdes anzusehen. 
Es würde mich zu weit führen, hier noch weitere Beispiele zu 
besprechen, obgleich Begonia,! Chrysanthemum, Dahlia? und viele andere 
dazu ein reichliches, von vorzüglichen Schriftstellern behandeltes Material 
bieten würden. Das Mitgetheilte möge aber genügen, um zu zeigen, 
wie reich die Erfahrungen der Gärtner auf dem Gebiete der Bastar- 
dirungen sind, und welcher Art die Schlüsse sind, die man daraus 
für die wissenschaftliche Forschung erwarten kann. ‚Jene Erfahrungen 
erstrecken sich über Jahrzehnte, bisweilen über ein halbes Jahrhundert 
oder mehr, und es wird somit wohl noch lange dauern, bis man an 
ihre Stelle gleich umfangreiche, aber mit wissenschaftlicher Genauig- 
keit und vollständiger Buchhaltung ausgeführte Versuche setzen kann. 
Und kaum wird man jetzt die Institute oder die Mäcene finden, 
welche die grossen Kosten solcher Studien übernehmen könnten. 


’ 


| $ 13. Kreuzungen vermuthlicher Bastarde. 


„Misstrauisch zu sein gegenüber Ausnahmsfällen“ ist die Vorschrift 
WicHhurA’s bei dem Studium der Bastarderscheinungen, welche wir 
bereits in der Einleitung hervorgehoben haben. Dieses Misstrauen 
ist keineswegs in einer Geringschätzung Anderer begründet, sondern 
in der eigenen Erfahrung, dass leicht scheinbare Ausnahmen von irgend 
einer gefundenen Regel sich durch Zufälle einstellen können, ohne 
dass es möglich wäre, sich in ausgedehnten Versuchsreihen davor 
immer zu wahren. 


! E. Fournier, Les Begonias tubereux. Flore des Serres et des Jardins 
de l’Europe. T. XXIII. 1880. p. 52—68. 

® Vergl. The Gardeners Magazine. Vol. 32, 1889; Suirtey Hısserv, Journ. 
Roy. Hort. Soc. 1891. Vol. XII, Part. I. p. 11. DonkerAar in Fortsetzung 
des Allg. Teutschen Garten- Magazins (F. J. Berriscn). Bd. V. 1828; Lerieur, 
Memoire sur le Dahlia. 1829; GeERHARD, Zur Geschichte, Oultur und Classification 
der Georginen. Leipzig 1834; Leeranp, Le Dahlia. 1842, und die sehr reich- 
haltige neuere Literatur. 


DE VRIES, Mutation. II. 7 


)8 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


Eine der am meisten vorkommenden Zufälligkeiten ist die Ver- 
wechselung eines Hybriden mit einer Pflanze von reiner Abstammung 
beim Anfang eines Versuches. Ich meine den Fall, dass man für 
eine auszuführende Kreuzung den Blüthenstaub oder die Fruchtknoten 
eines Individuums wählt, welches man für sortenrein hält, während 
es thatsächlich hybrider Abstammung ist. Nicht für jeden Versuch 
kann man die Reinheit der Stammformen durch eine Cultur von 
einigen Generationen feststellen; gerade im Gegentheil pflegt man 
sich oft darauf zu verlassen, dass das, was man im Handel oder im 
Tausch als reine Art bezieht, auch wirklich eine solche sei. Dem 
ist nun allerdings im Allgemeinen so, aber Ausnahmen kommen vor, 
und zwar eigentlich viel zu häufig, um nicht damit zu rechnen. Wir 
werden später sehen, welche Anforderungen man an die Reinheit 
käuflicher oder im Tausch erhaltener Samenproben stellen darf, und 
wie diese ganz gewöhnlich einzelne Samen hybriden Ursprunges ent- 
halten (Abschn. II $ 35). Unter vielen Versuchen kann es also stets 
einzelne geben, in denen man zufälliger Weise einen solchen Hybriden 
zu einer Kreuzung wählte. s 

Ebenso schlimm steht die Sache, wenn man zu einer Bastardirung 
zwar die Mutter selbst ceultivirt hat, den Blüthenstaub aber von einer 
zufällig aufgefundenen Pflanze hernimmt. Man sieht in einem Garten 
eine Blume, welche bei der Kreuzung Wichtiges zu versprechen 
scheint, und bringt ihren Staub auf eine castrirte Blüthe des Versuchs- 
gartens. War nun der Vater zufällig ein Bastard, so können offenbar 
sanz andere Nachkommen entstehen, als wenn er sortenrein wäre. 

Umgekehrt aber wird man sich bei jeder regelwidrigen Er- 
scheinung die Frage vorlegen müssen, ob die beiden Eltern wirklich 
rein waren. Und wenn für eines von beiden die Antwort nicht 
gegeben werden kann, so ist das Ergebniss nur mit der grössten Vor- 
sicht aufzunehmen. 

Allerdings ist es jetzt noch nicht an der Zeit, diese Kritik auf 
die vorhandene Literatur in voller Schärfe anzuwenden. Es würde 
zu viele Fragezeichen geben. Manchen wichtigen Versuch, den ich 
im Bisherigen vorgeführt habe, würde vielleicht doch noch der Kritik 
gegenüber nicht bestehen können. Aber überall, wo die Ergebnisse 
mit den allgemeinen Erfahrungen sich im Widerspruch befinden, dürfte 
doch eine wiederholte Prüfung am Platze sein. 

Zu den schwierigsten Aufgaben der systematischen Botanik gehört 
in manchen Fällen die Frage, ob eine in der Natur beobachtete Form 
eine reine Art oder Varietät, oder aber eine Bastardrasse sei. Man 
gründet die Entscheidung meist theilweise auf die äusserlich sichtbaren 


Kreuzungen vermuthlicher Bastarde. 99 


Merkmale, theilweise auf den Grad der Fruchtbarkeit. Beide Methoden 
geben ohne Zweifel eine gewisse Summe von Wahrscheinlichkeit, haben 
aber wohl nur selten die für eine endgültige Entscheidung erforder- 
liche Beweiskraft. Namentlich führen viele gute Arten einen theil- 
weise sterilen Pollen, wie z. B. Oenothera biennis und ihre Verwandten, 
und solange über die Ursache dieser Sterilität und über ihre Schwan- 
kungen nichts Genaueres bekannt ist, lässt sie sich wohl schwerlich 
zur Unterscheidung zwischen Bastarden und reinen Arten verwenden.! 

Das einzig sichere Mittel ist selbstverständlich die Wieder- 
holung der als Ursprung einer Sorte vermutheten Kreuzung, doch 
lässt sich diese in manchen Fällen nur schwierig, in anderen gar nicht 
ausführen. 

Cultivirt man die vermuthlichen Bastarde durch einige Gene- 
rationen, und zeigen sie dabei einen auffallenden Wechsel in ihren 
Kennzeichen, so würde solches offenbar ein entscheidendes Argument 
für ihre hybride Natur bilden, und solche Versuche wären somit leicht 
auszuschalten. Es bleiben dann aber stets mehrere Fälle übrig, für 
die man bis jetzt noch keine Mittel zur Entscheidung besitzt. 

In dieser Hinsicht ist nun die Frage sehr wichtig, wie sich 
Bastarde einer neuen Kreuzung gegenüber verhalten werden. Werden 
dabei die in ihnen combinirten Eigenschaften verschiedenen Ursprunges 
sich als ein einheitliches Ganzes verhalten, oder getrennt in die 
Erscheinung treten. Mit anderen Worten, wird der Bastard bei der 
Kreuzung als Einheit oder als Mischung zu betrachten sein. Wird 
er eine oder mehrere getrennte hybride Verbindungen eingehen? 

Wir wollen diese Frage etwas eingehender besprechen und 
denken uns dazu den Fall, dass eine Pflanze hybriden Ursprunges 
mit einer dritten Art gekreuzt werde und dabei nicht eine gleich- 
förmige Nachkommenschaft gebe, wie es jeder ihrer Eltern in dem 
betreffenden Falle gethan haben würde. Unter den neuen Bastarden 
gebe es dann zwei verschiedene Typen, welche den beiden in der 
hybriden Mutter gemischten Formen entsprechen. Es wäre dann zu 
folgern, dass die im ursprünglichen Bastard verbundenen Eigenschaften 
oder Gruppen von Eigenschaften sich nicht zu einer neuen, unzer- 
trennlichen Einheit verbunden hätten, sondern noch stets mehr oder 
weniger scharf getrennt neben einander lägen. 

Betrachten wir den Erfolg einer solchen Kreuzung von einer 


! Bei manchen Pflanzen sind auch die Samenknospen zum Theil steril, 
d. h. einer Befruchtung unfähig, z. B bei Oenothera biennis u. a., und auch 
dieser Punkt dürfte in Bastardfragen zu berücksichtigen sein. 
7* 


100 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


anderen Seite. Wir nehmen dabei an, dass der Ursprung der Mutter 
als Hybride uns unbekannt wäre. Die Ungleichförmigkeit in der 
ersten Generation wäre dann allerdings kein Beweis für ihre Bastard- 
natur, würde diese aber offenbar in hohem Grade wahrscheinlich 
machen, weil ja gewöhnlich die Kinder aus derselben Kreuzung unter 
sich gleich sind. Es entsteht dadurch die Möglichkeit, über die Natur 
eines vermuthlichen Bastardes, wenn dieser wenigstens nicht völlig 
steril ist, durch Kreuzungsversuche mit verwandten reinen Arten in 
gewissen Fällen einen Aufschluss zu erlangen. Und erhält man dabei 
zwei verschiedene Bastarde, so hat man eine nicht zu vernachlässigende 
Aussicht, in ihren Differenzpunkten eine Anweisung für die Wahl der 
Eltern im hypothetischen Erklärungsversuche zu finden. 

Die Tragweite dieser analytischen Methode werde ich an einem 
Paar von Beispielen zu erläutern suchen, in denen es mir, durch 
zufällige Umstände, bis jetzt nicht möglich war beide vermuthete 
Eltern zu direeten Kreuzungsversuchen zu bekommen. Es handelt 
sich um vermuthliche Bastarde der Oenothera erueiata und ihre Nach- 
kommen. 

Oenothera eruciata Nutt. ist eine seltene, in Nordamerika in der 
Gegend von New York und Vermont wildwachsende Art mit kleinen, 
linearischen Blumenblättern. Von ihr wird in den europäischen Gärten 
eine Sorte gezogen, welche gerade in Bezug auf die Form der Petalen 
nicht constant ist, und welche ich deshalb als Oen. eruciata varia be- 
zeichnen werde.! Da diese Form in den nordamerikanischen Floren 
nicht beschrieben wird, ist anzunehmen, dass sie aus der ersten in 
der Cultur in Europa entstanden ist. Ob aber durch Mutation oder 
durch Bastardirung? Um diese Frage zu beantworten, würde man 
die O. erueiata verschiedenen Kreuzungen unterwerfen müssen; solches 
war mir aber bis jetzt aus Mangel des geeigneten Materiales nicht 
möglich. Ich habe mich deshalb auf Kreuzungen der O, eruciata varia 
selbst beschränken müssen. 

Es liegt dabei auf der Hand, zu diesem Zwecke die drei bei 
uns wildwachsenden Arten zu wählen. Ich habe dieses gethan, 
und das Ergebniss hat mich zu der Vorstellung geführt, dass die 
O. erueiata varia sehr wohl ein Bastard von O. eruciata Nutt. und von 
O. muricata sein kann. Es scheint mir, behufs einer klareren Dar- 
stellung, erwünscht, dieses Resultat hier der Einzelbeschreibung der 
Versuche vorauszuschicken. 


! Ausführlicheres über diese beiden Formen und über das Verhalten ihrer 
Petalen bei Kreuzungen findet man unten im fünften Abschnitt. 


Kreuzungen vermuthlicher Bastarde. 101 


Ist die erwähnte Vorstellung richtig, so lässt sich nach den oben 
gegebenen Erörterungen erwarten, dass die O. erueiata varia sich 
bei Kreuzungen mit den vermuthlichen Eltern als einfache Form, bei 
Kreuzungen mit anderen Arten aber als eine Mischform aus ihren 
beiden Constituenten wird verhalten können. Welche Bastarde der 
Oruciata-Antheil geben würde, ist augenblicklich nicht bekannt, dagegen 
lässt sich der Antheil der vermuthlichen Muricata- Eigenschaften 
bestimmen. Diese würden ergeben: 1. mit O. muricata selbstverständ- 
lich wiederum diese Form, 2. mit O. biennis den oben beschriebenen, 
der O. biennis ähnlichen (vergl. S. 67— 70), und 3. mit O. Lamarekiana 
den m Fig. 3 und 4 S. 29 dargestellten Bastard O. Lamarckiana 
x O. muricata. Nur ist zu bemerken, dass die braunrothe Farbe der 
O. eruciata Nutt. ein präponderantes Merkmal ist, welches also eventuell 
auf die Bastardformen übergehen könnte. 

Die Ergebnisse meiner Versuche entsprechen in der Hauptsache 
dieser Darlegung, und daraus leite ich also einstweilen die Berechtigung 
meiner Annahme, vorbehaltlich einer experimentellen Bestätigung, ab. 
Ich gehe jetzt zur Beschreibung dieser Versuche über, hebe aber 
nochmals hervor, dass ihr Zweck vorzugsweise der ist, auf die hier 
herrschenden Schwierigkeiten hinzuweisen, und nicht etwa diese zu 
lösen. Dazu wären offenbar weit umfangreichere Studien, und im 
vorliegenden Falle speciell Versuche mit der reinen, wildwachsenden 
Form von Oen. eruciata aus Nordamerika, welche als Stammart ver- 
muthet wird, erforderlich. 

Die Oenothera eruciala varia wurde 1897 aus durch Tausch er- 
haltenen Samen gewonnen, und seitdem unter künstlicher Selbst- 
befruchtung weiter cultivirt, und zwar als einjährige Sorte. Die 
Kreuzungen mit O. Lamarckiana führte ich in der zweiten, diejenigen 
mit den beiden anderen Arten in der dritten Generation aus.! 

O. eruciata varia x O. biennis. Zwei Pflanzen der ersten Form, 
mit umgekehrt-herzförmigen Petalen wurden im Sommer 1899 mit 
Blüthenstaub von O. biennis befruchtet, nach sorgfältiger Castrirung 
und unter Ausschluss des Insectenbesuches mittelst Pergaminbeuteln. 
Die Biennis-Pflanzen waren als Rosetten im Freien an einer von 
anderen Oenotheren weit entfernten Stelle gesammelt und im Garten 
weiter cultivirt. Die Samen wurden theilweise im nächsten Jahre, 
theilweise 1901 ausgesät. Es keimten etwa 500 bezw. 250 Pflanzen, 


! Die Petalen der Bastarde sind fast stets umgekehrt-herzförmig, nur selten 
eruciate; vergl. hierüber unten den betreffenden Abschnitt. Auf diese Form 
der Blumenblätter ist oben im Text weiter keine Rücksicht genommen. 


102 Die Folgen wiederholter Kreuxungen. 


von denen in beiden Jahren je SO Exemplare auf die Beete aus- 
gepflanzt wurden. Diese gehörten alle! einem einzigen Typus an. 
Dieser Typus war derjenige der O. biennis,” aber mit der braun- 
rothen Farbe der O. eruciata in allen Theilen, sowohl im Stengel und 
in den Blättern, als im Blüthenkelch und auf den Früchten. Diese 
Form soll weiterhin, da sie bei vielen Versuchen auftrat und zu ver- 
schiedenen Studien gedient hat, mit einem eigenen Namen angedeutet 
und O. rubiennis genannt werden. 

Eine sehr auffällige Erscheinung in den beiden Aussaaten von 1900 
und 1901 war ein hoher Gehalt an buntblätterigen Exemplaren. 
Bereits bei der ersten Keimung zeigten sich diese, und bei der Ent- 
faltung der ersten Blättchen waren viele Pflänzchen so stark bunt, 
dass sie mehr oder weniger bald eingingen. Es war nicht eine gleich- 
mässig blassere Farbe (wie sie der Bastard O. Lamarckiana x O. muri- 
cata zeigt), sondern es waren grüne Blätter mit grösseren und kleineren 
selben Flecken, wie bei der gewöhnlichen Buntblätterigkeit. Von fast 
srünen bis zu fast reingelben Individuen gab es eine lange Reihe von 
' Uebergangsformen. Nahezu die Hälfte, bei genaueren Zählungen 
etwa 40°/,, waren in dieser Weise bunt, die übrigen rein grün. Ich habe 
sowohl von den ersteren als von den letzteren ausgepflanzt und weiter 
cultivirt; wie zu erwarten war, wuchsen dabei die grünen kräftiger 
als die bunten; der Farbenunterschied war aber zur Zeit der Blüthe 
noch ebenso deutlich wie in der Jugend. Zu bemerken ist noch, dass 
die Samen der beiden gekreuzten Mütter getrennt ausgesät wurden, 
und gleichviel bunte Pflänzchen lieferten, sowie dass an den Eltern 
keine Spur von Bunt zu erkennen war. 

Es verdient dieses Auftreten bunter Individuen namentlich de 
eine besondere Erwähnung, weil es eine Ausnahme bildet von der 
allgemeinen Regel, dass bei Kreuzungen nichts Neues entsteht. Diese 
Regel hat sich sonst stets bei meinen Bastardirungsversuchen be- 
währt. Neue Combinationen alter Eigenschaften können neue Typen 
entstehen lassen, aber das ist offenbar etwas ganz Anderes als das 
Auftreten neuer Eigenschaften. Allerdings ist das Bunt nicht im 
eigentlichen Sinne etwas Neues, da es einerseits eine der verbreitetsten 
Abweichungen bildet, und andererseits in meinen Oenotheren-Culturen 


! Mit Ausnahme von zwei Exemplaren von 1900, welche die Form der 
Mutter hatten. Da sich diese Erscheinung im nächsten Jahre nicht wiederholte, 
ist darauf einstweilen kein Gewicht zu legen. 

®2 Ueber die Aehnlichkeit von O. muricata x biennis mit O. biennis vergl]. 
oben 8. 67. 


Kreuzungen vermuthlicher Bastarde. 103 


fast jährlich und im einer nicht unerheblichen Anzahl von Exemplaren 
spontan auftrat.! 

Oenothera cruciala varia x O. muricata. Diese Verbindung habe 
ich in den beiden reciproken Formen ausgeführt, indem ich das eine 
Mal die eine, das andere Mal die andere Sorte als Mutter wählte. 
Die Kreuzungen fanden unter den üblichen Vorsichtsmaassregeln im 
Sommer 1899 statt, die Aussaaten im Frühling 1900 und theil- 
weise 1901. Jede der Culturen war einförmig, aber die beiden reciproken 
Bastardgruppen führten einen verschiedenen Typus, indem jede ihrer 
Mutter und nicht dem Vater glich. O. eruciata varia x O. muricata erzog 
ich in etwa hundert Exemplaren, welche nahezu alle blühten und Früchte 
bildeten. Sie waren, abgesehen von den stets umgekehrt-herzförmigen 
Petalen, in keiner Hinsicht von der O. erueiata varia selbst zu unter- 
scheiden. Die Samen waren auf zwei Müttern geerntet und getrennt 
ausgesät. Die Kreuzung O. muricata x O. eruciata varia führte ich 
gleichfalls auf zwei Individuen, jetzt aber der ersteren Art, aus, und 
säte die Samen getrennt. SO Bastarde erzog ich 1900, und etwas 
mehr brachte ich im nächsten Jahre, nach erneuter Aussaat, zur 
Blüthe. Sie hatten sämmtlich die Merkmale der O. muricata. 

Weshalb die reciproken Kreuzungen sich ungleich verhalten, ist 
noch unbekannt; vielleicht dass bei ausgedehnteren Culturen beide 
nicht eine reine, sondern eine gemischte Nachkommenschaft geben 
würden.” Aber jedenfalls scheint das Auftreten des Muricata-Typus 
unter den Bastarden darauf hinzuweisen, dass die betreffenden Eigen- 
schaften in irgend einer Weise sich an dem Aufbau der ©. eruciata 
varia betheiligen. Vielleicht als latente Bastard-Eigenschaften, vielleicht 
als von irgend einem sonstigen Vorfahren herrührende, also atavistische 
Eigenthümlichkeiten. 

O. Lamarckiana X O. erueiata varia hat diese Folgerung bestätigt. 
Ich habe für diese Kreuzung vier Pflanzen von ©. Lamarckiana mit 
dem Blüthenstaub der O. erueiata varia befruchtet. Die Operation 
fand unter den üblichen Vorsichtsmaassregeln im Sommer 1898 
statt. Bei der Aussaat und der weiteren Cultur wurden die Nach- 
kommen der vier Mütter getrennt gehalten, sie verhielten sich aber 
im Wesentlichen in derselben Weise. Schon bei der Keimung zeigte 
sich die Uebereinstimmung mit der Kreuzung zwischen O0. Lamarckiana 


! Vergl. Bd. I, S. 597—616, und für Oenothera namentlich S. 603— 604 
(1—2 pro Mille). 

® Bei einigen Kreuzungen anderer Arten von Oenothera habe ich ein ähn- 
liches Verhalten beobachtet; bisweilen glichen dann die reeiproken Bastardgruppen 
beide ihrem Vater und nicht der Mutter. 


104 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


und ©. muricata in weitaus den meisten Individuen (vergl. S. 29). Diese 
waren schwach, gelblich und schmalblätterig, und wurden nur so weit 
ausgepflanzt, als sie dazu kräftig genug schienen. Etwas über die 
Hälfte wurde weggeworfen; die übrigen entwickelten sich fast alle 
zu blühenden Exemplaren, welche aber noch am Ende ihres Wachs- 
thumes die Merkmale der gelblichen und schmalen Blätter und den 
schwachen Wuchs beibehielten. Sie waren den S. 29 dargestellten 
Bastarden von O. Lamarekiana X O. muricata in jeder Beziehung gleich. 
Sie sprechen also ganz deutlich für den Besitz der Muricata- Kigen- 
schaften bei ihrem Vater. 

Zwischen diesen gelblichen Pflanzen kamen einige wenige grüne 
vor, 37 auf eine Cultur von 622 Individuen, also etwa 6°/,. Sie 
wuchsen kräftig und wurden sehr starke, reich blühende Pflanzen, 
welche, abgesehen von untergeordneten Merkmalen, den Typus der 
O. biennis, meist aber mit braunrother Farbe, trugen, also ©. rubiennis 
waren (S. 102). Sie hatten namentlich in der Jugend schmälere Blätter 
als die normale O. biennis, und wichen auch im Bau der Inflorescenz, 
wenn auch nicht erheblich, ab. In Bezug auf die Fertilität ergaben 
sie sich als zu drei verschiedenen Untertypen gehörig, welche auch 
in der Tracht, sowie in der Farbe und in der Behaarung verschieden 
waren. Die Unterschiede waren solche, dass sie die Gruppe leicht 
wieder erkennen liessen, eine genauere Beschreibung aber kaum ge- 
statteten. Eine Gruppe war rein O. rubiennis und völlig fertil, die 
zweite, seltenere war viel weniger kräftig, mit schwächeren aber 
mehr behaarten grünlichen Blättern, gut entwickelten Blüthen, aber 
bei der künstlichen Selbstbefruchtung nur äusserst wenige Samen 
liefernd, fast steril. Die dritte Gruppe umfasste nur ein einziges 
Exemplar von sehr gedrungenem Bau, welches zwar blühte, aber 
völlig steril war. 

Von den drei fertilen Bastardformen habe ich eine zweite Gene- 
ration eultivirt, indem ich die durch Selbstbefruchtung gewonnenen 
Samen im Frühling 1900 aussäte. Zwei Typen ergaben sich dabei 
als constant, und zwar die mit der O. Lamarckiana x O. muricata über- 
einstimmende Form in einer Cultur von 200, die mit O. rubiennis 
übereinstimmende in einem Umfange von etwa 120 blühenden Exem- 
plaren. Die Beete waren höchst einförmig, ohne Abweichungen. Die 
dritte, fast sterile, mehr oder weniger deutlich behaarte Biennis-Form 
lieferte nur 15 Keimpflanzen, welche aber trotz dieser geringen Anzahl 
eine bunte Mischung darboten. Zwei von ihnen glichen den Eltern, zehn 
sehörten dem schmalblätterigen gelbgrünlichen Typus O. Lamarckiana 
x O. muricata an, die drei übrigen glichen dem sterilen Exemplare 


Kreuzungen vermuthlicher Bastarde. 105 


der vorjährigen Cultur. Von zweien von diesen letzteren giebt unsere 
Fig. 17 photographische Abbildungen. Mit Ausnahme von sieben 
Pflanzen des O. Lamarckiana X O. muricata-Typus haben diese 15 Exem- 
plare alle geblüht und zum Theil auch ihre Früchte ausgebildet. 
Ueberblicken wir diesen letzteren Versuch, so sehen wir, dass 
die Kreuzung O. Lamarekiana 
x O. eruciata varia vorwiegend 
(zu etwa 94°/,) Bastarde giebt, 
welche sich äusserlich nicht 
von OÖ. Lamarekiana x O. muri- 
cata unterscheiden, und dass 
diese, soweit der Versuch reicht, 
samenbeständig sind. Daneben 
entstehen Bastarde mit Bien- 
nis-Eigenschaften, theils völlig 
fertile, bei Aussaat constante braun- 
rothe aber sonst biennis-ähnliche 
Pflanzen, wie sie auch aus der 
Kreuzung O.eruciatavaria x O.biennis 
entstehen (S. 101), theils sterile 
oder fast sterile Exemplare, welche 
letztere inconstant sind, und in 
der nächsten Generation die ver- 
schiedenen in der vorhergehenden 
beobachteten, unmittelbar aus der 
Kreuzung hervorgegangenen Typen 
wiederholen. Hier haben wir 
somit einen Falleinesin- 
constanten Bastardes, den 
früher (8 9, S. 74) beschriebenen 
ähnlich. Es fällt dabei auf, dass 
derselbe Typus, welcher in der 
ersten Generation weitaus die Fig. 17. Bastarde aus der zweiten Gene- 
2 RR ration einer Kreuzung ©. Lamarckiana 
meisten Individuen umfasste, auch x O. eruciata varia. Sterile, dichtblätterige 
in der zweiten der häufigste war. Form, 1900. 
Solches ist aber nicht immer 
der Fall. Bei Wiederholungen der Kreuzung O. Lamarekiana X O. eru- 
 ciata varia besteht die Bastardgruppe zwar gewöhnlich aus O. Lamarekiana 
x O. muricata und aus O. rubiennis, aber in sehr wechselnden Ver- 
hältnissen, mitunter sogar ausschliesslich aus der letzteren. Auch 
O. lata x O. eruciala varia gab mir als Bastarde vorwiegend solche vom 


106 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


Typus O. Lamarckiana x O. muricata, welche sich in späteren Gene- 
rationen constant zeigten. 

Es entsteht jetzt die Frage, woher im Bastard O. La- 
marckiana X O. cruciata varia die beobachteten Eigenschaften 
von OÖ. muricata und O. biennis rühren? Offenbar müssen sie in 
der Summe der Eigenschaften der beiden Eltern vorhanden sein, und 
zwar im latenten Zustande. Und diese latenten Eigenschaften müssen 
die Eltern ohne irgend welchen Zweifel von ihren Vorfahren ererbt 
haben. So weit scheint mir der Sachverhalt völlig klar, und in Ueber- 
einstimmung mit unseren sonstigen Kenntnissen über wiederholte 
Kreuzungen und sogenannte abgeleitete Bastarde, auch auf zoologischem 
und namentlich auf entomologischem Gebiete.! Die fraglichen Vor- 
fahren aber können theils nähere, theils entferntere sein. Die näheren 
können fremdartige sein, indem die O. eruciata varia als Bastardrasse 
vor einer verhältnissmässig geringen Reihe von Generationen durch 
Kreuzung der betreffenden Vorfahren entstanden sein könnte. Als 
entferntere Vorfahren möchte ich aber in diesem Falle die phylo- 
genetischen Ahnen betrachten. Alles deutet darauf hin, dass die 
Oenothera Lamarckiana von der O. biennis abstammt, und es ist vor- 
läufig die Annahme gestattet, dass diese letztere auch den anderen 
Sorten, und namentlich ©. muricata den Ursprung gegeben hat.” Nimmt 
man nun noch an, dass O. eruweiata Nutt. aus O. muricata oder deren 
nächsten Vorfahren entstanden ist,’ so wären Biennis und theilweise 
Muricata die Arten, deren ererbte aber latent gewordene Eigenschaften 
bei der Kreuzung von O. Lamarckiana und O. erueiata an’s Licht treten 
könnten. 

Das Auftreten von Biennis-Eigenschaften unter den fraglichen 
Bastarden dürfte in dieser phylogenetischen Betrachtung seine ein- 
fachste Erklärung finden. Aber so lange nicht O. eruciata Nutt. selbst, 
sondern nur ©. eruciala varia untersucht worden ist, lässt sich nicht 
entscheiden, ob oder inwiefern das Auftreten der Murieata- Eigen- 
schaften den phylogenetischen Vorfahren oder der Natur dieser Sorte 
als einer Bastardrasse zuzuschreiben ist. Solches muss also weiteren 
Untersuchungen vorbehalten bleiben. 


' M. Stanpruss, Experimentelle zoologische Studien. Neue Denkschriften 
d. allgem. Schweiz. Gesellsch. f. d. gesammten Naturw. 1898. Mit fünf Tafeln. 
Sonderabdruck 8. 1—39. Ders., Handbuch der paläarktischen Grossschmetter- 
linge für Forscher und Sammler. 1896. 

® Vergl. Bd. I, S. 315 und 332. 

° Auf diese vermuthlichen verwandtschaftlichen Verhältnisse beabsichtige ich 
im vierten Abschnitt zurückzukommen. 


Kreuzungen vermuthlicher Bastarde. 107 


Neben der Oenothera eruciata varia und oft aus derselben Samen- 
probe erhielt ich durch den Tausch der botanischen Gärten mehrfach 
eine Form, welche durchaus mit der oben beschriebenen ©. rubiennis 
übereinstimmt (S. 102). Ich habe sie bei Selbstbefruchtung stets 
constant gefunden, und vielfach zu Kreuzungen verwandt.! Es ist 
bei solchen Funden klar, dass die betreffende Pflanze aus einer 
Kreuzung von O. eruciata oder O. eruc. varia entstanden ist, da sie 
deren braunrothe Farbe stets als am meisten auffallendes Kenn- 
zeichen trägt, und da sie häufig auch die cruciaten Petalen ererbt 
hat. Aber ob die Kreuzung mit O. biennis, oder mit O. Lamarekiana 
oder vielleicht mit einer anderen Art aus derselben Gruppe statt- 
sefunden hat, lässt sich nicht mehr ermitteln. Weder die Merkmale, 
noch die weiteren Kreuzungen, und am wenigsten die Constanz bei 
reiner Aussaat geben darüber einen Aufschluss. Nur zeigen die 
meisten Kreuzungen, in Uebereinstimmung mit den oben dargelegten 
Erfahrungen, klar, dass die O. rubiennis auch in diesen Fällen nicht 
eine reine Form, sondern eine Bastardrasse ist. 

Es erübrigt mir also jetzt noch, diese Rubiennis-Kreuzungen zu 
beschreiben. Sie sind nicht mit den von mir gemachten Bastarden, 
sondern mit den zufälligen Hybriden unbekannter Herkunft aus den 
botanischen Gärten gemacht worden. Diese wurden, wie in den obigen 
Versuchen, mit O. biennis, O. muricata und O. Lamarckiana und deren 
Abkömmlingen und ausserdem mit ©. eruciata varia bastardırt. 

O. rubiennis X O. biennis gab, wie zu erwarten, nur diese beiden 
Formen unter den Bastarden. Die Kreuzung wurde im Sommer 1899 
ausgeführt; die Rubiennis-Exemplare gehörten der dritten in meinem 
Garten cultivirten und rein vermehrten Rasse an; die Biennis- Pflanzen 
waren als Rosetten aus dem Freien, aus einer Gegend, wo nur diese 
Art wuchs, in meinen Versuchsgarten übergepflanzt worden. Es 
keimten etwa 500 Pflänzchen, welche, abgesehen von der Farbe, 
keinen Unterschied zeigten, und von denen ohne Wahl 80 ausgepflanzt 
wurden. Von diesen waren Mitte Juli 23°/, als O. biennis und die 
übrigen 77°/, als O. rubiennis (mit der braunrothen Farbe) zu erkennen. 
Fast alle Exemplare brachten es zur Blüthe, und mehrere bildeten 
ihre Früchte aus; sie bestätigten dabei nur die im Juli gemachte 
Folgerung. 

O. rubiennis x O. eruciata varia sowie O. cruciata varia X O. rubiennis. 
. Beide Kreuzungen habe ich gleichfalls im Sommer 1899 an den mehr- 
fach erwähnten reinen Culturen dritter Generation beider Rassen aus- 


' Vergl. den fünften Abschnitt, über das Orueiata- Merkmal. 


108 Die Folgen wiederholter Kreuzungen. 


geführt. Als Bastarde erhielt ich nur O. rubiennis und zwar in je 
etwa SO blühenden oder doch nahezu blühenden Exemplaren. 

O. rubiennis x O. muricata und die reciproke Kreuzung lieferten 
sleichfalls nur eine einförmige Nachkommenschaft, welche die Tracht 
und die Eigenschaften der O. muricata zeigte, aber in untergeordneten 
Punkten mehr oder weniger abwich. Auffallend war dabei, dass in 
der erstgenannten Verbindung die braunrothe Farbe der O. rubiennis 
fehlte, während sie in der zweiten in allen Exemplaren sich deutlich 
zeigte. Der Umfang der Aussaaten betrug 70 bezw. 90 blühende Pflanzen. 

O. rubiennis x O. Lamarckiana und ©. rubiennis mit O, nanella, 
O. lata und O. seintillans gekreuzt. Die Bastardeulturen zeigten sich regel- 
mässig aus zwei Typen zusammengesetzt, deren einer O. rubiennis war, 
während der andere die Tracht der ©. Lamarckiana und alle ihre Merk- 
male mit Ausnahme der Blüthen hatte. Diese waren in Bezug auf Grösse, 
Griffellänge, Ausspreizen der Narbe u. s. w. Biennis-Blüthen und be- 
fruchteten sich dementsprechend ohne künstliche Hülfe, meist vor dem 
Oeffnen der Blüthenknospen. Nur bei ©. seintillans traten neben diesen 
beiden Typen auch Exemplare hervor, welche der seintillans selbst glichen, 
aber gleichfalls kleinere Blumen und Selbstbefruchtung hatten. Mit 
Ausschluss von O. lata habe ich von diesen verschiedenen Verbindungen 
auch die reciproken Bastardirungen ausgeführt. Der Umfang der 
Versuche war meist etwa 80 blühende Pflanzen. Das Verhältniss 
zwischen O. rubiennis und biennis-blüthigen Lamarckiana (0. Lam. B. B.) 
welchselte im höchsten Grade, wie die folgende Uebersicht zeigt. 


Kreuzungen von O. rubiennis mit: 


Jahr In Procenten: 
der Kreuzung O. rubiennis 0. Lamarckiana BB 
1595 ©. Lamarckiana 2 16 S4 
1899 u ” Q I 91 
1599 E- “ d 10—23 71-90 
1899  ,„ seimtillans! 2 1 74 
1599 r e d 61 37 
1899  , nanella d 95 5 
1899: 5 ons 2 36 64 
1599 „ lata ? — 100 


In allen diesen Versuchen waren die O. rubiennis-Pflanzen aus 
meiner Rasse genommen, und zwar aus derselben Rasse, mit der auch 


! Die Kreuzung mit dieser inconstanten Art gab eine sehr polymorphe 
Nachkoimmenschaft; daher ist die Summe beider Zahlen nicht = 100. 


Kreuzungen vermuthlicher Bastarde. 109 


von anderer Herkunft habe ich nur ©. Lamarckiana gekreuzt, und zwar 
im Jahre 1895. Die Kreuzung ergab auch damals dieselben Typen, 
und zwar 87°/, O. Lamarckiana (biennis-blüthig) und 13°/, O. rubiennis 
auf etwa 150 Exemplaren. 

Es scheint mir in diesen Versuchen eine wichtige Bestätigung 
des oben mehrfach betonten Satzes zu liegen, dass die Zusammen- 
setzung der ersten Bastard-Generation wesentlich von äusseren Ein- 
flüssen bedingt werden kann. Die Unterschiede in den mitgetheilten 
Procentzahlen sind so grosse und so durchgreifende, dass sie trotz 
der verhältnissmässig kleinen Culturen weit ausserhalb der Grenzen 
der Beobachtungsfehler liegen. Namentlich die ungleichen Ergebnisse 
der reciproken Kreuzungen dürften wenigstens zum Theil von der 
Lebenslage beeinflusst sein, denn es liegt auf der Hand, dass diese, 
sowohl für die Geschlechtszellen vor der Befruchtung als während 
dieser und nach ihr (wenn dann noch ein Einfluss möglich ist), bei 
ihnen sehr verschieden müssen sein können. 

Schliesslich möchte ich hier noch die Frage berühren, inwiefern 
die beobachteten Bastarde ein richtiges Bild von der wirklichen 
Zusammensetzung der ganzen Bastard-Generation geben. Oenothera 
muricata und O. cruciata varia geben in ihren Kreuzungen mit verschie- 
denen anderen Arten und Rassen theilweise gelbliche Keimlinge (S. 29). 
Bisweilen ausschliesslich oder doch sehr vorwiegend solche, bisweilen 
in geringeren oder gar sehr geringen Verhältnissen. Diese Pflänzchen 
sind äusserst schwach, und mehrfach gelang es mir nur theilweise, 
sie zur weiteren Entwickelung zu bringen. Bisweilen sind mir sogar 
ganze Versuche durch das frühzeitige Absterben der Keimpflanzen 
verloren gegangen. Und nur insofern die Zählungen ganz früh, vor 
dieser Sterbe-Periode stattfinden konnten, habe ich sie als gültig 
betrachtet. Ist das Sterben hier auf eine mangelhafte Ausbildung 
des Chlorophylis zurückzuführen, so deutet es doch auf die Möglichkeit 
hin, dass es noch andere Ursachen geben kann, welche die Keime 
vielleicht schon in den reifenden Samen zum Absterben bringen. 
Und offenbar würden solche Ursachen bei gemischter Nachkommen- 
schaft die eine Sorte mehr berühren als die andere, und somit das 
procentische Verhältniss verändern, wenn sie nicht gar einzelne Bastard- 
formen schon im Keime ganz ersticken würden. Bei Schlussfolgerungen 
‚aus gefundenen Zahlenverhältnissen scheint es also gerathen, stets 
diese Möglichkeiten im Auge zu behalten. 

Nach den obigen Darlegungen und Versuchen kann die Methode 
des Bastardirens in manchen Fällen dazu benutzt werden, zufällig, 


110 Die Folgen wiederholter Kreuxungen. 


sei es im Freien, sei es in der Cultur gefundene Rassen darauf zu 
prüfen, ob sie vielleicht von hybridem Ursprung sind. Denn wenn 
die erhaltene Bastard-Generation eine von den für einfache Kreuzungen 
geltenden Regeln abweichende Zusammensetzung zeigt, und vielleicht 
dazu latente Merkmale möglicher Vorfahren an’s Licht bringt, so 
sind offenbar neue Thatsachen für die Beurtheilung gewonnen. Aber 
sehr Vieles bleibt hier noch zu untersuchen übrig, bevor es möglich 
sein wird, allgemeine Regeln aufzustellen und diese auf die Elementar- 
Analyse der einzelnen Formen anzuwenden. 


Zweiter Abschnitt. 


Die Mendel’schen Spaltungsgesetze. 


I. Die Methode der Erbzahlen. 


$ 1. Mono-, Di- und Polyhybriden. 


Bis jetzt betrachtet die Bastardlehre die Arten, Unterarten und 
Varietäten als die Einheiten, deren Combinationen in den Bastarden 
angestrebt und untersucht werden sollen. Für die meisten Forscher 
bilden die systematischen Begriffe nicht nur das Ziel, sondern auch 
den Ausgangspunkt ihrer Bastardirungsversuche. Im vorhergehenden 
Abschnitt habe ich versucht, eine kritische Darstellung von dem 
gegenwärtigen Stand? dieser Lehre zu geben und zu zeigen, wie jede 
Bemühung, tiefer in den Grund der Erscheinungen einzudringen, uns 
mehr oder weniger bestimmt dazu führt, den Artcharakter nicht als 
Einheit, sondern als ein zusammengesetztes Bild aufzufassen. Dieses 
Bild besteht offenbar selbst aus Einheiten, welche wenigstens gruppen- 
weise sich bei den Bastardirungen in verschiedener Weise verhalten. 

Namentlich tritt bei einer zusammenfassenden Behandlung ein 
Hauptunterschied zwischen zwei Gruppen klar an’s Licht. Ich meine 
die constanten und die inconstanten Eigenschaften der Hybriden. Die 
ersteren pflegen in den Nachkommen der Bastarde sich selber. gleich 
zu bleiben, die letzteren aber zu varliren, wie man es im Gartenbau 
nennt. Für die beständigen Eigenschaften bestimmt die Art und 
Weise des Zusammenwirkens der elterlichen Anlagen im Mischling 
den Grad ihrer sichtbaren Ausbildung; diese Bestimmung gilt aber 


! Als solchen betrachte ich die Sachlage bis zu der Zeit, wo ich meine 
erste vorläufige Mittheilung über den hier zu behandelnden Gegenstand ver- 
öffentlichte, also Anfang 1900. Vergl. Berichte d. d. bot. Ges. 1900. Bd. XVIII. 
Heft 3. S. 83. Die bald darauf gefolgten hervorragenden Mittheilungen von 
_ CorrENs, TscHERMAK und WEBBeEr sollen weiter unten eingehend vorgeführt werden. 
Während des Druckes des vorliegenden Bandes erschienen ferner: W. Barzson, 
MENDET’s principles of heredity, und W. Bareson and E. R. Saunpers, Report to 
the evolution committee. Royal Society, London. 


112 Die Methode der Erbzahlen. 


nicht nur für den ursprünglichen Bastard, sondern in derselben 
Weise für seine Nachkommen. Wir haben gesehen, dass die elter- 
lichen Eigenschaften in einem Hybriden in der Regel mit halbirter 
Intensität auftreten, wie MACFARLANE es ausdrückt, dass dieses Ver- 
hältniss aber bedeutenden Schwankungen unterliest, und dass diese, 
soweit die einzige ausreichend vollständige Beobachtungsreihe, die 
Prrer’schen Zahlen für Fieraeium, ein Urtheil gestatten, den einfachen 
(Gesetzen der Wahrscheinlichkeitslehre unterworfen sind. 

Jede Eigenschaft hat dabei ihren eigenen Grad der Abweichung 
vom MACFARLANE’schen Mittel, und es ergiebt sich eine gewisse, wenn 
auch noch nicht sehr stark ausgesprochene Unabhängigkeit der ein- 
zelnen constanten Eigenthümlichkeiten. In demselben Bastard kann 
der eine Charakter genau zur Hälfte reducirt sein, während ein 
zweiter ungeschwächt übertragen wird, ein dritter aber völlig latent 
geworden ist. 

Viel klarer äussert sich aber die gegenseitige Unabhängigkeit der 
Merkmale, wenn diese unbeständig sind. Ich wähle das Wort Un- 
beständigkeit oder Inconstanz, weil die übliche Bezeichnung (das 
Variiren) eine viel zu unsichere ist, und nur zu leicht und zu oft 
eine Veranlassung zu Verwirrungen wird. Im Hybriden denken wir 
uns die Anlagen der beiden Eltern in irgend einer Weise zusammen- 
sefügt, und die Art dieser Vereinigung entscheidet darüber, welche 
Anlagen in ihm activ werden können, und in welchem Grade In 
seinen Nachkommen können nun die Anlagen sich verschieden ver- 
halten, indem in dem einen Exemplar der Grad der Activität erhöht, 
in dem anderen aber geschwächt wird. Es entstehen dann die be- 
kannten formen- und farbenreichen Bastard-Generationen. Aber dieser 
Reichthum in der äusseren Erscheinung wird gerade dadurch bedingt, 
dass die einzelnen Charaktere mehr oder weniger von einander unab- 
hängig sind, denn würden sie stets nach demselben Gesetze und in 
derselben Weise zusammengehen, so würde offenbar keine so bunte 
Mamnigfaltigkeit zu Stande kommen können.! 

‚Jede Eigenschaft äussert sich in einem einzigen oder in mehreren 
Merkmalen, wie wir solches im ersten Bande, namentlich bei der Be- 
schreibung unserer Oenothera lata auseinandergesetzt haben (Bd. I, S, 287). 
Im letzteren Falle unterscheiden wir zwischen der primären und 
den verschiedenen secundären Aeusserungen der betreffenden inneren 
Anlage, wenn es auch oft schwierig und willkürlich ist, eine unter 


! Ich betrachte hier selbstverständlich nur diejenigen Unterschiede zwischen 
den beiden Stammarten eines Bastardes, welche auf dem Gebiete der Mutabilität 
liegen; für jene aus der Variabilität sei auf einen folgenden Abschnitt verwiesen. 


Mono-, Di und Polyh yoriden. 115 


allen als primäre zu bezeichnen. Aber es ist klar, dass nach a 
Auffassung die verschiedenen Aeusserungen desselben Charakters nie 
von einander getrennt werden können; ihr Verhältniss kann nach den 
Gesetzen der fluctuirenden Variabilität schwanken, aber wo die ihnen 
zu Grunde liegende Anlage wirklich eine unzerlegbare Einheit ist, 
müssen auch die einzelnen Aeusserungen fest mit einander verbunden 
bleiben. Es erwächst daraus die Aufgabe, die Trennung und Los- 
lösung der Merkmale so weit wie möglich durchzuführen. Was dann 
am Schlusse sich als unzertrennlich verbunden zeigt, wird, wenigstens 
in den meisten Fällen, als letzte Einheit zu betrachten sein. 

Ein sehr klares Beispiel zu dem Unterschiede der primären und 
secundären Merkmale, in denen sich dieselbe elementare Eigenschaft 
äussern kann, hat neuerlich CoRRENS gegeben.! Der Zuckermais (Zea 
Mays duleis) unterscheidet sich von der gewöhnlichen mehligen Sorte: 

1. durch den grösseren Mn des reifen, aber noch nicht 
ausgetrockneten Kornes, 

2. durch das Runzligwerden der Endosperms beim Austrocknen, 

3. durch das geringere Gewicht des trockenen Kornes. 

4. durch die Farbe der Körner, 

5. durch die glasige Beschaffenheit des Endosperms, und 

6. durch das grössere relative Gewicht des Embryo dem Endo- 
sperm gegenüber. 

Diese sechs Merkmale sind aber alle offenbar nur Folge- 
erscheinungen eines einzelnen, nämlich 

7. der Ablage von Dextrin u. s. w. im Endosperm statt der Stärke. 

Diesen inneren Grund der äusserlich sichtbaren Merk- 
male, diese einfachen Anlagen oder letzten Einheiten zu er- 
mitteln, scheint mir das Hauptziel der Elementaren Bastard- 
lehre im Gegensatz zu der jetzt herrschenden Richtung. Gelingt es 
einmal, diese zu erkennen, so wird man im Besitze der empirischen 
Grundlagen sein, auf welche dann nachher alle systematischen Auf- 
fassungen und Gruppirungen sich zu stützen haben werden. Offenbar 
treten uns diese Einheiten klarer und sicherer auf dem Ge- 
biete der Mutationen entgegen, aber so lange dort das Be- 
obachtungsmaterial noch so sehr beschränkt ist, ist es vom 
höchsten Werthe, in den künstlichen Kreuzungen ein zweites 
Mittel zu besitzen, um ihr Wesen zu ermitteln. 


1 ©. Correns, Bastarde zwischen Maisrassen. Bibliotheca Botanica. Heft 53. 
1901. S.2. Vergl. ferner E. TscuermaX, Ueber Correlation zwischen vegetativen 
und sexualen Merkmalen an Erbsenmischlingen. Ber. d. d. bot. Ges. 1902. 
BENX. 8.17. 


DE VRIES, Mutation. II. 8 


114 Die Methode der Erbzxahlen. 


Hier aber tritt uns die erste Regel aller wissenschaftlichen 
Forschung entgegen, welche uns mahnt, stets mit dem Einfachen zu 
beginnen, und von diesem allmählich zu dem Zusammengesetzten auf- 
zusteigen. Zuerst kommt das Unterscheiden, dann das Verbinden. 
Im vorliegenden Falle wird es also zur Aufgabe, aus der Fülle der 
Charaktere, welche bis jetzt bei hybriden Verbindungen in’s Spiel 
gebracht wurden, in jedem Falle einen einzigen herauszugreifen, und 
ihn möglichst isolirt und unabhängig von anderen, in allen seinen 
Erscheinungsweisen zu verfolgen und zu studiren. Zwei Wege leiten 
zu diesem Ziel. Erstens können wir in einer willkürlichen Bastard- 
verbindung unser Augenmerk ausschliesslich auf ein einzelnes Merkmal 
richten, und indem wir dessen Verhalten in den aufeinander folgenden 
Generationen untersuchen, seine (Gesetze erforschen. Studiren wir 
dann dasselbe Merkmal in verschiedenen Mischlingen, so werden wir 
die allgemeineren Gesetze richtiger erkennen können. Zweitens aber 
werden wir solche Kreuzungen aufsuchen können, in denen die beiden 
Stammarten thatsächlich sich nur in Bezug auf einen einzigen Punkt 
unterscheiden; das Verhalten ihrer Nachkommen wird dann die Ge- 
setze dieses Differenzpunktes unmittelbar an’s Licht treten lassen. 

Ich wähle die Bezeichnung monohybride Kreuzungen für 
diese beiden Fälle,’ in denen man somit beim Versuch nur einen 
einzigen Differenzpunkt, nur eine einzige elementare Eigen- 
schaft in Betracht zieht, unabhängig von der Frage, ob 
es daneben noch andere Unterschiede giebt oder nicht. Für 
die Versuche bilden offenbar die Bastarde, deren beide Eltern that- 
sächlich nur in einem Merkmal verschieden sind, und welche man 
die wirklichen Monohybriden nennen könnte, die ein- 
fachsten Fälle. Diese sind aber zu selten, um ausschliesslich den 
Gegenstand der Forschung zu bilden. Dazu kommt, dass man im 
Allgemeinen nur von den phylogenetisch jüngsten Eigenschaften solche 
Kreuzungen ausführen kann, und wenn es also gilt, neben diesen auch 
ältere Eigenschaften zu untersuchen, so wird man geradezu gezwungen, 
den Begriff im erörterten weiteren Sinne aufzufassen. Nach diesem 
ist es also klar, dass dieselbe Kreuzung als eine monohybride oder 
als eine di-polyhybride Vereinigung gelten kann, je nachdem man 
sein Augenmerk auf einen einzigen oder auf mehrere Difterenzpunkte 
richtet. 

Monohybride Kreuzungen kann man sowohl für con- 
stante als für inconstante Eigenschaften untersuchen, und 


ı Ber. d. d. bot. Ges., 1900, a. a. O. S. 84. 


u 


Mono-, Di- und Polyhybriden. 115 


im letzteren Falle ist es als möglich zu erachten, dass die Gesetze 
der einen Eigenschaft oft andere sein werden als diejenigen einer 
anderen elementaren Einheit. 

Den Monohybriden gegenüber stellen wir die Di-, Tri- und Poly- 
hybriden. Ihre Eltern unterscheiden sich je in zwei, drei oder 
mehreren elementaren Eigenschaften, bezw. es werden im Versuche 
zwei, drei oder mehrere Difterenzpunkte in Betracht gezogen. Ihre 
Gesetze sind zunächst nach den einfachen Regeln der Combinationen “ 
aus denen der Monohybriden abzuleiten, unter der Annahme, dass 
die einzelnen Charaktere bei den Kreuzungen sich von einander un- 
abhängig verhalten und also in ihren Verbindungen nur vom Zufalls- “ 
gesetze beherrscht werden. Die Erfahrung bestätigt, wie wir sehen 
werden, in der Regel diese Voraussetzung, aber die Möglichkeit von 
Ausnahmen ist selbstverständlich nicht ausgeschlossen. Es liegt sogar 
auf der Hand, zu erwarten, dass elementare Eigenschaften mehrfach 
zu zwei oder drei, oft vielleicht in grösseren Gruppen so innig mit 
einander verbunden sein können, dass sie sich durch Bastardirungs- 
versuche nicht trennen lassen.! 

So lange uns die Natur der inneren oder elementaren Eigen- 
schaften noch fast nur aus allgemeinen Betrachtungen bekannt ist, 
werden wir die elementaren Bastardirungsversuche noch 
zunächst nach ihren Ergebnissen zu Gruppen zusammen- 
fassen müssen. Diese Ergebnisse liegen aber weniger im Aeusseren 
der Bastarde, als in der Zusammensetzung ihrer auf einander folgenden 
Generationen. Das Aeussere eines Bastardes lässt sich nur 
schätzen, die Zusammensetzung einer Aussaat lässt sich in 
Zahlen ausdrücken. Jene Schätzungen aber sind in hohem Grade 
von persönlichen Ansichten oder Voreingenommenheiten abhängig und 
die Auffassungen verschiedener Forscher gehen oft sehr weit aus 
einander, wie wir dieses im ersten Abschnitt ausführlich dargelegt 
haben.” Ob man einen Bastard intermediär oder goneoklin nennen 
soll, ist in sehr vielen Fällen nur eine Frage des gegenseitigen Ver- 
ständnisses, ebenso ob ein Hybride extrem goneoklin oder völlig ein- 
seitig ist (Fig. 18). 

In den Vordergrund der Forschung tritt somit die numerische 


! Intracellulare Pangenesis. 8. 70, 189 u. s. w. 

” Meine eigenen Schätzungen habe ich im Laufe meiner Untersuchungen 
sich allmählich verändern sehen, je nachdem mir die Uebereinstimmungen oder 
die Unterschiede wichtiger zu sein schienen. Auch fand ich in einzelnen Fällen, 
dass Differenzen, welche nur fluctuirende zu sein scheinen, dennoch bisweilen 
eine tiefere Bedeutung haben können. Vergl. unten, bei Hyoscyamus niger. 

s*+ 


116 Die Methode der Erbzahlen. 


Zusammensetzung der einzelnen Bastard-Generationen. Die erste 
Generation kann einförmig sein; dann handelt es sich um den Bau 
der zweiten und der dritten. Oder die erste Generation enthält 
selbst bereits zwei oder mehrere Typen, und dann fragt es sich, wie 
jeder dieser sich bei Selbst- 
befruchtung verhalten wird. 

Diese Fragestellung er- 
fordert stets dasStudium von 
zwei oder mehreren Gene- 
rationen, denn die erstere 
Generation lehrt, namentlich 
wenn sie einförmig ist, wie 
es ja gewöhnlich der Fall 
ist, nicht einmal, ob man 
beständige oder unbestän- 
dige Bastard-Eigenschaften 
vor sich hat. 

Andererseits erfordert 
diese Fragestellung eine 
möglichst genaue Er- 
mittelung der procen- 
tischen Zusammenstel- 
lung der emzelnen Bas- 
tard-Generationen. Und 
es leuchtet ein, dass dazu 
die erste Bedingung ist, 
diese nichtin einigen wenigen 
Exemplaren, sondern in be- 


Fig. 18. Viola cornuta alba. Die blaue Blüthen- trächtlichen Anzahlen von 
farbe der Art wird in dieser Varietät als latent je: a 
betrachtet, die Varietät allgemein weiss genannt. Individuen zu  eultiviren. 
Sieht man aber genauer zu, so zeigen ganze Denn bis zu einer gewissen 
Beete der weissblühenden Sorte einen schwachen LER . : : 
aber deutlichen bläulichen Schimmer auf den Grenze wird die Genauig- 
Blüthen. keit des Resultates von der 


untersuchten Anzahl ab- 
hängen. Aber wo liegt diese Grenze, wie viele Individuen soll man 
untersuchen, um völlige Zuverlässigkeit zu erzielen? Diese Frage ist 
offenbar zunächst zu beantworten, von ihrer Antwort hängt ja der 
ganze Umfang der Versuche, und damit oft die Möglichkeit ihrer Aus- 
führung ab. Wir werden ihr somit die nächsten Paragraphen widmen.! 


! Vorläufig sei bemerkt, dass ein Versuchsumfang von 300—400 Individuen pro 
Aussaat dieGrenze bildet,deren Ueberschreitung zu keiner grösserenGenauigkeitführt. 


Mono-, Di- und Polyhybriden. 117 


Daneben steht die Frage, welcher Grad von Genauigkeit überhaupt 
erreicht werden kann. Soll man seine Procentzahlen bis auf zwei Deci- 
malen berechnen und vorführen, wie es ja bisweilen üblich ist, oder 
ist solches nur eine Parade einer in Wirklichkeit nicht vorhandenen 
Genauigkeit? Diese Frage fällt in ihrem inneren Wesen zusammen 
mit der viel bekannteren nach dem Werthe der Probe-Ent- 
nahmen, denn offenbar erntet und sät man wohl nie alle möglichen 
Samen einer Pflanze, sondern stets nur einen oft verhältnissmässig 
kleinen Theil der ganzen „theoretischen“ Ernte. Die Genauigkeit 
der Keimzählungen unterliegt also den Einschränkungen, welche die 
unvermeidlichen Zufälligkeiten der Probe-Entnahme mit sich führen, 
und soll somit zunächst einem empirischen und theoretischen Studium 
unterworfen werden. Dieses führt, wie wir sehen werden, zu der 
Annahme der sogenannten Latitüde, d. h. einer Grenze der erlaubten, 
möglichen bezw. unvermeidlichen Abweichungen vom wirklichen Werthe.! 

Die procentische Zusammensetzung einer reinen Samen- 
probe werden wir die Erbzahl ihrer Eltern nennen. Diese 
Erbzahl bezieht sich bei Selbstbefruchtungen somit auf eine einzige 
Pflanze, und bildet für diese sehr oft das wesentlichste, gar nicht 
selten das einzige Mittel zur Beurtheilung der erblichen Eigenschaften. 
Bei Kreuzungen gilt die Erbzahl selbstverständlich für die hybride 
Verbindung zweier Typen, kann aber oft auch mit Vortheil auf eine 
von beiden bezogen werden. Bei freier Bestäubung gelten die Erb- 
zahlen für die Mutterpflanzen; je nach den Arten und deren Ein- 
richtung zur vorwiegenden Befruchtung mit ihrem eigenen Pollen 
verlieren sie mehr oder weniger an Genauigkeit und Bedeutung. Aber 
stets soll man, um überhaupt Erbzahlen zu bestimmen, die Ernte 
aller einzelnen Individuen getrennt einsammeln und untersuchen. 
Gemischte Ernten haben bei dieser Untersuchungsmethode nur eine 
ganz untergeordnete Bedeutung, wie dieses namentlich von ‚JOHANNSEN 
an hervorragender Stelle ausgeführt worden ist.? 

Wir haben somit in den nächsten Paragraphen zuerst die Frage 
nach der Genauigkeit der Erbzahlen zu behandeln, um erst auf Grund 
dieser Untersuchung die Vererbungserscheinungen bei den Kreuzungen 
selbst zu studiren. 


! Diese Latitüde beträgt in der Praxis 5°/,. Proben aus einer künstlichen 
Mischung von gleichen Theilen verschiedener Samen pflegen zwischen 45 und 
55°, zu schwanken und eine grössere Genauigkeit darf also nicht gefordert 
werden. Vergl. unten. 

® Eus. Warume og W. JoHannsen. Den almindelige Botanik. 4. Aufl. 
1901. S. 673. 


118 Die Methode der Erbzxahlen. 


S 2. Uebersicht der Fehlerquellen. 


In der elementaren Bastardlehre handelt es sich in der Mehrzahl 
der Fälle um die Ermittelung der procentischen Zusammensetzung 
der Nachkommenschaft einer gekreuzten oder normalen Befruchtung. 
Dabei ist es fast nie möglich, alle Blüthen zu befruchten und alle 
Früchte, welche die Pflanze bei ungehindertem Wachsthum liefern 
könnte, zu ernten. Ebenso wenig ist es in der Regel durchführbar, 
die ganze Ernte auszusäen, und alle Nachkommen auszuzählen. Man 
hat sich mit einer beschränkten Auslese der Blüthen und Früchte 
zufrieden zu geben, und die Erbzahl für die ganze Ernte aus Keim- 
proben mit Mustern von beschränkter Grösse abzuleiten. 

Unter diesen Umständen ergeben sich zwei Fragen, von deren 
Beantwortung die ganze Grundlage der experimentellen Methode 
abhängt: 

1. Welche Genauigkeit haben die erhaltenen Erbzahlen 
in den einzelnen Versuchen? 

2. Welchen Grad der Genauigkeit soll man zu erreichen 
streben? 

Betrachten wir zuerst den zweiten Punkt. Ohne Zweifel ist im 
manchen Fällen der höchste Grad von Genauigkeit, den man über- 
haupt erreichen kann, der beste, namentlich wo es gilt, den zahlen- 
mässigen Beweis für bestimmte Gesetze zu liefern. Wo aber die 
Erscheinungen in ihren grossen Zügen noch so völlig dunkel sind, 
wie auf dem Gebiete der Bastardlehre, gilt es zunächst, die Gesetze 
selbst zu entdecken. Und um dazu zu gelangen, müssen vorher die 
einfachen Erscheinungen aufgesucht und auf ihre elementare Be- 
schaffenheit geprüft werden. Ganze Gruppen von Vorgängen sind 
uns vermuthlich noch völlig verborgen; man ahnt sie nicht und der 
Zufall hat sie an’s Licht zu bringen. Und die Aussicht ist offenbar 
viel grösser, dass solches durch umfangreiche, als dass es durch sehr 
genaue Versuche geschehen würde. 

Diese und ähnliche allgemeine Betrachtungen führen zu dem 
Schlusse, dass es wichtig ist, möglichst viele und vielseitige Versuche 
anzustellen. Daher dürfen die an die Genauigkeit zu stellenden 
Forderungen nicht dazu leiten, jeder einzelnen Cultur so viel Zeit 
und so grossen Raum zu opfern, dass dadurch die Anzahl der gleich- 
zeitig zu behandelnden Fragen zu sehr verringert wird. 

Der Umfang jedes einzelnen Versuches wird der Hauptsache 
nach durch zwei Factoren bestimmt. Es sind diese die Anzahl der 
Samenträger, und die Grösse der Aussaat für jeden von ihnen. Je 


Uebersicht der Fehlerquellen. 119 


zahlreicher die Samenträger, um so genauer wird sich aus dem Ver- 
such der mittlere Werth für die ganze Gruppe berechnen lassen, und 
dieser mittlere Werth ist es in der Regel, der die Antwort auf die 
gestellte Frage giebt. Und unter einer grösseren Anzahl von Mutter- 
pflanzen ist gleichfalls die Aussicht grösser, extreme Varianten oder 
vereinzelte Mutanten aufzufinden, als in einer kleineren Gruppe. Für 
Zuchtversuche ist solches offenbar von höchster Wichtiskeit. 

Der zweite Factor ist die Grösse der Aussaat. Für jede Mutter 
‚wird die Erbzahl um so genauer gefunden, je mehr Samen man von 
ihr erntet und aussät und je mehr Keimlinge man in dieser Saat 
zählt. Die Aussaat und die aus dieser eventuell für das Zählen 
gewählte Gruppe von Keimpflanzen nennen wir die Keimprobe, und 
es leuchtet ein, dass die Grösse der Ernte und der Umfang der Keim- 
probe eigentlich zwei von einander getrennt zu betrachtende Factoren 
sind. Mit der Anzahl der Samenträger verbunden bestimmen sie die 
Genauigkeit und Zuverlässigkeit des Versuches. 

Es ist nun offenbar unmöglich, diesen drei Factoren jede beliebige 
Ausdehnung zu geben. Die Anzahl der Samenträger ist durch den ver- 
fügbaren Raum im Versuchsgarten beschränkt, die Grösse der Ernte 
durch den Raum, den man jeder einzelnen Pflanze geben kann, und der 
Umfang der Keimprobe theilweise durch die Grösse der Gewächshäuser, 
namentlich aber durch die Zeit, welche man im Winter und im 
Frühling für diese Arbeiten zur Verfügung stellen kann. Berück- 
sichtigt man diese Umstände, so spitzt sich die Frage derart zu, dass 
man untersucht, wie Raum und Zeit am vortheilhaftesten auszunutzen 
sind, d. h. wie in jedem Jahre auf möglichst viele Fragen eine zuver- 
lässige Antwort erhalten werden kann. Denn je mehr Raum und 
Zeit jedes einzelne Experiment beansprucht, um so kleiner wird noth- 
wendiger Weise die Anzahl der Versuche werden. Es ist also zu 
ermitteln, wie viele Samenträger man am besten eultivirt, wie viel 
Raum man ihnen zu geben hat für eine ausreichende Ernte, wie viel 
Blüthen man eventuell künstlich befruchten soll, und wie gross schliess- 
lich die Keimprobe zu nehmen ist. Und da die künstlichen Be- 
fruchtungen unter dem hiesigen Klima mit wenigen Ausnahmen erst 
etwa Mitte Juli anfangen können und vor Ende August abgeschlossen 
sein müssen, so darf man nicht zu viele Blüthen für jeden einzelnen 
Versuch castriren, wenn man seine ganze Versuchsreihe überhaupt 
zur Ausführung bringen will. 

Im Winter und Frühling sind die Keimzählungen, deren Ergeb- 
niss die Grundlage für die Wahl der Samenträger in dem betreften- 
den Jahre sein soll, selbstverständlich auszuführen vor oder in der 


120 Die Methode der Erbzahlen. 


einen einzelnen Versuch Zeit und Raum hat, um 12000 Keimlinge 
zu zählen, es sich fragt, ob man von 40 Samenträgern je 300, oder 
von 30 je 400 Keime zählen soll, oder in anderen Verhältnissen. Je 
grösser die eine Zahl, um so kleiner wird selbstverständlich die andere. 

Die Erfahrung hat gelehrt, dass es am zweckmässigsten ist, im 
Allgemeinen etwa 20—30 Samenträger und etwa 300—400 Keimlinge 
als den normalen Versuchsumfang festzustellen. Diese Erfahrung 
steht mit der in der Praxis der Samenprüfungsanstalten, und mit den 
Folgerungen aus der Wahrscheinlichkeitslehre, durchaus im Einklang, 
wie wir in den beiden folgenden Paragraphen sehen werden. Sobald 
es sich aber um Rassen oder Kreuzungen handelt, deren Merkmale 
nicht an den Keimpflanzen, also in den Keimschüsseln, gesehen werden 
können, sondern welche sich erst bei der Ausbildung der Wurzel- 
blätter, dem Emporschiessen des Stengels oder gar erst bei der 
Blüthe oder der Fruchtreife zeigen werden, so erfordern die Ver- 
suche viel zu viel Raum, um in so grosser Ausdehnung ausgeführt 
zu werden. Für eine Keimprobe von 300—400 Exemplaren reicht 
eine einzige Keimschüssel in der Regel aus; um 300 Individuen von 
Oenothera Lamarckiana zur Blüthe zu bringen, braucht man etwa 
6—S (Quadratmeter. In beiden Fällen erhält man nur eine einzige 
Erbzahl. Bei der letzteren Sorte von Versuchen ist man also wohl 
gezwungen, sich mit einem kleinen Umfang zufrieden zu stellen, wenn 
man überhaupt in jedem Jahre mehrere Fragen zu beantworten hoftt. 
Es entsteht daraus die Regel, zur Beantwortung der einzelnen Fragen 
den Versuchsumfang so weit zu beschränken, dass man gerade noch 
eine zuverlässige Antwort erwarten darf, um im nächsten Jahr, falls 
die Antwort grössere Genauigkeit erfordern und wichtig genug sein 
sollte, um ihr das Studium anderer Fragen zu opfern, dieselben Zäh- 
lungen in einem grösseren Umfang zu wiederholen.! 

Die Genauigkeit der erhaltenen Erbzahlen hängt wesent- 
lich von zwei Fragen ab. Erstens, wie genau vertritt die factische 
Ernte die ideale, und zweitens, wie verhält sich das ausgesäte Muster 
zur ganzen Ernte. Indem wir den letzten Punkt in den beiden 
nächsten Paragraphen ausführlich erörtern werden, wollen wir hier 
den ersteren einer kurzen Betrachtung unterwerfen. 

Die Ernte ist bei Versuchen wohl nie eine so grosse, wie sie sein 
könnte. Nur wenn jeder einzelne Samenträger möglichst vielen Raum 


! Leider habe ich Letzteres in mehreren Fällen bis nach Beendigung dieses 
Buches verschieben müssen; ich behalte mir aber vor, darauf später an anderen 
Stellen zurückzukommen. 


Debersicht der Fehlerquellen. 121 


hat, um en angestürt: zu verzweigen, und wenn er so me aus- 
gepflanzt und so stark gedüngt ist, dass er vor Schluss des Sommers 
seine Fähigkeit, Blüthen zu bilden, völlig erschöpft, und wenn schliess- 
lich sämmtliche Blüthen und Samen befruchtet werden und die 
letzteren sich normal ausbilden, wird das Maximum der Ernte erreicht. 
Unter unserm Klima erschöpft sich oft ein Hauptstamm oder Ast in 
der Blüthenbildung, und bringt es also zu einem normalen, nur durch 
die Grösse der Fruchtlast, nicht durch die Jahreszeit, bedingten Ab- 
schluss. Aber nur selten erschöpft eine Pflanze ihre Fähigkeit, sich 
zu verzweigen und reift sie alle Früchte, welche sie anzulegen ver- 
mag. Ohne Beschneiden blühen die meisten Gewächse noch im Herbst, 
aber September- und October-Blüthen geben bei uns nur selten noch 
Samen. Die ideale Ernte erreicht eine Pflanze bei uns also wohl nie. 

Und wie weit bleibt nicht meist die thatsächliche Ernte bei 
dieser zurück. Um 20-25 Oenotheren pro Quadratmeter Samen 
tragen zu lassen, muss man in der Regel alle oder doch fast alle 
Seitenzweige abschneiden. Wenn man am Hauptstamm jeden Tag 
oder jeden zweiten Tag die geeigneten Blüthen castrirt und bestäubt, 
muss man sich meist auf 10—20 Früchte beschränken, falls man 
dem einzelnen Versuche nicht unverhältnissmässig viel Zeit opfern 
kann. Es erreicht somit in günstigen Fällen die wirkliche Ernte ge- 
wöhnlich nicht ein Zehntel von der überhaupt möglichen. Fängt die 
Pflanze erst spät im August zu blühen an, so ist man noch stärker 
beschränkt; ebenso, falls, wie bei ©. seintillans und O. lata, jede ein- 
zelne Frucht nur wenige Samen giebt. Bei Kreuzungen ist oft die 
Fertilität, und dadurch die Ernte, nur eine geringe, oder es zeigt 
sich eine anscheinend gute Ernte nur als theilweise keimfähig. 

In allen diesen Fällen verhält sich die wirkliche Ernte zu der 
idealen, wie ein grösseres oder kleineres Muster zu dem ganzen be- 
treffenden Vorrath. Nur mit der Ausnahme, dass man nicht weiss, 
inwiefern das Muster wirklich dem Mittelwerthe entspricht, d.h. 
wiefern andere Blüthen, andere Zweige, eine andere Jahreszeit ein 
abweichendes Muster gegeben haben würde. Doch ist diese Gefahr, 
wie die unten mitzutheilenden Untersuchungen über die Veränderungen 
der Erbzahl auf derselben Pflanze bei Selbstbefruchtung zeigen werden, 
glücklicher Weise im Allgemeinen keine sehr grosse. 

Wir dürfen daher, auch bei kleiner Ernte, die Keimprobe mit 
fast derselben Genauigkeit als Vertreterin der idealen Ernte betrachten, 
wie im Falle grösserer oder gar sehr grosser Samengewinnung. 

Oben wurde eine Frage berührt, welche namentlich bei Kreuzungen 
zu berücksichtigen ist, wenn durch die grössere oder geringere Sterilität 


122 Die Methode Ber Erbxahlen. 


ein Theil der Samen a reift a en er (S. 109). Es war die, 
ob das Verhältniss der verschiedenen Nachkommen in der Keimprobe 
durch dieses Sterben beeinflusst werden kann. Es liegt auf der Hand, 
dass die schwächeren Typen auch als Samen mehr von der Sterblichkeit 
setroften werden können als die stärkeren, und dass die Prozentzahl also 
zu Gunsten der letzteren abgeändert werden könnte. Vielleicht könnte 
gar durch Absterben aller Individuen des schwächeren Typus in der 
Jugend in manchen Fällen die Einförmigkeit einer Bastardgeneration ver- 
ursacht werden. Doch habe ich hierüber noch keine Versuche angestellt. 
Aehnlich verhält es sich im späteren Leben, wenn die Wachs- 
thumsbedingungen keine ausreichend günstigen sind, wenn z. B., wie so 
leicht der Fall, auf einem kleinen Raum zu viele Individuen gepflanzt 
wurden. Ist dann die eine Sorte schwächer als die andere, so bringt 
sie es in einer zu geringen Individuenzahl zur Blüthe. Statt aus- 
führlicher Auseinandersetzungen führe ich davon ein Beispiel an. 
Die Kreuzung Oenothera (Lamarckiana X O. brevistylis) x O. brevis- 
tylis giebt in der Regel etwa 50°/, von den beiden Typen; die bre- 
vistylen Pflanzen sind aber merklich schwächer wie die Lamareckiana, 
namentlich wenn sie mit einander in Öoncurrenz treten. Ich gewann 
im Jahre 1899 von einer solchen Kreuzung auf einem Samenträger 
4 Kubikcentimeter Samen, und pflanzte davon einen Theil bei dichtem 
Stande im nächsten Sommer, den übrigen Theil aber im Jahre 1901 
bei weitem Stande aus. 1900 wurden ausgepflanzt 187 Exemplare, 
aber nur 120 brachten es zur Blüthe oder zur Ausbildung solcher 
Blüthenknospen, dass ich die Griffellänge beurtheilen konnte. Von 
ihnen waren 41 oder etwa 33°/, kurzgriffliig.. Im nächsten Jahr 
pflanzte ich 291 Individuen; es starben nur 34 und es gab 132 lang- 
grifflige und 125 kurzgrifflige Exemplare, also 49"/,, eine Zahl, welche 
hinreichend genau mit dem zu erwartenden Werthe übereinstimmt. 
Aehnliche Unterschiede in der Sterblichkeit bei dichtem Stande 
giebt es sehr oft. Aber auch andere Gefahren kommen vor. So tritt 
in manchen Jahren im Spätsommer Raupenfrass ein. Fressen nun die 
Raupen mit Vorliebe die Theile, welche man gerade zur Beurtheilung 
braucht, so können mehr spätblühende Exemplare bei der Zählung 
wegfallen als frühblühende u. s. w. So fressen die Raupen von 
Mamestra und Fadena bei Lychnis vespertina und diurna oft vorzugs- 
weise den oberen Theil der unreifen Frucht, also die Zähne, welche 
ein wichtiges Merkmal bilden, weg. Doch würde es zu weit führen, 
noch auf andere Beispiele einzugehen. 
Manche der hier erwähnten Gefahren sind bei richtiger Vera 
anstellung zu umgehen, das Verhältniss der thatsächlichen zur idealen 


Die in der Landwirthschaft bei Keimprüfungen gebräuchliche Latitüde. 123 


Ernte, sowie dasjenige zwischen der Keimprobe und der Ernte kann 
aber nur ausserhalb gewisser Grenzen durch den Versuchsansteller 
beherrscht werden. Welches diese Grenzen sind, haben wir also jetzt 
zu untersuchen. 


$ 3. Die in der Landwirthschaft bei Keimprüfungen gebräuchliche 
Latitüde. 


Im Grosshandel der landwirthschaftlichen Samen pflegen diese 
der Controle der Samenprüfungsstationen unterworfen zu sein. Die 
Stationen untersuchen die Reinheit, die Keimkraft u. s. w. der ihrem 
Urtheile unterworfenen Muster, und es fragt sich, in wie weit der 
Werth des betreffenden Musters mit demjenigen der ganzen Partie 
übereinstimmt. Selbstverständlich sind Samen, namentlich in grösseren 
@uantitäten, nie so vollkommen gemischt, dass alle Muster einer 
Partie einander völlig gleich sein würden. Die vorzüglichste Fest- 
stellung der Eigenschaften einer oder zweier Samenproben wird die 
Zusammensetzung des Ganzen somit nur mit einem gewissen Grade 
von Genauigkeit angeben. Kleine Abweichungen sind unvermeidlich, 
und es ist für den Handel sehr wichtig, dass die Grenzen festgestellt 
sind, innerhalb welcher Differenzen zwischen der Waare und dem 
Muster, bezw. dem angegebenen Verbrauchswerthe, gestattet sind. 

Diese Grenzen bezeichnet man meist als Latitüde, und die von 
NoBBE in seinem Handbuch der Samenkunde vorgeschlagene Latitüde 
von 5°/, ist wohl die am allgemeinsten angenommene.! Sie bedeutet, 
dass eine Abweichung der Waare von der in Procenten angegebenen 
Werthzahl nach oben und nach unten höchstens 5°/, betragen darf, 
und dass geringere Differenzen somit keinem Einwande ausgesetzt 
sind. Ist also z. B. 50°/, angegeben, so bedeutet dieses, dass der 
wirkliche Werth zwischen 45 und 55°/, liegt. 

Die Erfahrung lehrt, dass Käufer und Verkäufer mit dieser 
Latitüde zufrieden sein können, und eine auf der Wahrscheinlichkeits- 
lehre gegründete theoretische Berechnung hat die volle Berechtigung 
dieser Grenze ergeben.” Theorie und Erfahrung lehren ferner, dass 
bei sehr hohen und sehr niedrigen Procentzahlen, etwa bei 0—10 
und 90—100°/,, die zu erwartenden Abweichungen stets bedeutend 
kleiner sind als bei den übrigen, und man hat in Vorschlag gebracht, 
dementsprechend für diese Fälle die Latitüde kleiner zu nehmen, und 
sie auf 3°/, festzustellen. 


ı F. Nosge, Handbuch der Samenkunde. 1876. S. 605. 
= Verel. S.: 125. 


124 Die Methode der Erbzxahlen. 


Es leuchtet ein, dass die Ermittelung von Erbzahlen sich zu 
dem wirklichen „Erbwerthe“ der Mutterpflanze genau so verhält, wie 
die Prüfung eines Samenmusters zum Werthe der ganzen Partie. 
Ich meine dabei nur die Prüfung des gegebenen Musters der voll- 
ständig gedachten Ernte,! denn inwiefern die thatsächlich erzielte 
Ernte selbst dem Erbwerth der Mutter entspricht, ist offenbar eine 
ganz andere Frage. Das hierüber im vorigen Paragraphen Mit- 
getheilte lehrt, dass auch darin grosse Schwierigkeiten und Fehler- 
quellen der Methode liegen können. 

Die unvermeidlichen Fehler der Probeentnahme sind aber sowohl 
dem theoretischen als auch dem experimentellen Studium in so ein- 
facher Weise zugänglich, dass es sich lohnt, daraus das Wichtigste 
zusammenzustellen. Daneben lehren sie uns, in welchem Umfange 
die Keimprüfungen am zweckmässigsten auszuführen sind, d. h. wie 
viele Keimlinge man für die Ermittelung der Erbziffer auszuzählen 
hat. Die so gefundenen Regeln sind für die wissenschaftlichen Unter- 
suchungen dieselben wie für die Praxis, und sollen hier also zunächst 
angeführt werden. 

1. Es ist am besten, für jede einzelne Keimprüfung 
300—400 Keimlinge abzuzählen. Bei einer grösseren Anzahl 
nimmt die Genauigkeit des Ergebnisses nicht wesentlich zu. 

2. Ist die Ernte einer einzelnen Pflanze, wie es ja bei 
vielen Versuchen der Fall ist, nicht so gross, dass sie 300-400 Keim- 
pflänzchen liefert, so ist zu berücksichtigen, dass die Genauig- 
keit der Erbziffer ab-, die Latitüde somit zunimmt. Solches 
findet nach einfachen im Voraus zu berechnenden Regeln statt. 

3. Bei Keimprüfungen von 300—400 Exemplaren ist die 
Latitüde im Allgemeinen auf 5°), und nur bei Erbzahlen 
von 0—10 und 90—100°/, auf 3°, zu stellen. Das wirkliche 
Vorhandensein geringerer Unterschiede in einer Gruppe von Be- 
obachtungen lässt sich nicht durch die einzelnen Versuchsergebnisse, 
sondern nur durch starke Häufung des Beobachtungsmateriales be- 
weisen. In kleineren Versuchsreihen hat man Differenzen 
von weniger als 5°/, bezw. 3°/, vom Mittel somit zu ver- 
nachlässigen. 

Die empirische Ermittelung dieser Regeln verdanken wir, wie 


! Erntet man nur von wenigen Früchten die Samen, oder lässt man über- 
haupt nur einzelne Früchte reifen, so ist die Wahl dieser Samen bereits als eine 
Probeentnahme aus derjenigen Ernte zu betrachten, welche man nach Reifung 
aller Früchte gewonnen haben würde. (Vergl. den vorigen Paragraphen.) 


Die in der Landwirthschaft bei Keimprüfungen gebräuchliche Latitüde. 125 


erwähnt, NOBBE; die theoretische Begründung wurde von RODEWALD 
geliefert,’ und später von HOLLEMAN einer eingehenden Kritik unter- 
zogen, welche im Wesentlichen zu einer Bestätigung der vom ge- 
nannten Forscher erhaltenen Ergebnisse führte.” RopEwaALn stützt 
sich auf die Gauss’sche Formel des Wahrscheinlichkeitsgesetzes und 
auf die daraus von JORDAN, HAGEN und Anderen abgeleiteten Tabellen.° 
HOoLLEMAN stützt sich auf umfangreiche, besonders für diesen Zweck 
durch Prof. J. ©. Kapreyx in Groningen angestellte Berechnungen. 

Indem ich für die Berechnungen auf die unten citirten Werke, 
und im Allgemeinen auf die Lehrbücher der Wahrscheinlichkeitslehre 
verweise, beschränke ich mich hier auf die Mittheilung derjenigen 
Zahlen, welche zu einer richtigen Beurtheilung der Methode und der 
empirisch gefundenen Werthe erforderlich sind. 

Ausgangspunkt für die ganze Ueberlegung bildet der sogenannte 
wahrscheinliche Fehler, d. h. der Fehler, der von der Hälfte der 
Beobachtungen nicht erreicht, von der anderen Hälfte aber über- 
schritten wird. Man kann 1 gegen 1 wetten, dass die Abweichung 
einer Beobachtung vom wirklichen Werthe nicht grösser sei als dieser 
Fehler. Bei Curvenermittelungen pflegt er als Quartil (Q, und Q, 
auf beiden Seiten des Mittels) angegeben zu werden;! zwischen den 
beiden. Quartilen liegt die Hälfte der Individuen. 

Der mittlere Fehler der Zählung einer Probe ist offenbar um so 
kleiner, je grösser die Anzahl der gezählten Objecte ist, und zwar nimmt 
er in dem Verhältnisse ab, wie die Quadratwurzel aus der Zahl der 
Beobachtungen zunimmt. Oberhalb einer gewissen Grenze bedarf es 
somit ganz erheblicher Vergrösserungen des Umfanges der einzelnen 
Prüfung, um die Fehlerquelle um ein Geringes abnehmen zu lassen. 
Es handelt sich also darum, diese Grenze zu bestimmen, d. h. die 
Grenze, oberhalb welcher eine Zunahme der Anzahl der gezählten 
Keimpflanzen ohne wesentliche Bedeutung wird. 


! H. Ropewarn, Ueber die Fehler der Keimprüfungen. 1. Abhandl. Land- 
wirthsch. Versuchsstationen. Bd. 36. 1889. S. 105—112; 2. Abhandl. a. a. O. 
S. 215—227. Die erstere Abhandlung enthält die Theorie, die zweite die An- 
wendung auf die Beurtheilung von Klee- und Grassamen. Derselbe, Ueber 
die Fehler der Reinheitsbestimmungen von Kleesamen, sowie über die Fortpflanzung 
der Fehler in der Gebrauchswerthrechnung; a. a. O. Bd. 37. 1890. $. 98—105. 

* F. A. Horzeman, Bepaling der Kiemkracht en Kansrekening. Landbouw- 
kundig Tijdschrift. Bd. II, 1894. S. 293-303; vergl. namentlich $. 298. 

® W. Jorpan, Handbuch der Vermessungskunde. Bd. I. Ausgleichungs- 
rechnung. Stuttgart 1888. G. Hasen, Grundzüge der Wahrscheinlichkeitsrechnung. 
Berlin 1867. 

* Vergl. den ersten Band 8. 379 fg. 


126 Die Methode der Erbzahlen. 


RopEewALp giebt hierüber die folgende Tabelle! Die „wahr- 
scheinlichen Fehler“ sind berechnet für Zählungen von 100, 200, 
300 u. s. w. Keimen, und für einen Gehalt der Probe an 5, 10, 
20°/, u.s. w. an abweichenden Exemplaren. Wir nennen diese die 
Aberranten, seien sie nun tricotyl, syncotyl oder Mutanten, oder bei 
Kreuzungen die eine der beiden ursprünglich verbundenen Formen u.s.w. 


Tabelle der zufälligen wahrscheinlichen Fehler bei Keim- 


prüfungen. 
Wahrscheinliche Fehler 
Aberranten = gen Zen = ; 
in Procent Keime ’ 
100 200 300 | 400 500 | 900 
a a #71 1.04 0.85.07 0.66 0.49 
10 || 2.03 1.44 Talı 1.02 0.91 0.68 
20 Dh. er 1492 1.56 130%. 2604,21 0.90 
30 3.11... 22008 2001279 1.55 1.39 1.04 
40 ER et ey 1.66 1.49 1.11 
50 3.39 340° E96 1.69 1.52 1.13 
60 8.39 |» 2,34 1.9 1.66 1.49 1.11 
70 Bu le 2 EA 272) 1.55 .1.39 1.04 
s0 2.71 1.921. 2 1 01:56 1.36 1.21 0.90 
90 2.083 LAN 2] al 61:0 0:91. °.127.0:68 
95 14339 21702. ROBBE RT 0.66 | 0.49 


1005, 1. es Pa = = ee 


Die obere Hälfte der Tabelle enthält dieselben Zahlen wie die 
untere, da es ja offenbar auf die Rechnung keinen Einfluss hat, ob 
man den einen oder den anderen Bestandtheil einer Mischung als 
Aberranten betrachtet. So kann man z. B. bei Halbrassen die Trico- 
tylen, bei den durch Selection verbesserten Mittelrassen (Hochzuchten) 
die Dicotylen als Aberranten auffassen. Man hätte also mit der 
halben Tabelle ausreichen können, doch dürfte in der Anwendung die 
vollständige Form bequemer sein. 

In der Tabelle sieht man, dass die wahrscheinlichen Fehler am 
geringsten sind, wenn man Proben von fast völliger Reinheit, also in 
der Nähe von 100°/, und 0°/, untersucht, und dass sie um so grösser 
werden, je mehr man sich dem mittleren Werthe von 50°/, nähert. 
Ferner ergiebt sich, dass die Fehler durch Erhöhung der Anzahl der 


! RopewArv, Landw. Vers. Bd. 36. S. 110. 


Die in = Landwirtschaft bei Keimpr üfungen gebräuchliche 1 N 127 


gezählten Keimlinge von 100 auf 300 wesentlich geringer werden, 
dass sie aber von 300—400 Keimen aufwärts nur noch unverhält- 
nissmässig wenig abnehmen. Es ist somit nicht zweckmässig, diese 
Grenze bei den Prüfungen zu überschreiten. Einerseits weil man 
weit besser thut, zwei Versuche für verschiedene Mutterpflanzen mit 
je 300 - 400 Keimlingen, als eine Beurtheilung einer einzigen Mutter- 
pflanze mittelst S00 Keimlingen vorzunehmen. Andererseits aber, weil 
bei so hohen Zahlen subjective Fehler (Ermüdung, Irrthümer, und 
daher Verzählen u. s. w.) eintreten können, welche mehr schaden 
würden, als die an sich geringe Erhöhung der Genauigkeit nützen 
könnte. Die Erfahrungen der Samenprüfungsstationen sowie meine 
eigenen, im nächsten Paragraphen zu beschreibenden Üontrol-Ver- 
suche stimmen mit diesem Ergebniss durchaus überein. 

Bei der Beurtheilung von Erbziffern ist es also nach Obigem 
möglich, die Genauigkeit der einzelnen erhaltenen Werthzahlen zu 
bestimmen. Man hat nur die entsprechende Fehlergrösse in der Ta- 
belle aufzusuchen und sie zu dem gefundenen Werthe zu addiren 
und von diesem zu subtrahiren, um die Grenzen zu finden, innerhalb 
welcher für die Hälfte der Fälle der gesuchte Werth mit Sicher- 
heit liegt. 

Handelt es sich aber nieht darum, eine einzelne Zahl, sondern 
eine Gruppe von Zahlen zu beurtheilen, so hat man in einer etwas 
anderen Weise vorzugehen. Unsere Gruppen umfassen oft etwa 
20—30 Samenträger, bisweilen mehr, selten aber mehr als 50. Es 
fragt sich dann nicht, was jede einzelne Zahl bedeutet, sondern was 
aus der ganzen Gruppe gefolgert werden kann. Zu diesem Zweck ist es 
wichtig, zu wissen, wie gross die Fehler in der Gruppe im Allgemeinen 
sind. Man drückt dieses so aus, dass man fragt, wie gross der Fehler 
ist, der in der betreffenden Gruppe nur einmal erreicht oder über- 
schritten wird. 

Die Wahrschemlichkeitslehre antwortet, dass diese Abweichung 
aus dem wahrscheinlichen Fehler in einer bestimmten einfachen 
Weise abgeleitet werden kann. Nennt man den wahrscheinlichen 
Fehler r so kommt! ein Fehler vor: 


grösser als r einmal unter je 2 Fällen 


9 3 
” „ -r „ „ „ 4,6 ”„ 
: 2, 
”„ „ 3 [F „ „ „ 22 „ 
5 
„ „ 4 r „ „ „ 1 42 „ 


I RopEwALD a.a. 0. S. 108. 


128 Die Methode der Erbzahlen. 


Für Gruppen von meist etwa 20—30, selten 50 erreichenden 
Erbzahlen werden wir also im Allgemeinen annehmen, dass in 
jeder Gruppe ein Fehler von 3r nur einmal erreicht oder überschritten 
wird. Für diesen speziellen Fall sind die Zahlen der obigen Tabelle 
also mit 3 zu multipliziren, und theils wegen der wechselnden Grösse 
der Beobachtungsreihen, theils zum Zweck des bequemeren Gebrauches 
abzurunden. Wir erhalten dann die folgende 


Tabelle der Latitüden in den üblichen Gruppen von Erbzahlen. 


Latitüde in Procenten 
bei einer Anzahl Keime von 


100 200 300 400 


Aberranten 
in Procent 


5 4.5 


3 2.5 2 
10 6 4.5 3.9 3 
20 8 6 4.5 4 
30 9 6.5 9.9 4.5 
40 10 7 6 > 
50 10 7 6 b) 
60 10 Le, 6 5 
70 9 6.5 5.9 4.5 
s0 8 6 4.5 4. 
90 6 day = | 2) 3 
95 4.5 3 2.5 2 


Diese Tabelle ist somit der Beurtheilung jeder einzelnen Gruppe 
von Beobachtungen zu Grunde zu legen. Sind in einer gegebenen 
Gruppe die Abweichungen vom Mittel geringer, als diese 
Tabelle angiebt, liegen sie also alle innerhalb der praktisch 
erlaubten Latitüde dieses Mittels, so liefert die Gruppe 
nicht den Beweis für das wirkliche Vorhandensein indivi- 
dueller Unterschiede. Die Beobachtungen lassen es dann unent- 
schieden, ob solche vorhanden sind oder nicht. Man kann dieses 
auch so ausdrücken: Wenn ich die Ernten aller einzelnen Samen- 
träger gemischt hätte, und aus der Mischung ebenso viele Proben 
genommen hätte, wie es Samenträger gab, so würden die Keimprü- 
fungen dieser Proben Resultate gegeben haben, welche in derselben 
Weise vom Mittel abwichen, wie die thatsächlich gefundenen. Denn 
innerhalb der erlaubten Latitüde hängen die einzelnen Beobachtungen 
nur vom Zufall ab. 

Nur wenn zwei oder mehrere extreme Zahlen einer Gruppe ausser- 
halb der fraglichen Grenzen liegen, darf diese als ein experimenteller 


Die in der Landwirthschaft bei Keimprüfungen gebräuchliche Latitüde. 129 


Beweis für die Existenz solcher Abweichungen betrachtet werden. 
Dabei muss aber vorausgesetzt werden, dass auch andere Fehler- 
quellen, wie die im vorigen Paragraphen besprochenen, ausge- 
schlossen sind. 

Glücklicherweise ist der Nachweis individueller Differenzen nur selten 
der Hauptzweck der Beobachtungen. Dieser liegt vielmehr einerseits in 
der Ermittelung des Mittelwerthes der ganzen Gruppe, andererseits, und 
namentlich beim Zählen von Tricotylen und anderen Keimvariationen, 
in der Ermöglichung einer Wahl der extremen Varianten für die Aus- 
lese, d. h. für die Fortsetzung der Cultur in der nächsten Generation. 

Der Mittelwerth der ganzen Gruppe wird von den ge- 
gebenen Erörterungen nicht oder kaum berührt. Er wird 
offenbar um so genauer und um so sicherer sein, je grösser die Zahl 
der Einzelbeobachtungen, d. h. der gefundenen Erbzahlen ist, und je 
dichter diese zusammengehäuft sind. Mehr als 20—30 Erbzahlen 
sind nur selten erforderlich, um die Mittelzahl so genau kennen zu 
lernen, als es die Versuche erfordern. 

Die Wahl extremer Varianten ist theoretisch offenbar nur dann 
möglich, wenn die Beobachtungen die angegebene Latitüde über- 
schreiten. Aber gerade unter den extremen Erbzahlen wird es, 
wenigstens zum Theil, solche geben, welche ihren hohen Werth theil- 
weise dem Zufall verdanken. Denn es leuchtet ein, dass diejenigen 
extremen Varianten, deren Keimprüfung in der centralen Richtung 
von ihrem wirklichen Werthe abwich, Zahlen ergeben werden, welche 
nach dem Mittel der ganzen Gruppe zurückschlagen, während nur 
durch die Combination einer wirklich vorhandenen und einer vom 
Zufall in dem gleichen Sinne bewirkten Abweichung die extremen 
Zahlen entstehen können. Wird also die erlaubte Latitüde durch 
einige Zahlen überschritten, so ist es wohl gewiss, dass die betreffen- 
den Mütter besser sind als das Mittel, ob sie aber auch wirklich die 
allerbesten sind, lehrt der Versuch nicht. Eine oder die andere kann 
dem Zufall den Schein eines hohen Werthes verdanken. Man muss 
daher, um sicher zu gehen, zur Fortsetzung des Versuches, wo mög- 
lich die Nachkommen von zwei oder drei Müttern weiter cultiviren 
und zwar derart, dass die betreffenden Gruppen getrennt bleiben, und 
dass später nicht die Erben mit der höchsten Erbzahl, sondern nur 
die besten Kinder von der besten Mutter ausgelesen werden ((Gross- 
‚mutterwahl). 

Dieses Prineip lässt sich nun auch auf die Gruppen mit zu 
kleinen Unterschieden in den gefundenen Erbzahlen anwenden. Denn 
wenn auch die Zahlen ganz vom Zufall beherrscht sein können, so 


DE VRIES, Mutation. II. 9 


130 Die Methode der Erbzahlen. 


müssen sie doch auch von den individuellen Unterschieden beeinflusst 
werden, falls solche vorhanden sind. Und die Erfahrung lehrt, dass 
nur bei ganz geringen Abweichungen vom Mittel eine Auslese völlig 
illusorisch ist; in weitaus den meisten Fällen giebt sie bei genügender 
Umsicht dennoch das gewünschte Resultat, d. h. eine Verbesserung 
der Rasse. 

In der Praxis der Samenprüfungsanstalten ist es üblich, für jede 
Probe stets zwei Einzelprüfungen zu machen. Weichen diese nicht 
erheblich von einander ab, so ist ihr Mittel der gesuchte Werth, 
anderenfalls sind die Zählungen an neuen Proben zu wiederholen. Bei 
der Ermittelung der Erbzahlen von tricotylen und Ähnlichen Rassen lässt 
sich diese Regel nicht befolgen, und zwar aus dem einfachen Grunde, 
weil der Experimentator seinen Zählungen so viele Zeit widmet als zu 
der fraglichen Jahreszeit überhaupt zur Verfügung steht. Sind die 
Zählungen somit stets doppelt zu machen, so würde solches heissen, 
dass nur die halbe Anzahl der Erbziffern ermittelt werden könnte. Das 
mag in einzelnen Fällen zweckmässig sein. In der Regel aber ist nicht 
die Genauigkeit der einzelnen Zahl, sondern diejenige des Mittels der 
ganzen Gruppe der Hauptzweck, und dieser wird besser durch eine 
Vergrösserung des Versuchsumfanges, also durch Auszählen der Keim- 
linge aus den Ernten von mehr Müttern, als durch grössere Genauig- 
keit der einzelnen Zahlen erreicht. Nur für die extremen Varianten 
dürfte die Doppel-Methode von Bedeutung sein, theils um ihre Exis- 
tenz und die Grösse ihrer Abweichung genau sicher zu stellen, theils 
um die Auslese so scharf wie möglich zu machen. 

Hier stösst man bei der Ausführung der Versuche auf eine 
andere Schwierigkeit. Zwischen dem Tage der Aussaat und demjenigen 
des Auszählens verlaufen unter günstigen Bedingungen meist drei bis 
vier Wochen, und um einen ganzen Monat darf man die Aussaat 
weder verfrühen noch verspäten, will man nicht ganz anderen Fac- 
toren auf die Cultur Einfluss einräumen. Eine zum Zweck des 
Auszählens und des Auspflanzens vorgenommene Saat kann man 
also nur in seltenen Fällen in demselben Jahre mit demselben 
Zweck wiederholen. Ich habe nun sehr häufig bei tricotylen und 
syncotylen Culturen den folgenden Weg eingeschlagen. Ich trennte 
die Aussaaten für das Zählen von denjenigen, welche für das Aus- 
pflanzen bestimmt waren, und machte die ersteren vorher, also im 
Winter. Bei manchen Arten gelingt dieses leicht, bei anderen sind 
die Gefahren der Erkrankung wegen der schwachen Beleuchtung zu 
gross. Namentlich von Oenothera gelingen Aussaaten im December 
im Warmhaus oft nicht. Gelingt die Cultur, so kann man für die 


Ra nt 2 Me Kae ee ee 


Empirische Ermittelung der Fehlergrenze. 131 


zweite Aussaat eine Wahl machen, und nur die Einzelernten mit 
den höchsten Erbzahlen auswählen. Es liest dann auf der Hand, 
in der neuen Aussaat die Erbzahlen nochmals zu bestimmen, um 
so mehr, als die normalen Keime ohnehin von den Aberranten 
getrennt werden müssen. Man wählt dann unter den ausgesäten 
selbstverständlich nur diejenigen, deren zweite Prüfung das Ergebnis 
der ersteren bestätigt. 

Diese Methode ist leider vielen Einschränkungen unterworfen. 
Erstens fordert die Keimung im Winter grössere Samenquanta als 
im Frühling und gar oft ist überhaupt eine Doppelprüfung wegen der 
geringen Eirnte einfach unmöglich. Zweitens ist die Methode thatsäch- 
lich auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen das fragliche Merkmal 
in den Cotylen zur Schau tritt, denn weiter bringen es die Winter- 
keimlinge gewöhnlich nicht, oder doch nicht zur rechten Zeit. Liegen 
die Merkmale in den Rosetten von Wurzelblättern oder gar in den 
Blüthen, so ist überhaupt die Methode der Doppelprüfung fast stets 
eine viel zu umständliche. 

In solchen Fällen ist es die Hauptsache, einen Unterschied zu 
machen zwischen Versuchen, welche eine Antwort auf neue Fragen 
geben sollen, und solchen, welche ein bereits gefundenes Ergebniss 
für neue Fälle zu bestätigen haben. Dass die Ansprüche an die 
letzteren ganz andere und viel höhere sein können, liegst auf der 
Hand, und aus diesem Grunde scheint mir eine Wiederholung und 
Ausdehnung der in diesem Buche beschriebenen Versuche stets von 
hoher Wichtigkeit zu sein. 


$4. Empirische Ermittelung der Fehlergrenze. 


Die im vorigen Paragraphen erörterte Latitüde in der Beurthei- 
lung der Versuchsergebnisse beruht in der Praxis auf den empirischen 
Ermittelungen von NoOBBE und seinen Nachfolgern. Die erforderlichen 
Vorschriften sind um mehr als zehn Jahre älter als ihre theoretische 
Berechnung durch RODEwALD. 

Im Anfange meiner Zuchten von tricotylen und syncotylen Rassen 
empfand ich selbstverständlich bald das Bedürfniss, zu wissen, wie 
viele Keimlinge ich für jede einzelne Erbzahl zählen müsste, und 
welche Unterschiede zwischen den gefundenen Erbzahlen eine wirk- 
liche Bedeutung für die beabsichtigte Auslese und Verbesserung 
meiner Rassen hätten. Aus diesem Grunde habe ich einige Reihen 
von Versuchen angestellt mit Rassen, welche ausreichende Ernten 
gaben, um für jede Mutter 1000 und mehr Keimlinge auszuzählen. 

9* 


132 Die Methode der Erbzahlen. 


Es waren die tricotylen Halbrassen von Amarantus speciosus und von 
Oenothera Lamarckiana und O. rubrinervis. Die betreffenden Versuche 
wurden in den Jahren 1592—1894 gemacht,! sie führten zu ganz 
übereinstimmenden Ergebnissen. Es scheint mir deshalb ausreichend, 
nur eine Reihe ausführlich zu beschreiben. Und solches um so 
mehr, als meine Versuche jetzt nur eine Bestätigung der Resultate 
NogBBE's und RopEwarv’s darstellen, bezw. die Berechtigung von 
deren Anwendung auf die Ermittelung und Verwerthung von Erbzahlen 
darthun. 

Bevor ich zu der Beschreibung dieses Versuches übergehe, möchte 
ich noch ein wichtiges Ergebniss aus RopEewALp’s Untersuchungen 
hervorheben. Dieser Forscher hat die Resultate seiner theoretischen 
Ermittelungen mit den empirischen Befunden in mehreren tausend 
Keimzählungen verglichen. Er findet dabei, dass die Fehler der 
Prüfungen selbst so ziemlich gleich Null sind, und dass 
demnach die Wahrscheinlichkeitsfunktion die Grenzen der 
Genauigkeit allein bestimmt.” Diesen Ausspruch glaube ich 
auch für meine Keimzählungen als richtig betrachten zu dürfen, und 
ich werde auch dafür im Folgenden einige Zahlenbelege geben. Die 
Gefahr des Verzählens ist beim Auszählen von Tricotylen nur gering, 
namentlich wenn man nicht über 300 Keimlinge für einen Versuch 
nimmt. Sonst würde Ermüdung eintreten, und diese ist bekanntlich 
die grösste Gefahr bei genauen Ermittelungen. Eine schwer zu um- 
gehende Gefahr bleibt aber immer die Beurtheilung der Grenze, 
denn nicht jede geringe Ausbuchtung am Gipfel eines Cotyls bedeutet 
eine Spaltung und somit einen Hemitricotylen. Aber glücklicher Weise 
sind diese Uebergangsstufen verhältnissmässig sehr selten. 

Mit Amarantus speciosus habe ich untersucht, wie viele Keimlinge 
für jede einzelne Mutterpflanze am besten auszuzählen sind. Ich 
habe dazu von sieben Müttern je eine Samenprobe in einer Keim- 
schüssel ausgesät und, als die Cotylen völlig entfaltet waren, je 
S Gruppen von 100 Keimlingen gezählt und das Resultat aufgeschrieben. 
Die Mütter hatten im Sommer 1893 geblüht und waren zum Theil 
selbst tricotyl gewesen (Nr. 1—5), zum Theil aber tetracotyl (Nr. 6 
und 7). Bei Nr. 7 wurden die beiden ersten Gruppen von 100 nicht 
getrennt, und gab es nur etwas über 600 Keimlinge; bei Nr. 4 gab 
es deren nur 700. 


! Die Publieationen von NosgE und RopewArn habe ich erst 1895 durch 
die Veröffentlichung Horzeman’s (1894) kennen gelernt. 
Landw. Versuchsstationen. Bd. 36. S8. 217. 


ge — 


Empirische Ermittelung der Fehlergrenze. 133 


für jedes Hundert; die Zahlen sind somit zu gleicher Zeit Procentzahlen. 


Amarantus speciosus. 


Trieotylen in Procent auf je 100 Keimpflanzen. 


Mutter| ı.|2.|3.|4|5.|e. |. | 8 | Extreme | Mittel | Differenz 
2.10 | ra aa a ee A a Be er Er 9—7 5 23 
rn: n|ı 8) 21 6.|.4|,3|.3 2—9 4-5 |2-5—4-5 
a7 99|5|14 Aue 3—9 5 2 
wei ı35 | 1ı| 8| 7 2 6-5 |4-.5—6-5 
a6 Aal al|ı zu er 4 33 
sa: lı10| 2 ii) 3 08. 821 6 3—5 
— un | 
ART 17 ae een 2—3 


Aus dieser Tabelle ersieht man, dass beim Abzählen von nur 
hundert Keimlingen, aus gut gemischten Samenproben, die gefundene 
Procentzahl zwischen 2—13 schwanken kann, wenn sie im Mittel 
6-5°/, ist (Nr. 4). Berechnet man die Abweichungen oberhalb und 
unterhalb des Mittels, so findet man, wie die letzte Spalte an- 
giebt, dass diese meist etwa 2—4, in vier Fällen aber 4-5—6-5°/, 
betragen. 

Addirt man in der Tabelle je zwei ‚aufeinander folgende Spalten, 
und dividirt man die Summen durch 2, so erhält man die Procent- 
zahlen, welche gefunden sein würden, falls ich jedesmal Gruppen von 
200 Keimlingen gezählt hätte. Man findet dann: 


Amarantus speeiosus. 


Trieotylen in Procent auf je 200 Keimpflanzen. 


Mutter | 1.—2. | 3.—4. | 5.—6 | 7.—8. | Extreme | Mittel | Differenz 
Nr. 1 4 6 EEE ae 4—6 5 Di 
25 5-5 ers 3—5.5 4-5 1-5—1 
Ban 5-5 7 4 4 —; 5 IH 
BA 10-5 4.5 =, 4.5 10-5065 2—3.5 
By a 4 1-5 55 |[1.5-5.5| 4 2.5—1-5 
Be|.6 6-5 1-5 4 41.5 6 2—1-5 
| 8:5 7-5 8-5 A| 0-5—0-5 


Die Abweichungen vom Mittel betragen jetzt meist nur 1—2°/, 
und erreichen nur in zwei Fällen 2:5—3-5°/,. Nach Ropewaup’s auf 


134 Die Methode der Pröxahlen. 


S. 126 mise Tabelle nimmt der = ER Fehler bei einem 
mittleren Gehalte von etwa 5°/, Aberranten, für Keimproben von 
100 und 200 Exemplaren im Verhältniss von 1-48—1-04 ab. Diese 
Abnahme ist in unserer Tabelle noch etwas stärker ausgeprägt. 

In derselben Weise kann man die Berechnung für Gruppen von 
je 3800 und je 400 Keimlingen ausführen. 


Amarantus speciosus. 


Trieotylen auf je 300 bezw. 400 Keimpflanzen. 


Mutter | Mittel | Hundert | Die, Ye | Hundert Dyz er 
18. | 4... |; Mittel | 2.4: 155,8: Mittel 
Nr. 1 5 4-3 ea 5 0—0 
vera 4.5 | 6-3 4 | 1.8—0-5 || 5-2 4 0-7—0-5 
Mrz 5 6-7 4:3 | 74-720 | 4.) 
En 6-5 na a ee: =, 
N Eh 23 |. 0 4 3-5 0—0-5 
N a 8:8. | Hl a:g 6. 5-8 | 0.2-0.2 
u 18 8-3 | 00-3 8 = 0 


Die Differenzen von dem für alle Keimlinge in jeder Gruppe 
gefundenen Mittel betragen, mit einer einzigen Ausnahme, für 300 Keim- ' 
linge weniger als 2°/,, für 400 Keimlinge weniger als 1-5°/,. 

Ermittelt man aus dieser Tabelle, wie gross die Abweichung vom 
Mittel ist, welche von der Hälfte der Beobachtungen nicht erreicht, 
von der anderen aber überschritten wird, und vergleicht man diese 
Zahlen mit den entsprechenden Werthen aus RopewAup’s Tabelle 
für 5°/,, so findet man 


Pir:Keimimse 277, „2.0. ...100 200 Fable 
Abweichung der Hälfte der Bechariengen 3 15 07 992 
Wahrschemlicher Fehler . . . . ..:415 1-0 .083 02 


Die in meinem Versuche erhaltenen Abweichungen sind also bei 
100-200 Keimlingen etwas zu gross, zeigen aber bei 300—400 Exem- 
plaren eine genügende Uebereinstimmung mit dem allgemeinen Gesetz. 

Man kann auch die Anzahl der Fehler jeder Grösse in den 
einzelnen Beobachtungen mit dem Fehlergesetz vergleichen.! Ich 


! Vergl. die entsprechenden Tabellen für die Keimfähigkeit von Klee und 
Raigras bei Ropewar», 1. c. Bd. 36. S. 222. 


Empirische Ermittelung der Fehlergrenze. 135 


habe dazu die in der zweiten Tabelle (für je 200 Keimlinge) er- 
haltenen Abweichungen vom Mittel aufgeschrieben und nach ihrer 
Grösse angeordnet. Ich finde dann: 


Grösse der Fehler in °/, 0-5 a 
Anzahl dieser Fehler . 10 7 3 4 1 0 
Berechnete Anzahl . . 12 fo) 3 2 0 


Auch hier ist die Uebereinstimmung eine genügende. 

Aus unserer ersteren Tabelle lässt sich schliesslich in directer 
Weise ableiten, wie viele Keimlinge für eine einzelne Probe zu zählen 
sind. Man braucht dazu nur den Procentgehalt für die ersten 100, 
die ersten 200, die ersten 300 Keimlinge u. s. w. zu berechnen. 
Anfangs werden die Abweichungen vom Mittel gross sein, dann stark 
abnehmen und bald einen Werth erreichen, welchen sie, bei weiterer 
Zunahme der gezählten Gruppe, nicht mehr wesentlich ändern werden. 
Ist dieser Werth erreicht, so ist alles weitere Zählen als überflüssig 
zu betrachten. 

Ich habe diese Rechnung ausgeführt und gebe hier, statt der 
wirklichen Procente, ihre Abweichungen von dem mit 800 Keim- 
lingen gefundenen, als Mittel zu betrachtenden Werthe. 


Amarantus speciosus. 


Abweichungen des procentischen Gehaltes an Tricotylen vom 
Mittel, bei Zählungen von 100-700 Keimpflanzen. 


Mutter | Mittel | 2 aup men 
100 | 200 300 | 400 500 600 | 700 
Nr. 1 4-8 2-8 0-9 0-7 0 ) 0-4 0-3 
ID 4-4 0-6 0-4 1-5 0-6 Ver 0-6 0-2 
ne 3 4-9 0-9 0-3 1-3 1-0 0-6 0-3 0-1 
BeRae || 6-7 0-3 1-9 0-4 0-5 0-4 0-4 
5 11 0-2 0-1 0-1 0-4 0-6 0-5 
SE; 5-7 2-3 ) 0-9 0-2 10-2 0-5 0-2 
Bun 7-5 — 0-4 0-1 0-1 0-3 — = 
Mittel: 1-2 | 0-6 0.7 0-4 0-4 0-5 0-3 


Es werden somit die Fehler bedeutend kleiner, wenn man 
‚statt 100, 200-300 Keimlinge zählt. Bei Ueberschreitung dieser 
letzteren Grenze nehmen sie noch etwas ab, schwanken aber bei 
weiterer Zunahme nur. noch unbedeutend um etwa 0-5°/, herum. 
Zählt man mehr als 300-400 Pflänzchen, so nimmt dadurch, wie 


136 Die Methode der Erbxahlen. 


man sofort sieht, die Aussicht auf Genauigkeit nicht oder doch nicht 
wesentlich zu. Das Ergebniss unseres Versuches stimmt somit mit 
der von NOBBE gegebenen Vorschrift überein. 

Wir folgern also: 

l. Es ist am zweckmässigsten, von jeder Probe 300 bis 
400 Keimlinge zu zählen. 

2. Die dabei erreichte Genauigkeit ist diejenige, welche 
man nach dem allgemeinen Fehlergesetze erwarten darf; 
die Zählungen selbst führen also keinen wesentlichen Fehler 
mit sich. 

3. Bei weniger umfangreichen Keimzählungen ist die 
entsprechend grössere Latitüde stets zu berücksichtigen. 

Die übrigen von mir in dieser Frage angestellten Versuche 
führten, wie bereits erwähnt, in derselben Weise zu im Wesentlichen 
denselben Ergebnissen. Es scheint somit überflüssig, sie hier an- 
zuführen. 

Nur möchte ich noch eine Reihe von Doppelzählungen mit- 
theilen, um dadurch die Nothwendigkeit der allgemeinen Vorschrift, 
bei der Beurtheilung von Erbzahlen eine Latitüde von etwa 5°/, in 
Anwendung zu bringen, noch deutlicher hervorzuheben. Die be- 
treffenden Versuche sind nicht besonders zu diesem Zwecke angestellt, 
sondern es sind eine Reihe von Fällen, welche ich aus den im vorigen 
Paragraphen angedeuteten Wiederholungen (vergl. S. 130) zusammen- 
gesucht habe. Ich wählte sie theils für verschiedene Arten, theils 
für verschiedene Werthe der Erbzahlen. 

In der folgenden Tabelle sind die beiden Zählungen mit Proben 
aus der nämlichen möglichst gut gemischten Ernte derselben Mutter 
gemacht worden, und zwar fast stets in der Weise, dass die eine 
Probe erst ausgesät wurde, nachdem die Zählung der anderen bereits 
beendet war. Ich führe von den meisten Rassen mehr als eine 
Mutter auf; jede Horizontal-Zeile bezieht sich somit auf die Ernte 
eines besonderen Samenträgers. Der Gehalt ist in Procenten an- 
gegeben, die Differenzen sind solche, wie man sie gewöhnlich findet; 
ich habe nicht etwa Ausnahmefälle ausgesucht oder vermieden, sondern 
ohne Wahl die Zählungen genommen, welche eine ausreichende 
Anzahl von Keimlingen umfassten. Die runde Zahl 300 weist an, 
dass von der ganzen Aussaat nur so viele Exemplare gezählt 
wurden, sonst wurden alle Keimlinge berücksichtigt. Ich setze in 
der Tabelle die Zählung, welche die kleinste Erbzahl ergab, als 
erste voran; selbstverständlich war sie im mehreren Fällen die 
zuletzt gemachte. 


Die Mexper’schen Bastarde. 37 


Doppelzählungen der Erbzahlen trieotyler Rassen. 


' Anzahl der Gehalt 
Bee Rassen von | Ernte gezählten Keim- an Trieotylen pie 
von linge in Procent | 
1.Zähl.:|2.Zähl.:11.Zähl.:]2.Zähl.: 
Dracocephalum moldavicum 1594 2268 609 0-3 | 0-5 0.2 
1894) 1oss | K37u..| 0:2| 0-6 | 0-4 
Cannabis satva . » » . || 1893 726 956 | 0.3| 0-5 0.2 
| 1894 669 a a | 9.2 0-9 
Antirrhinum majus . . . 1894 331 671 | 9.4 10-6 2 
| 1894 Dan |Wessa Mg Wr) 52 
il 1894 347 703 13-5 | 14-6 1-1 
IL 189400 0.837050 Szası 197, &\..219%:87 11908 
\ 1894 DAB 2413 2-10 Dre) 6-2 
| 1594 395 677 22 23-2 1-2 
Mercurialis annua 2 r3g4 315 234 17-2 | 19-7 2=D 
Serophularia nodosa. . . | 1898 349 300 | 19 25 fi 
1395 291 300 19 22 3 
| 1898 425 300 20 23 3 
| 1898 325 300 23 27 4 
I218982 02300 229 23 24 1 
Silene inflatüä - » :» . - 1894 | 104 116 | 34 36 2 
1594 514 ll 40 46 6 
1894 | 220 151 52 59 7 
Helichrysum bracteatum . 1895 157 827 41 44 | 3 
| 1896 | 654 620 49 Sa 
Oenothera hirtella. . » . 1898 | 300 310 39 49 10 
| 1898 | 800 300 68 74 6 


Differenzen, wie die hier gegebenen, müssen also bei allen Er- 
mittelungen von Erbzahlen als möglich und zulässig betrachtet werden. 


I. Die typischen Bastardspaltungen. 
Tafel II. 
$ 5. Die MENDEL’schen Bastarde. 


In der ganzen Bastardlehre giebt es keine schöneren Beweise 
für die Existenz elementarer Eigenschaften als die von MeExpen bei 
Erbsen aufgefundenen Spaltungsgesetze.! Mexpen griff aus den 


! GresorR Mexvern, Versuche über Pflanzen-Hybriden. Verhandlungen des 
naturforschenden Vereins in Brünn. IV. Bd. 1865. 8. 1—47. 


138 Die typischen Bastardspaltungen. 


verschiedenen Ditferenzpunkten, durch welche einige Dutzend Erbsen- 
sorten sich kennzeichneten, sieben heraus, untersuchte ihr Verhalten 
bei Kreuzungen, und fand, dass sie dabei ganz bestimmten Gesetzen 
folgen, von einander aber durchaus unabhängig sind. 

Diese gegenseitige Unabhängigkeit erkannte er als das Haupt- 
ergebniss seiner achtjährigen mühsamen Versuchsreihe, und er ver- 
suchte es, auf diesem Grunde eine Erklärung für jene Fälle auf- 
zustellen, welche sich nicht in einfacher Weise an diese anschlossen. 
Ausgangspunkt seiner Erklärung bildeten weitere Studien an den 
Blüthenfarben der Zierpflanzen, und er gelangte zu dem Satze, dass 
diese sich voraussichtlich seinen Gesetzen anschliessen würden, wenn 
es gelingen sollte, ihre Entstehung durch Combinirung mehrerer selbst- 
ständiger Farbenmerkmale nachzuweisen.! 

Die Zusammensetzung des Artbildes aus selbstständigen Faktoren 
hatte damals nur sehr vereinzelte Anhänger, und ebenso wie DARwIn’s 
Pangenesis zur Zeit ihrer Veröffentlichung keine richtige Würdigung 
finden konnte, gelang es auch MENDEL nicht, die principielle Be- 
deutung seiner Entdeckung zur Anerkennung zu bringen. Noch im 
Jahre 1551 sagte FockE in seinen „Pflanzenmischlingen“ darüber weiter 
nichts als die wenigen Worte: „MeEnper’s zahlreiche Kreuzungen er- 
gaben Resultate, die den KxıcHr’schen ganz ähnlich waren, doch 
glaubte MENDEL constante Zahlenverhältnisse zwischen den Typen der 
Mischlinge zu finden.“? 

Dieser uns jetzt unbegreifliche Zustand dauerte etwa ein drittel 
Jahrhundert. Bis auf meine ersten vorläufigen Mittheilungen über 
diesen Gegenstand blieb MExper’s wichtige Arbeit in der botanischen 
Literatur so gut wie unberücksichtigt.” Um so voller und lebhafter 
ist das Interesse, das den MEnper’schen Studien augenblicklich ent- 
gegengebracht wird. ErıcH TscHERMAK hat eine neue Ausgabe seiner 
Abhandlungen in der bekannten Reihe von Oszwarp’s Klassikern der 
exakten Wissenschaften besorgt, und dadurch das Werk einem Jeden 
zugänglich gemacht.* GÖBEL hat die Arbeit im Ergänzungsband 


! Vergl. 5 4 dieses Abschnittes. 

® W. OÖ. Focke, Die Pflanzenmischlinge. 1881. S. 110. 

’ Sur la loi de disjonetion des hybrides. Comptes rendus, 26 Mars 1900, 
und Das Spaltungsgesetz der Bastarde. Berichte d. d. bot. Gesellsch. 1900. 
Bd. XVIIIL S. 88. 

* E. Tscuermar, MENnDEL’s Versuche über Pflanzenhybriden. Zwei Abhand- 
lungen (1865 und 1869), Oszwao’s Klassiker der exakten Wissenschaften. Nr. 121. 
Dieses Bändchen enthält auch die zweite Arbeit Menper’s „Ueber einige aus künst- 
licher Befruchtung gewonnene Hieraciumbastarde“. 


Die Mexper’schen Bastarde. 139 


zu der Flora von 1901 abdrucken lassen,! und Bartzson hat im Jahr- 
buch der englischen Gartenbau-Gesellschaft dieselbe Arbeit durch 
eine englische Uebersetzung noch in weiteren Kreisen verbreitet.? 

ÜORRENS und TScHERMAK haben durch umfangreiche Unter- 
suchungen zu dieser allgemeinen Anerkennung sehr wesentlich bei- 
getragen, indem sie MEnper’s Versuche mit demselben Objecte — 
Erbsen — in ausgedehnter Weise wiederholten, und ihre Studien 
auch über andere Merkmale der Erbsen, sowie über andere Arten 
ausdehnten.” Namentlich hat CoRRENs für eine Reihe von Bastar- 
dirungen an Maisrassen, welche MexpeEr’s Versuche an Umfang 
übertreffen, gelehrt, dass auch hier in zahlreichen Kreuzungen die- 
selben Gesetze Anwendung finden.* Schliesslich ist zu erwähnen, dass 
WEupon neuerdings die Zahlenergebnisse MEnDEr’s einer eingehenden 
Prüfung unterworfen und ihre überaus grosse Genauigkeit ausführlich 
nachgewiesen hat.’ 

Wie bereits bemerkt, hat MENDEL seine sieben Merkmale aus 


! Flora, herausgegeben von K. Göser. Ergänzungsband. 1901. S. 364—403. 
® G. MENDEL, Experiments in hybridisation. Journ. Roy. Hort.Soc. Vol.XXVI. 
1901. Parts 1 and 2. Im vorhergehenden Bande dieses Journals befindet sich auch 
eine Uebersetzung meiner vorläufigen Mittheilungen in den Berichten d. d. bot. 
Ges. unter dem Titel T’he law of separation of characters in crosses, and on erosses 
with dissimilar heredity. Vol. XXV. 1901. Part 3. Vergl. ferner die Note 
auf S. 111. 
3 ©. CorRRENs, @. MENDEL’s Regel über das Verhalten der Nachkommenschaft 
der Rassenbastarde. Ber. d. d. bot. Ges. 1900. Bd. XVII. S. 158. 
Ders., @. Menper’s Versuche über Pflanzen-Hybriden. Botan. Zeitung. 
Bd. 58. 1900. Sp. 229. Vergl. Sp. 235. 
Ders., Ueber Levkoyenbastarde. Zur Kenntniss der Grenzen der Menper’schen 
Regeln. Bot. Centralbl. Bd. 54. 1900. 8. 97. 
Ders., Ueber Bastarde zwischen Rassen von Zea Mays. Ber. d. d. bot. Ges. 
1901. Bd. XIX.) S. 211. 
E. Tschermax, Ueber künstliche Kreuzung bei Pisum sativum. Zeitschr. f. d. 
landw. Versuchswesen in Oesterreich. 5. Heft, 1900 und Ber. d. d. 
bot. Ges. Bd. XVII. 1900. Heft 6. 
Ders., Weitere Beiträge über Verschiedenwerthigkeit der Merkmale bei 
Kreuzung von Erbsen und Bohnen. Zeitschr. f. d. landw. Versuchs- 
wesen in Oesterreich. 6. Heft, 1901 und Ber. d. d. bot. Ges. Bd. XIX. 
1901. Heft 2. 
Ders., Ueber Correlation zwischen vegetativen und sexualen Merkmalen an 
Erbsenmischlingen. Ber. d. d. bot. Ges. 1902. XX. Heft I, S. 17. 
Vergl. auch 8. 7. 
* ©. Correns, Bastarde zwischen Maisrassen, mit besonderer Berücksichtigung 
der Xenien. Bibliotheca botanica. Heft 53. 1901. 
5 W.F.R. Weıvon, MENDEL’s laws of alternative inheritance in peas. Bio- 
metrika 1902. Vol. I, No. 2. 


140 Die typischen Bastardspaltungen. 


meisten übrigen liessen eine scharfe und sichere Trennung nicht zu, 
indem der Unterschied auf einem oft schwierig zu bestimmenden 
„Mehr oder Weniger“ beruhte. Solche erachtete er für die Versuche 
nicht verwendbar, und der Erfolg musste zeigen, ob aus den klaren 
und scharf bestimmbaren sich ein Urtheil über die anderen würde 
ableiten lassen (MENDEL S. 7).! 

Dass nicht alle Merkmale sich in den Nachkommen der Bastarde 
spalten, war MENDEL, der GÄrTNER’s Schrift genau studirt hatte, wohl 
bekannt, und er führt namentlich die constanten Bastardrassen seines 
berühmten Vorgängers als Belege an (M. S. 40). Auch auf WıcHura’s 
constante Weidenbastarde legte er besonderes Gewicht, „weil constante 
Hybriden die Bedeutung von Arten erlangen“. Bei den Erbsen scheint 
aber MENDEL wenigstens anfangs die Hoffnung gehegt zu haben, dass 
die seinen Gesetzen nicht folgenden Eigenschaften nur scheinbar ab- 
wichen, und dass es vielleicht später gelingen wlirde, sie nach Art 
der Blüthenfarben in Faktoren zu zerlegen, welche dann dem Gesetze 
sich fügen würden (M. S. 42). Merkwürdiger Weise hat er später, 
als er bei Hieracium aus eigener Erfahrung andere Verhältnisse 
kennen gelernt hatte, diesen Punkt nicht wieder berührt. 

MEnDEL musste also die Frage unbeantwortet lassen, 
welche Eigenschaften bei Kreuzungen seinen Gesetzen 
folgen und welche dies nicht thun. Die Darstellung der Bastard- 
lehre, welche wir im ersten Abschnitt in kurzen Umrissen gegeben 
haben, zeigt, wie fast überall spaltungsfähige Charaktere neben sich 
constant erhaltenden vorkommen, und wie schwierig es ist, zwischen 
diesen beiden Hauptgruppen die richtige Grenze aufzufinden. Die 
neueren Studien haben nach Menper’s Vorgang sich mehr mit den 
einzelnen Merkmalen, und weniger mit dem Gesammtbilde der Bastarde 
gegenüber demjenigen der Stammeltern beschäftigt. Doch haben auch 
sie, neben zahlreichen Fällen, in denen die für die Erbsen gefundenen 
Regeln gelten, wenigstens ebenso zahlreiche andere an’s Licht gebracht, 
welche sich offenbar ganz anders verhalten.” Die Untersuchungen von 
allen Forschern, namentlich aber diejenigen von CORRENS und TSCHERMAK 
stimmen in diesem wichtigen Punkte mit den meinigen überein.3 


! Ich eitire im Folgenden Menper's Sätze nach Tscnermar’s Ausgabe, ob- 
gleich ich selbst die Arbeit in den Brünner Verhandlungen studirt habe. 

? Ueber erbungleiche Kreuzungen. Ber. d. d. bot. Ges. 1900. Bd. XVIII. 8.435. 

® Vergl. namentlich die Uebersicht über die beiden Gruppen von Merkmalen 
beim Mais bei Correns, Bibl. bot. S. 143—145. Ebenso Weıvon a.a. 0. S. 236 
und TschEruaxk, Bericht 1901. S. 37. 


Die Mexpver’schen Bastarde. 141 


Den Menper’schen Spaltungsregeln folgen im Allge- 
meinen nur phylogenetisch jüngere Eigenschaften, so- 
genannte Rassenmerkmale; von diesen aber wiederum nur ein 
Theil. Welcher Theil, weiss man aber auch jetzt noch nicht; jede 
bis dahin aufgestellte Regel erleidet so wichtige Ausnahmen, dass 
es einleuchtend ist, dass der wirkliche Grund des Unterschiedes 
noch nicht aufgedeckt wurde. Aus diesem Grunde werde ich an 
dieser Stelle einfach die sich nach dem Mexper'schen Gesetze 
spaltenden Hybriden MEnpen’sche Bastarde nennen; welches innere 
Band sie sonst vereinigt, wird erst am Schlusse dieses Abschnittes 
zu untersuchen sein.! 

Bei diesen Menxper’schen Bastarden ist selbstverständlich, wie 
überall in der Bastardlehre (vergl. den ersten Abschnitt), scharf zu 
unterscheiden zwischen den unmittelbar aus der Kreuzung hervor- 
gehenden Individuen einerseits und ihren Nachkommen andererseits. 
Jene zeigen nur die Eigenschaften, welche in ihnen activ sind, diese 
aber lehren dazu, was in ihren Eltern latent war. Bei den MEnpEr'schen 
Merkmalspaaren nun ist stets in den Bastarden die unsichtbare Eigen- 
schaft latent; sie kehrt stets in einer gewissen Anzahl der Nach- 
kommen wieder, indem sie in diesen wiederum activ wird. Solche 
in dieser Weise vorübergehend latent werdende Eigenschaften nennt 
MENDEL recessive. Sie treten ja nur zeitweise zurück (MEnDEL, S. 10). 
Die andere Eigenschaft jedes Paares nennt er dominirend, beide 
zusammen sind einander entgegengestellt oder antagonistisch. 

Es ist eine sehr wichtige Frage, ob die Dominanz und die 
Recession als absolut oder nur als relativ aufzufassen sind. MENDEL 
betrachtet sie als vollständig oder doch als nahezu so. „Jedes von 
den sieben Hybridenmerkmalen,“ sagt er, „gleicht dem einen der 
beiden Stammmerkmale entweder so vollkommen, dass das andere 
der Beobachtung entschwindet, oder ist demselben so ähnlich, dass 
eine sichere Unterscheidung nicht stattfinden kann“ (Mexnpeı, S. 10). 
Wo dies nicht der Fall war, meinte MEnpEL, dass die Unterscheidung 
der Formen nicht mit jener Sicherheit erfolgen konnte, welche für 
correcte Versuche erforderlich war, so z. B. bei der Länge der 
Blüthenstiele, welche aber doch nach einigen nebenbei angestellten 
Bastardirungen sich seinem Gesetze fügte. 


! Dass Menper wusste, dass seine Regeln nicht auf alle Fälle anwendbar 
sind, und dass er selbst bei Hieracium Bastarde fand, welche schon in erster 
Generation einander ungleich sind, kann wohl selbstverständlich kein Grund 
sein, seine Hauptentdeckung nicht in der im Text vorgeschlagenen Weise mit 
seinem Namen zu verbinden. 


142 Die typischen Bastardspaltungen. 


Bei der Ausdehnung von Menper's Versuchen über zahlreiche 
andere Pflanzen und Eigenschaften habe ich diese Einschränkung der 
Natur der Sache nach fallen lassen müssen. Oft reicht es ‘ja aus, 
zu entscheiden, ob bei einer Kreuzung das Gesetz gilt oder nicht, 
und dazu ist offenbar eine geringere Genauigkeit erforderlich, als zur 
Ermittelung des Gesetzes selbst.! Die Fälle mit absoluter Dominanz 
gehen so allmählich in diejenigen mit theilweisem oder bisweilen sogar 
geringem Vorherrschen über, dass es hier eine Grenze nicht giebt. 
Es gilt ja hier der im ersten Abschnitt mehrfach betonte Satz NÄGELT’s, 
dem die besten Forscher sich wohl stets angeschlossen haben, dass 
Schätzungen von Merkmalen nur selten mehr als einen persönlichen 
Werth haben. Ich betrachte somit das Dominiren nicht als das aus- 
schliessliche Vorkommen des einen Merkmales, sondern im Anschluss 
an die eigentliche Bedeutung des Wortes selbst nur als ein Vor- 
herrschen,? und dieses Letztere auch nur in Bezug auf die sichtbaren 
Merkmale, denn in Bezug auf die inneren Eigenschaften lehrt uns 
ja das Spaltungsgesetz selbst deren völlige Gleichwerthigkeit bei der 
Erzeugung der Sexualzellen kennen. In den meisten Fällen ist das 
Vorherrschen des einen Merkmales aber so stark, dass es nicht ge- 
lingt, z. B. in der zweiten Bastardgeneration, die Bastarde von den 
Individuen, in denen das dominirende Merkmal wieder ausschliesslich 
vorhanden ist, zahlenmässig zu trennen, ja eigentlich ist selbst eine 
globale Trennung bis jetzt nur in ganz besonderen Fällen gelungen 
(vergl. Tafel II, Hyoseyamus). 

Die Nachkommen der Bastarde lehren uns, dass die recessive 
und die dominirende Eigenschaft desselben Paares im Innern trotz 
dieses äusseren Unterschiedes völlig gleichwerthig sind. Bei 
den Spaltungen überwiegt das Dominirende das Recessive 
nicht mehr. Die Mrexper’schen Spaltungen kann man deshalb auch 
als erbgleiche bezeichnen.’ 

Fassen wir das Gesagte kurz zusammen, so finden wir, dass 
gewisse Eigenschaften in den Nachkommen der Bastarde sich nach 


! CorreEns hat für Erbsen und Mais, und ich selbst habe für Papaver das 
Spaltungsgesetz anfangs ermittelt, ohne die Menxper'schen Funde zu kennen. 

* Ebenso Correxs. Ver&l. die Note 3 auf S. 22. 

» Ueber erbungleiche Kreuzungen. Ber. d. d. bot. Ges. Bd. XVIII. S. 435. 
Von ÜorrEns, TschermaXk und Anderen ist unsere Sprache mit einer langen Reihe 
technischer Bezeichnungen bereichert worden, deren Werth ich gerne anerkenne, 
obgleich ich mich im Texte dieses Buches selbstverständlich einer möglichst 
einfachen Ausdrucksweise bedienen werde. 


Die erste Generation der Mexper’schen Monohybriden. 145 


sehr einfachen Gesetzen spalten. Sie bilden in dieser Hinsicht eine 
sehr typische Gruppe, deren Glieder in fast allen Einzelheiten, trotz 
der grössten morphologischen Verschiedenheit der Pflanzen und der 
Merkmale, sich genau in derselben Weise verhalten. Die einzelnen 
Eigenschaften verhalten sich dabei in weitaus den meisten Fällen 
unabhängig von einander und bezeugen dadurch ihre Natur als selbst- 
ständige Einheiten. 


$ 6. Die erste Generation der MENDEL’'schen Monohybriden. 


Die Mexper’schen Bastarde sind erst durch das Verhalten ihrer 
Nachkommen gekennzeichnet, und es würde sich vielleicht empfehlen, 
zuerst die Nachkommenschaft und am Schlusse die Eigenschaften der 
Bastarde selbst zu behandeln. Auf der anderen Seite wiederholt 
stets ein grosser Theil der Nachkommen die Erscheinungen der ersten 
Bastardgeneration, und setzt ihre Besprechung somit die Kenntniss 
dieser voraus. 


Die aus den unmittelbar durch Kreuzung erhaltenen Samen empor- 
wachsenden Individuen bilden die erste Bastardgeneration.! Diese 
Generation ist einförmig, die einzelnen Glieder weichen 
nicht mehr von einander ab als bei reinen Arten. Die 
Einförmigkeit betrifft nicht nur ihre sichtbaren Merkmale, sondern 
auch ihr Verhalten bei der Fortpflanzung, indem es ganz gleichgültig 
ist, von welchem Individuum man die Nachkommen untersucht. 


In ihrer äusseren Gestalt zeigen die Hybriden der ersten Gene- 
ration in Bezug auf jede Eigenschaft eine auffallende Uebereinstimmung 
mit einem ihrer Eltern, indem die betreffenden Merkmale ganz oder 
fast unverändert in die Hybridenverbindung übergehen (MExpeı, S. 10). 
Wir haben im vorigen Paragraphen gesehen, dass MENDEL solche 
vorherrschende Merkmale dominirend nennt; sie entsprechen durch- 
aus den prädominirenden, präpotenten oder prävalenten 
Merkmalen anderer Forscher. 


Im Anschluss an die oben (Abschnitt II, $1 S. 111) erörterten 
Prineipien der elementaren Bastardlehre behandle ich zuerst jene 
Bastarde, deren Eltern nur in einem einzigen Paare von Merkmalen 


! In der älteren Sprache nannte man dagegen nur die Nachkommen der 
Bastarde ihre Generationen, und es bildeten somit die Kinder der Bastarde die 
erste Generation u. s. w. (GÄRTNER, MENDEL u. A.). 


144 Die typischen Bastardspaltungen. 


differiren, oder die Monohybriden. Auch von MENDEL sind diese 
setrennt behandelt und allen Anderen vorangeschickt worden. Ich 
betone dabei ausdrücklich, dass es dabei nicht die Frage ist, ob die 
Differenzen zwischen den Eltern thatsächlich auf das eine Merkmals- 
paar beschränkt sind, sondern dass nur gemeint wird, dass der Unter- 
sucher nur dieses eine Paar in’s Auge fasst. Bei Blumenkreuzungen 
kommt sehr oft der erstere, reinere Fall vor, bei Erbsenkreuzungen 
siebt es neben dem untersuch- 
ten Merkmalspaar oft noch 
andere, einstweilen zu vernach- 
lässigende Unterschiede. 

In diesem und den nächst- 
folgenden Paragraphen be- 
handle ich also in diesem Sinne 
nur Monohybriden, welche den 
Mexper'schen Spaltungsge- 
setzen folgen.! Wenn also von 
Bastarden die Rede ist, sind 
hier nur solche gemeint. 

Wie bereits hervorgehoben 
wurde, folgen den MENXDEL- 
schen Spaltungsregeln im All- 
gemeinen nur verhältnissmässig 
jüngere Eigenschaften (S. 141). 
Also Merkmale der Varietäten, 


Fig. 19. Agrostemma nicaeensis Willd. oder 


Agrostemma Githago nicaeensis mit längeren der Rassen und solcher kleineren 

Kelchzipfeln als die Mutterart Ar Githago und Arten, welche selegentlich von 

mit kleineren blasseren, bisweilen fast weissen : ; r 
Blomenblättern: einigen Forschern zu grösseren 


Arten zusammengefasst werden. 
Als Beispiel führe ich die Blüthenfarbe in der folgenden Paaren an: 


Farbige Blüthen: Weisse oder blasse Blüthen: 
Agrostemma Githago L. — 4. nicaeensis Wırz». (Fig. 19). 
Datura Tatula L. — D. Stramonmium L. 
Hyoseyamus niger L. — H. pallidus Kır. (Taf. 11.) 
Lychnis diurna SIBTH. — L. vespertina SIBTH. 


In dieser Gruppe sind die Arten mit der dominirenden Blüthen- 
farbe vorangestellt. 


! Die Fälle von partieller Vererbung und vegetativer Spaltung der Bastarde 
(Erbsen, Mais, Blüthenfarbe, Dornen u. s. w.) werde ich in diesem Abschnitt nicht 
behandeln. 


Die erste Generation der Menper’schen Monohybriden. 145 


Von den beiden antagonistischen Merkmalen eines Paares domi- 
nirt im Bastarde in der Regel das phylogenetisch ältere. 
In dieser Beziehung schliessen sie sich den übrigen Bastardgruppen 
in einfacher Weise an (vergl. Abschn. I, $4 S. 33). Aber nur in 
wenigen Fällen ist die Abstammung historisch bekannt, meist tritt 
an deren Stelle der systematische Werth. 

Von Hybriden zwischen den Arten und Varietäten,! deren Ab- 
stammung hinreichend bekannt ist und im ersten Bande behandelt 
wurde, spalten sich die folgenden nach dem Mexoer’schen (fesetze, 
während das ältere Merkmal, wie bereits mitgetheilt wurde,? in 
ihnen prävalent ist. So fand ich z. B. im Bastard von Chelidonium 
majus und CO. laciniatum (bekannt seit etwa 1590) den Majus-Typus 
im Bastard prävalirend. Ebenso war bei Oenothera Lamarckiana 
x 0. brevistylis (bekannt seit etwa 1889) und bei Lychnis vespertina 
(behaart) x 2. v. glabra (etwa ebenso alt) der erstgenannte ältere Typus 
im Bastard der dominirende. 

Folgt eine Varietät bei der Kreuzung mit der Species, zu der 
sie gerechnet wird, den Mrxoer’schen Regeln, so dominirt die syste- 
matisch höhere Einheit, z. B. 


Dominirend: Recessiv: 
Antirrhinum majus (roth). A. m. album. 
Calliopsis tinetoria.” ©. 1. brunnea. 
Polemonium coeruleum (blau). P. c. album. 


‚Unsere heutigen Kenntnisse reichen noch bei Weitem nicht aus 
für die Behauptung, dass die Regel von der Präpotenz des älteren 
Merkmales auf dem Gebiete der Menper’schen Bastarde ausnahmslos 
gelten würde. Doch scheint es mir, dass die bis jetzt bekannten 
Ausnahmen nur scheinbar sind.* Würde die Regel sich allgemein 
bestätigen, so würde sie offenbar von hervorragender Bedeutung sein. 
Bei ‚den Erbsen sind die Schirme des Pisum umbellatum recessiv 
gegenüber den gewöhnlichen Trauben, und die zwischen den Samen 
tief eingeschnürten Hülsen des P. saccharatum sind ebenfalls recessiv 


" Die Frage, in wie weit es sich empfiehlt, bereits jetzt die systematischen 
Auffassungen nach den Erfahrungen beim Bastardiren zu verändern, werde ich 
erst in einem späteren Abschnitt besprechen. Man vergleiche hierüber auch. die 
Ansichten von Correns und TschermaX in den oben angeführten Schriften. 

® Abschnitt I, S 4, S. 37. 

"=Fig-5.S8. 38. 

* Ber. d. d. bot. Ges. Bd. XVIIL S. 85. 

DE VRIES, Mutation. II. 10 


146 Die typischen Bastardspaltungen. 


gegenüber der gewöhnlichen, einfach gewölbten Form. Beim Weizen 
sind nach Rımpau die lockere Aehre und die grannenlosen Spelzen 
in der Regel dominirend, und also wohl als die älteren Typen zu 
betrachten, doch fehlen hier vorläufig noch die Zahlenangaben über 
das Verhalten der Nachkommen. Wäre es möglich, in dieser Richtung 
in einer grösseren Reihe von Fällen eme Entscheidung zu erreichen, 
so wäre damit offenbar eine feste Grundlage für die Beurtheilung 
verwandtschaftlicher Beziehungen gewonnen. 

In sehr zahlreichen Fällen folgen den Mexpen’schen Regeln 
solche Merkmalspaare, in denen dieselbe Eigenschaft bei dem 
einen der Eltern activ, bei dem anderen aber latent ist.! In 
diesem Falle dominirt das active über das latente, wobei je nach den 
einzelnen Fällen das sichtbare Merkmal durch die unsichtbare, latente, 
ihm antagonistische Anlage im Bastard mehr oder weniger geschwächt 
erscheint. Ich führe hier eine Reihe von Beispielen an, bemerke 
aber, dass von einigen unter ihnen ihre Zugehörigkeit zu den 
Mexper’schen Bastarden nur nach den vorhandenen Analogien wahr- 
scheinlich, aber noch nicht experimentell geprüft worden ist; solche 
sind durch ein Sternchen angedeutet. Die Latenz kann sich auf die 
Farbe, die Bewaffnung und Behaarung, die Ausbildung der Stärke, 
des unterständigen Fruchtknotens u. s. w. beziehen... 


Beispiele über das Prädominiren der activen Eigenschaft über 
die antagonistische latente im Bastard. 


I. Depigmentation. 
A. Latenz der Blüthenfarbe. 


Agrostemma Githago A. nicacensis (Fig. 19, S. 144) 
Antirrhinum majus A. m. album 

Aster Tripolium 4A. T. albus 

Chrysanthemum coronarium (gelb) Oh. ce. album 

Olarkia pulchella C. p. alba 

Datura Tatula D. Stramonium 

_Hyoseyamus niger H. pallidus (Tafel II) 

Linaria vulgaris (Lippe orange) L. v. perlutescens (Lippe gelb) 
Lychnis diurna L. vespertina 

Polemonium_ coeruleum P. c. album 

Silene Armeria S. A. alba 


ı Ueber eine mögliche Erklärung der Ausnahmen von dieser Regel vergl. 
unten $14, Ueber die Zerlegung der Blüthenfarben. 


ei 


Die erste Generation der Mexper’schen Monohybriden. 147 


Trifolium pratense T. p. album 


Veronica longifolia V. I. alba 

Viola cornuta V. ve. alba 

Atropa Belladonna“ 4A. B. lutea! 
Gloxinia superba” @G. s. alba 

Geum coceineum (roth)* Geum, gelbe Arten.? 


B. Latenz der Farbe der Früchte und Samen.’ 


Solanum nigrum S. n. chlorocarpum 
Pisum, mit brauner Samenschale Pisum, mit weissen Samen.* 


C. Latenz der rothen Farbe im Laube. 


Amarantus caudatus (voth) A. c. viridis 


U. Denudation. 


A. Latenz der Behaarung. 


Biscutella laevigata B. I. glabra® 

Lychnis diurna L. Presli® 

Lychnis vespertina L. v. glabra 

Tritieum turgidum” Unbehaarte Weizensorten’? 


B. Latenz der Bewaffnung. 


Datura Stramonium D., laevis 
Ranumeulus arvensis” R. a. inermis? 


III. Defarination. 


Zea Mays Z. M. saccharata 
Pisum sativum P. s. quadratum 
er En P. s. saccharatum. 


ı H. Horrmann, Bot. Zitg. 1881. S. 383. 

? GÄRTNER, a. a. O. S. 301, 309. Eine Reihe weiterer Beispiele liesse sich 
leicht aus den Werken von GÄRTNER und FockE zusammenstellen. 

® Die Ineongruenz der Samenschale der Mutter in Bezug auf Raum und 
Beleuchtung des Bastardembryo, und die abnormalen Ermährungsverhältnisse 
dieser Samen sind von Corkens und TschermAaX zu wiederholten Malen hervor- 
gehoben worden, bedürfen aber noch genauerer Untersuchungen. 

* Weitere Beispiele für Erbsen bei Tscuermar a. a. O. und für die zahlreichen 
Farbvarietäten des Mais in der Monographie von CoRkeEns. 
® Mıss Saunpers, Proc. Roy. Soc. 1897. Vol. LXIL S. 11. Vergl. auch 
Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24. 8.65. 

° A. Gopron. Mem. Acad. Stanislas. 1865. S. 346. 

” A. W. Rınpav. Krewzungsprodukte landw. Kulturpflanzen. 

® H. Horrmann, a. a. O. S. 383. 

10* 


148 Die typischen Bastardspaltungen. 


IV. Theilweise Latenz von Eigenschaften! 


A. der Blüthenfarbe. 


Papaver somniferum Mephisto P. s. Danebrog ; 


B. des unterständigen Fruchtknotens. 


Oenothera Lamarckiana O. brevistylis? 


In manchen Fällen? ist uns die Bedeutung des jüngeren Merk- 
males noch unklar, wie bei Pisum wmbellatum, oder scheint es einst- 
weilen unmöglich, es als den latenten Zustand der älteren Eigenschaft 
aufzufassen, wie z. B. bei Chelidonium laciniatum.* Doch handelt es 
sich hier vielleicht um secundäre Aeusserungen anderer Eigenschaften 
oder um andere mehr oder weniger zusammengesetzte Erscheinungen.’ 
Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um die Ausnahmen auf- 
zuklären.® 

Einstweilen muss man sich auf die rein empirische Darstellung 
der Thatsachen beschränken. Dass aber die Mexper’schen Bastarde 
eine in sich geschlossene Gruppe bilden, welche einer gemeinsamen 
inneren Ursache ihre Eigenthümlichkeit verdankt, leuchtet ein, und 
wurde namentlich von TSCHERMAK in einer Anmerkung am Schlusse 
seiner Ausgabe von MEnper’s Abhandlungen klar betont (a. a.0. S. 58). 
Intermediäre Bastardbildungen (vergl. Abschnitt I, $ 3 S. 18) und 
Vielgestaltigkeit in der ersten Generation, wie bei den Bastarden von 
Hieracium und den weiter unten zu besprechenden Hybriden von 
Oenothera, hob er als die Kennzeichen von Artbastarden, MEnper’sche 
Spaltungen als die Merkmale von Rassenbastarden hervor.” Doch 
darf man nicht vergessen, dass die Polyhybriden ganz gewöhnlich in 


‘ Ueber diese Eigenschaften, welche keine einfachen, sondern zusammen- 
gesetzte sind, vergl. dieses Kapitel, $ 14: „Die Zerlegung der Blüthenfarben.‘“ 

” Das recessive Merkmal ist hier der theilweise oberständige Fruchtknoten. 
Vergl. den folgenden Abschnitt. 

’ Ueber die Bastardspaltungen stark variabler Eigenschaften, namentlich 
von Mittelrassen soll erst in den folgenden Kapiteln gehandelt werden. 

* Aller Wahrscheinlichkeit nach schliessen sich mehrere bis jetzt unerklärte 
Fälle an die oben unter IV. aufgeführte Gruppe an. Vergl. unten. $ 14. 

° Die Fälle, in denen ein Gegensatz zwischen latenter und activer Anlage 
bei den Eltern eines Bastardes nicht oder doch nicht mit Sicherheit anzunehmen 
ist, führe ich in diesem und den folgenden Paragraphen überhaupt nur vorbehält- 
lich weiterer Untersuchungen an. 

° Weitere Beispiele bei TscHErMAR, „Weitere Beiträge“. 8.87 fg. 

” Derselben Ansicht ist auch ÜoRrreEne a. a. O. 


Die zweite Generation der Monohybriden. 149 


Bezug auf einige Merkmale sich in diesem Sinne wie Artbastarde und 
gleichzeitig in Bezug auf andere Eigenthümlichkeiten als Rassen- 
mischlinge verhalten (vergl. S. 74, und unten, im dritten und fünften 
Abschnitt). 


$ 7. Die zweite Generation der Monohybriden. 


In der zweiten Generation treten die in der ersten unsichtbaren 
recessiven Eigenschaften wieder an’s Licht, und zwar in ihrer vollen 
Kraft, "aber nur in einem Theile der Individuen. Dieser Theil ist ein 
ganz constanter, und beträgt in allen Versuchen ein Viertel.! Die 
übrigen drei-Viertel behalten den dominirenden Charakter. „Ueber- 
gangsformen wurden bei keinem Versuche beobachtet“, sagte MENDEL.? 
Und dieses Fehlen von Zwischenstufen gestattet selbstverständlich ein 
genaues Abzählen der beiden Typen und bildet den Grund, weshalb 
zunächst die Fälle, in denen solche Uebergänge vorkamen, von der 
Untersuchung ausgeschlossen wurden. 

Dieses constante Verhältniss von 3:1 zwischen den Nachkommen 
mit dominirendem und denjenigen mit recessivem Merkmal wird von 
TscHERMAK als der „Satz von der gesetzmässigen Mengenwerthigkeit 
der Merkmale“ bezeichnet. 

Die sieben von MEnDEu bei Erbsen untersuchten Merkmalspaare 
gaben die folgenden Verhältnisse. 


Erbsen nach MEnDEL. 


Dominirend Recessiv Anzahl °/,Recessiv 
Samen rundlich Samen kantig runzelig 7524 25-5 
Cotylen gelb Cotylen grün 8023 24-9 
Blüthen wiolettroth Blüthen weiss, Samen 

u. Samenschale braun weiss u 
Hülsen einfach gewölbt Hülsen eingeschnürt 1181 25-3 
Unreife Hülsen grün Unreife Hülsen gelb 580 26-2 
Blüthen in Trauben Blüthen endständig 858 24-0 
Hohe Pflanzen Niedrige Pflanzen 1064 26-0 


Das Mittel aus diesen Versuchen ist somit 25°/, recessive und 
75°/, dominirende Hybriden. CoRRENs und TSCHERMAK haben diese 
Versuche wiederholt und im Wesentlichen dieselben Ergebnisse erhalten, 


! Wegen der in den Einzelversuchen gestatteten Abweichungen vergleiche 
das erste Kapitel dieses Abschnittes, $ 3, $. 123. 

° Für die seitdem beobachteten Uebergänge und Zwischenbildungen sei auf 
die folgenden Paragraphen verwiesen. 


150 Die typischen Bastardspaltungen. 

wie wir bei der Besprechung der späteren Generationen ausführlich 

sehen werden. Auch Phaseolus-Bastarde ergaben entsprechende Resultate. 
Das Spaltungsgesetz ist aber selbstverständlich nicht auf Erbsen 

und Bohnen beschränkt, sondern findet im ganzen Pflanzenreich weite 


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Fig. 20. Zea Mays. Kolben zur Demonstration des gesetzmässigen Zahlenverhältnisses 


zwischen den Körnern mit dominirendem und denjenigen mit recessivem Merkmal. 
A und € die beiden Stammeltern, A stärkehaltig, € Zuckermais. B ein Kolben des 
Bastardes zwischen diesen beiden Sorten, nach Selbstbestäubung. 


Drei Viertel der 
Körner sind glatt und stärkehaltig, ein Viertel ist runzelig, beim Trocknen ein- 


geschrumpft und enthält anstatt der Stärke im Wesentlichen Dextrin. Ernte von 1899. 
Verbreitung. Ich habe es bei zahlreichen Arten aus den verschie- 
densten Familien und bei einer Reihe anscheinend stark differirender 


Eigenschaften bestätigt gefunden, und gebe zunächst eine Uebersicht 
in tabellarischer Form. 


Die zweite Generation der Monohybriden. 


151 


Tabelle über die Zusammensetzung der zweiten Bastard- 


generation. 


A. Blüthenfarbe 
(nach künstlicher Kreuzung). 


Dominirend Recessiv 
(weiss oder blaublüthig) 
Agrostemma Githago (violettroth) A. nicaeensis (Fig. 19) 
Hyoscyamus niger (violettbraun, Taf. II) AH. pallidus 
Linaria vulgaris (Lippe orange) L. v. perlutescens 
Lychnis diurna (voth) L. vespertina 
Papaver sommiferum Mephisto P. s. Danebrog 


B. Blüthenfarbe 


(nach freier Kreuzung). 


Aster Tripolium (blassviolett) A. T. albus 
Ohrysanthemum coronarium (gelb) Ch. ce. album 

Olarkia pulchella (roth) ©. p. alba 

Trifolium pratense (roth) T. p. americanum album 
Veronica longifolia (blau) ‚V. 1. alba 


Viola cornuta (blau, Fig. 18, S. 116) V. ce. alba 


C. Farbe des Laubes und der Früchte 
(nach freier Kreuzung). 
Amarantus caudatus (vothes Laub) A. c. viridis 


Solanum nigrum (schwarze Beeren) S. n. chlorocarpum 


D. Andere Eigenschaften 
(mit einer Ausnahme nach künstlicher Kreuzung). 
Chelidonium majus ©. lacıniatum 


Calliopsis tinctoria (freie Kreuzung, Fig.5) ©. ti. brunnea 


Lychnis vespertina (behaart) L. v. glabra 
. Oenothera Lamarckiana O. brevistylis 
Zea Mays (stärkehaltig, Fig. 20) Z. M. saccharata 


Dom. Rec. 
lo. sul 
76 24 
74 26 
75.25 
da 327 
18 22 
15: 25 
01.1020 
13 27 
15.. 25 
18...22 
11 28 
7229 
1.223 
74 26 
15. 25 
la: 27 
18 22 
2 


Im Mittel aller Versuche 24-5 oder nahezu 25°/, Recessiv. 


152 Die typischen Bastardspaltungen. 


Einige weitere, demselben Gesetze folgende Fälle sollen erst bei 
den Dihybriden vorgeführt werden, vergl. z. B. die Blüthenfarbe und 
die Dornen bei Datura. Beim Mais folgt nicht nur der Stärkegehalt 
dem Menper’schen Spaltungsgesetze, sondern eine ganze Reihe anderer 
Eigenschaften, welche in der Monographie von CORRENs beschrieben 
wurden und welche unten, bei dieser Art, besprochen werden sollen. 

Ich lasse jetzt eine kurze Beschreibung der in der Tabelle ge- 
nannten Versuche folgen: ! 

A. 1, Agrostemma Githago und A. nicaeensis. Beide Arten zeigten 
sich bei mehrjähriger Cultur als völlig rein, die erstere hat dunkel- 
violettrothe Blüthen, die letztere blasse, fast weisse aber blassviolett 
geäderte Kronenblätter von ziemlich schwankender Farbe. Mitte 
Juli 1897 wurden auf einigen Pflanzen der A. Githago die Blüthen 
castrirt und mit dem Staub der A. nicaeensis belegt, und mit grossen 
eirunden Hüllen aus feiner Mettallgaze umgeben, wie solche für das 
Beschützen von Weintrauben gegen Wespen benutzt werden. Aus 
den so gewonnenen Samen hatte ich im Sommer 1898 94 blühende 
Pflanzen, alle von derselben Farbe und dunkelviolett wie die Mutter. 
Bei einer genauen Vergleichung macht die Farbe der Bastarde den 
Eindruck, nicht ganz so dunkel zu sein wie diejenige der reinen 
A. Güthago. Fünf ausgewählte Exemplare liess ich an einer isolirten 
Stelle blühen und sammelte ihre Samen getrennt. Von jeder dieser 
Mütter blühten im nächsten Jahre 63—94, zusammen 385 Kinder, 
von denen 94, also 24-4°/, blassblüthig waren wie A. nicaeensis, wäh- 
rend die übrigen dunkelviolettroth blühten. Ich ermittelte für jede 
der fünf Mütter die Zusammensetzung ihrer Nachkommenschaft und 
fand 22 — 23 — 24 — 24 — 27°/,, also trotz der geringen Individuen- 
zahl sehr übereinstimmende Werthe. 

Die Blüthenfarbe varirt in den drei Gruppen ziemlich stark 
fluktuirend, zwischen den Bastarden und der A. Githago ist gar keine 
Grenze zu erkennen, doch hatten Vorversuche im Jahre 1896 ergeben, 
dass in einem solchen Gemische sich unter den dunkelsten keine 
Bastarde befinden (vergl. auch unten bei Hyoseyamus). Zwischen den 
Bastarden und der A. nicaeensis fand ich im Sommer 1899 ganz 
einzelne Zwischenformen, welche eine sichere Entscheidung nicht 
zuliessen, sie sind im obigen Versuche nicht mitgezählt worden. 

A. 2. Hyoscyamus niger. Vergl. $ 8. 
A. 3. Linaria vulgaris. Die „Art“ hat eine blassgelbe Krone mit 


‘ In Hinblick auf die bei solchen Versuchen gestattete Latitüde von etwa 5% 
gebe ich die Procentzahlen ohne Decimalen. Vergl. oben $ 3—4. 


Die zweite Generation der Monohybriden. 153 


safrangelbem bis orangenem Gaumen. In der hiesigen Gegend wächst 
eine Varietas perlutescens, deren Blüthen ganz blassgelb sind; der 
Gaumen ist von derselben Farbe. Beide Sorten fand ich bei reiner 
Befruchtung in der Cultur constant. Im Juli 1894 befruchtete ich 
castrirte Blüthen der L. vulgaris in geeigneter Umhüllung mit per- 
lutescens, und hatte aus den Samen im nächsten Sommer 142 reich- 
lich blühende Pflanzen, alle mit safrangelbem Gaumen. Von zweien 
von diesen Bastarden säte ich im Jahre 1896 die Samen aus und 
hatte 307 und 310 blühende Kinder, von denen 54 und 81, also 18°/, 
und 26°/,, im Mittel 22°/, perlutesceens waren. Die übrigen hatten 
alle einen dunkleren Gaumen. 

Einen zweiten Versuch habe ich im Jahre 1898 angefangen, indem 
ich wiederum L. vulgaris mit perlutescens befruchtete. Ich erhielt drei 
Früchte, aus deren Samen ich im nächsten Jahre nur 17 Pflanzen 
zur Blüthe erziehen konnte; alle hatten einen safrangelben Gaumen. 
Nach Selbstbefruchtung erhielt ich aus den Samen im Jahre 1899 
345 blühende Pflanzen, von denen 84, also 25°/, perlutescens waren 
und 261 oder 75°/, einen dunkelgefärbten Gaumen hatten. Die Zahlen 
dieses Versuches sind in die Tabelle auf S. 151 aufgenommen worden. 

A. 4. Lychnis diurna und L. vespertina. ‚Diese beiden Arten habe 
ich zu wiederholten Malen gekreuzt, wobei ich in der Regel von der 
letzteren die Varietät glabra benutzte. Ich führe hier die Kreuzung 
von 1892 an, welche im Jahre 1893 rothblühende Bastarde gab. Aus 
ihren Samen blühten im nächsten Sommer 116 Pflanzen roth und 
42 weiss, oder 73 und 27°/,.. Die Bastarde scheinen im Ganzen 
etwas blasser zu sein als die reine L. diurna, doch habe ich dieses 
nicht genauer untersucht. 

A. 5. Papaver somniferum Mephisto x Danebrog. Vergl. $ 8. 

B. 1. Aster Tripolium. Von dieser bläulich violetten Art fand 
ich im Sommer 1895 ein weissblühendes Exemplar vereinzelt zwischen 
mehreren Hunderten von normalen. Die Befruchtung hatte bereits 
stattgefunden; ich brachte die Pflanze nach meinem Garten und liess 
sie an isolirter Stelle ihre Samen reifen. Es war anzunehmen, dass 
diese zum Theil durch den Staub der blauen Individuen, zum Theil 
durch Selbstbestäubung befruchtet waren. Die Aussaat der Samen 
bestätigte diese Auffassung, indem weitaus die meisten Exemplare 
blau und nur einzelne (etwa 5°/,) weiss blühten. Die weissblüthigen 
zeigten sich später in ihren Nachkommen als eine reine Rasse, die 
blauen mussten aber Bastarde sein. Ich liess sie isolirt blühen und 
sammelte von sieben unter ihnen die Samen getrennt, zur Aussaat 
in 1897. Ich erhielt im Ganzen 682 blühende Exemplare, von denen 


154 Die typischen Bastardspaltungen. 


169, also 25°/,, weiss oder weisslich blühten; die übrigen hatten nur 
blaue Blüthen. Ich habe die Erbzahlen für jede dieser sieben Mütter 
getrennt ermittelt und fand für diejenigen, von denen mehr als 
100 Kinder blühten, 22 — 22 und 23°/,, für die vier anderen selbst- 
verständlich etwas stärker abweichende Zahlen. 

B. 2. Chrysanthemum coronarium (Syn. ©. Roxburghi). Von dieser 
gelbstrahligen Art kommt gelegentlich eine Varietät mit weissen 
Strahlen vor: Ch. e. album, oft findet man in den Handelssamen beide 
mehr oder weniger vermischt. Nach reiner Befruchtung sind sie beide 
völlig constant, wie Controlversuche mit etwa 230 Exemplaren aus 
gelbem Samen und über 400 Kindern von weissblüthigen Individuen 
lehrten. 

Findet man in der weissen Varietät bei der Aussaat käuflicher 
Samen gelb blühende Exemplare, so sind diese vermuthlich zum Theil 
Bastarde, wie wir am Schlusse dieses Abschnittes des Näheren dar- 
thun werden. Ich habe zwei solche im Sommer 1895 vor der Blüthe 
isolirt und später ihre Samen getrennt geerntet und ausgesät. Im 
nächsten Jahre hatte ich daraus zwei Beete, mit 440 bezw. 434 blühenden 
Pflanzen, von denen 90 und 88, also je 20°/,, weiss und die übrigen 
gelb waren. 

B. 3. Clarkia pulchella, eine rothblühende Art mit einer weissen 
Varietät (Vergl. Bd. I, 8.512). Wie in dem vorigen Versuch fand ich in 
einer Öultur aus Samen der weissen Form einige rothblühende Pflanzen, 
welche also vermuthlich durch Kreuzung auf der Gärtnerei entstanden 
waren.! Ihre Samen wurden getrennt geerntet und ausgesät, keimten 
schlecht und gaben 55 blühende Pflanzen, von denen für jede Mutter 
etwa ein Viertel weiss waren. Zusammen 15 oder 27°/,. Unter 
den Bastarden kamen auch in diesem Versuche Pflanzen mit blasseren 
Blüthen vor als unter der reinen Art. 

B. 4. Trifolium pratense. Im Sommer 1895 blühte in meinem 
Garten ein einziges Exemplar von Trifokium prat. americanum album, 
welches im vorigen Jahre in der hiesigen Gegend zufällig gefunden 
worden war. Es stand in einiger Entfernung von einem grösseren 
Beete blühender Pflanzen der rothen Form und wurde von diesen 
befruchtet. Da isolirte Pflanzen des Rothklees nach früheren Ver- 


' Vergl. das letzte Kapitel dieses Abschnittes, über den sogenannten Ata- 
vismus im Gartenbau. Solche käufliche, zufällige Bastarde finden sich äusserst 
oft in Samenproben; sie liefern ein begnemes Material, um ohne jahrelange Vor- 
versuche eine Reihe von weiteren Beispielen für die Menper'sche Spaltungsregel 
zusammen zu bringen. 


Die zweite Generation der Monohybriden. 155 


suchen trotz des Insectenbesuches keinen Samen bilden, war anzunehmen, 
dass die Kreuzung eine reine war. Aus den Samen erzog ich im 
Sommer 1896 über 150 Kinder, welche ausnahmslos roth blühten. 
Von dieser Gruppe erntete ich die Samen durcheinander, säte sie ım 
Jahre 1897 und hatte 219 Kinder, von denen 54, also 25°/,, weiss 
blühend. Die übrigen blühten alle roth. 


In derselben Weise habe ich in einem anderen Jahre ein weiss 
 blühendes Exemplar der hiesigen Sorte, also Trifohum pratense album, 
von rothen Kleepflanzen befruchten lassen. Seine Samen gaben 
234 blühende Kinder, alle roth. Doch habe ich diesen Versuch nicht 
weiter fortgesetzt. 


B. 5. Veronica longifolia; eine blaue Art mit einer weissen 
Varietät. Im Jahre 1889 erhielt ich durch die Freundlichkeit des 
Herrn Prof. J. W. Morz eine blaublühende Pflanze dieser Art, welche 
sich später als Bastard ergab. Im Jahre 1892 erntete ich von ihr 
Samen, welche ich im nächsten Frühling unter den erforderlichen 
Sorgen, um sie noch in demselben Sommer zur Blüthe zu bringen, 
aussäte. Es blühten 214 Pflanzen, von denen 166 blau und 48 weiss, 
also 22°/,. 

B. 6. Viola cornuta, eine blaue Art mit einer weissen Varietät. 
Eine weiss blühende Pflanze blühte im Sommer 1896 zwischen blauen; 
ihre Samen wurden getrennt geerntet und ausgesät und gaben unter 
zahlreichen weissen auch drei blaue Individuen, welche also oftenbar 
Bastarde waren. Ich liess diese an einer isolirten Stelle blühen (1898), 
erntete die Samen gemischt und machte daraus im Jahre 1899 eine 
grössere Cultur. In dieser blühten 255 Pflanzen blau und 75 weiss, 
zusammen also 333 mit 23-4°/, weissen. 


©. 1. Amarantus caudatus. Im Sommer 1895 blühten zwei Exem- 
plare der völlig grünen Varietät zwischen Pflanzen mit der normalen 
braunrothen Farbe des Laubes. Ich erntete die Samen der ersteren, 
welche also theilweise durch die rothen befruchtet sein mussten, für 
sich, und erhielt daraus (1396) neben einer überwiegenden Menge von 
grünen Individuen auch einige wenige rothe, von denen also anzu- 
nehmen war, dass sie Bastarde waren, da die grüne Varietät, nach 
einem Controlversuche, bei reiner Befruchtung constant ist. Die 
Bastardpflanzen liess ich isolirt blühen, sammelte die Samen von 
fünf von ihnen getrennt und hatte daraus im Sommer 1897 fünf 
Gruppen, welche jede zu etwa °/, aus rothen und zu !/, aus grünen 
Pflanzen bestanden. Im Ganzen 171 Exemplare mit 49, oder 29°/,, 
grünen. 


156 Die tı ee Bastardspaltungen 


342: Son nigrum hat De Ben die Varietät chloro- 
carpuım aber gelblich grüne. Beide sind bei sole Cultur constant, 
und isolirte Exemplare bilden reichlich Samen. Ich werde unten 
meine Uulturen ausführlich zu beschreiben haben, erwähne aber hier, 
dass ich im Sommer 1894 eimige schwarzfrüchtige Bastarde hatte, 
welche ich während der Blüthezeit einzeln in Pergaminbeuteln gegen 
Insectenbesuch schützte. Es waren 8 Pflanzen. Ihre Samen gaben 
(1895) eben so viele Beete, jede zu ®/, mit schwarzen und zu !/, mit 
grünen Beeren bei der Reife. Im Ganzen 935 Individuen, von denen 
215 oder 23°/, mit dem recessiven Merkmal. 

D. 1. Chelidonium majus und C. laciniatum. Diese Kreuzung bot 
ein besonderes Interesse, einerseits weil die Entstehung des (©. laei- 
niatum aus C. majus in Heidelberg um das Jahr 1590 historisch 
bekannt ist (Bd. I, S. 134), andererseits weil die Geschlitztblätterig- 
keit nicht auf Verlust oder Latenz einer in der älteren Art 

sichtbaren Eigenschaft zu beruhen 


scheint, wie solches sonst bei COharak- 
teren, welche Menper’sche Bastarde 
geben, die Regel zu sein scheint. Das 
Castriren muss hier schon lange vor 
dem Oeffnen der Blüthen stattfinden, 
da die Staubfäden sich früh zu öffnen 


anfangen. Trotz dieser Sorge erhielt 
Fig. 21. Keimpflanzen von Chelidonium ich doch keine völlig reine Befruch- 
majus (m) und €. laciniatum (2) mit dem tung. Ich castrirte so gut wie mög- 
ersten bezw. den beiden ersten Blättern, ’ Aa % i 
welche den Unterschied in der Tiefe lich ©. laciniatum und bestäubte mit 
der Einschnitte bereits deutlich zeigen. CO. majus (1897); die Hälfte der Samen 
gab die eine, die andere Hälfte die 
andere Form. Die ersteren konnten durch Selbstbefruchtung, die 
letzteren nur durch Bastardirung entstanden sein, da ja sonst das 
C. laciniatum völlig constant ist. Ich liess nur diese Bastarde blühen, 
(es waren 25 Exemplare), und zwar an einer völlig isolirten Stelle. 
Die Samen erntete ich durcheinander und säte sie im Frühling 1399 
in Schüsseln aus. Man hat hier den grossen Vortheil, dass die Keim- 
linge bereits bei dem Entfalten der ersten Blätter leicht und sicher 
von einander unterschieden werden können, wie die Fig. 21 zeigt. 
Man kann also zählen ohne auszupflanzen, und daher ohne Mühe eine 
erössere Anzahl beurtheilen. Ich zählte 1186 Keimpflanzen, von 
denen 875 das dominirende und 311 das recessive Merkmal hatten. 
Also 26-2°/,. 
D. 2. Calliopsis tinetoria. Von dieser beliebten Gartenpflanze 


Die zweite Generation der Monohybriden. 157 


kommt eine constante Varietät mit dunkelbraunen Strahlen im Handel 
vor: ©. t. brunnea. Im Bastard dominirt das Merkmal der Art und 
ist dasjenige der Varietät recessiv. Käufliche Samenproben fand ich 
selten rein, meist enthalten sie einige wenige Procent Bastarde oder 
deren Nachkommen. Von drei solchen Bastarden säte ich die Samen 
im Jahre 1596 getrennt und erhielt drei Beete, welche auf dem ersten 
Blicke zu etwa °/, aus gelben und zu !/, aus braunstrahligen Indi- 
viduen zusammengesetzt waren. Die genauere Zählung ergab 384 Exem- 
plare, von denen 29°/, braun blühten. Aehnliche Culturen habe ich 
auch in den Jahren 1894 und 1595 gemacht, sie gaben 19°/, Pflanzen 
mit dem recessiven Merkmal. Alle Aussaaten zusammen, mit den 
Samen von sechs Bastarden, gaben im Mittel 25°/, braunstrahlige 
Individuen. 

D. 3. Lyehnis vespertina. Von dieser Art wurde im ersten Bande 
eine unbehaarte Varietät als L. v. glabra beschrieben (Bd. I, S. 470, 478); 
sie zeigte sich bei der Aussaat als völlig constant. Weibliche Pflanzen 
wurden durch das Ausmerzen der männlichen im Anfang der Blüthe 
im Sommer 1892 isolirt, und konnten durch Insekten mit dem Staub 
der normalen L. vespertina befruchtet werden. Die erste Generation 
der Bastarde enthielt nur behaarte Pflanzen; die Behaarung schien 
nur wenig schwächer zu sein als diejenige des Vaters. Die Samen 
der zweiten Generation gaben im Sommer 1894 536 Pflanzen, welche 
beim Anfang der Blüthe gezählt wurden. Ich fand 392 behaarte und 
144 unbehaarte, oder von den letzteren 27°/,. 

D. 4. Oenothera Lamarckiana x O. brevistylis. Im Jahre 1895 
befruchtete ich castrirte Blüthen der ersteren Art mit dem Staube 
der letzteren. Die Kinder hatten sämmtlich die Merkmale der 
Mutter (1894). Ihre Blüthen wurden in Pergammbeuteln mit ihrem 
eigenen Staub befruchtet. Die so gewonnenen Samen gaben nun, 
also in der zweiten Generation, 17—26°/, Exemplare mit dem recessiven 
Merkmal. Dieser Versuch wurde dann im Sommer 1899 in einer neuen 
Aussaat wiederholt und gab auf 205 Pflanzen 160 lang- und 45 kurz- 
griffelige, also 22°/.. 

D. 5. Zea Mays. Von allen bis jetzt darauf untersuchten Arten 
ist wohl diese die wichtigste für die Kenntniss der Menxper’schen 
Spaltungsregel, namentlich weil sie bis jetzt die einzige ist, welche 
eine Demonstration des Zahlenverhältnisses an getrocknetem und auf- 
bewahrtem Material ermöglicht. Weder an einer Erbsenernte, noch 
an einem Beete mit Bastardnachkommen in voller Blüthe, selbst nicht 
an den Keimschüsseln des Chelidonium lässt sich der gemeinschaft- 
liche Ursprung der Samen demonstriren. Wenn die fraglichen Merk- 


158 Die typischen Bastardspaltungen. 


male an den Körnern selbst sichtbar sind, wie die Farbe und die 
Natur der Resevestoffe, vertritt jeder Kolben eines Bastard-Mais ein 
ganzes Beet von Nachkommen eines beliebigen anderen hybriden 
Elters. Unsere Figur auf S. 150 zeigt, dass man sich auf dem 
ersten Blicke überzeugen kann, dass etwa ein Viertel der Körner das 
recessive, drei Viertel aber das dominirende Merkmal zeigen. Und 
jedesmal, wenn es gewünscht wird, lässt sich eine neue Zählung 
vornehmen. 

Die an den Körnern sichtbaren Merkmale gehören theilweise der 
Samen- und Fruchtschale, theilweise dem Endosperm an. Als 
NAwASCHIN und GUIGNARD die doppelte Befruchtung bei den Phanero- 
samen entdeckt hatten,! lag die Möglichkeit einer Bastardirung des 
Endosperms beim Mais auf der Hand, indem die bis dahin unbegreif- 
lichen Xenien dieser Pflanze eine einfache Erklärung als Endosperm- 
bastarde fanden. Der Versuch bestätigte diese Erwartung und lehrte, 
dass durch Bastardbefruchtung an den befruchteten Kolben die Folgen 
der Kreuzung eben so deutlich sind, als in den Hülsen der Erbsen, 
wenn es sich um Merkmale der Cotyledonen des Keimes handelt.? 
Nur ist es beim Mais das Endosperm, welches die Bastardmerkmale 
trägt. Diese Entdeckung wurde bald darauf in experimenteller Hin- 
sicht durch viel umfangreichere, von CORRENS und von WEBBER an- 
gestellte Versuche bestätigt,” und dadurch zum Abschluss gebracht, 
dass es GuIGnarD gelang, beim Mais selbst das zweite Spermatozoid 
und die Befruchtung des Embryosackkernes unmittelbar nachzuweisen.* 
Doch habe ich an dieser Stelle nicht weiter auf die Xenien ein- 
zugehen, da es sich hier nur darum handelt, die Gültigkeit des 
Spaltungsgesetzes bei der Erzeugung der Samen auf den Bastarden 
der ersten Generation nachzuweisen. 


! Nawaschin, Bull. de U’ Acad. imp. de Sc. de St. Petersbourg. T. IX. No. 4. 
L. GuıGnaro, Sur les antherozoides et la double copulation chez les vegetaux angio- 
spermes. Compt. rend. Paris, 4. Avril 1899. 


° Sur la fecondation hybride de Valbumen. Comptes rendus. Acad. Sc. Paris, 
4. Dec. 1899 und Sur la fecondation hybride de l’albumen chez le Mais. Revue 
gen. de Bot. T. XII. 1900. 8.129, Taf. XV. Vergl. auch Ber. d. d. bot. Ges. 
Bd. XVII. S. 87. 

3 ©. CorrEns, Untersuchungen über die Xenien von Zea Mais. Ber. d. d. 
bot. Ges. Bd. XVII. S. 411, und die oben eitirte Monographie desselben Ver- 
fassers in der Bibliotheca Botanica. Nr. 53. H. J. Weser, U. S. A. Departm. 
of Agrieulture, Bull. No. 22. 1900. 

* L. Guisnarv, La double fecondation dans le Mais. Journ. de bot. 1901. 
TSRV. INDO: 2, 


Die zweite Generation der Monohybriden. 159 


Für meine Versuche wählte ich den weissen Zuckermais,! Zea 
Mays saccharata, und eine stärkehaltige Varietät, welche wegen ihrer 
roth und gelb gestreiften Körner den Namen Harlekin führt. Sie 
bildet mitunter fast rein gelbe und andererseits völlig rothe Kolben; 
diese Farbe rührt aber nicht vom Endosperm her. Ich schnitt die 
männlichen Rispen des Zuckermais vor der Blüthe ab und befruchtete 
die Narben mit dem Staub des Harlekins, im August 1898. Die so 
befruchteten Körner waren im trockenen Zustande rund und glatt, 
voller Stärke, wie diejenigen des Vaters, und nicht runzelig und durch- 
scheinend, wie diejenigen der Mutterrasse. Aus ihnen gingen im 
nächsten Sommer (1899) Bastarde hervor, welche sich unter einander 
frei befruchten konnten. Es waren etwa 60 Pflanzen, welche zusammen 
etwa 75 gute Kolben brachten. Die Farbe der Samenschale war 
variabel wie beim Harlekin, einige Kolben waren ganz roth. Jeder 
Kolben trug etwa ein Viertel Zuckersamen und drei Viertel Stärke- 
samen; die meisten Kolben hatten etwa 300 Körner, einige über 500, 
andere unter 200. Ich ermittelte das Verhältnis für die zwanzig am 
besten ausgebildeten Kolben und fand den Procentsatz an recessiven 
Körnern wie folgt:? 


Gelblichweisse Kolben Rothe und gestreifte Kolben 
Nr. 1.240), Nr.08, 5279): Nr.WR, 24%, 
” 2 23 „ „ a) 24 „ ” 2 R. 20 „ 
u „10, 26,, 3,,83G: 24, 
But 287, 1,80 1.0. 2, 
» 5 26 „ „ 12 24 „ „ 5G. 25 „ 
BO. 2L;, 2 100 200% 10.12 
BUNT, 26, BR DE 6 
Im Mittel 25-5 °/,. Im Mittel 22-5 und 23-8 °/,. 


Es bietet also jeder einzelne Kolben eine Bestätigung des 
Spaltungsgesetzes. 


CORRENS hat diese Versuche über eine grössere Reihe von 
Bastarden ausgedehnt.?® Ich hebe aus seiner Liste die folgenden, 
die Regel bestätigenden Fälle hervor: 


_ _ _* Nach den Untersuchungen von Correns tritt bei dieser Rasse an die 
Stelle der Stärke nicht etwa gewöhnlicher Zucker, sondern Dextrin. Bibl. Bot. 
S. 67, 86, 141 u. s. w. 


? Rev. Gen. de bot. XII. S. 14—15. 
° C. Correns, Bibl. Bot. 1. c. S. 101—126. 


160 Die typischen Bastardspaltungen. 


Zea Mays Kolben der Bastarde: 
e) d Körner 
cyanea X rubra 0 blau 21-.8°/, weiss 


fo) 
„ gelb 22 ,, weiss 

3 „ blau 27-7 „ weiss oder gelb 
9 „ glatt” 22-7 „ tunzelier 


.90/ 


> 


T 
rubra X vulgata T 
vulgata X cyanea { 

{ 


u | 


vulgata X duleis 


Die Farbe des Endosperms folgt also in diesen Beispielen dem- 
selben Gesetze wie die Natur des Reservestoffes. 

Wenn man die ältere Literatur durchforscht, so findet man von 
Zeit zu Zeit Angaben über Zahlenverhältnisse bei den Bastard- 
spaltungen, welche mit dem Mexper’schen Gesetze übereinstimmen. 
So erwähnt Darwıs, dass die Bastarde zwischen dem gewöhnlichen 
und dem pelorischen Antirrkinum majus alle ohne Pelorien sind, dass 
unter ihren Kindern aber 88 auf 127, also 29 °/, wiederum pelorische 
Blüthen trugen.” Hays fand unter den Kindern eines Weizenbastardes 
Blue Stem x Fife 12°/, behaart wie Blue Stem und 28°/, unbehaart 
wie Fife? Ohne Zweifel harrt noch manche andere Andeutung in 
der Literatur der Verwerthung in demselben Sinne, sei es auch nur 
als Anweisung, mit welchen Arten und Eigenschaften am zweck- 
mässigsten weiter zu experimentiren wäre.? 


$ 8. Die dritte Generation der Monohybriden. 


In der zweiten Generation kann das dominirende Merkmal often- 
bar eine doppelte Bedeutung haben, denn sowohl für die Bastarde 
wie für die eine reine Stammform ist es bezeichnend. Ob es unter 
den Individuen der zweiten Generation beide Sorten giebt, und in 
welchem Verhältniss diese stehen, darüber muss das dritte Geschlecht 
entscheiden. 

Mexver fand, dass beide vorkommen. Die Individuen, welche 
das dominirende Merkmal als Bastarde bezeichnet, spalten sich in 
ihren Nachkommen wieder. Wo aber diese Eigenschaft eine Rück- 
kehr zu der Stammform bedeutet, ist die Nachkommenschaft einförmig. 
Solche Exemplare sind völlig zu der Stammform zurückgekehrt. Und 
dasselbe gilt von den Individuen mit dem recessiven Merkmal; auch 
sie bleiben in ihren Nachkommen einförmig und constant. 


ı Darwın, Animals and plants. 2. Ed. 1875. II, S. 46. 

® W. M. Hays, Bull. Agrie. Exper. Station. No. 62. Minnesota. 1899. 
S. 463. Vergl. ferner S. 424, 433, 460 u. 8. w. 

3 So vor Allem in Rınpau, Kreuzungsprodukte landw. Kulturpflanzen. 


Die dritte Generation der Monohybriden. 161 


Die Versuche MEnDEr’s sind von ÜORRENns an Erbsen und an 
Mais, von TSCHERMAK mit Erbsen und Bohnen in ausgedehnter Weise 
controllirt worden. Für die betreffenden Merkmale fanden sie eine 
völlige Bestätigung. Ebenso verhält es sich mit den übrigen, im 
vorigen Paragraphen behandelten Beispielen; soweit sie untersucht 
wurden, zeigte sich auch hier das recessive Merkmal stets constant, 
das dominirende in einigen Individuen constant, in anderen nicht. 
Ich gebe zunächst einige Beispiele für das recessive Merkmal. Von 
Linaria vulgaris x perlutescens erhielt ich, aus den Samen der Individuen 
mit blassem Gaumen, nur solche (21 Ex., 1897). Von Aster Tripolium 
blau X weiss erntete ich die Samen von vier weissen Bastardnachkommen 
nach isolirter Blüthe getrennt, und erhielt im Sommer 1897 zusammen 
1136 blühende Pflanzen, welche mit einer einzigen Ausnahme alle 
weiss waren. Die Ausnahmepflanze blühte blau, und war wohl 
zweifellos ein durch zufällige Uebertragung eines Blüthenstaubkornes 
der reinen Art entstandener Bastard.! Für Lychnis vespertina glabra 
x behaart habe ich in der zweiten Generation (1894) drei unbehaarte 
Exemplare in Pergaminbeuteln mit dem Staub von gleichfalls un- 
behaarten männlichen Pflanzen aus derselben Cultur befruchtet. 
Aus dem Samen. einer Mutter erhielt ich 156 Pflanzen, welche sämmt- 
lich unbehaart waren, von den anderen Müttern aber 772 Indivi- 
duen, darunter 3 behaarte. Es ist anzunehmen, dass auch hier sich 
ein Fehler bei der Bestäubung eingeschlichen hat. Dasselbe war mit 
meinen ÜÖulturen der weissen Nachkommen von Lychnis vespertina 
x diurna der Fall, welche im Sommer 1894 auf 58 weissblühenden 
eine rothe Pflanze zeigten. Mit Oenothera brevistylis habe ich über- 
haupt die Reinheit der Art nur an Nachkommen von Bastarden unter- 
suchen können, wie sich aus der Darstellung im ersten Bande S. 225 
ergiebt. Veronica longifolia blau X weiss zeigte sich in den Nachkommen 
der weissen in mehreren Versuchen als constant, was theilweise an 
der Blüthe, theilweise lange vor der Blüthezeit an der rein grünen 
Farbe des sonst dunkel gefärbten Laubes zu erkennen war. 

Unter den Bastarden der zweiten Generation lassen sich bisweilen 
die constanten von den sich in ihren Nachkommen wiederum spaltenden 
mehr oder weniger scharf nach der Intensität des dominirenden Merk- 
males beurtheilen. Gilt es Blüthenfarbe oder Behaarung, so kann 
man in solchen Fällen die dunkelsten oder am dichtesten behaarten 
aussuchen, und hat dann Aussicht, ihre Nachkommen einförmig zu 


! Vergl. unten, das Kapitel über den Atavismus im Gartenbau. 
DE VRIEs, Mutation. II. 11 


162 Die tı upischen Bastardspaltungen. 


finden. So, wie en en bei Agrostemma Gäthage x ”r nicaeensis, 
namentlich aber bei: 

Hyoseyamus pallidus x H. niger (Taf. Il, vergl. auch S. 146 u. 151). 
Beide Arten sind nach Vorversuchen bei reiner Befruchtung constant 
und rein (1897). Die Staubbeutel öfinen sich bereits in der Knospe, 
und zwar früher oder später, je nach dem Wetter. Zu früh castrirte 
Blüthen setzen aber nach künstlicher Befruchtung keine Samen an. 
Es besteht daher die Aussicht, dass die Kreuzung nicht immer völlig 
rein verlaufen wird. Aus diesem Grunde wählte ich H. pallidus als 
Mutter und befruchtete ihn mit A. niger. Aus den Samen erhielt 
ich 102 Pflanzen mit dem dominirenden Merkmal, welche somit 
offenbar Bastarde waren, neben vier mit dem recessiven, welche also 
wohl auf Selbstbefruchtung zurückgeführt werden mussten. Sie wurden 
selbstverständlich so bald wie möglich entfernt, und die übrigen von 
allen Blüthen, welche gleichzeitig mit ihnen geblüht haben konnten, 
beraubt. 

Die isolirten Bastarde liess ich von Insecten befruchten, und 
säte die Samen von vier von ihnen. Ich hatte (1899) 1073 blühende 
Kinder, von denen 26-5°/, mit dem recessiven und 74-5°/, mit dem 
en Merkmal. Für die Nachkommen der vier Mütter waren 
die Recessivzahlen 24, 27, 27-5 und 28°/,. Ich suchte unter den 
dominirenden diejenigen mit den dunkelsten Blüthen aus, isolierte sie 
mittelst Glocken von feiner Metallgaze und befruchtete jede Pflanze 
mit ihrem eigenen Staub. Aus den Samen von 20 Müttern erhielt 
ich (1900) 840 blühende Kinder, welche ausnahmslos die dunklen 
Blüthen von H. niger hatten. Ich hatte somit im Sommer 1899 an 
der Blüthenfarbe die constanten, zur Stammform zurückgekehrten 
Individuen ohne Fehler nach der Blüthenfarbe ausgesucht. 

In anderer Weise hat CoRRENs nachgewiesen, dass die Bastarde 
dieser beiden Arten eine blassere Farbe haben als der reine H. niger, 
wie solches bereits auch von KÖLREUTER angegeben wurde. Er er- 
mittelte den Gehalt der Blüthen an Anthocyan und fand, dass die 
Bastarde nur etwa die Hälfte (genauer 45 °/,) der Menge dieses Farb- 
stoffes enthalten, die bei H. niger vorhanden ist. So verhält es sich 
sowohl in der ersten als in der zweiten Generation." Das domi- 
nirende Merkmal ist also hier durch das recessive sehr erheblich 
abgeschwächt. 

Jetzt komme ich zu den Verhältnisszahlen in der dritten Gene- 
ration. Da die recessiven Individuen in ihren Nachkommen constant 


ı C. Corkens in Ber. d. d. bot. Ges. 1901. XIX. Generalvers.-Heft. S. 80. 


Fun 


Die dritte Generation der Monohybriden. 163 


sind, haben wir diese Zahlen nur für diejenigen mit dem dominirenden 
Merkmal zu untersuchen. MENDEL fand für die sieben von ihm an 
Erbsen studirten Merkmale die folgenden Verhältnisse: 


Erbsenbastarde mit dominirendem Merkmal. 
(Nach MExDEL.) 


Dominirend Recessiv Anzahl ee 4 
Samen rund S. kantig runzelig 565 1732091398 
Cotylen gelb Ü. grün 519 kobznau 2213 
Samenschale braun Samenschale weiss 100 36 : 64 
Hülsen einfach gewölbt H. eingeschnürt 100, a 
Hülsen grün H. gelb 1007740727160 
Blüthen in Trauben Bl. endständig DE | 
Hohe Pflanzen Niedrige Form 100 28 72 


Im Mittel 1:2. 


Es kommen also unter den Bastarden mit dominirendem Merk- 
mal in der zweiten Generation '/, mit constanten, ?/, mit sich 
spaltenden Merkmalen vor. 

Rechnet man dieses mit den constanten recessiven zusammen, so 
haben wir die folgende Zusammensetzung der zweiten Generation: 
25 un 50 "lo 25 "ih 
constant, dominirend Hybriden constant, recessiv. 


3 


Es ergiebt sich also, „dass die Hybriden je zweier diffe- 
rirender Merkmale Samen bilden, von denen die eine Hälfte 
wiederum die Hybridform entwickelt, während die andere 
Pflanzen giebt, welche constant bleiben, und zu gleichen ‘ 
Theilen den dominirenden und den recessiven Charakter 
erhalten.“! 

Dieses Ergebniss ist durch ausgedehnte Untersuchungen an 
Erbsen von CoRREns und TSCHERMAR in jeder Hinsicht bestätigt 
worden. Handelt es sich um andere Pflanzen und andere Merkmale, 
so können die Versuche oft viel umständlicher werden, namentlich 
‘wenn künstliche Befruchtung und die Erziehung der Kinder jedes 
einzelnen Bastardes bis zur Blüthezeit erforderlich sind. 

Als eine Bestätigung des Mrnper’schen Gesetzes gebe ich jetzt 
ein Beispiel mit einer ganz anderen Pflanze und zwar mit Papaver 


! MEnDEL, a. 2.0. S. 16. 
115 


164 Die typischen Bastardspaltungen. 


somniferum. Ich kreuzte die beiden constanten Varietäten Mephisto 
und Danebrog, welche sich namentlich durch die Farbe der vier 
grossen Herzflecken am Grunde der Blumenblätter unterscheiden. 
Diese sind bei Mephisto schwarz, bei Danebrog weiss. Der letztere 
Name bezieht sich eben auf dieses weisse Kreuz auf rothem Grunde, 
welches an das dänische Feldzeichen erinnert.! Andere Differenz- 
punkte, wie die Höhe der Stengel und die Farbe des Laubes, sollen 
im Folgenden nicht berücksichtigt werden. Die erwähnte Blüthen- 
farbe ist in beiden Varietäten scharf geschieden und zeigte auch in 
den Bastarden keine Uebergänge, welche die Grenze undeutlich, und 
somit die Ergebnisse der Zählungen unsicher machen könnten. Ich 
gebe zunächst eine Uebersicht des Versuches in der Form eines 
Stammbaumes. 


Papaver somniferum. 
Kreuzung von Mephisto (dom.) mit Damnebrog (rec.). 


1396 Const. Dom. Hybriden Const. Rec. 
| mit 17—32°/, Rec. 


4 9 (10) 
| 
1895 77-5°/, Dom. 22.5°/, Rec. 
1894 Einförmig Dom. (69 Ex.) 
1893 Mephisto x Danebrog 


Die erste Generation war somit einförmig und mit dunklen Herz- 
flecken, in der zweiten traten, dem Gesetze MEnDEr’s entsprechend, die 
Danebrog-Typen wiederum auf, und zwar in etwa einem Viertel der 
Individuen. Diese zeigten sich nach Aussaat ihrer Samen als constant. 
Von den Hybriden mit dem dominirenden Typus wurden 13 mit ihrem 
eigenen Blüthenstaub befruchtet, und ein Drittel von diesen (4 Ex.) 
zeigte sich als constant, während zwei Drittel sich in ihren Nach- 
kommen in derselben Weise spalteten wie die ganze vorherige.Generation. 

Zu den Einzelheiten des Versuches übergehend, habe ich zunächst 
die Kreuzung zu besprechen. Beide Rassen sind alte Handels- 
varietäten und bei reiner Cultur völlig constant, wie mich vieljährige 
Aussaaten lehrten. Sie werden auch von Mor in seiner Monographie 


! Vırmorın’s illustrirte Blumengärtnerei. 3. Aufl. 1896. S. 60, woselbst 
das Danebrog auch abgebildet ist. 


Die dritte Generation der Monohybriden. 165 


== 


der cultivirten Papaver-Rassen erwähnt.! Der Freundlichkeit des 
Herrn Prof. J. W. Mort in Groningen verdanke ich die Zusendung 
einiger noch nicht geöffneter Blüthenknospen des Danebrogs, mit denen 
ich im Juli 1893 einige castrirte 'Blüthen des Mephisto befruchtete. 
Letztere Rasse hatte ich damals bereits seit mehreren Jahren in 
Cultur. Ich säte im Jahre 1894 nur von einer gekreuzten Frucht 
aus, und hatte aus deren Samen ein Beet von 69 Pflanzen, welche 
ausnahmslos mit dunklen Herzflecken blühten und auch sonst die 
Farbe und die Tracht des Mephisto hatten. Unter ihnen wurden 
einige in Pergaminbeuteln mit dem eigenen Blüthenstaub befruchtet, 
und von diesen wählte ich wiederum die zwei besten Pflanzen als 
Samenträger für die Aussaat von 1895 aus. Die zwei Beete trugen 
111 und 90 blühende Pflanzen, von denen 118 und 25 Danebrog waren, 
während die übrigen die dunklen Herzflecken des Mephisto hatten. 
Also 16 und 28, im Mittel 22-5°/, mit dem recessiven und 77-5 °/, 
mit dem dominirenden Merkmal, wie ja zu erwarten war. 

Auf diesen Beeten befruchtete ich einige Pflanzen in Pergamin- 
beuteln mit ihrem eigenen Blüthenstaub, und zwar aus äusseren 
Gründen 10 Danebrog und 13 dominirende, und säte im Frühling 1896 
die Samen jeder Mutter getrennt. Die Danebrog-Aussaaten trugen 
zusammen 1382 blühende Individuen, also pro Mutter im Mittel 138, 
aber wechselnd zwischen 70 und 300. Acht Mütter gaben eine völlig 
reine Nachkommenschaft; zwei aber gaben unter 72 und 144 Kindern 
je zwei Individuen mit dem dominirenden Merkmal (vermuthlich durch 
Fehler bei der Befruchtung). Diese Fehlerpflanzen wurden im nächsten. 
Jahre nach reiner Selbstbefruchtung geprüft und ergaben 77°/, domi- 
nirende und 23 °/, recessive Kinder. 

Die Beete der Kinder der dominirenden Mütter zeigten auf den 
ersten Blick zwei verschiedene Typen. Die einen waren rein, die 
anderen gemischt. Die ersteren waren vier an der Zahl und umfassten 
zusammen 472 blühende Pflanzen, alle vom Typus des Mephisto. Die 
übrigen neun enthielten etwa ein Viertel Danebrog und drei Viertel 
Mephisto, aber mit ziemlich wechselnden Zahlen, da die Aussaaten, 
des verfügbaren Raumes wegen, keine sehr grossen sein konnten. Im 
ganzen blühten 1453 Pflanzen, von denen 1095 mit dem dominirenden 
und 358 mit dem recessiven Merkmal, also 75-5 und 24.5°/,. Die 
Spaltung folgte also genau derselben Regel wie in der vorhergehenden 
Generation. Im einzelnen waren die Zahlen: 


" J..W. Moır, A. Fıer et W. Pyp, Rapport sur quelques eultures de Papa- 
veracees. 1894. S. 10. 


166 Die typischen Bastardspaltungen. 


Anzahl der Indiv. °/,Rec. Anzahl der Indiv. °/,Reec. 


181 ii 125 25 
93 19 267 25 
9% 20 131 27 

177 20 292 32 
90 21 


Die Danebrogs aus diesem Versuche ergaben sich noch durch vier 
weitere Grenerationen als constant, die Hybriden verfolgte ich noch 
durch ein Jahr, wie wir im nächsten Paragraphen sehen werden. 

Wenden wir jetzt die Zusammensetzung der dritten Generation 
zur Erklärung der zweiten an, so sehen wir, dass diese letztere aus 
22-5°/, constanter Danebrogs und aus 77-5°/, Mephisto-Pflanzen bestand, 
dass von den letzteren aber !/, constant und ?/, hybrid waren, indem 
die Hybriden dieser Generation sich genau so spalteten wie die 
Hybriden der vorhergehenden. Wir haben also in runden Zahlen, 
als Ergebniss unseres Versuches, für die zweite Generation: 

25%, 50%, 23.5 
Const. Dom. Hybrid. Const. Rec.! 


Die reciproke Kreuzung zu diesem Versuche habe ich ein Jahr 
früher in viel kleinerem Maassstabe ausgeführt. Sie ergab im Wesent- 
lichen dieselben Ergebnisse. Ich befruchtete im Sommer 1892 Dane- 
brog mit Mephisto, hatte im nächsten Jahre ein Beet mit Bastarden, 
welche sämmtlich dunkle Herzflecken hatten, und sorgte wiederum 
für Selbstbefruchtung. Die zweite Generation (187 Ex.) hatte 78°/, In- 
dividuen mit dunklen Herzflecken und 22°/, ohne solche. Aus diesen 
zeigten sich zwei Danebrogs (mit 110 und 128 Ex.) in der dritten 
Generation constant, während nur eine Pflanze mit dominirendem 
Merkmal geprüft wurde und sich als Bastard ergab, da sie unter 
140 Kindern 76 °/, Mephisto und 24 °/, Danebrog hatte. 


Eine später zu erwähnende Kreuzung (1893) zwischen Mephisto & 


und Schwan 2 (rec.) ergab in der ersten Generation Constanz des 
dominirenden Merkmales, in der zweiten Spaltung (70—78°/, dom.) 
und in der dritten aus einem dominirenden Exemplar wiederum 
reine Mephisto-Nachkommenschaft. Somit Rückkehr zum grossväter- 
lichen Typus. 


! Aus diesen Zahlen habe ich dann das Spaltungsgesetz zuerst abgeleitet, 
indem ich damals die Arbeit Menper’s noch nicht kannte. Vergl. Ber. d. d. bot. 
Ges. XVIII. S. 88. 


| ’ 


Die dritte Generation der Monohybriden. 167 


Lychnis vespertina glabra X L. vespertina. Diesen S. 157 erwähnten 
Versuch habe ich im Jahre 1895 noch durch eine weitere Generation 
fortgesetzt. Die unbehaarten Exemplare der zweiten Bastardgeneration 
ergaben sich bei gegenseitiger Befruchtung als constant, wie S. 161 
mitgetheilt wurde. Für die dominirenden hängt man bei der Wahl 
der Väter zu der Befruchtung der weiblichen Pflanze ganz vom Glück 
ab, indem man nicht wissen kann, ob man die dominirenden männ- 
lichen mit den dominirenden weiblichen und ebenso die Hybriden mit 
den Hybriden verbindet. Ich erhielt bei Aussaaten von 200—500 Keim- 
pflanzen 15—20 °/, mit dem recessiven und S0O—85 °/, mit dem domi- 
nirenden Charakter, hatte also wohl vorwiegend Hybriden für die 
Befruchtung ausgewählt. 

Sehr schöne Versuche über den Verlauf der Spaltungen in den 
aufeinander folgenden Generationen giebt CoRRENs für Erbsen. Sie 
bestätigen die von MENDEL gefundenen Gesetze durchaus. Ich führe 
die folgenden an:! 


I 


Bastard zwischen der grünen späten Erfurter Folgererbse mit 
grünem Keim (gr in der Tabelle und recessiv) und der purpurviolett- 
schotigen Kneifelerbse mit gelbem Keim (ge und dominirend). 


I. Generation 51 ge 
19 
ee ss 
I. Generation 619 ge 206 gr 
| (25 °/0) 
25 
7.(28°),) 18 11 
| | 
’ | — mt | 
III. Generation 251 ge 550 ge 195 gr 538 gr 
| | (262%) | 
| 18 
7 8(44°/,) gr 10 ge 14 10 
| | _—— | | 
IV. Generation 224 ge 216 ge 225 ge 70 gr 370 gr 307 gr 
(23-8 °/,) 
Fi 


Bastard zwischen der grünen späten Erfurter Folgererbse mit 
grünem Keim (recessiv gr) und der Bohnenerbse mit gelbem Keim 
(dominirend ge). 


1 C. Correns, Ber. d. d. bot. Ges. 1900. S. 162—163, 


168 Die typischen Bastardspaltungen. 


I. Generation 31 ge 
12 
II. Generation Träge Ta 
| (24-2%/,) 
21 >0 
7(83°/0) 14 | 
III. Generation 292 ge 462 ge 149 gr 670 gr 


(23 6 °/0) 


$ 9. Die späteren Generationen der Monohybriden. 


Die Nachkommen der constant gewordenen Typen der 
dritten Generation bleiben, so weit die Erfahrung reicht, 
in allen weiteren Generationen constant, während die Hy- 
briden sich in jeder Generation nach demselben Gesetze 
zu spalten fortfahren. Menper hat seine Erbsenculturen durch 
4—6 Generationen fortgesetzt, ohne eine Abweichung zu beobachten, 
und auch die Untersuchungen von ÜORRENS sowie die meinigen stimmen 
durchaus mit dieser Erfahrung überein. Auch die ältere Literatur 
enthält manche Thatsache, welche offenbar zu dieser Gruppe gehört. 
So fand z. B. bereits GÄRTNER (a. a. O. S. 303, 317 u. s. w.), dass 
die Farbe der Blüthen, wenn sie in der zweiten Bastardgeneration 
Spaltungen zeigt, in den folgenden Generationen sehr oft wieder 
constant wird. Auch in der Landwirthschaft kommen ähnliche Er- 
fahrungen vor, wie namentlich aus den diesbezüglichen zusammen- 
fassenden Arbeiten von TSCHERMAR hervorgeht.! Von hervorragender 
Wichtigkeit aber sind in dieser Beziehung die bereits mehrfach 
citirten Untersuchungen RımpAv’s, welcher seine Kreuzungsprodukte 
zwischen verschiedenen Getreidesorten in der Regel durch eine Anzahl 
von Generationen verfolgt hat. Doch werde ich diese im Einzelnen 
erst bei den Polyhybriden besprechen. 

Papaver somniferum Mephisto x Danebrog, Von dem im vorigen 
Paragraphen beschriebenen Versuch habe ich auch die vierte Gene- 
ration eultivirt. Ich musste dazu zunächst im Jahre 1897 die dritte 
wiederholen, da ich im vorigen Jahre keine künstlichen Befruchtungen 
gemacht hatte. Ich wählte Samen einer Mutter von 1895, welche im 


! Erıcn Tscnermar, Ueber Veredelung und Neuzüchtung landwirthschaftlicher 
und gärtnerischer Gewächse. Zeitschr. f. Naturwiss. Bd. 71, 1898 und Ueber 
Züchtung neuer Getreiderassen mittelst künstlicher Kreuzung. Zeitschr. f. d. landw. 
Versuchswesen in Oesterreich. 1901. 


Die späteren Generationen der Monohybriden. 169 


Sommer 1896 sich genau nach dem MEenpeEr’schen Gesetze gespaltet 
und somit 25°/, Danebrog hervorgebracht hatte, und befruchtete nur 
Exemplare mit dominirendem Merkmal. Diejenigen mit dem recessiven 
haben sich in einem anderen Zweige des Hauptversuches als constant 
erwiesen. Die durch künstliche Selbstbefruchtung gewonnenen Samen 
wurden von acht Pflanzen getrennt ausgesät, es zeigten sich darunter 
fünf in ihrer Nachkommenschaft constant, während drei sich spalteten. 
Die fünf ersteren Beete umfassten zusammen 472 blühende Pflanzen, 
die letzteren 90, 8S und 83, von denen die beiden ersteren 19 und 
22°/, Danebrog enthielten. Auf dem dritten Beete wurde das Ver- 
hältniss nicht näher ermittelt. 

Trotz des geringen Umfanges und dem aus diesem Grunde ziem- 
lich abweichenden Zahlenergebnisse beweist dieser Versuch doch, dass 
die Spaltung in der vierten Generation im Wesentlichen in derselben 
Weise verläuft wie in der dritten. 

Manche Erfahrungen lehren, dass die Spaltungen sich im Laufe 
‘der Jahre immer wiederholen können. So giebt es z. B. blaue Sorten 
des Leins, welche alljährlich einige wenige (etwa 1°/,) weiss blühende 
Pflanzen enthalten. Isolirt man diese, so zeigen sie sich in ihren 
Nachkommen constant; isoliert man aber die blauen, so giebt es dar- 
unter einige sich nach dem Mexper’schen Gesetze spaltende Bastarde, 
während die meisten eine rein blaue Nachkommenschaft geben, wie 
mich Versuche in den Jahren 1895—1897 lehrten. 

Der Umstand, dass die Bastarde häufig von der Mutterart mit 
dem dominirenden Merkmale äusserlich nicht unterschieden werden 
können, ist in den Gärtnereien sehr oft äusserst unbequem. Denn 
während die Varietäten mit recessivem Merkmale jeden zufällig bei- 
gemischten Bastard sofort erkennen lassen, und man solche somit all- 
jährlich beim Anfang der Blüthe ausrotten kann, so ist solches bei 
Formen mit dominirendem Charakter selbstverständlich meist unmög- 
lich. Hier muss man sich darauf beschränken, die recessiven Kinder 
der etwaigen Bastarde auszuschalten, die Bastarde selbst erkennt man 
nicht; ihre Samen gelangen somit in die Ernte, und bringen aus dieser 
theils neue Bastarde, theils andersfarbige Individuen hervor. Auf reine 
Samenproben kann man somit nicht rechnen, wie wir des Näheren in 
einem späteren Kapitel sehen werden. 

Auf der anderen Seite lehrt diese Thatsache, dass die Spaltungen 
sich unter diesen Umständen alljährlich fortsetzen. Ich habe diese 
Erfahrung in einer Cultur einer Unkrautpflanze wiederholt, und zwar 
in geringerem Umfange, um den Spaltungsvorgang um so klarer zu 
zeigen. Ich benutzte dazu: 


1 B Ne tı > upischen Bastardspaltungen. 


Solmmhen nigrum X een (Fig. 22, vergl. Ar S. . 158). Von 
letzterer Art fand ich im Jahre 1885 ein Exemplar, welches theil- 
weise von schwarzbeerigen Individuen befruchtet worden war, und mit 
dessen Samen ich meine Cultur anfıng. Ich gebe zunächst eine Ueber- 
sicht in der Form eines Stammbaumes (S. 171). 

Zu den Einzelheiten des Versuches übergehend, bemerke ich zu- 
nächst, dass nach meiner Erfahrung Solanum nigrum sich selbst ohne 
Hülfe befruchtet, und von Insecten nur sehr wenig besucht wird.! 
Auf gemischten Beeten von 
S. nigrum und 8. chlorocarpum 
kommen also bisweilen Kreu- 
zungen vor, welche aber keinen 
tiefgreifenden Einfluss auf die 
Ernte haben. Bis 1893 habe 
ich meine Pflanzen frei von 
den Insecten besuchen lassen; 
in diesem und dem folgenden 
Jahre habe ich sie aber einzeln 
während der Blüthe mit Per- 
gaminbeuteln umhüllt; da es 
mir daraufankam, am Schlusse 
des achtjährigen Versuches den 
Nachweis zu liefern, dass die 
Nachkommen der ursprüng- 
lichen Kreuzung noch dem- 
selben Spaltungsgesetze folgen. 
Fig. 22. Solanum nigrum chlorocarpum, die La: usa nn 
Varietät des schwarzen Nachtschattens mit Cultur fand ich in einem Ge- 

gelblich grünen Beeren. Ganze Pflanze. müsegarten als Unkraut und 
sammelte ihre Beeren getrennt 

von anderen. Aus den Samen hatte ich im Jahre 1889 nur 19 Pflanzen, 
von denen eine mit schwarzen Beeren, die übrigen mit grünen, im reifen 
Zustande. Die Samen der grünen gaben im nächsten ‚Jahre nur wieder 
solche, die Samen der schwarzbeerigen Pflanze von 1889 gaben nur 
zwei Keimlinge, von denen der eine seine Beeren schwarz, der andere 
aber grün reifte (1890). Seit diesem Jahre säte ich die Pflanzen im 
Gewächshaus und pflanzte sie nachher im Garten aus; es gelangen dann 
aus gleich grossen Samenproben weit mehr Samen zur Entwickelung. 

Während einiger Jahre säte ich nur Samen aus schwarzen Beeren, 


! Vergl. Hermann Mürer, Die Befruchtung der Blumen. 8. 275. 


Die späteren Generationen der Monohybriden. 171 


und erhielt alljährlich etwa ein Viertel Pflanzen mit grünen reifen 
Früchten. Im Sommer 1891 waren 24 Exemplare schwarz und 6 
grün, im Jahre 1892 24 schwarz und 14 grün; im folgenden Jahre 
12 schwarz und 5 grün. Im Jahre 1894 säte ich Samen von in 
Pergaminbeuteln der Selbstbefruchtung überlassenen Blüthen, und zwar 
jetzt von jedem Samenträger auf einem besonderen Beet. Zwei grün- 
beerige Mütter gaben 75 bezw. 13 Kinder, welche ihre Früchte 
reiften und dabei ausnahmslos die grüne Farbe behielten. Die Nach- 


Solanum nigrum x ehlorocarpum. 


Zusammensetzung der einzelnen Generationen in Procenten. 


Beeren: . Beeren: 
Schwarz Schwarz Grün Grün 
1895 100 17 23 
8. Generation 
nach isolirter Blüthe Bl: U nen 
1894 100 7 561 33 100 
7. Generation a ea 
nach isolirter Blüthe  - 2 a 
1893 z 70 30 
6. Generation | er 
1892 63 37 
5. Generation en 1] 
Er, 
1891 80 20 
4. Generation EB 
1890 1aBx® 1 Ex. 100 
3. Generation | ern ge rc 
VZ ee 
1839 5 95 
2. Generation ee 
1888 1 Ex. 
1. Generation 
bei freier Befruchtung 


kommen der Hybriden mit dem recessiven Merkmal ergaben sich so- 
mit in diesem Versuche als constant. Von drei schwarzbeerigen 
Pflanzen zeigten sich zwei gleichfalls constant, indem 169 bezw. 
171 Kinder Beeren reiften, welche ausnahmslos schwarz waren. Die 
dritte ergab sich als Hybride, von ihren 18 Kindern reiften 6 die 
Beeren grün und 12 schwarz, oder 33 bezw. 67 %,. 

Im Frühling 1895 setzte ich die Cultur fort, indem ich nur 
Samen der letztgenannten, also gespaltenen Cultur aussäte, und zwar 
nur von schwarzen Beeren und für jede Mutter besonders. Ein Theil 
dieser Pflanzen gab eine rein schwarzbeerige Nachkommenschaft 


172 Die typischen Bastardspaltungen. 


(193 Exemplare), ein anderer Theil spaltete sich und zwar erhielt ich 
935 fruchtreife Individuen, von denen 720 schwarze und 215 grüne 
Beeren trugen. Also 77 bezw. 23°/,, oder Zahlen, welche dem 
Mrxper’schen Gesetze entsprechen. Dass die früheren Zahlen mehr 
oder weniger stark abweichen, ist theilweise dem geringen Umfange 
der Culturen, theilweise der freien Blüthe zuzuschreiben. 
Hauptsache ist aber, dass am Schlusse der acht Versuchsjahre, 
nach Herstellung der erforderlichen Bedingungen, die Gültigkeit des 
Mexper’schen Gesetzes noch nachgewiesen werden kann. 


S 10. Die Ei- und Samenzellen der Monohybriden. 


Im Bastard liegen die beiden antagonistischen Eigenschaften als 
Anlagen neben einander. Im vegetativen Leben wird gewöhnlich nur 
die dominirende sichtbar, sei es auch mehr oder weniger abgeschwächt 
durch die recessive. Selten trennen sie sich in jener Periode, es ent- 
stehen dann die sogenannten partiellen Variationen, in denen in einem 
Theil einer Blüthe, auf einer Seite einer Frucht oder einer ganzen 
Traube, oder auf einem Zweige die recessiven Merkmale, die sonst am 
Bastard latent sind, mit Ausschluss der dominirenden sichtbar werden. 
So bildet z. B. in meinen Culturen Veronica longifolia (blau) x V. longi- 
folia alba bisweilen Trauben, welche auf der einen Seite weisse, auf 
der anderen aber blaue Blüthen tragen. 

Bei der Fortpflanzung aber trennen sich stets die bis dahin ver- 
bundenen antagonistischen Merkmale. In einem Theil der Nachkommen 
treten sie, wie wir gesehen haben, jedes für sich und rein auf, in 
einem anderen Theile derart gemischt, dass sie sich in späteren Gene- 
rationen wiederum trennen können. 

„Lous ces faits vont s’expliquer naturellement par la disjonction 
des deux essences sp6cifiques dans le pollen et les ovules de l’hybride“ 
sagt Naupin! in seiner berühmten Abhandlung über die Bastardirung 
bei den Pflanzen, und begründet damit dieselbe Lehre, welche zu der- 
selben Zeit auch von MENnDEL aufgestellt wurde. Die beiden ge- 
trennten specifischen Eigenthümlichkeiten verbinden sich bei der Be- 
fruchtung dann entweder so, dass Gleiches sich mit Gleichem ver- 
einigt, oder so, dass die Bastardmischung dabei von Neuem entsteht. . 
Aber während Naupın die Erklärung nur in ihren grossen Zügen an- 
giebt, hat MExDEr sie zahlenmässig ausgearbeitet und gezeigt, wie sie 


! Cu. Naupın, Nowvelles recherches sur U’ Hybridite dans les Vegetaux. Nouv. 
Arch. du Museum. 1865 (1869). S. 150, 153 und 103. 


Die Bi- und Samenzellen der Monohybriden. 173 


im Stande ist, auch die numerischen Verhältnisse in den verschiedenen 
Bastardgenerationen berechnen zu lassen. ! 

Naupın sprach von den essences sp6cifiques. Aber thatsäch- 
lich trennen sich diese nicht als solche von einander, wenigstens nicht 
in den von ihm studirten Beispielen und ebenso nicht in der Mehr- 
zahl der Fälle. Es war ihm daher unmöglich, tiefer in das Wesen 
der Spaltungsvorgänge einzudringen. MENDEL löste diesen Species- 
Charakter, so weit wie möglich in seine einzelnen Componenten 
auf, und lehrte wie diese bestimmten Gesetzen folgen, und wie aus 
ihrer Verbindung die complicirteren Vorgänge sich dennoch in ein- 
facher und klarer Weise berechnen lassen. Er stellte dabei, den An- 
forderungen der exacten Wissenschaft entsprechend, die einfachsten 
Fälle in den Vordergrund, und behandelte erst nach deren Erörterung 
die zusammengesetzten. Daher bilden für ihn die „Hybriden je 
zweier differirender Merkmale“, welche wir jetzt Monohybriden 
nennen, den Ausgangspunkt seiner Studien (MExDEL, S. 16). 

Diese Zerlegung des Art-Charakters in seine einzelnen 
Factoren, unsere jetzigen elementaren Eigenschaften, und der Nach- 


weis, wie durch ihre Verbindung in einem bestimmten Falle 


die anscheinend regellose sogenannte Variabilität der 


Bastarde sich auf einfache Gesetze zurückführen lässt, ist 
wohl das Hauptverdienst von Mexper’s bewunderungswürdiger Arbeit. | 
Und ist das Prinzip hier erst bewiesen, so wird seine Gültigkeit für | 


die übrigen, complieirteren, von MENDEL nicht oder erst nachträglich 


studirten Eigenschaften offenbar wenigstens in hohem Grade wahr- | 


scheinlich, wie es sich denn auch bereits jetzt in mehreren, unten zu 
besprechenden, abweichenden Fällen bestätigt hat. 

Kehren wir aber zu den Thatsachen zurück, und versuchen wir 
es, die beobachteten Erscheinungen aus dem Spaltungsgesetze abzu- 
leiten. 

Die Pollenkörner und Eizellen der Menpen’schen Mono- 
hybriden sind keine Bastarde, sondern gehören rein dem’einen oder 
dem anderen der beiden elterlichen Typen an. Wir nehmen dabei nach 
Mexprr’s Vorgang einstweilen an, dass die Spaltung eine vollständige 
sei, dass keine ungespaltenen Reste übrig bleiben und dass somit 


! Im Anschluss an Naupm’s Satz und Menper’s Berechnung kann man 
also das fragliche Gesetz „loi de disjonetion“ oder Spaltungsgesetz bezw. Spaltungs- 
regel nennen. Vergl. Comptes rendus, Paris, 26. mars 1900, Ber. d. d. bot. Ges. 
XVII. Heft 3, ferner Wernvon über MEnDEr’s laws, Biometrika I, II, und Correns, 
Bot. Centralblatt. Bd. 84, S. 97. 


174 Die typischen Bastardspaltungen. 


die eine Hälfte der Ei- bezw. Samenzellen dem einen Elter, 
die andere Hälfte aber dem anderen gleich wird. 
Man bekommt also bei der Bildung der Sexualzellen des Bastards: 
50°/, Dom. + 50°/, Rec. Pollenkörner und 
50°/, Dom. + 50°/, Rec. Eizellen. 


Die Aussicht der letzteren auf Befruchtung ist offenbar für die 
beiden Sorten von Pollenkörnern die gleiche, und die Befruchtung wird 
somit die folgenden Verbindungen geben: 


Eizellen. Pollenkörner. 
RO RO 
25°/, Dom. + 25°/, Dom. 
25°/, Dom. + 25°/, Rec. 
25°/, Rec. + 25°/, Dom. 
25°/, Rec. + 25°/, Rec. 


Die befruchteten Eizellen sind somit: 
25°/, Dom. + 50°, (Dom + Rec.) + 25°), Rec. 


Oder mit anderen Worten: Bei Selbstbefruchtung, sei es isolirt, 
sei es in Gruppen, liefern diese Bastarde in der zweiten Generation: 


25°/, Exemplare mit der Eigenschaft des Vaters, 
250, = a = der Mutter, 
50°), & welche wiederum Bastarde sind. 


Wendet man hierauf den Satz an, dass die Bastarde das domi- 
nirende Merkmal tragen, so hat man für die Zusammensetzung der 
zweiten Generation: 

75°/, Exemplare mit dem dominirenden Merkmal, 
20: x »  »  Tecessiven 5 


Dieses ist aber genau die Zusammensetzung wie sie von MENDEL, 
ÜORRENS, TSCHERMAK und Anderen erhalten wurde, und wie wir sie 
in der Tabelle auf S. 151 für eine Reihe von Fällen bestätigt fanden. 

Die Erklärung der dritten Generation ergiebt sich in ebenso ein- 
facher Weise. Die Bastardnachkommen mit dem recessiven Merkmal 
besitzen nur diese Eigenschaft; sie müssen also in allen ihren weiteren 
Generationen ebenso constant sein wie die elterliche Art. Dasselbe 
gilt offenbar von jenen anderen 25°/,, welche vom Vater und von der 
Mutter nur die dominirende Eigenschaft geerbt haben. Auch ihre 
Kinder und Grosskinder müssen in dieser Beziehung constant sein. 
Die übrigen 50°/, sind wiederum Bastarde, indem sie durch die Ver- 
bindung reiner Sexualzellen entstanden sind. Und daraus folgt sofort, 


Die Arena der Monohg ybriden mit ihren Eltern. 115 


dass sie En in ‚jeder Hinsicht genau so verhalten), müssen, wie (Ubi 
Bastarde der ersten Generation, und sich also bei der ne 
in derselben Weise spalten werden, wie diese. 

In jeder Generation findet also eine neue Kreuzung 
statt (MEnDEı, S. 30). Und es liegt kein Grund vor, weshalb dies nicht 
durch eine unbeschränkte Reihe von Geschlechtern in derselben Weise 
fortdauern könnte. MENDEL fand es für die 4.—6. Generation bei 
Erbsen bestätigt, und bei Solanum nigrum x chlorocarpum war die Sach- 
lage im achten Geschlechte noch durchaus unverändert. 

Ich würde nur das in den vorigen Paragraphen Gesagte wieder- 
holen, wenn ich im Einzelnen die Uebereinstimmung des Spaltungs- 
gesetzes mit den Erfahrungen nachweisen wollte. Abweichungen 
kommen nicht vor, wenn man im Auge behält, dass das Gesetz eben 
nur für eine bestimmte Gruppe von Monohybriden gilt. 


S 11. Die Kreuzung der Monohybriden mit ihren Eltern. 


Es giebt eine einfache Methode, aus dem Spaltungsgesetze einen 
Versuch abzuleiten, der als ein experimenteller Beweis für seine 
Richtigkeit gelten kann. Diese Methode liest in der Kreuzung der 
Mexper’schen Monohybriden mit ihren Eltern. Die Eizellen bezw. 
Pollenkörner des Bastards enthalten zur Hälfte das dominirende, zur 
Hälfte das recessive Merkmal. Ihre Verbindung mit den beiden reinen 
Arten wird somit geben: 


Fälle A B C D 
Eizellen Pollen Keimlinge Tracht 
50 °/, Dom. Dom. 50°/, Dom. N 
. IK 0], Rec. Dom. 50°/, Hybr. Die 
I I Dom. Rec. 50°), Hybr. N !/, Dom. 
E50, Rec. Rec. ee Rec. fee: 
Dom. 50°, Dom. 50°, Dom. 
us 50°/, Rec. 50°), Hybr. Hm, 
IV B 50°/, Dom. aa Hybr. N \/, Dom. 
Rec. 50°/, Rec. 50°), Rec. 1/, Ree. 


Diese Uebersicht (Spalte C) lehrt, dass bei der Kreuzung eines 
Bastards mit einer der elterlichen Sorten stets die Hälfte der Kinder 
wiederum Hybriden sein wird, während die andere Hälfte das Merkmal 
des neuen Elters rein besitzen muss. Und in Bezug auf die äusserlich 
sichtbaren Kennzeichen findet man, dass bei der geschlechtlichen Ver- 


176 Die typischen Bastardspaltungen. 


bindung eines Bastards mit dem dominirenden Elter alle Kinder das- 
selbe Merkmal haben, und zwar das dominirende. Bei der Vereini- 
gung mit dem recessiven Elter aber sind die Kinder zur Hälfte 
Bastarde mit dem dominirenden Merkmal, zur Hälfte aber reine, in 
ihren Nachkommen constante Individuen des recessiven Typus. 

Das schönste Beispiel für diesen Versuch bildet wiederum der 
Mais, weil man an seinen Kolben unmittelbar das numerische Ver- 


IS 


“\ 
« 

-#} 
5 


K 
’ 


IE 
Wa 
. 


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ET 


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2; 


Fig. 23. Zea Mays x saccharata, befruchtet mit dem Pollen der Z. M. saccharatas 
und demzufolge zur Hälfte Zuckersamen, zur Hälfte Stärkesamen tragend. 


hältnis der beiden antagonistischen Merkmale in den Samen vor- 
zeigen kann (Fig. 23). Im Anschluss an den oben beschriebenen Ver- 
such pflanzte ich im Sommer 1900 meine Bastarde in abwechselnden 
Reihen mit dem reinen Zuckermais, und schnitt von ersteren die 
Rispen vor der Blüthe weg. Die Bastardkolben konnten somit nur 
vom Zuckermais befruchtet werden. Ich zählte die Körner auf acht 
Kolben und fand: 


Die Kreuzung der an mit en Aler n. 1 


Kolben. Anzahl der Körner. °/, Stärkesamen. Kolben. Anzahl. °/, Dom. 


T. 299 48 V. 280 50 
M. 270 49 VE. 224 50 
III. 199 50 VL. 231 52 
DV: 431 30 VII. 222 5)5) 


Im Mittel 50-5°/,. 


In einem zweiten Versuche liess ich den Blüthenstaub der Bastarde 
auf Kolben des reinen Zuckermais fallen (1899). Es ergab sich, dass 
dadurch ebenso gut Xenien, d.h. hier also Stärkesamen entstehen, 
als bei der Befruchtung mit einer reinen stärkehaltigen Varietät. So- 
mit enthält dieser Bastardpollen reine, zum Typus der Art zurück- 
gekehrte Körner. 

In ausführlicher Weise hat CoRRENns die Kreuzung von Mais- 
bastarden mit ihren Eltern vorgenommen. Aus seiner Tabelle führe 
ich die folgenden Zahlen an:! 

In2/s; 
(Zea Mays rubra X dulcis) X duleis 55-8 runzelig, 44-3 glatt, 
(Dieselbe Verb. 2. Gen.) X duleis 49-9 2 ala, 
(Z. M. vulgata X coeruleoduleis) x duleis 51-4 ; 48.6 ,„ 
n; Be AN 48-4 blau, 51-6 nicht blau, 
A ri A 53-2 gelb, 46-8 weiss. 


Bei Erbsen fand TscHERMAR das Gesetz bestätigt: 
Samen gelb x grün x grün 570/, gelb 43°), grün.? 


Ebenso in anderen Verbindungen. TSCHERMAR hat ferner Blüthen 
der reinen Erbsensorten mit Mischlingspollen bestäubt. „Hatten erstere 
ein recessives Samenmerkmal, so trat stets Mischsamigkeit ein, hatten 
sie aber ein dominirendes Merkmal, so ändert diese Bestäubung nichts 
an der typischen Gleichsamigkeit mit dominirendem Merkmal.“ Von 
den vier, oben unterschiedenen Fällen finden sich hier also die beiden 
letzteren bewiesen.? Schliesslich hat derselbe Forscher auch den 
vierten Fall geprüft und bestätigt gefunden, und dadurch den Beweis 
allseitig und vollständig gemacht. * 

Durch die angeführten und eine Reihe weiterer Versuche ist so- 
mit von CORRENS und TSCHERMAK die Richtigkeit der oben aus dem 


*C. Correns, Bibl. Bot., a. a. O. $. 101—126 und Ber. d. d. bot. Ges. 
1900. 8. 165. i 
?” E. TscHerwar, Künstliche Kreuzung. 8. 91. Ber.d.d. bot. Ges. 1900. 8. 237. 
® E. Tscuernarx, a. a. O. S. 237. 
* Eine ausführliche Uebersicht findet man in „Künstliche Kreuzung“, 8.77—83. 
DE Vrıes, Mutation. II. 12 


178 Die typischen Bastardspaltungen. 


jeder Richtung bewiesen, und es erübrigt nur noch, die Gültigkeit in 
einer Reihe weiterer Fälle zu prüfen. Ich fasse diese zunächst in einer 
Uebersicht zusammen. 

A. Dominirend 2 x Bastard Z. 
Linaria vulgaris X (L. vulgaris X perlutescens) 100°/, Dom. 


B. Recessiv 2 x Bastard Z. 
Papaver somnif. Danebrog x (Schwan x Mephisto) 54°/, Dom. 46°/, Rec. 


„ ”„ „ x ( 2) x „ ) 43 % „ >7 CM „ 
C. Bastard 2 x Recessiv d. 

(Clarkia pulchella x alba) x alba 51°/, Dom. 40°/, Rec. 
(Lyehnis diurna x Preslü) X Preslü Er 
(Oenothera Lam. x brevistylis) X brevistylis 45%, m. 202 
(Oenothera Lam. x brevisiylis) x brevistylis 50°). „ a0 
(Silena Armeria x alba) x alba 520/ „AB en 
(Papaver nudicaule x album) x album 550|,. ». AD 


Die Mehrzahl dieser Versuche schloss sich an die vorher be- 
schriebenen an. Ueber sie ist Folgendes nachzutragen: 

1. Linaria vulgaris X (L. vulgaris X perlutescens). Im Sommer 1897 
castrirte ich drei Blüthen mit safrangelbem Gaumen reiner Abstammung 
und befruchtete sie mit dem Pollen des oben (S. 153) beschriebenen 
Bastardes. Ich erhielt aus den Samen 17 blühende Pflanzen, deren 
(saumen alle orangefarbig, also mit dem dominirenden Merkmal waren. 

2. Papaver somniferum Danebrog x (Schwan x Mephisto). Unter 
den Kindern eines 1893 zufällig erhaltenen Bastards von Papaver 
somniferum nanum album plenum Schwan und P. s. Mephisto kreuzte 
ich im Jahre 1894 eins wiederum mit dem Schwan und cultivirte die 
Nachkommen 1895 und 1897 bei Selbstbefruchtung. Mit dem Blüthen- 
staub zweier solcher Bastarde mit dem Mephisto-Merkmal belegte ich 
dann im Sommer 1897 die Narben castrirter Blüthen des reinen 
Danebrog. Aus den so erhaltenen Samen gab die eine Cultur auf 
105 Individuen 54°/, Mephisto und 46°/, Danebrog, die andere aber 
auf 73 blühenden Pflanzen 43°/, Mephisto und 57°/, Danebrog. 

3. (Clarkia pulchella X alba) x alba. Im Sommer 1895 hatte ich 
cine rothblühende Bastardpflanze, welche die einzige in einem Beete 
der weissblühenden, constanten Varietät war.. Ich erntete ihre Samen 
besonders, und erhielt (1896) 109 blühende Kinder. Von diesen 
blühten 51°/, roth und 49°/, weiss. 


Die Kreuzung der Monohybriden mit ihren Eltern. IurS) 


4. (Lychnis diurna X Preslii) x Preslü. Letztere ist die unbe- 
haarte Form der gewöhnlichen L. diurna, und wurde von SEKERA um 
das Jahr 1842 in der Nähe von Münchengrätz im wilden Zustande 
gefunden.! Sie wächst dort auch jetzt noch und wurde mir von dort 
durch Herrn Dr. B. NEmEG zugesandt. Sie vermehrt sich in unserem 
Garten durch Samen völlig rein. Im Jahre 1900 erwuchsen aus 
durch Tausch erhaltenen Samen theilweise reine Pflanzen von Zychnis 
Preslii, theilweise behaarte Bastarde dieser Art mit L. diurna. Ich 
pflanzte einen weiblichen Bastard und einen männlichen Preshi an 
einer isolirten Stelle neben einander, und erntete im Juni 1901 die 
durch letztere Pflanze befruchteten Samen des Bastardes. Sie wurden 
sofort ausgesät und konnten im August gezählt werden. Ich fand 
auf 315 Pflanzen 166 unbehaarte und 149 behaarte, oder 53 und 
47°),. 

5. (Oenothera Lamarckiana X brevistylis) X brevistylis. (Vergleiche 
S. 157.) Von den oben erwähnten Bastarden Lam. X brevistylis wurden 
im Sommer 1894 einige nach Castrirung mit dem Staub der O. bre- 
vistylis belegt. Aus den Samen erhielt ich im nächsten Jahre 
85 blühende Pflanzen, von denen 38 die Merkmale der Lamarckiana 
hatten und 47 brevistyl waren. Also 45°/, Dom. und 55°/, Rec. Im 
Jahre 1594 befruchtete ich auch einige Bastarde mit ihrem eigenen 
Pollen, säte die Samen im Frühling 1897 und befruchtete einen Theil 
der Bastarde dieser Generation nach Castrirung mit dem Staub der 
O. brevistylis. Von vier Müttern erhielt ich 256 blühende Kinder, von 
denen genau die eine Hälfte lang- und die andere kurzgrifflig waren. 
Für jede Mutter besonders bestimmt waren die Procentzahlen der 
Recessiven 40, 52, 53 und 56°/.. 

Zum dritten Male habe ich denselben Versuch 1899 ausgeführt, 
und erhielt von drei Müttern 257, 167, 167 und 162 blühende Kinder, 
von denen 51, 52, 56 und 57°/, den recessiven Charakter hatten. In 
solchen Versuchen kann man beim Castriren die Bastarde nicht von 
den constanten Dominanten unterscheiden, diese gaben aber bei der 
Befruchtung mit kurzgriffeligem Staub, wie zu erwarten war, nur domi- 
nirende Individuen, und waren daran also, wenn auch in etwas um- 
ständlicher Weise, zu erkennen. 

6. (Silena Armeria X alba) x alba. Zwei roth blühende Bastarde 
wuchsen im Sommer 1895 in einem Beete der weissen Varietät und 
wurden von dieser befruchtet. Ihre Samen erntete und säte ich ge- 
trennt und hatte im Sommer 1896 331 und 963 blühende Kinder, 


! Loros, III, S. 133. Oesterr. bot. Wochenblatt. 1854. 8.197, 
12= 


180 Die typischen Bastardspaltungen. 


und zwar 47 und 49°/, mit dem recessiven und 53 und 51°/, mit 
dem dominirenden Charakter. 

T. (Papaver nudicaule (orange X weiss) x weiss. Im Jahre 1897 
stand eine weiss blühende Pflanze mitten zwischen normalen orangenen 
und wurde von diesen befruchtet. Unter ihren Kindern wählte ich (1898) 
ein orange blühendes aus, welches also ein Bastard war, castrirte es 
und befruchtete es in einem Pergaminbeutel mit dem Staub der weissen 
Varietät. Die Ernte war gering, und gab im nächsten Jahre nur 
103 blühende Exemplare, von denen 57 orange und 46 weiss blühten. 
Also 55°/, mit dem dominirenden und 45°/, mit dem recessiven Merkmal. 


$ 12. Die Dihybriden. 


Die Bastarde, in welchen zwei differirende Merkmale, oder nach 
der neueren Bezeichnungsweise zwei Merkmalspaare verbunden sind, 
nennen wir Dihybriden. 

Es ist klar, dass das Studium der Monohybriden nur die Gesetze 
kennen lehrt, welche das Verhalten der einzelnen Merkmale bei den 
Kreuzungen beherrschen. Ob die verschiedenen Eigenthümlichkeiten 
dabei von einander unabhängig sind, oder sich gegenseitig mehr oder 
weniger beeinflussen, oder vielleicht gelegentlich sich ganz verkoppelt 
zeigen — diese Frage kann nur an Di-Polyhybriden beantwortet werden. 

Es gilt hier somit, wie TSCHERMAK es formulirt hat, die Frage 
der selbstständigen Werthigkeit bezw. der einfachen Combination der 
Merkmale. Denn sind die Eigenschaften von einander unabhängig, 
so wird ihre Verbindung in den Nachkommen der Bastarde nach den 
Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung geschehen müssen. 

Bei der Behandlung der Dihybriden hat man somit zwei Punkte 
in’s Auge zu fassen: 

1. den Nachweis, dass jedes der Merkmalspaare für sich den 
Spaltungsgesetzen der Monohybriden folgt; 

2. die Entscheidung, ob ihre Verbindung nach den Regeln ein- 
facher Combination, oder unter dem Einflusse gegenseitiger Ver- 
koppelung vor sich geht. 

Ich schicke zunächst den klassischen Dihybriden-Versuch MENDEL’s 
voran. 

Er befruchtete eine Erbsensorte mit gelben Cotylen und Stärke- 
gehalt mit einer Zuckersorte mit grünen Cotylen. Nach den Mono- 
hybriden-Versuchen sind der Stärkegehalt, welcher die runde Form 
bedingt, sowie die gelben Cotylen dominirend, die Zuckererbse mit- 
runzeliger oder kantiger Form, sowie die grünen Cotylen aber 


Die Dihybriden. 181 


recessiv. Wir deuten die beiden ersteren durch R und @e (rund und 
gelb), die beiden letzteren durch X und Gr (kantig und grün) an, 
und erwarten, dass die Hybriden die dominirenden Merkmale R und 
Ge zeigen und sich in ihren Nachkommen spalten werden. 

Die Bastarde hatten nun thatsächlich alle nur runde und gelbe 
Samen, also R Ge. Diese Samen gaben 15 Pflanzen, welche zusammen 
556 Erbsen brachten. Die Merkmale der Cotylen sind offenbar solche 
der neu heranwachsenden Generation, also hier der zweiten. Von 
ihnen waren Br, 

315 R Ge (rund und gelb, oder Dom. + Dom.) 56-5 

108 K Gr (rund und grün, oder Dom. + Rec.) 19-5 

101 K Ge (kantig und gelb, oder Rec. + Dom.) 18-2 

32 K Gr (kantig und grün, oder Rec. + Rec.) 5-8 
Summa 556 


Von diesen vier Gruppen war zu erwarten, dass die letztere, 
welche nur recessive Merkmale enthielt, sich in ihren Nachkommen 
constant zeigen würde. MExDEL fand dieses bestätigt, indem er von 
den 32 Keimen 30 zur Fruchtreife erzog. 

In den übrigen Gruppen war gleichfalls zu erwarten, dass die 
recessiven Merkmale sich nicht mehr spalten würden. Es musste 
aber untersucht werden, wie viele von den dominirenden in jeder 
Abtheilung constant, und wie viele spaltungsfähig, also wiederum 
hybrid sein würden. Zu diesem Zwecke wurden sämmtliche Erbsen 
ausgesät. Einige wenige keimten nicht, oder starben vor der Frucht- 
reife. Die übrigen 528 Exemplare trugen eine mehr oder weniger 
reiche Ernte, welche für jede Pflanze in den 4 Gruppen der zweiten 
Generation getrennt gesammelt und ausgezählt wurde. Die Zählungen 
ergaben die folgenden Resultate: 


Die neuen Pflanzen trugen Aus den Samen der vier Gruppen 
Samen mit: der zweiten Generation: 
A. Alle Samen unter sich gleich RGe RGr KGe KGr Summe In ?/, 
R Ge 38 —_ — — 38 T-2 
RGr — 35 — — 35 6-6 
K Ge — — 28 — 28 5-83 
K Ge —_ — — 30 30 5-7 
B. ZweierleiSamen auf jeder Pflanze 
RGe und RGr 65 -- u — 65 12-3 
KGe und K Gr — _ 67 — 67 . 12-7 
R@Ge und K Ge 60 —_ — = 60 11-4 
RGr und KGr — 67 — — 67 12-7 
C. Viererlei Samen aufjeder Pflanze 
RGe+RGr+KGe+KGr 13 — == 138 26-1 


301 102 95 30 528 


182 Die (nischen Bastardspaltungen. 


er vier ersten Bellen beziehen sich offenbar = constante Ver- 
bindungen, die vier folgenden umfassen Pflanzen, in denen ein Merkmal 
constant und das andere hybrid war, während die letzte Zeile die 
Individuen angiebt, in denen beide Merkmale hybrid waren. Es kommen 
somit alle denkbaren Combinationen vor. 

Wir müssen aber noch einen Schritt weiter gehen und uns die 
Frage vorlegen, ob diese Combinationen auch in den Verhältniszahlen 
gefunden wurden, welche den für die Monohybriden entwickelten Ge- 
setzen, und zwar unter völliger gegenseitiger Unabhängigkeit der 
beiden Merkmalspaare, entsprechen. 

Wenden wir somit die oben dargeleste Betrachtungsweise auf 
diesen Fall an, so gaben die Bastarde bei der Production ihrer 
Sexualzellen die Merkmale R, K, @, Gr in gleichen Verhältnissen, und 
bei der Befruchtung somit R Ge, R@Gr, K Ge und K Gr gleichfalls in 
gleichen Verhältnissen. Berechnet man daraus die möglichen Com- 
binationen, so findet man: 

Gefunden Verhält- Sichtbare Merkmale 


Berechnet SR niss ind. vor. Generation 
BAGGER 1 RGel 
Ba. . ht 6-6 1 RGrl 
1 K Ge 5-3 1 KGel 
1 KGr 5-7 1 K@Grl 
ner ee 2 RGe 2 
PEBGer- ER. GW, 0 ee ee 2 KGe2 
2 RGe+KGe 11-4 2 RGe2 
2RGr+KGr 12-7 2 RGr 2 
ee ee 26-1 4 RGe 4 


Aus dieser Zusammenfassung geht hervor, dass die Ueberein- 
stimmung zwischen den berechneten und den beobachteten Verhält- 
nissen eine genügende ist. Die beiden Merkmalspaare folgen somit 
den Gesetzen der Monohybriden und verhalten sich dabei von ein- 
ander unabhängig. 


! Man erhält dasselbe Resultat, wenn man die Combinationsreihe(A +2Aa + a) 
(B + 2Bb + b) entwickelt, wo A = Rund, B = Gelb, a = kantig und b = Grün 
zu setzen ist: 

AB+Ab+aB+ab+2ABb + 2aBb + 2AaB + 2Aab + 4AaBb. 

1 1 1 1 2 2 2 2 4 
Die Zahlen unterhalb der entwickelten Reihe sind die abgerundeten Verhältniss- 
zahlen der obigen empirischen Tabelle, und weisen auf den ersten Blick die 
Uebereinstimmung nach. 


Die Dihybriden. 155 


In der letzten Spalte dieser Zusammenfassug habe ich rückwärts 
aus der dritten Generation die Zusammensetzung der zweiten be- 
rechnet, ausgehend von der Erfahrung, dass in dieser von den hybriden 
Merkmalspaaren nur das dominirende Merkmal sichtbar wird. Diese 
Spalte ergiebt somit für die zweite Generation: 


Snaı al En N ER 
Rund und gelb ) 56-25 1 6) 
Rund und grün 3 18-75 1 2 
Kantig und gelb 3 18-75 1 2 
Kantig und grün 1 6-25 1 0 


Stellen wir diese Zahlen mit denen von S. 181 zusammen, so 
finden wir eine völlige Uebereinstimmung. 


Berechnet Gefunden 


- 


Dom. + Dom. 56-25 56-5 
Dom. + Rec. 18-75 19-5 
Rec. + Dom. 18-75 18-2 
Rec. + Rec. 6-25 5-8 


Diese Zahlen gestatten somit eine Vergleichung in der zweiten 
Generation.! Offenbar ist diese eine weniger vollständige wie die- 
jenige in dem dritten Geschlecht. Wo es sich nicht um Merk- 
male handelt, welche an den Samen sichtbar sind, sondern die Oultur 
der dritten Generation selbst erforderlich ist, diese aber aus äusseren 
Gründen in Rücksicht auf ihren grossen Umfang sich nicht ausführen 
lässt, wird man sich auf diese Vergleichung zu beschränken haben. 
Solche Versuche können aber dazu dienen, die Gültigkeit des Gesetzes 
auch für andere Fälle zu beweisen. 

Die ausführlichen Untersuchungen von ÜORRENS und TSCHERMAK 
haben für die verschiedenen Merkmale der Erbsen die Darlegungen 
Menper’s in sehr wichtiger Weise bestätigt und erweitert, doch würde 
es zu weit führen, darauf hier im Einzelnen einzugehen. Ich komme 
somit sofort zu den Versuchen mit anderen Arten. 

Datura Tatula x D. inermis. Die erstere Art hat blaue Blüthen 
und gedornte Früchte: beide Merkmale sind dominirend; die D. iner- 
mis, oder D. Stramonium inermis, welche vielleicht mit D. Bertolonüi 
Parr. oder mit D. laevis L. f. identisch ist, hat weisse Blumen und 


! Vergl. ferner den Schluss dieses Paragraphen. 


154 Die typischen Bastardspaltungen. 


dornlose Früchte. Beide Typen sind von vielen Forschern gekreuzt 
worden; ihre Bastarde sind blaublüthig und dornfrüchtig und spalten 
sich in Bezug auf beide Merkmale in ihren Nachkommen; auch be- 
merkte Naupın, dass unter diesen mehr Individuen zu der Tatula als 
zu der laevis zurückkehren. Zahlenangaben fehlen aber. 

Ich führte im Sommer 1897 die beiden einander entgegengesetzten 
Kreuzungen aus und cultivirte die Bastarde im nächsten Jahre. Von 
der Verbindung Tatula 2 x inermis Sg hatte ich 300 Keimpflanzen, alle 
mit dem dunkelvioletten Hypocotyl der Mutter. Nur 28 Exemplare 
liess ich blühen, sie brachten 350 Blüthen und Früchte, die ersteren 
blau, die letzteren ausnahmslos allseitig bedornt. Vier Früchte erntete 
ich, nachdem ich die Blüthen in Pergaminbeuteln mit ihrem eigenen 
Pollen befruchtet hatte. Die reciproke Kreuzung gab gleichfalls etwa 
300 Keimlinge, von denen 35 blühten und zusammen 380 Früchte 
trugen. Alle hatten die dominirenden Merkmale wie im anderen 
Versuch. 

Die dritte Generation, aus einer einzigen Frucht der zweiten, 
gab 272 Keimpflanzen, von denen 196 dunkelviolett und 76,blassgrün 
waren. Also 72°/, mit dem dominirenden und 28°/, mit dem 
recessiven Merkmal. Es starben 22 Exemplare, die übrigen gelangten 
zur Blüthe und zur Fruchtbildung. Von diesen trugen 182 Pflanzen 
Dornen und 68 kahle Früchte, oder 73°/, mit dem dominirenden und 
27 °/, mit dem recessiven Merkmal. Beide Merkmalspaare folgen 
also dem Monohybriden-Gesetze. 

Die Verbindung war die folgende: 


Ex. En Berechnet 
Blaue Blüthen, Früchte mit Dornen 128 51 56-25 
” > a ohne „ 47 19 7 18-8 
Weisse „ 4 mit Pe 54 22 18-75 
" E: " ohne „ 21 6) 6-25 


Summa 250 


Die berechneten Zahlen sind die S. 183 ermittelten. Die Ueber- 
einstimmung ist eine ausreichende, um die gegenseitige Unabhängig- 
keit der beiden Merkmalspaare zu beweisen. 

Lychnis vespertina glabra x L. diurna. Die erstere Sorte ist 
unbehaart und weissblüthig (beides recessiv), die letztere behaart und 
rothblüthig. Die Kreuzung fand 1892 statt, die Bastarde sind behaart 
und rothblüthig. Die zweite Generation war allerdings zu wenig 
umfangreich, um genaue Zahlen zu ergeben, da nur 158 Exemplare 
blühten. Sie hatte die folgende Zusammenstellung (1894): 


Die Dihybriden. 185 


Exemplare in Berechnet 
Behaart, rothblüthig 70 44 56-25 
5 weissblüthig 23 14 18-75 
Unbehaart, rothblüthig 46 23 18-75 
a weissblüthig 13 12 6-25 


Lychnis vespertina glabra X diurna. Dieselbe Kreuzung wie im 
vorhergehenden Versuche habe ich im Jahre 1899 ausgeführt, einerseits, 
um die vorwiegend ein- oder mehrjährige Lebensdauer, andererseits, 
um der Bau der Früchte in die Untersuchung herein zu ziehen. 
Da ich über den letzteren im nächsten Paragraphen berichten werde, 
berücksichtige ich hier nur die erstere, in Verbindung mit der Be- 
haarung. Im Juli befruchtete ich Pflanzen meiner constanten Varie- 
tät L. v. glabra mit dem Pollen von Lychnis diurna. Im Frühling 1900 
pflanzte ich aus einer grösseren Aussaat gleichförmiger Bastardkeim- 
linge 72 auf einem Beete aus. Sie trieben Stengel wie die Mutter, 
waren behaart wie der Vater und blühten den ganzen Sommer über 
reichlich mit rothen Blüthen. Auf ihren Kapseln bogen sich die Zähne 
abwärts, wie bei L. diurna. 

Im Jahre 1901 erzog ich aus ihren Samen 552 Pflanzen, von 
denen 170 oder 31°/, den ganzen Sommer über Rosetten blieben, also 
das recessive Merkmal des Vaters hatten, wie eine Vergleichseultur der 
L. diurna unter denselben Umständen ausgeführt, des Weiteren zeigte. 
345 Pflanzen bildeten einen Hauptstengel ohne Rosetten, wie L. ves- 
pertina, während 37 Exemplare sowohl Stengel als Rosetten bildeten, 
und also als Uebergangsstufen betrachtet werden konnten. Von allen 
Pflanzen waren 414 behaart und 138 oder 25°/, unbehaart, wie in 
früheren Versuchen (S. 157), und zwar in gleicher Vertheilung über 
die beiden ersteren Gruppen. Aus meinen Notizen finde ich für die 
vier möglichen Combinationen das Folgende: 


Anzahl % Berechnet 
Behaart, mit Stengel 286 52 56-25 
S; ohne „, 128 23 18-75 
Unbehaart, mit Stengel 96 KR 18-75 
„5 ohne „ 42 3 6-25 


Summa 552 


Von Scrophularia nodosa hatte ich im Jahre 1898 einen Bastard 
zwischen der bei uns wild wachsenden Form mit breiten Blättern und 
grossen Blüthen und Früchten, und der Sorte mit schmalen, grob ge- 
sägten Blättern und kleinen Blüthen und Früchten, welche ich da- 


156 Die typischen Bastardspaltungen. 


mals in Cultur hatte. Aus Samen, welche ich nach isolirter Blüthe 
gesammelt hatte, erzog ich im Sommer 1901 etwa 150 Pflanzen, 
welche die Dihybriden-Spaltung deutlich zeigten, obgleich mit einem 
grossen Grade fluktuirender Variabilität, welche die Zählung unsicher 
machte. Es waren breitblätterig und grossfrüchtig 54°/,, breitblätterig 
und kleinfrüchtig 34°/,, schmalblätterig und grossfrüchtig 3°/, und 
schmalblätterig und kleinfrüchtig 9°/,. Nur die ersteren und letzteren 
Zahlen stimmen mit dem berechneten Werthe in genügender Weise 
überein, 

Weitere Beispiele werden wir bei den Spaltungen der Blüthen- 
farben kennen lernen. 

Die Erklärung dieser Versuche auf Grund der MEnpEr’schen An- 
nahme der Spaltung der elterlichen Eigenschaften bei der Bildung 
der Pollenkörner und Eizellen ist eine sehr einfache und wurde oben 
bereits für Menper’s Versuch mit den Erbsen gegeben. Verhalten 
sich die beiden Merkmalspaare unabhängig von einander, so werden 
offenbar so viele Arten von Pollenkörnern und Eizellen ent- 
stehen müssen, als constante Combinationen der betreffen- 
den Merkmale möglich sind. 

Aus dieser Annahme lässt sich aber die Zusammensetzung der 
zweiten und dritten Generation ohne Weiteres berechnen. Im oben 
eitirten Menper’schen Erbsenversuche fanden wir die folgende Ver- 
theilung der difterirenden Merkmale in den Pollen- und Eizellen: 


R Ge R Gr K Ge K Gr. 


Trefien männliche und weibliche Keimzellen gleichnamig zu- 
sammen, so werden offenbar die vier constanten Rassen entstehen, von 
denen zwei (R Ge und K Gr) mit den beiden Eltern übereinstimmen, 
die beiden übrigen aber andere Combinationen der Merkmale auf- 
weisen. 

Treffen männliche und weibliche Keimzellen so zusammen, dass 
sie in Bezug auf ein Merkmalspaar gleichnamig sind und für das 
andere nicht, so bilden sie Pflanzen, in denen ersteres Merkmal con- 
stant, das andere aber hybrid ist. Solcher Combinationen kann es 
auch wieder vier geben. Die so entstandenen Pflanzen spalten sich 
in ihren Samen nur in Bezug auf das hybride Merkmal. 

Treffen endlich männliche und weibliche Keimzellen so zusammen, 
dass sie in beiden Merkmalspaaren ungleichnamig sind, so erhalten 
die Kinder alle vier die fraglichen Eigenschaften und sind somit in 
Bezug auf beide Merkmalspaare hybrid. Es ist von dieser Verbin- 
dung nur ein Fall möglich. 


Die Tri- Polyhybriden. 157 


Durch Rechnung lässt sich nun leicht zeigen, dass man die oben 
S. 183 abgeleitete Combinationsreihe erhalten muss, und dass somit 
auch die gefundenen Zahlen zu denen stimmen, welche sich aus dem 
angeführten Princip ableiten lassen. 

Wir geben diese Rechnung in möglichst übersichtlicher Form 
und nehmen an, dass die Spaltung zuerst für das eine Paar, und in 
jeder daraus entstandenen Gruppe in derselben Weise für das zweite 
Paar vorgenommen würde. Wir erhalten dann: 


1. Eigenschaft: 25 °/, Dom. 50% D. +R. 25 °/, Rec. 
2. Eigensch.: 6-25d+12-5dr+6-25r. 12-5d+25dr+12-5r. 6-25d+12-5dr+6-2ör. 
Oder: Did, Dr, dR,Rr je 26-2590 

Dar>DRI. DERrTarR Je 12,5% 

DRdr 25%. 


Vergleicht man hiermit die Zahlen der zweiten Tabelle auf S. 181, 
so sieht man auf den ersten Blick die nahezu völlige Uebereinstimmung. 
Ebenso kann man hieraus ableiten: 


Pflanzen mit 2 dominirenden Merkmalen 56-2 


25 /o 
» 7AO 
„ „ Das} 18-75 fo 
750 
„ „ d x R 18-75 ik 
H „ 2 recessiven Merkmalen 6-25°/, 


oder die zu der Prüfung der zweiten Bastardgeneration oben benutzte 
Zahlenreihe. 

Die Controle dieser Annahme kann nun wieder durch die Kreu- 
zung der dihybriden Bastarde ausgeführt werden. Es kann dabei der 
Bastard mit dem Pollen des Vaters oder der Mutter bestäubt, oder 
mit dem Bastardpollen eines der beiden Stammeltern befruchtet werden. 
Diese vier Verbindungen sind von MENDEL ausgeführt worden, und 
haben die erwarteten Ergebnisse geliefert. ! 


$ 13. Die Tri-Polyhybriden. 


Die Bastarde, in denen drei, vier oder mehr difterirende Merk- 
male verbunden sind, nennen wir Tri-, Tetra- oder Polyhybriden. Ihr 
Studium ist nur eine weitere Anwendung derselben Prinzipien, welche 
wir bereits bei den Dihybriden kennen gelernt haben. Es gilt dieses 
auch insofern, als MENDEL die einschlägigen Erscheinungen auch 
hier durch ein klassisches Beispiel klar gelegt hat, und es sich für 


! MEnDeı, a. a. 0. S. 24—26. Für weitere Bestätigungen vergleiche man die 
Arbeiten von CoRRENns und TscHERMAR. 


158 Die typischen Bastardspaltungen. 


seine Nachfolger nur darum handelt, zu untersuchen, in wie weit die- 
selben Gesetze für andere Fälle gelten, und namentlich, ob neben den 
Beispielen gegenseitiger Unabhängigkeit der Charaktere auch Fälle 
von Verkoppelung vorkommen. Dass letzteres thatsächlich der Fall 
ist, haben TSCHERMAK für Erbsen! und namentlich ÜoRRENs für Lev- 
kojen nachgewiesen, wie wir am Schlusse sehen werden. 

Mexper’s Versuch schloss sich genau dem in dem vorigen Para- 
graphen beschriebenen an, nur unterschieden sich die beiden zu ver- 
bindenden Rassen in einem Merkmale mehr. Als Mutter diente eine 
Pflanze mit Stärkegehalt, also runden Samen, mit gelben Cotylen und 
mit graubrauner Schale. Diese Merkmale sind alle dominirend gegen- 
über denen des Vaters, der eine Zuckererbse mit grünen Cotylen und 
weisser Samenschale war. Es wurden in erster Generation 24 Hy- 
briden gewonnen, welche 687 Samen trugen, sämmtlich graubraun 
oder graugrün gefärbt, und rund oder kantig. Davon kamen 639 Pflanzen 
zur Fruchtbildung. 

Wir bezeichnen die dominirenden Merkmale, wie früher, mit R, Ge 
und B (braun), die recessiven mit X, Gr und W (weiss). Die Pflanzen, 
welche zweierlei Samen, d. h. neben einander solche mit beiden anta- 
gonistischen Eigenschaften trugen, haben wir dort mit RGe + R@r, 
KGe + KGr u. s. w. angedeutet. Hier wollen wir diese Ausdrücke 
kürzer fassen und statt RGe + RGr sagen RGe@r, statt KGe + 
KGr: K@Ge Gr u. s. w. Die dreigliederigen Formeln beziehen sich so- 
mit auf Pflanzen mit zweierlei Samen, die viergliederigen auf solche 
mit viererlei Samen u.s. w. Es lässt sich nun der Erfolg des Ver- 
suches in der folgenden Weise angeben: ? 


C. Exemplare mit zwei 
hybriden Merkmalen. 


A. Exemplare mit drei B. Exemplare mit einem 
constanten Merkmalen hybriden Merkmal 


RGeB 3 HGeBW_. 22 RGeGrBW 45 
RGeW 14 RGrBW 17 KGeGrBW 36 
RGrB_-9 KGeBW 25 RKGeBW 38 
RGrW ıı KGrBW 20 RKGeBW 40 
KGeB 38 RGeGrB 15 RKGeGrB 49 
K Ge W 10 RGe Gr W 18 RKGeGr W 48 
KGrB 10 KGeGrB 19 Mittel 42-6 
KW 1 K Ge Gr W 24 

Mittel 9-6 RKGeB 14 


RKG&W 18 
RKGrB 2% 
RKGrW 16 

Mittel 19 


?2 MENDEL, a. a. 0. S. 20—21. 


Merkmalen. 


„ P- Exemplare mit drei hybriden 


RKGeGr BW 13 


! E. Tscueruar, Ber. d. d. bot. Ges. XIX. S.49 und an and. O. 


2 a = Polyhybr iden. 159 


Di Zahlen 9. 6, 19, 2. 6, 78 aetm oBenbar in Tea Ve 
hältniss wie 1, 2, 4, 8, wenn man die unvermeidlichen Versuchsfehler 
in Rechnung zieht. Diese Zahlen aber erhält man, wenn man, wie 
im Dihybriden-Versuch für zwei, jetzt die Reihe für drei Merkmals- 
paare entwickelt, indem man (A+2Aa+a), (B+2Bb+b), (C+ 
2Cc + c) berechnet. Die Coefficienten dieser Reihe sind bekanntlich 
1, 2, 4 und 8, und die Reihe umfasst genau dieselben 27 Glieder 
wie der Menper’sche Versuch, wenn man an die Stelle von A, B, © die 
dominirenden und von a, b, c die recessiven Merkmale stellt. 

Offenbar ist die Erklärung wiederum dieselbe wie im Dihybriden- 
Versuch. Die drei Merkmalspaare spalten sich bei der Fortpflanzung 
der Bastarde unäbhängig von einander, es entstehen somit so viele 
Arten von Pollen- und Eizellen als constante Verbindungen 
möglich sind, also die acht in der ersten Spalte der Tabelle unter 
A aufgeführten. Werden nun Eizellen von gleichnamigen Samen- 
zellen befruchtet, so entstehen also acht constante Rassen, werden sie 
von in jedem der drei Merkmale ungleichnamigen befruchtet, so ent- 
stehen Pflanzen, welche in jeder Hinsicht wiederum Hybriden sind. 
Ist die Ungleichnamigkeit bei der Befruchtung nur eine theilweise, so 
sind die Kinder in zwei Merkmalen constant und im dritten hybrid 
(Spalte B), oder in einem Merkmale constant und in zweien hybrid 
(Spalte ©). In jeder Gruppe (oder Spalte der Tabelle) umfassen die 
einzelnen Glieder gleich viele Individuen. 

Aus diesem Versuche ergeben sich die diesbezüglichen Haupt- 
sätze MENDEL's: 

I. Die Nachkommen der Tri-Polyhybriden stellen die 
Glieder einer Combinationsreihe vor, in welchen die Ent- 
wickelungsreihen für je zwei differirende Merkmale ver- 
bunden sind. Das Verhalten der einzelnen Merkmalspaare ist 
dabeivondemjenigenderübrigenMerkmalspaareunabhängig.! 

I. Constante Merkmale, welche an verschiedenen Formen 
einer Pflanzensippe vorkommen, können auf dem Wege 
der wiederholten künstlichen Befruchtung in alle Verbin- 
dungen treten, welche nach den Regeln der Combination 
möglich sind.? 


! Menpeı, a. a. 0. S. 22. 

2 MenpeL, a. a. 0. S. 22. Menpen benutzt hier das Wort Sippe in seiner 
alten, richtigen Bedeutung, während Näseıı Sippen nennt, was für Andere Rassen, 
und Rassen, was bei Anderen Varietäten sind. Vergl. die Literatur über diesen 
Punkt bei Correns, Ber. d. d. bot. Ges. XIX. Generalvers.-Heft 8.77. Vergl. ferner 
den vorletzten Abschnitt dieses Bandes. 


190 Die pischen ee ee 


Die MENDEL SE Reihe lässt sich in sehr übersicht For 
darstellen, wenn wir im Anschluss an die Entwickelung für die Di- 
hybriden auf S. 187 annehmen, dass die Spaltungen nach einander für die 
drei Merkmalspaare in Rechnung gebracht werden. Wir erhalten dann: 


1. Eigenschaft: 25 °/, Dom. 50.%,-D. EB; 
2. Eigenschaft: 6-25d +12-5dr+6-2dr 12-5d +25 dr+12-5r 


3. Eigenschaft: 23-.1d’r? 6-.2d’r! 3-.1d’r! 6-2d’r' 12.5d’r 6-.2d'r 


Bir 31 150 Jıdy god 
1:57 3.1d 1-5r 3-.1T 6-27 3.17% 


1. Eigenschaft: 25 °/, Rec. 
[——— 

2. Eigenschaft: 6-25d+12-5dr+6-25r 
1-5d’ 3.1d: 1:5d 

3. Eigenschaft: 3.1.dr , 6-2.dir] S:1.dör! 


1-5r Seller 
In derselben Weise wie oben lassen sich die 27 Glieder dieser 
Reihe für die Beurtheilung der zweiten Generation combiniren, wenn die 
Art der Merkmale und der Umfang der Culturen eine Untersuchung des 
dritten Geschlechtes nicht zulässt. Die Bastarde jedes Paares stellt 
man den rein dominirenden gleich und erhält dann die folgende Reihe: 


Anzahl der Individuen Anzahl der Merkmale 
Dad 42.187 °), 3 Dom. 
Dar 14-0625 „ 
Dra 14-0625 „ 2 Dom. + 1 Rec. 
Rdd 14-0625 „ 
Dirt 4-6875 „ | 
Rdr 4.6875 „ ’1 Dom. + 2 Rec. 
Rros 4-6875 „ 
Rrr 1-5625 „ 3 Rec. 

SD 


Es kommen also in der zweiten Generation der Trihybriden 
unter 100 Pflanzen 42 mit 3 dominirenden Merkmalen, 3 x 14 mit 
je 1 recessiven, 3 x 4-5 mit je 2 recessiven, und 1—2 mit 3 recessiven 
Merkmalen vor. 

Lychnis vespertina glabra X L. diurna bot ein gutes Material zur 
Ausführung des Versuches, zumal da ich früher diese Kreuzung schon 
mehrere Male ausgeführt hatte. ZL. diurna ist behaart, hat rothe 
Blüthen und Kapseln mit zurückgeschlagenen Zähnen, alles domi- 
nirende Merkmale. L. vespertina glabra ist unbehaart, weissblüthig 


ı Vollständiger sind die Zahlen in dieser Gruppe: 1.5625, 3-1250, 6.2500 
und 12-5. 


Die Tri- Polyhybriden. 191 


und die Kapseln öffnen sich nur mit aufstehenden Zähnen. Die 
sonstigen Merkmale, in denen diese Arten differiren, wie die Breite 
der Blätter und die Länge der Blüthenstiele, folgen, soweit ich sehen 
konnte, den Mrxper’schen Gesetzen nicht; in dieser Beziehung ver- 
halten sich diese Pflanzen somit wie Pisum. Die Lebensdauer wurde 
bei den Dihybriden behandelt; hier berücksichtige ich nur die im 
ersten Sommer fructificirenden Pflanzen der zweiten Generation (1901), 
und verweise für die beiden vorhergehenden Jahre auf den vorigen 
Paragraphen. Die Zählungen wurden in der Weise vorgenommen, 
dass im Garten für jedes Exemplar die drei fraglichen Eigenschaften 
in eine Tabelle eingetragen wurden; nach Ablauf des Versuches 
wurden die einzelnen Combinationen 
zusammengezählt und ergaben auf 
195 Pflanzen: 


Zweite Bastardgeneration von 
Lychnis. 
L. vespertina glabra x diurna. 

Be- Blüthen- Zähne An- 0, Be- 
haarung farbe d.Kapsel zahl '° rechnet 
Behaart Roth Abw 91 47 42-2 

Pr ss Autw. 15 7-5 14-1 

a5 Weiss Abw. 23 12 14-1 
m. N Kamin 85 An 
Unbeh. Roth Abw: ı©235127, 14-1 
7 


„ op Aufw. gar AR 
» Weiss Abw. Do A: 
» er Auftw. 1976 126 


Die Uebereinstimmung ist eine 
so grosse, als sich bei der gegebenen 
Individuenzahl nur erwarten lässt. 

Mit Phaseolus vulgaris und Ph. Fig. 24. Lychnis vespertina glabra, 

. R GB die als Mutter für dennebenstehenden 
nanus hat MENDEL nen Ib: ihy briden- Trihybriden - Kreuzungsversuch be- 
Versuch angestellt und in der dritten nutzte, seit etwa 1850 bekannte un- 
Generation namentlich die acht möe- behaarte Varietät. Links eine männ- 
: ERSTER 2 liche und rechtseine weibliche Pflanze. 
lichen constanten Verbindungen er- 
halten. Die Merkmalspaare waren die hohe und niedrige Form, die 
im reifen Zustande grünen und gelben und die nach dem Reifen 
gewölbten und eingeschnürten Hülsen. Auch Correns hat beim Mais 
Rassen mit drei differirenden Merkmalen verbunden und überein- 
stimmende Ergebnisse erhalten. 

Von hervorragender Wichtigkeit sind hier die Kreuzungen von 


192 Die iypischen Bastardspaltimgen. 


Getreidesorten, welche Rımpau ausgeführt hat, und in denen er die Merk- 
male der einzelnen Typen mit einander zu vereinigen und zu neuen 
constanten Rassen auszubilden versuchte! Wurden Sorten mit drei 
differirenden Merkmalen gekreuzt, so wurden, wie sich nach den 
obigen Ausführungen erwarten lässt, acht constante Verbindungen 
erhalten. Als Beispiel führe ich eine Vereinigung des weissen Kolben- 
spelzes mit dem rothen Grannenweizen an. Die Befruchtung wurde 
1876 ausgeführt; die erste Bastardgeneration war ein rother Kolben- 
spelz und völlig gleichförmig. Die drei dominirenden Merkmale sind 
somit die rothe Farbe, das Fehlen der Grannen, das durch die Be- 
zeichnung „Kolben“ angedeutet wird, und die Merkmale des Spelzes 
gegenüber dem Weizen. 

In der zweiten Generation traten die acht möglichen Com- 
binationen zwischen nackten und beschalten Körnern, begrannten und 
unbegrannten Aehren und weisser und rother Farbe alle auf mit 
Ausnahme des weissen Kolbenweizens, der ja, wegen seiner zwei 
recessiven Merkmale, nur in etwa 5°/, der Individuen vorzukommen 
brauchte. Diese Verbindung entstand aus den anderen im nächsten 
Jahre, und so waren im Sommer 1879 alle vorhanden. Selbst- 
verständlich konnten die constanten Verbindungen von den hybriden mit 
denselben Merkmalen nicht unterschieden werden; es wurde der Versuch 
gemacht, die Mischungen der dominirenden mit den durch Selection 
hybriden von den letzteren zu reinigen. Dieses gelang im Laufe 
einiger Jahre, und zwar für: 

Merkmale 

Rother Kolbenspelz 3 Dom. 1883 
Weisser A Dr 1880— 1883 
Rother Grannenspelz au; 1881— 1883 
„ Kolbenwezen 2 ,„ 1881— 1884 
„ Grannenweizen 1 „ 1880—1884 
WeisserKolbenweizen 1 J„ 1880—1882 
»  Grannenspez 1 „ 1880— 1884 
» Grannenweizen 3 Rec. 1880—1882 


also im Allgemeinen um so rascher, je weniger dominirende Merk- 
male, und also hybride Exemplare in der gewählten Rasse vor- 
handen waren. 


ı W. Rınpav, Kreuzungsprodukte landw. Kulturpflanzen. Landw. Jahr- 
bücher. 1891. $. 10 des Sonderabdruckes und an and. OÖ. Auf den Tafeln sind 
die verschiedenen Bastardrassen nebst ihren Eltern abgebildet. 


Die Tri- Polyhybriden. 193 


In derselben Weise wurden die möglichen constanten Verbindungen 
in den folgenden Versuchen erhalten: 


Süchsischer rother Landweizen x Kessingland 

Rother deutscher Grannenweixen X Kessingland 

Rivett’s bearded x Süchsischer rother Landweixen 

Rivett’s bearded x Squarehead 

Mainstay x Squarehead 

Hordeum tetrastichum coeleste x H. distichum compositum u. S. w. 


Wie ich im Anfang dieses Paragraphen hervorgehoben habe, 
sind die einzelnen differirenden Merkmale nicht nothwendiger Weise 
von einander unabhängig, sondern können sie gelegentlich auch ver- 
koppelt sein. Einen sehr wichtigen Fall dieser Verkoppelung hat 
CORRENS neuerdings bei Levkoyen entdeckt.! Er kreuzte Matthiola 
incana DC mit M. glabra DC und fand, dass ebenso wie bei den 
Erbsen, bei Lychnis und bei vielen anderen Pflanzen, ein Theil der diffe- 
rirenden Merkmale den Mexper’schen Gesetzen folgt, ein anderer 
aber nicht. Bei den Bastarden der ersten Generation waren die 
grünen Theile grau behaart, die Samen breit geflügelt, ihre Pigment- 
schicht braun und die Blüthen einfach. Sie entsprechen darin ganz 
oder doch ganz annähernd der Form incana, deren Merkmale somit 
die dominirenden waren. In der zweiten Generation fanden Spaltungen 
statt, wie es sich bereits in der Farbe der Keime in den Samen 
zeigte. Die Zählung von 1398 Samen ergab 76-8 °/, blau und mittel, 
23-.2°/, gelb, also Zahlen, welche der Mrxper’schen Spaltungsregel 
entsprachen. Bei der Aussaat gaben nun alle blauen und mittleren 
Samen graubehaarte, und alle gelben Samen unbehaarte Pflanzen. 
Die Farbe der Keime und die Behaarung des Laubes waren also 
vollständig verbunden, und nicht, wie sonst, von einander unabhängig. 
Dasselbe galt von dem Wuchs und der Grösse, da in dieser Beziehung 
die behaarten Pflanzen der M. incana, die unbehaarten der M. glabra 
entsprachen, und soweit die Beobachtungen reichten, verhielten sich 
die Samen in Bezug auf die Breite des Samenflügels und die Pigment- 
schicht ihrer Schale ebenso. 

Mit anderen Worten, es spalteten sich die Bastarde zwar nach 
dem Verhältnisse 1:3, aber so, dass die namhaft gemachten Merk- 
male dabei zusammen blieben. Drei Viertel der Bastarde glich der 
M. incana, indem sie blaue Keime, behaartes Laub, hohen Wuchs und 
breitgeflügelte Samen mit blauer Pigmentschicht hatten, ein Viertel 


1 C. Correns, Ueber Levkojenbastarde.. Botan. Centralblatt. Bd.84. 1900. Vergl. 
ferner Barzson and Saunpers, Report to the evolution Committee. 1902. 8. 32—87. 


DE Vries, Mutation. II. 13 


194 Anw ge der ih Tai 


glich der M. glabra, indem sie in diesen Punkten sn nie 
Eigenschaften zeigten. Aber die Blüthenfarbe und einige andere Eigen- 
schaften zeigten Spaltungen, welche von jenen mehr oder weniger 
unabhängig waren. Abgesehen davon, darf man aus diesem Versuch 
folgern, dass bei der Spaltung in diesem Falle nur zweierlei 
Sexualkerne entstehen, die einen mit allen Anlagen für die 
incana, die anderen mit allen Anlagen für die glabra. 

Weitere Untersuchungen werden voraussichtlich die Zahl der 
Fälle, in denen bei den Mrnper’schen Spaltungen einige oder mehrere 
Merkmale verkoppelt bleiben, noch erheblich vermehren und die bis 
jetzt noch in Dunkel gehüllte Ursache dieser Erscheinung aufklären. 

Wo aber solche Verbindungen nicht vorliegen, kann man aus 
den oben auseinandergesetzten Principien im Voraus die verschiedenen 
Möglichkeiten berechnen, indem man einfach die Entwickelungsreihe 
für Tetrahybriden (A+2Aa+a), (B+2Bb+b), (C+2Cc+e), 
(D+2Dd+ d) und ebenso für die sonstigen Polyhybriden entwickelt. 
Man kommt dann aber bald zu sehr grossen Zahlen, indem z. B. für 
7 difterirende Merkmale die Entwickelungsreihe 16384 Individuen 
unter 2187 verschiedenen Formen enthält. Wo also nur einige Hunderte 
von Exemplaren untersucht werden können, entziehen sich in solchen 
Fällen die wahren Verhältnisse selbstverständlich. der Beobachtung. 


III. Anwendungen der Spaltungsgesetze. 


$ 14. Die Zerlegung der Blüthenfarben. 


Bereits den älteren Forschern war es bekannt, dass von allen 
Organen der Pflanzen die Blüthen, und von allen Eigenschaften der 
Blüthen die Farben in den Nachkommen der Bastarde die grösste 
Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit bieten (vergl. Abschn. I, 89, 8. 74). 
MEnDEL hat dieser Erscheinung besondere Aufmerksamkeit gewidmet 
und fand namentlich beim Bastard von Phaseolus vulgaris und nanus, 
dass die Blüthenfarbe sich den Gesetzen seiner monohybriden Erbsen- 
kreuzungen nicht fügte. Die weisse recessive Farbe erschien nur 
einmal auf 31 Pflanzen, statt in einem Viertel der Fälle, und diese 
31 Individuen entwickelten Blüthenfarben, die verschiedene Abstufungen 
von Purpurroth bis Blassviolett darboten. 

Zur Erklärung dieses Verhaltens stellte Menpen die Vermuthung 
auf, dass auch diese räthselhaften Erscheinungen sich wahrscheinlich 


Die Zerlegung der Blüthenfarben. 195 


nach dem für Pisum geltenden Gesetze würden erklären lassen, wenn 
man voraussetzen dürfte, dass die Blumen- und Samenfarbe des 
Phaseolus multiflorus aus zwei oder mehreren ganz selbstständigen 
Farben zusammengesetzt sei, die sich einzeln ebenso verhalten, wie 
jedes andere constante Merkmal der Pflanze,! d. h. wie jede andere 
dem Menper’schen Gesetze folgende Eigenschaft. Oder kurz gesagt, 
die betreffenden Blüthenfarben würden sich bei Kreuzungen wie Di- 
hybriden, Trihybriden u. s. w. verhalten, je nach dem Grade ihrer 
Zusammensetzung. „Auf diesem Wege,“ sagt MEenpen am Schlusse, 
„würden wir die ausserordentliche Mannigfaltigkeit in der Färbung 
unserer Zierblumen begreifen lernen.“ Ich hebe diesen Satz um so 
lieber hervor, als für Mexpen künstliche Befruchtungen von Zier- 
pflanzen mit dem Zwecke, neue Farbenvarianten zu erzielen, den 
Ausgangspunkt seiner ganzen Versuchsreihe bildeten (a. a. ©. 8. 1), 
und als die Ueberzeugung von der Zusammensetzung der 
Artmerkmale aus elementaren Eigenschaften hier besonders 
klar und deutlich ausgesprochen ist. 

MeEnper’s auf Grund dieser Ueberzeugung aufgestellte 
Vermuthung hat sich in meinen Versuchen durchaus be- 
stätigt. Die Blüthenfarben sind in vielen Fällen zusammengesetzte, 
von zwei oder mehreren elementaren Eigenschaften bedingte, und die 
letzteren folgen, wenigstens oft, den von Mexpen aufgefundenen 
Spaltungsgesetzen. 

Abgesehen von den Zahlenverhältnissen, welche ich unten be- 
handeln werde, ergiebt sich aus Mexper’s Auffassung zunächst, dass 
durch Kreuzung so viele constante Farbvarietäten erhalten werden 
können, als constante Verbindungen zwischen den einzelnen Com- 
ponenten des Gemisches möglich sind. Der Gartenbau kennt für zahl- 
lose Arten von Samenpflanzen diese Farbvarietäten.”® Und obgleich 
es unbekannt ist, ob sie durch Kreuzung oder durch Mutation aus 
den ursprünglichen Formen entstanden sind, so liefern sie doch für 
die Zerlegbarkeit der Farben überzeugende Beweise. Dass zwischen 
Papaver somniferum Mephisto mit rothen Blumenblättern und schwarz- 
violetten Herzflecken und den weissen Varietäten Zwischenstufen vor- 
kommen können, ist bekannt, und der Danebrog mit rothen Blüthen 
und weissen Herzflecken ist eine solche, völlig constante Varietät. Von 


1 MExpeı, a. a. 0. S. 34. 
® Bei solchen Arten, welche vegetativ vermehrt werden, kann jede Stufe 
der fluktuirenden Variabilität als eigene Varietät im Handel sein. Die trans- 
gressive Variabilität erschwert gerade bei den Blüthenfarben das Studium oft sehr. 
13” 


196 Anwendungen der Spaltungsgesetxe. 


manchen rothblühenden Arten kennt man neben der Varietas alba auch 
eine Varietas carnea mit blassrothen, fleischfarbigen Blüthen,! und diese 
sind durchaus constant. So z. B. Silene Armeria rosea (Fig. 25), Clarkia 
pulchella carnea u.s. w. Dass die blaue Blüthe des Symphytum. offi- 
cinale von zwei elementaren Eigenschaften bedingt wird, deren eine, 
für sich allein activ auftretend, die rothe Varietät bedingt, dürfte 
allgemein anerkannt werden. Und ebenso verhält es sich in zahl- 
reichen anderen Beispielen. 

In den meisten Fällen sind wohl die möglichen constanten Com- 
binationen der einzelnen Componenten bereits vorhanden, in anderen 
wird man sie offenbar eher auf 
dem Wege der Kreuzung als auf 
demjenigen der Mutabilität zu er- 
halten erwarten dürfen. 

Ich habe die Zerlegung der 
Blüthenfarbe ausführlich beim 
Löwenmaul untersucht, daneben 
aber eine Reihe anderer Arten 
in weniger umfangreichen Ver- 
suchen geprüft, um zu erfahren, 
ob sie sich in derselben Weise 
verhalten würden. 

Antirrhinum majus. Die Blü- 
thenfarbe ist hier aus mehreren 
Componenten zusammengesetzt, 
und kennt der Handel zahlreiche 
constante Farbvarietäten. “ Ich 
habe mich aber vorläufig auf die 
Fig. 25. Silene Armeria rosea, eine con- beiden Hauptcomponenten be- 


stante Varietät mit dunkelfleischfarbigen AL . 
Blüthen, welche die Mitte zwischen der schränkt und die Zerlegungen der 


rothen Art und der Varietas alba hält Sie übrigen Paare antagonistischer 

kann auch durch Kreuzung dieser beiden Merkmale zwar in meinen Ver- 
erhalten werden, und zwar als constante ; i 

Bastardrasse. suchen beobachtet, aber nicht ın 

Rechnung gebracht. Dazu würde 

es weit umfangreicherer Culturen bedurft haben. So hat z. B. der 

Gaumen eine gelbe Farbe, welche bleibt, wenn das Gelb sonst in der 

Krone verschwindet. Doch habe ich das Gelb nicht in meinen Ver- 


such aufgenommen. Ich kreuzte die weisse und die rothe Varietät, 


ı Eine Liste von Arten mit einer Varietas carnea gab bereits E. CARRIERE, 
Production et firation des Varietes. S. 12. 


Die Zerlegung der Blüthenfarben. 197 


welche beide sich in meinen Culturen constant zeigten, und erhielt 
vier Combinationen: 
„Roth“ = Röhre und Lippen roth, die Lippen dunkler. 
„Fleischfarbig“ = Röhre und Lippen blassroth. 
„Delila“ = Röhre blass oder weiss, Lippen ziemlich dunkelroth. 
„Weiss“ — Weiss mit oft deutlichem, sehr blassrothem Anhauch. 

„Fleischfarbig“ und „Delila“ sind beide im Handel bekannte und 
constante Varietäten. 

Als Resultat meiner Versuche betrachte ich das „Roth“ als die 
Summe von „Fleischfarbig“ und „Delila“, und das „Weiss“ als das 
Fehlen beider. Diese beiden sind somit die domimirenden Eigen- 
schaften, denen gegenüber „Weiss“ die beiden, recessiven (latenten), 
Eigenschaften vorstellt. 

Aus der Kreuzung Weiss x Roth darf man also erwarten, 
dass die erste Generation roth blühen und die zweite sich in die 
vier obigen Typen spalten wird. Diese müssen alle vier zu constanten 
Bastardrassen werden können, während es ferner Bastarde geben wird, 
welche sich in derselben Weise spalten werden, wie in der zweiten 
Generation. Diese Spaltungen müssen nach den in & 8 gegebenen 
Regeln für die Dihybriden stattfinden (S. 180). 

Wiederholen wir also die dortige Auseinandersetzung unter An- 
wendung auf unseren speciellen Fall und nennen wir F = Fleisch- 
farbig, D = Delila, W und W’ die beiden entsprechenden latenten 
Eigenschaften, so können wir die ausgeführte Kreuzung auffassen als 

Weiss x Roth 
W+W’xrF-+D. 
Die erste hybride Generation wäre .somit: 
W+W' + F+-D 
was zusammen die rothe Farbe der Bastarde bedingen würde. 

Die auf S. 182 für die zweite Generation gegebene Tabelle wird 

dann für Antirrhinum: 


Berechnet Sichtbare Merkmale 
OD) Roth 
1 FW Fleischfarbig 
1 WD Delila 
1ı WW Weiss 
2 FD+ FW’ Roth 
2 WD+ WW Delila 
2 ED: WD Roth 
2 FW + WW’ Fleischfarbig 
ARD EW' LE WD-W%W' Roth. 


198 Anwendungen der Spaltungsgesetxe. 


Die sichtbaren Merkmale werden also folgendermaassen vertheilt 
sein müssen: 


In °/, Constant Spaltbar 
Roth g 56-25 1 8 
Fleischfarbig 3 18-75 1 2 
Delila 3 18-75 1 2 
Weiss 1 6-25 1 0 


Summa 16 


Nach dieser Auseinandersetzung des zu Erwartenden! gehe ich 
zu der Beschreibung meiner Versuche über. Ich bemerke dabei, dass 
Antirrhinum majus bei künstlicher Befruchtung reichlich Samen bringt, 
bequem zu castriren und zu kreuzen ist, und dass ich die Blüthen- 
trauben stets in Pergaminbeuteln vor dem Besuch der Insecten 
schützte. Ich habe stets nur künstlich von mir selbst befruchtete 
Samen geerntet. 

Im Sommer 1896 befruchtete ich einige Pflanzen der weissen 
Varietät mit der rothen, und erhielt im Jahre 1897 rothblühende 
Bastarde. Die Samen von zweien unter ihnen säte ich im nächsten 
Frühling und pflanzte die Keimlinge der beiden Gruppen auf zwei 
getrennte Beete aus. Die Nachkommen beider Mütter zeigten die Zer- 
legung der Farbe in verschiedene Componenten. Und da von diesen 
letzteren fast jede wieder fluctuirend variabel war, war es ein buntes 
Gemisch, in welchem die einzelnen Typen anfangs kaum zu kennen 
waren. Die Nachkommen der einen Mutter waren zu wenig zahlreich 
(27 Ex.) und zu verschieden für eine genaue Zählung, diejenigen der 
anderen gaben, trotz ihrer gleichfalls geringen Anzahl (49 Ex.), doch 
bessere Grenzen zwischen den Typen, und ein ziemlich befriedigendes 
Verhältniss. 

Das Ergebniss der Zählung war: 


Gefunden Berechnet 
Roth 51%, 56-25°/, 
Fleischfarbig In 18-75 „ 
Delila 316; 18-75 „ 
Weiss 2 6-25, 


Fast alle Exemplare wurden mit ihrem eigenen Pollen befruchtet, 
aber nicht von allen wurde die folgende Generation erzogen. Ich 
theile zunächst die Zusammensetzung der Nachkommenschaft eines 


ı Vergl. auch die Berechnung, welche Mexper a. a. O. S. 35 aus seiner 
Hypothese ableitete. 


— 


Die Zerlegung der Blüthenfarben. 199 


rothen Bastards mit, von der ich 169 Exemplare während der Blüthe 
untersuchte: 


Gefunden Berechnet 
Roth 980%, 56.25°/, 
Fleischfarbig LT, 18219, 
Delila 20, SDR, 
Weiss 4. „ bazne 


Die gefundenen Zahlen stimmen jetzt so vollständig mit den be- 
schriebenen überein, als nur erwartet werden darf. 

Ferner erzog ich von einem Delila-Exemplare der zweiten Gene- 
ration 361 blühende Kinder, welche ausnahmslos wiederum Delila 
waren. Und ebenso von einer fleischfarbigen Pflanze 260 ausnahms- 
los fleischfarbige Kinder. Die beiden möglichen constanten Combi- 
nationen der Farbeomponenten können also thatsächlich durch Kreu- 
zung als constante Rassen erhalten werden. 

Mit dem Typus der Dekla bezw. der fleischfarbigen Varietät, 
können aber, wie die Tabelle auf S. 197 lehrt, auch Bastarde vor- 
kommen, welche sich bei Selbstbefruchtung in diese Farben und Weiss 
spalten. Ich fand solche bei der letzteren und zwar bei zwei fleisch- , 
farbigen Individuen der zweiten Generation, welche auf 489 bezw. 
156 Kindern 83 bezw. 80 °/, fleischfarbige und 17 bezw. 20°/, weisse 
hervorbrachten. 

Die wichtigsten unter den möglichen Combimationen sind aber 
diejenigen, in denen eine Eigenschaft dominirend und constant ist, 
und die andere hybrid. Es ergeben sich hier aus unserer Tabelle zwei 
Fälle als möglich: 1. Constant Fleischfarbig + Delila x Weiss, 2. Con- 
stant Delila + Fleischfarbig x Weiss. 

Diese Bastarde, Fleischfarbig + Delila x Weiss und Delila + 
Fleischfarbig x Weiss, müssen offenbar beide die Farbe Fleischfarbig 
+ Delila, also roth tragen. Sie sind somit unter den rothen Nach- 
kommen der anfänglichen Bastarde von den übrigen nicht zu unter- 
scheiden, und nur wenn man viele solche mit ihrem eigenen Staub 
befruchtet, wird man auch diese Fälle auffinden. Bei ihrer Selbst- 
befruchtung ererben alle Kinder die constante Eigenschaft, während 
das hybride Merkmalspaar sich derart spalten muss, dass etwa 75°), 
das dominirende und 25°/, das recessive Merkmal bekommen werden. 
In beiden Gruppen addiert sich das gespaltene zu dem constanten. 
Betrachten wir jetzt beide Fälle für sich. Von einem selbstbe- 
fruchteten rothen Bastard säte ich die Samen und erzog 48 Kinder 
zur Blüthe; sie waren theils roth, theils fleischfarbig und boten keine 
weiteren Nüancen. 


200 Anwendungen der Spaltungsgesetxe. 


Die Zählung ergab: 


Gefunden Berechnet 
Roth (= Delila + fleischfarbig) au, 1o9s 
Delila (= Delila + weiss) 21, E 


Es hatte sich also offenbar nur die Fleischfarbe nach dem 
Mexper’schen Gesetze gespalten, während die Delila-Zeichnung in 
allen Individuen constant geblieben war. 

Ebenso ergab dieZählung der Kinder eines anderen rothen Bastardes, 
von denen 390 zur Blüthe gelangten: 


Gefunden Berechnet 
Roth (= Delila + fleischfarbig) 140), Ton 
Fleischfarbig (= weiss + fleischfarbig) 26 „ 20 


Die Mutter war offenbar ein Bastard nach dem Typus „Constant 
Fleischfarbig + Delila x Weiss“. 

Im Sommer 1897 habe ich den Hauptversuch, die Kreuzung der 
weissen mit der rothen Varietät, wiederholt, um noch eine weitere 
Controle der Spaltungszahlen zu erhalten. Die Nachkommen der 
rothen Bastarde zeigten im Jahre 1899 die folgende Zusammensetzung 
auf 170 blühende Pflanzen: 


Gefunden Berechnet 
Roth 580, 56-259), 
Fleischfarbig 3l2;; 18:73 
Delila 21% 18-75, 
Weiss 10%, 6-25, 


Also wiederum dieselbe Spaltung. Ebenso habe ich durch die 
Kreuzung der Varietas alba mit „luteum striatum“ (voth gestreift) eine 
Reihe ähnlicher Spaltungen unter den Nachkommen erhalten, welche 
die Ergebnisse des obigen Versuches bestätigen, deren Beschreibung 
aber erst weiter unten gegeben werden soll. 

Lehrt die hybridologische Analyse uns die Componenten einer 
zusammengesetzten Eigenschaft finden, die Synthese hat den endgül- 
tigen Beweis für die Richtigkeit der gefundenen Erklärung zu liefern. 
Ich habe deshalb im Sommer 1899 drei Exemplare des fleischfarbigen 
Typus castrirt und mit Delila-Blüthenstaub befruchtet. Aus ihren 
Samen erzog ich drei Gruppen von 124—142 und 187 Individuen zur 
Blüthe, zusammen also 453 Pflanzen. Diese blühten ausnahmlos roth, 
mit derselben dunkelrothen Farbe wie die typische Art. Damit war 
also die Möglichkeit bewiesen, die ursprüngliche Farbe aus ihren 
Componenten wieder aufzubauen. 

Zugleich aber war damit ein neuer Fall von Bastardirungs- 


Die Zerlegung der Blüthenfarben. 208 


Atavismus aufgefunden, ein Fall, der oftenbar als Typus für eine 
lange Reihe ähnlicher Erscheinungen gelten darf. Denn kannte man 
die Zusammensetzung des „Roth“ nicht, so würde man sagen müssen, 
dass durch die Kreuzung von „Fleischfarbig“ und „Delila“ eine Eigen- 
schaft (Roth) aufgetreten war, welche beiden Eltern fehlte, in ihren 
gemeinschaftlichen Vorfahren aber sichtbar war. Es leuchtet ohne 
Weiteres ein, dass viele Beispiele von Atavismus bei Kreuzungen von 
Gartenbau-Varietäten sich in dieser Weise werden erklären lassen, 
während man gewiss nach diesem Princip manche andere wird auf- 
finden können.! 

Papaver somniferum nanum album plenum (Schwan) x Mephisto. 
Die Kreuzung führte ich im Jahre 1893 aus, indem ich die weisse 
Varietät befruchtete mit dem Staub des rothen durch schwarze 
Herzflecken auf den Blumenblättern ausgezeichneten Mephisto. Die 
Bastarde der ersten Generation, etwa 150 Individuen, hatten alle die 
Blütenfarbe des Vaters. Ihre Nachkommen aus drei selbstbefruchteten 
Kapseln von verschiedenen Individuen zeigten ausser den Farben der 
Eltern noch zwei neue Typen, Danebrog (roth mit weissen Herzflecken) 
und Violett (blassviolett mit schwarzen Herzflecken) und zwar in den 
folgenden Verhältnissen. 

: 1. Mutter 2. Mutter 3. Mutter Berechnet 


Anzahl blühender Exemplare 119 93 12 _ 

_ Mephisto und Violett us) ser SO Sl, 
Danebrog 14 „ 19/., lan. #18-79,,, 
Weiss 8: 34 6-29, 


Trotz des Umstandes, dass die Zahlen der beiden ersteren Gruppen 
nicht getrennt angegeben werden können, ist die Uebereinstimmung 
eine sehr deutliche. Blassviolett mit schwarzen Herzflecken und Dane- 
brog sind somit die beiden Componenten (oder wenigstens die Haupt- 
ceomponenten) der Farbe des dunkelrothen Mephisto. Durch eine 
Kreuzung des Jahres 1897, in der Danebrog mit einer blassvioletten 
Varietät befruchtet wurde, und welche einige wenige Kinder von der 
Farbe des Mephisto lieferte, habe ich mich des weiteren von der 
Richtigkeit dieser Deutung überzeugt. 

Betrachten wir an der Hand dieses Ergebnisses unseren Haupt- 
versuch des $ 8 S. 164. Es wurde dort Mephisto mit Danebrog ge- 
kreuzt, und der Versuch verhielt sich wie eine monohybride Bastar- 
dirung, in der Mephisto das dominirende, Danebrog das recessive Merk- 


! Sollte dieses vielleicht sogar von Datura ferox x D. Bertolonii gelten? 
Vergl. oben $5 (Atavismus) $. 43. 


202 Anwendungen der Spaltungsgesetze. 


aus Blassvwiolett und Danebrog aufgebaut, so ist die Danebrog-Eigen- 
schaft in beiden Eltern vorhanden und betheiligt sich an der 
Bastardirung thatsächlich nicht. Wir haben dann nur das andere 
Merkmalspaar in’s Auge zu fassen, und dieses war Blassviolett (im 
Mephisto mit Danebrog combinirt) und Weiss (im Danebrog als latenten 
Zustand der blassvioletten Farbe zu betrachten). Die ganze Kreuzung 
dreht sich dann um Blassviolett x Weiss; beide werden aber nur ın 
Verbindung mit dem constanten Danebrog-Merkmal sichtbar und äussern 
sich also als Mephisto und als Danebrog. Man kann diese Analyse 
auch in der folgenden Weise darstellen: 


Mephisto x Danebrog 
Violett + Danebrog Weiss + Danebrog 
giebt 


Violett + Weiss + Danebrog + Danebrog 


Mephisto. 
Aus den so erhaltenen Bastarden der ersten Generation leitet sich 
nun die Zusammensetzung der zweiten in der üblichen Weise ab: 


Violett + Danebrog x Violett + Danebrog Sichthar ale Mena 


„ „ x Weiss „ 0 
Wilke en A 152 
5; R x Weiss r Sichtbarals Danebrog 25 °/,. 


Wir folgern also: Bei der Kreuzung Var.: Mephisto x Var.: 
Danebrog bilden diese beiden Merkmale nur scheinbar ein 
Paar; thatsächlich gehören sie verschiedenen Paaren an, welche sind: 
Blassviolett x Weiss und Danebrog x Danebrog. Wo aber in den Bastar- 
den das Blassviolett recessiv bezw. latent wird, tritt die Zeichnung 
Danebrog rein auf. Die Kreuzung ist somit wirklich eine monohybride, 
aber die Latenz des einen Merkmales lässt das sonst damit verbun- 
dene, constante frei werden. 

Eine weitere Folgerung ist diese: Die Farbenzeichnung Danebrog, 
obgleich sie im obigen Versuch sich als recessives Merkmal verhält, 
ist thatsächlich eine dominirende Eigenschaft, welche in jenem Ver- 
such durchaus constant ist. Die Kreuzung war nicht im Stande, das 
dunkle Roth des Mephisto in seine beiden Componenten zu zerlegen, 
dazu bedarf es einer weissen Varietät, d. h. einer, in welcher beide 
Faktoren latent sind. Es ergiebt sich hieraus, dass die Menper’schen 
Monohybriden-Versuche nur dann mit Gewissheit schliessen lassen, 
dass das anscheinend recessive Merkmal wirklich das schwächere eines 
Paares ist, wenn es völlig feststeht, dass das ihm gegenüberstehende 


Die Zerlegung der Blüthenfarben. 203 


dominirende einheitlich ist. Oder mit anderen Worten: Recessives 
Verhalten bei Bastardirungen beweist nicht ohne Weiteres 
die recessive Natur eines Merkmales. 

Wo positive Eigenschaften sich bei Kreuzungen recessiv verhalten, 
bietet dieser Satz wenigstens vorläufig einen Anhaltspunkt zur Er- 
klärung der Ausnahme von der S. 146 gegebenen Regel. So z. B. 
für Ohelidonium majus X laciniatum die Annahme, dass die Eigenschaft 
des majus eine zusammengesetzte sei, aus laciniatum und einem unbe- 
kannten, bis jetzt nicht isolirbaren Factor. Die Häufigkeit lacinia- 
ter Varietäten in sehr verschiedenen Gattungen und Familien scheint 
gleichfalls, aber von einem anderen Gesichtspunkte aus, darauf hinzu- 
weisen, dass sie in der Weise der sonstigen Verlust- oder Latenz- 
Varietäten entstanden sein dürften. 

Silene Armeria (Fig. 25, S. 196). Die Blüthenfarbe des Vergiss- 
meinnichts (Myosotis) ist offenbar keine einfache Eigenschaft, sondern 
wenigstens aus zweien zusammengesetzt, deren eine das Roth ist, welches 
ja beim Oeffnen der Blüthenknospen bei manchen Arten zuerst allein 
sichtbar wird. Nehmen wir an, dass der zweite Component dem 
Auge unsichtbar ist, so würde die Kreuzung mit einer weissen Varietät 
diesen vielleicht isoliren, aber selbstverständlich nicht zur Schau bringen 
können. 

Leider habe ich diesen Versuch nicht gemacht, und somit führe 
ich den Fall nur als Beispiel zur Erläuterung eines Principes an, 
das für die beiden jetzt zu beschreibenden Versuche wenigstens einen 
Anhaltspunkt zur Erklärung geben kann. Nimmt man an, dass auch 
eine dunkelrothe Färbung aus einem sichtbaren und einem unsicht- 
baren Componenten bestehen kann, so würde man durch die Kreuzung 
Roth x Weiss den ersteren isoliren, den zweiten aber mit dem Weiss 
zusammenwerfen. 

Silene Armeria ist nun eine intensiv rothe Art, welche, wie bereits 
oben hervorgehoben wurde (S. 196), neben der weissen Varietät auch 
eine Varietas rosea besitzt, welche in der Mitte zwischen jenen 
beiden steht. 

Aus einer gemischten Cultur dieser rothen Art mit der weissen 
Varietät erhielt ich im Jahre 1896 rothe Bastarde, welche ich mög- 
licehst isolirte und von denen ich die Samen von jedem Exemplar 


" In den Fällen, wo es in Bezug auf die Statur hohe, mittlere und Zwerg- 
varietäten giebt (z. B. Antirrhinum majus, Papaver sommiferum u. s. w.), würden 
vermuthlich Kreuzungen solcher Varietäten zu ähnlichen Darlegungen und Syn- 


thesen führen können als bei den Blüthenfarben. Vergl. den ersten Abschnitt 
dieses Bandes S. 76. 


204 Anwendungen der Bralmgsgesälze, 


getrennt einsammelte. Aus dieser Dal erhielt ich Rn: Bee jeach 
von einer anderen Mutter. Jedes Beet trug rothe und weisse, und 
dazwischen auch blassrothe Pflanzen. Die Anzahl der Individuen 
war pro Beet 200—700, im Ganzen 2619. Die Zusammensetzung 
war die folgende: 


%o Mittel Berechnet 
Reth . 5063 56 56-25 
Rosea 21--30 24 18-75 
Weiss 14-25 20 18-75 + 6-25 


Es traten also hier drei Combinationen auf, statt vier, und bei 
der Berechnung sind die zwei letzteren Gruppen der üblichen Zahlen- 
reihe zusammengefügt worden. 

Man könnte geneigt sein diesen Versuch so zu erklären, dass man 
annahm, dass die rosea ein Bastardtypus wäre, und dass eine mono- 
hybride Spaltung vorläge, etwa wie bei Hyoseyamus.!' Ich habe deshalb 
‘die rosea isolirt blühen lassen, von 36 Exemplaren die Samen getrennt 
und daraus im nächsten Jahre die dritte Generation erzogen (1898). 
Ich hatte im Ganzen etwas über 5000 blühende Pflanzen, welche mit 
Ausnahme der Kinder einer Mutter? alle rosea waren. Dieser Typus 
war also wohl völlig constant. 

Brunella vulgaris. Diese Art hat braunes Laub, violette Blüthen 
und dunkelbraune Kelchzipfel. Von ihr kommt eine weisse Varietät 
mit farblosen Kronen, grünen Kelchzipfeln und grünem Laube vor. 
Durch Kreuzung dieser beiden erhielt ich eine constante Zwischen- 
form mit braunen Kelchen und weissen Blüthen, aber »auch hier fehlte 
die vierte Combination, welche man hätte erwarten können. 

Im August 1895 fand ich in der hiesigen Gegend, in den Dünen 
unweit Wyk-aan-Zee, zwei Exemplare der weissen Varietät und 
pflanzte sie in meinen Garten über. Sie blühten im Sommer 1896 
und wurden zum Theil durch einige nicht weit entfernte Exemplare 
der typischen Art befruchtet. Aus den Samen ging theilweise die 
weisse Varietät auf, theilweise aber eine Bastardform mit violetten 
Blüthen, braunen Kelchen und dunklem Laube (1897). Sieben von 
diesen Bastarden blühten zusammen an einer isolirten Stelle, und 
aus ihren getrennt geernteten Samen hatte ich im Sommer 1898 
sieben Beete mit je 200-400 Pflanzen. Auf jedem Beet traten die 


‘ Oder sollte vielleicht auch bei Hyoscyamus die Blüthenfarbe aus zwei 
Componenten bestehen? Vergl. oben S. 162. 

” Dem S. 198 beschriebenen Versuche entsprechend hätte man mehrere sich 
spaltende Mütter erwarten sollen. 


Die Zerlegung der Blüthenfarben. 205 


drei namhaft gemachten Typen auf, und zwar in ungefähr denselben 
Verhältnissen. Des Raumes wegen musste ein Theil der Pflanzen 
schon vor der Blüthe entfernt werden; sie wurden nach der Farbe 
des Laubes sortirt, während die übrigen nach den Kelchen und 
Kronen beurtheilt werden konnten. Die sieben Beete trugen zusammen 
2179 Pflanzen. Die braunlaubigen gesparten trugen alle violette 
Blüthen, dasselbe muss somit auch für die vor der Blüthe aus- 
gezogenen angenommen werden. Ebenso trugen die grün belaubten 
alle weisse Blüthen. In Bezug auf die Kelche nehme ich an, dass 
diese bei den früh ausgeschalteten grünen in demselben Verhältnisse 
braun gewesen sein würden als bei den gesparten. Unter dieser An- 
nahme erhalte ich für die drei Gruppen die folgenden Zahlen: 


Na on or Berechnet 
/o 
Braun, vor der Blüthe gezählt 856 391 -- ee 
Mit braunen Kelchen u. violettenBlüthen 382 18 a De 
Mit braunen Kelchen u. weissen Blüthen 218 10 16 18-75 
Mit grünem Laub, vor derBlüthe gezählt 360 16 < 
Mit grünen Kelchen u. weissen Blüthen 369 17 277167756-25 


Dass die braunkelchigen weissblüthigen Pflanzen keine gewöhn- 
lichen Bastarde zwischen ihren Eltern waren, ging daraus hervor, 
dass einige von ihnen in Bezug auf die Blüthenfarbe in ihren Nach- 
kommen völlig constant waren. Ich erzog von ihren Kindern 1671 Ex. 
zur Blüthe. Nach dem dihybriden Gesetze konnten sie aber zum 
Theil in Bezug auf ihre Kelche Bastarde sein und sich in braun- 
kelchige und grünkelchige spalten. Solches war denn auch der Fall. 
Diese 1671 Pfianzen der dritten Generation stammten von vier möglichst 
rein befruchteten Müttern. Eine Gruppe mit 525 Pflanzen war ein- 
förmig, alle Pflanzen hatten braune Kelche und weisse Blüthen. Hier 
war also die Combinationsrasse constant geworden. Die drei übrigen, 
mit 174, 467 und 505 Individuen lieferten 81, 88 und 85°/, mit 
braunen Kelchen und 19, 12 und 15°/, mit grünen Kelchen. Alle 
waren weissblüthig. 

Ueberblicken wir zum Schluss das Mitgetheilte, so finden wir 
Menper’s Vermuthung über die Zerlegbarkeit der Blüthenfarben 
durchaus bestätigt. 

Die mitgetheilten Versuche bilden allerdings erst einen kleinen 
Anfang. Aber ähnliche Zerlegungen kann man bei zahlreichen Garten- 
pflanzen beobachten. Auch sieht man sie bei Kreuzungen mehrfach 
auftreten. Sie zeigen dabei soviel Merkwürdiges, dass sie eine wichtige 


206 Anwendungen der Spaltungsgesetxe. 


(uelle neuer Entdeckungen zu werden versprechen und ohne Zweifel 
später einmal eine kräftige Stütze für die Lehre von den elementaren 
Eigenschaften werden können. 

Durch die beschriebenen Thatsachen scheint es mir aber fest- 
gestellt zu sein: 

l. Dass es möglich ist, Blüthenfarben durch Kreuzungen 
in ihre Componenten zu zerlegen. 

2. Dass diese Öomponenten, wenigstens oft, den MENDEL’- 
schen Gesetzen folgen. 

3. Dass die ursprüngliche Farbe aus den einzelnen 
Factoren durch Bastardirung wieder hergestellt werden 
kann. 

4. Dass in dieser Weise Beispiele von Atavismus künst- 
lich erzielt werden können. 


S 15. Der dornlose Stachelginster. 


Es sei mir gestattet, hier einige Betrachtungen über die prak- 
tische Bedeutung der Spaltungsgesetze der Bastarde einzuschalten 
und diese an einem bestimmten Beispiel zu erläutern. 

Die Folgerung, welche sich für die landwirthschaftliche und gärt- 
nerische Praxis ergiebt, ist die, dass, wenn die erste Generation nach 
einer Kreuzung die gewünschte Combination der Eigenschaften nicht 
liefert, diese dennoch, auch bei Selbstbefruchtung, in der zweiten oder 
in einer späteren Generation auftreten kann. Ist man mit dieser 
Regel nicht bekannt, so würde man leicht geneigt sein, einen 
Kreuzungsversuch nach der ersten Generation als misslungen zu be- 
trachten und so den Erfolg, den man thatsächlich erhalten könnte, 
nicht erreichen. 

Aus eigener Erfahrung kann ich den folgenden Fall mittheilen. 
Es galt, die Oenothera brevistylis aus dem Freien in meinen Garten 
überzubringen. Da sie fast keine Samen bildet und erst bei der Blüthe 
zu erkennen ist, zu einer Zeit, wo sie sich nicht gut mehr verpflanzen 
lässt, versuchte ich dieses durch Kreuzung zu erreichen, indem ich 
den Pollen der im Freien gesammelten Blumen auf die Narben 
castrirter Blüthen meiner Cultur von Oenothera Lamarckiana brachte. 
Diese Kreuzung machte ich zum ersten Male im Sommer 1889, daraus 
gingen aber nur Pflanzen mit normalen Blüthen hervor, obgleich die 
Saat eine sehr umfangreiche war. Ich gab dann die Cultur auf und 
gewann keinen Samen, da ich den Versuch als misslungen betrachtete. 
Erst einige Jahre später wurde es mir klar, dass ich mich geirrt 


Der dornlose Stachelginster. 207 


hatte, und somit wiederholte ich im Sommer 1893 die Kreuzung 
genau in derselben Weise, hatte im Jahre 1594 wiederum eine ein- 
förmige, normal aussehende Bastardeultur, aber aus dieser entstanden 
in der zweiten Generation, den mir damals bekannten Regeln der 
Bastardspaltungen entsprechend, etwa zu einem Viertel Individuen 
mit den Merkmalen der O. brevistylis. Und damit war die anfängliche 
Aufgabı. diese Form in meinen Garten überzubringen, gelöst. Zu 
gleicher Zeit war eine einfache Methode gewonnen worden, welche es 
in vielen Fällen gestatten wird, zufällig beobachtete Varietäten und 
Anomalien in Cultur zu bringen, wenn man davon weder Samen 
noch Pflanzen, aber nur einzelne Blüthen oder Blüthenknospen mit- 
nehmen kann. 

Andererseits darf man über die Constanz einer neu aufgetretenen 
Form nur dann ein Urtheil bilden, wenn man bei der Samengewinnung 
die Kreuzung ausgeschlossen hat. Manche Arten bilden mit dem 
Blüthenstaub des eigenen Individuums keine oder doch nur sehr 
wenige Samen aus. Wenn in einem solchen Falle die Neuheit 
zwischen der alten Sorte blüht, wird sie nur oder doch fast nur 
Bastardsamen tragen, und findet die Regel von der Präpotenz des 
phylogenetisch älteren Merkmales Anwendung, so zeigen die Bastarde 
die neue Eigenschaft nicht. Aus ihren Samen hat man dann aber 
Aussicht, die Sorte dennoch wieder zu erhalten. Solche sogenannte 
Atavisten werden ganz gewöhnlich von den Züchtern weggeworfen, 
und das mit Recht, wenn es genügende Erben giebt. Hat man aber 
keine oder zu wenig Erben, so könnte man aus den Samen jener 
sogenannten Atavisten doch noch etwa ein Viertel Erben erwarten, 
und es wäre offenbar schade, sie wegzuwerfen. Bei meinem Besuche 
der Erfurter Gärtnereien hat man mir solche misslungene Iso- 
lirungsversuche gezeigt, und leider kannte ich damals die MExpev- 
schen Gesetze noch nicht. 

Von besonderem Interesse dürfte die Anwendung dieser Gesetze 
auf den dornlosen Stachelginster sein, welcher bisweilen in den Üul- 
turen auftritt, aber allgemein für nicht-erblich gehalten wird. Diese 
Ansicht läuft aber den sonstigen Erfahrungen auf dem Gebiete der 
plötzlich auftretenden Varietäten durchaus zuwider (vergl. Bd. 1, 
S. 463 ff). Und deshalb scheint mir die Hoffnung gerechtfertigt, 
dass, wenn auch die Samen eines solchen Exemplares nur stachelige 
Kinder liefern würden, diese, bei isolirter Aussaat und freier Be- 
stäubung- unter sich, dennoch die stachellose Varietät reproduciren 
würden. Die Analogie des Mangels der Dornen mit den sonstigen, 
durch Verlust oder Latenz entstandenen Varietäten macht es meiner 


208 Anwendungen der Spallungsgesetxe. 


Ansicht nach sehr wahrscheinlich, dass auch in diesem Falle die 
Stacheln bei Kreuzungen den MExDEL’schen Gesetzen folgen werden. 
Betrachten wir zunächst die Bestäubungsverhältnisse, um nachher 
die landwirthschaftliche Bedeutung einer eventuellen stachellosen Rasse 
zu beleuchten. 
Ueber die Frage, ob Individuen des Ulex europaeus sich selbst 
befruchten, d.h. mit dem eigenen Staub Samen ansetzen können, 


Fig. 26. Der Stachelginster, Stechginster oder Heckensamen (Uler europaeus). A ein 
blühender Ast, B ein junger Seitenzweig im Mai, noch ganz saftig, aber bereits mit 
Dornen besetzt. 


liegen meines Wissens noch keine Versuche vor. Meine eigenen 
Culturen, welche theilweise mit grösseren Aussaaten anfiıngen, in der 
Hoffnung, vielleicht ein stachelloses Exemplar zu finden, haben noch 
zu keiner Entscheidung geführt. Dagegen sind die Bestäubungs- 


Der dornlose Stachelginster. 209 


verhältnisse von verschiedenen Forschern und namentlich gründlich 
von Heıssıus studirt worden. Die Blüthen gehören zum sogenannten 
losspringenden Typus unter den Papilionaceen. Bei leichtem Druck, 
wie ihn eine Biene bei ihrem Besuch ausübt, schnellt die Blüthe auf, 
der Staub wird in einer kleinen Wolke gegen die Bauchfläche des 
Insectes geworfen und der Griffel krümmt sich rückwärts, dabei das 
Insect berührend und sich mit fremdem Pollen beladend, falls die 
Biene bereits vorher eine Blüthe besucht hatte.! Im Freien werden 
die Stachelginster sehr fleissig von Bienen und vielen anderen Insecten 
besucht und setzen dabei gewöhnlich reichlichen Samen an. 

Ueber Bastardirungen von Ulex europaeus ist wenig bekannt. 
FockE citirt Zwischenformen zwischen dieser Art und dem gleichfalls 
stacheligen D. nanus, welche nach Le Jouıs hybriden Ursprungs sein 
sollen, und den Namen DU. Galli PraxcnH. führen.? 

Nach LAnGETHAL wächst der Stachelginster in dem feuchten 
Nordwesten Deutschlands häufiger als im Nordosten und in Mittel- 
deutschland, aber immer bloss an einzelnen Stellen, wo ihm Boden 
und Feuchtigkeitszustand gerecht sind.” In England und in Frank- 
reich, namentlich in den Landen von Bretagne und der Normandie wird 
er im Grossen cultivirt, meist bleibt er durch das alljährliche Schneiden 
niedrig, ich sah ihn dort aber auch mehrfach zu manneshohen 
Sträuchern herangewachsen. In diesen sonst unfruchtbaren Gegenden 
ist der Stachelginster eine von den besten Culturpflanzen; er vertritt 
dort die Kleearten der fruchtbaren Aecker, ja wird bisweilen geradezu 
die Luzerne der Bretagne genannt (LtoncE DE LAVERGNE). Als Le- 
guminose® braucht er keinen Stickstoffdünger und liefert doch ein an 
Stickstoff reiches Futtermittel (etwa 0.8°/, N enthaltend), welches 
für Pferde und Schafe ausgezeichnet sein soll, namentlich im Winter, 
wenn andere Futtermittel mangeln. Dazu werden die grünen Zweige 
vom November bis Februar, d. h. bis zur Blüthezeit, abgeschnitten. 
Die holzigen Theile enthalten einen schädlichen Bitterstoff. Ohne 


ı H. W. Hemstus, Bydrage tot de kennis der bestuiving van inlandsche bloemen 
door insecten. Diss. Amsterdam. 1890. S. 41—46. Ders., Botanisch Jaarboek 
Gent. IV. 1892. S. 101—105. Pl.X. Vergl. auch W. Ocız, Pop. Science Review. 
April 1870. p. 164—165, eitirt von H. Müızer, Die Befruchtung der Blumen. 
S. 243, und ferner J. Mac Leon, Over de bevruchting der bloemen in het Kempisch 
gedeelte van Vlaanderen. Botanisch Jaarboek VI. 1894. $. 327. 

® Fockz, Die Pflanzenmischlinge. S. 105. Vergl. über U. Gallii auch EnsLer 
und Prantı, Die natürlichen Pflanzenfamilien. III. S. 238. 

® C. E. Langernar, Landwirthschaftliche Pflanzenkunde. II. S. 164. 

* Das Folgende nach A. Girarp in La Nature. 4. aout 1900. S. 149. 

DE VRIES, Mutation. I. 14 


210 Anwendungen der Spaltungsgesetxe. 


Vorbereitung können auch die jungen Theile, wegen der Dornen, vom 
Vieh nicht gegessen werden. Sie werden zuvor zerhackt und zer- 
quetscht. Man zerlegt sie in Stücke von 3—5 em und quetscht sie, 
bis kein einziger Dorn mehr zu erkennen ist. Auf grösseren Höfen 
hat man besondere Geräthe zu diesem Zweck. Diese Behandlung ist 
nicht nur theuer, sondern da der Brei nicht aufbewahrt werden kann, 
muss alles an Ort und Stelle und kurze Zeit vor dem Verbrauch 
geschehen, und ist ein Transporthandel in diesem Futtermittel somit 
ausgeschlossen. Man sät den Stachelginster zwischen Getreide, da 
er zum Keimen Schatten und Feuchtigkeit braucht, die Aecker liefern 
während 6 und bisweilen 15—20 Jahren eine lohnende Ernte, dann 
aber muss man von Neuem säen. Der Ertrag eines solchen, für jedes 
andere Gewächs sterilen Ackers steht demjenigen der besten Klee- 
felder nicht nach. Er würde aber noch bedeutend erhöht werden, 
wenn man eine Varietät ohne Dornen cultiviren könnte. Die dadurch 
zu erzielende Steigerung des Ertrages wird von Einigen auf ein Viertel, 
von Anderen sogar auf die Hälfte des ganzen Werthes der Ernte 
geschätzt. 

Man hat daher seit nahezu einem Jahrhundert danach gestrebt, 
die Cultur zu verbessern, und sogenannte verbesserte Formen in den 
Handel gebracht.! Diese, sowie die ganze Zusammensetzung und 
Cultur des Stachelginsters sind von A. GrrArD? neulich einer gründ- 
lichen Untersuchung unterworfen worden. Er zeigte, dass gerade der 
grüne, dornige Theil der Pflanze die besten Nährstoffe enthält, und 
dass die Bemühungen, die Dornen zu vermindern, nur zu leicht 
dazu führen, dass auch der Nährwerth der ganzen Pflanze herab- 
gesetzt wird. 

Was man zu erreichen suchen muss, ist die Dornen stumpf zu 
machen und ihnen dennoch die grösstmögliche Ausbildung zu geben.? 
Solches ist offenbar kaum auf einem anderen Wege zu erreichen, als 
durch die zufällige Entdeckung einer Varietät ohne Dornen und die 
Züchtung einer neuen Rasse aus ihren Samen. 

Stachelginster ohne Dornen kommen in der Normandie von Zeit zu 
Zeit vor. Die ältesten Nachrichten darüber verdanken wir VILMORIN,*und 
noch neulich theilte mirder Professor der Botanik in Öaen, ÖCTAVELIGNIER, 


' Die bekannteste ist die Queue de renard oder: Ajone pyramidal. 

° A. Girarv, Recherches sur Vutilisation de Vajonc. Annales agronomiques. 
1900. 8. 1—44. 

BL R; 19-24, 

* L. L£v£ave pe Vırmorm, Bull. Soc. industr. Angers, 7. juillet 1851, p. 253 
und Notices sur l’amelioration des plantes par le semis. 2. Ed. 1886. S$. 30. 


Der dornlose Stachelginsler. 211 


mit, dass auch jetzt noch bei den Bauern einzelne solche Funde in 
Erinnerung sind. Aber man glaubt, dass solche Abweichungen nicht 
samenbeständig sind, und schreibt ihnen also nur einen ganz unter- 
geordneten Werth zu. Diese Meinung beruht auf den Untersuchungen 
von Trocat, welche um die Mitte des yorigen Jahrhunderts gemacht 
wurden, zu einer Zeit also, da man von der Möglichkeit der Kreu- 
zungen und von ihren Folgen noch keine richtige Vorstellung hatte. 
Vırmoriın theilt darüber das Folgende mit, und zwar unter dem Titel: 
„Note sur un projet d’experience ayant pour but de cr6er 
une variete d’ajonc sans &epines“ TrocHu fand in seinen Cultu- 
ren von Ulex europaeus im Jahre 1846 fünf oder sechs Exemplare 
ohne Dornen, zwischen vielen Tausenden von Individuen des gewöhn- 
lichen Typus. Sie konnten dem Vieh ohne jegliche Vorbereitung ver- 
füttert werden. Die Pflanzen waren ebenso stark wie die übrigen, 
aber die Zweige weniger holzig, mehr krautig und saftig. Die Samen 
dieser Pflanzen gaben aber stets nur gewöhnliche Stachelginster,! und 
die neue Form wurde daher behandelt als eine „monstruosit6 de 
quelques plants, qui leur &tait particuliere“ Jetzt aber wissen 
wir, dass auch Monstrositäten, wenn auch oft in geringem Grade, 
erblich sind, dass aber der Mangel der Dornen kaum als eine solche 
Monstrosität betrachtet werden darf. 

Ein endgültiges Urtheil lassen die kurzen Mittheilungen von 
Trochv, in Hinsicht auf die damaligen geringen Kenntnisse über die 
zu nehmenden Vorsichtsmaassregeln, meiner Ansicht nach nicht zu. 
Es scheint mir viel wahrscheinlicher, dass er trotz seiner Sorgen den- 
noch nur gekreuzte Samen bekommen habe, und dass die daraus auf- 
gegangenen Pflanzen Bastarde mit dem phylogenetisch älteren Merk- 
mal, also mit Dornen waren. Hätte er diese im Grossen ceultivirt 
und ihre Samen ausgesät, so hätte er wahrscheinlich auch ohne Iso- 
lirung die dornlose Varietät wiederbekommen, und zwar in einer fast 
beliebigen Anzahl von Exemplaren. 

Jedenfalls scheint mir die Sache von so hervorragender Wichtig- 
keit, dass es sich lohnen muss, von Neuem nach dornlosen Exemplaren 
zu suchen, diese nicht zu verpflanzen, sondern ihre Samen in möglichst 
grossen Mengen auszusäen und zu untersuchen, ob nicht in der zweiten 
Generation die Varietät zurückkehren wird. Die Aussicht, den Er- 


! Trocnu giebt an, die dormnlosen Exemplare isolirt und die Samen der 
2., 3. und 4. Generation gesät zu haben, was wohl nur die Samen des 2., 3. und 
4. Jahres derselben Pflanzen bedeuten soll, da die ersten Aussaaten im Winter 1847 
noch kein Resultat gegeben hatten, und die Angabe 1851 gemacht wurde. 
14* 


212 Kreuxsungen tricotyler Rassen. 


trag der Ginster cultivirenden Gegenden wesentlich zu erhöhen, und 
andere bis jetzt unfruchtbare Länder durch diese Cultur fruchtbringend 
zu machen, dürfte es jedenfalls rechtfertigen, die Errungenschaften der 
neueren Wissenschaft auch auf diese Fragen anzuwenden. 


IV. Kreuzungen tricotyler Rassen. 


$ 16. Das Vorkommen von Tricotylen als Halbrassen und als 
Mittelrassen. 


Wenn es sich darum handelt, die Aufgaben der elementaren 
Bastardlehre klarzulegen, so gehören die Kreuzungen zwischen manchen 
Halb- und Mittelrassen zu den einfachsten und klarsten Beispielen.! In 
beiden Rassen können, morphologisch betrachtet, völlig ähnliche Indi- 
viduen vorkommen; sie unterscheiden sich nur dadurch, dass das Merk- 


mal, welches den Differenzpunkt bildet, in der einen Rasse selten, in der 


anderen häufig ist. Die Lehre von den Merkmalspaaren, welche sonst 


so oft die Grundlage der Bastardlehre bildet, findet hier keine An- 


wendung. Denn jede der beiden zu kreuzenden Rassen besitzt beide 
antagonistische Merkmale, der Antagonismus zwischen den Rassen 
liegt also nicht in den äusseren Kennzeichen, sondern tiefer in ihren 
inneren Eigenschaften. 

In dem Kapitel über latente und semilatente Eigenschaften im 
ersten Bande (S. 422) habe ich versucht, den Unterschied zwischen 
den Halbrassen und den Mittelrassen deutlich zu machen. Von ein- 
ander unterscheiden sie sich nicht durch den Besitz verschiedener 
elementarer Eigenschaften; in dieser Hinsicht sind sie sich völlig 
gleich: sie haben jedesmal von diesen genau gleich viele und genau 
dieselben. Aber die innere Eigenschaft, welche den Differenzpunkt 
bildet, ist in der Halbrasse semilatent, d. h. sie äussert sich nur 
selten, in wenigen Individuen auf jedes Hundert oder Tausend, u. s. w. 
In der Mittelrasse ist sie aber activ und ebenbürtig mit derjenigen 
Eigenschaft, neben der sie in der Halbrasse ganz untergeordnet liegt. 
Beide Rassen haben somit, in Bezug auf den Differenzpunkt, eigentlich 
je zwei elementare Eigenschaften, welche sich aber nicht gleichzeitig 
in demselben Organ äussern, sondern sich gegenseitig ausschliessen. 


! Vergl. meine vorläufige Mittheilung Ueber tricotyle Rassen in den Berichten 
d. d. bot. Ges. 1902. Bd. XX. 8.45. 


— 


ee er ET ER nei Ju 


= — ” 


Das Vorkommen von Tricotylen als Halbrassen und als Mittelrassen. 213 


In einer idealen Mittelrasse würden diese beiden antagonistischen 
Eigenschaften genau. gleichwerthig sein, es würde somit die Hälfte 
der Individuen das eine, die andere Hälfte das andere Merkmal zeigen. 
Ob es solche ideale Rassen in der Natur auch wirklich giebt, dürfte 
fraglich sein; in der Regel wird wohl das eine oder das andere 
Merkmal mehr oder weniger leicht sich äussern als das andere. Auch 
würde man nur solche Fälle in Betracht ziehen dürfen, in denen 
weder die Lebenslage noch auch Auslese die Rasse nach der einen 
oder der anderen Seite beeinflusst hätte, denn für beide Factoren 
sind die Mittelrassen, wie wir gesehen haben, äusserst empfindlich. 

Unter den mir bekannten Mittelrassen kommen die Tricotylen 
und Syncotylen diesem idealen Bilde am nächsten, denn sie liefern 
ganz gewöhnlich in reinen Aussaaten zur einen Hälfte dicotyle und zur 
anderen Hälfte tricotyle bezw. syncotyle Keimlinge. Unter dem Einfluss 
der Lebenslage und der Auslese kann dieses Verhältniss sehr leicht 
und sehr stark abgeändert werden, beiderseits fast bis zum Ausschluss 
des anderen Typus. Dabei bleibt die Mittelrasse an sich unverändert; 
sie kehrt weder durch Selection in die Halbrasse zurück, noch gelingt 
es, aus ihr eine constante, rein dreikeimblätterige Varietät zu machen.! 

Die Kreuzung einer solchen tricotylen Mittelrasse mit der tri- 
cotylen Halbrasse derselben, oder einer systematisch nahe verwandten 
Art, bietet somit die Gelegenheit, das Verhalten einer Eigenschaft im 
semilatenten Zustande gegenüber derselben Eigenschaft im activen 
Zustande der Mittelrasse zu untersuchen. Der Vorgang der Kreuzung 
ist somit auf einen ihrer einfachsten Fälle zurückgeführt. 

Aber ebenso einfach wie die Erscheinung, ebenso complieirt ist 
die Lösung der Aufgabe. Denn von tricotylen Rassen ist, soweit mir 
bekannt, in der botanischen Literatur bis jetzt niemals die Rede 
gewesen, die Möglichkeit einer Existenz tricotyler Mittelrassen scheint 
bis jetzt noch von Niemandem vermuthet worden zu sein. Es galt 
somit allererst, einige solche Rassen ausfindig zu machen, ihre Existenz 
nachzuweisen und ihre Eigenschaften zu studiren. In den Jahren 
1892—1897 gelang mir dieses für etwa ein halbes Dutzend sehr 
verschiedener Arten, mit den meisten von ihnen habe ich dann 1896 
und 1897 die betreffenden Kreuzungsversuche angefangen. 

Gerne hätte ich diese Untersuchung auch über rein tricotyle und 
rein dicotyle Rassen ausgedehnt, d. h. über solche, deren Keimpflanzen 
im ersteren Fall ausnahmslos trieotyl, im letzteren ausnahmslos zwei- 
keimblätterig wären. Aber von den ersteren habe ich bis jetzt kein 


! Vergl. das Schema Band I, S. 424. 


214 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


einziges, von den letzteren nur ein einzelnes Beispiel entdeckt, und 
in diesem fehlt mir die entsprechende tricotyle Mittelrasse.! 

Ehe ich zu der eingehenden Beschreibung meiner Rassen und 
Culturen übergehe, scheint es mir zweckmässig, in übersichtlicher 
Weise zu erzählen, wie man tricotyle Keimpflanzen gewöhnlich findet, 
und wie man aus solchen Funden am ehesten zu den gewünschten 
Halb- und Mittelrassen gelangen kann. 

Jedermann weiss, dass man von dicotylen Arten gelegentlich 
Keimpflanzen findet, welche drei Keimblätter tragen. Man braucht 
nur im Frühjahr im Garten unter den aufgegangenen Saaten zu 
suchen, um solche zu finden. Je zahlreicher die Saaten und je 
fleissiger man sucht, um so mehr trieotyle Pflänzchen zeigen sich. 
Die eine Art hat sie reichlich, die 
andere spärlich. . Oft findet man sie 
schon bei Topfeulturen .im Gewächs- 
haus, in mehreren Fällen habe ich aber 
10000 oder 20000 Samen einer Art 
keimen lassen müssen, um nur ein 
einzelnes in dieser Richtung abweichen- 
des Exemplar zu erhalten. Sehr zahl- 
reiche Arten scheinen aber auf jedes 
Hundert oder Tausend Keimpflanzen 
eine oder einige Tricotylen zu bilden. 
Bir: Ri Sind die Aberranten selten, so sind 
ee ar Tre: sie in der Regel reine Tricotylen. Treten 
tylen, B mit einem tief gespaltenen sie aber zahlreicher auf, so zeigt sich 

ehe ihr Typus variabel. Und zwar sowohl 

in der Minus- als in der Plus-Richtung. 

Wir betrachten, um uns bequem ausdrücken zu können, eine tricotyle 

Keimpflanze als dadurch entstanden, dass in einer zweikeimblätterigen 

eins der Keimblätter sich durch Spaltung verdoppelt hat, ähnlich wie 

solches so oft bei den Laubblättern beobachtet wird. Geringere Grade 

der Spaltung bilden dann die Variationen in der Minus-Richtung. 

Trifft aber die Spaltung die beiden Cotylen, so haben wir Variationen 

in der Plus-Richtung; welche bei völliger Verdoppelung zu den Tetra- 
eotylen führen (Fig. 27 D). 


' Mein Helianthus annuus syncotyleus hat in mehr als zehn Jahren, in denen 
ich jährlich viele hundert, oft mehrere tausend Keimpflanzen auszählte, nie eine 
tricotyle Pflanze gebildet. Dagegen kommen solche bei Helianthus annuus varie- 
gatus und einigen anderen Sorten gelegentlich vor. 


Das Vorkommen von Tricotylen als Halbrassen und als Mittelrassen. 215 


Keimpflanzen mit einem normalen und einem gespaltenen Keim- 
blatt nennt man hemitricotyl,! solche mit zwei gespaltenen Samen- 
lappen, oder mit drei Cotylen, von denen eins gespalten ist, hemi- 
tetracotyl. So kann man auch Hemipentacotylen u. s. w. finden, 
doch sind die Abweichungen um so seltener, je weiter sie sich vom 
reinen tricotylen Typus entfernen. 

Sucht man alle diese Formen zusammen, so gelingt es leicht, 
eine continuirliche Reihe zu bilden, welche von den reinen T'ypen 
einerseits durch tiefe und weniger tiefe Spaltungen zu den Dicotylen, 
andererseits in derselben Weise zu den Tetracotylen und bei reich- 
lichem Material auch wohl weiter, zu den Pentacotylen u. s. f. führt. In 
Fig. 28 ist für Oenothera hirtella eine solche Reihe abgebildet, indem 
überall das ungespaltene Keimblatt weggelassen wurde. Aber die 
dargestellten Formen sind selbstverständlich nur eine Auswahl aus 
einer viel vollständigeren Reihe. Denkt man sich in diesen Figuren 
den abgeschnittenen Samenlappen selbst als gespalten, so würde die 
Reihe den Uebergang von den Tricotylen zu den Tetracotylen dar- 
stellen. 

Eine solche Reihe ist aber nur eine morphologische, keine physio- 
logische oder statistische. Wünscht man eine solche zu haben, so 
gilt es nicht nur die Formen selbst, sondern auch die Häufigkeit 
ihres Vorkommens zu berücksichtigen. Und dann stellt sich erstens 
heraus, dass die sämmtlichen aberranten Formen neben den Dicotylen 
in der Regel nur wenige Procente ausmachen, ja oft noch seltener 
sind, wie bereits hervorgehoben. Construirt man also eine Häufigkeits- 
curve, so bilden die Dicotylen für sich einen hohen Gipfel, die Curve 
erstreckt sich von hier aus nur nach einer Seite, und ist somit eine 
sogenannte Halbe Curve.? 

Aber auch die Aberranten sind unter sich nicht in gleichen Ver- 
hältnissen vertreten. Die Hemitricotylen sind viel seltener als die 
Trieotylen, oft erreicht die Zahl aller Hemitrieotylen zusammen nicht 
diejenige der dreikeimblätterigen. Tiefe Spaltungen sind etwas weniger 
selten als untiefe, und oft beobachtet man Exemplare, welche anfangs 
rein tricotyl zu sein scheinen, welche aber, wenn die Stiele der Cotylen 
sich allmählich verlängern, später sich dennoch als tiefgespalten 
ergeben. So namentlich deutlich bei Amarantus speciosus und Antir- 
rhinum majus (Fig. 27 B), wo oft nur ein näheres Aneinanderliegen 
von zwei Keimblättern andeutet, dass sie auf einem gemeinsamen 


1 Berichte d. d. bot. Ges. 1894. Bd. XII. S. 26. 
® Band I, S. 428. 


216 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


Stiele eingepflanzt sind. Hemitetracotylen sind sowohl in Aussaaten 
aus käuflichen oder sonstigen Samen, wie auch, wenn man aus- 
gelesene Rassen berücksichtigt, stets sehr viel seltener als Tricotylen; 
doch scheinen einige Arten an solchen reicher zu sein als andere. 

Berücksichtigt man die angegebenen Zahlenverhältnisse, so erhält 
man eine zweigipfelige Curve, welche, neben dem Hauptgipfel der 
Dieotylen, noch einen kleinen Nebengipfel auf der Ordinate der Tri- 
cotylen hat. So fand ich z. B. für Cannabis sativa in meiner Ernte 
von 1894, als der Gehalt an „Tricotylen“ (d. h. an allen Aberranten 
dieser Reihe) etwa 10°/, war, auf 800 Keimpflanzen: 


Dicotylen Hemitriec. Trieot. Hemitetracot. u. Tetracot. 
126 24 46 4 
Oder in °/,: 90.8 3.0 5.7 0.5 


Fig. 28. Oenothera hürtella. Zwischenformen zwischen einer dieotylen Keimpflanze A 
und einer tricotylen @. Von jeder Pflanze ist ein normales Keimblatt weggelassen 
worden. (Cultur 1900.) 


Will man für die einzelnen Grade der Spaltung verschiedene 
Ördinaten aufstellen, so stösst man auf die Schwierigkeit, welche die 
Wahl der Gruppen bildet. Diese Schwierigkeit rührt zum Theil da- 
her, dass die Stiele der Cotylen noch lange fortfahren zu wachsen, 
nachdem die Keimblätter selbst bereits ihre definitive Gestalt an- 
genommen haben. Im Allgemeinen findet man aber Verhältnisse, 
welche sich durch die Fig. 29 darstellen lassen. Diese Curve hat die 
Form, welche auch bei anderen Anomalien häufig gesehen wird.! 

Während die Dicotylie sich als ein nicht variirendes Merkmal 
herausstellt, hat also die Tricotylie eine starke fluktuirende Variation. . 


! Vergl. Abschnitt V und: Sur les courbes galtoniennes des monstruosites. 
Bull. Scientif. de la France et de la Belgique. Publie par A. Gıaro. T. XXVI. 
1896. 8. 397. r 


Das Vorkommen von Tricotylen als Halbrassen und als Mittelrassen. 217 


Die Grenze zwischen den Dicotylen und den extremen Minus-Varianten 
der Tricotylen ist stets leicht und sicher zu beobachten, weil der Gipfel 
der Keimblätter zuerst die definitive Form annimmt, und auch eine ganz 
geringe Spaltung deutlich zu sehen ist; dabei bedingt die Seltenheit 
solcher Extreme, dass Fehler auf dieser Grenze fast nicht zu befürchten 
sind. Die Grenzen zwischen den übrigen, kleineren Gruppen sind unscharf 
und willkürlich. Diese Schwierigkeit fällt aber bei der Ermittelung der 
Erbzahlen weg, da hier stets sämmt- 
liche Keimpflanzen, welche an einem 
oder an beiden Samenlappen Spaltung | 
zeigen, zu einer einzigen Gruppe ver- | 
einigt und als Tricotylen im weiteren 
Sinne aufgeführt werden. 

Die dicotylen Keimpflanzen werde 
ich in der Regel als Atavisten be- 
zeichnen." In käuflichen Samenproben 
würde dieses allerdings nicht zutreften; 
in meinen Öulturen, welche fast aus- 
nahmslos mit der Wahl tricotyler Indi- 
viduen anfingen, ist diese Bezeichnung 
offenbar völlig berechtigt. Man kann 
dann dem Worte „dicotyl“seineumfassen- 
dere systematische Bedeutung lassen. | 
Der Atavismus ist also auch hier ein 
Schwanken zwischen zwei empirisch 
bekannten Extremen.? Fig. 29. Schematische Vorstellung 

; E der fluktuirenden Variation der Tri- 

Soweit meine Erfahrung reicht, cotylie. Die Dieotylen und die Tri- 

sind tricotyle Keimpflanzen. bei culti- <otylen bilden die beiden Gipfel, die 
s : B . Hemitricotylen und Tetracotylen 
virten Arten viel weniger selten als bei (mitsammt den Hemitetracotylen) die 
wildwachsenden, und bei den letzteren übrigen ÖOrdinaten. 
vorzugsweise in den Samen der bota- 

nischen Gärten, weniger unter den im Freien eingesammelten Samen 
zu finden. Und unter den cultivirten Pflanzen sind wiederum die 
Arten der Grosscultur bevorzugt vor denjenigen, welche nur in kleinem 
Umfange angebaut werden. 

Ebenso erhielt ich meine Mittelrassen vorzugsweise unter den 
Arten der Grosscultur, sei es nun der landwirthschaftlichen oder der 
gärtnerischen. Als Beispiel der ersteren nenne ich den Hanf; aus 


1 _ [| 
Dice. Hemitricot. Trie. Tetracot. 


! Vergl. Band I, S. 482. 
® Band I, S. 485. 


218 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


der letzteren das Löwenmaul und den Klatschmohn. Diese drei be- 
nutzte ich zu meinen Kreuzungsversuchen und daneben noch die 
Oenothera hirtella, eine ganz neue, zufällig aufgefundene Art. Es ist 
nicht unmöglich, dass die Cultur im Grossen die Entstehung neuer 
Rassen begünstigt. 

Anomalien, welche im Freien oder in der Öultur der betreffenden 
Arten häufig gefunden werden, deuten auf Mittelrassen,! die seltenen 
aber auf Halbrassen, wie wir dieses im ersten Bande für eine Reihe 
von Fällen behandelt haben, und wie es namentlich für Verbänderungen 
bekannt ist. Diese Regel hat ihre volle Anwendung auf die Tri- 
cotylie. In käuflichen oder durch Tausch erhaltenen Samen findet 
man nur selten mehr als einige wenige Procente. Aber es leuchtet 
ein, dass man nicht erwarten darf, dass die sämmtlichen Samenträger 
auf dem Felde gleichviel tricotyle Keime geliefert haben. Es muss 
also das käufliche Saatgut eine Mischung sein und einen mittleren 
(Gehalt geben, der vielleicht weit niedriger sein kann als derjenige 
der an tricotylen Kindern reichsten Exemplare. Hieraus ergiebt sich, 
dass man eine richtigere Beurtheilung nur dann bekommen wird, 
wenn man aus der ersten Samenprobe eine Reihe von Pflanzen 
erzieht, und von diesen die Samen, nach möglichst isolirter Blüthe, 
getrennt einerntet. Selbstverständlich wird man für eine solche Cultur 
eine Wahl treffen müssen und vorzugsweise die Trieotylen oder doch 
diese im weiteren Sinne nehmen. Durch Aussaat und Auszählen der 
getrennt geernteten Samen erhält man dann individuelle Erbzahlen. 

Die Wahl der cultivirten Exemplare hängt, trotz aller Sorgen, 
wesentlich vom Zufall ab, denn wie wir später sehen werden, sind 
die Tricotylen keineswegs bessere Erben als alle Dieotylen; im Gegen- 
theil, es können unter diesen bisweilen viel bessere vorkommen, nur 
hat man, ausser der Cultur, kein Mittel, sie ausfindig zu machen. 
Die Erfahrung lehrt aber, dass, wenn man eine nicht zu kleine Gruppe 
bis zur Samenreife heranzieht, man sich vom Zufall insoweit unab- 
hängig machen kann, dass wohl einer oder der andere Samenträger 
eine verhältnissmässig hohe Erbzahl aufweist, falls die ursprüngliche 
Saat überhaupt solche in den Componenten der Mischung enthalten 
hat. Es ergiebt sich nun bald, dass man trotz aller Zwischenstufen 
zwei Hauptgruppen unterscheiden kann. In der einen findet man aus- 
schliesslich niedrige individuelle Erbzahlen, von 0—3°/, oder nur wenig 
darüber; in der zweiten daneben aber auch wenigstens einzelne höhere, 
nicht selten 10—20 °/,, ganz vereinzelt sogar 30—40 °/, erreichend. 


ı Band I, S. 432. 


' Das Vorkommen von Tricotylen als Halbrassen und als Mittelrassen. 219 


Bietet die Cultur im Garten keine Veranlassung für die Annahme 
eines besonderen Einflusses, so liegt der Unterschied zwischen den 
Erbzahlen der käuflichen Samenprobe und der in obiger Weise selbst- 
geernteten Samen ausschliesslich in der Thatsache der Vermischung 
der käuflichen Samen, und der Isolirung der selbstgeernteten. Da 
aber im Laufe der vorhergehenden Generationen auf den Handels- 
gärtnereien oder in den landwirthschaftlichen Sameneulturen jährlich 
solche Vermischungen stattgefunden haben, so leuchtet ein, dass 
Samenarten, welche jährlich einige bevorzugte Individuen enthalten, 
auch in der Mischung eine etwas höhere Procentzahl werden geben 
können als andere. Und so kann der Gehalt in der käuflichen Probe 
oft mit grosser Wahrscheinlichkeit die Aussichten verrathen, welche 
die Probe bei weiterer Cultur bieten wird. 

In den folgenden Paragraphen werde ich meine Versuche mit 
diesen beiden Hauptgruppen ausführlich beschreiben, hier will ich 
aber das erhaltene Resultat voranstellen. Es lautet: 

Weitaus die meisten Arten enthalten in Bezug auf Tri- 
ceotylie nur die Halbrasse; einige wenige enthalten neben- 
bei auch die Mittelrasse. Ist diese in der käuflichen oder 
durch Tausch erhaltenen Probe vorhanden, so lässt sie sich 
leicht und schnell isoliren, ist sie nicht vorhanden, so lässt 
sie sich auch bei vieljähriger Anstrengung durch Selection 
nicht darstellen. Die Halbrasse und: die Mittelrasse sind hier, wie 
sonst, scharf getrennte Einheiten, welche nicht, oder doch nur durch 
Zufall, in einander übergehen. 

Bisweilen, aber im Grossen und Ganzen sehr selten, kann man 
schon auf den Culturfeldern und in den Gärtnereien sich ein Urtheil 
über die Aussicht auf tricotyle Mittelrassen bilden. Solches ist der 
Fall, wenn bei Arten mit decussirter Blattstellung die tricotylen 
Exemplare im späteren Leben dreizählige Hauptstämme bilden. Ich 
habe hierauf besonders Acht gegeben, als ich beim Anfang meiner 
Versuche die grossen Handelsgärtnereien Erfurt’s besuchte. Da fielen 
mir die dreizähligen Individuen von Antirrhinum majus auf den Feldern 
auf. Von den Gärtnern wurden sie weder bemerkt noch berück- 
sichtigt, mir haben sie aber als Anhaltspunkt gedient für meine erste 
tricotyle Mittelrasse. 

Das Wesen der tricotylen Halb- und Mittelrassen er- 
kennt man nur an den Erbzahlen,! nicht an den sichtbaren 


‘ Ueber die bei der Beurtheilung von Erbzahlen zu berücksichtigende 
Latitüde vergl. $3 dieses Abschnittes, $. 123. 


220 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


Eigenschaften der Individuen. Die Anzahl bezw. die Spaltung 
der Cotylen an einem gegebenen Exemplare entscheidet an sich gar 
nichts. Im Allgemeinen geben tricotyle Pflanzen eine etwas bessere 
Aussicht auf eine an dreizähligen Keimen reiche Ernte; die Erfahrung 
lehrt aber, dass der Unterschied nur ein geringer ist, und dass auch 
die Trieotylen von mittlerem oder gutem Erbwerth gar häufig in 
dieser Beziehung von manchen ihrer atavistischen Geschwister über- 
troffen werden. Hauptsache ist aber, dass sowohl die Halbrasse als 
die Mittelrasse stets aus beiden Typen von Individuen zusammen- 
gesetzt sind; bei der ersteren sind die Tricotylen selten, bei der 
letzteren sind, unter normalen Umständen, beide Formen in etwa 
gleichen Verhältnissen gemischt. Auch enthalten beide Rassen alle 
die verschiedenen Stadien der Hemitricotylen, und, obwohl seltener, 
auch Hemitetracotylen u. s. w. 

Man kann somit einer einzelnen Pflanze nicht ansehen, 
zu welcher Rasse sie gehört. Nur ihre Abstammung ent- 
scheidet, und wo diese unbekannt ist, kann nur eine mehr oder 
weniger vollständige Nachzucht uns belehren. Wir haben hier einen 
maximalen Fall der im ersten Bande mehrfach erörterten trans- 
gressiven Variabilität.! Alle Formen der Halbrasse kommen in der 
Mittelrasse stets und in jeder nicht allzu kleinen Aussaat vor; anderer- 
seits kann die Halbrasse bei genügendem Umfang der Öultur ohne 
Zweifel auch alle Formen der Mittelrasse hervorbringen. Es giebt 
keine morphologische Grenze, obgleich die physiologische Grenze völlig 
fest ist, und in meinen Versuchen nie überschritten wurde. Die Tri- 
cotylen der Halbrasse führen nicht etwa zu der Mittelrasse, und ebenso 
wenig führen die Atavisten der Mittelrasse zur Halbrasse zurück. 
Die beiden Rassen sind ebenso scharf und unabänderlich getrennt, 
als wir solches im vierten Abschnitt des ersten Bandes für so zahl- 
reiche Fälle und namentlich für die fünfblätterige Rasse des Roth- 
klees gesehen haben. Nur ein seltener Zufall, nur eine Mu- 
tation, könnte die eine in die andere überführen. Dieses zu 
beobachten gelang mir aber bis jetzt noch nicht. 

In Versuchen hat die Beurtheilung der Individuen somit stets 
nach ihren Erbzahlen stattzufinden, ob sie selbst zwei oder drei oder 
gespaltene Keimblätter haben, ist dabei völlig Nebensache. Die Aus- 
wahl von Tricotylen zur Fortsetzung einer Rasse war in meinen Cul- 
turen allerdings überall, wo sie möglich war, die Regel; sie erhöht 
die Aussicht, einerseits die schlechtesten Erben auszuschliessen, und 


! Band I, Abschnitt II, S 25, S. 308 u. s. w. 


Das Vorkommen von Tricotylen als Halbrassen und als Mittelrassen. 221 


andererseits die besten einzuschliessen. Aber nur um ein Geringes, 
wie meine wiederholt gemachten Atavisten-Öulturen lehren (vergl. 
unten, $ 22). 

In Bezug auf diese Erbzahlen bietet die Halbrasse uns eine 
halbe Curve; weitaus am zahlreichsten pflegen die Individuen mit 
nur oder fast nur dicotylen Kindern zu sein, und mit zunehmendem 
Gehalt an Tricotylen nimmt die Anzahl der Individuen meist rasch 
ab (Fig. 30). Durch Selection der Individuen mit den höchsten Erb- 


3337 15 %0 25 30 35 40 45 50 55 6065 70735 


01 0407101316 1922 25 28 313. 75 
U 702116790700 71677:331371 


3 
%15409353 000 


o 


Fig.30. Oenotherarubrinervis,trieotyle Fig. 31. Oenothera hirtella, tricotyle Mittel- 
Halbrasse. Curve der Erbzahlen der rasse. Erbzahlen der Pflanzen von 1896, 
Pflanzen von 1394. Höchste Erbzahl und zwar sowohl von Atavisten als von Tri- 
3-7°/,. Die oberen Zahlen geben den cotylen. Die Erbzahlen schwanken zwischen 
procentischen Gehalt an Erben, die 15 und 95°/,. Bedeutung der Zahlen dieselbe 
unteren die Anzahlen der Individuen ; wie in Fig. 30. 

mit diesem Gehalt. Die Ordinaten ver- 

halten sich wie diese Zahlen.! 


zahlen lässt sich die Curve in demselben Sinne verbessern wie bei 
anderen Halbrassen, z. B. wie bei Aanunculus bulbosus semiplenus 
(vergl. 8 23, Bd. 1, 8.586). 

Die Curven der Erbzahlen der Mittelrassen pflegen auf etwa 
50°/, zu gipfeln, sind aber für Auslese und Lebenslage sehr empfindlich. 
Fig. 31 giebt eine solche Curve für Oenothera hirtella, welche auf etwa 
65 °/, gipfelt. Wählt man aus dieser Gruppe die Pflanzen mit den 
niedersten Erbzahlen zur Fortsetzung der Cultur, so kann man zu 
Erbzahlen gelangen, welche die besten der Halbrasse erreichen oder 
überschreiten. Auch hier ist die Variabilität somit eine transgressive, 


_ Die Procentzahlen sind in diesem Versuche aus Zählungen von je 
300 Keimpflanzen pro Mutter abgeleitet; die Anzahl der Ordinaten ist aber auf 
/s redueirt. 0-1 bedeutet somit: 0—0-2, ebenso 0-4: 0-3—0-5 u.s.w. Die 
tricotylen Halbrassen von Dracocephalum moldavieum und Pentstemon gentianoides 
gaben ähnliche Curven. (Ernte von 1894.) 


222 Kreuxungen trieotyler Rassen. 


ohne aber zu einem Uebergang der einen Rasse in die andere zu 
führen. 

Halbrassen und Mittelrassen sind also sowohl in Bezug auf die 
Formen der Individuen als auf ihre Erbzahlen höchst variable Rassen. 
Andererseits sind sie aber völlig constant, da sie durch Öultur weder 
in einander noch auch in andere Typen übergehen. Sie verhalten 
sich wie die grosse Mehrzahl der entsprechenden Rassen mit anderen 
Anomalien.! 

+ 


S 17. Tricotylen, Hemitricotylen und Tetracotylen. 
Die im Gartenbau weit verbreitete Ansicht, dass Bastarde Mittel- 


bildungen zwischen den Typen ihrer Eltern sind, und dass somit 
Mittelbildungen als Bastarde betrachtet werden dürfen, würde leicht 


Fig. 32. Silene odontipetala. A eine hemitricotyle, B eine tricotyle, C eine tetra- 
cotyle Keimpflanze. 1900. 


zu der Ansicht führen können, dass die Hemitricotylen Bastarde 
seien zwischen Dicotylen und Tricotylen. Denn Mittelbildungen sind 
nie ohne Zweifel, namentlich dann, wenn der eine Samenlappen etwa 
bis zur Hälfte gespalten erscheint. Aber bereits das Vorkommen einer 
continuirlichen Reihe von Zwischenformen (Fig. 28, S. 216) zwischen 
zwei- und dreikeimblätterigen Pflänzchen lässt die erwähnte Vor- 
stellung als unrichtig, oder doch wenigstens als ungenügend erscheinen. 
Die Entscheidung gehört aber dem Experimente an. Daher habe ich 
beı meinen Kreuzungen zwischen dicotylen Exemplaren von Halbrassen 
und tricotylen Individuen von Mittelrassen stets genau auf das Vor- 
kommen von hemitricotylen Keimen aus den Samen Acht gegeben. 


ı Band I, S. 426. 


Tricotylen, Hemitricotylen und Tetracotylen. 223 


Solche sind aber unter diesen Bastarden ebenso selten wie 
sonst. Die Bastarde sind fast ausnahmslos zweikeimblätterig; nur 
finden sich unter ihnen einige wenige Hemitricotylen und Tricotylen 
beigemischt, ähnlich wie in den Halbrassen. Umgekehrt liegt somit 
kein Grund vor, Keimpflanzen mit gespaltenen Samenlappen für Hy- 
briden anzusehen. 

Sie sind einfach Varianten des tricotylen Typus. Dafür spricht 
auch das Vorkommen von Keimen, in denen die beiden Cotylen ge- 
spalten oder gar verdoppelt sind. Sie können schwerlich für Bastarde 
gehalten werden, kommen aber in den tricotylen Mittelrassen so regel- 
mässig und so zahlreich vor, dass sie einfach als Plus-Varianten der- 
selben Eigenschaft zu bezeichnen sind. Solches lehrt ferner die 
Möglichkeit, dass sich an Tetra- 
cotylen wiederum der eine oder an- 
dere Samenlappen spaltet. Dieses 
führt zu den Pentacotylen und 
Hexacotylen u. s. w., welche aber 
selbstverständlich sehr selten sind. 
Echte nur durch solche Spaltung 
entstandene Pentacotylen sah ich 
2. B. bei Serophularia nodosa, Ama- 
rantus speciosus, Oenothera Lamarcki- 
ana und Papaver Rhoeas (Fig. 33). 

Wie bereits oben bemerkt 
wurde, sind die Hemitricotylen und 
Tetracotylen in der Regel seltener = 0 aBanen (%ocaz ar lalhenkallt- 

£ 5 üthige Culturform. Dicotyle, hemitrieo- 

als die Trieotylen, auch wenn man tyle, trieotyle, tetracotyle und pentacotyle 
alle Minus- und Plus-Varianten Keimpflanzen, aus den Samen von 1599. 
in diesen Gruppen zusammenfasst. 
Man beobächtet solches bereits in den käuflichen Samenproben, noch 
deutlicher aber, wenn man die Samen der aus jenen Proben ge- 
wonnenen Pflanzen für jede einzeln aussät. So fand ich z. B. unter 
den Samen einer Pflanze von Asperula axurea setosa von 1892 auf 
1170 Keimlingen 3 Hemitricotylen, 15 Trieotylen und 3 Tetracotylen;: 
und in der Ernte eines anderen Individuums derselben Cultur auf 
550 Keimpflänzchen 2 Hemitricotylen und 5 Trieotylen. Und bei 
Amarantus speciosus in der gesammten Ernte eines Versuches von 
1892 auf 13000 gezählten Keimpflanzen 202 Hemitricotylen, 245 Tri- 
eotylen und 22 Tetracotylen und Hemitetracotylen. In der ersteren 
Gruppe gab es 47 untief, 58 mittelmässig und 97 tiefgespaltene. 
Ebenso in anderen Versuchen. 


224 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


Die Bedeutung der Hemitricotylen und Tetracotylen wird aber 
erst dann völlig klar, wenn man sie weiter cultivirt, möglichst isolirt 
blühen lässt, und die Zusammensetzung ihrer Ernte mit derjenigen 
der tricotylen Individuen aus derselben Cultur vergleicht. Man findet 
dann, dass sie nicht vorzugsweise ihren eigenen Typus wiederholen, 
sondern sich in der Regel verhalten wie die Tricotylen. Geringe 
quantitative Unterschiede können vorkommen; qualitative giebt es 
aber nicht. Namentlich scheint es unmöglich, die beiden Nebentypen 
derart zu isoliren und zu accumuliren, dass man rein hemitricotyle 
oder tetracotyle Zuchtrassen bekommen würde. 

Ich fange mit der Betrachtung der Hemitricotylen an. Diese 
habe ich wiederholt isolirt und auf ihre Erbzahl geprüft, namentlich 
für Amarantus speciosus und Cannabis sativaa Wählt man bei Ama- 
rantus für das Auspflanzen theils Hemitricotylen, theils Tricotylen, so 
erhält man das eine Mal für die ersteren, das andere Mal für die 
letzteren die höheren Erbzahlen. Aber mit geringen Differenzen. So 
gab die Ernte von 1892 auf je etwa 20000 gezählte Keimpflanzen 
für die ersteren im Mittel 2°/,, für die letzteren im Mittel 3-5 %,. 
Auch gab es unter den ersteren etwas mehr Hemitricotylen als Tri- 


cotylen, aber mit einer Differenz von nur 0:1°/, auf je etwa 10000 


Keimpflanzen, wobei dann noch die verschiedenen Grade der Spaltung 
zusammengezählt worden sind. Ich habe ferner in den Jahren 
1592—1895 durch drei Generationen die Hemitricotylen und die 
Trieotylen getrennt weiter gezüchtet, unter stetiger Auslese der Indi- 
viduen mit der höchsten Erbzahl. Die höchsten erhaltenen Werthe 
schwankten in diesen vier Jahren für die Hemitricotylen zwischen 
4-2 und 8-5°/,, im Mittel 5-5°/,, für die Tricotylen zwischen 3-6 
und 7-4°/,, im Mittel 5-7°/,. Es scheint also nahezu gleichgültig 
zu sein, ob man für die Zuchtwahl Hemitricotylen oder Trieotylen 
auspflanzt. Von Cannabis sativa erzog ich im Sommer 1894 je ein 
Beet von beiden Typen; die Hemitricotylen gaben Erbzahlen von 
1—26, die Tricotylen von 4—14°/,, im Mittel 11 und 9°/,. Bei 
Pentstemon gentianoides gaben die gespaltenen Formen im Mittel 2-8°/,, 
die Tricotylen aber 2-9°/,, u. s. w. Im Ganzen und Grossen sind 
wesentliche Differenzen in den Vererbungserscheinungen zwischen den 
hemitricotylen und tricotylen Exemplaren derselben Öultur nicht vor- 
handen. Und diese Regel wird später fast als selbstverständlich 
erscheinen, wenn wir sehen werden, dass in den rein gezüchteten 
Rassen auch die Atavisten sich nicht wesentlich anders verhalten als 
die Tricotylen (vergl. $ 22). 

Wir kommen jetzt zu den Tetracotylen. Hier stossen die 


Tricotylen, Hemitricotylen und Tetracotylen. 225 


Experimente zunächst auf die Schwierigkeit, die wirklichen Typen von 
anderen zu unterscheiden. Denn nicht selten kommen Zwillinge vor, 
d. h. doppelte Keimpflanzen. In diesen ist die Achse mehr oder 
weniger tief gespalten; es sieht aus, als ob zwei Keime der Länge 
nach mit einander verwachsen wären. Geht die Spaltung von oben 
bis in das hypocotyle Glied, so giebt es zwei getrennte Gruppen von 
Samenlappen, welche oft in ungleicher 
Höhe stehen. Solche Fälle wird man 
somit mit Tetracotylen nicht leicht 
verwechseln, wenn auch der Zwillings- 
keim thatsächlich vier Samenlappen 
trägt (Fig. 35). Trifft die Spaltung 
aber nur die Achse oberhalb der 
Keimblätter, so stehen diese in einem 
Kreise, und die Keimpflanze ist nicht 
von derjenigen zu unterscheiden, in der 
nicht die Achse, sondern die Samen- 
lappen selbst gespalten sind. Erst beim 
weiteren Wachsthum des Stammes er- 
kennt man dann den wahren Sach- 
verhalt. Bleibt aber die Verdoppelung 
bis hoch hinauf ohne Spaltung, so 
pflegen eigenthümlich fasciirte Exem- 
plare zu entstehen. Es bleibt dann 
oft die wahre Natur der vorliegenden 
Verhältnisse im Dunkeln. 
Namentlich bei Amarantus speci- IR 
osus habe ich nicht allzu selten solche Fig. 34. Acer Pseudo-Platanus, eine 
Ziliuge beobachtet (ig, 33); ferner ne, Keimlayn de Ace 
ura Siramonium, Acer Pseudo- In der Spaltung stehen zwei Blätter, 
Platanus (Fig. 34) u. s. w.! Unsere deren Stiele im unteren Theile mit 
Fis. 36 stellt einen Theil eines en ee u 
Stammes einer tetracotylen Pflanze 
von Amarantus speciosus vor, der in einiger Höhe oberhalb der Ein- 
pflanzung der Cotylen sich spaltete und in der Gabelung zwei Blätter 
trug, deren Mittelrippen auf der ‘Rückseite bis ein wenig unterhalb 
der Spitze verwachsen waren. In den Achseln dieser beiden Blätter 
stand je ein kleines Zweiglein mit einer kleinen terminalen Inflorescenz 


! Vergl. L. J. L£ser’s umfassende Arbeit über die Anomalien an den Keim- 
blättern von Acer Pseudo-Platanus. Bull. Soc. Linn. Normandie. 1889. p. 199 
mit Tafel. 


DE VrIES, Mutation. II. 15 


226 Kreux zungen tricotı yier Rassen. 


und einem Ben dieser einen Ans Bade Weiter 
aufwärts waren die beiden Gabeläste normal gebaut. 

Fig. 34 stellt eine Keimpflanze von Acer Pseudo-Platanus mit vier 
Samenlappen vor, welche ich im Frühling 1887 im Freien aufgefunden 
und dann in meinen Garten übergepflanzt habe. Hier entwickelte sie 
ihren Stamm. Sobald dieser sich deutlich gespalten hatte und gerade 
bevor die Cotylen abfallen würden, habe ich das Exemplar ser 
um es nachher zu photographiren. 

Es ist wohl selbstverständlich, dass die Zwillinge nicht zu der 
tricotylen Rasse gehören, d. h. dass sie ihre Anomalie einer anderen 
elementaren Eigenschaft verdanken. Sie sollten also weder bei Keim- 
zählungen mitgezählt, noch auch als Samenträger ausgepflanzt werden. 
Da man sie aber nur in bestimmten Fällen richtig unterscheiden 


| 


A B C D E 


Fig. 35. Keimpflanzen von Amarantus speciosus. 4 Tetracotyl. B Zwilling; die 

Spalthälften der Achse mit je 2 Samenlappen. C Zwilling, deren eine Spalthälfte 

triecotyl ist. D Hemipentacotyl, das einzige Exempjar in einer Aussaat von über 
20000 Keimlingen. E Trisyneotyle Pflanze. (Ernte von 1893.) 


kann, liess sich solches bisher nicht immer durchführen. Und daher 
mag es zum Theil kommen, dass ich bisweilen yon tetracotylen Indi- 
viduen schlechtere Erbzahlen erhalten habe, als von den Tricotylen 
aus derselben Cultur. 

Im Uebrigen verhalten sich die Tetracotylen bei der Vererbung 
nicht wesentlich anders als die Tricotylen. Aus ihren Samen gehen 
vorzugsweise, neben den Atavisten, Tricotylen hervor, mit Hemi- 
tricotylen und Tetracotylen in den üblichen untergeordneten Verhält- 


nissen. In der Ernte von 1894 gab meine tricotyle Halbrasse von 


Serophularia nodosa im Mittel 2°/, und im Maximum 5-5°/, Tricotylen 
pro Mutterpflanze. Neben diesen dreikeimblätterigen Müttern erntete 
ich von zwei Tetracotylen die Samen und erhielt 0-5°/, und 3°), 
als Erbzahl. Auf etwas über 2000 Keimlingen lieferten diese beiden 
Zählungen 30 Tricotylen, 3 Hemitricotylen und nur 2 Tetracotylen. 


Trieotylen, Hemitricotylen und Tetracotylen. 227 


Dagegen gab eine tetracotyle Pflanze von Asperula azurea aus ihren 
Samen 7°/,, und die verwandten tricotylen Mütter nur 2°/, (1892). 
Von jenen 7°/, waren 5°/, tricotyl, 1°/, tetra- und 1°/, hemitricotyl. 
Von Amarantus speciosus erzog ich die Tetracotylen durch zwei Gene- 
rationen (1893 und 1894). Im Sommer 1893 blühten auf einem 
Beete 9 tetracotyle Exemplare; 3 erwiesen sich als fascürt, die übrigen 
ergaben Erbzahlen von 1—7-5°/, (auf je 
500—1000 Keimen), im Mittel 5°/,, wäh- 
rend die gleichzeitige Tricotylen-Cultur 
2-5— 7-5, im Mittel 4-5°/, als Erbzahl 
ergab (15 Mütter mit je 700—1000 ge- 
zählten Keimpflanzen). Also keine wesent- 
- liche Differenz. Die tetracotylen Mütter 
lieferten zusammen nur 6 tetracotyle Keime 
auf etwa 4000, die tricotylen 13 auf etwa 
10000 Keimen, sie verhielten sich also auch 
in dieser Beziehung als Varianten derselben 
Rasse. Als ich nun die tetracotylen Kinder 
der tetracotylen Mütter zur Fortsetzung der 
Rasse in 1894 gewählt hatte, erhielt ich in 
deren Ernte keinen weiteren Fortschritt, 
auch erreichte der Procentgehalt an Tetra- 
cotylen nur 0-2. 

Man kann die Frage aufwerfen, ob das 
Verhältniss der Tetracotylen zu den Tri- 
cotylen vielleicht einfach den Gesetzen der 
Wahrscheinlichkeitsrechnung folgt. Man 
denkt sich die Spaltung eines Samenlappens 
nach jenen Gesetzen über eine Gruppe von _ | 
2. B. hundert Keimen vertheilt und frägt, ae ER 
wie viele Male bei jedem Procentgehalt eine tetracotylen Pflanzemitzweiam 
Keimpflanze zwei Spaltungen erhalten, und Rücken verwachsenen Blättern 

\ in der Gabelung und mit deren 
also tetracotyl oder hemitetracotyl werden Achselsprossen. 
würde. Wenn z. B. über 100 Keimpflanzen 
mit 200 Cotylen 50 Spaltungen vertheilt werden, wie oft wird es 
dann voraussichtlich vorkommen, dass eine Pflanze zwei Spaltungen 
bekommt? 

In derselben Weise würde man die Aussicht auf Pentacotylen 
berechnen können. Ohne hier auf diese Berechnungen näher ein- 
zugehen, leuchtet ein, dass der Gehalt an Tetracotylen mit zu- 
nehmendem Gehalt an Tricotylen im Allgemeinen zunehmen wird, 

152 


228 Kreuxungen tricotyler Rassen. 


und zwar unabhängig von der betreffenden Pflanzenart. Eine solche 


Unabhängigkeit besteht aber thatsächlich nicht; es giebt Arten, welche 


verhältnissmässig äusserst arm an Tetracotylen sind, und andere, 
welche daran reich sind. = #s Antirrhinum majus stets nur etwa 
1—2 °/, Tetracotylen (Fig. 27 D, S. 214) auf, auch wenn der Gehalt an 
Tricotylen bis 79%, ernste no sind Oenothera hirtella, Sero- 
phularia nodosa und Cannabis sativa arm an Tetracotylen. Letztere 
hatte deren meist nur etwa 1—3-5°/,, auch wenn die ganze Erbzahl 
63°/, betrug (in 20 Einzelbestimmungen). Dagegen zeigten sich andere 


Arten auffallend reich an Tetracotylen, wenigstens in meinen Rassen. 


Aus meinen Culturen von 1894—1896 habe ich weit über hundert 
Einzelbestimmungen zusammengestellt, in denen die Hemitricotylen, 
Trieotylen und Tetracotylen für jede Keimprobe auf meist etwa 300 
Keimpflanzen besonders gezählt waren. Ich habe daraus, neben dem 
procentischen Gehalt an spaltblätterigen Keimen, das Verhältniss 
dieser zu den Tetracotylen berechnet, und gebe im Folgenden an, 
wie viel Tetracotylen auf jedes Hundert Tricotylen im weiteren Sinne 
kommen. Dieses Verhältniss wechselte für Amarantus speeiosus bei 
2—10°/, und für Cannabis sativa bei 6—52°/, Tricotylen zwischen 


1 und 7; für Mercurialis annua bei 8—86 °/, Trieotylen zwischen 


1—16; für Silene inflata bei 27—73°/,, Olarkia pulchella bei 6—16°], 
und Helichrysum bracteatum bei 3—41°/, Tricotylen zwischen 2 und 28. 
In den einzelnen Bestimmungen ist diese Verhältnisszahl wegen der 
geringen Anzahl der Tetracotylen in den einzelnen Samenproben 
selbstverständlich bedeutenden Schwankungen unterworfen, und für 
ein eingehendes Studium würde es umfangreicher, besonders zu diesem 
Zweck angestellter Öulturen bedürfen. Ich führe daher nur eine Ver- 
suchsreihe mit Clarkia pulchella an, welche zeigt, wie im Grossen und 
Ganzen das Verhältniss der Tetracotylen zu den Tricotylen mit der 
Anzahl der letzteren zunimmt. | 
Procentischer Gehalt an Triotylen 6 7 14 16 27 55 62 6 
Anzahl der Tetracotylen auf jedes 
Hundert Trieotylen . » . . ae 5 10 18, 22a 
Aehnlich verhielten sich die Zahlen für Phacelia tanacetifola, 
Papaver Rhoeas, Helichrysum bracteatum und Mercurialis annua. 


S 18. Einfluss der Tricotylie auf die Blattstellung. 


Elementare Eigenschaften pflegen sich nicht durch ein einziges 
äusseres Merkmal, sondern durch mehrere zu verrathen. Oft erkennt 
man unter diesen leicht eins als das primäre, und bezeichnet die 


Einfluss der Tricotylie auf die Blattstellung. 229 


übrigen dann als secundär. Oft aber bleibt man auch darüber in 
Zweifel, was man als primäre und was als secundäre Aeusserung 
ansehen soll. Weissblüthige Varietäten von rothen oder blauen Arten 
zeigen den Verlust der Farbe oft auch in den Früchten, oder in den 
Blättern und dem Stengel; nicht selten sind sie als Keimpflanzen 
bereits an der rein grünen Farbe zu erkennen. Meine neuen Oeno- 
theren unterscheiden sich von der Stammesart in mehreren, oft in 
vielen Merkmalen, und trotzdem entstehen sie jedesmal mit allen 
diesen Eigenschaften plötzlich. Diese müssen also alle als aus einer 
einzigen inneren Umwandlung hervorgegangen betrachtet werden. Eine 
einzige neue elementare Eigenschaft kann somit die Aeusserungen 
einer ganzen Reihe älterer innerer Eigenschaften mehr oder weniger 
stark beeinflussen und abändern. 

Wir betrachten die Tricotylie, bis auf Weiteres, als die primäre 
Aeusserung einer bestimmten inneren Anlage, welche bei zahllosen, 
wenn nicht bei fast allen dicotylen Pflanzen- 
arten im semilatenten Zustande vorkommt, und 
in einer vorläufig kleinen Reihe von Fällen 
auch activ neben der Dicotylie auftritt. Es 
fragt sich nun, ob dieselbe innere Anlage sich 
auch im späteren Leben der Pflanze wird 
zeigen können. Die Tricotylie ist ein Fall 
von abnormaler Ausbildung der Blattstellung, 
und es liegt somit auf der Hand, zu erwarten, De Sn 
dass dieselbe Ursache auch sonst Anomalien in dosa. Eine tricotyle Keim- 
der Anordnung der Blätter herbeiführen kann. Pflanze mit dem ersten, 

2 ' gleichfalls dreigliederigen 

Solches ist nun auch thatsächlich der Fall.  Blattwirtel 3; Odie Cotylen. 
Zunächst kann die dreigliederige Blattstellung Aus der Ernte von 139). 
am Hauptstamme sich erhalten (Fig. 37), wenn 
nämlich die Art sonst decussirte Blattstellung, hat. Dieses geschieht 
entweder in allen oder nur in den unteren Wirteln, und dann bietet 
der Uebergang oft die gewöhnlichen Zwischenformen der gespaltenen 
Blätter u.s.w.! Aber auch andere Störungen der Blattstellung können 
auf die Tricotylie folgen, unter denen die Zwangsdrehungen und Ver- 
bänderungen, sowie die sogenannten endständigen Blätter die wich- 
tigsten sind. Von diesen verschiedenen Vorkommnissen, welche sich 
in meinen Versuchen sehr häufig, ja oft fast regelmässig zeigten, 
werde ich in diesem Paragraphen einige der wichtigsten beschreiben.? 


! Derpino, Teoria della Fillotassi. 
® Weiteres in: Eine Methode, Zwangsdrehungen aufzusuchen. Ber. d. d. bot. 
Ges. 1894. Bd. XII.. S. 25. 


230 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


Vorher möchte ich aber hervorheben, dass die fraglichen Ano- 
malien eine oftenbare genetische Beziehung zu der Spaltung bezw. 
Verdoppelung der Cotylen aufweisen, wenn auch diese Beziehung 
näherer Erforschung noch sehr bedürftig ist. Andere Bildungs- 
abweichungen trifft man an tricotylen Individuen zwar auch bisweilen 
an (z. B. bunte Blätter, durchwachsene Blüthen und Blüthenköpfchen), 
aber nicht häufiger als sonst. Auch findet man nicht bei jeder Art 
unter den Tricotylen vorzugsweise die nämlichen Anomalien, sondern 
es scheint, dass bestimmte Arten (oder doch bestimmte käufliche 
Rassen von diesen) eine gewisse Vorliebe für bestimmte Abweichungen 
haben. Sowohl Zwangsdrehungen als Fasciationen treten bei einigen 
Pflanzen relativ häufig, bei anderen nur selten auf. Und gipfel- 
ständige Blätter sind bis jetzt nur in ganz wenigen Beispielen be- 
obachtet worden. 

Auf dieser innigen Beziehung zwischen der Tricotylie und den 
späteren Anomalien der Blattstellung beruht eine einfache Methode, 
solche Anomalien aufzusuchen. In der Natur und in den Gärten sind 
Verbänderungen allerdings etwas so Gewöhnliches, dass besondere 
Mittel, um sie zu bekommen, nicht erforderlich sind. Aber Zwangs- 
drehungen sind sehr viel seltener,! nur ein glücklicher Zufall spielt 
sie einem in die Hände. Will man sich von diesem Zufall unab- 
hängig machen, so greift man zu der Cultur von Cotylvarianten, da 
diese auf die fragliche Anomalie bedeutend mehr Aussicht bieten 
als beliebige andere Exemplare derselben Art. Bisweilen in der 
ersten, oft auch erst in der zweiten Generation, kann man dann, bei 
genügendem Umfang der Versuche, darauf rechnen, solche zu finden, 
und einmal erhalten, lassen sie sich durch die gewöhnliche Auslese 
weiter verbessern. Statt vieler Fälle nenne ich ein einziges Beispiel. 
MOorREN hat auf einer Wiese unweit Lüttich eine sehr schöne Zwangs- 
drehung von Dracocephalum speciosum gefunden,” und als ich seine 
Beschreibung gelesen hatte, lag mir ganz besonders daran, auch selbst 
eine solche Torsion bei dieser Art oder doch wenigstens bei dieser 
Gattung untersuchen zu können. Ich wählte dazu Dracocephalum 
moldavicum, welche sich als einjährige Gartenpflanze empfahl. Im 
Frühling 1392 suchte ich aus einer käuflichen Samenprobe die einzige 
hemitricotyle Keimpflanze (unter 20000 Keimlingen) aus, und erzog 
aus dieser während fünf Generationen eine Rasse, welche anfangs 


! Monographie der Zwangsdrehungen. Prisssueim’s Jahrbücher f. wiss. Bot. 
Bd. XXIH. S. 116. 
®? Bull. Acad. Roy. Belg. T. XVII. 8. 37. 


Binftuss der Trieotylie an de > Blattstellung. 231 


nichts Bnıse zeigte, im zweiten .J ae Va im En 
Spuren von Zwangsdrehungen und endlich im vierten sehr schöne 
Torsionen hervorbrachte. Eine von diesen hat den ganzen Haupt- 
stamm in ein schraubenförmiges Gewinde umgewandelt (Fig. 38). 
Glücklicher Weise erreicht man aber, bei solchen Versuchen, sein 
Ziel gewöhnlich in einer viel 
kürzeren Reihe von Jahren. 

Tricotyle Exemplare von 
Arten mit decussirter Blatt- 
stellung tragen sehr häufig am 
Stamme die unteren Blätter in 
dreigliederigen Wirteln. Bis- 
weilen bis oben, oder bis zur 
Inflorescenz hinauf, bisweilen 
oben in die decussirte Stellung 
zurückschlagend. Gar oft folgt 
letztere auch sofort auf die 
Keimblätter (Fig. 40B). Alle 
diese Fälle kann man in der- 
selben Cultur aus den Samen 
einer einzigen Mutter be- 
obachten. So z. B. nament- 
lich bei Antirrhinum majus und 
Serophularia nodosa, bei welchen 
Arten ich mehrfach als Samen- 
träger die in den ersten Wirteln 
dreizähligen Tricotylen vor den 
anderen vorgezogen habe. Doch 
haben sie sich in der Regel 
nicht als bessere Erben der Fig. 38. Dracocephalum moldavicum. Zwangs- 
Rasse bewährt. Weitere Bei- drehung eines Hauptstammes als Ergebniss 

: 5 3 e eines vierjährigen Zuchtversuches. (Vergl. 
spiele sind Dipsacus sylvestris, unten, Fig. 46, 8. 244.) 
Lychnis fulgens, Dracocephalum 
moldavicum, Dianthus barbatus u. s. w. Von Acer Pseudo-Platanus hatte 
ich im Frühling 1887 einige tricotyle Keimpflanzen; zwei von ihnen 
sind jetzt hohe Bäumchen, deren Hauptstämme bis im Gipfel ihre 
Aeste in dreigliederigen Wirteln tragen. 

Die Seitenzweige der dreizähligen Hauptstämme pflegen allgemein 
zur decussirten Blattstellung zurückzukehren; die unterirdischen Aus- 
läufer (z. B. Valeriana offieinalis) oder die am Boden sich abzweigenden 
Nebenstengel (z. B. Dianthus barbatus) bieten aber mehrfache Ausnahmen. 


232 Kreuzungen iriceolyler Rassen. 


In tricotylen Culturen werden bisweilen zweikeimblätterige Indi- 
viduen später dreizählig. So besitze ich ein dreizähliges Exemplar 
von Aesculus Hippocastanum (jetzt 13 Jahre alt), welches nur zwei 
Cotylen hatte, und aus derselben Saat eine Pflanze, welche tricotyl 
war, seitdem aber nur decussirte Blätter hervorbrachte. Die Ver- 
änderung der Blattstellung trat in beiden Pflänzchen ein, bevor die 
Cotylen abgestorben waren. Bei Dipsacus sylWestris torsus, welche 
Rasse an dreigliederigen Individuen reich zu sein pflegt, sind diese 
in der ersten Jugend fast ausnahmslos decussirt. 

Auf der Grenze zwischen den drei- und den zweigliederigen 
Wirteln sind 21/,-gliederige gar nicht selten. Ich meine solche, 


Fig. 39. Fagus sylvatica, dreikeim- Fig. 40. Mercurialis annua. A Normale 
blätterige Keimpflanzen. 4A mit Keimpflanze; C die Cotylen; 1 erstes und 
dreigliederigem Wirtel der ersten 2 zweites Blattpaar. B Tricotyle Keim- 
Blätter, B mit einem gabelnervigen, pflanze, deren erste Blätter paarweise 
zweigipfeligen Blatte. stehen. (1900.) 


welche ein normales und ein mehr oder weniger tief gespaltenes 
Blatt haben. Alle Grade der Spaltung (bezw. Synfise) findet man 
hier, so namentlich häufig in den tricotylen Rassen von Antirrhinum 
majus und Serophularia nodosa, wo sie im ersten oder im zweiten 
oder in einem späteren Wirtel den Uebergang zu der Decussation 
bilden. Bei der Auswahl der Samenträger habe ich auch hierauf 
stets geachtet, obgleich es dafür eigentlich nur von untergeordneter 
Bedeutung ist. Weitere Beispiele gespaltener Blätter beim Uebergang 
der Tricotylie in die spätere normale Anordnung boten mir Dianthus 
barbatus, Lychnis vespertina, Polygonum Fagopyrum, Collinsia helerophylla, 
Anagallis grandiflora und mehrfach auch Fagus sylvatica (Fig. 39), sowie 
viele andere Arten. Da die Erscheinung bei etwas umfangreichen 


Einfluss der Tricotylie auf die Blattstellung. 233 


Aussaaten eine ganz gewöhnliche ist, und, namentlich bei perennirenden 
Pflanzen, beim Uebergang der einen Blattstellung in die andere auf 
derselben Achse, wie DELPINO gezeigt hat, gleichfalls nicht selten 
beobachtet wird, so brauche ich sie hier nicht weiter auszumalen. 
Bisweilen trägt der Hauptstamm einer tricotylen Pflanze seine Blätter 
auch in viergliederigen Wirteln (Scabiosa atropurpurea). 
Verbänderungen folgen häufig auf Tricotylie, bisweilen schon in 
den ersten Monaten, bisweilen erst im späteren Leben. Mercurialis 
annua und Amarantus speciosus lieferten mir davon bei vieljähriger 
Cultur fast jedes Jahr eine Reihe von Bei- 
spielen; bei ersterer Art oft unten im 
Stamme anfangend, bei letzterer meist erst 
oben in der Inflorescenz (vergl. Fig.47 8.252). 
Bei Mercurialis liefert meine tricotyle Rasse 
fast alle Formen der Verbänderungen. Fig. 41 
zeigt eine tricotyle Pflanze, deren Stamm 
vom ersten auf die Cotylen folgenden Knoten 
an gespalten war, und somit nur im epi- 
cotylen Internodium verbändert. Von da bis 
zu centimeterbreiten flachen, und vielfach ge- 
krümmten Stengeln giebt es bei dieser Art 
alle Zwischenstufen. Von Acer Pseudo- Plata- 
nus sammelte ich im Frühling 1887 unweit 
Hilversum eine grosse Auswahl von hemi- 
tricotylen, tricotylen und tetracotylen Keim- 
pflanzen (vergl. Fig. 3“) ‚und ass sie Fig. 41. Mercurialis annua. 
während einiger Jahre. Die meisten habe 4 "tricotyle Keimpflanze mit 
ich weggeworfen, als sie zur decussirten gespaltenem Stamm. 2 eine 
Blattstellung zurückgekehrt waren. Aber ER n 
reigliederig ist. C Hemitri- 
sieben von diesen Bäumchen sind jetzt noch cotyle Pflanze. (1900.) 
am Leben, zwei mit dreigliederigem Stamme 
(S. 231), vier mit decussirter Blattstellung und eins mit einem mehr- 
fach verbänderten Hauptstamm. Dieser Stamm hatte mit drei Cotylen 
angefangen, war dann zweizählig und im zweiten Jahre (1889) wiederum 
dreizählig geworden. Im Herbst des folgenden Jahres fing er an 
sich zu verbändern, bildete drei fünfblätterige Wirtel und spaltete 
sich bei der Anlage der Winterknospe. Ich brach dann die End- 
knospen bis auf eine ab; diese spaltete sich im Frühling bei ihrem 
Wachsthum wieder (Mai 1891) und zwar in drei flache Zweige, von 
denen wiederum zwei entfernt wurden. Im Sommer wiederholte sich 
die Verbänderung, ebenso, nach Spaltung im. Winter, im nächsten 


234 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


Jahre (1892) und wiederum in 1893. Jedesmal ‘wurden die Gabel- 
äste bis auf einen weggeschnitten. Später waren die Spaltungen viel 
seltener, und rundeten sich die älteren, anfangs flachen Stammes- 
abschnitte durch das Dickenwachsthum allmählich ab, wie solches bei 
Verbänderungen von baumartigen Formen Regel ist.! 
Verbänderungen an tricotylen Exemplaren beobachtete ich ferner 
bei Antirrkinum majus, Artemisia Absynthium, Scabiosa atropurpurea, 
Dianthus plumarius, Collinsia heterophylla, ©. grandiflora, C. violacea und 
Tetragonia eapansa (Fig. 42). 
An Tetracotylen bei Serophularia 
nodosa, Collinsia violacea u. a.° 
Dass Fasciationen an tri- 
cotylen Pflanzen häufiger sind 
als an zweikeimblätterigen In- 
dividuen, habe ich in zahlreichen 
Culturen beobachtet; ich führe 
aber zur näheren Begründung 
einen Versuch mit Asperula 
axzura an. Aus käuflichen 


Fig. 42. Tetragonia expansa. A gabelig gespaltener Ast. B kammförmig verbreiterte 
Endblüthe eines verbänderten Hauptstammes. 


Samen dieser niedlichen einjährigen Gartenpflanze (Fig. 43) habe ich 
im Frühling 1892 die Hemitri-, Tri- und Tetracotylen ausgesucht, 
ihre Samen gesammelt und im nächsten Jahre die gleichnamigen 
Cotylvarianten und die Atavisten getrennt ausgepflanzt. Es waren 
37 von ersterer Gruppe und 15 Atavisten. Die ersteren lieferten 
zusammen 28 verbänderte Stengel und Aeste, die letzteren nur 4. 
Also etwa 75°/, und 27°/,. Ich bemerke dabei, dass ich alle erhält- 
lichen Üotylvarianten ausgepflanzt habe, und dass diese theils nur 


! Kruidk. Jaarb. Gent. 1894. Tafel XI. (Abies excelsa.) 
®2 Berichte d. d. bot. Ges. Bd. XIlI. S. 38. 


Einfluss der Tricotylie auf die Blattstellung. 235 


schwache Pflänzchen lieferten, während ich von den Atavisten die 
kräftigsten jungen Individuen auswählte. Diese aber haben, trotz der 
“ grösseren individuellen Kraft, und trotz ihrer Abstammung von tri- 
cotylen Eltern, sehr bedeutend weniger Fasciationen hervorgebracht 
als die Tricotylen. 

Wir kommen jetzt zu den Zwangsdrehungen. Solche kamen in 
mehreren meiner tricotylen Rassen seit 1893 nahezu jährlich und 
häufig in grösserer Anzahl vor. Es waren meist ziemlich lange, 


Fig. 43. Asperula Fig. 44. Melampyrum pratense. Tetracotyle 
azurea. Pflanze mit spiraliger Blattstellung. (1887.) 


stark gedrehte Partien des Hauptstammes oder der stärkeren Seiten- 
äste, welche, nach unten und nach oben an normale decussirte oder 
ternate Theile grenzend, die Blätter bisweilen in einer sehr steilen 
Spirale, bisweilen in einer geschlossenen Reihe auf der einen Seite 
des Stengels tragen.! Ausser in meinen Rassen fand ich Zwangs- 
drehungen an tricotylen Exemplaren aus käuflichen Samenproben bei 
Anagallis grandiflora, Collinsia bieolor, ©. heterophylla, C. violacea, Dianthus 


ı Abgebildet in. Ber. d. d. bot. Ges. Bd. XII. Tafel II, Fig. 9 und 10. 


236 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


plumarius, Fedia scorpiordes, Scabiosa atropurpurea nana, Silene noctiflora 
und Zinnia elegans. Ferner in der zweiten Generation bei Asperula 
axurea setosa und Viscaria oculata.! 

Schliesslich erwähne ich eine tetracotyle Pflanze von Melampyrum 
pratense (Fig. 44), deren erste Blätter oberhalb der Cotylen, statt 
decussirt zu sein, in einer sehr unregelmässigen Spirale angeordnet 
waren. Ich fand sie im Sommer 1887 im Freien unweit ’S Graveland. 
Sie ist deshalb wichtig, weil man meinen könnte, dass eine Spaltung 
der beiden Cotylen und namentlich eine beiderseits gleich tiefe Spaltung 
stattfinden könne, ohne irgend eine Veränderung in der Blattstellung 


Fig. 45. Antirrhinum majus, Keimpflanzen mit terminalen Blättern. 4 tricotyl, die 

übrigen sind Atavisten aus derselben Rasse. 4A, B ein einziges terminales Blatt. 

C die beiden Blätter des ersten Wirtels einseitig verwachsen und terminal. D ter- 
minaler diphyller Becher. 


mit sich zu führen. Solches kommt allerdings auch oft vor, der vor- 
liegende Fall deutet aber auf eine tiefere, sich nicht immer auf die 
Cotylen beschränkende Ursache hin. 

Terminale Blätter sind bis jetzt in der Teratologie eine äusserst 
seltene Erscheinung. Meine tricotylen Rassen von Antirrhinum majus 
haben mir aber die Gelegenheit gegeben, solche zu wiederholten Malen 
und in Hunderten von Exemplaren zu beobachten (Fig. 45). 

Sehr bekannt ist das grosse terminale Blatt von Gesnera Geroltiana, 
welches MorrEn beschreibt, und dessen Abbildung in die Teratologie 


! Ber. d. d. bot. Ges. 1. e. S. 32—35, und die dort auf Tafel Il gegebenen 
Abbildungen. 


Einfluss der Tricotylie auf die Blattstellung. 237 


von Masters übergenommen wurde.! Die Pflanze trägt nur ein nor- 
males Blattpaar, dann geht der Stengel in ein senkrecht aufgerichtetes 
Blatt von doppelter normaler Grösse über. Man erkennt aber in 
der Abbildung den Knoten, auf welchen es eingepflanzt ist, und die 
einfachste Erklärung dieser sonderbaren Erscheinung ist die, dass 
man. annimmt, dass dort aus irgend einem Grunde die Anlage des 
zweiten Blattes und das Wachsthum der Endknospe frühzeitig gestört 
wurde. BErNouLGı erwähnt ein ähnliches scheinbar terminales Blatt 
von Coffea arabica, und konnte sich für diesen Fall von der Richtig- 
keit der Erklärung durch mikroskopische Beobachtungen überzeugen.? 
Er beschreibt auch eine Stammspitze von Fuchsia macrostemma, welche 
an ihrem Ende ein trichterförmiges Blatt trägt. 

Solche Gebilde, sei es von einzelnen, sei es von doppelten oder 
trichterförmig verwachsenen Blättern, tragen nun die erwähnten Rassen 
des Löwenmauls in der grösstmöglichen Abwechselung. Alle Zwischen- 
stufen zwischen diesen und normalen Pflanzen kommen vor. Und 
zwar vorwiegend an den Keimpflanzen, meist den ersten oder zweiten 
Blattwirtel ersetzend, selten den dritten oder einen höheren, sehr 
selten im späteren Laufe des Lebens. Im Frühling 1894 hatte ich 
von der rothblühenden Sorte eine grössere Aussaat, welche auf vielen 
Hunderten von Keimpflanzen etwa 1°/, solcher Abweichungen hervor- 
brachte. In späteren Jahren hatte ich deren meist mehr, im Früh- 
ling 1897 sogar etwa 10°/, in sehr ausgedehnten Saaten einer gestreift- 
blüthigen tricotylen Rasse, was mir gestattete, ein grösseres Material 
in vollständigen Reihen auf Spiritus aufzubewahren. Am wichtigsten 
sind die Fälle, in denen man mit dem unbewaffneten Auge neben 
dem terminalen Blatte die Rudimente des gegenüberstehenden Blattes 
und der Endknospe deutlich sehen kann. Ich habe solche Pflänzchen 
vielfach ausgepflanzt, in der Hoffnung, sie noch für meine Zucht- 
ceulturen zu retten, ‘meist aber vergeblich. Sie trieben den Haupt- 
stamm nicht oder nur kümmerlich aus, und bildeten aus der Achsel 
eines tieferen Blattes oder eines Samenlappens einen Seitenzweig, 
der aber nur schwach blieb. 

Bisweilen ist das dem Endblatte gegenüberstehende Organ etwas 
besser ausgebildet, meist aber ohne Hülfe des Mikroskopes nicht zu 
sehen. Ist dann das terminale Glied einnervig, so betrachte ich es 


! Cu. Morren. Bull. Acad. Belg. T. XVII. Part. II. S.387; M. T. Masters, 
Vegetable Teratology. S. 88, Fig. 40 und in Daummer’s Uebersetzung, S. 109, 
Fig. 41. 

? G. Bernouruı, Ueber scheinbar terminale Blätter. Botan. Zeitung. 1869. S. 19. 


238 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


als ein einzelnes Blatt (Fig. 45 A, 5). Ist das Gebilde aber zweigipfelig, 
mit verdoppeltem oder gespaltenem Nerven (Fig. 45 C), so vertritt es 
die beiden Blätter des Paares. Bisweilen sind diese nur einerseits 
verwachsen, der Stiel ist flach aber deutlich verbreitert, die Insertions- 
stelle leicht kenntlich. Oft aber ist der Stiel an seinem Grunde 
beiderseits verwachsen und bildet eine kleine Röhre, welche die 
Endknospe und den Vegetationspunkt umschliesst. Ist die Ver- 
wachsung beiderseits eine bedeutendere, so entstehen terminale 
Asceidien, welche in den meisten Fällen sich deutlich als zweiblätterig 
zu erkennen geben (Fig. 45 D). 

Der Umstand, dass eine so seltene teratologische Erscheinung 
bei zwei alten Varietäten einer selben Art — der einfarbig rothen 
und der gelb und roth gestreiften — so regelmässig gefunden wird, 
deutet vielleicht darauf hin, dass die betreffende Eigenschaft beim 
Löwenmaul eine sehr alte ist, und bei genauerer Prüfung auch wohl 
bei anderen ÜÖulturvarietäten, vielleicht sogar bei der wilden Stamm- 
form nachgewiesen werden würde. Dass ich sie in tricotylen Rassen 
auffand, braucht nicht auf eine ursächliche Beziehung zu weisen, da 
ich beim Anfang meiner Culturen sofort die Tricotylen ausgewählt 
und allein von ihren Samen weiter cultivirt habe. Gäbe es eine solche 
Beziehung, so wäre die Thatsache, dass die Anomalie sowohl an zwei- 
als an dreikeimblätterigen Exemplaren vorkommt, sehr wichtig, denn 
sie würde zeigen, dass nicht die sichtbare Tricotylie selbst, sondern 
die entsprechende innere Eigenschaft als die Ursache anzusehen wäre. 
Hoffentlich giebt der Reichthum, in dem man sich jetzt die Anomalie 
verschaffen kann, einmal Veranlassung, auf diese Fragen näher ein- 
zugehen. 


$ 19. Tricotyle Halbrassen. 


Sehr viele Arten enthalten in nicht allzu kleinen Samenproben 
einzelne tricotyle Keime. Man braucht also, um einen Culturversuch 
anzufangen, nur ein genügendes Samenquantum zu kaufen und aus- 
zusäen. Die Saat liefert dann entweder keine Aberranten, oder deren 
sehr wenige, oder eine merkliche Anzahl. Im ersteren Falle bleibt 
die Möglichkeit offen, bei noch umfangreicherer Saat dennoch einzelne 
Tricotylen zu erhalten; im zweiten können die Varianten als Aus- 
sangspunkt der Rasse weiter cultivirt werden und hat man Aussicht, 
eine Halbrasse zu bekommen. Im dritten Falle endlich besteht die 
Aussicht auf eine an Tricotylen reiche Mittelrasse. 

Fast jährlich habe ich solche Versuche gemacht, namentlich aber 


Trieotyle Halbrassen. 239 


im Frühling 1895. Ich säte damals von etwa 40 Arten von einjährigen 
Blumenpflanzen je 20 Gramm Samen aus, oder bei sehr feinkörnigen 
Samen geringere Quanta, in der Absicht, mehrere tausend Keimpflanzen 
von jeder Art zu untersuchen. Ich führe zunächst die Arten der 
dritten Categorie an, welche also so viele Aberranten hatten, dass sich 
eine Mittelrasse erwarten liess, welche Erwartung, soweit geprüft, sich 
auch bestätigt hat, wie wir im nächsten Paragraphen sehen werden. 


Trieotylen in käuflichen Samen. 
(Frühling 1895.) 


Arten Dieotylen Hemitricot. Trieot. Tetrac. 
Chrysanthemum inodorum plenissimum 1000 3 32 0 
Silene orientalis aba . -» » . ...9000 3 7 0 
Papaver Rhoeas fl. pleno . . . . 3000 1 15 1 
Clarkia pulchella alba . . .» » . 4000 B) ) 0 
Glaueium luteum - - - » ». .  . 16000 0 15 0 
Nigella hispanica alba . » » . .. 10000 0 15 0 
Phacelia tanacetifolia. . .» . . .. 16000 fe) 18 0 
Helichrysum bracteatum . . . . . 35000 ) 16 3 


Mit Ausnahme von Silene, Glaucium und Nigella habe ich aus 
diesen Aussaaten die Mittelrassen isolirt! Wie bereits früher erwähnt, 
pflegen die Hemitri- und Tetracotylen seltener zu sein als die typischen 
Tricotylen. Einen sehr hohen Gehalt an Tricotylen (31 auf 100 Keim- 
pflanzen) hatte im Frühling 1902 eine Samenprobe von Lobelia Brinus. 

Sehr geringe Ernten an Tricotylen lieferten Silene hirsuta, welche 
deren 3 auf S0000 Samen hatte, und ferner mit 1—2 Exemplaren 
auf je etwa 10 000 Keimen: Argemone grandiflora, Aster tenellus, Olarkia 
elegans, Godetia amoena, Hyoseyamus pictus, Silene Armeria u. a. Keine 
Trieotylen erhielt ich bis jetzt in Saaten von dem erwähnten Umfang 
bei Argemone mexicana, Datura laevis, Hyoscyamus albus, Nigella damas- 
cena, Phacelia texana u. s. w. Von 8 Arten von Cerinthe prüfte ich 
je 800 Samen und erhielt nur bei ©. bicolor, C. gymnandra und C. major 
je eine tricotyle Pflanze, sonst keine. 

Die hier erwähnten Samen waren aus der Handelsgärtnerei der 
Herren HaagE & Schmivr in Erfurt bezogen. Es ist nicht un- 
wahrscheinlich, dass man, wenn man Samen derselben Arten aus 
ausländischen Gärtnereien beziehen würde, andere Rassen treffen 
könnte, falls nämlich zwischen den betreffenden Firmen und den 
Erfurter Gärtnern kein Samenaustausch besteht. 


240 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


Samen von wildwachsenden Arten enthalten gleichfalls nicht 
selten Tricotylen, aber wie es scheint, meist nur in geringeren Mengen. 
Aussicht auf Mittelrassen boten sie mir bis jetzt noch nicht. Ich 
nenne als Beispiele Raphanus Rapkanistrum und Epilobium hirsutum, 
von denen ich 1 bezw. 2 Thricotylen in grösseren Saaten fand. 
Stammen die Samen der wilden Arten aus botanischen Gärten, so 
ist bisweilen der Gehalt an Trieotylen grösser, so z. B. bei Silene 
noctiflora (1892) 20 auf etwa 10000 Keimen. Von Bäumen fand ich 
bis jetzt tricotyle Keimpflanzen häufig bei Acer Pseud- Platanus und 
Fagus sylvatica, ferner bei Robinia Pseud- Acacia und Tlimus campestris. 

Um die Erbkraft der in solchen Saaten gefundenen Üotyl- 
varıanten beurtheilen zu können, habe ich sie mehrfach ausgepflanzt 
und isolirt blühen lassen. Man findet dann höhere Zahlen. So bei 
cultivirten Arten z. B. Oelosia eristata 2°|,, Chrysanthemum Myconis 
1—2°/,, Oenothera longiflora 1°/,, O. mollissima 1°/,, O. undulata 1°], 
Aylopleurum tetrapterum 2°/,, Podolepis gracilis 2 °/,, Tetragonia expansa 
2°/,, Veronica longifolia 4°/,, und bei wilden Sorten: Chenopodium 
album 1°/,, Thrineia hirta 1°/, u. s. w., die beiden letzteren durch 
je drei Generationen. Weitere Beispiele geben die unten zu er- 
wähnenden Anfänge meiner Öulturrassen. 

Vergleichen wir die gegebenen Verhältnisse mit Ausschluss der- 
jenigen Arten, welche an Tricotylen so reich sind, dass sie vermuth- 
lich Mittelrassen enthalten, so finden wir in den käuflichen, oder 
durch Tausch erhaltenen, oder im Freien eingesammelten Samen- 
proben meist 0—1—2 Trieotylen auf etwa 10000 Samen, während 
nach Isolirung der Tricotylen ihre Ernte meist etwa 1—2°/, enthält. 
Die ursprüngliche Samenmischung muss also die Samen von sehr 
vielen Individuen ohne tricotyle Nachkommen enthalten haben. 

Neben der Erbkraft der aus den gekauften Samen unmittelbar 
aufgegangenen Pflanzen, d. h. dem procentischen Gehalt an Tricotylen 
unter ihren Kindern nach isolirter Blüthe, steht die Frage, ob diese 
Erbkraft durch eine weitere Auslese im Laufe der Generationen sich 
wesentlich steigern lässt, oder ob sie in der Hauptsache dieselbe 
bleibt. Wie bereits mehrfach hervorgehoben, lehrt meine. Erfahrung, 
dass es in dieser Beziehung zwei Fälle giebt. Bei einigen Arten 
gelangt man leicht durch Auslese zu einem Gehalt von 
50 °/, Trieotylen und darüber, bei anderen gelingt solches 
auch bei vieljähriger Ausdauer nicht. Die Frage ist also, ob 
in der gegebenen 'Samenprobe eine Mittelrasse vorhanden ist oder 
nicht. Ist sie da, so lässt sie sich sofort isoliren, ist sie 
nicht da, so ist keine Selection im Stande, sie zu erzeugen. 


Trieotyle Halbrassen. 241 


sprechen, die misslungenen Selectionsversuche aber zerfallen in zwei 
Gruppen, je nachdem es sich sofort oder erst viel später herausstellt, 
dass keine Mittelrasse zu bekommen ist. In der ersten Gruppe gab 
es entweder gar keinen Fortschritt in der Erbzahl, oder doch einen so 
geringen, dass ich nach 3—4 Generationen die Culturen aufgegeben 
habe. Denn wenn man nach dieser Zeit nur bis 1—2°/, oder höchstens 
4°, gelangt ist, oder bei einer höheren Zahl nur ein Hin- und Her- 
schwanken und keine regelmässige Zunahme sieht, wie viele Jahre 
müsste man dann wohl arbeiten, um den vollständigen Beweis zu 
liefern, dass nichts zu erreichen ist. Diese kürzeren Versuche sollen 
in diesem Paragraphen behandelt werden. 

In der zweiten Gruppe habe ich namentlich zwei Culturen durch 
längere Zeit fortgesetzt, und zwar mit Amarantus speciosus bis jetzt 
durch neun Generationen, und mit Scrophularia nodosa durch zehn 
Generationen; beide sind noch im Gange, obgleich es jetzt wohl über 
allen Zweifel erhaben sein dürfte, dass sie aussichtslos sind. (Vergl. 
$ 20.) Aber, wie ich bereits im ersten Bande betonte (S. 570), es 
sind gerade die misslungenen Selectionsversuche, welche uns den 
tiefsten Einblick in das Wesen der elementaren Eigenschaften geben. 

Nach dieser Uebersicht komme ich zu der Beschreibung meiner 
Versuche. Ich erwähne dabei nur diejenigen, welche in der bestimmten 
Hoffnung angefangen sind, eine tricotyle’ Rasse zu züchten, und welche 
ausschliesslich mit diesem Zweck während etwa 3—-4 Generationen 
fortgesetzt wurden, bis sich zeigte, dass nur eine Halbrasse zu er- 
halten war. Der Umfang der Culturen war ein sehr verschiedener, 
je nach der Bedeutung, welche ich ihnen anfangs beilegte. Ich be- 
handle zunächst, die Oenothera rubrinervis, weil diese Halbrasse später 
zu einer Kreuzung zwischen einer Halb- und einer Mittelrasse benutzt 
wurde ($ 25). 

Oenothera rubrinervis. Auf S. 192 des ersten Bandes ist im 
‘ Stammbaum der Laevifolia-Familie die Entstehung von 2 Exemplaren 
von O. rubrinervis im Jahre 1889 verzeichnet. Diesen beiden Mutanten 
folgten von 1890-1895 sechs Generationen, in deren ersteren bis 
1891 keine Tricotylen beobachtet wurden. Solche zeigten sich im 
Frühling 1892, und mit ihnen fing die Cultur der tricotylen Halb- 
rasse an. Aus vielen Tausenden von Keimlingen suchte ich die Tri- 
cotylen aus und pflanzte sie einzeln in Töpfe mit stark gedüngter 
Erde. Ich erhielt 22 kräftige Pflanzen, welche an einer isolirten 
Stelle frei blühten. Die Samen wurden für jede Mutter getrennt 
eingesammelt, die Mütter dabei in der Reihenfolge der individuellen 

DE VRIES, Mutation. II. 16 


242 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


Kraft mit Nummern belegt. Die fünf kräftigsten Pflanzen lieferten 
auf je 700—900 Keimlingen 1-5, 1-9, 2-3, 2-6 und 2-8°/, Tricotylen; 
die übrigen, schwächeren Exemplare nur 0—1°/,, im Mittel aus 
8000 Keimen 0-7°/,. Die Erbzahl 2-8°, wurde auf einer sehr 
kräftigen Pflanze erhalten, sie wurde in den drei folgenden 
Generationen, trotz der Auslese, fast nie wieder erreicht 
und kaum überschritten. 

Nur von den fünf besten Müttern wurden Kinder ausgepflanzt, 
und zwar nur tricotyle Exemplare; es waren nahezu 70 Stück, welche 
einzeln in Töpfe mit gedüngter Erde gesetzt wurden (1893). Mitte 
Mai kamen sie, in Entfernungen von etwa 30 Cm., aufs Beet, wo 
sie im August isolirt, aber unter gegenseitiger Kreuzung durch In- 
sekten blühten. Im Frühling 1594 wurden für jedes Exemplar die 
Samen getrennt ausgesät, und als die Keimlappen völlig entfaltet 
waren, für jede Mutter 300 und für die 20 anscheinend besten je 
1000 oder mehr Keimlinge gezählt. Im Ganzen umfassten die 
Zählungen 45 000 Keimpflänzchen, und lieferten sie 170 Tricotylen, 
also etwa 0-4,/. Unter ihnen waren 12 Hemitricotylen und 1 tetra- 
cotyles Exemplar. Auch gab es einzelne Syncotylen. Die besten 
Mütter hatten nur 0-8S—1-1°/,. Von ihnen, sowie von einigen mit 
0-5—0-6 °/, wurden die tricotylen Kinder, soweit sie kräftige Pflänzchen 
waren, in derselben Weise ausgepflanzt wie im vorigen Jahre. Wäh- 
rend der Blüthe wurde die Inflorescenz einer jeden Pflanze mittelst 
eines Pergaminbeutels vor Insektenbesuch geschützt und künstlich 
befruchtet, in der Hoffnung, dadurch vereinzelte bessere Erben sicherer 
zu ermitteln. 

Ueber die Ernte von 1894 habe ich S. 221 nach den im Früh- 
ling 1895 gemachten Zählungen eine Öurve gegeben. Es gab zwei 
Mütter, welche gegenüber den früheren Jahren einen Fortschritt 
zeigten, da sie 3-5 und 3-7°/, Erben hatten, doch war der Unter- 
schied kein sehr wesentlicher. Es waren im Ganzen 87 Samen- 
träger. Da ich im Jahre 1594 die Kinder der einzelnen Grossmütter 
von 1593 gruppenweise zusammengepflanzt hatte, konnte ich jetzt 
nicht nur eine Wahl zwischen den Müttern, sondern auch zwischen 
den Grossmüttern treffen. Nur von derjenigen Grossmutter, 
deren Kinder im Mittel die höchste Erbzahl hatten, wurden 
Grosskinder ausgepflanzt. Durch eine solche Grossmutter- 
wahl wird also trotz der grösseren Culturen der Stammbaum schliess- 
lich wieder ein individueller, in jeder Generation nur ein ausgewähltes 
Individuum umfassender. Die Methode vereinigt also dieses Princip 
mit der grösseren Sicherheit, welche durch umfangreichere Öulturen 


Trieotyle Halbrassen. 243 


und durch die doppelte Wahl erreicht wird. Ich habe sie auch 
sonst vielfach angwandt. 

Ausgepflanzt wurden somit von einer Grossmutter mit 1-0°/, 
und von ihren sechs Kindern mit 0-9—2-1°/, im Ganzen 54 tricotyle 
Exemplare (1895). Diese wurden beim Anfang der Blüthe alle zusammen 
durch feine Gaze überdeckt und gegen Insectenbesuch geschützt, und 
später täglich oder jeden zweiten Tag künstlich befruchtet. Für jede 
Pflanze wurden etwa 300 Keime gezählt; die Erbzahlen waren meist 
0—1-2, im Mittel 0-8°/,; zwei Mütter hatten 1-4 und eine 2-0). 
Also wiederum kein Fortschritt. Die Kinder der sechs Mütter bildeten 
Gruppen, welche unter sich nur sehr geringe Unterschiede zeigten 
(drei mit 0-7 und drei mit 0-8°/, im Mittel). 

Stelle ich die im Laufe der (Generationen erhaltenen höchsten 
Erbwerthe zusammen, so habe ich also 


Frühling 
1893 1894 1895 1896 
Höchste Erbzahlen 2.80 1:19, SE 2.0. 
Ausgewählte Samenträger 2-8 „ 10% 21%, — 


Man sieht also ein Schwanken innerhalb ziemlich enger Grenzen, 
aber keinen Fortschritt im Laufe von vier Generationen. Es schien 
mir daher überflüssig, den Versuch noch weiter fortzusetzen. Gewiss 
würde eine weitere Auslese im Laufe der Jahre eine geringe Ver- 
besserung bringen, aber wohl ohne wesentliche Bedeutung, und jeden- 
falls war die Aussicht, eine Rasse mit etwa 50°/, Tricotylen zu er- 
halten, hier nicht vorhanden. 

Wie erwähnt, werde ich in dem letzten Paragraphen dieses 
Kapitels einen Kreuzungsversuch dieser Halbrasse mit einer tricotylen 
Mittelrasse einer verwandten Art (Oenothera hirtella) beschreiben. 

Chenopodium album. Eine tricotyle Pflanze blühte 1889 isolirt 
in meinem Garten und gab auf etwa tausend Keimlingen im Früh- 
ling 1890 1°/, tricotyle. Von diesen wurden vier weiter cultivirt; 
ihre Samen gaben wiederum nur 1°/, Erben. Die dritte Generation 
war also nicht besser als die zweite. 

Dracocephalum moldavicum (Fig. 46). Im Frühling 1892 hatte 
ich aus etwa 20000 käuflichen Samen nur einen Aberranten, der 
hemitricotyl war. Seine Samen lieferten 1893 5 Triecotylen und 
2 Hemitricotylen auf 4000 Keimen, also etwa 0-2°,. Ihre Samen 
wurden getrennt geerntet, und da die Aussicht eine geringe war, in 
grösseren Mengen gezählt. Ich zählte je S00—2900, im Ganzen 
etwa 15000 Keimlinge und fand 0-2—0-4°/, an Tricotylen (und 

16* 


244 Kreuxungen tricotyler Rassen. 


Hemitricotylen). Eine Wahl war also zwischen den einzelnen Müttern 
kaum berechtigt. Es wurden ausgepflanzt (1894) 12 Trieotylen, deren 
Stamm dreizählig geblieben, und 12 Tricotylen, deren Stamm zwei- 
zählig geworden war. In dieser Cultur kamen mehrere schöne Fas- 
ciationen und einige Fälle von Zwangsdrehung vor (S. 231). Die Samen 


wurden getrennt geerntet; sie ergaben im Frühling 1895 wiederum 


nur 0-1—0-4°/, an Trieotylen. 17 Exemplare aus den Keimschüsseln 


mit 0-2—0-4°/, wurden ausgepflanzt, in Entfernungen von etwa 


1 Meter; die Samen gaben aber (1896) 
meist gar keine Tricotylen, auffünf Müttern 
aber deren 0-3—0-7 |. j 

Die Auslese hat also in vier Gene- 
rationen keinen wesentlichen Fortschritt 
herbeigeführt. 

Lychnis fulgens. Die tricotylen Keime 
dieser Art sind meist schwach, ihre Cultur 
somit schwierig und ihre Ernte gering. 
Im Jahre 1392 hatte ich eine tricotyle 
Pflanze, deren Samen 5 °/, Erben gaben. 
Aus diesen erreichte ich im Frühling 1894 
etwa 13°/,, darunter eine tetracotyle 
Pflanze; die meisten Tricotylen blieben 
nachher dreizählig. Sie gaben 3—11/, 
Erben (1895), im Mittel 6°,. .In dem 
nächsten, also fünften Generation (Früh- 
ling 1896), erhielt ich 2—8°/, Erben 
pro Mutter und von einer Mutter auf 
110 Keimen 21 Tricotylen, also 199 
Fig. 46. Dracocephalum molda- aber als sehr ungenaue Erbzahl, welche 

vicum. Ganze Pflanze. nicht als Beweis für einen Fortschritt 

betrachtet werden konnte. 

Pentstemon gentianoides. Aus käuflichen Samen hatte ich im 
Jahre 1892 vier tricotyle Pflanzen; sie gaben unter ihren Erben 
0-3, 1-0, 2-6 und 3°/, Tricotylen (1893). Von der besten Mutter 
pflanzte ich die tricotylen Keimlinge aus; es gelangten aber nur 
sechs zur Blüthe. Ihre Samen enthielten (März 1892) 4—12°/,, im 
Mittel 7 °/, Erben. Nur von den Mutterpflanzen mit 10—12/, Erben 
wurden die tricotylen Kinder ausgepflanzt. Es gelangten 8 Tricotylen, 
6 Hemitricotylen und 2 Tetracotylen zur Blüthe. Die ersteren gaben 
in ihren Samen 0—3-3, im Mittel 2-8°/, Erben, die Hemitricotylen 
1.2—5-4, im Mittel 4-8°/, und die beiden Tetracotylen 10 und 


0 


Trieotyle Halbrassen. 245 


11°/,, unter denen aber nur eine Keimpflanze wiederum vier Samen- 
lappen hatte. Es wurden die Kinder sowohl von diesen tetracotylen 
als von den besten der übrigen Mütter ausgepflanzt (1895). Ihre 
Ernte war nur für 8 Pflanzen eine ausreichende,‘ sie ergab meist 
0—12°/, und im Maximum 15 °/,. Letzteres auf 300 Keimlingen aus 
den Samen eines Kindes von einer der beiden tetracotylen Grossmütter. 

Die maximalen Erbzahlen waren also in den letzten drei Gene- 
rationen 12—11 und 15°/,, also wiederum keinen deutlichen Fort- 
schritt anzeigend. 

Polygonum Convolvulus. Eine tricotyle Pflanze blühte 1888 isolirt 
in meinem Garten. Ihre Samen gaben nur normale Keimlinge (1889). 
Aus diesen hatte ich auf 4000 Samen 1450 Keimpflanzen, unter 
denen 12 tricotyl waren. Also etwa 1°/, (1890). Von sechs tricotylen 
Pflanzen erntete ich die Samen getrennt, und erhielt auf je 1000 Keim- 
lingen 1-0—2-4°/, Erben. Aus diesen lieferte die nächste Generation, 
im Frühling 1892, von 12 Müttern meist nur 1°/,, in zwei Fällen 
1-5 und 2°/,. Es wurden 17 Exemplare ausgepflanzt; ihre Ernte 
ergab im April 18593 0-5—2°/, Erben, auf je 200—400 Keimen, von 
denen 12 Tricotylen zur Blüthe gelangten. Die nächste Generation, 
April 1894, enthielt im besten Falle 2-8 °/, Erben, die darauf folgende 
0—2°/, von acht Müttern (1895), und die letzte oder neunte Gene- 
ration nur wiederum 2 °/,. 

Silene conica. Aus durch Tausch erhaltenen Samen hatte ich 
im Jahre 1892 einige wenige Tricotylen in Blüthe. Ihre Samen 
gaben unter 1000 Keimlingen 3 Tricotylen. Ich pflanzte diese und 
einige dicotyle Keime aus und hatte im Mai 1894 0-2—1°/, Tri- 
cotylen auf je 350—800 Keimpflanzen pro Mutter. Es wurden 
8 Tricotylen ausgepflanzt, deren Ernte im Frühling 1895 bis 2°/, 
Erben gab. Aus diesen erhielt ich im Jahre 1895 die vierte Gene- 
ration, deren Samen von 4 Müttern gar keine, in einem Falle (auf 
500 Atavisten) zwei Tricotylen lieferten. 

Silene conoidea wurde, wie die vorige Art, im Jahre 1892 durch 
Tausch erhalten und gab einige tricotyle Keime. Aus deren Samen 
‚hatte ich im nächsten Frühling etwa eben so viele tricotyle Keim- 
linge wie bei der anderen Art, und in der darauf folgenden Generation 
(1894) 3°/, tricotyler Exemplare auf 407 Keimen aus Samen einer 
trieotylen Mutter. Diese 12 Tricotylen wurden dann allein aus- 
gepflanzt und ihre Samen im Spätsommer getrennt geerntet. Von 
jeder Probe wurden 300—900 Keime, und nur in zwei Fällen, in 
denen die Ernte zu gering war, 200 Keimlinge gezählt. Die Ernte 
enthielt meist 0-5—1-5 und in einem Falle (auf 316 Keimen) 3 °/, 


246 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


Trieotylen. Alle kräftigen tricotylen Keimpflanzen wurden ausgepflanzt, 
aber so, dass die Kinder der einzelnen Mütter gruppenweise zusammen- 
blieben. Für jedes Exemplar wurde die Ernte getrennt eingesammelt 
und ausgesät, und auf etwa 300 Keimen der Gehalt an Tricotylen 
bestimmt. Dieser wechselte für die 26 Samenträger zwischen 0 und 
4-2°/,. Die Gruppen zeigten keine Beziehung zu der Erbzahl ihrer 
Mütter; sowohl für die Mütter mit 0-5 °/,, als für diejenigen mit 2°/, 
und mit 3°/, hatten die Kinder im Mittel 0-6 °/,, dagegen hatten die 
12 Kinder der Mütter mit 1°/, im Mittel wiederum 1°/,, auch ergab 
sich hier die höchste Zahl 4-2 °/,. 


Die maximalen Erbzahlen in den drei auf einander folgenden 


Generationen waren somit 3, 3 und 4°/,, also wohl in der Haupt- 
sache constant. 

Bei Silene noctiflora habe ich gleichfalls während vier Generationen 
(1891— 1894) die Tricotylie verfolgt, und in dem Grade von 1—2°%, 
erblich gefunden, aber ohne darüber genauere Angaben zu machen. 

Spinacea oleracea. Der Spinat enthält in seinen Samen auch 
tricotyle Keime; ich benutzte den holländischen Spinat mit glatten 
runden Samen ohne Dornen, eine schöne, durchaus constante Form. 
Ich fand im Jahre 1892 ein tricotyles Exemplar, und erzog dieses 
inmitten einiger normaler Pflanzen, da die Art zweihäusig ist. Die 
erste Prüfung der Ernte gab auf 1000 Keimpflanzen 5 tricotyle und 
1 hemitricotyle, also 0-6°/,. Darauf wurden aus mehreren Tausend 
Keimlingen die besten Tricotylen ausgesucht. Es waren 13 Pflanzen. 
Als sie blühten, zeigten sich unter ihnen einige einhäusige Exemplare, 
wie solches bei dieser Art öfter vorkommt, und auch bei Cannabis 
sativa, Mercurialis annua u. a. beobachtet wird. Von fünf weiblichen 
oder einhäusigen Pflanzen erntete ich die Samen getrennt, und hatte 
unter den Keimpflanzen 0, 0, 0, 1 und 2°/, Erben, von denen nur 
vier zur Blüthe gelangten. Es waren ein männliches und drei weib- 
liche Exemplare, welche letzteren reichlich Samen trugen. Sie gaben 
0, 0 und 2°/, Erben, letzteres auf 430 Keimpflanzen. Im Sommer 1895 
blühten die Tricotylen, und indem ich die Ernten der einzelnen weib- 
lichen Pflanzen getrennt einsammelte, konnte ich im Frühling 1896 
den Gehalt an Erben für jede Mutter bestimmen. Dieser wechselte 
zwischen 0 und 3°/, und erreichte in einem Falle 4 °/, (Mittel 1-5°/,). 

Zusammenfassung. Die Ergebnisse der mitgetheilten Versuche 
zeigen alle, dass in den betreffenden Fällen während drei Jahren mög- 
lichst scharfer Selection kein zuverlässiger, und jedenfalls kein wesent- 
licher Fortschritt erreicht wurde. Wir können die einzelnen Beispiele 
in zwei Gruppen zusammenfassen. Meist war der Gehalt an Tricotylen 


Tricotyle Mittelrassen entstehen nicht durch Selection. 247 


1—2°/, und erreichte er 3°/, und 4°/, so selten, dass diese Zahlen 
vielleicht als Folgen der stets vereinzelt vorkommenden extremen 
Zählungsfehler betrachtet werden dürfen (vergl. Kap. I dieses Ab- 
schnittes). Bei zwei Arten war der Gehalt etwa 10—15°/,; diese 
beiden waren perennirende Formen, welche in meinen einjährigen 
Culturen nur wenig Samen bildeten. Es waren Lychnis fulgens, von 
1892—1895 mit 5, 13, 11 und 8S—19°/, Trieotylen, und Pentstemon 
gentianoides in denselben Jahren mit 3, 12, 11 und 15°/,. Sie sind 
vielleicht am besten von der weiteren Betrachtung der Gruppe aus- 
zuschliessen. Fasse ich dann meine Zahlen unter dieser Einschränkung 
zusammen, so bekomme ich ein sehr einheitliches Bild über die Erb- 
lichkeit der Tricotylie in Halbrassen bei fortwährender Selection. 
Ich erhalte dann die folgende Uebersicht: 


Erblichkeit der Tricotylie in den Halbrassen bei alljährlicher 
Selection. 


| Erste | Maximale Erbzahlen in den Frühlingen von: 
| Genera- 


tion 1890 | 1891 | 1892 | 1893 | 1894 | 1895 | 1896 

Oenothera rubrinervis . . 1392 ul 2 le ara en. 
Chenopodium album . . . 1889 | 1 1 I en u En 
Dracocephalum moldavieum 1892 | SE ee 0-2 | 0-4 | 0-4 | 0-7 
Polygonum Convolvulus . 1888 | om 2.421,92 2 2.8 | 2 _ 
Bieneconica .. ...| 192 | —- | —-| = |0.3Jı1 |2 10-4 
„  eonoidea . ee ja _ = es 4 — 

Spinacia oleracea . . . » E N | We 4 


Es giebt somit tricotyle Halbrassen, welche auch bei 
sorgfältiger Selection nur wenige Procente von dieser Ano- 
malie hervorzubringen im Stande sind. Und soweit man aus 
indirecten Daten schliessen darf, scheinen solche Halbrassen im 
Pflanzenreiche äusserst verbreitet zu sein. Käufliche oder in Gärten 
oder im Freien eingesammelte Samenproben, welche auf 10 000 Keim- 
lingen nur ganz einzelne Aberranten enthalten, deuten meist sehr 
zuverlässig auf solche Halbrassen hin. 


$ 20. Tricotyle Mittelrassen entstehen nicht durch Selection. 


Im ersten Abschnitt des ersten Bandes habe ich aus der 
botanischen, der gärtnerischen und namentlich der in dieser Hinsicht 
so bedeutungsvollen landwirthschaftlichen Literatur eine lange Reihe 


248 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


von Thatsachen zusammengestellt, welche mir die Unmöglichkeit aus- 
reichend zu beweisen scheinen, die Entstehung von Artmerkmalen durch 
Selection als allgemeinen Satz darzustellen. Die specielle Fassung 
dieses Satzes in Bezug auf die Tricotylie findet ihre Berechtigung in 
den Versuchen des vorigen Paragraphen, wie sie in der Tabelle auf 
voriger Seite zusammengestellt wurden. Dieses Ergebniss ist in völliger 
Uebereinstimmung mit den Erfahrungen, welche ich sonst auf dem 
Gebiete der Enstehung von Arten und von constanten Rassen (im 
Gegensatz zu den Zuchtrassen, vergl. Bd. I, S. 424) gesammelt habe. 
Jede durch künstliche Zuchtwahl entstandene landwirthschaftliche, 
sogenannte veredelte Rasse oder Zuchtrasse hat nur eine verhältniss- 
mässig geringe Beständigkeit (v. RüMkER); dagegen entstehen die 
sogenannten erblichen oder constanten Rassen nicht durch Selection, 
möge diese auch noch so lange anhalten, und mit noch so viel 
Scharfsinn und Ausdauer fortgesetzt werden.! Die unterscheidenden 
Namen sind ohne Zweifel nicht sehr praktisch und vielfacher Kritik 
ausgesetzt; die zweierlei Arten von Rassen, welche sie andeuten, sind 
durchaus getrennte, in der Natur und in der Cultur scharf unter- 
schiedene Sachen. Aber leider kann man es einem einzigen Indi- 
viduum meist nicht ansehen, wozu es gehört; nur die Nachkommen- 
schaft entscheidet, und diese nicht selten erst im Laufe einiger 
Generationen. Aber wir stehen ja beim Anfang unseres Jahrhunderts 
gerade auf der Schwelle, wo die Systematik sich von einer ver- 
gleichenden zu einer experimentellen Wissenschaft zu erheben hat. 

Die Versuche des vorigen Paragraphen umfassen meist vier 
Generationen, also eine viermalige Auslese von tricotylen Exemplaren, 
und eine meist dreimalige Wahl von solchen mit den anscheinend 
höchsten Erbzahlen. Aber vielleicht könnte man vermuthen, dass 
unter den ausgewählten Fällen ungünstige vorkommen, und dass eine 
viel länger anhaltende Selection dennoch zum Ziele führen würde. 

Um darüber Gewissheit zu erlangen, habe ich, wie oben S. 241 
erwähnt wurde, die Versuche mit zwei Arten (denen ich später noch 
eine dritte zugefügt habe) durch je etwa zehn Generationen fortgesetzt, 
und der Selection jede mögliche Sorge und jeden erwünschten Umfang 
der Culturen gewidmet. Das Ergebniss war ein wirklicher Fortschritt, 
der in beiden Fällen von etwa 1—2°/, bis auf einen Gehalt hinauf- 
führte, der in den Samen einzelner Mütter sogar 25 °/, erreichte. 
Aber vom Merkmal der Mittelrasse, einem mittleren Gehalt von 50°/, 
und darüber, blieben die Rassen auch jetzt noch weit entfernt, und 


:-Vergl: Bd; -T, 8.776: 


gewählten (bis jetzt einzig möglichen) Wege nicht zu erreichen ist. ! 

Die beiden Versuchspflanzen waren Amarantus speciosus und 
Scrophularia nodosa. Die erstere ist eine einjährige, wegen ihres hohen 
Wuchses und ihrer rothbraunen Farbe vielfach ceultivirte Garten- 
pflanze (Fig. 47), die zweite eine wildwachsende perennirende Art, 
welche in hiesiger Gegend sehr häufig ist (Fig. 48). Sie blüht 
bereits im ersten Jahre und lässt sich ganz bequem in einjährigen 
Generationen cultiviren. Beide Arten sind im vorigen Paragraphen 
nicht mit aufgenommen worden, um den Lauf meiner Versuche hier 
ununterbrochen darstellen zu können. 

Die Hoffnung, welche ich bei diesen Versuchen anfangs heste, 
ist zwar getäuscht worden, doch glaube ich, dass es seinen Nutzen 
haben dürfte, sie hier wenigstens anzudeuten. Nach der herrschenden 
Selectionslehre müsste man glauben, dass man, durch stetige Selection 
der tricotylen Individuen, allmählich zu einer immer reicheren Rasse 
aufsteigen würde, bis man schliesslich eine nur aus solchen Exem- 
plaren zusammengesetzte constante neue Varietät oder Unterart er- 
halten würde. Diese Theorie bietet wiederum verschiedene Mösglich- 
keiten. Berücksichtigt man das Regressionsgesetz (Bd. I, S. 60), so 
bleibt das Mittel der erreichten Rasse immer weiter bei den aus- 
gelesenen und auszulesenden extremen Varianten zurück, und gelangt 
man thatsächlich nie zu einer constanten Rasse. Vernachlässigt man 
dieses Gesetz, wie das jetzt sehr beliebt ist, so kann man einen 
stetigen und gleichmässigen Fortschritt annehmen, wie er einzig und 
allein die Entstehung der Arten des Pflanzen- und Thierreiches in 
ihren grossen Zügen auf Grund der Selectionslehre zu erklären ver- 
mag. Schliesslich kann man die Hypothese von der einseitigen 
Steigerung der Variabilität durch die Auslese (Bd. I, S. 416) zu Hülfe 
nehmen; man kehrt dann zwar wieder zu den Thatsachen zurück, 
unterlegt diesen aber, wie ich im ersten Bande nachzuweisen versucht 
habe, eine unrichtige und gezwungene Erklärung. 

Die erste Hypothese würde also eine variable, nie völlig con- 
stante tricotyle Rasse erwarten lassen, eine Hochzucht im landwirth- 
schaftlichen Sinne des Wortes. Die zweite würde eine stetige ununter- 
brochene Zunahme des Gehaltes an tricotylen Erben bis zur constanten 
tricotylen Unterart ergeben. Die dritte würde eine zunehmende Ge- 
schwindigkeit des Fortschrittes in Aussicht stellen. Weder das Eine 
noch das Andere hat stattgefunden. Wenn man von einer Hochzucht 


! Die Versuche sollen auch fernerhin fortgesetzt werden. 


250 ge trieotn Ah Rassen. 


a will, so erhielt ich eine Halbrassen- De mite einem mittleren 
Gehalte von nur etwa 10—15°/, Erben, der von der Wahl von 
Samenträgern mit etwa 25 °/, Erben abhängig ist, und durch Seleetion 
vielleicht noch etwas verbessert werden kann. Ueber die zweite Hypothese 
wird sich erst im Laufe der nächsten ‚Jahrzehnte entscheiden lassen; 
sie entfernt sich von den Thatsachen so weit, dass ihr mit solchen 
fast nicht beizukommen ist. Doch spricht in meinen Versuchen nichts 
für sie. Eher würden sich aus diesen noch Beweise für die dritte 
Annahme entnehmen lassen, denn thatsächlich scheint der Fortschritt 
nach den ersten Jahren allmählich etwas rascher zu werden. Aber 
dazu ist zu bemerken, dass die Auslese anfangs eine sehr schwierige 
ist, da die Tricotylen dann noch äusserst selten sind und stets viele 
unter ihnen zu schwach sind für die weitere Cultur. In den späteren 
Jahren kann man aus Hunderten von tricotylen Keimlingen stets die 


kräftigsten auswählen, oder sich auf die besten Erben der besten 


Mütter und Grossmütter beschränken (vergl. S. 242), und so eine viel 
schärfere Wahl treffen. Der raschere Fortschritt ist dann aber durch 


die Technik der Culturen, nicht aber durch das Princip der Steigerung 


der Variabilität bedingt. 
Diesen aus der Selectionslehre abzuleitenden Erwartungen gegen- 


über habe ich anfangs die Hoffnung gehegt, dass es dennoch irgend 


welche Beziehung zwischen der Variabilität und der Mutabilität geben 
möchte.! Ich dachte mir, dass vielleicht auch das Vermögen, Mutationen 
hervorzubringen, von äusseren Einflüssen bedingt, und also selbst 
variabel sein dürfte. Und die wechselnden Mutationscoöfficienten 
meiner Oenotheren schienen mir dafür zu sprechen.” Dann müssten 
die Lebensbedingungen, welche die Variabilität in der Halbrasse nach 
der Plus-Richtung bewirken, vielleicht dieselben sein, welche schliess- 
lich zu einem Sprunge, zu einer Mutation führen und dadurch die 
plötzliche Entstehung einer Mittelrasse aus der Halbrasse bewirken 
würden. Dieses wäre ja vielleicht der kleinste Sprung unter allen den 
möglichen Formen von Mutationen.” Wenn es überhaupt erreichbar 
sein soll, durch die Wahl der Lebensbedingungen und durch die 


Auslese der von diesen in der gewünschten Richtung beeinflussten 
Individuen? zu einer Mutation zu gelangen, so müsste sich solches wohl 


! Vergl. meine Intracellulare Pangenesis. 
3 Vergl. Bd. I, S. 239 u. s. w. 
° Vergl. Bd. I, S. 424, ferner über Prämutation S. 352 und über Varietäten 
und Den S. 455. 
* Alimentation et selection. Volume jubilaire de la Societe de Biologie 1899, 
und Bd. I, S. 100: Die Zuchtwahl ist die Wahl der am besten ernährten Individuen. 


Tricotyle Milttelrassen entstehen nicht durch Selection. 251 


am ersten auf der Grenze der Halbrassen und der entsprechenden 
Mittelrassen erwarten lassen. Meine Hoffnung war also stets, dass 
einmal, ebenso wie bei der Gewinnung von Chrysanthemum segetum 
plenum aus 0. segetum grandiflorum, aus meinen verbesserten Halbrassen 
plötzlich eine Mittelrasse hervorgehen würde, welche dann nach Iso- 
lirung sofort etwa 50°/,, und durch weitere Cultur in wenigen Jahren 
höhere Zahlen, vielleicht bis SO und 90°/,, liefern würde: Denn so 
verhalten sich die tricotylen Mittelrassen, wenn man sie zufällig auf- 
findet und isolirt ($ 21). 

Einen solchen Sprung hat es aber leider in meinen Culturen 
bis jetzt nicht gegeben. Ich habe für beide Arten in einem Jahre 
für bis etwa 300 Samenträger die Erbzahl in ihren Samen bestimmt, 
aber ohne Erfolge. Ich habe jede Art von Cultur versucht, bei 
Serophularia auch die Samen des zweiten, bisweilen des dritten Jahres 
ausgesät, aber auf jeden Fortschritt folgte ein Rückschlag. Ich 
glaube alles versucht zu haben, was mir bis dahin möglich war, und 
mehr Ausdauer gehabt zu haben, als je bei botanischen Züchtungs- 
versuchen aufgewandt wurde, und solches trotzdem das Ziel immer 
deutlicher sich als unerreichbar zu erkennen gab. Alles hat nichts 
geholfen, die Halbrassen blieben Halbrassen, die Aussicht auf eine 
Mittelrasse ist jetzt thatsächlich keine grössere als sie anfänglich war.! 

Ich komme jetzt zu der Beschreibung meiner beiden Versuche. 

Amarantus speciosus (Fig. 47). Von dieser schönen, meist 
1!/,—2 Meter hohen Gartenpflanze hatte ich im Jahre 1889 ein 
tricotyles und ein hemitricotyles Exemplar; sie blühten zusammen, 
aber von anderen Amaranten weit entfernt.” Ich erntete die Samen 
getrennt, säte aber nur diejenigen der hemitricotylen Pflanze. Diese 
hatte eine kleine kammförmige Verbreiterung im Gipfel der Rispe, 
wie das auch später oft in dieser Rasse vorgekommen und in Fig. 47 
abgebildet ist. Die Samen lieferten auf 110 Keimlingen vier tricotyle 
und einen hemitricotylen, also etwa 4-5°/,. Die Erblichkeit stellte 
sich also sofort als günstiger heraus, als in den meisten anderen 
untersuchten Halbrassen ($ 19). Die Cultur war aber ungünstig, nur 
eine hemitricotyle Pflanze gelang es zur Blüthe zu bringen, und es 
mussten aus Vorsicht daneben auch einige Atavisten cultivirt werden. 
Ich erntete aber nur Samen von dem hemitricotylen Exemplare; diese 


! Dennoch müssen die Mutationen äussere Ursachen haben, und muss es 
einmal gelingen, diese aufzufinden. Aber vielleicht auf anderem Wege. 

* Amarantus speciosus wird von einigen Autoren als Unterart zu A. pani- 
eulatus gerechnet. 


252 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


enthielten auf 250 Keimlingen 6 tri- und 5 hemitricotyle Pflanzen, 
also etwa 4-5°/,, wie in der vorigen Generation. Ich brauchte aber 
jetzt nur die Aberranten auszupflanzen, von denen ich die meisten 
am Leben erhielt. Aber nur einer brachte es zur Blüthe; es war 
ein tricotyles, reich verzweigtes, gedrungenes, nur 1 Meter hohes 


Fig. 47. Amarantus speciosus. Gipfel einer 2 Meter hohen Pflanze aus der 
tricotylen Halbrasse. 


Exemplar. Es trug reichlich Samen, und dieser war viel reicher an 
Trieotylen und Hemitricotylen als die vorigen Generationen. Ich 
zählte auf 700 Keimlingen 89 Aberranten, also etwa 13 °/,. 

Es war somit jetzt in der vierten Generation (1892) ein sehr 
wesentlicher Fortschritt erreicht worden, und dieser hat sich seitdem, 
trotz bedeutender Schwankungen, erhalten. Bis dahin war meine 
Wahl jedesmal eine so beschränkte, dass nur Hemitricotylen zu 


Trieotyle Mittelrassen entstehen nicht durch Selection. 253 


Samenträgern wurden; von jetzt an hatte ich Hemitricotylen und 
Tricotylen in genügender Anzahl. Während vier Jahren habe ich 
dann in beiden Richtungen gewählt, und gleichzeitig eine tricotyle 
und eine hemitricotyle Rasse gehalten (1892—1896). Als sich dabei 
aber, wie bereits in $ 17 erwähnt, kein sehr wesentlicher Unterschied 
zwischen ihnen ergab, habe ich dann die hemitricotyle Zucht auf- 
gegeben und nur die tricotyle fortgesetzt. Im Folgenden soll also nur 
die weitere Geschichte dieser letzteren beschrieben werden. 

Bevor ich dazu übergehe, ist aber eimiges über die Cultur mit- 
zutheilen. Meine Aussaaten finden in Keimschüsseln mit sterilisirter 
Gartenerde statt; diese ist ungedüngt. Sobald die Cotylen völlig 
entfaltet sind und bevor das erste Blatt sichtbar wird, werden die 
Keime gezählt; dabei werden die zweisamenlappigen alle oder nahezu 
alle ausgezogen und nur die Aberranten gespart. Aus den letzteren 
wähle ich eine genügende Anzahl der kräftiesten Exemplare und 
pflanze sie einzeln in Töpfe mit stark gedüngter Erde. Der Dünger 
ist vorzugsweise Stickstofidünger. Gestattet es die Keimung, so be- 
kommt jeder Topf zwei Tricotylen, von denen später der schwächere 
getödtet wird. Das erwähnte Auspflanzen findet im April oder Mai 
statt; die Töpfe bleiben bis Juni im Garten unter Glas, wenigstens 
in der Nacht. Die Pflanzen kommen dann in Entfernungen von 
20—30 Cm. auf das Beet und werden später von den grösseren 
Seitenzweigen befreit, um einander nicht zu schädigen. Die Pflanzen 
sind monöcisch, die männlichen und die weiblichen Blüthen stehen dicht 
neben einander. Es scheint vorzugsweise Selbstbefruchtung stattzufinden, 
und isolirte Exemplare tragen eben so reichlich Samen wie die in 
Gruppen cultivirten. Die Samen fallen nicht aus; sind deren so viele 
reif, als man wünscht, so schneidet man die ganze Rispe ab und 
reibt sie zwischen den Händen aus. Zur Aussaat genügt 1 Ccm. 
Samen pro Pflanze, oft weniger; ich erntete in der Regel etwa 
4—5 Cm. von jedem Individuum. 

Nach dem Auspflanzen der Keimlinge wachsen die Cotylen noch 
bedeutend in die Länge, namentlich aber ihre Stiele. Dabei kann es 
vorkommen, dass Exemplare, welche bei der Zählung rein tricotyl zu 
sein schienen, dennoch am Grunde zwei der Samenlappen verbunden 
zeigen, und somit tiefgespaltene Hemitricotylen sind. Obgleich es 
gar nicht erforderlich ist, habe ich in der Regel solche Exemplare, 
als ich sie entdeckte, ausgezogen und nicht weiter eultivirt. 

Im Sommer 1892 hatte ich elf tricotyle Exemplare, welche 
zusammen, in möglichst grosser Entfernung von der erwähnten hemi- 
tricotylen Cultur, blühten. Die Ernte ergab im Maximum 11-8°/, Erben, 


254 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


meist aber nur 1—6-5°/, und im Mittel 3-5°/,. Ausgepflanzt wurde (1893) 
von einer Mutter mit 6-3 °/, Erben, und zwar nur rein tricotyle Keime. 
Von 15 Exemplaren erntete ich die Samen, zählte 500— 1000 Keim- 
linge pro Mutter und erhielt Erbzahlen, welche zwischen 2-6 und 
7-4°/, schwankten. Mittel 4-7 °/,. (1894.) Ich wählte die Mutter 
mit 7-4°/, zur Fortsetzung der Rasse und pflanzte nur von ihren 
Kindern und unter diesen nur die besten Tricotylen aus. Ich hatte 
auf etwas über 1000 Keimlingen die Wahl aus 44 Tricotylen; 31 waren 
hemitricotyl und 1 tetracotyl gewesen. Ich wiederholte die Ermittelung 
der Erbzahl mit 4000 Keimpflanzen und fand 7-2°/,, also wesentlich 
denselben Werth. 

Im Spätsommer 1894 umfasste meine Cultur nur die besten 
20 Tricotylen, von denen 16 ihre Samen reiften. In dieser Ernte 
gab es aber einen bedeutenden Rückschritt, denn die Erbzahlen der 
einzelnen Mütter schwankten zwischen nur 0-5 und 3-.7°/,, eine 
Mutter hatte auf 200 Keimlingen sogar nicht einen einzigen Aberranten. 
Mittel 1-8°/,. Von den fünf besten Müttern wurde noch einmal aus- 
gesät und je 1000 Keime gezählt; die Erbzahlen waren jetzt 2-6, 
2-8, 3-2, 3-2 und 3-6°/,. Die Ursache dieses Rückschrittes habe 
ich in den nächsten Jahren durch eine Reihe von Nebenversuchen 
zu ermitteln gesucht, aber nicht gefunden. Es hängt die Variabilität 


der Erbzahlen solcher Rassen noch hauptsächlich von unbekannten 


Einflüssen ab. 

Ich pflanzte jetzt, wegen der geringeren Wahl, die tricotylen 
Kinder von zwei Müttern aus (mit 3-2 und 3.6°/,), aber in zwei 
Gruppen, um später die Wahl auf die Nachkommen der einen be- 
schränken zu können. Diese Culturen umfassten 12 und 13 Tri- 
cotylen; zwischen ihnen war eine wesentliche Differenz nicht vor- 
handen. Die Erbzahlen auf je 300 Keimen waren: 


Mutter Erbzahlen der Kinder (Frühling 1896) 
mit 3-2%/, 1-3 1-7 1-7 2.0 2.3 2.8 2-7 2.7 2-7 3:0 AU 
mit 3-6%, 0-7 0-7 1-0 1-8 1-7 2-0 2.7 2-7 3-0 3.0 "3-7 Are 


Im Mittel für beide also etwa 2-5°/, (2-5 bezw. 2-7°/,). Es geht 
hieraus hervor, von wie geringer Bedeutung eine Vergrösserung des 
Umfanges der Culturen für die Selection sein würde, denn hätte ich 
meine Zucht auf die Kinder einer der beiden Mütter beschränkt, 
gleichgültig auf welche, so wäre das Ergebnis offenbar nicht wesent- 
lich anders ausgefallen. 

Im Sommer 1896 setzte ich die Cultur nicht fort. Dagegen 
versuchte ich im nächsten Jahre, ob ich durch Auspflanzen einer 


Trieotyle Mittelrassen entstehen nicht durch Selection. 255 


viel grösseren Anzahl von Exemplaren vielleicht die Aussichten ver- 
bessern könnte. Ich wählte dazu die zwei anscheinend besten 
Exemplare von 1895, für welche ich im Frühling 1896 die höchsten 
Erbzahlen aus jeder Gruppe gefunden hatte (5-3 und 5-5°/,). Um 
genügende Auswahl zu haben, säte ich 15 Ccm. Samen, und hatte 
15 000—20 000 Keimlinge, von denen die kräftigsten Tricotylen und 
Hemitricotylen einzeln in Töpfe gepflanzt und später auf die Beete 
gebracht wurden. Die Aussaat fand in drei Partieen statt, Ende 
März, Ende April und Mitte Mai, in der Hofinung, dadurch vielleicht 
die Variabilität und die Aussicht auf eine Mutation zu vergrössern. 
Ebenso wurden möglichst verschiedene Lagen, verschiedene Ent- 
fernungen zwischen den einzelnen Pflanzen und verschiedene Behandlung 
in Bezug auf Beschneiden u. s. w. innerhalb der drei Gruppen gewählt. 
Viele Pflanzen gaben mehr als 30 Öcm. Samen pro Exemplar, es wurde 
dann aber stets nur 10 Ccm. geerntet. 

Im Ganzen erntete ich die Samen von etwa 450 Exemplaren 
und säte sie getrennt aus. Für jede Mutter wurden dann im Früh- 
ling 1898 300 Keimlinge gezählt, und daraus die Erbzahl berechnet. 
Es ergab sich jetzt aber, dass zwischen den beiden gewählten Gross- 
müttern von 1595 ein ganz bedeutender Unterschied vorhanden war. 
Diejenige, welche als Erbzahl 5-3 °/, gehabt hatte, war eine schlechte 
Stammpflanze gewesen. Ihre Kinder, obgleich 300 an der Zahl, 
brachten es nur in zehn Fällen weiter als 3°/,; im Mittel hatten sie 
0-3—0-5°/,. Und solches trotz möglichst verschiedener, aber doch 
stets möglichst guter Behandlung, und trotz des völligen Ausschlusses 
der Atavisten. 

Die zweite Grossmutter (mit der Erbzahl 5-5°/,) zeigte sich 
glücklicher Weise in ihrer Nachkommenschaft ebenso günstig, wie die 
erstere ungünstig war. Ihre Kinder waren alle gleichzeitig ausgesät 
und bei gleicher, mittlerer Behandlung auf demselben Beete und an 
demselben Tage ausgepflanzt. Es trugen etwa 140 Pflanzen eine 
ausreichende Ernte. 

Im Mittel war diese Cultur allerdings nicht besser als die früherer 
Jahre, denn sie erreichte nur 4-5°/,. Dagegen war der Variations- 
spielraum ein viel grösserer. Es kamen acht Pflanzen vor, deren 
Erbzahl alle früheren überschritt; von diesen hatten sechs 14—17/,, 
eine 21°/, und eine 25°). Es schien also jetzt sich eine Aussicht 
auf einen sprungweisen Fortschritt zu eröffnen. 

Ehe ich die ganze Zahlenreihe vorführe, möchte ich noch eine 
Bemerkung einschalten. Hätte ich im Jahre 1897 nicht 450 Pflanzen 
eultiviren wollen, sondern z. B. nur ein Drittel, so hätte ich mich 


256 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


wahrscheinlich auf die Kinder der einen Grossmutter mit 5-5 °/, be- 
schränkt, obgleich deren Erbzahl nur scheinbar grösser ist als die 
andere (5-3 °/,), weil der Unterschied innerhalb der Fehlergrenze 
liegt. Ich hätte dann aber mit einem Drittel der Arbeit genau 
dasselbe Resultat erreicht. Oder mit anderen Worten: weder die 
Wahl der Tricotylen als Samenträger, noch die Berücksichtigung der 
Erbzahlen, welche doch trotz der Latitüde immer die schlechtesten 
Erben ausschliesst, macht die Versuche vom Zufall unabhängig. Nur 


ein viel grösserer Umfang würde solches erreichen, aber die Ergebnisse” 


meiner beiden folgenden Generationen werden zeigen, dass auch im 
vorliegenden, sehr günstigen Falle ein wesentlicher und andauernder 
Fortschritt nicht erreicht wurde. 


Die im Frühling 1898 ermittelten Erbzahlen der 140 Kinder 


der besten Mutter aus 1895, welche selbst 5-5 °/, als Erbzahl hatte, 
gestalten sich folgendermaassen. P sind die procentischen Zahlen, 
A die entsprechende Anzahl der Kinder, welche in ihren Samen 
diese Zahlen aufweisen. 


Et 


P=3 9 10 11 12 13 14 15 1 17 25 
Al 22777 307718 71816 2 


8 
4 2 2 32 1 7a oz 
Diese Reihe bezieht sich 
gewählten Tricotylen; hätte ich die ganze Nachkommenschaft der 
betrefienden Mutter ohne Wahl ausgepflanzt, so wäre gewiss die An- 
zahl der niedrigen Erbzahlen verhältnissmässig grösser ausgefallen, 
und vielleicht wäre der Gipfel der Curve auf O0 statt auf 3 °/, gefallen. 
Die Hauptsache in dieser Reihe ist aber, dass man sieht, dass von 
etwa 3°/, aufwärts die Anzahlen stetig und regelmässig abnehmen 
und zwar so, dass die beiden extremen Varianten, mit 21 °/, und mit 
25°/,, sich der Reihe continuirlich, d. h. in der üblichen Weise der 
physiologischen Curven anschliessen und nicht etwa sprungweise 
daneben stehen. 


In der Gruppe der höheren Erbzahlen ist bei der Beurtheilung 


der einzelnen Werthe eine Latitüde von 5°/, anzunehmen,! d. h. die 
gefundene Zahl 15 bedeutet einen wirklichen Gehalt von 10— 20°), 
die Zahl 25 einen Gehalt von 20—30°/, u. s. w. Und bei extremen 
Abweichungen liegt immer die Möglichkeit vor, dass die Fehler der 
Probeentnahme in derselben Richtung mitgewirkt haben. Wir dürfen 


also feststellen, dass durch unsere Cultur in dieser achten Gene- 


ration ein Gehalt von 20°/, an Erben erreicht worden ist; ob etwas 


! Vergl. das erste Kapitel dieses Abschnittes. 


nur auf die für meinen Versuch aus- 


I 


Trieotyle en entstehen nicht durch Selechion. 257 


mehr, bleibt dabei zellen: Be bleibt es ungewiss, ob di 
Mutter mit 25 °/, thatsächlich besser war als diejenigen mit 15—21°/,. 
Gewiss aber ist, dass innerhalb dieser Gruppe die beste Mutter, nach 
ihrer Erbzahl beurtheilt, zu suchen ist. 


Auf dieser Stufe der Entwickelung unserer Rasse ist die Wahl 
also bereits eine viel sicherere als vorher, und weniger vom Zufall 
abhängig. Es ist nur erforderlich, nicht nur die scheinbar allerbeste, 
sondern einige von den besten Müttern zur Fortsetzung der Rasse 
zu wählen. Ich wählte aus der Cultur von 1897 fünf, und zwar mit 
16, 17, 17, 21 und 25°/,. Von diesen pflanzte ich, um eine möglichst 
grosse Aussicht auf verschiedene äussere Umstände zu haben, die nächst- 
folgende Generation in zwei verschiedenen Jahren (1898 und 1899), 
und im: ersten Jahre theils bei früher, theils bei später Aussaat 
(Mitte April und Mitte Mai), Im Ganzen wurden in diesem Jahre 
etwas über 400 tricotyle Pflanzen gepflanzt, ihre Samen getrennt 
geerntet und in jeder Probe auf 300 Keimlingen die Erbzahl bestimmt. 

Die ganze Cultur war trotz allem Sorgen nur ein Rückschritt, 
und zwar für jede der fünf Mütter. Die Mittelzahl für alle war nur 
etwa 2°/,, die fünf höchsten Werthe waren 9-6, 10-6, 10, 11, 11°/,, 
grossentheils unter den Kindern derselben Grossmutter (E in der 
folgenden Tabelle) beobachtet. Ich stelle jetzt die gefundenen Werthe 
in einer kurzen Uebersicht zusammen, und zwar für jede einzelne 
Grossmutter von 1897 besonders. Die Zählungen fanden im Früh- 
ling 1899 statt. 


Grossmütter in 1897 . . SR A B C D E 
Erbzahlen im Frühling 1898 hr 16 17 IM 21 25 
Mütter, ausgesät am 21. April 1898: 

Erbzahlen im Frühling 1899 


ZIELE Seel aan! 
Mittel . | 1-3, 0-8 2027 2751 4-7 
Mütter, ausgesät am 7. Mar 1898: 
Be ilen im Frühling 1899 
em 2... cn 326: 6.6, Arbsaoee 123 
Mittel sa Dh Me #3 2:2 Da rn 2-5 
Mittel aus beiden Serien 2.8 an es les 3-6 


Es sind somit die Mütter mit 16 und mit 25°/, als die beiden 
besten zu betrachten, und es ist anzunehmen, dass. die fünf ausnahms- 
weise hohen Zahlen durch besonders günstige Umstände bedingt waren, 
welche Umstände im nächsten Jahre nicht wiederkehrten. 


DE VRIES, Mutation. II. 17 


258 Kreuxungen tricotyler Rassen. 


Die Wiederholung der Cultur in 1899 gab keine wesentlich 
anderen Ergebnisse. 

Ein sprungweiser, oder auch nur ein stetiger Ueber- 
gang zu einer Mittelrasse wurde also in den zehn Gene- 
rationen meiner Zuchtwahl nicht erreicht. 

Ich fasse jetzt zum Schluss die ganze Cultur in einer möglichst 
einfachen Zahlenreihe zusammen, für jede Generation nur die mittlere 
und die höchste Erbzahl gebend, sowie diejenige der zur Fortsetzung 
der Rasse ausgewählten Samenträger. 


Be Taheiake Blatha Im nächsten Frühling gefundene Erbzahlen: 


Mittel Maximum Samenträger 

F 1859 - - 4-5 

II 1590 -- 4-5 
III 1891 — — 13 

IN 1892 3.) 11-3 6-3 

Y 1893 4-7 7-4 7-4 

VI 1594 1-8 3.6 3-6 

vu 1595 2-5 9-5 9-d 

VIII (450 Ex.) 1897 1 25 16—25 
IX (400 Ex.) 1898 2 11 — 


Mit Ausnahme der maximalen Zahlen von 1897 deutet die ganze 
Reihe eher auf Constanz und Schwanken um einen sich gleich- 
bleibenden Mittelwerth, als auf einen stetigen Fortschritt unter dem 
Einflusse der Auslese. 

Serophularia nodosa. Von dieser Art giebt es eine Reihe von 
Formen, deren Merkmale bereits im Prodromus von DE ÜANDOLLE 
angegeben worden sind. Die Blätter sind breitherzförmig, oder am 
Grunde nur abgerundet, mit kleinen unter sich nahezu gleichen 
Zähnen, oder sehr grob und unregelmässig gezähnt, die Früchte 
gross oder klein. Die Form mit herzförmigen, gleichmässig gesägten 
Blättern und grossen Früchten ist in der hiesigen Gegend im Freien 
sehr allgemein und, so weit mir bekannt, die einzige. Die Form mit 
grobgesägten, unten abgerundeten Blättern und kleinen Blüthen und 
Früchten ist diejenige, welche für meine Culturen diente (Fig. 48). 
Aber im Sommer 1901 habe ich sie, behufs einer eingehenden Ver- 
gleichung, beide in grösserer Ausdehnung in meinem Garten aus- 
gepflanzt. Beide Typen sind, soweit meine Erfahrung reicht, im Laufe 
vieler Generationen durchaus constant, also gute Unterarten. } | 

Meine Cultur fing im Jahre 1890 an, mit einer tricotylen Pflanze 
aus Samen des hiesigen Botanischen Gartens, welche im nächsten | 


Trieotyle Mittelrassen entstehen nicht durch Selection. 259 


Jahre aus ihren Samen, neben vielen Atavisten, wiederum vier Pflanzen 
mit je drei Samenlappen und einem bis zur Inflorescenz dreizähligen 
Hauptstamm lieferten (1891). Von den Samen von einer dieser 
Pflanzen hatte ich im Sommer 1392 wiederum einige tricotyle Keim- 
linge, von denen die meisten nachher zweizählig wurden. Nur zwei 
blieben den ganzen Sommer über dreizählig, und nur diese liess ich 
zur Blüthe kommen. Von ihren Samen zählte ich 780 bezw. 1000 Keim- 
linge, und fand für beide Pflanzen 1°/, Erben. Es blühten (1893) 
16 tricotyle Pflanzen, welche also die vierte 

Generation meiner Rasse bildeten. Die 
Samen wurden getrennt geerntet, sie gaben 
im Mittel 1—2°/, Erben, in den besten 
Fällen 2-4—4-1 und 5-4°/,, bei Zählungen 
von 700, 800 und 2000 Keimlingen. Diese 
drei Pflanzen hatten aber zweizählige Haupt- 
stämme gehabt, und es geht daraus hervor, 
dass die Blattstellung am Stamme für die 
Auslese nur ein Merkmal von untergeord- 
neter Bedeutung bildet. Ich habe allerdings 
im späteren Generationen die dreizähligen 
Individuen so viel wie möglich vorzugsweise 
ausgewählt, habe dabei aber nicht gefunden, 
dass sie im Alleemeinen wesentlich besser 
sind als die übrigen. 

Im Sommer 1594 wurden nun tricotyle 
Kinder von der Mutter mit 5-4°/, Erben 
ausgepflanzt. Ich erntete die Samen von 
25 Exemplaren getrennt und zählte im 
nächsten Frühling für jede Ernte 300—500 Fig. 48. Scrophularia nodosa. 
Keimlinge. Die Erbzahlen waren im Wesent- a em = 

ylen Halbrasse. 

lichen dieselben wie im vorigen Jahre und 

schwankten zwischen 0-5 und 5-5 °/,, im Mittel 2°/,. Die fünf besten 
Pflanzen gaben 3-6, 3-8, 4-0, 4-2 und 5-5°/,. Für die drei letzteren 
sind diese Zahlen aus Zählungen von 1000, 1500 und 2000 Keim- 
pflanzen abgeleitet worden; nur von ihnen wurden (1895) Keimlinge 
ausgepflanzt, und zwar nur solche mit drei Samenlappen, und mit 
dreigliedrigem erstem Blattwirtel (Fig. 37, S. 229). 

Ausgepflanzt in drei Gruppen gestatteten diese Pflanzen somit 
im nächsten Frühling eine Wahl zwischen den Grossmüttern. Die- 
jenigen mit 4-0—4-2°/, gaben Kinder mit 1-3—5°/,, im Mittel 3°/, 
(aus 12 Müttern, bei Keimzählungen von je 300 Stück). Die Gross- 

li 


260 


Kreuxungen tricotyler Rassen. 


mutter mit 5-5°/, ergab sich als bedeutend besser; ihre 12 Kinder 
hatten 2—8°/,, im Mittel 4-5°/,. Nur von dieser Gruppe wurde 
somit ausgepflanzt (1896), und zwar nur tricotyle, in den ersten Blatt- 
wirteln dreizählige Exemplare von Müttern mit 6, 6 und 8°/, Erben. 
Es waren im Ganzen 72 kräftige Pflanzen, welche sämmtlich eine 
ausreichende Ernte zur Prüfung ihrer Erbzahl auf etwa 300 Keimen 
lieferten. Die Mutter mit 8°/, gab 2—15°/,, im Mittel 6°/,, die 
beiden anderen Mütter 2—10 und 3—14°/,, im Mittel 6 und 7%, 
also keine ausreichend wesentlichen Unterschiede, um darauf eine Gross- 
mutterwahl zu gründen. Dagegen war es um so klarer, dass die Rasse 
durch die Auslese während sechs Generationen verbessert worden 
war. Und diese Verbesserung hat sich auch späterhin bewährt. 

Ich wählte für die Cultur von 1897 die tricotylen Nachkommen 
von drei Müttern, mit 11, 11 und 15°/, Erben, und pflanzte davon 
100 Stück aus, welche sämmtlich kräftig waren und wenigstens den 
ersten Blattwirtel oberhalb der Cotylen dreizählig hatten. Die Ernte 
wurde im Frühling 1598 in der üblichen Weise beurtheilt. Die drei 
Mütter, jetzt Grossmütter geworden, zeigten in ihren Nachkommen 
wiederum keine wesentlichen Unterschiede: 


Erbzahl Erbzahl der Mütter Anzahl 
der Grossmütter Min. Med. Max. 5 der Mütter 
1 ls Rn 2 7 15 20 
1127 3 1-5 15 24 
19%, 4 8-5 13 28 


Auch jetzt waren die Zahlen dieselben wie in der vorigen Generation. 

Wenn auch hier die Grossmutterwahl, wie wir gesehen haben, 
keine sehr wesentlichen Anhaltspunkte zur Verbesserung der Rasse 
bietet, so muss solches doch überall da der Fall sein, wo die Erb- 
zahl der Grossmutter durch die zufälligen Bedingungen der Probe- 
entnahme ausnahmsweise stark beeinflusst wurde.! Diese Wahl dient 
also eigentlich nur dazu, solche Fälle so viel wie möglich vom Haupt- 
stammbaume auszuschliessen, d. h. von ihnen nicht weiter aus- | 
zupflanzen. 

Wenn aber die Erbzahlen vieler Mütter nicht so stark von 
einander differiren, dass die Unterschiede mit Rücksicht auf das 
Fehlergesetz sichergestellt sind, so sollte man eigentlich jedes Jahr 
von der ganzen Gruppe der besten Mütter wiederum auspflanzen. | 
Dieses würde aber, um einen wirklichen Nutzen zu haben, zu einem | 


! Vergl. das erste Kapitel dieses Abschnittes. 


Tricotyle Mittelrassen entstehen nicht durch Selection. 261 


viel zu grossen Umfgange der Öultur führen. Ich habe nun im 
Sommer 1598 meine Öultur nach diesem Princip so weit wie möglich 
ausgedehnt und von 300 Pflanzen die Samen getrennt geerntet. 

Das Ergebniss der 300 darauf folgenden Keimzählungen von je 
300 Pflänzchen hat meinen Erwartungen in soweit entsprochen, als 
eine Grossmutter sich als weitaus die beste herausstellte. Ihre Erb- 
zahl war 14°/,, diejenige ihrer Kinder im Mittel 20 °/,, und in zwei 
Exemplaren 25—27°/,. Aber auch ausserhalb dieser Gruppe zeigte 
die Rasse vielfach eine Zunahme des Selectionswerthes. 

Die Ernte von 1898 umfasste die Samen von 300 tricotylen 
Pflanzen aus den Samen von 15 Müttern mit 10—15°/, Erben. Die 
Ergebnisse waren die folgenden, in Procentzahlen ausgedrückt: 


Br, , 10 10 1 10 10 10 MH 12 12 138 18 1 15 5 
inger\ Mittel . 8 10/10 11 14 19 10 15 11 16 10 18 20 14 14 
> . 810 % 271 26 19 25 20 4 21 21 7 21 22 


2 2 ra 
Anzahl der Kinder 1 2 Aa a GE SEE SEE OT 61 36..,327.:192647 39 


Das Mittel aus allen Zählungen war 12°/,, und zeigte also einen 
bedeutenden Fortschritt der Rasse an. 

Vergleichen wir jetzt diese Zahlenreihe mit der S. 256 gegebenen 
für Amarantus speciosus. Jene umfasst die Erbzahlen von 140, diese 
von 300 Pflanzen, welche dort der achten, hier der neunten Gene- 
ration angehörten. Beide Reihen sind also’das Resultat einer Selection, 
welche wohl durch ausreichend lange Zeit fortgesetzt wurde, um ein 
deutliches Resultat erwarten zu lassen. Sie zeigen aber einen sehr 
auffallenden Unterschied. Die Zahlen für Amarantus gipfeln auf 
2—3°/,, und dieses macht es nicht unwahrscheinlich, dass man, falls 
man die Erbzahlen der Atavisten mit hätte ermitteln können, eine 
auf etwa 0°/, gipfelnde, also einseitige oder sogenannte halbe Curve 
gefunden haben würde. Das Mittel aus den Zählungen für Serophularia 
ist aber 12°/,, für die einzelnen Familien von 8—20°/, wechselnd, 
also jedenfalls auf eine Isolirung eines tricotylen Gipfels hindeutend. 

Oder mit anderen Worten, es verhält sich die tricotyle Halbrasse 
von Amarantus am Ende der vieljährigen Selection nicht wesentlich 
anders als am Anfang (Tabelle S. 258), während Serophularia sich wie 
andere, durch Selection verbesserte Halbrassen darstellt. Das auf 
S. 588 in Fig. 171 des ersten Bandes für den Einfluss der Selection 
auf die Halbrasse Ranunculus bulbosus semiplenus gegebene Schema 
würde im Wesentlichen auch für sie benutzt werden können. 

Die Erklärung dieses verschiedenen Verhaltens liegt vielleicht 
darin, dass die Selection bei Serophularia die Tricotylie nur mittelbar 


262 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


verbessert hat. Ich denke hier an den Fall von Trifolium incarnatum 
quadrifolium, den ich im ersten Bande S. 579 beschrieben habe. Dort 
waren die kleinsten Samen diejenigen, welche am zahlreichsten die 
aberranten Keime enthielten. Könnte man durch Selection den Ge- 
halt an kleinen Samen erhöhen, so würde man also mittelbar die 
Anzahl der Keimpflanzen mit zusammengesetzten Primordialblättern 
vermehren. Es wäre möglich, dass bei Serophularia ähnliche Be- 
ziehungen vorlägen; es braucht ja nicht gerade die Grösse der Samen 
zu sein. Durch die stetige Wahl der Tricotylen würde ich dann 
nicht unmittelbar diese Eigenschaft, sondern zunächst jenen muth- 
maasslichen Bau der Samen gesteigert haben, welcher seinerseits 
die Anomalie fördert. Ob diese Vermuthung richtig ist, weiss ich 
nicht, aber dass die Früchte und Samen meiner Rasse allmählich 
kleiner geworden sind, und dass gerade die besten „Erben“ die kleinsten 


Früchte und Samen aufweisen, finde ich mehrfach in meinen Notizen 


erwähnt. 

Jedenfalls liegt hier ein Princip vor, das auch für andere Fälle 
eine Warnung enthalten dürfte. Die Selection kann unmittelbar 
eine unbekannte und erst mittelbar die gesuchte Eigen- 
schaft beeinflussen. 


Noch bemerke ich über den Umfang meiner Cultur von 1898, | 


dass sie lehrt, dass im Allgemeinen die Ausdehnung der Culturen 
keine so grosse Bedeutung hat, als man wohl meinen könnte. Hätte 


ich mich auf drei oder fünf Mütter beschränkt, wie z. B. bei Ama- 
rantus im Jahre 1897 (S. 257), so hätte ich dazu die besten, nach 
der Angabe ihrer Erbzahlen, gewählt, und gerade unter diesen war, 
wie die Zahlenreihen von S. 261 zeigen, die allerbeste. Der grössere 
Umfang giebt also nur eine tiefere Einsicht, nicht einen rascheren 


Fortschritt der Rasse. Aber auf eine einzige Mutter sollte man, wo 
irgendwie möglich, sich nie beschränken. 

Die nächste Generation, die zehnte und bis jetzt die letzte, hat 
den Fortschritt in der neunten bestätigt. Auch hierin verhält sich 
die Rasse der Serophularia somit anders als diejenige des Amarantus. 
Ich beschränkte mich auf die Nachkommenschaft der Pflanzen von 


1897, welche 14°/, als Erbzahl gezeigt hatte, und deren tricotyle | 
Kinder es im Mittel auf 20 °/, gebracht hatten, wählte unter diesen | 
fünf Exemplare mit 22, 23, 23, 25 und 27°/, aus. Von diesem! 


setzte ich 165 tricotyle Keime in Töpfe, als sie sich auch im ersten 
bis zweiten Blattwirtel als dreigliederig zeigten. Etwa die Hälfte 
kehrte in den nächstfolgenden Wirteln zur decussirten Blattstellung | 
zurück; diese wurden verworfen und nur 72 Exemplare, welche 


Trieotyle Mittelrassen entstehen nicht durch Selection. 263 


dreizählig blieben, wurden schliesslich ausgepflanzt. Sie waren ziem- 
lich gleichmässig über die fünf Mütter vertheilt. 

Diese 72 Exemplare lieferten im Frühling 1900 in der üblichen 
Weise 72 Erbzahlen in fünf Gruppen. Die niedersten Werthe waren, 
in der Reihenfolge der ansteigenden Werthe der fünf Mütter, jetzt 
Grossmütter, 9, 8, 13, 8 und 11°/,, die Mittel 16, 17, 18, 17 und 
19°, die Maxima 19, 22, 26, 22 und 26°),. Die fünf Gruppen 
zeigten somit keinen wesentlichen Unterschied. Die Mittelzahl, in 
der vorigen Generation 12°/,, war jetzt merklich vorangeschritten, 
das Maximum aber unverändert geblieben. 

Fassen wir jetzt den ganzen Versuch übersichtlich zusammen, 
so erhalten wir die folgende Tabelle: 


Im nächsten Frühling gefundene Erbzahlen: 


Generation Jahr der Blüthe Niedkrsto Mittlere Höchste 
I 1590 — — — 
1 1891 — — — 
10m 1892 — — 1 
IV 1593 0—0-3 1—2 5-4 
V 1594 0-5 2 5-5 
VI . 1895 2 4-5 fe) 
vu 1596 2—3 6—7 14—15 
VIII 1897 2—3 735 116) 
IX 1898 2 12 25—27 
IN 1599 fo) 16—19 26 


Der Fortschritt ist, wie man sieht, ein stetiger, die 
Selection somit, wenn auch vielleicht nur mittelbar (S. 262), 
fortwährend erfolgreich gewesen. Dennoch ist eine Mittel- 
rasse nicht entstanden, weder allmählich, noch durch einen 
Sprung. Der Fortschritt war in den beiden letzten Jahren, durch 
die schärfere Selection, etwas rascher als vorher, ohne aber noch auf 
ein baldiges Erreichen von etwa 50°/, als Mittel hinzudeuten. 

Oenothera Berteriana. Neben den beiden erwähnten, aus den ersten 
Jahren meiner Selectionsversuche stammenden Culturen habe ich 
später noch eine dritte Rasse mit demselben Zwecke angefangen. 
Und zwar eine solche, in der die Kreuzung der einzelnen Individuen 
regelmässig vermieden werden konnte. Es liegt zwar kein Grund vor, 
zu befürchten, dass die unvermeidlichen gelegentlichen Kreuzungen 
bei Amarantus und bei Scrophularia einen wesentlichen Einfluss auf 
den Seleetionsprocess haben, denn beide Arten werden, wegen der 
grossen Zahl ihrer gleichzeitig geöffneten Blüthen, vorwiegend mit 


264 Kreuxungen trieotyler Rassen.« 


dem eigenen Blüthenstaub bestäubt und sind damit, wie isolirte 
Individuen lehren, völlig fruchtbar. Und was durch Kreuzung zurück- 
geht, wird ohnehin durch die Selection eliminirt. Aber die Beweis- 
führung ist eine bequemere, wenn nur Selbstbefruchtung gestattet 
wird. Oenothera Berteriana hat eine solche; ihre Blüthen bilden, unter 
Ausschluss des Insectenbesuches, völlig normale Früchte und Samen 
aus. Ich halte meine Pflanzen in einem Käfig aus feiner Metallgaze; 
in gewissen Jahren habe ich sie darin künstlich befruchtet. Aber 
dies ist ganz überflüssig, weil die Narben beim Verblühen sich ab- 
wärts biegen und den Blüthenstaub erreichen. In den beiden letzten 
Sommern liess ich den Käfig vom Anfang der Blüthe bis zum Anfang 
der Samenreife geschlossen; dennoch bildeten nahezu ausnahmslos alle 
Früchte sich aus. Die Früchte sind reich an Samen; einige wenige 
Kapseln pro Pflanze reichen aus, was gegenüber der mühsamen Ernte 
bei Serophularia, ein grosser Vortheil ist. 

Im Sommer 1896 fing meine Cultur an; damals war bei den 
beiden anderen Arten die Aussicht, jemals eine Mittelrasse zu be- 
kommen, schon sehr fraglich geworden. Ich erntete von einigen 
Pflanzen des Botanischen Gartens Samen, welche auf 300 Keimen 
13 Tricotylen, 4 Hemitricotylen und 1 Tetracotylen enthielten, also 
6°. Diese Zahl war bedeutend höher als die meisten Erbzahlen 
meiner S. 247 erwähnten Halbrassen, und etwa so hoch wie die mit 
Amarantus und Serophularia damals erreichten Werthe. Gleichzeitig 
wurden noch sechs andere Arten von Oenothera auf ihren Gehalt an 
Tricotylen geprüft; ich fand 0—1—2°, urd wählte deshalb die 
O. Berteriana. Im Frühling 1897 wurden nur Tricotylen ausgepflanzt, 
und zwar einzeln in kleinen Töpfen, um im Juli auf’s Beet gebracht 
zu werden. Die Erbzahlen wurden im nächsten Jahre ermittelt, und 
zwar für 15 Pflanzen; sie schwankten zwischen 1 und 12°/, und 
waren im Mittel 4°/,. In der nächsten Generation (1898) konnte 
ich etwa 60 kräftige Trieotylen auspflanzen, und diesen Umfang der 
Culturen behielt ich seitdem, mit geringen Schwankungen, bei. Es 
wurden ausgepflanzt 15 Trieotylen der Mutter mit 12°/, und 45 Tri- 
cotylen von 5 Müttern mit 6—7 °/,. Die erstere Gruppe zeigte sich 
aber nicht besser als die letztere; die Pflanzen hatten 2—16°/,, im 
Mittel 4°/, als Erbzahlen, die beste der fünf anderen Gruppen aber 
6—16°/,, im Mittel 8°/, (aus 10 Einzelernten); die übrigen zeigten 
4—11, im Mittel 6°/,. Ich wählte die drei besten Mütter mit 15, 
16 und 16 °/, Erben, und pflanzte von diesen die kräftigsten tricotylen 
Kinder aus (1599). Es gaben in diesem Jahre 77 Exemplare eine 
ausreichende Ernte; die Zahlen für die drei Gruppen (je von einer 


Die Isolirung tricotı er Mittelrassen. 265 


anderen Grossmutter) ergaben en nennenswerthen en Das 
Minimum war 2°/,, das Mittel 12°/, und die höchste Erbzahl 25 °/,. 
Es hatte also ein deutlicher Fortschritt gegenüber der vorigen Gene- 
ration stattgefunden. Im Jahre 1900 hatte ich nur 31 samentragende 
Pflanzen, welche in derselben Weise cultivirt wurden wie in den 
vorhergehenden Jahren. Sie bildeten drei Gruppen, jede aus einer 
Grossmutter, aber ohne wesentliche Differenzen. Die Erbzahlen 
schwankten zwischen 5 und 17°/, und waren im Mittel 10—13/,. 
Die Cultur des letzten Jahres (1901) umfasste 40 Exemplare, deren 
Erbzahlen zwischen 0 und 21 schwankten und im Mittel 10°/, be- 
trugen. 

Ich fasse jetzt die Ergebnisse, wie für die beiden vorigen Arten, 
in einer Tabelle zusammen. 


zahl - schst re ittele 
tion  Piache Erbzahlen, im nächsten Frühling ermittelt 


Mittlere Höchste Samenträger 
I 1896 — — 6 
II 1897 4 12 12 
III 1898 4—S 16 15—16 
IV 1899 12 25 23—25 
V 1900 10—13 16—17 14 
VI 1901 10 21 — 


Die Aussicht auf eine Mittelrasse scheint in diesem 
Versuch demnach ebenso gering zu sein als bei Amarantus 
und Scrophularia. 


S 21. Die Isolirung tricotyler Mittelrassen. 


Ebenso wenig, wie es gelingt, eine tricotyle Mittelrasse willkürlich 
zu machen, ebenso bequem ist es, eine solche aus käuflichen oder 
sonstwie erhaltenen Samenproben zu isoliren, wenn darin zufällig 
vorhanden ist. Die Isolirung gelingt meist schon in 2—3 Generationen, 
eigentlich schon bei der Ermittelung der ee der aus dem 
ursprünglichen Samengemisch hervorgegangenen Pflanzen. Und es 
bedarf dabei sehr wenig Sorgfalt und gar keiner künstlichen Be- 
fruchtung. Sogar bei zweihäusigen Windblüthlern, wie dem Hanf, 
geht es ebenso rasch und ebenso leicht wie bei Selbstbefruchtungen 
in Beuteln oder in Käfigen. 

In der Wahl der Arten und Varietäten ist man selbstverständlich 
nicht frei. Man muss eben suchen, wo es zufällig die gewünschten 
Rassen giebt. Und zu diesem Zwecke hat man möglichst umfang- 


266 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


reiche Aussaaten zu machen. Sät man Proben von je 10—20 Gramm 
Samen, je nach der Grösse der einzelnen Körner, so zeigt es sich 
bei der Keimung bald, ob die Art eine Aussicht auf eine tricotyle 
Mittelrasse enthält oder nicht. Denn 1—2 Tricotylen auf etwa 
10000 normalen Keimlingen lassen solches nicht erwarten, aber einer 
oder gar mehr pro Tausend berechtigen in der Regel zu der frag- 
lichen Erwartung. 

Die Oulturen meiner in $ 19 S. 247 erwähnten Halbrassen hatten 
1592 oder früher angefangen; sie liessen im Frühling 1895 bereits 
deutlich erkennen, dass ich aus ihnen keine Mittelrassen bekommen 
würde. Ich entschloss mich deshalb damals, solche sonst aufzusuchen, 
und wählte dazu etwa 40 Arten und Varietäten von Gartengewächsen, 
meist einjährigen Blumenpflanzen, aus. Das Ergebniss dieser im 
grossen Maassstabe ausgeführten Aussaat wurde bereits auf S. 239 
mitgetheilt. Die meisten Sorten enthielten zu wenig tricotyle Keime, 
und nur acht boten eine Aussicht auf eine Mittelrasse. Von diesen 
habe ich drei aus verschiedenen Gründen aufgegeben, die übrigen 
aber haben meine Erwartungen nicht getäuscht. j 

Ehe ich zu der Beschreibung meiner Versuche übergehe, sei es 
mir gestattet, im Anschluss an den vierten Abschnitt des ersten 
Bandes auseinander zu setzen, was man bei der Isolirung zufällig vor- 
handener Mittelrassen erwarten darf. Die Mittelrasse unterscheidet 
sich nicht in sichtbaren Merkmalen von den gewöhnlichen Typen oder 
Halbrassen, sondern nur in der Häufigkeit der tricotylen Exemplare, 
Wählt man aus käuflichen Samenproben die tricotylen Individuen 
zur Cultur aus, so ist es keineswegs gewiss, dass diese, und nur diese, 
zu der Mittelrasse gehören, wenn es eine solche überhaupt giebt. 
Denn neben dieser ist wohl stets auch die Halbrasse vertreten, und 
auch diese bringt Trieotylen hervor. Andererseits bildet die Mittel- 
rasse stets Atavisten, meist in erheblicher Anzahl. Vorausgesetzt 
also, dass die Saat eine Mittelrasse enthält, werden zu dieser ein 
Theil der dicotylen und ein Theil der tricotylen Keimlinge gehören. 
Aber offenbar wird die Aussicht für die letzteren eine grössere sein 
als für die ersteren. Aus diesem Grunde wähle ich, wo möglich, 
nur die Tricotylen zur Auspflanzung; es erübrigt dann nur, ihre 
Samen für jede Pflanze besonders zu ernten und in der Ernte die 
Erbzahl zu ermitteln. Giebt es unter diesen einzelne auffallend hohe, | 
so gehören sie der Mittelrasse an, und man verwirft alle übrigen, da | 
diese diejenigen der Halbrasse und die zweifelhaften Zahlen umfassen. 
Meist ist die Rasse schon jetzt rein und kann dann durch weitere 
Auslese nach dem gewöhnlichen Selectionsverfahren verbessert werden. | 


Die Isolirung tricotyler Mittelrassen. 267 


Im Grossen und Ganzen gipfeln meine Mittelrassen auf etwa 50—60°/, 
und lassen sie sich durch Zuchtwahl in einzelnen Individuen leicht 
auf SO—90 °/, und darüber hinaufführen. 

Den misslungenen Zuchtversuchen der beiden vorigen Paragraphen 
gegenüber kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass in den 
positiven Fällen die Sache sich anders verhält als bei einer Auslese 
der extremen Varianten der fluctuirenden Variabilität. Selbst die 
Lehre von der einseitigen Steigerung der Variabilität durch Auslese 
lässt uns hier im Stich (vergl. Bd. I, S. 416, $ 2). Denn so rasch 
könnte die Auslese doch wohl nicht wirken, dass sie in einer einzigen 
Generation zum Ziele führen würde Es gilt ‚hier, bei diesen rein 
wissenschaftlichen Rassen, derselbe alte Satz wie im Gartenbau, dass 
die erste Bedingung, um eine Neuheit hervorzubringen, ist, sie zu 
besitzen (Bd. I, S. 131 und sonst). Ist die tricotyle Mittelrasse nicht 
bereits vorhanden, so lässt sie sich, wenigstens bis jetzt, weder 1so- 
liren noch erzeugen. 

Bei wildwachsenden Arten findet man selten einen hohen Gehalt 
an Tricotylen. Den höchsten Werth fand ich bis jetzt im Früh- 
ling 1894 bei Linaria vulgaris, als ich die Samen einer hemipelorischen 
Pflanze meiner damaligen Rasse (vergl. Bd. I, S. 559) aussäte. Die 
Aussaat enthielt auf 425 Keimlingen 59 Trieotylen, also EI Und 
unter den Handelssamen scheint mir die Aussicht auf Mittelrassen, wie 
oben bereits erwähnt, bei den Sorten der landwirthschaftlichen und 
der gärtnerischen Grosscultur (Flur-Blumen der Gärtner) weit grösser 
zu sein, als bei den alljährlich nur in kleinem Maassstabe ceultivirten 
Blumensorten. Auch liegt es auf der Hand, dass die Cultur im 
Grossen der Entstehung neuer Rassen günstiger ist. 

Ist die gesuchte Mittelrasse in irgend einer Samenprobe vertreten, 
so können von ihr mittlere, bessere und schlechtere Repräsentanten 
gefunden werden. Ist ersteres der Fall, so geben sie sofort den 
Mittelwerth der Rasse, also etwa 50—60°/,, und dieses traf, wie zu 
erwarten, und wie die Uebersichtstabelle am Schlusse dieses Para- 
graphen (S. 281) zeigen wird, in den meisten Fällen zu. Selten findet 
man sofort bessere Erben; ein Beispiel davon fand ich nur beim 
Anfang meiner syncotylen Cultur von Helianthus annuus (vergl. das 
folgende Kapitel). Findet man schlechtere Erben, so ist es meist 
leicht, aus diesen zu den Mittelwerthen zu gelangen. Denn sie sind 
einfach als Minus-Varianten der gesuchten Rasse zu betrachten, und 
würden also in Folge des Regressionsgesetzes auch ohne Selection 
zu diesem Werthe zurückkehren (Bd. I, S. 413, unten). Die Erfahrung 
lehrt denn auch, wie die soeben angeführte Tabelle es zeigen wird, 


268 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


dass eine oder zwei Generationen in der Regel genügen, um den 
Werth von 50—60°/, zu erreichen. 

Ehe ich zur Einzelbeschreibung meiner Versuche übergehe, will 
ich jetzt durch einige Beispiele zeigen, wie die Isolirungsculturen der 
tricotylen Mittelrassen im Allgemeinen verlaufen. 

Das Erreichen des Mittelwerthes. Auf S. 239 habe ich in 
einer kleinen Tabelle die Anzahlen von Tricotylen mitgetheilt, welche 
ich im Frühling 1895 in einigen Samenproben fand. Von einigen 
jener Arten wurden diese Tricotylen ausgepflanzt und ihre Samen 
für jedes Exemplar besonders geerntet und ausgesät. Ich erreichte 
auf den besten Exemplaren 12—19°/, Erben (Frühling 1896), auf den 
anderen meist viel weniger; solche wurden als der Halbrasse angehörig 
oder als zweifelhaft betrachtet. Von den besten Müttern wurden nun 
in diesem ‚Jahre (1896) wiederum die Tricotylen ausgepflanzt und 
für jede im nächsten Frühling die Erbzahl besonders ermittelt. Ich 
fasse der Uebersichtlichkeit wegen diese Zahlen in Gruppen von 0—2, 
3—7, 8—12°/,, im Mittel 1-5—10°/, u. s. w. zusammen, und führe 
für jede solche reducirte Erbzahl an, auf wie vielen Exemplaren sie 
vertreten war. 


Isolirung trieotyler Mittelrassen. 


Erbzahlen der zweiten Generation. 


Erste | | Br: IR | 
Gene-| 1 | 5 |10/15|20|25|30|35 40 |45 |50|55/60]65 
| ration | | 
Clarkia pulchela \ısylolı ılalıla 7isjal2lı 202 
Papaver Rhoeas 18%; ‚0 0218) 51 #&| 3171| 0: 070 File 
jr N 119,10 |o1).1j812)177) #4 0 Fr ZZ 
Phacelia tanacetifolia | 14 „ | 0 | 3 | 3s/lı1ı]l3|8|6|4|2|2| 2 |—|—|— 


Solche Culturen gestatten also sofort die Auswahl von Exemplaren, 
welche ganz zweifellos der gesuchten Mittelrasse angehören. Man 
verwirft einfach so vollständig wie möglich die Mütter mit niederen 
Erbzahlen, denn diese können ja noch Bastarde zwischen den beiden 
Rassen enthalten (vergl. unten $ 24). Die höheren Erbzahlen deuten 
aber bereits in dieser zweiten Generation die isolirte und gereinigte 
Rasse an. 

Die Darstellung von Hochzuchten. Hochzuchten nennt man 
in der Landwirthschaft die durch scharfe Selection sehr bedeutend 
verbesserten Zuchtrassen. Dass diese als solche nicht constant 
werden, sondern stets von der Zuchtwahl abhängig bleiben, haben 


Die Isolirung tricotyler Mittelrassen. 269 


wir im ersten Abschnitt des ersten Bandes ausführlich gesehen. Zu 
solchen Hochzuchten eignen sich nun die tricotylen Mittelrassen ganz 
besonders. Ist einmal die Mittelzahl erreicht, so wird diese, bei 
weiterer Auslese, von den extremen Varianten leicht und bald sehr 
stark überschritten. Ich führe als Beispiele Merecurialis annua aus 
der landwirthschaftlichen Grosscultur an und Silene inflata, welche ich 
aus mit Getreide eingeführten Samen erzog. Beide Culturen fingen 
1892 an, und erreichten in der Ernte von 1894 als höchste Erb- 
zahl 55 °/,. Die Aussaat von diesen beiden Pflanzen gab, in derselben 
Weise dargestellt wie die obige Tabelle, das Folgende: 


Selection trieotyler Hochzuchten. 


Erbzahlen der ausgewählten tricotylen Exemplare der vierten 
Generation. 


| Dritte 


Generation  “ 


| | | l | 
35 |40 |45 |50 55 60 65 70 7518085 


PR a WERBEN 
7 


Mereurialis annua | 55225 | % 1,2142 | 
| | 11 — 


le) 1 
Silene inflata In 50%: 0: 3a 224) 

Die Auslese. zeigt keine Regression, weil die Mutterpflanzen noch 
zu wenig vom Mittel der neuen Rasse abwichen. Dagegen werden 
als höchste Werthe sofort 75—85 °/, erreicht, was offenbar einen 
ganz erheblichen Fortschritt bedeutet. 

Diese Beispiele mögen in Verbindung mit unserer Schlusstabelle 
(vergl. unten S. 281) genügen, um eine Einsicht in das Verfahren 
zu geben, durch welches tricotyle Mittelrassen, falls sie vorhanden 
sind, isolirt und verbessert werden können. Sie sollen das Ver- 
ständniss der Einzelbeschreibungen meiner Versuche erleichtern. 
Diese zeigen selbstverständlich, je nach den untersuchten Arten, 
grössere oder kleinere Abweichungen von den gegebenen Beispielen, 
im Allgemeinen aber keine wesentlichen. Ich werde daher meine 
Beschreibungen möglichst kurz fassen. 

Ich hebe aber noch einmal hervor, wie durchaus diese Fälle 
von denjenigen unterschieden sind, wo es nur Halbrassen giebt, und 
wo nach mehreren Generationen oft nur 2—4°/,, selten mehr als 
etwa 20°/, als maximale Zahlen erhalten wurden (vergl. die Tabelle 
auf S. 247). 

Oenothera hirtella. Unter diesem Namen cultivire ich eine tricotyle 
Mittelrasse eigener Art, welche ich aus käuflichem Samen ganz zu- 
fällig erhalten habe. Im Jahre 1895 habe ich eine Reihe von theils 


270 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


käuflichen, theils durch Tausch erhaltenen Samenproben von Oenothera 
Lamarckiana und verwandten Arten cultivirt, um sie mit meinen 
Rassen zu vergleichen. Im Herbst sammelte ich von diesen Culturen 
eine Anzahl von Einzelernten, welche ich aussäte, in der Hoffnung, 
unter ihnen eine tricotyle Mittelrasse zu finden, da meine eigenen 
Rassen und Sorten hierauf gar keine Aussicht boten, wie ich bereits 
oben (S. 241) für einen speciellen Fall, denjenigen der Oenothera rubri- 
nervis, beschrieben habe. Diese Hoffnung erfüllte sich bei einem 
Exemplare, alle übrigen Einzelernten gaben die gewöhnlichen, sehr 
niedrigen Erbzahlen (0—4°/,). Jenes Exemplar war eine Pflanze, 
welche sich durch auffallende Tracht ausgezeichnet hatte. Sie war 
viel höher und schlanker im Wuchs als alle anderen Arten und Unter- 
arten, über 2 Meter hoch, mit einer langen, stellenweise durch das 
Fehlschlagen von Blüthenknospen unterbrochenen Rispe, mit Blumen 
von der Grösse und dem Bau von O. biennis, und wie diese mit 
Selbstbefruchtung, welche in der Regel schon vor dem Oeffnen der 
Blüthen abgelaufen ist. Ihre Nachkommen haben bis jetzt, in einer 
Reihe von Generationen, diesen Typus stets genau bewahrt (vergl. 
unten Fig. 53). 

Diese eine Stammpflanze gab aus ihren Samen auf 300 Keim- 
lingen 7°/,, und bei einer Nachprüfung auf 2430 Keimen 8°/# Tri- 
cotylen, von denen 143 Tricotylen im engeren Sinne, 59 Hemitricotylen 
und 4 Tetracotylen waren. Ob die Mutter selbst drei Samenlappen 
gehabt hatte, weiss ich selbstverständlich nicht. 

Von dieser Saat wurden am 2. April 1896 nur die tricotylen 
Keime ausgepflanzt, und zwar nur die kräftigsten Exemplare. Mitte 
Juli, einige Tage vor der Blüthe, wurde das ganze Beet mit einem 
grossen Käfig aus feinem Tuch überdeckt, um das Blühen ohne 
Insecten stattfinden zu lassen. Das Tuch wurde Anfang September 
entfernt, und gleichzeitig wurden die Pflanzen aller blühenden 
Blüthen und Knospen beraubt. Samen wurden von 54 Individuen 
getrennt geerntet, und für jede Samenprobe wurden 300 Keimlinge 
gezählt. Das Ergebniss war ein sehr merkwürdiges.! Mit einer Aus- 
nahme bildeten die Zahlen eine sehr geschlossene Reihe, deren Mittel 
7°/, war, während weitaus die meisten Zahlen zwischen 2 und 12°, 
lagen (zwei Mütter mit 0-5—1 und drei mit 13, 14 und 17°/,). 
Daneben gab es aber eine einzige Pflanze, welche in der Zahlen- 
reihe weit von den anderen entfernt war. Sie hatte 56°/, Erben, 


! Vergl. unten $ 24 und 25 in Bezug auf die Möglichkeit einer Erklärung 
aus Kreuzung des anfänglichen Individuums dieser Rasse. 


Die Isolirung ae Mitteln ASSEn. 271 


d. h. mehr als die Hälfte ihrer en a waren. Die Erbzahl 
dieser letzteren Pflanze wurde der grösseren Sicherheit wegen zweimal 
bestimmt. Die Zählungen ergaben auf 763 Keimlingen 58°/,, auf 
657 Keimlingen 54 °/,, im Mittel auf 1492 Keimlingen 56 °/.. 

Diese eine Pflanze hatte also eine Erbzahl, welche dem zu er- 
wartenden Mittelwerthe der gesuchten Mittelrasse völlig entsprach. 
Selbstverständlich wurde nur von ihren Samen weiter gezüchtet und 
die Keimlinge, sowohl Tricotylen als Dicotylen, aller übrigen Mütter 
verworfen. 

Man kann nun offenbar zwei verschiedene Wege einschlagen. Auf 
dem einen sucht man die Rasse einfach zu erhalten, auf dem anderen 
sucht man sie durch weitere Auslese zu verbessern. Im ersten 
Falle hat man alle Zuchtwahl so viel wie möglich zu vermeiden; man 
würde dazu die Samen aller Exemplare zusammen und durcheinander 
ernten und aussäen müssen, und auch beim Auspflanzen nicht die 
Trieotylen bevorzugen. Ich habe dieses nicht gethan, sondern, wie 
gewöhnlich, die Samen jedes Individuums getrennt geerntet und unter- 
sucht, und nur die Keimlinge der besten Mütter (d. h. der Mütter 
mit den höchsten Erbzahlen) zur Fortsetzung der Rasse ausgepflanzt. 

Im Sommer 1897 blühten 37 tricotyle Kinder der Mutter mit 
56 °/, Erben in einem Käfig aus feiner Metallgaze. Die in der üblichen 
Weise nach der Ernte ermittelten Erbzahlen ergaben eine deutliche 
Curve, deren Mittel 72 °/, war. Die niedrigste Erbzahl der Tricotylen 
war jetzt 38°/,, die höchsten aber 83, S3 und 89°/,, also ein sehr 
wesentlicher Fortschritt. 

Von derselben Mutter wurden auch atavistische Keime aus- 
gepflanzt, sie gaben selbstverständlich einen etwas geringeren Fort- 
schritt. Ferner wurde diese Cultur zu den in $ 25 zu besprechenden 
Kreuzungsversuchen benutzt. 

Im nächsten Jahre (1898) pflanzte ich nicht von der Mutter mit 
89°/,, sondern aus anderen Rücksichten von einer Mutter mit 66 °/, 
aus. Den Grund für die Wahl bildeten die frühere Blüthe und die 
dadurch bedingte grössere Ernte; die besseren Mütter hatten zu spät 
geblüht oder zu wenig Samen getragen, und es wäre sehr gefähr- 
lich gewesen, in dieser Richtung weiter zu züchten. Auch lag kein 
wesentliches Interesse mehr vor, die Rassen noch weiter zu ver- 
bessern, es kam mehr darauf an, sie zu verschiedenen Versuchen zu 
benutzen (vergl. unten $ 25). Dementsprechend ist die Mittelzahl 
auf etwa 40°/, und das Maximum auf 74°/, zurückgegangen. 

Cannabis sativa. Ich führe jetzt zwei Culturen von zweihäusigen 
Pflanzen, Cannabis und Mereurialis an. Hier ist die Selbstbefruchtung 


0) 


272 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


völlig ausgeschlossen, und dennoch gelang mit ihnen das Isoliren der 
Mittelrassen ebenso leicht und nahezu ebenso rasch als bei der 
Oenothera. Ohne Zweifel hat die Selbstbefruchtung, wo sie ausführbar 
ist, die hohe Bedeutung für Zuchtversuche, welche man ihr allgemein 
beilegt, aber die jetzt mitzutheilenden Culturen lehren, dass es bis- 
weilen ohne sie genau ebenso gut geht. Dieses Ergebniss ist deshalb 
sehr wichtig, weil es die Isolirungsculturen auch bei solchen Arten 
gestattet, bei denen eine künstliche Befruchtung aller einzelnen Samen- 
träger die Arbeit weit über das zulässige Maass erhöhen würde. 
Auch habe ich diese Geduldsarbeit nur mit einer Art, Antirrhinum 
majus, unternommen. 


Nicht alle Varietäten des Hanfs scheinen tricotyle Mittelrassen 
zu besitzen. Unter den von mir geprüften fand ich eine solche nur 
beim Riesenhanf. Von diesem säte ich im Frühling 1593 eine grössere 


Menge Samen, aus denen ich nur sieben tricotyle Pflanzen zur Blüthe 
bringen konnte. Unglücklicher Weise waren die meisten männlich, 
es gab nur eine weibliche Pflanze, welche auf 126 Keimlingen 4 Tri- 
cotylen gab. Von diesen waren im Jahre 1894 zwei weiblich und zwei 
männlich, die Samen der beiden ersteren wurden getrennt geerntet 
und gaben auf 400 und 600 Keimlingen 15°/, und 9°/, Erben. 


0) 


Ausgepflanzt wurden für die Fortsetzung der Rasse nur tricotyle 


Keime von der Mutter mit 15 °/, Erben (1895). Es waren 29 Pflanzen, 
von denen 10 Samen trugen. Ihre Erbzahlen waren 19, 31, 38, 40, 
43, 47, 48, 50, 52 und 63 °/,, sie erreichten also den Mittelwerth der 
erwarteten Mittelrasse und überschritten diesen in einem Falle sogar 
(63 °/, auf 316 Keimlingen.. Nur von dieser allerbesten Mutter 
wurden die tricotylen Kinder ausgepflanzt (1896). Von diesen trugen 
38 Exemplare Samen, mittelst welcher die Erbzahlen der einzelnen 
Mütter bestimmt wurden. Ich reducire sie in der üblichen Weise 
zu Gruppen mit 40, 45, 50°/, u. s. w. als Mittelwerth und finde dann 
für die 38 Kinder der Mutter mit 63 °/, Erben: | 


Proc. Gehalt an Erben 40 45 50 55 60 65. 70.7 To 
Anzahl der Samenträger 5 6 3 10 5 5 2 2 18 


Die Zahlenreihe gipfelt auf etwa 55 °/, und stellt also ein gutes 
Beispiel einer jungen, rein isolirten, aber noch nicht wesentlich durch 
Zuchtwahl verbesserten Rasse dar. 

Im Jahre 1897 habe ich die Cultur weiter fortgesetzt, haupt- 
sächlich wegen des beabsichtigten Kreuzungsversuches, theilweise auch 
zur weiteren Verbesserung meiner Rasse. Ich säte die Samen von 
vier Müttern, welche 65, 66, 67 und 70°/, Erben gehabt hatten, und 


Die Isolirung tricotyler Mittelrassen. 273 


hatte 60 tricotyle Pflanzen in Blüthe, von denen 26 mir eine Ernte 
lieferten. Die Erbzahlen schwankten zwischen 35 und 90°), und 
betrugen im Mittel 74°/,, was also einen befriedigenden Fortschritt 
bedeutet. 

Mercurialis annua. Aus Samen, welche ich im Tausch der 
botanischen Gärten erhalten hatte, cultivirte ich 1592 zwei tricotyle 
Pflanzen, deren eine weiblich, die andere aber männlich war. Die 
Ernte war eine sehr geringe, es keimten nur 14 Samen, welche 
sämmtlich zwei Samenlappen hatten (1893). Ich isolirte die Samen 
dieser Gruppe bei der Ernte nicht und fand im nächsten Frühling 
auf 1100 Keimlingen 2°/, Tricotylen (1894). Ausserdem waren auf 
dem Beete, aus den abgefallenen Samen noch mehrere Tricotylen 
aufgekommen, so dass ich im Ganzen 18 weibliche und eine ent- 
sprechende Anzahl männlicher Tricotylen hatte. Diese Cultur gab 
das gehoffte Resultat; die für die einzelnen Samenträger ermittelten 
Erbzahlen liefen regelmässig von 1—55 °/,; die fünf höchsten waren 
31, 34, 41, 52 und 55°/,. Die Mittelrasse war somit wenigstens in 
diesen letzteren Exemplaren isolirt worden. Ich habe dann (1895) 
nur von der einen Mutter mit 55°/, Erben ausgepflanzt, und zwar 
nur tricotyle Keime. Allerdings war es dabei ungewiss, ob der Pollen 
nur von zur gesuchten Mittelrasse gehörenden Pflanzen hergerührt 
hatte, aber die im Frühling 1896 ermittelten Erbzahlen deuteten auf 
eine ausreichende Reinheit der Rasse hin. Ich habe diese Zahlen- 
reihe bereits oben, S. 269, mitgetheilt. Das Mittel war auf 67, das 
Maximum auf 86 °/, gestiegen. 

Ausgepflanzt wurden im Jahre 1896 die Tricotylen von zwei 
Müttern, mit 78 und mit 81°/, Erben, und zwar 25 bezw. 20 Exem- 
plare. Die Erbzahlen der beiden Gruppen differirten nicht wesentlich, 
schwankten zwischen 5l und 92°/, und betrugen im Mittel von 
25 Pflanzen (die übrigen waren männlich gewesen) 73°/,. Die Rasse 
hatte sich also, dem Vorjahre gegenüber, noch etwas verbessert. 

Sie wurde noch ein Jahr in derselben Weise fortgesetzt. Ich 
eultivirte (1897), von der Mutter mit 92°/,, 12 weibliche und mehrere 
männliche tricotyle Kinder, und erhielt für diese Erbzahlen zwischen 
65 und 91 °/,, im Mittel 78°/,. 

Nachdem also in der Ernte von 1894 die Zahl 55°/, erreicht 
war, stieg der mittlere Gehalt in den drei folgenden Jahren meiner 
Selection auf 67—73 und 78 °/,. 

Clarkia pulchella (Fig. 49). Im Frühling 1895 machte ich die 
mehrfach erwähnten umfangreichen Aussaaten von gärtnerischen 
Samen zur Aufsuchung tricotyler Mittelrassen. Die Samen von 


DE VRIES, Mutation. II. 18 


274 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


Clarkia pulchella alba enthielten etwa 1°/, Tricotylen. Es blühten 
deren 30, von denen aber nur 18 ausreichend Samen trugen. Zwei 
von diesen hatten 14 und 16°/, Erben, die übrigen 0—7°/,, im 
Mittel 4°/,. Es wurden dann (1896) nur Tricotylen von der Mutter 
mit 16°/, ausgepflanzt. Es waren 39 Exemplare, welche alle eine 
Erbzahl gaben. Diese sind auf S. 268 mitgetheilt worden und lagen 
bereits für 8 Mütter oberhalb 50 °/,. Die Mittelrasse war also offen- 
bar schon in vielen Exemplaren vorhanden. 

Im Jahre 1897 pflanzte ich nur Tricotylen der Mutter mit 64 °/, 
Erben aus, und erntete die Samen wiederum auf 39 Individuen. Die 
Erbzahlen schwankten für 
diese zwischen 16 und 79 
und betrugen im Mittel 
49°/,. Die Rasse konnte 
also jetzt als völlig rein 
betrachtet werden. 

Helichrysum bracteatum 
compositum (Fig.50). Aus 
derselben Aussaat wie die 
Olarkia pflanzte ich auch 
von Helichrysum tricotyle 
Keimpflanzen aus. Es 
waren deren verhältniss- 
mässig viele, im Ganzen 
trugen 19 Exemplare 
Samen. Für jedes von 
ihnen wurde die Erbzahl 
besonders ermittelt; sie 
schwankte für 15 Pflanzen 
zwischen 2 und 8 und 
Fig. 49. Clarkia pulchella alba. Ein blühender Zweig, war im Mittel 4°/,, da- 

neben gab es einzelne 
höhere Zahlen: 12, 12, 16 und 41°/,. Die letztere Mutter gehörte 
offenbar der gesuchten Mittelrasse an, alle übrigen wurden als zweifel- 
haft verworfen, obgleich, wenn diese eine bessere Pflanze zufällig 
nicht dabei gewesen wäre, diejenige mit 16°/, mir wohl eine gleiche 
Aussicht geboten hätte, wie die entsprechende zur Begründung der 
Rasse gewählte Pflanze von Clarkia. Auffallend war bei dieser einen 
Pflanze der hohe Gehalt an Tetracotylen und der niedere an 
Hemitricotylen; von ersteren enthielt sie 11°/,, von letzteren nur 
1°/,. Diese Kigenthümlichkeit hat sich später, namentlich in Bezug 


Die Isolirung tricotyler Mittelrassen. 275 


auf die Tetracotylen, in ihren Nachkommen noch weiter aus- 
geprägt. 

Im Jahre 1895 pflanzte ich nur Trieotylen und Tetracotylen von 
der Mutter mit 41°/, Erben aus, und zwar auf getrennten Beeten. 
Von den Tricotylen trugen 32 Pflanzen eine ausreichende Ernte. Von 
diesen hatte eine nur 6°/, Erben; für die übrigen schwankte die 
Erbzahl zwischen 13—43 °/, und betrug im Mittel 26 °/,. Die Tetra- 
cotylen gaben ähnliche Zahlen; sie waren 19 Pflanzen 
mit 14—42, im Mittel 25°/,, und ein Exemplar, welches 
51°/, aufwies. Man darf letzteres einem günstigen 
Zufall zuschreiben und folgern, dass die Tetracotylen 
nicht wesentlich bessere, aber auch keine schlechteren 
Erben sind als die Tricotylen, dass sie aber ganz 
offenbar zu derselben Rasse gehören, d. h. durch die- 
selbe elementare Eigenschaft bedingt sind. Im Be- 
sonderen war der Gehalt an tetracotylen Keimen in 
dieser Öultur zwar ein sehr bedeutender, doch nur in 
ähnlichen Verhältnissen, wie oben für die erste Gene- 
ration angegeben worden ist. 

Zur Fortsetzung der Rasse wurde nur von der 
tetracotylen Mutter mit 51°/, Erben ausgepflanzt. Und 
zwar nur tricotyle und tetracotyle Keime, diese aber 
jetzt nicht mehr getrennt. Samen wurden geerntet 
und ausgesät für 37 Pflanzen; sie gaben Erbzahlen, 
welche nicht wesentlich vom Vorjahre abwichen. Sie 
schwankten ziemlich regelmässig zwischen 10—52 und 
betrugen im Mittel 35°/,. Also in Bezug auf die en El 
Mittelzahl ein sehr wesentlicher Fortschritt. Den Ein 

Wegen eines anderen, unten zu besprechenden blühender Gipfel 
Versuches (vergl. $ 23) wurde dann diese Cultur nicht a 
weiter fortgesetzt. rasse. 

Antirrhinum majus. Mit dieser Pflanze habe ich 
einen meiner ersten Versuche zur Herstellung einer tricotylen Mittel- 
rasse gemacht, und es mag wohl meiner damaligen geringen Erfahrung 
zuzuschreiben sein, dass der Fortschritt ein viel langsamerer war als 
in den späteren Culturen. Auswahl aus zu wenigen Samenträgern 
und unzureichende Düngung betrachte ich jetzt als die Ursachen. 
Ich führe den Versuch aber dennoch an, weil er doch schliesslich 
zu einer einwurfsfreien tricotylen Mittelrasse geleitet hat, und diese 
auch zu meinen Kreuzungsversuchen benutzt wurde. Andererseits 
dürfte es nicht unwichtig sein, zu zeigen, dass man, bei etwaiger 
18* 


276 ‚Kreuz zungen tricotyler Rassen. 


W FE meiner tricoty len Culturen, en immer darauf rechnen 
darf, in zwei bis drei Generationen zum Ziele zu gelangen. | 

Ich habe tricotyle Rassen aus zwei Varietäten des Löwenmauls 
zu isoliren gesucht. Erstens aus der im ersten Bande S. 494 er- 
wähnten und auf Tafel VII abgebildeten gestreiften Sorte, als diese 
aber nach vier Generationen (1892—1896) es noch nicht so weit 
gebracht hatte als die andere, und 45°/, noch nicht überschritten | 
hatte, habe ich auf sie verzichtet und nur die zweite fortgesetzt. Ich 
beschränke meine Beschreibung somit auf diese letztere. Es war 
eine dunkelrothe mittelhohe Varietät. 4 

Im Jahre 1892 hatte ich aus käuflichen Samen vier tricotyle 
Pflanzen, in deren Ernten ich im nächsten Frühling (1893) 2, 4 T 
und 7°/, tricotyle Keime fand, auf je 300500 Keimlingen. Ich 
pflanzte nur von einer der Sana Mütter mit 7°/, aus, aber die | 
Cultur misslang grossentheils und nur drei tricotyle Exemplare gaben 
eine ausreichende Ernte. Ihre Erbzahlen waren 2, 8 und 8%. 
Wiederum wurde nur von einer der besten Mütter weiter gepflanzt 
(1894); ich hatte in diesem Jahre 12 tricotyle Pflanzen, für welche 
ich die Erbzahlen bestimmen konnte. Diese schwankten mit zwei 
Ausnahmen zwischen 7—19, die Ausnahmen stiegen aber bis 23 und 
25°/, heran. Das Mittel der ganzen Gruppe war 13°,. Von den?) 
beiden besten Müttern wurden (1895) die tricotylen Keime ausgepflanzt, 
und zwar in getrennten Gruppen. Diese zeigten in den Mittelzahlen 
einen deutlichen Unterschied, erreichten aber beide ausnahmsweise 
41°/,. Die Mutter mit 23°/, Erben hatte auf 18 Kindern 7—317 
im Mittel 17 °/,, und ein Exemplar mit 41°/, tricotylen Grosskindern, 
während die Mutter mit 25°/, auf 12 Kindern 15—31°/,, im Mittel 
26°/, und zwei Kinder mit 41°/, Erben hatte. Den Principien der 
Grossmutterwahl entsprechend wurden die drei Exemplare mit 41%, 
Erben nicht als gleichwerthig betrachtet, sondern nur von jenen 
beiden, deren Mutter 25°/, Erben und im Mittel unter den Gross- 
kindern 26 °/, gehabt hatte, ausgepflanzt. Die Nachkommenschaft des 
dritten Pflanze mit 41°/, Erben wurde aber verworfen. 

Zwischen den beiden Gruppen meiner Cultur von 1896 zeigte 
sich bei der Ermittelung der Erbzahlen im nächsten Frühling kein 
sehr deutlicher Unterschied. Diese Zahlen ergaben, in Procenten auf 
je etwa 300 Keimlingen: 


Mutter Erbzahlen der Kinder: Anzahl 
Niedrigste Mittelste Höchste der Samenträger | 
2413), 31 45 67 16 3 


B 41°], 22 50 79 22 


Die Isolirung tricotyler Mittelrassen. 277 


Da diese beiden Öulturen als typisch für eine gewöhnliche Mittel- 
rasse ohne weitere Verbesserung durch Auslese gelten können, gebe 
ich hier die Zahlen der einen (B) in vollständiger Reihe. Sie waren: 


1 19 

60 60 

50 al 9) 57) )5) 96 58 39 
41 42 46 47 47 


ap) 36 39 
22 25 


In dieser Weise aufgeschrieben zeigen die Zahlen ohne Weiteres 
ihre Gruppirung in der Form einer auf etwa 50—55 °/, gipfelnden 
Curve an.! 

Es lag auf der Hand, nur von den Grosskindern der Pflanze B 
auszupflanzen, und ich wählte dazu (1597) die beiden Mütter mit 
71 und 79°/, Erben. Die beiden Öulturen bestanden nur aus tri- 
cotylen Pflanzen, blühten auf besonderen Beeten, aber es wurde die 
Befruchtung, wie in den vorigen Jahren, den Insecten überlassen. 
Das Ergebniss der Ermittelung der Erbzahlen war im Frühling 1898 
Folgendes: 


Mutt Erbzahlen der Kinder: Anzahl 
Ber Niedrigste Mittlere Höchste der Samenträger 
ee, 34 62 a 23 
DEI, 48 64 19 24 


Die Mittelzahlen zeigten also dem Vorjahre gegenüber einen 
Fortschritt, nicht aber das Maximum. 

Fasse ich jetzt die ganze sechsjährige Cultur kurz zusammen, 
so finde ich die folgende Reihe: 


Erbzahlen in der Ernte von: 


1892 1893 1894 1895 1896 1897 
Höchste Erbzahl 7 8 25 41 79 2 
Mittlere & 5 6 13 26 50 64 
Niedrigste ,, 2 2 7 i5 22 48 


! In dieser Weise pflege ich für jede Ernte und jede Grossmutter meine 
Zahlen zusammenzustellen. Solche Gruppen geben in sehr bequemer Weise 
eine Uebersicht über das erhaltene Resultat, und lehren sofort, ob die Grenzen 
der wahrscheinlichen Fehler überschritten und also der exacte Nachweis von 
Differenzen zwischen den einzelnen Individuen vorhanden ist. Vergl. das erste 
Kapitel dieses Abschnittes. 


Kreuzungen tricotyler Rassen. 


Die Mittelrasse hat sich hier somit, wie bereits erwähnt, nur 
allmählich aus dem Gemisch isolirt, und zwar hauptsächlich wohl 
in Folge des anfänglich zu geringen Umfanges meiner Culturen.! 

Papaver Rhoeas. Aus der gefüllten, vielfarbigen, gemischten 
Gartenvarietät dieser Pflanze habe ich im Jahre 1895 21 tricotyle 
Keime ausgesucht und weiter cultivirt. Sie trugen reichlich Samen 
und gaben im nächsten Frühling auf je 300 Keimlingen die folgenden 
Procentzahlen an Tricotylen: 


18 19 19 20 


12 12 

7 7 fe) 

4 4 4 4 6 

0-5 1 1 1 1 1 2 


Die Gruppe zeigt deutlich zwei Abschnitte, eine halbe Curve, 
welche auf etwa 1°/, gipfelt, und vier Samenträger mit dem weit 
von den übrigen entfernten Gehalt von 18—20 °/,. Offenbar gehörten 
diese vier der gesuchten Mittelrasse an, und waren die übrigen theils 
Repräsentanten der Halbrasse, theils Bastarde zwischen beiden Rassen. 
Ausgepflanzt wurden (1896) die besten tricotylen Keime von zwei 
Müttern mit 18 und 19°/, Erben. Sie blühten und trugen meist 
reichlich Samen; die Ermittelung der Erbzahlen auf je 300 Keim- 
lingen ergab für die eine Mutter auf 24 Kindern 10—56, im Mittel 
19°/,, und für die andere 10—53, im Mittel 26°/,. Ausgepflanzt 
wurde von den zwei besten Müttern dieser Gruppen, und die nächste 
Generation ergab im Frühling 1898: 23—65, im Mittel 40%, auf 
17 Samenträgern, und 26—75, im Mittel 47 °/, auf 13 Exemplaren. 

Phacelia tanacetifolia (Fig. 51). Meine Rasse rührt aus derselben 
Aussaat käuflicher Samen her, wie Clarkia, Helichrysum und Papaver. Im 
Sommer 1895 hatte ich aus käuflichem Samen 20 trieötyle Pflanzen 
in Blüthe; ihre Erbzahlen gaben eine ähnliche zweigliederige Gruppe 
wie die soeben erwähnten von Papaver. Drei Samenträger hatten 
12, 12 und 14°/,, die übrigen 1—10°/,. Nur jene drei wurden zur 
Begründung meiner Rasse ausgewählt. Ihre Culturen gaben 30, 6 
und 9 Einzelernten, welche im Frühling 1897 in der üblichen Weise 
beurtheilt wurden. Die niedersten, mittleren und höchsten Erbzahlen 
der drei Gruppen waren 5 — 26 — 58, 21 — 28 — 42 und 6 — 14 
— 16°/,. Die zwei ersten Grossmütter hatten also deutlich bessere 

I 


I 


! Ueber diese Verzögerung der Isolirung und den Einfluss möglicher 
Kreuzung darauf vergl. dic beiden letzten Paragraphen diesesKapitels ($$24 und 25). 


Die Isolirung tricotyler Mittelrassen. 279 


Nachkommen gegeben als die letztere. Ich wählte zur Fortsetzung 
meiner Rasse die erstere Gruppe, und daraus die zwei besten Mütter 
mit 54 und 58°/, Erben. Sie gaben zwei Gruppen von tricotylen 
Pflanzen, deren Ernten im Allgemeinen einen grossen Fortschritt der 
Rasse aufwiesen, von einander aber nicht wesentlich abwichen. Mit 
Ausnahme der Extremen bildeten diese Zahlen eine geschlossene 
Gruppe von 35 Erbzahlen zwischen 35—72, im Mittel 57°/,. Die 
Extreme waren 20—22°/, und 80, 84, 85 und 90°/,; die beiden 


Fig. 5l. Phacelia tanacetifolia. Fig. 52. Silene inflata. 
Ein blühender Zweig. Eine ganze Pflanze. 


ersteren, welche wohl die Folge noch unvollständiger Isolirung waren, 
kamen in derselben Gruppe vor; die hohen Zahlen waren aber auf 
die Nachkommen der beiden Grossmütter vertheilt. 

Mit der Mittelzahl von 57°/, war aber die Mittelrasse offenbar 
erreicht, und es wurde die Cultur somit nicht weiter fortgesetzt. 

Silene inflata (Fig. 52). Diese Rasse erhielt ich durch einen 
reinen Zufall; die Stammpflanze gehörte zu derjenigen Reihe von 
Formen, welche ich im Laufe der Jahre in Cultur genommen habe, 
um Arten in einer Mutationsperiode aufzufinden (vergl. Bd. I, S. 151). 


280 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


Es war ein einziges Individuum, welches, aus einem mit Getreide 
importirten Unkrautsamen aufgegangen, im Jahre 13592 in meinen 
Versuchsgarten übergepflanzt wurde. Diese Pflanze enthielt in ihrer 
Ernte 3°/,, und als sie 1893 wiederum geblüht hatte, 4°/, Trieotylen. 
Als ich nun die Tricotylen der ersten Ernte im Sommer 1893 aus- 
gepflanzt hatte, gaben acht von ihnen ein ausreichendes Samenquantum. 
Ich zählte in jeder Probe 200—1300 Keimlinge und fand 2—15°/, 
und in den besten Fällen 24 und 32°, (letztere auf 1300 und 
1060 Keimlingen). Im Mittel 11°/,. 

Offenbar gehörte die Urpflanze somit zu einer tricotylen Mittel- 
rasse, und als solche hat sie sich auch in ihrer Nachkommenschaft 
bestätigt. 

Im Frühling 1594 pflanzte ich nur tricotyle Kinder von der 
Mutter mit 32°/, Erben aus, und hatte 22 samentragende Pflanzen. 
Diese gaben mir im nächsten Jahre ebenso viele Erbzahlen, welche 
zwischen 26 und 55°/, schwankten und im Mittel 37°/, erreichten. 
Es gab drei Individuen mit 54, 55 und 55°/, Erben. Das Mittel 
lag hier also höher als der entsprechende Werth der Mutterpflanze, 
die Regression fand also nicht in der Richtung nach 0, sondern nach 
der entgegengesetzten Seite statt, wie solches bei der Isolirung neuer 
Rassen aus ihren Gemischen sein soll. 

Im Sommer 1895 pflanzte ich trieotyle Kinder von den beiden 
Müttern mit 55 °/, Erben aus, hielt sie im zwei Gruppen und ermittelte 
aus den Ernten von 31 Individuen die Erbzahlen. Die beiden Gruppen 
zeigten keinen wesentlichen Unterschied, die Zahlen schwankten 
zwischen 26 und 73 und betrugen im Mittel 53°/,. Es hatte somit 
das Mittel jetzt den Werth der Mutter erreicht, die Rasse konnte 
als isolirte Mittelrasse ohne Züchtungseinfluss betrachtet werden. 

Für die nächste Generation wählte ich die tricotylen Nach- 
kommen von drei Pflanzen mit 66, 68 und 73°/, Erben. Es trugen 
(1896) 25 Pflanzen eine Ernte, aber durch ungünstige Umstände war 
in diesem Jahre die Cultur eine sehr schwache, die meisten Indivi- 
duen lieferten weniger als 200 keimfähige Samen. Die Erbzahlen 
waren also keine sehr genauen, bildeten aber eine geschlossene Gruppe, 
welche zwischen 18 und 56°/, schwankte und im Mittel nur 32°, 
erreichte. Es hatte also trotz der Auslese ein allgemeiner Rück- 
schritt stattgefunden. 

Zusammenfassung. Ueberblickt man den Lauf der mitgetheilten 
Versuche, so fällt es auf, dass eine bestimmte Gruppe von Erbzahlen 
viel häufiger vertreten ist als die übrigen. Es sind dies die Zahlen 
um etwa 55°/, herum. Und zwar werden diese meist in den Keim- 


Die Isolirung triceotyler Mittelrassen. 281 


zählungen am Schlusse der zweiten Generation, bei etwas weniger 
günstigen Versuchen am Schlusse der dritten oder vierten erreicht. 
Um diese Thatsache zum klaren Ausdruck zu bringen, gruppire ich 
die ganze Versuchsreihe so, dass die am nächsten bei 55°/, kommenden 
Zahlen in eine Spalte zusammengebracht werden. 


Isolirung trieotyler Mittelrassen. ! 


Höchste procentische Erbzahlen für die auf einander folgenden 
Generationen. 


IE % ls 50 Ena 60—95 
Generation | 55.0, 
| l | 
Antirrhinum majus . . 1892 fl 6) | 25 41 79 ma 
Mercurialis anmma . .\ 1892 | I | 0 2 55 86 92 91 
Stlene inflata . :» - - 1892. . | I 3 32 55 356, — 
Cannabis sativa . . . 1893 | 1 3 15 52-63 | 80 | 90 | — 
Olarkia pulchella . . . 1895 — 1 16 64 911 —- | — 
Helichrysum bracteatum 1895 — I 41 51 san 2 
Papaver Rhoeas . . . 1895 = 1 20 56 3 —-ı— 
Phacelia tanacetifolia . 1895 el 14 58 90 — E= 
KR Be DE 56 39 0 —- | — 


Oenothera hirtella . . ED 

In dieser Tabelle giebt die erste Spalte das Jahr an, in welchem 
der Versuch anfing, sei es mit der Auswahl von tricotylen Keimen 
aus käuflichen oder sonstwie bezogenen Samen, sei es mit zufällig 
erhaltenen Pflanzen (Oenothera, Silene). Dieses Jahr ist in den folgenden 
Spalten, wo nöthig, mit I angedeutet (erste Generation), die darauf 
nach rechts in jeder Zeile folgenden Zahlen beziehen sich auf die 
auf der ersten und auf einander folgenden Generationen. Es gab also 
2. B. Clarkia in der Ernte der ersten Generation bis 16 °/, Tricotylen, 
in jener der zweiten und dritten Generation 64 und 79°/, solcher 
Erben. 

Das Hauptresultat dieser Tabelle liest in der Ver- 
gleichung mit der Zahlengruppe, welche auf S. 247 für die 
Halbrassen gegeben wurde. Dort brachte es die Selection 
durch vier bis sechs Jahre nicht weiter als zu 2—4°/,, in 
Ausnahmsfällen zu 15—20°/,. Hier aber wird meist in zwei 
bis drei Generationen etwa 55°/, erreicht. Dort liess sich von 
der weiteren Fortsetzung der Auslese keine wesentliche Verbesserung 
erwarten, was durch die länger fortgesetzten Versuche mit Amarantus 


‘ Für die nähere Erklärung dieser Tabelle vergl. unten, am Schluss des $ 24. 


282 Kreuxungen tricolyler Rassen. 


und Serophularia auch bestätigt wurde. Hier aber ist die Auslese in 
der Regel eine sehr wirksame, indem sie die besten Erben der Rasse 
bald auf eine Erbkraft von etwa 80—90 °/, hinaufführt. 

Es kann also keinem Zweifel unterliegen, dass hier ganz andere 
Verhältnisse gefunden werden als dort. Dort gab es nur Rassen 
mit halben Curven, auf welche die Selection nur geringen 
Einfluss hatte; hier aber gab es neben diesen die höchst 
variablen, für Selection und Lebenslage äusserst empfind- 
lichen Mittelrassen. Diese liessen sich leicht isoliren, sei 
es, dass sie in dem ursprünglichen Samenquantum schon in einem 
oder mehreren Exemplaren vorhanden waren, sei es, dass man nur 
Bastarde zwischen der Mittel- und der Halbrasse fand und durch 
deren Spaltung die gewünschte Rasse erhielt. Aber diesen letzteren 
Fall werde ich erst erörtern können, wenn wir dafür durch die 
künstlichen Bastardirungen die erforderliche Grundlage gewonnen 
haben werden. 

Die Isolirung der tricotylen Mittelrassen erforderte in den ersten 
Versuchen 3—4 Generationen. Später, als ich die Culturen sofort in 
grösserem Umfange anfing, reducirte sich die Anzahl auf zwei Jahre. 
Die weitere Auslese brachte es meist in einem Jahre auf 70—80, bis- 


weilen sofort oder nach zwei Generationen auf 90°/,. Ungünstige Lebens- 


lagen gaben Ausnahmen oder sogar Rückschritt, aber nur Helichrysum 
und Silene fallen in dieser Hinsicht auf. Bei weiterer Selection er- 
hielten sich Cannabis, Mercurialis und Antirrhinum auf SO— 9 °/,, und 
wahrscheinlich würde man in einzelnen Individuen auch wohl gelegent- 
lich 100°/, erreichen können. Den Maximalzahlen entsprechen im 
Allgemeinen die Mittelzahlen aus den ganzen Culturgruppen; sie 
halten sich meist um 55°/, herum, können aber durch Auslese ver- 
bessert, durch schlechte Lebenslage herabgesetzt werden. 

Schliesslich ist zu bemerken, dass die Zahlen für diese Mittel- 
rassen so weit von denen der Halbrassen (S. 247) entfernt sind, dass 
jeder Gedanke an einen möglichen Einfluss der unvermeidlichen Fehler 
bei der Probenahme von selbst hinfällig ist, und dass somit Erb- 
zahlen von 1—5°/, oder gar von 5—20°/,, wenn sie sich trotz 
Auslese erhalten, auf Halbrassen, solche von 40—60 °/, aber, 
wo sie in den Einzelernten gefunden werden, auf Mittel- 
rassen schliessen lassen. 


‘Bei der Isolirung einer Mittelrasse aus der ursprünglichen Samen- 


probe trennt man diese von der dort gleichfalls vertretenen Halbrasse. 
Denn wohl nie findet man die Mittelrasse als solche rein; wohl keine 


Pflanzenart hat in den nicht ausgelesenen Samen in normaler Weise 


Die Isolirung tricotyler Miltelrassen. 283 


etwa zur Hälfte tricotyle Keime. Verfolgt man die Trennung nach 
der statistischen Methode, so findet man, dass zwei Curven, eine 
halbe, auf etwa 0°/, gipfelnde, und eine zweischenkelige, mit dem 
Gipfel auf etwa 50°/, (bezw. 55°/,), sich von einander scheiden lassen. 
Es kann daher in der einen oder der anderen Uebergangsgeneration 
vorkommen, dass beide Curven, mehr oder weniger deutlich erkennt- 
lich, neben einander liegen, dass man somit zeitweise eine zweigipfelige, 
sogenannte dimorphe Curve hat. Diesen Fall habe ich nun mehrfach 
bei meinen Isolirungsversuchen beobachtet, und gelegentlich auch 
schon erwähnt. 

Solche dimorphe Curven erhält man in den fraglichen Uebergangs- 
generationen am leichtesten, wenn man nicht nur tricotyle Keime aus- 
pflanzt, sondern daneben auch dicotyle. Denn wie früher bereits 
erwähnt wurde, besteht eine grosse Aussicht, dass viele Dicotylen 
zur Halbrasse und viele Tricotylen zur Mittelrasse gehören werden. 
Ist aber die letztere einmal isolirt, so gehören ihr alle Individuen 
ihrer Saaten an, unabhängig von der Frage, ob sie zwei oder drei 
oder gespaltene Samenlappen haben. Dann lässt sich also eine solche 
Dimorphie der Curven nicht oder doch nur bei anhaltender Zucht- 
wahl und in anderer Weise erwarten.! 

Ich führe als Beispiel die Cultur von Mercurialis annua im 
Jahre 1895 an (vergl. die Tabelle S. 281), da diese, als zweihäusige 
Pflanze, eher eine Ausgleichung der Differenzen würde erwarten 
lassen. Das Exemplar mit 55°/, Erben von 1894 konnte gerade 
demzufolge gemischt befruchtet sein; seine Kinder hatten die fol- 
genden Erbzahlen: 


[| 8182 - 86 
A. Trieotyle Kinder | — Ka OS TS 
66 67 
IUA4 48 50 
| 34 3 36 40 
B. Dicotyle Kinder oo oA on: 
| ı8 20 


Die Gruppe war somit dimorph, die Mittelrasse noch nicht rein. 
Aehnlich verhielt es sich in anderen Fällen. 

Auch bei Clarkia pulchella gingen die Atavisten zurück, als ich 
sie im Jahre 1597 auf einem besonderen Beete, gleichzeitig mit der 


! Für diese Frage vergleiche man die betreffenden Versuche mit Helianthus 
annuus syncotyleus. 


254 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


pflanzte. Diese Mutter hatte bereits 64°/, Erben, war aber die erste 
in der Rasse mit einer hohen Zahl, und gehörte somit noch der 
Uebergangsperiode an. Ich fasse die erhaltenen Erbzahlen in Gruppen 
von 5—15 °/,, 15—25 °/, u. s. w. zusammen und gebe für jede Gruppe, 
unter der mittleren Procentzahl, also 10—20 u. s. w., die Anzahl der 
Exemplare, welche nach ihrer Erbzahl zu dieser Gruppe gehörten. 


Procentischer Gehalt an Erben 10 20 30 40 50 60 70 80 
Anzahl tricotyler Exemplare 072 ‘5.8 87 Ts 
„  atavistischer s 423.91 0 RT 


Das Mittel für die tricotylen Exemplare war 49 °/,, für die Atavisten 
aber 30 %,. 

Ist die Rasse isolirt, so haben selbstverständlich die Atavisten 
noch stets geringere Erbzahlen als die Tricotylen. Aber der Unter- 
schied ist nur noch ein geringer und die Curve für beide Typen 
zusammen wird eine eingipfelige. Ich habe für Oenothera hirteila 
neben den tricotylen Kindern der Mutter von 1896 mit 56 °/, Erben 
auch für die atavistischen Kinder derselben Mutter eine Reihe von 
Erbzahlen bestimmt. Die Mutter war, unter Ausschluss des Insecten- 
besuches, rein durch sich selbst befruchtet, und ebenso waren es die 
sämmtlichen Kinder. Ich gruppire die Erbzahlen in derselben Weise 
wie oben: 


Procentischer Gehalt an Erben 10 20 30 40 50 60 70 80 % 
Anzahl trieotyler Exemplare — — — 161114 10 1 
„  atavistischer 5 1.07 4 3 10710 ze 
Berechnet für die ganze Nach- 
kommenschaft .,: ..„. 1 0 4. 4A 19 27 327 21 e 


Die Zahlen der Trieotylen haben im Mittel 72 °/,, diejenigen der 
Atavisten 60°/,, was an sich für eine Mittelrasse ausreichen würde. 
Für die ganze Gruppe finde ich die untere Zeile, wenn ich die Zeile 
der Tricotylen, von denen ich im Verhältniss zu den Atavisten zu 
wenige cultivirt hatte, einer entsprechenden Correctur unterziehe. 
Die Gesammteurve ist deutlich monomorph, wenn auch sehr flach. 

Solche Curven mit grosser Amplitude deuten auf eine ent- 
sprechend grosse Variabilität und somit auf eine erhebliche Empfind- 
lichkeit für äussere Einflüsse, wie wir das auch sonst bei Mittelrassen 
gefunden haben. 

Dieser grossen Amplitude entspricht es, dass auch bei noch so 
scharfer Selection niedere Erbzahlen nie völlig ausgeschlossen werden. 


Die partielle Variabilität der Tricotyylie. 285 


Auch wenn die Curve bei 60—70°/, gipfelt, können Zahlen unter- 
halb von z. B. 25°/,, noch vorkommen. Die Curve hat dann einen 
„Schweif“ nach der atavistischen Seite und unterscheidet sich da- 
durch auffallend von den entgegengesetzt gerichteten Curven der 
Halbrassen. Da ich aber auf diesen Punkt bei den syncotylen Rassen 
zurückkommen werde, verzichte ich darauf, hier Beispiele anzuführen. 


$ 22. Die partielle Variabilität der Tricotylie. 


Bei Versuchen mit tricotylen Rassen bildet, wie wir gesehen 
haben, die Erbzahl den wichtigsten Grund für die Auslese. Diese 
Erbzahl bedeutet aber den Gehalt der Ernte an tricotylen Keimen. 
Von jedem einzelnen Individuum werden die Samen für sich geerntet, 
ausgesät und beim Keimen gemustert. Ob das Individuum selbst 
zwei oder drei oder gespaltene Samenlappen hatte, ist eine Frage, 
welche nur einen Anhaltspunkt von untergeordneter Bedeutung für 
die Zuchtwahl bietet. Durchschnittlich sind die Atavisten und Hemi- 
tricotylen ohne Zweifel minderwerthiger als die Tricotylen und Tetra- 
cotylen, aber mit so geringen Unterschieden, dass man bei den 
einzelnen Exemplaren darauf nicht rechnen kann. 

Die Ermittelung der Erbzahl hängt also wesentlich von der Ernte 
ab. Je grösser diese auf einem Individuum ist, um so genauer wird der 
gefundene Werth dem aus einer ideal vollständigen Ernte abgeleiteten 
entsprechen. Man würde also am besten thun, seine Pflanzen so 
üppig wie möglich wachsen zu lassen, und auf möglichst zahlreichen 
Aesten und Zweigen die Samen aller Früchte zu sammeln. Leider 
aber lässt sich solches nicht ausführen, und ist die Aufgabe bei Ver- 
suchen gerade im Gegentheil in der Regel, auf einer gegebenen Fläche 
möglichst viele Individuen wachsen zu lassen. Je zahlreicher die 
Exemplare sind, um so schärfer kann die Auslese werden, um so 
grösser ist, was noch viel wichtiger, die Aussicht, eine gesuchte Sorte 
in einer Mischung aufzufinden. Unverzweigte oder fast unverzweigte 
Pflanzen mit gipfelständiger Inflorescenz brauchen offenbar viel weniger 
Raum als stark verzweigte Individuen. Und grössere Ernten kosten 
unverhältnissmässig viel Zeit; am liebsten würde man sich darauf 
beschränken, von jedem Exemplar nur so viel Samen zu sammeln, 
als für die Aussaat des nächsten Jahres gerade erforderlich ist. 
Aus diesen Ueberlegungen entsteht die Frage, ob die einzelnen 
Gruppen von Früchten sich in Bezug auf die Erbzahl gleich ver- 
halten, oder vielleicht wesentliche Differenzen zeigen. Findet man 
‚die Erbzahl anders auf den Zweigen als auf dem Haupt- 


256 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


stamm? Liefern die ersten Samen andere Zahlen als die 
späteren? Hat bei ausdauernden Gewächsen das Jahr der 
Ernte einen Einfluss? Diese Fragen sind selbstverständlich zu 
beantworten, wenn man im Interesse des Versuches seine Einzelernten 
so viel wie thunlich beschränken will. 

Im ersten Bande, in den beiden letzten Paragraphen, haben wir 
gesehen, dass semilatente Eigenschaften einer gewissen Periodieität 
auf der Pflanze unterworfen sind, und dass auch die Wahl der Samen 
auf der Pflanze bei der Selection eine Rolle spielt. Es fragt sich 
somit, wie sich die tricotylen Rassen in dieser Beziehung verhalten. 

Im Allgemeinen gilt die Regel, dass eine Knospe, sei es eine 
Zweig- oder eine Blüthenknospe, um so mehr zu Anomalien geneigt 
ist, je kräftiger sie ist (Bd. I, S. 638), und dass also mit Zunahme 
der Zweigordnung die Aussicht auf Anomalien abnimmt (ibid. S. 642). 
Die ersten oder unteren Früchte einer Inflorescenz werden besser 
sein als die höchsten, und die Früchte der schwachen Zweiglein an 
den Aesten und Nebenzweigen wird man verwerfen müssen. 

Es liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass die Blüthenknospen 
sich wesentlich anders verhalten werden als die vegetativen Theile. 
Das klarste Beispiel für die einschlägigen Erscheinungen liefern reich 
verzweigte Exemplare der zwangsgedrehten Rasse Dipsacus sylvestris 
torsus. Die Zwangsdrehung umfasst den mittleren Theil der Haupt- 
achse, nicht deren Anfang und Ende. Sie wiederholt sich auf den 
stärkeren Aesten der Mitte des Stammes, und auf diesen nur im 
mittleren Theile, und mit Ausschluss etwaiger schwacher Aeste. Je 
kräftiger ein Stamm oder ein Ast, um so grösser ist die gedrehte 
Strecke, aber beim Ast ist sie immer nur auf einzelne Internodien 
beschränkt, während sie den Stamm oft fast gänzlich umbilden kann. 
Nebenzweige zweiter Ordnung zeigen höchstens Spuren der Anomalie. 

Wenden wir dieses Beispiel auf die Vertheilung tricotyler Samen 
auf einer Pflanze an, so würden wir folgern müssen, dass der untere 
Theil der endständigen Inflorescenz des Hauptstammes die meiste 
Aussicht auf dreigliederige Keime bieten würde. Aber die Blüthen 
und Früchte selbst sind Seitenzweige, und es fragt sich somit, in 
wie weit dieser Schluss berechtigt ist. 

Bei Arten mit einer reichblüthigen und zumal an Samen reichen 
Hauptinflorescenz, wie Oenothera und Antirrhinum, habe ich mich meist 
auf diese, wo möglich auf ihren unteren oder mittleren Theil be- 
schränkt, bei Helichrysum auf die erstblühenden Köpfchen, bei Olarkia 
und Phacelia auf so viele der erstblühenden Zweige, als für eine 
befriedigende Ernte ausreichten u. s.w. Es fragt sich somit, ob 


Die partielle Variabilität der Tricotylie. 287 


diese „Anfangsernte“ dieselbe Erbzahl giebt als eine mög- 
lichst grosse. 

Zu diesem Zwecke habe ich eine Anzahl von Nebenversuchen 
angestellt. Sie haben die Frage durchaus bejaht. Es giebt 
allerdings kleine Unterschiede, diese fallen aber nur höchst selten 
ausserhalb der bei der Beurtheilung von Erbzahlen erforderlichen 
Latitüde von 5°/,. Ich werde jetzt diese Versuche in möglichst 
gedrängter Form vorführen. 

Einen ersten Versuch habe ich mit Oenothera hirtella ausgeführt, 
welche Pflanze sich in Pergaminbeuteln ohne künstliche Hülfe selbst 
befruchtet. Ich pflanzte sieben tricotyle Keimlinge von einer Mutter 
mit 66 °/, Erben im Sommer 1898 in Entfernungen von etwa 1 Meter 
aus, liess sie sich reichlich verzweigen und zu üppigen breiten Pflanzen 
werden, sorgte für die Blüthe in Pergaminbeuteln, und erntete und 
untersuchte die Samen für jeden einzelnen Zweig besonders. Die 
Vergleichung aller gewonnenen Erbzahlen ergab nur geringe Unter- 
schiede, und ich führe deshalb nur die Mittelwerthe an. Ich ermittelte 
die Erbzahlen für die endständigen Inflorescenzen des Hauptstammes 
und fand im Mittel 38 °/,, für vier grundständige Nebenstengel (vergl. 
Fig. 55, B. I, S. 213), im Mittel 45 °/,, für die oberen Stengelzweige 
(vergl. Fig. 49, Bd. I, S. 199) im Mittel aus 24 Einzelbestimmungen 
47°/,, und für die unteren Stengelzweige, welche bei dieser Art er- 
heblich schwächer zu sein pflegen, in 8.Zählungen im Mittel 52 °/,. 
Die Unterschiede lagen also gerade anders, als man erwarten würde; 
sie lehren, dass in diesem Falle die Ernte der Hauptinflorescenz eine 
etwas niedrigere Erbzahl gegeben hat, als die Gesammternte derselben 
Pflanzen aufgewiesen haben würde. Bei Dracocephalum moldavicum, 
wo die Erbzahlen überhaupt kleine sind, sammelte ich im Sommer 1895 
die Samen auf allen Exemplaren getrennt für den Hauptstamm und 
die Seitenzweige, fand aber keinen Unterschied (0-4 °/, für beide). 
Amarantus speciosus gab im Jahre 1892 regelmässig in der Endrispe 
etwas höhere Zahlen als auf den unteren Zweigen, aber mit sehr 
geringen Differenzen. Im Mittel aus 20 Pflanzen 2-8°, für die 
ersteren und 1-7°/, für die letzteren. 

In manchen Versuchen habe ich die erstreifenden Samen getrennt 
von den späteren gemustert. So bei Amarantus speciosus, Scrophularia 
nodosa, Mercurialis annua, Antirrhinum majus, Siüene inflata u. a. 
Deutliche Unterschiede wurden dabei nicht gefunden. In grösseren 
Reihen findet man bisweilen Abweichungen, aber nur solche, wie die 
unvermeidlichen Fehler der Probeentnahme sie erwarten lassen. Bei 
Mereurialis annua habe ich in mehreren ‚Jahren die Keimpflanzen 


288 Brei IR rer Rassen. 


ausgezählt, welche aus den ersten abgef Se Samen auf dem Beete 
keimten; hier springen bekanntlich die Früchte mit einem Stoss auf, 
und schleudern ihre Samen dabei weg. Solche Zählungen ergaben 
im Wesentlichen dasselbe Resultat wie die späteren vorschriftsmässigen 
Prüfungen; ich benutzte sie, um vorläufig einen Ausschluss über den 
etwaigen Fortschritt meiner Rasse zu bekommen. 

Durch Beschneiden während der Wachsthumsperiode und durcli 
das Aufhören mit dem Einsammeln, sobald genug Samen geerntet 
sind, pflege ich meine Einzelernten auf das gewünschte Maass zu 
beschränken, wozu ich für die einzelnen Arten in den ersten 
Generationen die erforderlichen Daten aufgeschrieben habe. Ich 
habe mehrfach solche Ernten mit weit umfangreicheren verglichen, 
indem ich entweder nicht beschnitt oder die Ernte an dem bestimmten 
Tage nicht abbrach. Amarantus speciosus gab dabei mehrfach bei 
kleinerer Ernte höhere Erbzahlen, jedoch mit geringen Unterschieden 
und vielen Ausnahmen. Cannabis sativa gab in der Ernte von 1894 
auf sehr grossen Exemplaren mit weit über 100 Cem. Samen im 
Allgemeinen dieselben Erbzahlen wie auf mittleren und schwächeren 
Individuen. Bei einer Gesammternte (ohne jegliche Einschränkung 
gewonnen) von S0O—110 Ccm. im Mittel 11°/,, bei 20—35 Ccm. im 
Mittel 14°/,. Ebenso in anderen Jahren. Bei Oenothera rubrinervis 
sah ich oft bei grösserer Ernte die Erbzahl abnehmen, aber nur um 
Zehntelprocente im Mittel aus zahlreichen Einzelproben. Ebenso bei’ 
Scrophularia nodosa. 

Diese letztere Art sowie Silene inflata sind perennirend und bieten 
daher ein Material, um die Ernten derselben Pflanze in den auf 
einander folgenden Jahren zu vergleichen. Wesentliche Unterschiede 
fand ich auch hier nicht. Von Silene inflata habe ich bereits oben für 
eine einzelne, isolirt blühende Pflanze die Erbzahlen der Jahre 1892 
und 1593 als 3°/, und 4°/, erwähnt. Für Scrophularia habe ich die” 
Bestimmungen sowohl im Anfang meiner Cultur, bei niederen Erb- 
zahlen, als namentlich in den Jahren 1896—1899 bei etwa 15 °/, und 
höher gemacht. So haben sechs Pflanzen in den Jahren 1897, 1898 
und 1899 die folgenden Erbzahlen gegeben, wobei die eingeklammerte 
Zahl sich immer auf das zweite Jahr bezieht: A 22 (25), B 25 (17), 
C 22 (17), D 23 (25), E 27 (25), F 23 (22). Auf eine Zu- oder Abs 
nahme des procentischen Gehaltes an tricotylen Erben lassen diese 
Zahlen offenbar keinen Schluss zu. 

Nach allen diesen Versuchen scheint mir eine Beschränkung der 
Einzelernten auf das gerade für die betreffende Cultur erforderliche 
Maass durchaus zulässig. 


Einfluss der Lebenslage auf die Tricotylie. 289 


$ 23. Einfluss der Lebenslage auf die Tricotylie. 


Welche Samen in einer Frucht bekommen aberrante Keime? 
Diese Frage gehört zu den einfachsten und doch schwersten Aufgaben 
der experimentellen Züchtung überhaupt. Sollte es einmal gelingen, 
sie zu lösen und einen willkürlichen Eingriff in diesen Vorgang zu 
ermöglichen, so würde gewiss ein klares Licht auf ganze Reihen von 
Erscheinungen auf dem Gebiete der Erzeugung von Rassen geworfen 
werden. 

Bei der Behandlung dieser Frage wird man von selbst auf die 
Eizellen und Pollenkörner zurückgeführt, und es stellt sich die Auf- 
gabe somit als eine doppelte heraus. Dazu kommt dann noch als 
dritter Factor das Ergebniss der Verbindung der beiden Sexualzellen, 
welches jedenfalls nicht ein einfaches Mittel darstellt. 

Ich bin der genannten Frage nur in so weit näher getreten, als es 
für die Herstellung und Sicherung der geeigneten Versuchsbedingungen 
für meine Culturen erforderlich war. Meine Zuchtversuche verlaufen 
im Allgemeinen sehr regelmässig; die Erfolge der Auslese zeigen 
sich nur selten von anderen Einflüssen merklich gestört. Bisweilen 
war dieses aber offenbar der Fall, und gerade solche Erfahrungen 
berechtigen uns, der Lebenslage eine wichtige Rolle bei der Ent- 
scheidung über den Gehalt an tricotylen Keimen in der Ernte einer 
Pflanze zuzuschreiben. Gehen wir dann aber dazu über, diesen Einfluss 
zu analysiren, so gelangen wir zu Versuchen, welche bei der Aus- 
führung, wenigstens bis jetzt, einen entsprechenden Einfluss nicht 
gezeigt haben. 

Ein paar Beispiele mögen genügen. Unter sehr besonderen, den 
ganzen Wuchs der Pflanze verändernden Einflüssen stieg die Erbzahl 
in meiner Rasse von Amarantus speciosus im Jahre 1891 plötzlich von 
4-5°/, auf 13°/,, ohne sich bei Auslese darauf fernerhin erhalten zu 
können (S. 258). Dagegen ging im Sommer 1896 die ganze Oultur 
von sSilene inflata durch schlechtere Umstände sehr zurück, und damit 
fiel das Mittel aller Erbzahlen von 53 °/, auf 32°/,- Offenbar kann 
das eine Jahr ganz anders auf die Pflanzen einwirken als das andere, 
auch wenn die Behandlung eine möglichst gleichmässige ist. Vielleicht 
findet die Einwirkung in der Jugend der Pflanzen statt, vielleicht auch 
bei der Ausbildung der Sexualorgane und zur Zeit der Befruchtung. 
Anknüpfungspunkte für weitere Untersuchungen liegen hier zahl- 
reich vor. 

Im Allgemeinen ist die Aussicht auf Anomalien um so grösser, 


DE VRIES, Mutation. U. 19 


290 Kreuxungen tricotyler Rassen. 


je kräftiger die betreffenden Samen sind (Bd. I, IV, $ 29, S. 644). 
Es fragt sich also, ob man durch bessere Ernährung seiner Pflanzen 
die Anzahl solcher kräftigerer Samen erhöhen kann. Leider muss 
man in den Versuchen dabei mit Mittelzahlen zufrieden sein, und 
solche geben selbstverständlich viel geringere Differenzen als die 
einzelnen extremen Fälle. Ich fand bisweilen einen deutlichen 
Einfluss der Lebenslage, meist aber keine wesentlichen 
Unterschiede. 

Zunächst erwähne ich den Einfluss der Düngung. Nach der 
herrschenden Meinung fördert Stickstoffdüngung die Blattentwickelung, 
Phosporsäuredüngung dagegen das Blühen und die Fruchtbildung. 
Als Stickstoffdünger benutze ich Hornmehl, in Verbindung mit ge- 
trocknetem Rinderguano, als Phosphordünger das gewöhnliche Super- 
phosphat. Doch finde ich in der Regel, dass das erstere eine reichere 
Blüthe und Samenernte giebt als das letztere. Im Jahre 1899 habe 
ich einen vergleichenden Versuch mit Oenothera hirtella angestellt, 
indem ich nur Keimpflanzen einer einzigen selbstbefruchteten Mutter 
auspflanzte.e. Während der Blüthe wurde jede Intlorescenz in einem 
Pergaminbeutel vom Insectenbesuch abgeschlossen. Die Stickstoff- 
pflanzen wuchsen anfangs rascher und üppiger als diejenigen auf 
dem Phosphatbeete, auch fingen sie ‘etwas früher an zu blühen 
und gaben demzufolge eine etwas grössere Ernte. Denn auf fast 
allen Pflanzen musste die Befruchtung abgeschlossen werden, bevor 
alle Knospen geöffnet waren, da die im September blühenden 
Blüthen unter unserem Klima keine Zeit mehr haben, ihre Früchte 
zu reifen. 

Die Ernte wurde für jede einzelne Pflanze besonders untersucht 
und gab also, in der mehrfach beschriebenen Weise, für jedes Indi- 
viduum eine procentische Erbzahl. Ich fasse diese wiederum in 
Gruppen von 15—25, 26—35, 36—45, im Mittel 20, 30, 40 °/, u. 8. W. 
zusammen, und erhalte dann die folgende Uebersicht: 


Erbzahlen von Oenothera hirtella ın 1899. 


Procentische Erbzahlen 10 20 30 40 50 60 70 80 9 
Nach Stickstofldünguung 0 8 17 12 9.5 2 72 
Nach Phosphatdüngung 1 2.9.14 7:.:8 000 Ga 


Anzahl der Individuen im ersten Versuch 56, im zweiten 48. 
Mittlere Ernte pro Pflanze 3-5 und 2-5 Cem. Die Ernte wurde nur 
von der endständigen Rispe genommen. Mittlere Erbzahl für die 


Pinfluss der Lebenslage auf die Tricotylie. 291 


Stickstoffpflanzen 37 °/,, für die Phosphateultur 44°/,. Die Mutter 
aller dieser Pflanzen hatte 66 °/, Erben gehabt. 

Die Düngung mit Superphosphat ist also in diesem 
Falle für die Ausbildung tricotyler Keime in sonst gleicher 
Cultur merklich günstiger als diejenige mit Hornmehl. 

Genau dasselbe Resultat erhielt ich in demselben Jahre mit 
Helichrysum bracteatum. Ich pflanzte nur tricotyle Keimlinge von einer 
einzigen Mutter mit 11°/, Erben aus, ermittelte und berechnete die 
Erbzahlen in der gewöhnlichen Weise und fand: 


- 


Erbzahlen von Helichrysum bracteatum in 1899. 


Procentische Erbzahlen 10 20 30 40 50 Mittei 
Nach Stickstoffdlüngung 2 22 18 5 1 2b N 
Nach Phosphatdüngung 1 5 20 11 2 32, 


Anzahl der Individuen 48 und 39. Wachsthum auf dem Stick- 
stoffbeete sehr üppig, Blätter dunkelgrün, reichliche Blüthe. Auf dem 
Phosphatbeete gelbgrün, wenig verzweigt, weniger reifende Köpfchen. 
Daher trugen nur 39 Exemplare von den 50 ausgesetzten Pflanzen 
eine ausreichende Ernte. 

Nicht immer erhält man so deutliche Ergebnisse, namentlich 
nicht, wenn man nicht Samenpflanzen, sondern durch vegetative Ver- 
mehrung erhaltene Theile eines einzigen Individuums vergleicht. Ich 
machte einen solchen Versuch mit einem Exemplar von Oenothera 
(Kneiffia) glauca, erhielt aber (1899) sowohl von der Phosphathälfte 
als von der Stickstoffhälfte genau 5°/, Trieotylen. Aehnlich bei 
Serophularia nodosa, als ich von einer Pflanze eine Hälfte in gewöhn- 
licher Gartenerde und die andere auf Sand cultivirte (beide 1°/,, 1895). 

Die beiden ersteren Versuchsreihen über den Einfluss der Düngung 
ergeben, dass mit einer Verminderung der Ernte eine Erhöhung des 
Gehaltes an Tricotylen verbunden war. Dasselbe Ergebniss kann 
man nun auch erreichen, wenn man durch andere Eingriffe die Ernte 
der einzelnen Pflanzen herabsetzt. Ich wählte mit Oenothera hirtella 
zwei Mittel, späte Aussaat und Topfeultur während des ganzen 
Sommers. Es wurden tricotyle Keimlinge einer einzigen Mutter (mit 
66 °/, Erben) ausgepflanzt; für den einen Versuch fand die Saat im 
März, für den anderen im Anfang Mai statt (1398). Einige Pflanzen 
der ersteren Aussaat blieben während des ganzen Sommers in Töpfen 
(von 15 Cm.) mit gut gedüngter Gartenerde. Die Einzelernte, nach 
der Blüthe in Pergaminbeuteln, in der üblichen Weise ermittelt und 
berechnet, gaben das folgende Ergebniss: 

la) 


292 Kreuxungen tricotyler Rassen. 


Erbzahlen von Oenothera hirtella ın 1898. 


Procentische Erbzahlen 10 20 30 40 50 60 70 Mi 
Normale’Gultur +7, 1 4 4 3 5 0 1 370 
Nach Aussaat im Mai 079 07 TO 1 0 2 
Bei Topfeulur .ı. . 00 3°. 7 Ar 


Anzahl der Versuchspflanzen 18, 36 und 19. 

Also eine deutliche, wenn auch geringe Zunahme des Gehaltes 
an Erben. Die Ernte war im Mittel für die normale Cultur 3-5, 
für die späte Cultur 2-5 und für die Topfcultur aber 4-5 Ccm. 
pro Pflanze. Die Topfeultur hatte somit in so weit nicht das er- 
wartete Resultat gehabt, dass sie die Ernte kleiner machte, und da 
dennoch der Gehalt an Tricotylen erhöht wurde, ergiebt sich, dass 
die hier obwaltenden Beziehungen keineswegs einfache sind. 

Dieses sieht man auch daraus, dass eine Wiederholung der 
Versuche nicht immer dasselbe Resultat giebt. So gelang es mir 
bei Amarantus speciosus (1897) und Serophularia nodosa (1898) nicht, 
in sehr umfangreichen Culturen einen Einfluss verschiedener Lebens- 
lagen auf den Gehalt an Tricotylen zu beobachten. Auch fand ich 
mehrfach, wenn ich von derselben Samenprobe in auf einander fol- 
genden Jahren aussäte, denselben mittleren Gehalt an Tricotylen m 
der Ernte der beiden Culturen (z. B. Oenothera hirtella 1898 und 1899). 

Sogar wenn man durch ungünstige Lebensbedingungen die Ernte 
vermindert, kann dieses bisweilen eine Erhöhung der procentischen 
Erbzahlen zur Folge haben. Solches lehrt ein Versuch, den ich im 
Jahre 1898 mit Antirrhinum majus gemacht habe. Ich überdeckte die 
Hälfte meiner Cultur, nachdem die Pflanzen bereits einen Stamm von 
etwa 10 Cm. oberhalb der Cotylen entwickelt hatten, mit einem Käfig 
aus feiner, schwarz angestrichener Metallgaze. Im Käfig war es 
merklich dunkler als draussen, auch wuchsen die Pflanzen nur sehr 
schwach, verzweigten sich wenig und bildeten an der Endrispe nur 
eine sehr beschränkte Zahl von Blüthen und Früchten aus. Die 
Bestäubung war eine künstliche; der Besuch der Insecten wurde von 
allen Pflanzen völlig ferngehalten. Die Ernte im Käfig war im 
Mittel 0-5 Cem., ausserhalb aber 1 Cem. pro Pflanze; im ersteren 
Falle waren möglichst viele Früchte geerntet, im zweiten wurden die 
oberen Blüthen der Rispe nicht befruchtet. Für diesen Versuch 
dienten nur die Kinder einer einzigen Mutter von 1897 mit 14%, 
Erben, aber es wurden theils tricotyle und theils dieotyle Keimlinge 
ausgepflanzt, jede Gruppe zur Hälfte im Käfig, zur Hälfte ausserhalb, 


| 


I 


Kr ng der Mittelrassen mit den Halbrassen. 293 


Ich erntete die rn nd nee die an in Bee 
Weise wie sonst, und erhielt die folgende Uebersicht: 


Erbzahlen von Antirrhinum majus. 
Procentische Erbzahlen 1—4 10 20 30 40 Mittel 


Dicotylen im Schatten 0 4 2 2 277 200% 
in an der Sonne 5 ) 4 1 4 14, 
Tricotylen im Schatten 0 3 2 3 4 35, 
5 an der Sonne if 14 9 = — 14, 


Anzahl der Samenträger 10, 21, 12 und 24. 

Man sieht, dass in beiden Fällen durch die Schattencultur der 
Gehalt an Tricotylen bedeutend zunahm. 

Aus den mitgetheilten Versuchen ergiebt sich, dass der Gehalt 
an tricotylen Erben, namentlich bei den Mittelrassen, von äusseren 
Einflüssen innerhalb gewisser Grenzen merklich beeinflusst wird. Die 
Unterschiede sind solche, dass sie bei vergleichenden Versuchen und 
Zuchteulturen nicht vernachlässigt werden dürfen, dass die letzteren 
somit unter möglichst constanten Bedingungen ausgeführt werden 
müssen. Im Grossen und Ganzen ist anzunehmen, dass eine Be- 
günstigung der einzelnen Blüthen bezw. Samen die Aussicht auf 
tieotyle Keime erhöht, aber die Frage, welcher Art diese Beziehung 
in den einzelnen Fällen ist, muss späteren Untersuchungen Fobehalen 


bleiben. 


$ 24. Kreuzung der Mittelrassen mit den Halbrassen. 


Die Kreuzung einer tricotylen Mittelrasse mit der entsprechenden 
Halbrasse stellt einen möglichst einfachen Fall dar. Gehören beide 
Rassen derselben Art an, so unterscheiden sie sich nur in dieser 
einzigen Eigenschaft, und zwar nur darin, dass diese in der einen 
semilatent, in der anderen activ, aber der Dicotylie- Eigenschaft 
eoordinirt ist. 

Dennoch liegt hier eine wirkliche Kreuzung vor, denn die beiden 
Rassen sind völlig getrennt und gehen nicht durch Cultur oder Zucht- 
wahl in einander über. 

Ich schicke zunächst die wichtigsten Ergebnisse meiner Ver- 
suche voran. 

1. Der Bastard ist in morphologischer Hinsicht keine 
Mittelbildung, durch die Kreuzung von Tricotylen und Di- 
cotylen entstehen keine Hemitricotylen, oder doch wenigstens 
nicht mehr als in den reinen Rassen vorkommen. 


294 ERMERNE TE, trieotr ylor ‚Bass, 


2. Da T: sind in "phy islapauen Hinsichz zwar 
Zwischenbildungen zwischen den elterlichen Rassen, halten 
aber zwischen diesen keineswegs die Mitte. Der Mittelwerth 
der Erbzahlen beider Rassen ist leicht zu berechnen, die Bastarde 
haben aber Erbzahlen, welche sich derjenigen der einen der beiden 
Eltern, und zwar der Halbrasse, sehr bedeutend nähern. 

3. Die Bastarde können sich bei reiner Fortpflanzung 
spalten. Aus ihren Nachkommen lassen sich die Halbrassen 
und die Mittelrassen wiederum isoliren. 

4. Obgleich in den beiden Eltern die fragliche elemen- 
tare Eigenschaft dieselbe ist, und nur in verschiedenen 
Zuständen — semilatent und activ — vorkommt, so findet 
dennoch keine Fusion statt. Es entsteht nicht eine Rasse mit 
constanten mittleren Erbzahlen. | 

Bevor ich zu der Beschreibung meiner Versuche übergehe, 
scheint es erwünscht, die Ergebnisse der vorhergehenden Paragraphen 
noch einmal übersichtlich darzustellen. | 

Tricotylie und gespaltene Samenlappen sind unter den Dicotylen 
vielleicht die am weitesten verbreiteten Anomalien; sie sind etwas 
so Gewöhnliches, dass die Forschung sie bis jetzt nahezu gar nicht 
berücksichtigt hat. Jedes Jahr sieht man sie in den Aussaaten, und 
wenn diese nur nicht zu klein sind, beobachtet man sie so häufig, 
dass die Meinung berechtigt scheint, dass sie vielleicht bei keiner“ 
dicotylen Art fehlen dürften. Gewiss ist, dass sie auf 10—20000 Keim- 
lingen nur selten sich nicht zeigen, andererseits aber kann man be- 
stimmte Varietäten durch viele Jahre in grossem Umfange aussäen, 
ohne je einer tricotylen Keimpflanze oder einem gespaltenen Samen- 
lappen zu begegnen (Helianthus annuus). Aber andere Varietäten 
derselben Art können sie in solchen Fällen dennoch zeigen. 

Isolirt man solche tricotyle oder gespalten-samenlappige (hemi- 
tricotyle) Exemplare, so zeigt die Anomalie sich als erblich, meist 
kehrt sie sogar zu etwa 1°/, der Nachkommen zurück. Auch erhält 
sie sich im Laufe der Generationen, wenn keine ungünstigen Um- 
stände eintreten. 4 

Es können dabei zwei Fälle vorkommen. Entweder enthält die 
fragliche Art oder Varietät nur solche Exemplare, welche die Ano- 
malie zu etwa 1°/, vererben, oder sie umfasst auch solche, welche 
daran erheblich reicher sind. Im ersteren Falle gehört alles der- 
selben Rasse an, sowohl die überwiegende Menge der dicotylen Keim- 
linge, als die vereinzelten Tricotylen. Im anderen Falle aber liegb 
eine Mischung vor; aus der armen Rasse ist, ohne das solches vom 


Kreuzung der Mittelrassen mit den Halbrassen. 295 


Jemandem bemerkt wurde, und vielleicht vor langer Zeit, eine an 
tricotylen Nachkommen reichere Rasse entstanden. Im Freien, in 
den botanischen Gärten und in den gärtnerischen oder landwirth- 
schaftlichen Culturen sind die beiden Rassen nie getrennt worden, 
und die Mischung hat sich erhalten, wie nicht gezüchtete alte Cul- 
turen so häufig aus Mischungen bestehen (vergl. Bd. I, S. 125). 

Es gelang mir, solche Mischungen aufzufinden und ihre Com- 
ponenten zu isoliren und rein darzustellen. Anfangs ging dieses 
langsam und mit vieler Mühe, später stellte es sich heraus, dass 
eine strengere Wahl leicht und rasch zum Ziele führt. Die An- 
wesenheit der Mittelrasse in einer Samenprobe pflegt sich durch einen 
etwas höheren Gehalt an Tricotylen zu verrathen. Welche Exemplare 
aber dieser Rasse angehören, kann man weder den Samen noch auch 
den Keimlingen ansehen, denn beide Rassen enthalten die ganze Reihe 
von Formen, welche von den normalen Dicotylen durch die gespaltenen 
Samenlappen zu den Tri- und Tetracotylen u. s. w. läuft. Aber in 
ungleichen Verhältnissen, und die Aussicht, die bessere Rasse an- 
zutreffen, ist somit bei den aberranten Keimen eine etwas günstigere 
als bei den normalen. Um nun Vertreter der Mittelrasse auszusuchen, 
muss man die Erbzahlen als Merkmal wählen, und somit von einer 
grösseren Anzahl von Individuen die Samen getrennt ernten, keimen 
lassen und mustern. Die Erfahrung lehrt, dass gar häufig mit 
zwanzig bis dreissig, oft mit noch weniger Exemplaren die Aussicht 
eine genügende ist. 

Höchst selten findet man sofort ein Exemplar mit einem dem 
Mittel der gesuchten Rasse nahezu entsprechenden Werthe, meist 
findet man Minus-Varianten oder Bastarde, wie solches ja auch sonst 
beim Aufsuchen neuer Varietäten der Fall zu sein pflegt (Bd. I, 
S. 419-420). Aus diesen gelangt man aber leicht und rasch zum 
Mittel der Rasse (Bd. I, S. 422), und bei den tricotylen Zuchten 
braucht es dazu meist nur einer einzigen weiteren Aussaat. Und 
hat man einmal das Mittel erreicht, so lässt sich die Rasse leicht 
in der üblichen Weise durch Zuchtwahl verbessern. 

Deutet eine Samenprobe durch höchst geringen Gehalt an tri- 
cotylen Keimen (einem pro 10000 oder noch weniger) auf das Fehlen 
einer Mittelrasse, und bestätigt sich die Folgerung bei der Ermittelung 
der Erbzahlen ausgesuchter Exemplare, so zeigt sich bei weiterer 
Cultur die Halbrasse als constant. Wiederholte Auslese vermag sie 
nicht wesentlich zu verbessern. Mehrere Halbrassen bringen es nicht 
weiter als 1—4°/,, andere schwanken um etwa 10—15°/,, ohne dass 
die Ursachen solcher Unterschiede aufgeklärt wären. Und wenn es 


296 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


so liegt der Verdacht nahe, dass Correlationen im Spiele sind, und 
dass die Verbesserung einer anderen Eigenschaft durch die Auslese 
mittelbar auf die Tricotylie eingewirkt habe (Serophularia S. 262). 

Aber auch in solchen glücklichen Ausnahmefällen bleibt man 
noch weit von den Eigenschaften der Mittelrasse entfernt. Mittel- 
zahlen von etwa 20°, und Maxima von 25°/,, nach zehnjähriger 
Zuchtwahl erhalten (S. 263), sind noch etwas ganz anderes als Mittel- 
zahlen von 50°/,, welche ohne Zuchtwahl, nur durch Isolirung aus 
einem Gemische erreicht wurden, und welche sich durch Auslese leicht 
auf 70—80, ja oft auf 90°/, und darüber hinauf bringen lassen. 

Die tricotylen Halbrassen verhalten sich wie andere Halbrassen, 
d. h. wie die semilatenten Anomalien im Allgemeinen (Bd. I, S. 428 ff.), 
sie haben nur den grossen Vortheil, dass ihre Eigenschaften sich 
sehr bequem zahlenmässig ausdrücken lassen. Ebenso sind die tri- 
cotylen Mittelrassen den sonstigen Mittelrassen, z. B. Trifolium pra- 
tense quinquefolium und den gefüllten Blüthen durchaus analog, wie 
diese sind sie äusserst variabel (vergl. z. B. die Öurven Bd. I, S. 444), 
und sowohl für die Lebenslage wie für die Auslese höchst empfindlich. 

Schliesslich bedürfen einer besonderen Erwähnung die tricotylen 
Exemplare der Halbrasse und die dicotylen der Mittelrasse. Sie sind 
vielleicht die schönsten Beispiele transgressiver Variation (Bd. I, 
S. 308). Denn sie scheinen, ihrer Form nach, gerade zu der ent- 
gegengesetzten Rasse zu gehören. Untersucht man aber ihre Erb- 
zahlen, so zeigt sich der wahre Sachverhalt; denn sie sind nicht 
wesentlich besser oder schlechter als die typischen Repräsentanten 
ihrer Rasse. 

Kreuzt man nun die Halbrasse mit der Mittelrasse, so wird man 
selbstverständlich vorzugsweise die typischen Repräsentanten wählen, 
und aus der reicheren Rasse die Tricotylen, aus der ärmeren die 
Diceotylen zusammenbringen. Man könnte dabei allerdings nach 
völliger Isolirung die beiden Rassen aus derselben Varietät, sogar 
aus derselben ursprünglichen Samenprobe nehmen. Weit bequemer 
und sicherer ist es aber, entweder andere Varietäten derselben Art, 
oder doch wenigstens andere Zuchten, oder aber verschiedene Arten 
zu wählen. Denn es kommt ja darauf an, sich zu überzeugen, dass 
nicht nur die experimentell isolirte Mittelrasse rein ist, sondern dass 
solches auch von der mit ihr zu verbindenden Halbrasse gilt. Solche 
Kreuzungen sind am sichersten, wenn man die betreffenden Arten 
und Varietäten längere Zeit in Cultur hat, denn in diesem Falle 
weiss man ohnehin, ob sie tricotyle Mittelrassen enthalten oder nicht. 


- 


Kreuzung der Mittelrassen mit den Halbrassen. 297 


in zweiter Linie ($ 25) behandelt werden. In diesem Paragraphen 
beschränke ich mich auf die Versuche, in denen ich meine Mittel- 
rassen mit Halbrassen aus anderen Varietäten derselben Arten ver- 
bunden habe. 

Antirrhinum majus. Im Sommer 1895 kaufte ich einige Topt- 
pflanzen der weissblühenden Varietät, sammelte die Samen von jeder 
einzeln und fand, dass sie nur 1—2°/, Tricotylen enthielten. Ich 
pflanzte dann von diesen Samen nur einige dicotyle Keime aus und 
bestimmte sie für die Kreuzung mit meiner oben beschriebenen, roth- 
blühenden Mittelrasse (S. 275). Ich wählte die vier besten weiss- 
blühenden Exemplare dieser zweiten Generation, und ermittelte für 
sie die Erbzahl bei Selbstbefruchtung in den Samen der erstblühenden 
Blüthen. Ich fand für zwei Exemplare 2°/,, für die beiden anderen 
3°/,, jedesmal auf 300 Keimlingen. Sie gehörten also einer Halb- 
rasse an. Die späteren Blumen castrirte ich und befruchtete sie mit 
dem Blüthenstaub meiner Mittelrasse, und zwar jede Pflanze mit 
einem besonderen Vater. Gleichzeitig sorgte ich dafür, dass die 
Erbzahlen der Väter auch ermittelt wurden. Das Ergebniss war 
das folgende: 


Erbzahlen von Antirrhinum majus. 
Kreuzung in 1896. 


Phänze Mutter Vater Durch Kreuzung M +V 
(Halbrasse) (Mittelrasse) erhaltene Ernte 2 
NxXA 2 19 Kl 40-5 
BxPB: B) 45 4 24 
Brx 6 2 47 6 24-5 
B/x D’ 5) 37 9 20 


Die Tabelle zeigt sofort, dass der Gehalt der gekreuzten Samen 


a un übereinstimmt. Ebenso 


nicht mit dem mittleren Gehalt | 


wenig stimmt er mit einem der Eltern selbst überein. Er liegt der 
Halbrasse am nächsten, ohne dieser aber gleich zu kommen. 

Zur Fortsetzung meiner Cultur wählte ich im Sommer 1897 die 
Nachkommen der Kreuzung A x A’ aus, da hier die Differenzen 
zwischen den Erbzahlen der Eltern am grössten waren. Ich pflanzte 
nur tricotyle Keime aus, hielt sie in Töpfen im Freien und be- 
fruchtete sie künstlich mit dem eigenen Staub unter Ausschluss des 
Insectenbesuches (in einem Käfig aus feiner Metallgaze). Es lieferten 


298 Kreuzungen tricoti yior Rassen. 


\® 


98 Exemplare e eine , ausreichende Ernte für die Ermittelung der Erb- 
zahlen. Diese waren, in Procenten ausgedrückt, die folgenden: 


39 

293 29.31 

23. 26 27 

185 20 .20 . 22 

13.38. 447214, ,,14,..15 167 7102 Tele 
fe) 1 a | 110 12.7.2102 


Sie bildeten also eine ziemlich geschlossene Gruppe, deren 


Mittel 16°, war. Dieses lag also höher als in der ersten Ernte 


nach der Kreuzung, erreichte aber, trotz der Auslese der tricotylen 
Exemplare, das Mittel zwischen de Eltern (40-5 °/, bei Weitem nicht. 

Um den Einfluss der Auslese möglichst zu vermeiden, wählte 
ich zur Fortsetzung der Cultur nur die Kinder einer Mutter mit 
einer mittleren Erbzahl, und zwar mit 14°/,. Es sollte sich dann 
am besten zeigen, ob aus der Bastardrasse einerseits die Halbrasse 
und andererseits die Mittelrasse sich würde isoliren lassen. Ich 
pflanzte dazu zur Hälfte dicotyle und zur anderen Hälfte tricotyle 
Keime aus, ermittelte für jede Pflanze nach künstlicher Selbst- 
befruchtung die Erbzahl und redueirte die erhaltenen Werthe auf 
Gruppen von 8—12, 13—17, 18—22 u. s. w., im Mittel 10, 15, 
20°/, u.s. w. So erhielt ich die beiden folgenden Reihen: 


Erbzahlen der Bastarde von Antirrhinum. 
(Mutter 14 °/,.) 


Procentische Erbzahlen 1 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 
Dietyle Kinder. .26 6 351713 4 1 Oo 
Trieotyle „ .„“1Tt 10.5 .8:3% 0 35.8 0070 Go 


Im Ganzen 67 Erbzahlen umfassend. Im Mittel 15°/,, eine 
Zahl, welche von der Erbzahl der Mutter und dem Mittel der vor- 
hergehenden Generation nicht merklich abweicht. Dagegen weicht 
die ganze Gruppe sehr wesentlich ab, denn einerseits enthält sie sehr 
niedrige Erbzahlen, andererseits sehr hohe. Die ersteren (1, 2, 2, 3, 
3, 4°/,) erreichen die Erbzahlen der weissblüthigen Rasse, welche für 
die Kreuzung diente, die letztere (64 und 68°/,) weichen nicht allzu 
sehr von der Erbzahl des Urgrossvaters (79°/,) ab und stimmen 
jedenfalls genügend mit dem Mittel der Mittelrasse überein. 

Man sieht in diesen Zahlen, dass die Bastardrasse sich zu spalten 
angefangen hat. In Bezug auf die Halbrasse dürfte solches einer 


Kreuzung der Mittelrassen mit den Halbrassen. 299 


weiteren Bestätigung nicht bedürftig sein, für die Mittelrasse lag mir 
aber daran, sie möglichst vollständig zu isoliren. Ich wählte dazu 
einerseits die Nachkommen einer der beiden besten Mütter, anderer- 
seits ein Exemplar, dass sich nicht, wie diese, ausnahmsweise von 
den übrigen unterschied. Es war eine Pflanze mit 41 °/, Erben. Von 
beiden pflanzte ich nur tricotyle Keime aus und ermittelte im nächsten 
Frühling ihre Erbzahlen unter der gewöhnlichen Fürsorge. 


Erbzahlen ausgewählter Bastarde von Antirrhinum majus 
in 1899. 


Mutter 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 10 75 80 85 90 
41°), SERIE SsEE 2 Home Faser Ara Ban) — 
Die 7 71:0 5 05 11. 9.2 304 


Anzahl der Einzelernten 53 und 42. Mittel 36 und 69°/,. 

- Die Mittelzahlen stimmen in sehr auffallender Weise mit der 
Erbzahl der Mütter überein. In der Mutter mit 68°/, war die Mittel- 
rasse offenbar völlig isolirt; ihre Erbzahlenreihe stimmt mit den an 
reinen Mittelrassen gemachten Erfahrungen durchaus überein. In 
der Mutter mit 41 °/, war die Isolirung wohl noch nicht erreicht, die 
wellige Curve ihrer Kinder deutet offenbar auf eine Spaltung in drei 
Gruppen hin (Halbrasse, Bastarde und Mittelrasse), ähnlich wie die 
flachen Curven der vorhergehenden Generation. 

Ich fasse jetzt die mitgetheilten Zahlen für den ganzen Versuch 
übersichtlich zusammen: 


Spaltung der tricotylen Bastarde von Antirrhinum. 


|ı [5 |10 15 20 25 30 354045 50 55 |60 6570 75 80 85 90 
x Im Wear] | | | UM 
S OB 2! ae Pa 
7.:G, I 71407 4553. 01|..| | | | 
37168 113|4 | 1/6 7% 1,000 2° 
3.6.(41°%/,)| 0 0 lei 2166 \sleln 3.142,20 08 
ee ne s/ı)5/5/11|7[ja|zjı 


In dieser Tabelle bedeuten die Zahlen in den Spalten die An- 
zahl der Exemplare, welche den am Kopf der betreffenden Spalte 
eingeschriebenen procentischen Gehalt an tricotylen Erben hatten. 
M und V weisen diesen Gehalt für die gekreuzten Mutter und Vater 
an, S für die unmittelbar aus den vier Einzelkreuzungen hervor- 
gegangene Ernte. 1. G.,2.G. u. s. w. für die von der ersten, zweiten 


300 Kreuxsungen tricotyler Rassen. 


(seneration u. Ss. w. getragenen Samen. Mit einem Sterne sind die 
ausgewählten Samenträger für die nächste Generation angedeutet. 
Für die dritte Generation sind die Erbzahlen für die Nachkommen 
von zwei Samenträgern aus der zweiten angegeben worden, wie die 
zwei dort eingetragenen Sternchen dieses bezeichnen. 

Die Tabelle zeigt, dass die durch die Kreuzung erhaltenen Samen 
erheblich ärmer an Trieotylen sind, als der Mitte zwischen den beiden 
Eltern entsprechen würde, dass in der zweiten Generation, bei mitt- 
lerer Wahl, die Zahlen nach der Seite der Halbrasse sowie nach 
derjenigen der Mittelrasse zurückkehren, und dass in der dritten durch 
Auslese die Mittelrasse rein erhalten werden kann. 

Wegen der sehr starken transgressiven Variabilität der Erbzahlen 
lässt sich aber ein bestimmtes Gesetz über diese Spaltung aus diesem 
einzigen Versuche nicht ableiten. Ich komme somit hierauf erst 
nach der Mittheilung meiner übrigen Öulturen zurück. 

Cannabis sativa. Meine tricotyle Mittelrasse wurde aus dem 
Riesenhanf isolirt. Für die Kreuzung wählte ich ferner den gewöhn- 
lichen Hanf, in dessen Samen ich bei Prüfung eine Mittelrasse nicht 
gefunden hatte. Ich pflanzte im Sommer 1897 ausschliesslich weib- 
liche dicotyle Exemplare dieser Sorte zwischen tricotylen männlichen 
Individuen meiner Rasse. Die Mütter dieser letzteren hatten 65—70°/, 
Erben gehabt. Die weiblichen Pflanzen wurden vom Winde mit dem 
Staub der tricotylen befruchtet, und ihre Samen gaben, für jedes 
Exemplar einzeln geprüft, Erbzahlen, welche, mit einer Ausnahme 
(15 °/,), ziemlich regelmässig zwischen 0—7 °/, vertheilt waren. 

Für die Fortsetzung der Cultur wählte ich die Mutter, welche 
keine tricotylen Kinder hatte, und pflanzte im Ganzen 45 (also 
dicotyle) Kinder aus. Die Pflanzen wuchsen äusserst kräftig und 
trugen sehr reichlich Samen. Es waren 19 weibliche Individuen. 
Die Erbzahlen schwankten bei ihnen von 0—24°/, und betrugen im 
Mittel 7°/,. Dieses waren also die Erbzahlen der Bastarde der 
ersten Generation. Um nun zu erfahren, welche Bedeutung diese 
Zahlen hatten, wählte ich eine Pflanze mit hoher und eine mit 
niederer Erbzahl (24°/, und 3°/,) zur Fortsetzung der Cultur aus, 
Ich hatte davon in möglichst grosser Entfernung zwei Beete, mit 19 
‚und 16 weiblichen und einer etwa gleichen Anzahl männlicher 
Pflanzen (1899). Als ich dann im nächsten Frühling die Erbzahlen 
für die beiden Gruppen ermittelte, zeigten sie keinen wesentlichen 
Unterschied. Die niedrigsten, mittleren und höchsten Erbzahlen 
waren für die Kinder der Mutter mit 24°/, Erben 8, 39 und 72°, 
und für die andere Gruppe (Mutter 3°/,) 5, 40 und 83°/,. Beide 


Kreuzung der Mittelrassen mit den Halbrassen. sol 


Gruppen zeigten aber die sehr flache, wellige Curve, welche das Ab- 
spalten der Halbrasse und der Mittelrasse verräth. Im der jetzt 
folgenden Uebersichtstabelle habe ich deshalb die beiden Gruppen 
zu einer einzigen vereinigt. 


Spaltung der triecotylen Bastarde von Cannabis. 


l1|5 1015| 20|25|30|35|40 45 |50 |55 |60 |65 |70|75|80 85 
1 | ie ln ee Ar WET je he = 


x Mg | | | (En | ıv|v 
5529er 02 BE a ER IA 
1. Gen Is+t| 2 |3 nah ea N | | 
| | | | | | | 5) 

N a | 


02 RO 


Die Erklärung der Tabelle ist dieselbe wie für Antirrhinum 
(S. 299), und, wie man sofort sieht, stimmt sie auch in dem Er- 
gebnisse mit dieser überein. Und solches, trotzdem die Wahl noth- 
wendiger Weise auf die Mütter beschränkt war. 

Papaver Rhoeas. Meine tricotyle Mittelrasse gehört einer Varietät 
mit gefüllten Blumen an und hat solche auch beibehalten (S. 278). 
Ich kreuzte sie mit einer einfachen Sorte des Grosshandels, in deren 
Samen ich keine Tricotylen vorfand. Zu diesem Zwecke cultivirte 
ich diese Varietät in Töpfen und castrirte die Blüthen Mitte Juli 
im Garten in einem Käfig aus feiner Metallgaze. Ich befruchtete 
sie mit dem Blüthenstaub meiner Rasse, welche in ihrer eigenen 
Ernte in jenem Jahre (1897) zwischen 23 und 75 °/, Erben schwankte 
und im Mittel etwa 42°/, Tricotylen führte. Den Staub nahm ich 
durcheinander von den verschiedenen Individuen dieser Cultur; die 
Samen der künstlich befruchteten einfach blühenden erntete ich aber 
für jede Pflanze besonders. Die Erbzahlen betrugen im Mittel 3°/, 
und schwankten zwischen 0 und 17°/,. 

Ich wählte zur Fortsetzung der Cultur in 1898 theils dicotyle 
Nachkommen einer Mutter mit 1°/,, theils trieotyle Keimlinge der 
Mutter mit 17°/, aus, pflanzte beide Gruppen in der erforderlichen 
Entfernung, überliess aber die Befruchtung den Hummeln. Die Erb- 
zahlen der ersteren Gruppe waren 3—10, im Mittel 7 °/,, diejenigen 
der letzteren 14—50°/,, im Mittel 24°/,, also deutlich verschieden. 
| Im nächsten Jahre (1899) habe ich beide Zweige meiner Cultur 
fortgesetzt. Von dem Bastarde von 1897 mit 17 °/,, jetzt Grossvater, 
wählte ich die Grosskinder einer Mutter mit 35 °/, Erben und pflanzte 
nur tricotyle Keime aus. Dieses Beet enthielt 11 Pflanzen, deren 


302 Kreuxungen tricotyler Rassen. 
Y 


Erbzahlen von 18—73 liefen und also deutlich eine Rückkehr zu 
der Mittelrasse verriethen. 

Der andere Zweig, aus dem Bastarde von 1897 mit 1°/,, zeigte 
diese Rückkehr aber gleichfalls und zwar unter den Nachkommen 
zweier Mütter mit 6 und 8°/, Erben. Die erstere Gruppe gab Erb- 
zahlen von 8—88, die letztere von 16—80, auf 21 bezw. 15 Samen- 
trägern; die beiden Reihen liefen durchaus parallel und sollen also 
in der Tabelle zu einer einzigen verbunden werden. Die Nachkommen- 
schaft einer dritten Mutter kehrte dagegen theilweise zur Halbrasse 
zurück, indem sie drei Pflanzen mit O—1 °/, tricotylen Keimen enthielt. 

Die Uebersicht stelle ich in derselben Weise dar wie oben: 


Spaltung der trieotylen Bastarde von Papaver. 


1 5 110/15 120 25 3035 40 4 505560 |65|70|75|80|85 90 
x IM I a a a a ve Be ae an PP, 
S |5* tt | 
| | 
2602). 10/8 0) 85|2|11 11011 
BRG=(A,) , 113 180 112 0 0/olıl 
2. G.(6-8%/) |0| 0 312 2|5111818,3)5j0|4|1|1Jo/1/ 111 
2. G. (35 °/,) lolololo ıJo/ı/2/ıJo/s|2JoJoJo)ı 


Das Ergebniss ist somit dasselbe in bei den beiden vorher- 
gehenden Versuchen. 

Wir wollen jetzt die in diesen Tabellen niedergelegten Erfahrungen 
dazu benutzen, um uns klar zu machen, wie die Isolirung von 
Mittelrassen aus käuflichen und anderen Samenproben vor 
sich geht. Enthält eine Cultur sowohl die Halbrasse wie auch die 
Mittelrasse, so müssen vielfache Kreuzungen zwischen diesen von den 
Insecten oder vom Winde herbeigeführt werden. Eine Samenprobe 
wird dann somit theils rein befruchtete, theils durch Kreuzung ent- 
standene Körner und daneben auch die Samen der aus den früheren 
Kreuzungen entstandenen Bastarde enthalten. Das Verhältniss dieser 
Gruppen hängt wesentlich von dem Grade der Selbstbefruchtung der 
betreffenden Art ab, eine Frage, über welche unsere Kenntnisse bis 
jetzt nur sehr dürftige sind. Spalten sich aber, wie wir gesehen 
haben, die Bastarde allmählich wieder unter Hervorbringung der 
elterlichen Typen, so werden diese sich auch dann auf die Dauer 
erhalten, wenn die Individuen mit ihrem eigenen Pollen keine Samen 
ansetzen. 


Kreuzung der Mittelrassen mit den Halbrassen. 305 


Liegen nun in einer Samenprobe alle die möglichen Sorten von 
Keimen vor, so werden die höchsten Erbzahlen auf die Vertreter der 
reinen Mittelrasse fallen, und die Isolirung, wie sie in den Versuchen 
des $ 21 beschrieben wurde, wird diese Rasse sofort rein ergeben, 
sei es auch anfänglich in Minus-Varianten. 

Ist aber die Aussaat dazu nicht gross genug, oder ist das Glück 
nicht günstig, so sind die Träger der höchsten Erbzahlen Bastarde, 
und aus ihnen wird sich die Mittelrasse in derselben Weise erhalten 
lassen wie nach directen Kreuzungen. Es wird somit eine Generation 
mehr erforderlich sein, um das Ziel zu erreichen. Und wählt man 
zufällig nur Samen, welche auf dem Felde unmittelbar durch Kreuzung 
der beiden Rassen entstanden waren, so kommt noch eine Generation 
hinzu. Die verschiedenen, in der Uebersichtstabelle S. 251 gegebenen 
Beispiele finden in dieser Weise leicht eine befriedigende Erklärung, 
zumal wenn man sie mit den entsprechenden Einzeltabellen der 
Kreuzungsversuche dieses Paragraphen vergleicht. Namentlich der 
langsame Fortschritt des Versuches mit Antirrhinum majus ist nach 
dem Angeführten, und wie oben bereits bemerkt wurde, auf den zu 
geringen Umfang der Cultur zurückzuführen (vergl. die Tabelle auf 
S. 299). Ueberhaupt werden in der ersten und den nächstfolgenden 
Aussaaten die Vertreter der reinen Mittelrasse ausbleiben können, 
wenn die Culturen zu klein sind. Doch genügten in meinen Ver- 
suchen in der Regel 20—30 ausgewählte Samenträger, wie mehrfach 
hervorgehoben wurde, um die gesuchte Rasse zu isoliren. 

Im Einzelnen ist zu bemerken, dass bei Cannabis sativa (S. 271) 
anfangs fast nur männliche Trieotylen neben einer einzigen weiblichen 
gefunden wurden. Dieses war wohl die Ursache, weshalb der Versuch 
eine Generation mehr erforderte als die meisten übrigen. Die Cultur 
mit Silene inflata fing ohne Wahl, nur mit einer einzigen Pflanze an; 
auch sie dauerte eine Generation zu lange. Das Ergebniss der 
eitirten Tabelle wird somit, dass zwei Generationen als Regel aus- 
reichen, um die Mittelrasse zu isoliren und auf ihren Mittelwerth zu 
bringen, dass dabei aber eine Wahl aus einer sehr grossen Anfangs- 
aussaat vorausgesetzt wird. Die vier dort zuerst genannten Arten 
waren solche, bei welchen dieser Bedingung nicht entsprechend genügt 
worden war. 

Der oben ausgesprochene Satz, dass Samenproben, in denen 
neben einander tricotyle Halb- und Mittelrassen vorkommen, daneben 
in der Regel auch Bastarde dieser beiden Rassen enthalten werden, 
scheint mir wichtig genug, um ihn noch durch einen directen Versuch 
weiter zu begründen. Es ist dazu nur erforderlich, dass man aus der 


304 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


ursprünglichen Samenprobe nicht nur die Tricotylen auswählt, sondern 
daneben auch einige anscheinend normale Keimlinge heranzieht. Ge- 
stattet die Pflanze eine künstliche Befruchtung und Isolirung im 
(srossen nicht, so muss man die Culturen in verschiedenen Jahren 
machen. 

Einen solchen Versuch habe ich mit Helichrysum  bracteatum 
gemacht. Auf S. 274 wurde die Isolirung der tricotylen Mittelrasse 
beschrieben, von der damals im Winter 1894/95 gekauften Samen- 
probe, aus der ich die Tricotylen isolirte, habe ich aber einen kleinen 
Theil bis 1897 aufbewahrt. Diese Aussaat gab 154 dicotyle und 2 tri- 
cotyle Keime; die letzteren wurden vernichtet. Von den dicotylen 
gelangten 55 in einem anderen Garten zur Blüthe als die damalige 
letzte Generation meiner Mittelrasse. Die Samen wurden für jede 
Pflanze besonders geerntet und geprüft; keine einzige Mutter hatte 
mehr als 1°/, tricotyle Kinder. Um aus diesen Saaten eine aus- 
reichende Anzahl von tricotylen Pflanzen weiter zu ziehen, mussten 
diese fast alle ausgesetzt werden; jedes Exemplar erhielt dabei die 
Nummer seiner Mutter, um später noch sehen zu können, welche 
zusammengehörten. Es trugen 48 Pflanzen eine ausreichende Ernte 
(1898), von diesen hatten 45 wiederum nur Erbzahlen von 1°/, oder 
weniger. Es gab aber drei Exemplare mit 2-5, 3-5 und 11 °/, Erben; 
diese drei stammten von drei verschiedenen Müttern in 1897 ab. 

Jetzt konnte ich eigentlich zum ersten Mal eine wirkliche Wahl 
treffen, indem ich nur tricotyle Kinder der besten Mutter auszupflanzen 
brauchte. Und diese Wahl führte denn auch sofort zum Ziel. Ich 
hatte 87 Samenträger und erhielt Erbzahlen, welche nicht unter 6°, 
hinabstiegen, dagegen in vier Exemplaren 45, 47, 48 und 49%), 
erreichten, d. h. also Werthe, wie sie sich in der Tabelle auf S. 281 
als das sichere Anzeichen der isolirten Mittelrasse erwiesen haben. 
Und speciell von den dort für Helichrysum gegebenen Zahlen weichen 
diese nicht wesentlich ab. 

Ich stelle jetzt wiederum die Ergebnisse der Einzelernten in der 
üblichen Form zusammen. 


Mittelbare Isolirung der trieotylen Mittelrasse von Helichrysum. 
(Vergl. S. 275.) 


Procentische Erbzahlen | 0 0-5 1 5 110) 15 20 25 30 35 4045 |50 
—— = — er ze — Mae I — L— J — 


Dieotylen, 1. Gen. 22 | 29*| 4* | | | 
Tricotylen, 2. Gen. I15| 25 |5 | 2 [ı* 1 
Tricotylen, 3. Gen. ol ololılaJılıslarlas)ıs| s | 8/2 


Kreuzung der Mittelrassen mit den Halbrassen. 305 


Die Tabelle weist die Anzahl der Individuen an, welche den am 
Kopfe der betreffenden Spalten eingetragenen procentischen Gehalt 
an tricotylen Kindern hatten.. Mit Sternchen sind diejenigen Gruppen 
angedeutet, aus welchen die Mütter für die nächste Generation ge- 
nommen wurden. 

Dasselbe Ergebniss erhielt ich mit Oenothera hirtella, als ich von 
den Samen der im Jahre 1895 zufällig in meinen Culturen gefundenen 
Stammpflanze dieser neuen Art (S. 269) nochmals einige tricotyle 
Keime auspflanzte (1898). Diese Cultur war also nur eine Wieder- 
holung derjenigen von 1896, und gab auch im Wesentlichen dasselbe 
Resultat, nur fehlte jetzt ein ausnahmsweise an tricotylen Kindern 
reiches Exemplar, wie es damals vorkam. Ich hatte 20 Samenträger 
mit 2—11°/,, im Mittel 5 °/, Tricotylen und beschränkte meine Wahl 
auf die Mutter mit 11°/, Erben und auf deren tricotyle Kinder. Von 
diesen blühten im Jahre 1899 im Ganzen 52 Exemplare, und zwar 
in Pergaminbeuteln, also bei reiner Selbstbefruchtung, wie in den 
vorhergehenden Generationen. Die Erbzahlen waren grossentheils 
niedrig und schwankten für 48 Pflanzen zwischen 4 und 19; daneben 
gab es drei mit 27, 32 und 39°/,. Es war somit die Isolirung der 
Mittelrasse auch auf diesem Umwege gelungen. 

Mittelrassen können also aus Gemischen entweder un- 
mittelbar oder zunächst als Bastarde mit der Halbrasse 
isolirt werden. Im letzteren Falle ist zur Herstellung der reinen 
Rasse wenigstens eine Generation mehr erforderlich. 

Zusammenfassung. Die in diesem Paragraphen be- 
schriebenen Versuche haben für drei sehr verschiedene Arten 
und unter verschiedenen Versuchsbedingungen zu ganz überein- 
stimmenden Resultaten geführt, welche sich folgendermassen 
zusammenfassen lassen: 

1. Durch die Kreuzung von tricotylen Halb- und Mittel- 
rassen entstehen Samen, welche nur wenige Procente an 
Tricotylen mehr enthalten als die Halbrasse, oder auch 
nicht merklich reicher daran sind. 

2. An Hemitricotylen sind diese Samen nicht reicher als die 
Eltern; die Bastarde stellen also in Bezug auf ihre sicht- 
baren Merkmale keine Zwischenbildung dar. | 

3. Die Erbzahlen der Bastarde sind in der Regel, zum 
guten Theil, bedeutend höher als diejenigen der Halb- 
rasse; sie deuten auf Spaltungen in die beiden elterlichen 
Typen hin. 

4. Durch Isolirung der Kinder der Bastarde mit den 


DE VRIES, Mutation. II. 20 


306 Kreuzungen trieotyler Rassen. 


höchsten Erbzahlen lässt sich die Mittelrasse wieder rein 
darstellen, und es liegt auf der Hand, dass in entsprechender Weise 
auch die Halbrasse erhältlich sein wird. 

In allen den genannten Beziehungen stimmen die Folgen tri- 
cotyler Kreuzungen offenbar im Wesentlichen mit den Vorgängen 
überein, welche wir bei den typischen Menper’schen Bastarden kennen 
gelernt haben. Es fragt sich nun, ob die Spaltungen auch nach 
denselben Zahlenverhältnissen vor sich gehen wie dort. 

Öftenbar erschwert die transgressive Variabilität die Beantwortung 
dieser Frage in hohem Grade. Denn wenn man die einzelnen mit- 
getheilten Tabellen überblickt, so ist in den Erbzahlen der ersten 
Generation eine Trennung in zwei Gruppen, den Nachkommen mit 
dem dominirenden und jenen mit dem recessiven Merkmal ent- 
sprechend, nirgendwo zu sehen. Auch greift, wie wir früher gefunden 
haben, die Curve der Mittelrassen so oft bis dicht an den Null- 
punkt der Abseissenlinie vor, dass eine solche Grenze gar nicht zu 
erwarten ist. 

Wir können also die Vergleichung unserer Zahlen mit dem 
Spaltungsgesetze nur auf einem Umwege vornehmen. 

Zu diesem Zwecke stelle ich jetzt die Zahlen der verschiedenen 
Arten derart zusammen, dass die entsprechenden Generationen dabei 
zusammengebracht werden. Die Einrichtung der Tabellen ist die- 
selbe wie früher. Am Kopfe jeder Spalte ist der procentische Gehalt 
an tricotylen Keimen angegeben, in den Spalten selbst findet man 
die Anzahl der Exemplare, welche diesen Gehalt in ihren Samen 
hatten. In die erste Tabelle ist überdies die Erbzahl für die beiden 
Eltern eingetragen worden, sei es nach directer Ermittelung, sei es 
nach der Cultur, aus der sie stammten. Die Samenträger für die 
nächste Generation sind überall durch Sternchen angedeutet. 


Kreuzungen von tricotylen Halb- und Mittelrassen. 
E 


Procentischer Gehalt der unmittelbar durch die Kreuzung 
entstandenen Samen an Tricotylen. 


Mutter | Vater Procente 
A er; 10 15 
| %o | 0 | 
Antirrhinum majus \ 2 a 2 2# 
Cannabis sativa | 0 65—70 | 5* 7 0 
Papaver Rhoeas | 0 a NL 3 1 1% 


Kreuzung der Mittelrassen mit den Halbrassen. 307 


108 
Erbzahlen in den Samen der ersten Bastardgeneration. 
ı|5[ı10|1|20| 25 50 35 | 40 | 45 | 50 
; BETTER 
Antirrhinum majus OO 10% ea, | 
Cannabis sativa a 3 | 1 
Papaver Rhoeas . N se | | 
3 % 02.708 | 0 | Pe 
1uBE 


Erbzahlen in den Samen der zweiten und dritten Generation. 


|| CH EIERN [az | | | 

Bene | Mutter\, 5 1olıs!aoless0!35 40l45!50| 55 60,65 70|75 s0|85|90 

ration % Ag! | | | 
A.m.| 2. — |s[zlıeslıslalıle@ılo|o|o|»* | 
ne 3. 4 .\ololsisl2le eo slejrjsla,2|2|ı | 
Rn En 68 |0/0| 010) 00/0/1j0/1|3/1 5 5 111|7 | 4 | 1 
C. s. 2. — 013) 3j0|512|3/3/44| 1 2/1 | 2Jo/olı 
BER. 25 4 13|0|12 0001| | | 
Bi. 2. 6-8 oo] 312] 25 1|3|3]3|5J 02 1 ı le 
Bi; 2. 35 |ojojojolnlolıl2alılols)2lolo|olı| 


Aus diesen Zusammenstellungen lässt sich ein Ueberblick in 
mehr gedrängter Form gewinnen, wenn wir den mittleren Gehalt für 
die einzelnen Generationen berechnen. : Die folgende Tabelle giebt 
in dieser Weise unmittelbar eine Einsicht in den Fortschritt der 
Procentzahlen, durch die stetig ausgeübte Wahl der höchsten ver- 
werthbaren Erbzahlen. 

1% 


Zusammenfassung. 
Mittlere Erbzahlen der aufeinander folgenden Generationen. 


IR Samen der Generation N 
| IE a: SER, 
Antirrhinum majus . 8 | 16 | 15: Sera 90 
: 5 8 16 15 9 | 
Cannabis sattiva . 4 2 | 40 °ı | 85 
Papaver Rhoeas . i 3 | 24 40 90 
» „ 2 ae | SO 10 (35) o) 


\ Für den zweiten Papaver-Versuch sind die Zahlen von S. 302 eingetragen, 
welche in den Samen der Kinder der Mutter mit 4°/, Erben ermittelt wurden. Die 
eingeklammerten Zahlen sind somit keine mittleren Werthe, sondern Erbzahlen 
einzelner Mütter. Die Zahl 35 ist das Maximum in den Samen der zweiten Gene- 
ration, das als solches auf die Abspaltung der Mittelrasse nur hindeutet. 

20* 


308 Kr RE riotyler Rassen. 


Aus dieser Tabelle ersieht man auf Er ersten Di a nach 
der Kreuzung und durch die Isolirung günstiger Individuen Mittel- 
rassen mit einem mittleren Gehalt von 36-40 bezw. 69, und mit 
einem Maximalgehalt von 85—90 °/, abgetrennt worden sind. Diese 
Zahlen entsprechen den früher für die ursprünglichen Mittelrassen 
ermittelten (vergl. S. 281); sogar ist das Maximum für Papaver jetzt 
(90 °/,) höher als dort (75°/,). Es sind somit die normalen Mittel- 
rassen abgespalten Bi 

Solches kann nach den Menper’schen Gesetzen bereits in den 
Samen der ersten Generation (welche also der zweiten Bastardgene- 
ration angehören) der Fall sein; aber nur in einzelnen Exemplaren 
(etwa 25°/,). In der mittleren Erbzahl zeigt es sich dann erst um 
eine Generation später. Dieses war nun auch thatsächlich der Fall 
mit Cannabis und mit einem der beiden Versuche mit Papaver. 

Es ist aber klar, dass man, in der ersten Generation seine Wahl 
nach den Erbzahlen richtend, nie sicher sein kann, dass man eine 
Pflanze mit dem reinen recessiven Merkmal wählt. Wegen der trans- 
gressiven Variabilität kann eine hohe Erbzahl auch einem Bastarde 
angehören. Offenbar wird dann die Abspaltung der reinen Mittel- 
rasse um eine Generation verzögert werden, und es ist aus der 


Tabelle sofort ersichtlich, dass dieses bei Antirrhinum und im zweiten 


Versuch mit Papaver der Fall war. 

Der ganze Verlauf der Versuche ist also völlig mit demjenigen 
im Einklang, was man nach den Menper’schen Spaltungsgesetzen 
erwarten sollte. 

Wir kommen jetzt zu der Berechnung der zweiten Generation. 
Diese enthält, nach dem Obigen, Exemplare der Halbrasse, solche 
der Mittelrasse und Bastarde. Stehen sie aber auch in dem Ver- 
hältnisse 1:1:2? Wie bereits bemerkt, macht die transgressive 
Variabilität eine unmittelbare Beantwortung der Frage unmöglich. 
Wir haben nur die mittleren Erbzahlen, welche in der vierten Tabelle 
für die Samen der ersten Generation eingetragen sind. Mit diesen 
soll aber verglichen werden, "was sich nach MENDEL erwarten lässt. 
Und das sind: 


Antirrhinum Cannabis Papaver 
25 °/, Ex. der Halbrasse mit 2 0 0°), Tricot. 
50 „ Bastarde mit! 3 4 35, H 
25 „ Ex. der Mittelrasse mit 50—64? 55° 40—47%,, = 


! Nach den Ermittelungen in den unmittelbar aus der Kreuzung ent- 
standenen Samenproben. 
2 8.27% 28. .272, # 85.278; 


Kreuzung tricotyler Rassen von verschiedenen Arten. 309 


Für die Mittelrasse sind hier die mittleren Erbzahlen gewählt, 
welche in den betreffenden Rassen in den früheren Versuchen von 
g 21 erhalten wurden. Aus diesen Zahlen lässt sich nun berechnen, 
wie viele Procente an Tricotylen die betreffenden Samen im Mittel 
enthalten sollten. Ich stelle diese Zahlen und diejenigen der be- 
treffenden Spalte der Tabelle IV neben einander. 


Mittlerer Procentgehalt in den Samen 
der ersten Generation: 


Berechnet Gefunden 
Antirrhinum majus 18-75 16 
Cannabis sativa 15-75 7 
Papaver Rhoeas 12-37 24 
Im Mittel: 15-62 157 


Die Uebereinstimmung ist, wie man sieht, im Mittel eine voll- 
ständige, trotz der grossen Schwierigkeiten solcher Versuche und der 
dadurch unvermeidlichen Abweichungen in den einzelnen Zahlen. Wir 
folgern also: 

Die Zusammensetzung der zweiten Bastardgeneration 
ist für die Kreuzungen von tricotylen Halb- und Mittel- 
rassen diejenige, welche sich nach dem Mexpen’schen 
Spaltungsgesetze erwarten lässt. 

Oder in Verbindung mit der Isolirung der Mittelrasse und der 
Wiederholung der Bastarde in den aufeinander folgenden Generationen: 

Die Bastarde von tricotylen Halb- und Mittelrassen 
folgen den MEnndEL’schen Gesetzen, denn: 

1. Die erste Generation ist einförmig, das phylogene- 
tisch ältere Merkmal dominirt, nur wenig von dem jüngeren 
abgeschwächt. 

2. Die zweite Generation enthält Individuen der beiden 
constituirenden Rassen nebst deren Bastarden, und zwar im 
Verhältniss von 1:1: 2. 

3. In der dritten Generation können sich die Bastarde 
wiederholen. 

4. Durch richtige Wahl wird aus der zweiten Gene- 
ration die Mittelrasse mit ihren normalen Erbzahlen isolirt. 


$ 25. Kreuzung tricotyler Rassen von verschiedenen Arten. 


Meine Oenothera hirtella, welche über 50°/, und bis etwa 90 °/, 
Trieotylen in ihren Samen hat, habe ich zu einigen Kreuzungen mit 
anderen verwandten Arten benutzt, von denen ich aus längerer 


310 


Kreuzungen tricotyler Rassen. 


Erfahrung weiss, dass sie, wenigstens in meinen Culturen, in Bezug 
auf Trieotylie nur die Halbrasse, nicht aber die Mittelrasse enthalten. 
Diese Versuche unterscheiden sich von den im vorhergehenden Para- 
graphen beschriebenen da- 
durch, dass die Eltern als ver- 
schiedene Arten aufzufassen 
sind, und dass die erziel- 
ten Bastarde sich m ihren 
sonstigen Merkmalen als 
Zwischenbildungen zwischen 
diesen darstellen. 

Die Oenotherahirtella(Fig.53) 
ist eine ganz eigenthümliche 
neue Art, welche sich im 
Jahre 1895 zufällig in einer 
Cultur aus käuflichen Samen 
einer anderen Art gezeigt hat. 
Ob sie ein durch Mutation 
entstandener neuer Typus ist 
oder vielleicht eine Bastard- 
rasse, vermag ich nicht zu 
entscheiden. Da ich aber 
zwischen den gewöhnlichen, 
wildwachsenden und culti- 
virten Formen von Onagra 
die meisten Wechselverbin- 
dungen gemacht habe, und 
sie mit keiner von diesen 
übereinstimmt, scheint mir 
die letztere Annahme nicht 
Fig. 53. Oenothera hirtella. A Blühender Spross- wahrscheinlich. Auch hat sie 
gipfel. B Rispe mit Früchten, die typische Gruppe ganzeigeneMerkmale. Jeden- 
steriler Blattachseln zeigend. C Eine geöffnete falls ist sie bei Selbstbefruch- 
Blüthe, fast verblüht; die Antheren herabfallend, 
der Griffel lang. D Zwei Früchte, um die Ver- tung durchaus constant, und 

schmälerung am Grunde zu zeigen. da ihre Blüthen sich bereits 

in der Knospe zu befruchten 

pflegen, zeigt sie sich in der Regel auch ohne Kunstbehandlung 
als samenbeständig. 

Vor «dem Oeffnen der Blüthe sind die Narben zusammengeschlossen 

und auf ihrer ganzen Länge von den Antheren umgeben, ähnlich wie 

bei O. biennis und O. muricata, während bei O. Lamarckiana bekanntlich 


Kreuzung tricotyler Rassen von verschiedenen Arten. sll 


die Narben oberhalb der Antheren liegen und diese nicht berühren. 
Bei allen diesen Arten öffnen sich die Antheren wenigstens einen 
Tag oder einen halben Tag vor der Entfaltung der Krone; in diesem 
letzten Augenblick sind also bei den drei ersteren die Narben völlig 
mit dem Staub bedeckt, bei der O. Lamarckiana aber noch rein. 
Sind die Blüthen in Pergaminbeuteln vor dem Besuch der Insecten 
geschützt, so reicht diese Berührung bei den drei fraglichen Arten 
völlig zu einem normalen Fruchtansatz aus, nicht aber bei O. La- 
marckiana und deren Abkömmlingen. Die O. hirtella braucht also zur 
Selbstbefruchtung keiner anderen Hülfe als des Ausschlusses der 
Insecten, und vielleicht ist auch diese stets von mir gepflegte Be- 
handlung sogar noch überflüssig, Dagegen muss man ihre Knospen 
für die Kreuzungen sehr frühzeitig castriren. 

Die Blüthenkrone hat die Grösse derjenigen von O. biennis. Die 
Narben öffnen sich in manchen Blumen, in anderen aber nicht; man 
kann sie dann künstlich, durch leisen Druck zur Entfaltung bringen und 
auf der Innenseite bestäuben; für die Befruchtung scheint dieses aber 
ohne Bedeutung zu sein. Sie erheben sich bisweilen auf einem wachsenden 
Griffel (Fig. 53 C), meist aber nicht. Manche Früchte schlagen fehl; 
man erhält dann Unterbrechungen in der Rispe (Fig. 53 B), wie eine 
solche zwar auch bei verwandten Arten, namentlich z. B. bei O. nanella 
beobachtet wird, aber doch nie in so regelmässiger Weise; sie sind 
für unsere Art typisch. Man würde sie leicht für ein Anzeichen der 
Bastardnatur nehmen können, aber die von mir erzeugten Bastarde in 
der Onagra-Gruppe zeigen dieses Merkmal gerade nicht. Die Früchte 
sind mehr oder weniger keulenförmig, am Grunde verschmälert 
(Fig. 53 D), aber höchst variabel, sogar an der nämlichen Rispe. 

Die Oenothera hirtella wächst viel schlanker und höher als die 
verwandten Arten, erreicht oft in einem ‚Jahre weit über 2 Meter, 
fängt später an zu blühen, bleibt dann aber meist bis tief in den 
October oder im November noch in voller Blüthenpracht. Die Blüthen, 
welche sich nach dem 1. September öffnen, habe ich mehrfach ge- 
merkt; sie tragen unter unserem Klima nur ausnahmsweise noch guten 
Samen. Die Wurzel- und Stengelblätter nähern sich am meisten 
denen von O. Lamarckiana, und manche Exemplare sind in der Jugend 
kaum von dieser zu unterscheiden, erst der schlankere Wuchs und 
die Inflorescenz prägen den Unterschied deutlich aus. Ich habe diese 
neue Art jetzt durch sieben Generationen cultivirt und constant ge- 
funden; sie bot zu verschiedenen Versuchen, hauptsächlich über die 
Trieotylie, und namentlich wegen ihrer bequemen Selbstbefruchtung, 
ein sehr geeignetes Material. 


312 Kreuxungen tricotyler Rassen. 


Jahre die tricotyle Mittelrasse rein war, und auf tricotylen Exemplaren 
Erbzahlen gab, welche zwischen 38 und 89°/, schwankten und im 
Mittel 72°/, betrugen. Bei der Wahl der einzelnen Individuen zu 
den Bastardirungen ist es selbstverständlich nicht möglich, ihre 
speciellen Erbzahlen zu berücksichtigen, da diese sich erst nach der 
Ernte ermitteln lassen. Ich habe daher als Regel jede Mutter mit 
dem Staub eines einzelnen Vaters befruchtet und beide mit derselben 
Nummer belegt, um nach der Ernte und bei deren Prüfung die Erb- 
zahl des Vaters kennen zu lernen. In zwei Fällen diente O. hirtella 
als Vater, in einem aber als Mutter. In zwei Kreuzungen wurde sie 
mit neuen, bei mir entstandenen Arten verbunden, in .der dritten aber 
mit einer bei uns wildwachsenden Sorte. 

Oenothera rubrinervis X hirtella. Auf S. 241—243 habe ich be- 
schrieben, wie ich mich während vieler Jahre vergeblich bemüht habe, 
eine tricotyle Mittelrasse von O. rubrinervis zu erhalten. Mir lag da- 
mals sehr wesentlich am Besitz einer solchen Rasse, und keine andere 
Art, weder eine alte noch eine neue, bot darauf eine irgendwie bessere 
Aussicht als diese. In vier Generationen (1392—1895) kam ich aber 
nicht über 2—3°/, hinaus, und die Unmöglichkeit, eine Mittelrasse 
zu finden, war also so sicher gestellt wie nur irgendwie möglich. 
(S. 247.) 

Im Sommer 1897 cultivirte ich die vierte Generation zum zweiten 
Male, aus Samen von 1895, pflanzte theils Tricotylen, theils Atavisten 
aus, castrirte eine grössere Anzahl ihrer Blüthen im Laufe des August 
und befruchtete jede Pflanze mit dem Staub eines besonderen Exem- 
plares von O, hirtella. 

Bei der Prüfung der Ernte stellte sich heraus, dass von den 
Vätern zehn zwischen 50 und 58°/, Erben hatten, während es zwei 
mit 66°/, gab. Die mit ihrem Staub befruchteten Rubrinervis-Pflanzen 
hatten 0—1-5°/, Erben, im Mittel 0-8°/,, also keine wesentlich 
anderen Zahlen als sie bei Selbstbefruchtung gehabt haben ‘würden. 
Ich wählte für die nächste Generation eine Gruppe von Keim- 
pflanzen, deren Vater die höchste Erbzahl, 66 °/,, gehabt, während 
die Kreuzung 1-5°/, Erben gegeben hatte und pflanzte nur dicotyle 
Keime aus. 

Als diese Bastarde erster Generation (1898) blühten, zeigten sie 
zwei deutlich von einander unterschiedene Typen. Der eine näherte 
sich mehr dem Vater und hatte breitere, unbehaarte und ziemlich 
stark gebuckelte Blätter wie dieser. Der andere näherte sich der 
Mutter mit schmäleren, grauweisslichen, wie behaart aussehenden und 


Kreuzung tricotyler Rassen von verschiedenen Arten. 313 


fast nicht buckligen Blättern, wie sie im ersten Bande für O. rubri- 
nervis beschrieben worden sind. Doch war keiner von beiden Typen 
genau derselbe wie die betrefienden Vorfahren. Ich habe im den 
folgenden Jahren nur vom zweiten Typus weitergepflanzt und diesen 
constant gefunden; die Pflanzen waren stets schwächlicher als die 
beiden Eltern, mit kleineren Blättern und einer ärmeren Inflorescenz. 
Ihre Blüthen und Früchte hatten den Bau und die Grösse der O. hir- 
tella, aber die rothen Streifen auf dem Kelch und der unreifen Frucht, 
wie sie für O. rubrinervis charakteristisch sind und bei O. hirtella 
nicht gesehen werden. Es gab etwa ?/, Exemplare vom ersteren 
Typus und !/, vom letzteren. 

Die Bastarde befruchteten sich selber wie die O. hirtella und 
wurden im Jahre 1598 einfach in einem Käfig, später aber auch in 
Pergaminbeuteln von dem Besuch der Insecten abgeschlossen (1599). 
Die Samen wurden für jede Pflanze einzeln geerntet, ausgesät und 
geprüft. Der Gehalt an Tricotylen war derselbe geblieben wie in der 
vorhergehenden, unmittelbar durch die Kreuzung erhaltenen Ernte. 
Es gab 24 Samenträger; die Erbzahlen erreichten in zwei Fällen 
2°/,, schwankten aber sonst alle zwischen 0 und 1°/,. Ich wählte 
zwei Mütter vom rothnervigen (zweiten) Typus mit 1°/, und 2°, 
Erben aus und pflanzte von ihren Kindern die vierzig besten Trico- 
tylen. Wie gesagt, wiederholten sie den Typus ihrer Mütter rein und 
waren somit Bastarde, in denen die Eigenschaften der O. rubrinervis 
in den meisten Organen prädominirten, während die Blüthen, ab- 
gesehen von der Farbe, sich fast ganz dem Hirtella- Typus näherten. 
Die im ersten Bande (S. 252) besprochene Eigenschaft von O. rubri- 
nervis um O. leptocarpa hervorzubringen, hatte diese Bastardeultur 
auch; solche Exemplare zeigten sich nach reiner Selbstbefruchtung 
im nächsten Sommer als constant und hätten eine tricotyle Mittelrasse 
von O. leptocarpa geben können, falls ich solches gewünscht hätte. Ich 
habe sie aber nach 1900 von der Fortsetzung meiner Rasse aus- 
geschlossen. 

Die Ernte, in der üblichen Weise gesammelt und geprüft, zeigte 
jetzt deutlich den Einfluss der Kreuzung. Es waren (1599) 20 Samen- 
träger gewesen, von denen vier etwas höhere Erbzahlen hatten: 6, 7, 
11 und 12°/,; die übrigen schwankten zwischen O0 und 4°/,. Die 
Ernte war diesmal eine sehr kleine gewesen; überhaupt war dieser 
Bastard auch in den späteren Generationen nicht sehr fruchtbar. Die 
höheren Zahlen waren also weniger sicher als sonst, da sie aus zu 
kleinen Keimproben ermittelt werden mussten. Ich wählte deshalb 
für die Fortsetzung des Versuches nicht diese aus, sondern die Mütter, 


old Kreuzungen tricotyler Rassen. 


getragen hatten. Ich durfte ja unter keiner Bedingung mich der 
Gefahr aussetzen, die Fruchtbarkeit meiner Rasse durch eine unzweck- 
mässige Selection noch weiter hinabzusetzen. Ich pflanzte (1900) von 
vier Müttern etwa 50 Tricotylen und von einer dieser Mütter auf 
einem anderen Beete noch etwa 70 dicotyle Keime aus, liess die 
Blüthen sich in Pergaminbeuteln befruchten und erntete von 87 Pflanzen 
ausreichenden Samen für die Keimprüfung. Diese ergab einen ganz 
bedeutenden Fortschritt, indem jetzt von vier Samenträgern die Erb- 
zahlen 40—42°/, erreicht wurden. Diese vier waren dicotyle Kinder 
der einzigen Mutter, von der solche ausgepflanzt waren, und diese 
Mutter ergab sich auch sonst als eine glückliche Wahl, indem ihre 
Kinder im Mittel etwa 20°/, Erben hatten. Die drei anderen Mütter 
waren viel weniger bevorzugt, die höchsten Erbzahlen für ihre Kinder 
waren hier 20—21°/,, die mittleren 4—5°/,. Es deuten diese Ver- 
hältnisse klar auf die Abspaltung einer Mittelrasse (mit zunächst 40 
bis 42°/, Erben), und auf eine, wenn auch weniger scharfe Trennung 
zwischen den Bastarden und der Halbrasse hin. ‘ 

Für die Cultur des Jahres 1901 wählte ich selbstverständlich 
nur die Nachkommen der einen Grossmutter, deren Mittelwerth jetzt 
20 RR 
und eine mit 26°/,, welche tricotyl gewesen war, indem ich theils die 
Höhe der Erbzahl, theils die Grösse der Ernte berücksichtigte. Ich 
pflanzte im Ganzen 90 tricotyle Keime aus; die Pflanzen waren klein- 
blätterig und schwach, wenig verästelt und schlank, in einer Höhe von 
etwa 2 Meter blühend, aber dem Bastardtypus ihrer Vorfahren treu. 
Die Blüthe fand in einem Käfig aus feinmaschigem Tuch (Nessel- 
tuch) statt, der nur während der drei Wochen der Blüthe auf dem 
Beete blieb. 

Von jeder Gruppe von 45 Pflanzen wurde die eine Hälfte in ge- 
wöhnlicher Weise gedüngt, die andere nur schwach. Dieses hatte so- 
wohl auf den Wuchs, als auf die Erbzahlen einen sehr erheblichen 
Einfluss. Die mittleren Erbzahlen der ungedüngten Pflanzen waren 
11 und 22°/,, gegen 19 und 28°/, von den gedüngten. Die beiden 
niederen Zahlen beziehen sich auf die Kinder der Mutter mit 26 %/,» 
die beiden höheren auf jene der Mutter mit 41°/,. Ich werde somit 
in der nächstfolgenden Tabelle nur die normal gedüngten Kinder der 
besten Mutter aufführen, obgleich die ungedüngten ein etwas höheres 
Maximum (43, 45 und 48°/, auf drei Pflanzen) erreichten. 

Ich fasse jetzt die erhaltenen Erbzahlen dieses Versuches in der- 
selben Weise zusammen, wie im vorigen Paragraphen, indem ich sie 


war. Ich nahm eine Mutter mit 41 °/,, welche selbst dicotyl, | 


Kreuzung tricotyler Rassen von verschiedenen Arten. 315 


in Gruppen von 0—2, 3—7, S—12 u. s. w., im Mittel also von 1, 5, 
10, 15°/, u. s. w. zusammenfasse, und für jedes Jahr und jede derart 
reducirte Erbzahl die Anzahl der entsprechenden Samenträger angebe. 


Trieotyle Bastarde von Oenothera rubrinervis x hirtella. 


52 .10r ib 20|2|01 35 |40 | 45 | — | 68 
lm) | EM | v 
N) 10 | | | 

1. Gen. DAS | | | | 
De. Pos aa ae | 
Sn SE Lo 1 3 | 
2, 0 1 10, era ne a > 
De, Do Vor neler 6 2 


Es bedeuten, wie früher, M = Mutter, V = Vater, S= die un- 
mittelbar durch die Kreuzung erzeugten Samen. Darunter die Erb- 
zahlen der 1.4. Generation, unter denen die Samenträger für das 
nächste Jahr mit Sternchen angedeutet sind. 

Die Bastardrasse blieb während diesen vier Generationen in ihren 
sonstigen Merkmalen constant, spaltete sich aber in Bezug auf die 
Tricotylie in die elterlichen Typen, oder brachte doch wenigstens die 
anfangs fehlenden Erbzahlen der Mittelrasse wieder zum Vorschein. 
Dass diese niedriger sind als bei der Oen. hirtella, ist wohl im Wesent- 
lichen durch die Schwäche der Pflanzen bedingt, wie der Düngungs- 
versuch von 1901 lehrt. 

Oenothera hirtella x nanella. Im Sommer 1897 castrirte ich eine 
Pflanze meiner tricotylen Mittelrasse von O. hirtella und befruchtete 
sie im Käfig mit O. nanella. Die selbstbefruchteten Früchte derselben 
Mutter gaben später in ihren Samen 38 °/, trieotyle Keime; die 
O. nanella bringt jährlich ganz einzelne Tricotylen, welche aber einen 
Gehalt von 1—2°/, nicht überschreiten. Die gekreuzten Samen gaben 
245 Keimlinge, unter denen 8°/, Tricotylen waren. Ich pflanzte nur 
die Dicotylen aus, und zwar 25 Exemplare. Diese Bastarde waren 
der Mutter sehr ähnlich und alle unter sich gleich; die Fertilität 
war dermassen herabgesetzt, dass nur zwei Pflanzen an der Endrispe 
einzelne Früchte ausbildeten. Sowohl von diesen als von den übrigen 
mussten also auch die Früchte der Seitenzweige nach isolirter Be- 
stäubung geerntet werden, um überhaupt ausreichenden Samen zu er- 
halten. Aber auch auf diesen Seitenzweigen misslang die Frucht- 


diesen gab nur die Hälfte so viel Samen, dass je 300 Keime gezählt 
werden konnten. Beschränke ich mich auf diese, so finde ich Erb- 
zahlen von 4—11°/,, im Mittel 7 °/,, also denselben Wert wie in der 
ursprünglichen Ernte (8°/,). Nehme ich die Ernte mit 150 bis 
300 Keimen dazu, so bleiben die Grenzen und der Mittelwerth die- 
selben, und nur bei noch kleineren Ernten erhielt ich Zahlen bis 
1°/, hinab oder bis 21°/, hinauf, in einem Falle sogar 33°/, (auf 
75 Keimen). 

Mögen diese höheren Zahlen an sich auch sehr unsicher sein, so 
boten sie doch die beste Aussicht auf eine Abspaltung der Mittel- 
rasse, und so wählte ich zwei Mütter mit 21 und mit 33°/, für die 
Culturen von 1899 aus. Diese Cultur zeigte dieselben Merkmale wie 
diejenige des vorigen ‚Jahres, in Bezug auf Wuchs, Blüthenbau und 
sonstige Eigenschaften. Als die Einzelernten geprüft wurden, zeigte 
es sich, dass die beiden Gruppen (Mutter 21°/, und Mutter 33 %/,) 
fast völlig genau dieselben Erbzahlen gaben und dass diese zwischen 
3 und 50°/, schwankten, also zu der gesuchten Abspaltung der Mittel- 
rasse geführt hatten. 

Ich gebe die Erbzahlen wiederum in derselben Form und mit 
derselben Bedeutung der Buchstaben und Zeichen wie für den vorher- 
gehenden Versuch. 


Trieotyle Bastarde von Oenothera hirtella x nanella. 


IM! 5 10 | 15 20 25 | 30 35 40 45 50 


Obgleich die Abspaltung der tricotylen Mittelrasse aus der 
Bastardrasse gesichert schien, wird der Versuch doch nach kurzer 
Unterbrechung in diesem Jahre (1902) fortgesetzt. 

Oenothera muricata X hirtella. Oenothera muricata wächst bei uns 
als eine schöne, constante und leicht kenntliche Art, ziemlich all- 
gemein in den Dünen in der Nähe der Küste. Ich habe von dort 
Samen bezogen und seit 1895 regelmässig in meinem Versuchsgarten 
eultivirt. Die erste Generation war zweijährig, die späteren einjährig. 
Diese Culturen bringen sehr selten tricotyle Keime, wohl nie 1°), 


Kreuzung tricotyler Rassen von verschiedenen Arten. 317 


erreichend. Im Sommer kreuzte ich 7 Exemplare nach vorsichtiger 
Castrirung mit Oen. hirtella, und zwar jede Pflanze mit einem beson- 
deren Vater. Diese Väter ergaben nachher in ihren selbstbefruchteten 
Samen Erbzahlen von 50 bis 69°/,. Die gekreuzten Samenproben 
hatten 0, 0-5 und 1°/,, die beiden letzteren Zahlen auf je drei Samen- 
trägern. Ich zog die erste Generation ferner nur von einer Kreuzung, 
deren Vater 66°/, als Erbzahl hatte, während die gekreuzten Samen 
gar keine Tricotylen enthielten, und pflanzte 25 Exemplare aus. 
Diese Bastarde (1398) waren einförmig, und deutliche Zwischen- 
bildungen, in denen aber der Muricata-Typus in allen Organen, sogar 
in den Blüthen, sehr merklich vorherrschte. Sie gaben zwar nicht 
viel Samen, doch reichte die Ernte auf 22 Pflanzen für die Be- 
stimmung der Erbzahlen aus. Diese schwankten zwischen 0-5 und 
5°/, und betrugen im Mittel 2°/,. Ich pflanzte die tricotylen Keim- 
linge von fünf Müttern mit 4—5°/, Erben aus (1899) ermtete ihre 
Samen nach isolirter Blüthe in Pergaminbeuteln für jede Pflanze 
einzeln und ermittelte im Frühling 1900 die Erbzahlen. 

Der Fortschritt war kein sehr bedeutender; es wurde nur auf 
vier Exemplaren 20—23°/, erreicht, während die übrigen Zahlen 
zwischen 0 und 19°/, ziemlich gleichmässig vertheilt waren. Doch 
schien mir diese Anweisung über die Möglichkeit einer Abspaltung 
der Mittelrasse auszureichen, um zu folgern, dass diese Kreuzung 
sich nicht wesentlich anders verhält als die beiden vorhergehenden. 
Uebrigens wird auch dieser Versuch noch fortgesetzt. 


Trieotyle Bastarde von Oenothera muricata x hirtella. 


a 10 15 20 Be | 65 
! — — —— ı — 
x M | | | | | v 
S 1* | | | 
1. Gen 12 10* | | 
Die? 2 2 6 5 1 


Zusammenfassung. Wir stellen jetzt die Ergebnisse unserer 
Versuche im genau derselben Weise zusammen wie am Schlusse des 
vorigen Paragraphen, und geben somit für die einzelnen Generationen 
die Anzahl der Individuen, welche die am Kopfe der Spalten unserer 
Tabellen verzeichneten Procente an tricotylen Kindern hatten. 


318 Kreuzungen tricotyler Rassen. 


Kreuzungen von trieotylen Halb- und Mittelrassen verschie- N 
dener Arten. 


iB 


Procentischer Gehalt der unmittelbar durch die Kreuzung 
entstandenen Samen an Tricotylen. 


Oenothera Mutter Vater Procente 
| 1 5 
| lo %o 
O. rubrinervis x hirtella 2—3 66 10% 
O. muricata x hirtella . | 0—1 66 1 
O. hirtella x nanella . | 38 | 1-2 0 0 1* 
IH: 
Erbzahlen in den Samen der ersten Bastardgeneration. 
Oenothera Ist 5 10 15 20 | 25 30 | 35 
O. rubrin. x hirtella 24* 
O. murie. x hirtella 12 10* 
O. hirt. x nanella . 177 10 6 2 9# 0 0 1% 
ET: 
Erbzahlen in den Samen der zweiten, dritten und vierten 
Generation. 
Oenothera Gene- |Mutter| , |; |10|15|20| 25|0|85 |40 | 45 |50 
ration | °% 
O. rubrin. x hirtella 2 —  [10*) 8*| 2 
4 " Br 2 sel 1a 3 
„ & 3... 12-30 | 210) 1318| 9.7 ame 
N a; 4. 26 |0| 0|5| ı| 2]2/41014 
h = 4. 4 |0|0o| 01.0 7) 516 1a 
O. muriec. X hirtella 2. _ ale N 
O. hirt. x nanella . 2. — 0, 2) 8 8 70 77 7271732 0m 


In gedrängter Form erhalten wir hieraus, in Uebereinstimmung 
mit der Tabelle IV auf S. 307, für die mittleren Erbzahlen die 
folgende Gruppe: 


Hemisyncotylie, Syncotylie, Amphisyncotylie. 319 


IV. 
Zusammenfassung. 


Mittlere Erbzahlen der aufeinander folgenden Generationen. 


| Is a 
Oenothera Kreuzung Sao Wa: Bene | Max 
| 2. 3. 4. 
1 —; ——— 
O. rubrinervis x hirtella . \ 1 1 3 20 | 28 | 4248 
O. muricata x hirtella . . | i 2 8 | | 23 
O. hirtella x nanella . = 8 7 20 | 50 


Diese Zahlen weichen von den entsprechenden Werthen der 
Tabelle IV auf S. 307 in nicht unerheblicher Weise ab, indem sie 
alle viel niedriger sind als dort. Auch nach wiederholter Selection 
kehrte die offenbar auch hier abgespaltene Mittelrasse noch nicht 
zu den Zahlen der O. hirtella zurück. Die Schwäche der Bastarde, 
in Verbindung mit ihrer geringen Fruchtbarkeit, mag, nach $ 23 
dieses Kapitels, als eine der Ursachen betrachtet werden (vergl. auch 
S. 314). Von einer Berechnung nach dem im vorigen Paragraphen 
verwandten Princip ist aus diesem Grunde kein Erfolg zu erwarten. 
Da aber meine Versuche mit diesen Bastardrassen noch fortgesetzt 
werden, ist einstweilen deren Abschluss abzuwarten. 

Trotz dieser Schwierigkeiten ist aber die Uebereinstimmung 
dieser Tabelle mit den Ergebnissen des vorigen Paragraphen eine so 
grosse, dass sie im Allgemeinen als eine Bestätigung der dort ge- 
zogenen Schlüsse angesehen werden darf. 


V. Kreuzung syneotyler Rassen. 


S 26. Hemisyncotylie, Syncotylie, Amphisyncotylie. 


Viel seltener als Keimlinge mit gespaltenen oder verdoppelten 
Samenlappen kommen solche vor, deren Keimblätter, in normaler 
Zweizahl vorhanden, mit einander zu einem einzigen Organe ver- 
wachsen sind. Sie sind nicht so selten, dass man sie nicht jährlich 
in der einen oder der anderen Saat auffinden könnte, aber wenn auf 
jedes Tausend Keimlingen ein tricotyler gefunden wird, so braucht 


320 Kreuxung syncotyler Rassen. 


es im Ganzen und Grossen wohl zehntausend Keime, um auf einen 
Syneotylen rechnen zu können. 

In den früher erwähnten Aussaaten des Jahres 1895 (S. 239) 
fand ich auf 40 Arten unter mehr als 250000 Keimlingen nur etwa 
10 Syneotylen gegenüber 150 Tricotylen. Wo man sie häufiger be- 
obachtet, beruht solches auf Erblichkeit, denn sobald man die Syncotylen 
isolirt blühen lässt und ihre Samen getrennt erntet, zeigt es sich, 
dass sie etwa in demselben Grade sich wiederholen als die Triceotylen. 

Beispiele von Syncotylen boten mir Aster tenellus, Clarkia elegans, 
©. pulchella, Oerinthe gymnandra, Ohrysanthemum Myconis, Helichrysum 
bracteatum, Phacelia tanacetifolia, 
Silene hirsuta, Anagallis grandi- 
flora, Epilobium härsutum, Hes- 
peris matronalis, Pentstemon gen- 
tianoides, Robinia Pseud- Acacia 
und viele andere Formen.! Aber 
stets nur in wenigen Exemplaren. 
Reicher daran waren wenige 
Arten; darunter sind die fol- 
senden hervorzuheben, welche 


Individuums den dabei ange- 
gebenen procentischen Gehalt 
an Syncotylen aufwiesen. Oeno- 
thera (Kneiffia) glauca 16 °/, 
(Fig. 54 und 55), Pieris hiera- 
cioides 8 °/,, Valeriana alba 3 °),- 
Fig. 54. Oenothera glauca. Eine an syn- Auch Dahlia variabilis und Sy cios 
cotylen Keimen reiche Pflanze. angulata fand ich reich an syn- 
cotylen Keimen, und bei Cen- 
tranthus macrosiphon fand ich davon sogar 37°/, in Alan mt einer 
ausgewählten syncotylen Pflanze.? 

Im engeren Sinne nennt man Syncotylen diejenigen Individuen, deren 
Samenlappen einerseits und völlig oder doch nahezu völlig verwachsen 
sind. Geringere Grade der Verwachsung nennt man Hemisyncotylen, 
sie bilden zwischen den bis zum Gipfel zusammengeschmolzenen 


! Weitere Beispiele bei H. B. Grurry, Irregularity of some Cotyledons. 
Science Gossip. N. 8. Vol.2. 1895. 8.171. 

2 Eine Methode, Zwangsdrehungen aufzusuchen, in Berichte d. d. bot. Ges. 
Bd. XII. 1894. S. 25. 


in den Samen eines einzigen 


Hemisyneotylie, Sı ynoolt pi, Amphis yncol ylıe. 321 


Typen und der normalen Dicotylen eine ununterbrochene Stufenleiter. 
Die geringeren Grade der Vereinigung pflegen seltener zu sein als 
die höheren, und um eine nahezu vollständige Reihe von Uebergangs- 
formen zu erlangen, braucht man selbstverständlich Culturen aus den 
Samen ausgewählter Individuen. Die geringsten Grade der Ver- 
wachsung sind namentlich bei gestielten Samenlappen oft nur schwer 
von den wirklichen Dicotylen zu unterscheiden; durchmustert man 
die Keimproben, bevor die Cotylen und ihre Stiele völlig ausgewachsen 
sind, so kann man bisweilen einzelne Keimpflanzen für dicotyl 
halten, welche sich beim weiteren Wachsthum dennoch als hemi- 
syncotyl ergeben würden. 

Die Hemisyncotylen bilden die Minus-Varianten in der Reihe. 
Ihnen gegenüber stehen als Plus-Varianten die Amphisyncotylen oder 


Fig. 55. Oenothera glauca. Syneotyle Keimlinge. A und B einfach syncotyl, C und 
D becherförmig syneotyl oder amphisyneotyl. 


Amphicotylen. Hier sind die Samenlappen beiderseits verwachsen, 
meist auf der einen Seite stark und auf der anderen schwach, oft 
aber auch beiderseits bis zu etwa gleicher Höhe. Die Cotylen bilden 
dann Becher (Fig. 55 C, D und Fig. 56), welche je nach der Breite 
der Cotylen bei den normalen Pflänzchen, das eine Mal mehr cylin- 
drisch oder urnenförmig, das andere Mal aber mehr tellerförmig aus- 
gebreitet sind. Diese merkwürdigen, sehr niedlichen Gebilde fand 
ich fast jährlich bei Helianthus annuus syncotyleus, in grösserer Zahl 
auch bei Mercurialis annua und Centhranthus macrosiphon,' und ferner 
gelegentlich bei Antirrhinum majus, Sinapis alba u. Ss. w. 


! Abgebildet in Ber. d. d. bot. Ges. Bd. XII. 1894. Tafel II, Fig. 3 und 4. 


DE VRIES, Mutation. I. 21 


322 Kreuxung syneotyler Rassen. 


Die Verwachsung der Samenlappen hat bisweilen zur Folge, dass 
auf die Plumula ein Druck ausgeübt wird, der ihr Wachsthum 
beeinträchtigt. Es ist eine ganz gewöhnliche Erscheinung, dass Syn- 
cotylen, wenigstens anfangs, langsamer wachsen als normale Keim- 
linge, und dass namentlich die 
Amphisyncotylen zurückbleiben. 
Wie gross dieser Einfluss ist, 
lässt sich jetzt noch nicht be- 
messen, aber der Umstand, dass 
die Syncotylen so viel seltener 
sind als die Tricotylen, dürfte in 
dieser Schwächung des Wachs- 
thums zum grossen Theile ihre 
Erklärung finden. Bisweilen 
bricht später die Plumula seit- 
lich aus dem Cotylbecher her- 
vor, indem sie diesen im unteren 


Fig. 56. Raphanus Raphanistrum. Ein teller-- Theile spaltet (Centranthus MAcro- 

förmig erweiterter Cotylbecher, A von der nF Wercurialis annua) bis 
Seite, B derselbe schief von oben gesehen SE 2 % ; - 

und die Plumula zeigend. weilen gelingt es ihr, wenn auch 

sehr spät, in der ‘normalen 

Richtung sich zu verlängern. Bei Helianthus annuus habe ich einzelne 

solcher Cotylbecher operirt, d. h. seitlich mit einem feinen Messer 


aufgerissen, sobald ich sah, dass die Pflanze ohne diese Hülfe nicht 


Fig. 57. Polygonum Convolvulus. Beispiele trisyncotyler Keimpflanzen mit verschie- 
denen Graden der Spaltung und der Verwachsung. 


wachsen würde; ich erhielt dann zwar noch blühende, aber doch 
sehr schwache dünnstengelige Individuen. 

Nicht selten unterbleibt das Wachsthum der Plumula ganz, 
sowohl bei einseitigen Syncotylen als bei Becherbildungen. In diesem 
Falle bleibt die Keimpflanze viel länger am Leben als sonst, die 
Cotylen wachsen zu bedeutender, oft zur doppelten Grösse heran, 


| 


UT EL A rn nn 


Hemisyncotylie, Syncotylie, Amphisyneotylie. 323 


aber das Pflänzchen geht schliesslich ohne Stengelbildung zu Grunde. 
So z. B. oft bei Helianthus annuus und Dahlia variabilis, seltener, aber 
doch mehrfach bei Pentstemon gentianoides und Cannabis sativa. Bei 
den beiden letzteren Arten entwickelten sich bisweilen ein oder zwei 
Blätter, dann blieb aber die Endknospe in Ruhe, während jene 
Blätter eine abnormale Grösse und Dicke erreichten (Fig. 58). In 


solchen Fällen scheint es frag- 
lich, ob nicht hier und sonst 
die Wachsthumshemmung noch 
eine andere Ursache haben 
dürfte. 

Mit der Synecotylie kann 
die Tricotylie verbunden sein, 
und da beide, wie wir gesehen 
haben, in ihrer fluctuirenden 
Variabilität eine Reihe von 
Formen aufweisen, ıst der 
Reichthum der Stufenleiter der 
sogenannten Trisyncotylen noch 
ein viel grösserer. So z.B. bei 
 Polygonum Convolvulus (Fig.57), 
ferner bei Chenopodium album, 
Thrincia hirta u. a. 

Wie die Tricotylie, so steht 
auch die Syncotylie häufig in 
Verbindung mit Störungen in 
der normalen Blattstellung im 
späteren Leben der Pflanze. 
Oft ist die Störung nur eine 
geringe (Fig. 59), nicht selten 
aber folgt auf dem syncotylen 
Organe, bei Arten mit de- 
 cussirter oder doch anfangs 
decussirter Blattstellung, ein 
Knoten mit nur einem Blatte, 


welches dann dem Syncotyl gegenüber zu stehen pflegt. 


Fig. 55. Cannabis sa- 
tiva. A Keimpflanze, 
welche im April ihre 
Samenlappen entfal- 
tete, aber bis im Juni 
keine Plumula aus- 
bildete. 23 eine solche 
mit zwei abnormal 
grossen und dicken 
ersten Blättern, deren 
Endknospe kein wei- 
teres Wachsthum 
zeigte. Aus einer Cul- 
tur, in der sonst die 
Stengel oberhalb der 
Cotylen in derselben 
Zeit 10—20 Cm. lang 
wurden (1894). 


Fig. 59. Fagus sylva- 

tica. Syncotyle Keim- 

pflanze, mit stark ver- 

längertem, epicotylem 

Internodium und ab- 

normaler Ausbildung 
der Plumula. 


Solche Fälle 


habe ich sowohl bei Mercurialis annua (Fig. 60) als auch bei Helianthus 
annuus! sehr häufig beobachtet. Meist folgen dann weitere Störungen, 
wie ungleiche Grösse der beiden Blätter eines Paares, zweigipfelige 


! Over de erfelykheid van Synfisen. Botanisch Jaarboek. Gent 1895. Tafel IV. 
al 


324 Kreuzung syncotyler Rassen. 


Blätter u. s. w., und nicht selten kommen solche, in denselben Cul- 
turen, auch sofort oberhalb der Cotylen vor. 

Zwangsdrehung und Fasciation folgen nicht selten auf die Syn- 
cotylie.! Ersteres fand ich z. B. bei Anagallis grandiflora, Collinsia 
heterophylla, ©. grandiflora, ©. bicolor, Scabiosa atropurpurea, Centranthus 
macrosiphon, und sehr häufig bei Mercurialis annua (Fig. 61), Fas- 
ciationen auch bei der letzteren und mehreren anderen Arten, 


Fig. 60. Mereurialis annua. Syncotyle Keimpflanzen. A und B hemisyneotyl mit 
normaler Blattstellung. C und D völlig syncotyl; das erste Blatt steht einzeln und 
den Cotylen gegenüber. 


namentlich Helianthus annuus. Auch Becherbildung findet man bis- 
weilen mit Syncotylie verbunden, sei es auf denselben Exemplaren, 
sei es auf verschiedenen Individuen derselben Aussaat (Fig. 62). Ich 
nenne als Beispiele Mercurialis annua, Anagallis grandiflora, Antirrhinum 
majus, Fagus sylvatica, Dolygonum Fagopyrum, Spinacia oleracea und 
Raphanus Raphanistrum.? a 

Die Syncotylie ist eine erbliche Anomalie. Isolirt man die 


ı Ber. d. d. bot. Ges. Bd. XII, 1. ce. 
® Kruidkundig Jaarboek, 1. ce. S. 172—117. 


Hemisyneotylie, Syncotylie, Amphisymeotylie. 325 


zufällig gefundenen syncotylen Individuen, so wiederholt sich die Er- 
scheinung in ihren Nachkommen, z. B. bei Valeriana alba (1892: 3%), 
1893: 6°/,), Auch aus den Samen nicht-syneotyler Individuen der- 
selben Cultur kann sich die Syncotylie wiederholen, so z. B. bei Ama- 
rantus speciosus, Polygonum Convolvulus, Serophularia nodosa u. a.! Im 
Frühling 1894 pflanzte ich aus meiner tricotylen Mittelrasse von 


Fig. 61. Mercurialis annua. Ein Seitenzweig mit Zwangsdrehung. Alle Blätter der 
tordirten Strecke stehen auf einer Seite des Astes, 


Mercurialis annua, welche alljährlich an Syncotylen sehr reich ist, 
einige Syncotylen und Amphisyncotylen auf einem entfernten Beete 
aus. Es waren drei weibliche Pflanzen und einige männliche. Die 
getrennt gesammelten Samen enthielten 4, 19 und 24 °/, Syncotylen, 
unter denen Hemisyncotylen und Amphicotylen zu einem nicht 


1 Kruidkundig Jaarboek, 1. e. 8. 159. 


326 Kreuzuny syncotyler Rassen. 


unerheblichen Theile vertreten waren. Öhne Zweifel hätte ich aus 


dieser Mercurialis (mit 24 °/,), sowie von Centranthus (mit 37 °/,) und 
vielleicht auch für Pieris (8°/,) und Valeriana (6°/,) die syncotylen 
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Fig. 62. Coriandrum sativum. _4 ein blühender Zweig. B eine hemisyncotyle Keim- 
pflanze. C eine dieotyle Keimpflanze aus derselben Cultur, deren erstes Blatt in eine 
Ascidie umgebildet ist (1894.) 


Mittelrassen isoliren können. Die mit solchen Culturen verbundenen, 
zum wesentlichen Theile aus dem verzögerten Wachsthume der 
Plumula herrührenden Schwierigkeiten haben mich aber bestimmt, 
mich in dieser Richtung auf eine einzige Art, Helianthus annuus, zu 
beschränken. 


$ 27. Helianthus annuus syncotyleus.! | | 


Die syneotyle Mittelrasse der gewöhnlichen Sonnenblume habe 
ich bereits im Jahre 1887 aufgefunden und sofort isolirt. Seitdem 
eultivirte ich die Rasse während zehn Generationen, bis ich sie im 
Sommer 1897 zu meinen Kreuzungsversuchen verwandte. Sie hat 
sich dabei stets als äusserst variabel erwiesen, sowohl in dem Grade | 
der Verwachsung der Cotylen als in den Erbzahlen. Aber sie zeigte 
sich dabei andererseits als völlig constant und immutabel; trotz der 
angestrengtesten Zuchtwahl gelang es weder sie in eine höhere, | 


Dr | 


! Over de erfelykheid van Synfisen. Kruidkundig Jaarboek. Gent 1895. | 
S. 136—142 und Tafel IV. Vergl. auch ibid. Jahrgang 1894. 


Helianthus annuwus syncotyleus. 327 


z. B. von Atavisten freie Stufe, noch auch andererseits in die ent- 
sprechende Halbrasse überzuführen. Wir haben hier ein ebenso 
schönes Beispiel eines constanten, aber in den sichtbaren Erscheinungen 
völlig auf das Gebiet anderer Rassen übergreifenden, also trans- 
gressiv variablen Typus, als diesen uns die besten tricotylen Mittel- 
rassen dargeboten haben. Und ob es je gelingen wird, eine reine, 
wenig variable syncotyle Form herzustellen, welche nicht mehr Mittel- 
rasse ist, sondern sich zu dieser verhält wie z. B. die Aurea-Varietäten 
zu den bunten Pflanzen (vergl. Bd. I, S. 424), ist vorläufig noch 
völlig fraglich. 

Meine Rasse fand ich, wie gesagt, im Jahre 1887. Ich liess 
damals eine grössere Menge von im Tausch der botanischen Gärten 
erhaltenen Samen von Helianthus annuus keimen, fand unter 500 Keim- 
lingen 13 Syncotylen und pflanzte nur diese aus. Sie blühten zu- 
sammen, ihre Samen wurden aber für jedes Exemplar besonders 
geerntet, ausgesät und geprüft. Die Zählungen ergaben für 17 Proben 
1—15°/, und für eine einzige 19°/, syncotyle Keime. Die letztere 
Mutterpflanze hatte ihre Cotylen bis zum oberen Rande verwachsen; 
sie wurde als Stammpflanze für meine Rasse ausgewählt, indem nur 
von ihren Kindern ausgepflanzt wurde (1888). Und zwar nur völlig 
syncotyle Keime. 

Die Pflanzen blühten wieder zu gleicher Zeit und wurden von In- 
secten befruchtet; solches ist bei dieser Art, oder doch wenigstens bei 
meiner Rasse, unerlässlich, da isolirte Individuen, mit ihrem eigenen 
Staub künstlich oder durch Hummeln befruchtet, keine Samen ansetzen. 
Die Ernten wurden in allen späteren Generationen stets für jede Pflanze 
einzeln gesammelt und im nächsten Frühling unter einer Etiquette mit 
der Nummer der Mutter gesät und gemustert; ich erhielt in dieser Weise 
stets für jede einzelne Pflanze eine Erbzahl. Ich werde dieses somit 
fernerhin nicht jedesmal besonders erwähnen. Allerdings sind die 
Samen gross und viele Pflanzen liefern keine 300 Keimlinge; somit 
sind die Erbzahlen nicht überall so genau, wie man sie bei aus- 
giebigeren Ernten haben kann,! doch schliessen sie im Allgemeinen 
in den Gruppen so enge zusammen, dass diese Fehlerquelle nicht 
schwer in’s Gewicht fällt. 

Die Ernte von 1888 ergab sofort den Beweis, dass die Rasse 
durch die Wahl des vorigen Jahres rein erhalten war. Es trugen 
12 Pflanzen ausreichenden Samen; von ihnen hatten neun von 
80—35 °/, Syneotylen, während die drei übrigen Mütter deren 76, 


! Vergl. das erste Kapitel dieses Abschnittes, SS 3—4. S. 123. 


328 Kreuzung syneotyler Rassen. 


81 und 89°/, hatten. Und zwar auf 121, 275 und 128 Keimlingen. 
Die Pflanze mit S9°/, Erben wurde selbstverständlich zur Fortsetzung 
der Cultur gewählt. 

Daneben war es aber wichtig zu erfahren, ob man, falls es durch 
irgend einen Zufall diese drei hohen Zahlen nicht gegeben hätte, 
auch aus den übrigen Müttern zu demselben Ergebniss gekommen 
sein würde. Dazu machte ich also im Jahre 1890 eine Nebencultur, 
und wählte die syncotylen Keime einer Mutter mit 51°/, Erben. Sie 
gaben mir 23 Samenträger, deren Erbzahlen zwischen 24 und 91°/, 
ziemlich gleichmässig schwankten, und im Mittel etwa 55 °/, betrugen. 
Die vier höchsten Zahlen waren 77, 79, 84 und 91°/,.. Man kann 
also das Ziel auch auf einem Umwege erreichen, wie das folgende 
Schema auf den ersten Blick zeigt. 


Entstehung der syncotylen Mittelrasse von Helianthus annuus. 


Ernte von: 1887 1888 1889 
Erbzahlen der besten Mütter ' ee 
in Procenten ni 91 


Bringen wir diese Thatsache mit den für die tricotylen Rassen 
gefundenen Zahlen in Verbindung, so haben wir zunächst die Tabelle 
auf S. 281 zu vergleichen. In diese kann der Versuch mit Helianthus 
ohne Weiteres eingeschaltet werden; er bestätigt einerseits die dort 
gefundene grosse Aussicht, in den Erbzahlen der zweiten Generation 
eine solche von etwa 55°/, zu finden, zeigt aber ferner, dass diese 
auch übersprungen werden kann, indem, in glücklichem Fall, die 
zweite Generation sofort den hohen Werth von etwa S0—90 °/, ergeben 
kann, welcher dort in allen Versuchen erst auf den Mittelwerth von 
etwa 55°/, folgte. Ferner habe ich auf S. 304 einen Versuch mit 
Helichrysum bracteatum beschrieben, in welchem gleichfalls, bei Wieder- 
holung, auf einem Umwege und also mittelst mehrerer Generationen, 
dasselbe erreicht wurde wie in der Tabelle auf S. 281. Wir dürfen 
also folgern, dass die Isolirung einer syncotylen Rasse nach demselben 
Schema stattfindet, als diejenige einer tricotylen Mittelrasse. 

Die im ersten Bande S. 422 und sonst aufgestellten Sätze über 
die Isolirung von Mittelrassen, und die dabei auftretende scheinbare 
Steigerung der Variabilität, welche wir damals zur Erklärung unserer 
Isolirung des fünfblätterigen Rothklees sowie in anderen Fällen an- 
gewandt haben, finden hier ihren experimentellen Beweis. Die neue 
Rasse entfernt sich rasch vom Typus ihrer Art, aber nur deshalb, 
weil sie sich dadurch ihrem neuen Typus nähert. 


Helianthus annuus syneotyleus. 329 


In die Zahlengruppe auf voriger Seite ist auch eine Erbzahl 
für 1889 für die ersterwähnte Linie meiner Rasse aufgenommen 
worden. Es würde mich zu weit führen, diese und die weiteren 
Generationen einzeln zu beschreiben, da sie alljährlich, was ja bei 
Rassenculturen die Hauptsache ist, im derselben Weise behandelt 
wurden. Ich gebe deshalb erst den Stammbaum meiner ganzen Cultur. 


Helianthus annuus syneotyleus. 
Stammbaum der syncotylen Mittelrasse. 


Bei Selection der Individuen mit der höchsten Erbzahl. 


Erbzahlen in Procenten 


|19 | 25—40 48 | 53 58.11.632116851.73. 181283. | 83 ..93 1398 


9. Generation | ee ee 
1896 | er er Erg, RER 
8. Generation | ne! 7 3 
1895 I 
7. Generation 1 ro 1 | > Dr il 
1894 Sn See een 
6. Generation | Do /2 gas 6 95 
1892 | 7 
5. Generation ER: 
1891 | BZ Erw 
| | 
4. Generation 12 20 mo St 
1890 Fe | A A 
| | 
3. Generation 2 oo 150.202 1 
1889 ee ee ug 
2. Generation | 2 345580050 ee 1 
1888 |] Ei 
1. Generation 1 
1887 


In dieser Zusammenstellung findet man am Kopfe den pro- 
centischen Gehalt der Keimproben an Syncotylen derart angegeben, 
dass die einzelnen Zahlen zu kleinen Gruppen zusammengefügt sind. 
Es bedeutet somit 48 die Erbzahlen von 46—50°/,; 53 diejenigen 
von 51—55°/, u.s. w. Die senkrecht unterhalb dieser Zahlen befind- 
lichen Ziffern geben die Anzahl der Individuen mit dem betreffenden 
Erbwerthe für jede Generation an. Die Ausbuchtung des Bindezeichens 


390 Kreuxung syncotyler Rassen. 


unterhalb der Erbzahlen einer Generation deutet die Mutter an, 
d. h. die Pilanze, deren Kinder für diese Generation, unter Verwerfung 
aller anderen, ausgewählt wurden. 

Der Stammbaum zeigt, dass aus der Urpflanze mit 19 °/, Erben 
sofort eine Rasse mit 50—98 /, entstanden ist, und dass diese sich, 
bei alljährlicher Zuchtwahl, ziemlich constant erhalten hat. In den 
beiden ersten Generationen, welche auf die Urpflanze von 1887 folgten, 
kamen daneben noch niedrige Erbzahlen (25—50°/,) vor, seitdem 
aber nicht mehr. Die höchsten Werthe, welche in den einzelnen 
Jahren erreicht wurden, schwanken nur wenig, wohl nur innerhalb 
der bei ihrer Beurtheilung anzuwendenden Latitüde und der mög- 
lichen Einflüsse der einzelnen Jahrgänge. Diese Erbzahlen der all- 
jährlich ausgewählten Mütter waren: 


Ernte von: 1857 1885 1889 1890 1891 1892 1894 1895 1896 


Erbzahlen der Mutter- 


- 19 89 s1 94 97 98 86 93 82 
pflanzen in Procenten 


In einigen Jahren war die Mutter nicht gerade diejenige, welche 
den allerhöchsten Werth hatte; solches liegt daran, dass bei geringen 
Unterschieden in der Erbzahl das Gelingen der Cultur erfordert, dass 
man auch auf andere Umstände Rücksicht nimmt, und namentlich 
schwache Individuen, oder solche, welche zu spät blühen oder eine 
zu kleine Ernte tragen, oder endlich fasciirte Exemplare vermeidet. 

Die Wahl der Mutter muss ferner, in der Gruppe von guten 
Pflanzen mit etwa gleichen Erbzahlen, dem Zufall überlassen werden, 
da die Sonnenblumen zu gross sind und zu viel Raum beanspruchen, 
um durch Verdoppelung der Cultur nach dem Prineip der Gross- 
mutterwahl (vergl. S. 242) den Einfluss des Zufalls zu verringern. 
Wie man sieht, war ich meist glücklich in meiner Wahl, mit Aus- 
nahme des letzten Jahres, in welchem das Mittel von 85°, auf 
etwa 68°/, zurückging. 

Meine Rasse ist nicht als eine normale Mittelrasse, sondern als 
eine Hochzucht innerhalb dieser zu betrachten. Anstatt Mütter mit 
80— 90 °/, und darüber zu wählen, hätte ich auch stets die Pflanzen 
mit der mittleren Erbzahl der ganzen Gruppe zur Fortsetzung meiner 
Cultur nehmen können. Ich hätte dann eine nicht selectirte Rasse 
gehabt, und die Zahlenreihen der beiden ersten Generationen nach 
der Urpflanze deuten darauf hin, dass dieses Mittel etwa 55°/, be- 
tragen haben würde, was ja auch für trieotyle Mittelrassen annähernd 
der Mittelwerth ist. j 

Ebenso geben die im Stammbaume angeführten Zahlen kein 


Helianthus annuus syncolyleus. 331 


vollständiges Bild der ganzen Hochzuchtrasse. Denn jedes Jahr 
wurde nur von den allerbesten Erben die Erbzahl ermittelt. Dicotyle 
Keimlinge und solche mit in schwachem Grade verwachsenen Samen- 
lappen wurden ausgeschlossen, ebenso schwache Keimpflanzen. Hätte 
ich diese Auswahl nicht getroffen, so wären die mittleren Werthe 
selbstverständlich etwas geringer ausgefallen. Aber der Unterschied 
wäre kein sehr bedeutender gewesen, wie die beiden folgenden Para- 
graphen lehren werden. 

Die Aussicht auf eine reine syncotyle Nachkommenschaft, d.h. eine 
Ernte ohne dicotyle Keime, scheint in diesem Versuche eine sehr 
grosse zu sein. In 13 Einzelernten wurden 96 °/, und darüber erreicht. 
Doch täuscht der Schein. Nur einmal hatte ich eine ganz reine 
Ernte (100 °/,), und zwar bereits auf einer Pflanze von 1890, welche 
aber nur 105 keimende Samen gab. Und es liegt auf der Hand, 
dass, falls diese Ernte grösser ausgefallen wäre, auch noch wohl ein 
atavistischer Keim darunter gewesen wäre. Mit anderen Worten: die 
Selection führt die Rasse so dicht wie möglich an das höchste Ziel 
der Reinheit heran, ohne aber je dieses Ziel zu erreichen. Auch 
sieht man sofort aus der Tabelle, dass die Nachkommenschaft einer 
Pflanze mit 100°/, Erben doch wieder, wenigstens in vielen Exem- 
plaren, von dieser Höhe herabfallen würde. 

Pflanzt man von einem einzelnen Blüthenkopfe die sämmtlichen 
Samen aus, und zwar in Gruppen je nach dem Grade der Syncotylie, 
so ergiebt sich für diese nur ein geringer Unterschied. Atavisten 
und weniger als halbwegs verwachsene Keime geben im Mittel eine 
Nachkommenschaft von etwas geringerem Werth, aber nur, wenn man 
die Mittelzahlen vergleicht, keineswegs in Bezug auf die einzelnen 
Individuen. Mancher Atavist und mancher Hemicotyle hat einen 
höheren Erbwerth als die meisten guten Syncotylen. Und ob unter 
diesen letzteren die Verwachsung so völlig ist, dass am Gipfel keine 
Einbuchtung mehr gesehen wird, hat, so viel ich erfahren konnte, 
auf die Erbzahlen gar keinen Einfluss. Ebenso hatten die Störungen 
in der Blattstellung, welche oft auf die Syncotylie folgen ($ 26), keine 

Bedeutung als Selectionsmittel. Aber es wäre überflüssig, die be- 
treffenden Versuche vorzuführen. 

Die hemisyncotylen Keime sind stets seltener und oft viel seltener 
als die eigentlichen Syncotylen; unter diesen letzteren sind anderer- 
seits die höchsten Grade der Synfise wieder häufiger als die etwas 
geringeren, mit einer deutlichen Einbuchtung am Gipfel. Ich habe 
in den meisten Jahren die verschiedenen Grade der Syncotylie meiner 
Keime getrennt gezählt und aufgeschrieben; man erhält dann Zahlen, 


332 Kreuxung syneotyler Rassen. 


welche eine zweigipfelige Curve aufweisen, wie solche auch sonst für 
Anomalien, namentlich für Verbänderungen, gefunden werden.? Den 
einen Gipfel bilden die Atavisten, den anderen die besten Syncotylen. 
Von jenem fällt die Curve steil herunter, um mit zunehmendem Grade 
der Synfise allmählich zu steigen, während jenseits des Syncotylen- 
gipfels die sehr seltenen doppelseitig verwachsenen Amphicotylen 
(Fig. 55 C, D) einen wiederum steil absteigenden Schenkel bilden. Ich 
gebe in Fig. 63 eine solche Curve für die Ernte von 1889, welche 
2439 Keimlinge umfasst. Für die einzelnen Grade der Synfise sind 
die absoluten Zahlen der Keimpflanzen unterhalb der Figur an- 
gegeben. Die Gruppen sind selbst- 
verständlich willkürliche, doch würde 
eine andere Abgrenzung kaum den Lauf 
der Curve wesentlich verändern. Denn 
die nur mit den Stielen verwachsenen 
werden stets ein Minimum zwischen 
den beiden Gipfeln bilden. 

Betrachten wir die Zahlenreihen 
unseres Stammbaumes vom statistischen 
| Standpunkte, so sehen wir, dass sie im 
VER ET rn a : Allgemeinen asymmetrisch sind, d. h. 
233 20 23 57 1 5 226 634 ı8 dass die höchsten Werthe dem einen 
Fig.63. Helianthus annuus syneotyleus. Ende näher sind als dem anderen. 
Curve über den Grad der Syneotylie Der Höhepunkt ist in der Selections- 
in den Keimlingen der Ermte von : er : . 
18, a rien HB iS richtung verschoben, in allen Jahren mit 
— Stiele zur Hälfte bezw. ganz ver-- Ausnahme der ersten und des letzten. 
wachsen. !/, K, !J, R, "a = w#- Um diesen Einfluss besser kennen zu 
1 K = Keimblätter über '/, ihrer 25,83% 

Längeu.s.w.verwachsen. B=Becher- lernen, habe ich im Sommer 1890, neben 
cotylen oder Amphicotylen. der in der Tabelle auf S. 329 ange- 
führten Haupteultur, noch eine mehr 
umfangreiche gemacht. Ich pflanzte dazu von einer Mutter mit 
81°/, Erben etwa 60 Syncotylen aus; von ihnen gaben 55 eine aus- 
reichende Ernte. Die Erbzahlen sind in derselben Weise in Gruppen 
gebracht als im Stammbaum auf S. 329, und die Grössen der so 
erhaltenen Gruppen sind in Fig. 64 graphisch dargestellt und in der 
unteren Zeile in Zahlen angegeben worden. Die einseitige Form der 
Curve fällt sofort auf; die dieser Generation vorangegangene Selection 
war aber auf nur zwei Jahre beschränkt. 


ı Sur les cowrbes galtoniennes des monstruosites. Bull. scientif. de la France 


et de la Belgique. Publi& par A. Gıarv. T. XXVII, p. 396. Avril 1896. Vergl. 
namentlich die Curvenfigur auf S. 397. 


Eine hemisyncotyle Zuchtrasse. 399 


Vergleicht man diese Curve mit den Zahlengruppen der trico- 
tylen Halbrassen, so sieht man, dass sie nicht etwa das Spiegel- 
bild von jenen ist. Beide gipfeln allerdings auf oder in der Nähe 
des Endpunktes der Abscissenlinie, aber der längere Schenkel reicht 
dort, trotz Plus-Selection, nur selten bis etwa 25 °/, (Serophularia), 
meist viel weniger weit (Tabelle S. 247). Hier aber reicht der längere 
Schenkel bis fast zur Mitte (etwa 60°/,), und solches trotz der 
Selection der höchsten Erbzahlen und der besten Syncotylen. Wäre 
die Seleetion hier, wie dort, nach der Mitte der Abseissenlinie ge- 


nu 
[er 
wo 
® 


ZT En Te 
1 0 7 4 5 15 24 sInd. 


Fig. 64. Helianthus annuus syneotyleus. Curve der Erbzahlen von 55 syncotylen Kin- 
dern einer Mutter mit 81°/, Erben. (Cultur 1890.) Als Typus einer Selecetionscurve. 


richtet, so würde der Schweif offenbar viel länger geworden sein. Wie 
man sieht, ist die Mittelrasse für die Selection, wie wohl stets, in 
viel höherem Grade empfindlich als die Halbrasse. 


S 28. Eine hemisyncotyle Zuchtrasse. 


Wie die Tricotylie betrachte ich die Syncotylie als eine einzige 
elementare Eigenschaft, deren Aeusserung der fluctuirenden Varia- 
bilität unterworfen ist. Völlig verwachsene Cotylen, wie sie sich am 
häufigsten zeigen (vergl. Fig. 63), sind dann die normale oder typische 
Gestalt, während die geringeren Grade der Verwachsung und die zwei- 
seitigen Vereinigungen die Minus- und die Plus-Varianten derselben 
Reihe bilden. 


334 Kreuzung synecotyler Rassen. 


Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Mutationslehre, die 
verschiedenen Aeusserungen derselben elementaren Eigenschaft in 
jedem einzelnen Falle zusammenzusuchen. Oft leuchtet die Ent- 
scheidung sofort ein, oft dürfte sie nur durch die unmittelbare Be- 
obachtung des Mutationsvorganges selbst zu erreichen sein. Doch ist 
die Frage offenbar eine fundamentale, denn unsere ganze Auffassung 
von den gegenseitigen Verwandtschaften muss darauf beruhen, sowohl 
in der Lehre von den Arten, als in jener von den Bastarden. Ueberall 
ist somit nach Methoden zu suchen, welche zur Lösung dieser Frage 
führen können. 

In Bezug auf den vorliegenden Fall spitzt sich die Aufgabe 
folgendermaassen zu. Sind die Hemisyncotylen und die Amphicotylen 
Vertreter besonderer elementarer Eigenschaften, so lässt sich erwarten, 
dass man die entsprechenden Rassen würde isoliren können. Die 
Amphicotylen sind allerdings zu selten und wegen der Störung im 
Wachsthum der Plumula zu schwierig zu cultiviren, um eine genügende 
Aussicht zu geben; die Hemisyncotylen eignen sich aber gerade 
sehr gut zu einem solchen Isolirungsversuche. Was man dabei 
erwarten darf, lehren uns die Erfahrungen mit den tricotylen Rassen. 
Denn offenbar muss entweder eine Halbrasse oder eine Mittelrasse 
entstehen können, falls die Hemisyncotylie wirklich für sich be- 
stehen kann. ; 

Ist aber eine solche Isolirung nicht möglich, und sind die Hemi- 
syneotylen nur Minus-Varianten der syncotylen Mittelrasse, so wird 
die Wahl der Hemisyneotylen offenbar nur diese Rasse erhalten und 
sie nur ein wenig nach der Minus-Seite ablenken. Man wird dann 
eine Zucht erwarten, welche von der richtigen syncotylen Mittelrasse 
nicht wesentlich, sondern nur durch eine geringe Verschiebung des 
Mittelwerthes abweicht. In diesem Falle werden die Hemisyncotylen 
durch die Zuchtwahl etwas vermehrt werden, nicht aber bis zum Aus-- 
schluss der Syncotylen selbst. j 

Es scheint mir aus der gegebenen Auseinandersetzung klar 
hervorzugehen, dass man den experimentellen Beweis, dass die 
Hemisyncotylen Minus-Varianten der Syncotylen sind, durch 
einen entsprechenden Zuchtversuch erbringen kann. Zu diesem Zweck 
habe ich im Jahre 1890 einen Nebenzweig des S. 329 dargestellten 
Stammbaumes angefangen, indem ich alljährlich nur hemisyneotyle- 
Pflanzen als Samenträger auswählte. Diesen Versuch habe ich in 
derselben Weise während sieben Generationen fortgesetzt, und das 
Ergebniss war, wie man sehen wird, eine Bestätigung des soeben | 
ausgesprochenen Satzes. | 


Eine hemisyncotyle Zuchtrasse. 39d 


Dieser Versuch wurde in einem anderen Garten angestellt als 
die syncotylen Culturen, sonst aber genau in derselben Weise durch- 
geführt. In den Keimproben wurden stets die Hemisyncotylen und 
die echten Syncotylen besonders gezählt, es wurde somit für jeden 
Samenträger eine doppelte Erbzahl erhalten. Für die Auswahl der 
auszupflanzenden Individuen wurden anfangs zwei, später jährlich 
nur eine Mutter gewählt, und zwar nur nach dem Gehalte ihrer 
Samen an Hemisyncotylen, d. h. dass stets jene Mütter genommen 
wurden, welche den höchsten procentischen Gehalt an hemisyncotylen 
Kindern hatten, unabhängig von ihrem etwaigen Gehalt an Syneotylen. 

Ich gebe jetzt die Erbzahlen dieser ausgewählten Mütter für die 
einzelnen Generationen in tabellarischer Form. (Tabelle S. 336.) 

In dieser Tabelle ist für jede auserlesene Mutter der Grad der 
Synfise der Cotylen angewiesen. Dieser war, wo immer möglich, '/,, 
d. h. die Samenlappen waren bis zur halben Höhe zwischen dem 
oberen Ende des Stieles und ihren eigenen Gipfeln verwachsen. In 
den ersten Jahren beruhte dieses mehr oder weniger auf dem Zufall, 
auch hatte in der Ernte von 1890 eme Pflanze mit weniger hoch 
verwachsenen Cotylen die beste Erbzahl. Später habe ich nur halb- 
wegs verwachsene Keimpflanzen ausgesetzt und also nur von solchen 
die Erbzahlen ermittelt. 

Die erste Zeile der Tabelle (1389) bezieht sich auf das Exemplar 
der syncotylen Rasse (S. 329), deren Kinder den Ausgangspunkt für 
diese Nebencultur bildeten. Die Wahl und das Auspflanzen von 
hemisyncotylen Keimen haben plötzlich den Gehalt an letzteren erhöht, 
und denjenigen an echten Syncotylen entsprechend herabgesetzt. Aber 
nur vorübergehend. In der Ernte von 1891 sind beide niedrig ge- 
worden, und von da an hat die Auslese mit geringen Schwankungen 
sowohl die Anzahl der Hemisyncotylen als auch jene der Syncotylen 
selbst allmählich erhöht. Für die letzte Ernte (1896) sind die Zahlen 
der Pflanze mit den meisten Hemisyncotylen angegeben. Die ganze 
Ernte hatte aber im Mittel 29°/, Hemisyncotylen und 31°/, Syneotylen. 

Man gelangt also durch siebenjährige Auslese der an 
Hemisyncotylen reichsten Samenträger und der hemisyn- 
cotylen Keime zu keiner auch nur annähernd reinen hemi- 
syncotylen Rasse. Trotz des unvermeidlichen Schwankens 
der Zahlen bleiben die Syncotylen vorhanden, und zwar in 
nicht geringerer Anzahl als der halbe Typus. Und bedenkt man, 
wie viele Grade der Synfise dieser letztere noch umfasst, gegenüber 
der einheitlichen Gruppe der echten Syneotylen, so fällt die Zahl 
der letzteren noch schwerer in’s Gewicht. 


336 a euxung syacotyler Rassen. 


Im Sen auf $. 337 habe ® den ganzen Verlauf dieser 
Cultur übersichtlich N Ich habe hier nur die Summen 
der Hemisyn- und Syncotylen berücksichtigt, da aber im Grossen 
und Ganzen stets etwa die Hälfte dieser Erbzahlen auf die Hemi- 
syncotylen fiel. würde der Stammbaum für diese allein nicht wesent- 
lich anders ausfallen, nur hätte man selbstverständlich die Procent- 
zahlen am Kopfe der Tabelle zu halbiren. Diese Procentzahlen sind, wie 
üblich, die Mittel aus Gruppen, welche hier die Einzelwerthe zwischen 
1—9, 10—19, 20—29, 30—39 u. s. w. umfassen. Die Zahlen, welche 
für die einzelnen Generationen angegeben sind, bedeuten die Anzahl 


Hemisyneotyle Zuchtrasse. 


Erbzahlen der für die Fortsetzung der Rasse ausgewählten 


Samenträger. 
Aus der Der Bar Grad der Synfseh 
Ernte von Hemi- Syn: \ Summe |) der Cotylen 
syneotylen cotylen | I t 
1559 5 | 16 s1 1, 
1890 40 | 36 76 a 
1891 15 15 | 30. 1); 
1892 20 20 | 40 1), 
1893 28 27 55 1; | 
1894 31 BP) 56 1 
1895 34 35 | 69 | 1), 
1896 | 37 30 67 | = 


der Individuen, deren Erbwerth zu der senkrecht oberhalb eingetragenen 
Gruppe gehörte. Die Ausbuchtungen der Bindezeichen weisen die aus 
gewählten Mütter der vorigen Generation an, und entsprechen somit 
den „Summen“ in der Tabelle auf dieser Seite. 
Als Hauptergebniss dieses Stammbaumes ersieht man sofort, dass. 
die Auslese der Hemisyncotylen die Rasse weder nach der einen noch 
nach der anderen Seite züchtet. Die einzelnen Generationen schwanken, 
wenn man die a von 1890 nicht mitrechnet, um einen Mittel-- 
werth, der von 55°/, nicht wesentlich abweicht, und also mit dem 
gewöhnlichen ee Gehalt der tricotylen Mittelrassen an Erben 
ausreichend übereinstimmt. Mit anderen Worten: die Wahl der 
Hemisyncotylen giebt eine syncotyle Rasse von etwa 
mittlerem Werthe. Und vergleicht man die einzelnen Gene- 
rationen dieser Rasse mit der syncotylen Rasse (Tabelle S. 329), “ 


e 
y 
f 
| 


Atavistische Zuchtrassen. 337 


findet man fast stets ein Schwanken innerhalb bedeutend weiterer 
Grenzen. 

Somit sind die Hemisyncotylen nur Minus-Varianten 
der syncotylen Rasse. 


Hemisyneotyle Zuchtrasse. 


Stammbaum über die Summen der hemisyncotylen und 
syncotylen Keime. 


7. Generation | 1 3 2 10 3 


1896 BREMER FE Dr 
6. Generation | 1 6 7 3 
1395 gr Zen 
5. Generation | 3 4 3 1 3 3 
1894 pe ae 2 
4. Generation 1 5 2 3 2 2 
1893 AT ae ee (ae eye 
3. Generation. 3 4 3 5 2 
1892 EEE 
2. Generation 3 5 4 5 4 5 1 
| [1 [nn 
1891 | 
1. Generation | 1 1 7 3 4 
1890 | rE Termin v 
Syneotyle Rasse | 1 


18839 


$ 29. Atavistische Zuchtrassen. 


Obgleich die atavistischen Exemplare des Helianthus annuus syn- 
cotyleus völlig den normalen Keimlingen der gewöhnlichen Sonnen- 
blumen gleichen, so bleiben sie doch der syncotylen Rasse angehörig 
und verlassen diese nicht. Sie sind in Bezug auf ihre sichtbaren 
Eigenschaften Aberranten, in Bezug auf ihre Nachkommenschaft aber 
einfach die extremen Minus-Varianten. Aber auch letzteres gilt nur 
im Mittel und nicht für die einzelnen Atavisten, deren Erbzahlen oft 
denen der besten syncotylen Erben ganz nahekommen, und wenigstens 
das Mittel der Rasse nicht selten überschreiten. 

Wäre die Mittelrasse nicht rein, so würde man selbstverständlich 

DE VRIES, Mutation. II. 22 


338 . Kreuxung syncotyler Rassen. 


die entsprechende Halbrasse aus ihr noch isoliren können. Nachdem 
sie aber einmal durch Auslese gereinigt war, war solches nicht mehr 
möglich. Ebenso wenig, wie man durch Selection eine tricotyle 
Halbrasse in eine Mittelrasse umwandeln kann (vergl. Amarantus und 
Serophularia S. 251 und 258), kann man auch eine syncotyle Mittelrasse 
zu einer Halbrasse umzüchten. Ich habe in den Jahren 1890, 1891, 
1592 und 1894 umfangreiche Culturen von Atavisten, theils aus 
meiner syncotylen, theils aus meiner hemisyncotylen Zuchtrasse 
gemacht, und die Erbzahlen durch eine oder durch zwei Generationen 
bestimmt. Man erhält dann keine Öurven mit einseitig verschobenem 
Gipfel, sondern im Gegentheil ganz flache, sich über die ganze Länge 
der Abseissenlinie erstreckende. So erhielt ich z. B. für ein Dutzend 
Atavisten aus den Samen des für die syncotyle Rasse auserwählten Samen- 
trägers von 1890 die folgenden procentischen Anzahlen von Syncotylen: 


19485 54 56° 62 685, 69°" 79 8307 SEE 


Vergleicht man diese Reihe mit dem S. 329 gegebenen Stamm- 
baum und namentlich mit den dort verzeichneten Zahlen für 1890 
und die späteren Jahre, so fallen eigentlich nur die beiden ersteren 
Ziffern, 19 und 48°/,, ausserhalb der Gruppe der Erbzahlen für die 
syncotylen Kinder der auserwählten Samenträger. 

Eine durch mehrere Generationen fortgesetzte "Auslese von Ata- 
visten als Samenträger und eine Wahl unter ihnen von den Exem- 
plaren mit dem geringsten procentischen Gehalt an Syncotylen führt 
selbstverständlich den Mittelwerth einer solchen Rasse abwärts, aber 
keineswegs so, dass man von einer Fortsetzung die Erzeugung einer 
Halbrasse würde erwarten können. Ich habe im Sommer 1894 einen 
solchen Versuch angefangen, und zwar aus den Samen der Ernte 
von 1892. Ich wählte ein Exemplar aus meiner syncotylen Rasse 
(S. 329), welches 92°/, Erben und also nur 8°/, Atavisten hatte, und 
pflanzte nur diese letzteren aus. Seitdem cultivirte ich die Rasse jähr- 
lich an einer isolirten Stelle, und pflanzte jedesmal nur Keimlinge 
von derjenigen Mutter aus, welche die meisten Atavisten unter ihren 
Kindern hatte. Unter diesen wählte ich dann wieder nur die reinen 
dicotylen Keimlinge. 

Für jedes Exemplar ermittelte ich die Erbzahl, brachte diese 
dann aber in der üblichen Weise zu Gruppen zusammen. Am Kopfe 
des Stammbaumes S. 339 findet man die Mittelzahlen aus diesen 
Gruppen (5 = 1—9; 15 = 10—19 u. s. w.), und senkrecht unterhalb 
dieser Zahlen die entsprechenden Anzahlen von Individuen. Die Zahlen 
am Kopfe geben also den procentischen Gehalt an Syncotylen an; der 


Atavistische Zuchtrassen. 339 


Stammbaum ist ohne Weiteres vergleichbar mit denen auf S. 329 
und S. 337. Die Bindezeichen weisen für jeden Jahrgang die gewählte 
Mutter an. 
Helianthus annuus hemisyneotylus. 
Atavistische Zuchtrasse. 


5 15 | 95.1350, 45. 105521165 75 85..| 95 
een oe ar ren 9 9 
1897 Zen, 
| 
3. Generation | 7 5 8 1 2 
1896 | a 
2. Generation | 1 0 Be 
1895 FT 
1. Generation | 2 1 3 
1894 | a ne 
Syncotyle Rasse 1 
1892 


Man sieht, dass die Minus-Selection richtig als Retour-Selection 
gewirkt hat. Die Extremen und das Mittel haben regelmässig ab- 
genommen. Der Versuch entspricht genau dem Züchtungsversuche 
des Mais, der im ersten Bande auf S. 53 in Fig. 18 abgebildet wurde, 
mit der Ausnahme, dass die Abweichung vom Anfangswerthe hier in 
dem entgegengesetzten Sinne stattfand. Dagegen ist die Bedeutung 
des Stammbaumes hier eine ganz andere als diejenige der syncotylen 
Hauptrasse (S. 329). Dort fanden wir einen plötzlichen Uebergang 
von 19°/, bis etwa 88°/, in der ersten Generation, und seitdem ein 
Hin- und Herschwanken um den einmal erreichten Werth, hier aber 
einen regelmässigen Rückschritt, der den Mittelwerth von etwa 90%, 
auf etwa 50—55°/, verlegt hat. Dieser Werth entspricht jenem 
einer selectionslosen Mittelrasse, namentlich bei den Tricotylen, und 
ist auch derjenige, der in der hemisyncotylen Cultur (S. 337) ungefähr 
erreicht wurde. Aber es unterliegt keinem Zweifel, dass bei weiterer 
Auslese in der Minus-Richtung der Gehalt meiner Rasse an Syncotylen 
noch über dieses Mittel hinunter gekommen sein würde, 

Nach viermaliger Minus-Zuchtwahl enthält die Rasse 
noch Individuen mit 65—75°/, syncotylen Erben, könnte also 
wohl in einer oder zwei Generationen auf den Höhepunkt der ursprüng- 
lichen Rasse zurückgeführt werden. Sie ist somit noch weit davon 
entfernt, einer Halbrasse auch nur ähnlich zu sein. 

22* 


340 


Kreuxung syncotyler Rassen. 


Wie weit die Auslese es im vorliegenden Falle im Laufe der 
Jahre würde bringen können, lässt sich selbstverständlich nur ableiten. 
Zur Fortsetzung des Versuches eignet sich aber die Sonnenblume 
nicht, weil die Gefahr zu gross wird, dass aus entfernten Gärten 
einzelne Pollenkörner der gewöhnlichen Sorte von Imsecten über- 
gebracht würden. Denn fast unvermeidlich würde dann die Selection 
die so entstandenen Keime aus- 
wählen und eine Halbrasse er- 
geben, welche dann aber kein 
Züchtungs-, sondern ein Kreu- 
zungsprodukt sein würde. Und 
die künstliche Befruchtung stösst 
Sonnenblumen auf grosse 
Schwierigkeiten. 


Fig. 65. Helianthus annuus syncotyleus. . 
Hemisyncotyle Keimpflanzen in verschie- bei 
denen Graden der Verwachsung der Samen- 
lappen. a, b geringe, c, d stärkere Synfise. 


S 30. Einfluss der Lebenslage auf 
die Erbzahlen. 


Bei meinen Culturen habe ich 


Zählen der Keimlinge in den Keim- 
schüsseln ausgewählt waren, ein- 
zeln in Töpfe mit stark gedüngter 
Erde versetzt, aus denen sie im 
Juni auf die Beete kamen. Hier 
standen die Pflanzen im Ent- 


die Pflanzen, nachdem sie beim 


Fig. 66. Helianthus annwus syncotyleus. 
1—7 Verwachsene Keimblätter je einer 
Pflanze. At ein atavistisches, normales 
Keimblatt. 1,2 Einfach zusammengelegte 
Syneotylen, deren Querschnitt in a dar- 
gestellt ist. 3, 4 Doppelt gefaltete Syn- 
cotylen, dreigipfelig; Querschnitt in 4a. 
5 Mit sehr geringer Ausbuchtung an der 
Spitze. 6,7 Ohne Ausbuchtung, 6 ein- 


n2 


nervig, 7 zweinervig. 


War der Samen reif, so schnitt ich das ganze Köpfchen ab, um 


fernungen von über 1/, Meter. 
Sobald sich Achselknospen zeigten, 
wurden diese ausgebrochen, indem 
nur das endständige Köpfchen zur 
Blüthe gelangen sollte. Die Be- 
fruchtung überliess ich den In- 
secten; ohne Kreuzung bilden 
meine Sonnenblumen keine Samen. 


nachher die Samen zu entnehmen und zu reinigen. 
Es fragt sich nun, ob diese Art der Öultur einen merklichen Ein- 
fluss auf den Gehalt an Syncotylen, d. h. also auf die Erbzahlen haben 


kann. 


Um diese Frage zu beantworten, habe ich in vielen Jahren 


Nebenculturen, am liebsten mit von der Hauptcultur nicht wesentlich 


abweichenden Keimen, angestellt. 


Diese haben aber fast stets nur 


Einfluss der Lebenslage auf die Erbzahlen. 341 


geringe Abweichungen gegeben, und wo sich ausnahmsweise grössere 
vorfanden, blieb deren Ursache zweifelhaft. Im Allgemeinen kann 
man behaupten, dass günstige Bedingungen die Erbzahlen etwas 
erhöhen, aber innerhalb der ziemlich engen Grenzen der Gartencultur 
unserer Pflanze nur in unbedeutendem Maasse. 

Im Jahre 1892 und sonst erntete ich auch die Samen der Köpf- 
chen der Seitenzweige; sowohl die Köpfchen wie die Früchtchen sind 
hier etwas kleiner als am Gipfel des Hauptstammes, und dement- 
sprechend enthielten sie etwas weniger Syncotylen, aber nur im Ver- 


Fig. 67. Helianthus annuus syncotyleus. Die ersten Blätter syncotyler Keimpflanzen. 

A Ein Blatt des ersten Paares dreigabelig, oberhalb des Syneotyls. B Zweigabeliges 

Blatt, dem Syncotyl entgegengesetzt. € Zweigabeliges Blatt oberhalb des ersten 
Blattwirtels. 


hältniss von 87 : 80 °/, im Mittel für je etwa 12 Pflanzen. Erntet man 
die Samen einer einzelnen Inflorescenz in drei Abtheilungen, indem 
man die äusseren und inneren von dem mittleren Kreise trennt, so 
enthalten die ersteren häufig etwas mehr Syncotylen, denn in der 
Mitte des Köpfchens pflegen die Früchte schwächer zu sein. Ich habe 
dann von jeder dieser drei Gruppen die besten Keime blühen und 
Früchte tragen lassen, fand aber in ihren Erbzahlen den Unterschied 
nicht zurück. Eine bessere Cultur in der Jugend hat einen geringen 
Einfluss in positiver Richtung, wie es scheint; ein dichterer Stand 
im späteren Leben, ja sogar eine theilweise Entblätterung während 


342 Kreuxung syncotyler Rassen. 


der Blüthe übten keinen merklichen Einfluss aus (1891). Sogar eine 
Cultur auf gutem Sandboden statt in Gartenerde änderte das Mittel 
der Erbzahlen nicht (1892). 

Bisweilen fand ich auffallende Ausnahmen, so z. B. im Jahre 1891, 
als in meiner Haupteultur drei Pflanzen kurze Zeit nach der Blüthe 
durch die Peziza erkrankten und abstarben, 
als erst ein Theil der Samen gereift war. 
Diese drei gaben dann die drei niedrigsten 
Erbzahlen der ganzen Gruppe (76, 84 und 
85 °/,, sonst 86—99°/,). Aber vielleicht 
waren es eben die schwächsten Exemplare, 
welche der Krankheit anheimfielen. 


S 31. Kreuzungsversuche. 


Für Kreuzungsversuche ist Helianthus 
annuus leider sehr ungeeignet, d. h. für 
solche, bei denen es sich nicht um ein- 
zelne Samen, sondern um Ernten von 
wenigstens 100—200 Samen pro Köpfchen 
handelt. Da es aber keine in dieser Hin- 
sicht besser ausgestattete syncotyle Mittel- 


Helianthus 


Fig. 68. annuus 
syncotyleus. A und B Keim- 
pflanzen, deren Plumula sich 
im Laufe mehrerer Wochen 


nicht entwickelt hat. Syncotyl 
abnormal vergrössert. C Amphi- 
syncotyle oder bechercotyle 
Pflanze, gleichfallsmit misslun- 


rasse giebt, so musste ich diese wohl nehmen. 
Glücklicher Weise giebt die Sonnenblume mit 
dem eigenen Blüthenstaub keine oder doch 


gener Ausbildung des Stengel. nur sehr wenige keimfähige Samen; die 
Früchte wachsen zwar sehr schön heran, 
und das Köpfchen sieht aus, als ob die Befruchtung völlig gelungen 
wäre; aber die Früchte sind im Innern leer.! Isolirte Pflanzen 
tragen, auch wenn sie von Hummeln befruchtet werden, meist keine 
Samen. Ebenso fand ich bei künstlicher Befruchtung meist nur leere 
Früchte, bisweilen einen Keim auf 6 Cem. Samen. Ich habe meine 
Pflanzen in Pergaminbeuteln blühen lassen und sie so vor dem 
Besuch der Insecten geschützt. In diesen Beuteln sammelt sich der 
Pollen und kann herausgenommen werden, um mit einem Pinsel auf 
die Narben einer anderen Pflanze ausgestreut zu werden. Ich benutzte 
für jede einzelne Kreuzung einen besonderen Pinsel, der im Beutel 
aufbewahrt wurde, fand aber, dass die Bestäubung noch zweckmässiger 


! Auch andere Compositen sind mit dem eigenen Blüthenstaub steril, so 
z. B. die eultivirte Cineraria eruenta, vergl. Iewın Lynch in Journ. Roy. Hort. 
Soc. Vol. XXIV. April 1900. p. 270. 


Kreuzungsversuche. 343 


sich mit der Hand ausführen lässt; die Menge des Blüthenstaubes 
ist dazu ausreichend gross. Es wurden jedesmal zwei Individuen für 
gegenseitige Kreuzung bestimmt und dazu mit einer entsprechenden 
Nummer belegt; nie erhielt eine Pflanze Staub von mehr als einem 
anderen Individuum, auch wenn das künstliche Ueberbringen an vielen 
Tagen hinter einander zu geschehen hatte. 

Für die Kreuzung mit meiner Rasse wählte ich Helianthus annuus 
giganteus. Die Pflanzen wuchsen bis über 2 Meter Höhe, während 
meine Rasse nur 1-5 Meter erreicht. Die Köpfchen des giganteus 
sind bedeutend grösser und fangen etwas später zu blühen an, wo- 
durch die ersten Individuen meiner Rasse und die spätesten des 
giganteus für die Kreuzung verloren gehen. Die Früchte sind dunkler 
schwarz und mehr glänzend als bei meiner Sorte. 

Die Kreuzung fand im Sommer 1897 statt. Zur Beurtheilung 
des H. annuus giganteus befruchtete ich einige Exemplare untereinander; 
sie gaben auf 330 Keimpflanzen nur einen Syncotylen. Die übrigen 
Exemplare des Beetes wurden jedes mit einem besonderen Individuum 
meiner Rasse gekreuzt; diese waren syncotyle Kinder einer Mutter 
mit 84°/, Erben. Auch von ihnen habe ich einige zur Controle 
rein befruchtet und erhielt Erbzahlen von 70—86 /,. Die Kreuzung 
fand immer m der Weise zwischen zwei Köpfchen statt, dass der 
Pollen von dem einen auf die Narben des anderen gebracht wurde 
und umgekehrt. Es wurde also jedesmal eine Pflanze meiner Rasse 
mit dem H. giganteus und ein giganteus mit der syncotylen Mittelrasse 
befruchtet. Der Erfolg der Kreuzung war meist ein genügender, 
obgleich auch hier viel taube Körner zwischen den guten lagen. Im 
Mittel erhielt ich sowohl auf der neuen als auf der alten Sorte etwa 
150 Keimlinge pro Köpfchen. 

Die mit der Halbrasse befruchteten syncotylen Mütter gaben 
8 Erbzahlen, welche zwischen 9 und 17 °/, lagen, und einzelne höhere, 
bei denen aber die Mitwirkung von nichtgekreuzten Samen zu be- 
fürchten war. Jedenfalls waren aber die Erbzahlen durch die Kreuzung 
ganz auffallend herabgesetzt. Die Pflanzen der Halbrasse gaben bei 
der Befruchtung mit der Mittelrasse Erbzahlen von 0—1, in einem 
Falle auf 190 Keimen von 2°/,.. Das Ergebniss stimmte also völlig 
mit demjenigen der tricotylen Kreuzungsversuche überein. Es ist anzu- 
nehmen, dass auf vielen Köpfchen zwischen den gekreuzten Keimen 
auch einzelne selbstbefruchtete vorkamen, aber auf das Hauptresultat 
hat dieses offenbar keinen Einfluss; ebenso wenig aber auf den 
weiteren Verlauf des Versuches, da sie von selbst durch die Selection 
eliminirt werden. 


344 Kreuxung synecotyler Rassen. 


Für diese Fortsetzung habe ich nur Keime gewählt, welche den 
giganteus, also die Halbrasse, zur Mutter hatten. Es wurden alle 
erhältlichen syncotylen Keime ausgepflanzt, und da diese nur 
13 Pflanzen lieferten, daneben noch 27 dicotyle Keimlinge, und zwar 
von drei Müttern mit 0, 1 und 2°/, Syneotylen. Die Cultur und 
die Ernte fanden in derselben Weise statt wie sonst. Die Erbzahlen 
schwankten für die Syncotylen von 1—45°/,, für die Dicotylen von 
1—28°/,, wichen aber sonst nicht wesentlich von einander ab (Mittel 
etwa 15 und 10°/,) und werden deshalb in der Tabelle als einheit- 
liche Reihe aufgeführt. 

Im nächsten Jahre (1899) wurden nur syncotyle Keimpflanzen 
ausgepflanzt, und zwar ausschliesslich von derjenigen Mutter, welche 
deren die meisten (45 °/,) gehabt hatte. Nach den Erfahrungen bei 
den Tricotylen war die Erwartung berechtigt, dass sich hieraus die 
syncotyle Mittelrasse wieder würde erreichen lassen, wenn auch diese 
Mutter wegen des Mangels an Selbstbefruchtung in 1898 theilweise 
unrein befruchtet sein könnte und somit das Vorkommen von Bastarden 
unter ihren Kindern in 1899 zu erwarten war. Die im Frühling 1900 
ermittelten Erbzahlen bestätigten dieses Ergebniss, denn sie zeigten, 
dass von den 48 Samenträgern die Hälfte Erbzahlen aufwies, welche 
als zu der Mittelrasse gehörig angesehen werden können, während 
daneben doch auch noch bis etwa 5°/, herabsteigende Bastardzahlen 
gefunden wurden. 

Ich stelle jetzt den Verlauf des Versuches in einer Tabelle 
zusammen. Am Kopfe der Spalten stehen die procentischen Erb- 
zahlen, und darunter die Anzahlen der Individuen, welche diese auf- 
wiesen. M und V sind Mutter und Vater der Kreuzung, S die un- 
mittelbar daraus entstandenen Samen, theils (16 Ind. mit etwa 1°/,) 
M x V, theils aus der reciproken Kreuzung hervorgegangen. Mit 
einem Sternchen ist die jedesmalige Mutter für die nächste Gene- 
ration ausgezeichnet worden. 


Kreuzung von Helianthus annuus syneotyleus mit Helianthus 
annuus giganteus. 


1 5 |10|15|20| 25|0|35 [40 |45 | 5055 606570 15150 5 


x IM | | % 
Ss I16* 0 | 4| 4 

1. Generation 218 12.178, 3871,0.1,3 11210 17 

2. # 1ojı]2ja/ıj2|7jelı a  -- 


Kreussungsversuche. 345 


Die Tabelle zeigt, dass sich die syncotyle Mittelrasse der 
Sonnenblume, bei der Kreuzung mit einer syncotylen Halb- 
rasse, genau so verhält wie bei den entsprechenden Kreu- 
zungen die tricotylen Rassen. Die ganze Versuchsreihe mit 
Helianthus kann als eine Bestätigung und Erweiterung der Versuche 
mit den Tricotylen betrachtet werden. Andererseits eröffnet die Ueber- 
einstimmung dieser einander in morphologischer Hinsicht gerade ent- 
gegengesetzten Anomalien die Aussicht, dass auch andere Anomalien, 
wie z. B. Fasciation und Zwangsdrehung, sich bei Kreuzungen in 
derselben Weise verhalten werden. 

Es erübrigt also nur noch zu zeigen, dass die in $ 24 auf S. 309 
in Anwendung gebrachte Methode auch hier lehrt, dass die Zusammen- 
setzung der zweiten Generation (d. h. also der Samen der ersten 
Generation) diejenige ist, welche sich nach dem Mexper’schen 
Spaltungsgesetze berechnen lässt. Wir haben dazu die folgende 
Berechnung: 


25°, Ex. der Halbrasse mit 0—1°/,, 

50 „ Bastarde mit 1—2°/,, 

25 „ Ex. der Mittelrasse mit im Mittel 50 °/, 
(Mütter des Versuches 70—86 °/,). 


Hieraus findet man für den mittleren Gehalt an Syncotylen in 
der zweiten Generation (Samen der ersten Generation): 


Berechnet Gefunden 


13-75 °/, 15 °/, aus Samen syncotyler Mütter 
10 „ dicotyler > 


Für die Mittelrasse wird eine mittlere Erbzahl von 50 °/, dieser 
Berechnung zu Grunde gelegt. Man kann auch die Erbzahlen der 
Mütter, 70—86 °/,, im Mittel 78°/,, unter Berücksichtigung des Re- 
gressionsgesetzes wählen oder !/, (7S—50) + 50 =59°/,, und erhält 
dann etwa 16°/,, eine Zahl, welche noch keine Abweichung vom 
gefundenen Werthe erkennen lässt. 

Die Kreuzung von Halb- und Mittelrassen fügt sich 
somit auch bei Syncotylen den Menxveu’schen Gesetzen. 


346 Kreuzungen stark variabler Eigenschaften. 


VI. Kreuzungen stark variabler Eigenschaften. 


$ 32. Kreuzungen von Halb- und Mittelrassen, 


Im letzten Abschnitt des ersten Bandes haben wir unter den 
Gartenvarietäten den Unterschied zwischen den constanten und den 
stark variablen Formen hervorgehoben. Die ersteren, zu denen 
viele bekannte, durch Verlust oder Latenz einer Eigenschaft ent- 
standene Sorten uns Beispiele lieferten, varıiren in der Regel nicht 
stärker als die typischen Arten, und sind von diesen durch eine 
deutliche Kluft getrennt. Von den stark variablen Formen haben 
wir mehrere als Mittelrassen kennen gelernt, d. h. als solche, in denen 
zwei antagonistische Eigenschaften derart verbunden sind, dass je 
nach der Lebenslage das eine Mal die eine und das andere Mal die 
andere in den Vordergrund tritt. Dieser Wechselwirkung zweier sich 
gegenseitig verdrängender elementarer Eigenschaften verdanken solche 
Rassen einen Abänderungsspielraum, der weit über Alles hinausgeht, 
was man bei den sogenannten constanten Typen beobachtet. 

Kommt neben der Mittelrasse auch eine Halbrasse vor, so findet 
nicht selten ein Ueberschreiten der Grenzen beim Variiren statt. In 
der Mittelrasse und der entsprechenden Halbrasse sind die elemen- 
taren Eigenschaften dieselben, nur in verschiedener Weise verbunden. 
Das Trifohum pratense qwinquefolium pflegt reich an vier- bis sieben- 
scheibigen Blättern zu sein, in der entsprechenden Halbrasse sind 
diese aber äusserst selten, die Blätter gewöhnlich nahezu alle dreizählig. 
Sowohl dreischeibige wie vierscheibige Blätter kommen somit bei 
beiden Rassen vor. Hat man ein einziges solches Blatt von einer 
zufällig gefundenen Pflanze gepflückt, so lässt sich an dem Blatte 
nicht mehr entscheiden, ob es von der einen oder von der anderen 
Rasse herrührt. Dasselbe gilt offenbar von solchen Individuen, welche 
an vier- bis fünfzähligen Blättern arm sind; nur aus ihrer Herkunft 
oder aus ihrer Nachkommenschaft lässt sich ihre Rasse ermitteln. 
Die individuellen Eigenschaften lassen uns in solchen Fällen völlig 
im Stich. 

Erschwert dieses Ueberschreiten der Rassengrenzen, diese sO- 
genannte transgressive Variabilität, das Studium der reinen Rassen 
in hohem Maasse, noch mehr wird solches offenbar auf dem Gebiete 
der Bastardlehre der Fall sein. Die Mexper’schen Bastarde, welche 
wir im zweiten Kapitel dieses Abschnittes vorgeführt haben, zeichnen 
sich gerade dadurch aus, dass die beiden elterlichen Typen, wo sie 
sich in den Bastarden zeigen, klar und deutlich auftreten. Fast bei 


Kreuzungen von Halb- und Mittelrassen. 347 


keinem Individuum braucht man im Zweifel zu sein, ob es den 
dominirenden oder den recessiven Öharakter zur Schau trägt. 

Ganz anders verhält sich die Sache, wo es sich um Kreuzungen 
von Mittelrassen, oder im Allgemeinen von Rassen mit grosser Varia- 
bilität handelt. Ueber die extremen Individuen braucht häufig kein 
Zweifel zu bestehen, wie beim erwähnten Rothklee, bei gestreiften 
Blumen, beim vielköpfigen Mohn u. s. w. Die Zwischenformen aber 
gehören theilweise der einen, theilweise der anderen Rasse an, ohne 
dass es möglich wäre, nach ihrem Aeusseren darüber zu entscheiden. 
Und in den Beispielen der tricotylen und syncotylen Rassen haben 
wir gesehen, dass sämmtliche Typen sowohl in der Halbrasse wie 
auch in der Mittelrasse vorkommen können, dass also die Cotylen 
keines einzigen Individuums Aufschluss über die Rasse geben. 

In Bastardirungsversuchen fällt das Hülfsmittel, das uns sonst 
die Herkunft bietet, offenbar weg. Denn hier haben wir Individuen 
von gleicher Abstammung zu sortiren, sei es aus derselben Kreuzung, 
sei es als Kinder desselben Bastardes, wenn es sich um die späteren 
Generationen handelt. An die Stelle der Beurtheilung einer Bastard- 
pflanze nach ihren sichtbaren Merkmalen tritt also hier die viel um- 
ständlichere Beurtheilung nach der procentischen Zusammensetzung 
ihrer Nachkommenschaft. Aber auch diese varıırt, und zwar mit 
grosser Amplitude, wenn sie rein ist, und transgressiv, wenn sie ge- 
mischt ist. Scharfe Zahlen haben wir also auch hier nicht zu 
erwarten. 

Zu diesen Schwierigkeiten der experimentellen Behandlung kommen 
nun noch weitere. Die procentische Zusammensetzung der Nach- 
kommenschaft, diese sogenannte Erbzahl, lässt sich in keinem anderen 
Falle in so ausgedehnter Weise ermitteln wie bei den Keimes- 
variationen. Wo man, wie z. B. bei den Zuckererbsen, die trockenen 
Samen bereits beurtheilen kann, oder wo man, wie bei den Tricotylen, 
die Keimpflänzchen beim Entfalten der Samenlappen abzuzählen in 
der Lage ist, lassen sich für zahlreiche Individuen die Erbzahlen 
feststellen. Wenn es sich aber um Merkmale der entfalteten Pflanze 
handelt, wie bei Zwangsdrehungen oder wie bei Blüthenvariationen, 
werden die Ansprüche weit grösser. In einer Keimschüssel von 
2—4 Qdem. Oberfläche sind 800 Keimlinge bequem zu cultiviren 
und zu zählen, und die Arbeit kann im Winter oder früh im Früh- 
jahr ausgeführt werden. Dreihundert Pflanzen von Oenothera oder 
Papaver erfordern aber, um in voller Blüthe beurtheilt zu werden, 
mehr als 6 Qm. Oberfläche im Garten und grosse Sorgfalt während 
des halben Sommers. Die zwangsgedrehte Rasse des Dipsacus erfordert 


348 Kreuzungen stark variabler Bigenschaften. 


sogar etwa 1 Qm. für jede zehn Pflanzen und oft eine zweijährige 
Cultur. Es wäre daher ein grossartiges Unternehmen, die Spaltungs- 
gesetze für solche Dipsacus-Bastarde feststellen zu wollen.! 

Auf dem Gebiete der stark variablen Eigenschaften wird man 
sich also, wenigstens vorläufig, meist mit weniger genauen und weniger 
schlagenden Versuchen zufrieden stellen müssen, als bei den typischen 
Bastardspaltungen. Und je nach der Wahl der Eigenschaft und nach 
dem Grade der transgressiven Variabilität fällt dabei die Arbeit in 
Bezug auf Ansprüche und auf Beweiskraft verschieden aus. 

Glücklicher Weise handelt es sich aber nicht mehr darum, die 
Spaltungsgesetze zu entdecken, sondern nur um den Nachweis ihrer 
Gültigkeit auch in diesen schwierigeren Fällen. Zu diesem Zwecke 
ist ein geringerer Umfang der Versuche oft ausreichend, sei es, dass 
man aus Öulturen von weniger als 300 Pflanzen etwas ungenauere 
Zahlen ableitet, sei es, dass man die Anzahl der Generationen be- 
schränkt. Und endlich ist es offenbar besser, von anscheinend 
abweichenden Eigenschaften wenigstens eine Bastardgeneration zu 
beobachten, um zu sehen, ob diese sich ähnlich verhält wie die 
übrigen Versuche, als die Kreuzung völlig zu unterlassen, weil es 
vorläufig noch nicht möglich ist, sie in dem ganzen erforderlichen 
Umfang auszuführen. 

Von diesem Gesichtspunkte ausgehend habe ich eine Reihe stark 
variabler Eigenschaften auf ihr Verhalten beim Bastardiren geprüft. 
Das Ergebniss werde ich in diesem und dem nächsten Paragraphen 
beschreiben; es wird sich zeigen, dass trotz der namhaft gemachten 
Schwierigkeiten die Gültigkeit der Mexpen’schen Spaltungs- 
gesetze sich nachweisen lässt, sei es auch oft mit geringerer 
Genauigkeit und Ausführlichkeit. 

Um die Bedeutung der transgressiven Variabilität bei der Durch- 
führung dieser Versuche möglichst klar zu machen, und somit das 
Verständniss der Einzelfälle zu erleichtern, sei es mir gestattet, hier 
zunächst einen rein schematischen Fall vorzuführen. Ich knüpfe 
dabei an die im ersten Bande gegebenen Variationscurven von Chry- 
santhemum segetum an, und vereinige die Öurven der beiden reinen 
Rassen von S. 529 (Bd. I) mit der Curve der durch vermischtes Leben 
dieser Rassen im Laufe der Jahre entstandenen Mischrasse auf S. 527. 
Die Curven sind so berechnet, dass die letztere (0 C, in Fig. 69) die 


! Le Mosnsıer hat durch Kreuzung von Dipsacus sylvestris torsus mit 
D. laciniatus die Zwangsdrehung des ersteren auf den letzteren übertragen. 
Vergl. Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. XXTV. 1900. 8.70. 


Kreuzungen von Halb- und Mittelrassen. 349 


gleiche Anzahl von Individuen umfasst wie die beiden ersteren zu- 
sammen (A und B). 

Wie im ersten Bande (S. 534) bereits bemerkt wurde, ist die 
gemischte Saat keineswegs eine einfache Vermengung der Samen oder 
Individuen der beiden reinen Rassen. Denn die Curve CC, ist nicht 
die Summe von A und 5. Es kommen viel mehr Individuen mit 
mittleren Eigenschaften vor als dieser Summe entsprechen würde. 
Diese bilden sogar genau in der Mitte zwischen den beiden Haupt- 
gipfeln der Figur (auf 13 und auf 21 Strahlenblüthen) einen Neben- 
gipfel auf 17 Strahlen, und es würde vielleicht zur Erklärung der 


5 9102,7102:722.13% 1221577167 1770181920210 2222322 25726727, 


Fig. 69. Chrysanthemum segetum. Curven der Strahlenblüthen in den primären 
Köpfchen. A Curve der 13-strahligen Rasse. 'B Curve der 21-strahligen Rasse. 
CC, Curve der gemischten Saat. Vergl. Bd. I, S. 527 und 529. Die dort gegebenen 
Zahlen sind hier in Procenten umgerechnet; die Summe dieser Procentzahlen ist 
für 4 und B auf je 100, für CC, aber auf 200 gestellt. Die Curve CC, umfasst 
also ebenso viele Individuen wie die Curven 4 und B zusammen. Man sieht sofort, 
dass die gemischte Saat viel mehr Individuen mit mittleren Anzahlen von Strahlen- 
blüthen enthält als die Summe der beiden reinen Rassen. Diese müssen also als 
Bastarde betrachtet werden. 


Curven der gemischten Saaten ausreichen, anzunehmen, dass eine 
dritte Gruppe, mit einem mittleren Werthe von 17,! zu den beiden 
anderen hinzugekommen wäre. 

Diese Individuen mit mittleren Eigenschaften können offenbar 
nichts anderes sein als Bastarde, und wir wollen sie, zum Zwecke 
unserer schematischen Darstellung der einschlägigen Verhältnisse, als 
solche betrachten. Wählen wir nun in der gemischten Saat eine 
Pflanze mit 17 Zungenblüthen im Endköpfchen. Die Curvenfigur 
zeigt sofort, dass auf der Ordinate 17 dreierlei verschiedene Pflanzen 
vorkommen; einige gehören der 13-strahligen Rasse an, andere der 


! Oder etwa 18 = 13 + 5, als Nebenzahl der Braun’schen Reihe. 


350 Kreuzungen stark variabler Pigenschaften. 


21-strahligen; weitaus die meisten aber sind Bastarde. Dieselbe 
Betrachtung lässt sich auf die übrigen Ordinaten anwenden, von 12 
bis 22 Zungenblüthen, also beiderseits über die Mittelzahlen der 
reinen Rassen hinaus. Und wenn nicht etwa hundert, sondern einige 
Tausende von Exemplaren der gemischten Saat gezählt wären, so 
würde sich ihre Curve offenbar beiderseits noch weiter erstrecken. 

Man sieht jetzt sofort, dass die Zahl der Zungenblüthen im 
Endköpfchen für kein einzelnes Individuum der gemischten Saat uns 
lehrt, ob es ein Bastard ist oder einer der beiden reinen Rassen 
angehört.” Um die Ordinate 17 herum ist die Wahrscheinlichkeit 
eine grössere für die Bastardnatur; ausserhalb der Ordinaten 13 und 
21 aber für die Reinheit der Rasse. Aber dieses hilft uns bei der 
Analyse der Mischung offenbar sehr wenig. 

Nehmen wir an, die Öurve CC, entspräche der ersten Generation 
nach einer künstlichen Kreuzung, oder dem bei Selbstbefruchtung 
aus einer solchen entstandenen zweiten Geschlechte. Im letzteren 
Falle würde sie eine Trennung in drei Typen, diejenigen der beiden 
Stammeltern und des Bastards, anzeigen, genau so wie bei den Mono- 
hybriden in den typischen Mexper’schen Versuchen. Aber offenbar 
würde man das Zahlenverhältniss dieser drei Gruppen, oder auch die 
Procentzahl für eine von ihnen nicht ablesen können.? 

Die Sache verhält sich offenbar genau so wie bei der Tricotylie 
und der Syncotylie, mit zwei wichtigen Ausnahmen. Die erstere ist, 
dass dort die Nachkommen aus reinen Kreuzungen studirt wurden, 
während hier die Nachkommen der Bastarde und diejenigen der reinen 
Rassen gemischt zur Beobachtung gelangten. Die zweite aber ist, 
dass der dritte Curvengipfel hier in der Mitte auftritt, bei den Tri- 
und Syncotylen aber dem der Halbrasse viel näher liest. Hauptsache 
war mir aber die Klarlegung der Art und Weise, in der die trans- 


gressive Variabilität die Unterscheidung der einzelnen Typen unter 


den Nachkommen der Bastarde erschwert. 

(emischte Saaten von einer Zusammensetzung, welche der Fig. 69 
(S. 349) entspricht, findet man unter den Gartenvarietäten gar häufig. 
Erstens wurden ja aus solchen Mischungen meine tricotylen und 
syncotylen Mittelrassen isolirt. Dann beobachtet man häufig, dass 
eine Eigenschaft, statt nach dem QuETErET’schen Gesetze, um einen 


’ Die Ermittelung der Anzahl der Zungenblüthen in den späteren Köpfehen 
bestätigt dieses, wie z. B. die Bd. I S. 532 angeführten Zahlenreihen lehren. 

® Unter gewissen Annahmen ist allerdings eine Analyse oft wohl durch- 
führbar. 


Kreuzungen von Halb- und Mittelrassen. 3dl 


Mittelwerth zu variüiren, zwischen zwei stark hervortretenden Extremen 
oscillirt. Solches ist z. B. sehr häufig mit den Herzflecken, d. h. den 
dunklen Flecken am Grunde der Blumenblätter der Fall, welche gut 
ausgebildet sein oder ganz fehlen können, aber ganz gewöhnlich 
dazwischen continuirliche Uebergänge zeigen (Nicandra physaloides, 
Madia elegans, Calliopsis Drummondi u. s. w.). Sie sind durch Selection 
oft nur schwierig zu trennen; es kommen aber bei manchen Arten 
(z. B. Papaver bracteatum) constante Varietäten mit und solche ohne 
Herzflecken vor. Diese Zeichnungen sind von äusseren Einflüssen in 
hohem Grade abhängig und oft im Herbste schwächer ausgebildet 
als im Sommer. Auch bei den fistulösen Varietäten von Compositen 
fand ich nicht selten solche Uebergangsreihen zu der normalen Form, 
oft durch ihr partielles Variiren ausgezeichnet (Calliopsis tinctoria, 
Chrysanthemum segetum u. s. w., vergl. unten Fig. 75—77). 

Wir folgern also: 

1. Oft sind die Grenzen einer stark variablen Rasse so 
unscharfe, dass sich in Bastardeulturen Procentzahlen nur 
mit beschränkter Genauigkeit erhalten lassen. 

2. Ist der Bastard in solchen Fällen nicht völlig ein- 
seitig, und also nicht einem der beiden elterlichen Typen dem 
Aeusseren nach gleich, sondern goneoklin oder intermediär 
(S. 18), so werden dadurch die Grenzen noch mehr ver- 
wischt, und wird die Aussicht auf: genaue Erbzahlen eine 
noch geringere. 

3. Durch diese Verhältnisse wird die Möglichkeit eines 
vollständigen Nachweises der Gültigkeit der Menper’schen 
Spaltungsgesetze oft in hohem Maasse eingeschränkt. 

Die jetzt folgenden Versuche sollen zeigen, in wie weit bisher 
dieser Nachweis in den einzelnen Fällen gelungen ist. 

Antirrhinum majus. Gestreifte Blüthen. Im ersten Band 
S. 494-505 habe ich die Erblichkeitsverhältnisse des gestreiften 
Löwenmauls ausführlich dargelegt. Die rothen Längsstreifen der 
Blüthen (Bd. I, Tafel 7) variiren nicht nur in ihrer Anzahl und ihrer 
Breite, sondern daneben bringt die Rasse alljährlich rein rothe Blumen, 
oder rothblühende Zweige, oder ungestreifte rothe Individuen hervor. 
Diese treten nicht völlig aus der Rasse heraus, denn bei Selbst- 
befruchtung bilden sie zum Theil wiederum gestreifte Nachkommen. 

 Kreuzt man nun eine gestreifte Varietät mit einer einfarbig 
rothen, so werden die rothblühenden Individuen unter den Bastarden 
bezw. ihren Nachkommen theilweise der gestreiften Sorte angehören, 
und es wird also eine scharfe Trennung nicht zu erwarten sein. 


mit einfarbigen Sorten erhaltenen durchaus entsprechen (vergl. oben 
$ 14, S. 196). 

Für meine Versuche wählte ich die Varietas lutea rubro- striata, 
welche im ersten Bande auf Tafel 7 abgebildet ist, und kreuzte sie 
mit der Varietas alba. Die Verbindung ist wegen der gelben Grund- 
farbe der ersten Sorte eine polyhybride; und auch die rothe Farbe 
der Streifen selbst kann in Componenten zerlegt werden (Delila und 
Fleischfarbig), was also bei den hier vorzuführenden Versuchen genau 
in derselben Weise zu erwarten ist, wie in den früheren. Auf das 
Verhalten der gelben Farbe werde ich der Einfachheit halber hier 
nicht weiter eingehen; sie ist nicht gestreift und bildet nur eine 
Grundlage für die Streifung, welche Grundlage auch fehlen kann 
(z. B. in der Varietas alba rubro-striata). 

Man kann aus der gestreiften Rasse einerseits gestreifte, anderer- 
seits rothe Individuen für die Kreuzung wählen. Die letztgenannte 
Kreuzung führte ich im Jahre 1896, die erstgenannte im Sommer 1897 
aus, indem jedesmal der Staub des betreffenden Individuums auf die 
Narbe eines Exemplares der weissblühenden Varietät gebracht wurde. 
Die Kreuzung von 1896 (Weiss x Roth) gab 184 Kinder, von denen 
47 oder 26°/, gestreifte Blüthen hatten, während die übrigen ein- 
farbig roth blühten. Ich habe vom Vater auch die Samen geerntet 
und untersucht und erhielt dabei 16 °/, gestreifte Nachkommen. 

Die andere Kreuzung (1897, Weiss x Gestreift) gab auf 
228 blühenden Exemplaren 7 rothe oder 3 °/,, also etwa eben so viel 
als nach den Erbzahlen bei Selbstbefruchtung der gestreiften Pflanzen 
zu erwarten war. In beiden Versuchen war das Weiss dem Roth 
und den rothen Streifen gegenüber recessiv. 

In diesem zweiten Versuche befruchtete ich einige gestreifte 
Exemplare der Bastarde erster Generation mit ihrem eigenen Blüthen- 
staub und säte die Samen im Jahre 1899. Es blühten 125 Pflanzen; 
von diesen waren 


gestreift Dan 
einfarbig roth 2 
blass, ohne Streifen u. 


Die Zahlen genügen, in Anbetracht des geringen Versuchs- 
umfanges, den Anforderungen des Spaltungsgesetzes, welches 25°], 
ungestreifte Pflanzen würde erwarten lassen. Da die rothe Farbe, wie 
früher gezeigt wurde (8 14, S. 196), aus zwei Componenten besteht: 
„Delila“ (mit rothem Saum und weisser Röhre) und „Fleischfarbig“‘, 


Kreuzungen von Halb- und Mittelrassen. 359 


fanden sich unter den ungestreiften auch diese beiden vertreten. Als 
ich sie nach Selbstbefruchtung auf ihre Nachkommenschaft prüfte, 
kehrte die Streifung nicht zurück und verhielten sie sich in Bezug 
auf ihre Farbe in derselben Weise als in dem oben beschriebenen 
Versuch ($ 14). Soweit untersucht, blieben die Exemplare mit Deila- 
Zeichnung auf gelber Röhre in ihren Nachkommen (39 Ex.) constant, 
ebenso einige rothe (mit 12 Ex... Andere rothe Mütter spalteten 
sich dagegen, indem einige neben rothen auch fleischfarbige, andere 
neben rothen auch Delila-Pflanzen hervorbrachten, und zwar in dem 
Spaltungsgesetze entsprechenden Verhältnissen: 


1. Gruppe: 82 Kinder von rothen Müttern gaben 77°/, roth und 23°/, Fleischfarbig. 
2. Gruppe: 32 „, > en ” Pe Se lie) elilg: 


In beiden Fällen ist offenbar die in der Minderzahl der Indivi- 
duen allein sichtbare Componente auch in den übrigen vorhanden und 
somit constant, und ist die Spaltung eine monohybride, bei welcher 
in der ersten Gruppe das Delila-Merkmal in 23°/, der Individuen, in 
der zweiten aber die Fleischfarbe in 16 °/, latent wird. 

Es waren in meinem Versuch auch einige Exemplare aufgetreten, 
welche der schönen Varietät „Brillant“ angehörten, da sie auf gelber 
Grundlage die Delila-Zeichnung führten. Von ihnen wurden vier Exem- 
plare mit sich selbst befruchtet und die Kinder zeigten eine Spaltung, 
indem unter 163 blühenden Pflanzen in 40 (oder 25 /,) die Dekla- 
Zeichnung fehlte. Diese waren rein gelb. Die Zahlen entsprechen 
wiederum dem Spaltungsgesetze. 

Aus den mitgetheilten, leider noch wenig umfangreichen Ver- 
suchen ist zu folgern, dass sowohl die Streifung selbst, als die in den 
rothen Streifen verbundenen Farbeomponenten bei Kreuzungen den 
Menoer’schen Gesetzen folgen. 

Aehnlich verhält es sich mit gestreiften Blüthen auch in anderen 
_ Fällen. So giebt es z. B. von Papaver nudicaule eine Varietät, welche 
auf leuchtend gelbem Grunde orangefarbige Längsstreifen verschiedener 
Breite führt. Diese Varietät bringt bei Selbstbefruchtung einerseits fast 
gelbe, nahezu unmerklich gestreifte, und andererseits rein orangene 
Blüthen hervor. Und denselben Farbenreichthum zeigten die Bastarde, 
als ich die gestreifte mit der reinen gelben Sorte gekreuzt hatte. Ich 
erhielt von 285 Bastarden 67 °/, gestreifte, unter denen einige fast 
rein gelb waren, und 33°/, einfarbig orangene Individuen. 

Auch wenn die Farbenstreifungen auf Früchten vorkommen, ver- 
halten sie sich ähnlich, wenigstens beim Mais, von welchem ich die 
Varietät „Harlekin“, mit rothen Streifen auf den sonst gelben Körnern, 

DE VRIEs, Mutation. II. 23 


394 Kreuzungen stark variabler Eigenschaften. 


prüfte. Die Sorte variirt wiederum in derselben Weise, fast rein 
gelbe und einfarbig dunkelrothe Kolben bilden die Grenzen des 
Abänderungsspielraumes. In einer Cultur dieser Sorte erhielt ich 
bei Selbstbefruchtung 70°/, gestreifte, 9°/, rothe und 18°/, fast 
gelbe Kolben, bei Aussaat von gestreiften Kolben im nächsten 
Jahre 45°/, gestreifte, 27°/, rothe und ebenso viele fast gelbe 
Kolben. (Von jeder Pflanze wurde nur ein Kolben berücksichtigt.) 
Nach Kreuzung mit einer rein weissfruchtigen Sorte erhielt ich 
von den Bastarden erster Generation 28°/, gestreifte, 15°/, rothe 
und 57°/, weisslich-gelbe Kolben. Ob diese letzteren dem Harlekin 
oder dem anderen elterlichen Typus angehörten, war nicht zu ent- 
scheiden; aber aus ihren Samen gingen, nach Selbstbefruchtung, 
im nächsten Jahre wiederum einige rothgestreifte Individuen hervor 
(6— 27 °/,). Die gestreiften Bastarde gaben nach Selbstbefruchtung 
zur Hälfte Kinder mit gestreiften, zur Hälfte solche mit ungestreiften 
Kolben. 

Obgleich aus den angeführten Zahlen wegen der starken Varia- 
bilität der Streifung nichts Genaueres abzuleiten ist, so steht doch 
so viel fest, dass die Streifung auch hier ein dominirendes Merkmal 
ist. Wahrscheinlich spalten sich die Bastarde in der zweiten Gene- 
ration, und würde man aus ihnen die beiden elterlichen Typen 
wiederum rein isoliren können. 

Trifolium pratense quinquefolium. Mein fünfblätteriger Klee blüht 
roth, und wurde zwei Mal mit einer weissen Sorte gekreuzt. Im 
Jahre 1896 mit der weissen Varietät des gewöhnlichen oder Brabanter 
Klees; im Sommer 1895 mit der grossblätterigen amerikanischen 
weissblühenden Form. Die Kreuzung ist sehr leicht auszuführen, da 
isolirte Kleepflanzen auch bei reichlichem Insectenbesuch keine Samen 
bilden. Man setzt also ein einziges Exemplar der weissen Sorte in 
die Nähe eines rothblühenden Beetes. Alle Früchte, die es ausbildet, 
sind dann von letzterem befruchtet worden, und dass dem so ist, 
zeigt das nächste Jahr, indem aus allen Samen der weissen Pflanze 
rothblühende Kinder aufgehen. | 

Von den genannten Kreuzungen hatte ich 234 bezw. 104 Bastarde® 
der ersten Generation in Blüthe; alle Blüthen waren roth. Beide 
Culturen waren ziemlich reich an vier- bis fünfscheibigen Blättern; 
in der grösseren Öultur zählte ich die Pflanzen und fand 172 Exem- 
plare mit wenigstens einem vierzähligen Blatte und 64 mit ausschliess- 
lich dreizähligen. Die Zählung wurde bei voller Blüthe Mitte August 
vorgenommen; es mag aber unter den damals bereits verdorrten 
Blättern noch ziemlich viele vierzählige gegeben haben. Die Bastarde 


Kreuzungen von Halb- und Mittelrassen. 355 


verhalten sich somit ähnlich wie bei den Tricotylen, sie sind nicht 
einseitig dreizählig, sondern zeigen die Anomalie in geringem Grade 
ausgebildet. 

Aus den Samen der Bastarde des Amerikanischen und des fünf- 
blätterigen Klees hatte ich, nach gegenseitiger Befruchtung auf einem 
isolirten Beete, im Sommer 1897 die zweite Generation. Hier ergab 
sich eine bedeutende Schwierigkeit. Aller Analogie nach müssen die 
dreizähligen Blätter über die fünfzähligen dominiren, und sie thaten 
solches in der ersten Generation auch ganz deutlich. Wenn es aber 
auf’s Zählen ankommt, so wird die Sache eine andere. Es lässt sich 
ermitteln, wie viele Pflanzen ohne und wie viele mit vierzähligen 
Blättern es giebt. Die erstere Gruppe enthält die recessiven Indivi- 
duen mit einigen Bastarden, die andere die meisten Bastarde und die 
dominirenden Exemplare. Genauere Grenzen lassen sich nicht fest- 
stellen, und so wird im Ergebniss das thatsächlich recessive Merkmal 
in der Mehrzahl der Individuen und also anscheinend als dominirend 
auftreten. Ich fand für diese zweite Generation auf etwa 220 Pflanzen 
(1897): 


Berechnet 
1. Roth und dreizählig 13:0) 18-730, 
2. Weiss und fünfzählig anne LSsoan 
3. Roth und fünfzählig al 56:25 „ 
4. Weiss und dreizählig er 6290, 


Die berechneten Zahlen sind die aus $ 12 S. 183 bekannte Reihe 
für die dihybriden Spaltungen. Unter der hier ausnahmsweise gestatteten 
Annahme, dass die Hybriden an dem recessiven Merkmale, trotz er- 
heblicher Abschwächung, zu erkennen sind, und nicht, wie sonst, an 
dem dominirenden, stimmen die gefundenen Verhältnisse mit dem 
Spaltungsgesetze in genügender Weise überein. 

Oenothera Lamarckiana, Buntblätterigkeit. Zu den am meisten 
variablen Eigenschaften gehörend, giebt die Buntblätterigkeit wohl die 
geringste Aussicht auf zahlenmässige Kreuzungsergebnisse, und also 
wohl die geringste Hoffnung, die Gültigkeit der Spaltungsgesetze zu 
prüfen. Nach den Erfahrungen bei den Tricotylen ist zu erwarten, 
dass in den Bastarden die grüne Farbe dominiren wird, jedoch nicht 
bis zum völligen Ausschluss der gelben. Andererseits haben wir im 
ersten Bande (S. 597) gesehen, dass die Buntblätterigkeit im höchsten 
Grade von der Lebenslage abhängig ist, und dass von stark bunten 
Rassen doch fast stets auch rein grüne Exemplare hervorgebracht 
werden. Endlich hängt die Aussicht eines Keimes, um zu einer 

23* 


396 Kreuzungen stark variabler Eigenschaften. 


bunten Pflanze heranzuwachsen, wesentlich davon ab, ob er auf einem 
bunten oder einem grünen Zweige, und im ersteren Falle auf der 
gelben oder der grünen Seite angelegt wird. Es leuchtet ein, dass 
das Verhalten der Bastarde unter solchen Umständen sehr umfang- 
reicher Versuche zu seiner völligen Aufklärung bedarf. 

Solche habe ich bis jetzt nicht angestellt, sondern mich auf die 
Prüfung der ersten Generation beschränkt. Diese entsprach der dar- 
gelegten Erwartung, indem sie vorwiegend aus grünen und theilweise 
aus bunten Bastarden zusammengesetzt war. Ich befruchtete im 
Sommer 1899 einige sehr schöne bunte Exemplare, welche selbst von 
bunten Vorfahren herrührten, mit dem rein grünen, nur gelegentlich 
und vereinzelt (0-1—0-2°/,, vergl. Bd. I, S. 604) bunte Pflanzen her- 
vorbringenden Stamme meiner Öulturen. Die bunten Oen. Lamarckiana 
wurden castrirt und mit dem Staub der grünen belegt, und vor dem 
Besuch der Insecten in üblicher Weise in Pergaminbeuteln geschützt. 
Auf 520 Keimpflanzen fand ich 82 oder 16 °/, theils rein gelbe, theils 
bunte; die übrigen wurden bis zum Stadium reichbeblätterter Rosetten 
genau geprüft, dann aber nicht weiter cultivirt. Sie blieben grün, doch 
würden einige von ihnen gewiss später noch bunt geworden sein. Die 
stark bunten Früchte gaben dabei in ihren Samen keineswegs regel- 


mässig einen höheren Gehalt an gelben Keimen, jedoch fand ich eine | 


völlig gelbe Frucht, deren Samen alle, trotz der Befruchtung mit der 
grünen Sorte, gelbe Cotylen oder bunte Erstlingsblätter hatten. Es 
waren aber nur acht Samen in dieser Frucht gereift. 

Mit Nieotiana maerophylla habe ich im Sommer 1901 einen ähn- 
lichen Versuch gemacht. Die durch Befruchtung der bunten Varietät 
nach Üastrirung mit dem Staub der grünen Art erhaltenen Samen 
enthielten auf 260 Keimen etwa 10°/, bunte Individuen. 

Papaver somniferum, gefüllte Blumen. Den bunten Gewächsen 
stehen wohl in Bezug auf hohe Variabilität die gefüllten Blumen am 
nächsten. Ich habe als Versuchsobject aus verschiedenen Gründen 
den cultivirten Mohn gewählt, und mehrere einfache und gefüllte 
Handelsvarietäten mit einander gekreuzt; ich wählte als einfache 
Sorten Mephisto und Danebrog, welche ich durch eine vieljährige 
Cultur kenne, und als gefüllte nur solche, welche die Füllung regel- 
mässig in höherem Grade zeigen, wie der „weisse Schwan“, der 
„Oardinal“ (mit Danebrog-Farben) und der „Double grand violet“ mit 
dunkelvioletten, ganz dicht gefüllten Blumen. In der Regel zeigte 
die erste Generation der Bastarde weder das Merkmal des Vaters 
noch dasjenige der Mutter rein, sondern meist geringe Grade der 
Umwandlung von Staubfäden in schmale Blumenblätter. 


Kreuzungen von Halb- und Mittelrassen. 357 


Anzahl Einfach Gefüllt Grad der 


Kreuzung Mutter Vater derKinder °/, 0) Füllung 
Nr. 1. . 18938 Schwan x Mephisto 161 96 4 schwach 
und stark 
„ 2. 1897  Danebrog x Double grand vwiolet 71 89 11 schwach 
ms. = 5 x Cardinal 105 68 32 Fr 
nd, „ 5; x Schwan 107 22 75 schwach bis 
halb gefüllt 
„5. 1892 Cardinal x Mephisto 43 0 100 je mit 1—2 pe- 
„6. 1893 Mephisto x Cardinal 51 100 0 [talod.Staubf. 


Wie man sieht, schwanken die Bastarde je nach den Umständen 
in ziemlich hohem Maasse, im Mittel aber nur einen schwachen Grad 
der Füllung zeigend. Sie verhalten sich also wie die tricotylen 
Bastarde, indem das ältere Merkmal unter Abschwächung durch die 
_Anomalie dominirt. 

Die zweite Generation kann man nun aus Bastarden mit peta- 
lodischen Staubfäden oder aus solchen mit einfachen Blüthen erzielen. 
Aus den letzteren erhielt ich, vorwiegend aus den oben unter Nr. 1 
und 6 angeführten Kreuzungen, in fünf Culturen mit 370 blühenden 
Pflanzen im Mittel 21°/, Exemplare mit gefüllten Blüthen, welche 
jetzt aber viel höhere Grade der Füllung aufwiesen als in der ersten 
Generation, indem die meisten Blüthen halb gefüllt oder mehr als 
halb gefüllt waren. Spuren von Füllung, sind dabei nicht mitgerechnet 
worden, um die Bastarde womöglich mit den dominirenden Exem- 
plaren zu verbinden, wie bei den üblichen Zählungen in den typischen 
MEnDEL-Kreuzungen. Dem entsprechend trat etwa ein Viertel der 
zweiten Generation mit dem recessiven Merkmale auf. 


Von den Bastarden des Versuches Nr. 5 mit je 1—2 peta- 
lodischen Staubgefässen erhielt ich 187 Kinder, von denen 87 °/, ein- 
fache und 13°/, stark gefüllte Blüthen hatten. Von den stark ge- 
füllten Bastarden des Versuches Nr. 1 erhielt ich 119 Kinder, von 
denen 72°/, einfach und 28°/, stark gefüllt waren. Auch hier also 
Spaltungen nach demselben Verhältnisse. 

Für die dritte Generation giebt es, wie bei den typischen MEnper)- 
schen Kreuzungen, drei Fälle, indem man einerseits die einfache 
bezw. die gefüllte Rasse rein findet, andererseits wiederum Bastarde 
vor sich hat. Constant einfach beobachtete ich vier Fälle und zwar 
drei aus Nr. 5 und einen aus Nr. 1, die drei ersteren zusammen in 
378, den letzteren in 100 blühenden Exemplaren, deren Mütter und 
Grossmütter (2. und 1. Bastardgeneration) gleichfalls einfach oder nahezu 
einfach geblüht hatten. Ausschliesslich gefüllte Nachkommen erhielt 


358 MB erineni stark variabler Digenschaften. 


ich nur von einem selbst stark gefüllten Bastard der ar Gene- 
ration (73 Exemplare). Spaltungen erhielt ich in zwei Aussaaten, 
deren Mütter und Grossmütter (2. und 1. Bastardgeneration) ein- 
fach, geblüht hatten. Und zwar in einem Falle auf 105 Pflanzen 
79°/, einfache und 21 halb- bis stark gefüllte, im anderen Falle auf 
107 Exemplaren 76 und 24°/, ebensolche. 

Rechnet man somit Spuren von Petalodie als das Merkmal der 
Bastarde, und eine mehr als halbstarke Füllung als das recessive 
Merkmal, so verhält sich die Füllung im Grossen und Ganzen genau 
so, wie man es nach den Mexper’schen Spaltungsgesetzen erwarten 
sollte. Doch bedingt die grosse Variabilität und die starke Abhängig- 
keit von der Lebenslage manche die Versuche erschwerende und nicht 
selten störende Abweichungen. 

Papaver somniferum. Geschlitzte Blumenblätter. Einige 
Sorten des Mohns zeichnen sich durch eine schöne Franse am Rande 
der Blumenblätter aus, wie z. B. der ‚Weisse Schwan“ und andere 
theils gefüllte, theils einfache Sorten. Dieses Merkmal ist bisweilen 
in hohem Grade constant, in anderen Varietäten wiederum sehr 
schwankend, bis auf vereinzelte Einschnitte in sonst ganzrandigen 
Petalen heruntergehend. Es ist in solchen Fällen zwischen diesen 
und den fransenlosen Blumen eine sichere Grenze nicht anzugeben. 
Die Fransen sind ein recessives Merkmal, in drei Kreuzungen fehlte 
es in der ersten Generation durchaus. Es waren dieses drei von den 
oben in Bezug auf die Füllung studirten Kreuzungen, und zwar 
Nr. 3 Danebrog x Cardinal (letzterer gefüllt und mit Fransen; Kreuzung 
von 1897; 105 Kinder erzogen), Nr. 1 Schwan x Mephisto (1893 mit 
161 Kindern) und Nr. 5 Cardinal x Mephisto (1893 mit 43 Kindern). 
Die zweite Generation erzog ich aus Nr. 1 und erhielt auf 119 Pflanzen 
82°/, ohne und 18°/, mit geschlitzten Blumenblättern, also eine Zahl, 
welche wohl als dem Mexper’schen Gesetze entsprechend betrachtet 
werden darf. In der dritten Generation erhielt ich, in einer anderen 
Versuchsreihe, theils Culturen ohne Franse, theils solche mit aus- 
schliesslich geschlitzten Blumenblättern, theils gemischte Saaten; jede 
Cultur aus einer einzigen selbstbefruchteten Kapsel der zweiten 
stammend. Doch habe ich zahlenmässige Bestimmungen aus den 
oben angeführten Gründen nicht gemacht. 

Das Merkmal der geschlitzten Blumenblätter schliesst sich somit, 
trotz aller Schwierigkeiten, den übrigen Beispielen in genügender 
Weise an. 

Plantago lanceolata ramosa (Bd. I, S. 514, Fig. 145 —146). Die 
atavistischen Exemplare dieser Rasse sind nahezu völlig constant 


Kreuzungen von Halb- und Mittelrassen. 399 


(Bd. I, S. 519), wenn sie sich gegenseitig befruchten. Es ist dadurch 
möglich zu erforschen, wie sich die Bastarde verhalten, wenn diese 
Atavisten mit dem Staub der typischen Exemplare mit verzweigten 
Aehren gekreuzt werden. Man braucht nur die ersteren zu castriren 
und sie zwischen den anderen blühen und vom Wind bestäuben zu 
lassen. Die Blüthen sind protogyn; ihre Staubfäden wachsen erst 
spät hervor. Ich führte die Castration derart aus, dass ich die Ata- 
visten in Töpfen cultivirte, welche über Nacht im Hause blieben, und 
während der Blüthe jeden Tag einige Stunden im Garten neben die 
als Väter gewählten Pflanzen gestellt wurden. Die Staubfäden strecken 
sich über Nacht; sie wurden jeden Morgen früh weggeschnitten, bevor 
ein Körnchen auf die Narben hatte gelangen können. Im Monat 
August 1897 wurden in dieser Weise acht reich blühende Atavisten 
mit den verzweigten Pflanzen gekreuzt; der Versuch dauerte etwas 
über eine Woche und gab eine sehr befriedigende Ernte. Diese wurde 
für jede Pflanze besonders gewonnen und ausgesät; ich erzog daraus 
etwa 1000 Exemplare, von denen 936 im nächsten Jahre blühten. 
Von ihnen hatten 712 keine und 224 je eine oder einige verzweigte 
Aehren, oder 76 und 24°/,, während die Ramosa-Rasse bei Selbst- 
befruchtung jährlich etwa 50°/, Erben hervorbrinst (Bd. I, S. 515). 

In den acht getrennten Culturen wechselte das Verhältniss ein 
wenig, aber nicht mehr als nach der üblichen Latitüde zu erwarten 
war. Die Anzahl der Aehren auf jeder: Pflanze war meist 8—12, und 
auf den Exemplaren mit verzweigten Aehren zeigte oft die Hälfte 
der Inflorescenzen diese Anomalie. 

Das Ergebniss stimmte also mit demjenigen überein, welches 
wir bei den Tri- und Syncotylen, noch deutlicher aber mit der Form, 
in der wir dasselbe Resultat beim fünfblätterigen Rothklee gefunden 
haben. Die Bastarde zeigen bereits in der ersten Generation die 
Anomalie, aber in geringerem Grade ausgebildet als bei der reinen 
Rasse (24°/, der Individuen statt etwa 50 °/,). 

Andere Anomalien werden sich voraussichtlich in ähnlicher 
Weise verhalten, obgleich die Schwierigkeiten der Cultur hier oft so 
grosse sind, dass es wohl in langer Zeit nicht gelingen wird, sie zu 
überwinden. Ich nenne hier die Zwangsdrehungen und Fasciationen,! 
von denen mehrere Mittelrassen aus den verschiedensten Gattungen 
vorkommen, deren Cultur aber, namentlich wenn es zweijährige Arten, 
wie Dipsacus sylvestris und Orepis biennis, gilt, eine sehr anspruchsvolle 
in Bezug auf Zeit und Raum ist. Doch beobachtete LE Monnter, 


! Für andere Anomalien vergl. Bd. I, S. 549 u. s. w. 


360 Kreuzungen stark variabler Eigenschaften. 


wie oben bereits bemerkt, dass die Zwangsdrehung von Dipsacus syl- 
vestris durch Kreuzung auf D. fwllonum übertragen wurde, und sich 
in dieser neuen Art in ebenso vollständiger Ausbildung zeigte wie in 
der ersteren.? Solche Beobachtungen deuten klar auf einen Anschluss 
an die MEenper’schen Gesetze hin. 


S 33. Papaver somniferum polycephalum Danebrog. 


Zu den gewöhnlichsten Processen des höheren Gartenbaues ge- 
hören die Versuche, Eigenschaften, welche in zwei verschiedenen 
Arten oder Varietäten getrennt vorkommen, durch Kreuzung mit 
einander zu verbinden. Wo es sich um Mrxper’sche Bastarde handelt, 
ist es nach dem bereits Mitgetheilten klar, in welcher Weise solche 
Versuche verlaufen, und namentlich die mehrfach besprochenen 
Kreuzungen Rımpau’s haben für verschiedene Getreidearten die Ge- 
winnung constanter Rassen durch solche willkürliche Verbindungen 
dargethan und in ihrer praktischen Bedeutung beleuchtet. 

Mir lag aber daran, den Beweis zu liefern, dass die einschlägigen 
Sätze auch für stark variable Eigenschaften gelten, und so entschloss 
ich mich, eine solche aus einer Varietät auf eine andere, der sie bis 
jetzt fehlte, zu übertragen. Ich wählte dazu die im vorigen Bande 
ausführlich behandelte Polycarpie oder Polycephalie des Papaver somni- 
ferum, welche ich in der Varietät Mephisto als besondere Rasse seit 
mehr als zehn Jahren cultivire, und brachte sie durch Kreuzung auf 
das gleichfalls bereits mehrfach besprochene Pap. somnif. Danebrog 
über.” Die neue Sorte, Pap. sonmif. polycephalum Danebrog, ist im 
Jahre 1897 im Tauschverkehr der botanischen Gärten angeboten 
worden, und hat sich seitdem im Bezug auf beide Merkmale als 
constant erwiesen.’ 

Der gewöhnliche Garten-Mohn oder Schlaf-Mohn (Papaver somni- 
ferum) ist eine sogenannte variable Pflanze, d. h. eine solche, welche 
in zahlreichen, unter sich deutlich verschiedenen, aber aus Samen 
völlig constanten Varietäten ceultivirt wird. Die wilde Form und die 
meisten Gartensorten haben farbige Blumen, deren Kronenblätter am 
Grunde je einen grossen, ziemlich scharf begrenzten dunkleren Fleck 
tragen (Fig. 70 und 71). Man nennt diese Figuren die Herzflecken. 
Die Farben der Blüthen sind übrigens sehr verschieden. Bisweilen 


! Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. XXIV. April 1900. 8.70. 

® Vergl. S8 und $14 dieses Abschnittes, S. 164 und S. 201. 

3 (Catalogue des graines recoltees dans le Jardin botanique d’ Amsterdam. 
1597. 8.2. Ebenso in den folgenden Jahren. 


Papaver somniferum polycephalum Danebrog. 36l 


kommt es vor, dass die Herzflecken weiss sind statt dunkel gefärbt, 
und dieses ist am bekanntesten bei der Varietät Danebrog, deren 
Blumen scharlachroth sind. Auf diesem rothen Grunde bilden die 
vier grossen weissen Flecken ein Kreuz, welches, wie früher bereits 
bemerkt wurde, an das dänische Feldzeichen erinnert (S. 164). Ein- 
zelne Varietäten zeigen die bekannte Monstrosität der Umwandlung 
von Staubgefässen in überzählige Carpellen, die sogenannte Viel- 
köpfigkeit oder Polycephalie, eine sehr variable, in hohem Grade von 
der Cultur abhängige, aber aus Samen durchaus constante Anomalie.! 


Fig. 70. Papaver somniferum. Giptel einer Fig. 71. Papaver somniferum. 

P ” I - 8 1 . u 
ganzen Pflanze, um die Herzflecken aufder Einzelne Blüthe, weit geöffnet und von 
Aussenseite der Blumenblätter zu zeigen. oben gesehen. 


Das Danebrog, welches ich zu meinen Kreuzungen wählte, besass 
diese Polycephalie nicht; meine polycephale Sorte hatte schwarz- 
violette Herzflecken und ist in den Gärten, abgesehen von der Car- 
pellomanie, als Varietät Mephisto bekannt.” Im übrigen unterscheiden 
sich die beiden Sorten noch in der Statur und in der Farbe des 

I Bq.1I, S. 98, Fig. 27 und 28. 

? Vırmorin’s Blumengärtnerei. 3. Aufl. 1896. S. 60. Ueber die verschie- 


denen Varietäten des Gartenmohns vergl. J. W. Moız, A. Fıer et W. Pyr: 
Rapport sur quelques cultures de Papaveracees. 1894. 8. 10. 


362 Kreuzungen stark variabler Eigenschaften. 


Laubes; das Mephisto polycephalum ist eine hohe, das Danebrog eine 
niedrige, wenn auch nicht völlig zwergige Sorte; letzteres hat mehr 
bläulich-grüne Blätter als ersteres. Lange Zeit vor der Blüthe, oft 
bereits einige Wochen nach der Keimung, sind die beiden Sorten 
mehr oder weniger leicht von einander zu unterscheiden. Die 
Antheren und die Samen des Mephisto sind dunkel gefärbt, diejenigen 
des Danebrog weisslich. Meine neue Varietät hat die Statur, die 
Farbe der Blätter und die Samen des Danebrog; sie hat also vom 
anderen Elter nur die Eigenthümlichkeit der Polycephalie oder Poly- 
carpie übernommen. 

Ich habe die Kreuzung mehrere Male ausgeführt und beschreibe 
zunächst diejenige, von der die jetzt noch cultivirte Bastardrasse 
abstammt. Die Verbindung fand im Sommer 1893 statt; ich castrirte 
einige Blüthen auf meiner damaligen Cultur von P. s. polycephalum, 
hüllte sie in Beuteln und befruchtete sie mit dem Staub von Blüthen- 
knospen von P. s. Danebrog, welche Herr Prof. J. W. Mor in Groningen 
die Güte hatte, mir von seinen experimentellen Papaver-Culturen zu 
senden. Das Danebrog war von ihm durch drei Generationen auf 
seine Reinheit geprüft, und abgesehen von zufälligen Kreuzungen mit 
benachbarten Sorten (vergl. unten $ 36) rein befunden. 

Im Jahre 1894 eultivirte ich aus den durch diese Kreuzung 


erhaltenen Samen die erste Generation der Bastarde. Ich säte dazu 


nur Samen einer einzigen Mutterfrucht, welche einen vollen Kranz 
von Nebencarpellen getragen hatte. Ende Juli standen die Pflanzen 
in voller Blüthe. Abgesehen von der Polycephalie waren sie einander 
und der Mutter (Mephisto) in jeder Hinsicht gleich; die Merkmale 
dieser Form zeigten sich somit als dominirend. In Bezug auf die 
Umwandlung der Staubfäden in Carpelle verhielten sie sich aber ver- 
schieden. Bei 54 von den 69 Exemplaren konnte ich davon keine 
Spur entdecken, bei 15 (also etwa 20 °/,) gab es meist nur ein kleines, 
bisweilen zwei oder sogar drei Nebencarpelle. 

Die Polycephalie verhielt sich also ähnlich wie das Merkmal des 
fünfblätterigen Rothklees in den Kreuzungen des vorigen Paragraphen, 
war aber in einer geringeren Anzahl von Individuen sichtbar geworden. 
In diesen war sie aber sehr geschwächt, die „Erben“ verhielten sich 
als ziemlich extreme Minus-Varianten der väterlichen Varietät. Ich 
wählte für die Selbstbefruchtung in Pergaminbeuteln fünf Pflanzen 
mit je einem bis drei Nebencarpellen, säte aber nur Samen von zwei 
Früchten (mit einem und mit drei Nebenfrüchtchen) aus, und zwar 
getrennt auf zwei Beeten. 

Diese zweite Bastardgeneration zeigte sich in Bezug auf die 


Papaver somniferum polycephalum Danebrog. 363 


Blüthenfarbe nach den Mexper’schen Gesetzen gespalten, und zwar 
auf beiden Beeten, indem auf 201 Individuen 78 °/, dunkle und 22°, 
weisse Herzflecken hatten. Auch im Bezug auf die Polycephalie ergab 
sich eine Spaltung; es trugen 86°, der Pflanzen keine Neben- 
carpelle, während die übrigen 14°/, die verschiedensten Grade der 
Anomalie zeigten, meist in geringer, bisweilen aber in stärkerer Aus- 
bildung (9°/, mit 1—10 Nebencarpellen, 5°/, mit einem halben bis 
vollen Kranze). Und zwar war die Anomalie ziemlich gleichmässig 
über die Individuen mit dunklen und mit weissen Herzflecken ver- 
theilt. Zwei Pflanzen gab es, welche in jeder Hinsicht Dane- 
brog waren, dabei aber einen vollen Kranz von Nebenfrüchtchen 
trugen, sie bildeten also die Combination, welche das Ziel meiner 
Cultur war. 

Eine von diesen beiden wurde vor dem Oeffnen der Knospe in 
einen Pergaminbeutel gebracht und mit ihrem eigenen Blüthenstaub 
befruchtet. Von ihr stammt meine neue Varietät ab. Diese habe 
ich in den Jahren 1896, 1897, 1898, 1899 und 1901 in vier weiteren 
Generationen ceultivir. In den Jahren 1896 und 1897 hatte ich 
dieselbe Generation aus Samen der Urpflanze von 1895. Diese 
beiden Culturen umfassten etwa 500 blühende Individuen, welche 
alle polycephal waren, und zwar in den verschiedensten Graden, im 
Grossen und Ganzen aber ebenso stark wie die grossväterliche Varietät. 

Die beiden folgenden Generationen waren weniger umfangreich, 
aber ebenso rein Danebrog und polycephal; die Cultur des Jahres 1901 
umfasste 150 Pflanzen, alle Danebrog und polycephal, letzteres wiederum 
in demselben Umfange der Variabilität als die ursprüngliche Sorte. 
Etwa ein Drittel der Individuen hatten schön ausgebildete, lückenlose 
oder doch fast lückenlose Kränze. 

Die neue Varietät war also während vier Generationen in beiden 
Eigenschaften ebenso constant wie die Formen, aus deren Kreuzung 
sie entstanden ist. Sie ist, wie zu erwarten war, ebenso fruchtbar 
als jene, und sie lest offenbar die Vermuthung nahe, dass manche 
Gartenvarietäten, welche zwei oder mehrere, bei anderen Formen 
getrennt vorhandene Eigenschaften verbinden, diese Doppelnatur nicht 
einer wiederholten und parallelen spontanen Abänderung, sondern 
einer Kreuzung verdanken. 

Das Verhalten der dunklen Herzflecken bei den Bastardirungen 
und ihre späteren Spaltungen sind oben ausführlich studirt worden 
(S. 164). Um über das Wesen der Kreuzung der polycephalen Eigen- 
schaft noch genauer orientirt zu sein, habe ich noch einige weitere 
Verbindungen zwischen den fraglichen und verwandten Sorten vor- 


364 Kreuzungen stark variabler Eigenschaften. 


genommen. Die erste fand bereits im Jahre 1892 statt. Das 
gefülltblüthige Papaver somniferum Cardinal wurde castrirt und mit 
dem Staub einer Blüthe mit vollem carpellären Kranz aus meiner 
Rasse befruchtet.! Aus den Samen erzog ich (1893) 43 Pflanzen, 
alle in der Farbe und der Tracht dem Vater ähnlich, aber ohne 
Spur von Nebenfrüchten. Diese kehrten erst in der folgenden Gene- 
ration zurück und zwar in 9°/, der Exemplare. Zu derselben Zeit 
spaltete sich die Blüthenfarbe genau nach den MEnper’schen Gesetzen, 
indem auf 187 blühenden Pflanzen 20°/, Cardinal (aber einfach 
blühend) und die übrigen Mephisto waren. In beiden Gruppen hatten 
einige Pflanzen Polycephalie, andere nicht. Ich wählte zur Selbst- 
befruchtung je eine Pflanze der verschiedenen Typen aus, säte die 
Samen im nächsten Frühling (1595), und erhielt für diese dritte 
(Generation die folgenden Ergebnisse. Eine Mutter, welche in jeder 
Hinsicht Danebrog war und auch keine Nebenfrüchte hatte, zeigte sich 
in beiden Beziehungen als samenbeständig, denn unter 128 blühenden 
Kindern gab es keine Ausnahme. Eine andere Mutter, welche gleich- 
falls Danebrog war, aber ein Nebencarpell hatte, war in ersterer 
Beziehung ebenso constant, brachte aber auf 110 blühenden Nach- 
kommen 31°/, mit Nebencarpellen und 69°/, ohne solche. Auch 
diese Zahlen entsprechen dem Spaltungsgesetze in genügender Weise. 
Die Nebencarpelle waren meist nur 1—5 pro Blüthe, bildeten bis- 
weilen aber einen mehr oder weniger gefüllten Kranz. Als dritte 
Mutter wählte ich einen Mephisto mit einem einzigen Nebencarpell; sie 
ergab sich in ersterer Hinsicht als Bastard, da sie auf 140 blühenden 
Kindern 24°/, Danebrog und 76 °/, Mephisto hatte. In Bezug auf die 
Polycephalie war diese Cultur anscheinend constant, aber mit schwacher 
Ausbildung der Anomalie, da es noch 29°/, Pflanzen ohne Neben- 
früchte gab. Von den übrigen wiesen etwa 30°/, entweder einen 
lückenlosen oder doch wenigstens einen mehr als zur Hälfte gefüllten 
Kranz auf. 

Dieser Versuch wurde hiermit abgeschlossen. Er lehrte, dass 
die Polycephalie in der ersten Generation auch fehlen kann, aus den 
Samen der kranzlosen Individuen dann aber wieder zurückkehrt. 
Die Cultur bestätigt also die Erfahrung Goprox’s, nach der Papaver 
somniferum hortense x P. s. polycephalum in der ersten Generation keine 
Polycephalie, in der zweiten an einem einzelnen Individuum eine 
geringe Umwandlung von Staubfäden in Carpelle zeigte.” Sie lehrt 

! In Bezug auf die Füllung wurde dieser Versuch bereits im vorigen Para- 
graphen besprochen. 

®2 Gopron, Revue des Sc. nat. 1878. Nr. 2. 


Papaver somniferum polycephalum Danebrog. 365 


aber ferner, dass in dieser zweiten Generation theils Individuen vor- 
kommen, deren Nachkommen in der dritten ohne Polycephalie bleiben, 
theils aber solche, deren Kinder die Anomalie wiederum in hohem 
Grade und in zahlreichen Individuen zeigen können. 

Die reciproke Kreuzung habe ich 1893 ausgeführt; sie stimmte 
also mit dem zuerst erwähnten Versuche in Bezug auf die Wahl von 
Vater und Mutter überein. Die Bastarde Mephisto polycephalum x Dane- 
brog waren alle Mephisto, aber obgleich ich deren nur 51 cultivirte (1894), 
gab es darunter einen mit einem ziemlich gut gefüllten Kranz, wäh- 
rend die übrigen keine Nebencarpelle hatten. Ich säte die Samen 
zweier Individuen ohne Nebencarpelle; beide spalteten sich nach den 
bekannten Gesetzen in Mephisto und Danebrog und brachten dabei 
einige Individuen mit 1—10 in Carpelle umgewandelten Staubfäden 
hervor. Ihre Zahl betrug aber nur 6 und 7°/,. Auf einer einzigen 
Blume sah ich einen vollen Kranz von Nebenfrüchtchen. 

Schliesslich habe ich im Jahre 1897 einige Individuen meiner 
im Anfang beschriebenen constanten Bastardvarietät Papaver somni- 
ferum polycephalum Danebrog mit verschiedenen anderen Handelssorten 
gekreuzt, indem ich stets Danebrog-Exemplare mit einem Kranze 
mittlerer Ausbildung als Mütter auswählte. Die Väter waren P. s. 
cardinale flore pleno, P. s. Double grand violet, P. s. nanum album Schwan, 
und zwei Bastarde aus Mephisto polycephalum und einer gefüllten 
Varietät, welche beide stark gefüllt und ohne Kranzfrüchte waren. 
Der eine blühte roth, der andere blassviolett. Wie man sieht, waren 
die Väter alle stark gefüllt und ohne Polycephalie. Die aus diesen 
Kreuzungen gewonnenen Pflanzen waren ausnahmslos ohne Neben- 
carpelle.. Der Umfang der Culturen betrug an blühenden Exemplaren 
105, 71, 107, 105 und 735, zusammen also 461 Individuen.! 

Fassen wir das Mitgetheilte kurz zusammen, so sehen wir, dass 
die dunklen Herzflecken sich den weissen gegenüber in allen Ver- 
suchen in derselben Weise verhalten, wie dieses schon früher (S. 164) 
ausführlich behandelt wurde. 

Die Polycephalie kann in der ersten Bastardgeneration 
völlig fehlen, oder in einzelnen Individuen (bis 22°/,) in 
sehr geringem Grade entwickelt sein (mit 1—3 Nebencarpellen 
pro Blüthe) oder ganz selten in stärkerem Grade auftreten. Die 
obigen Ergebnisse zusammenfassend, finden wir für die erste Bastard- 
generation: 


‘ Die übrigen Ergebnisse dieses Versuches sind im vorigen Paragraphen 
mitgetheilt worden. 


366 Kreuzungen stark variabler Eigenschaften. 


Jahr Anzahl Anzahl Polycephal Grad der 
der Kreuzung der Kreuzungen der Kinder % Carpellomanie 
1893 1 69 22 1—3 Nebencarpelle. 
1893 1 51 1 ziemlich stark gefüllt. 
1892/93 2 204 0 — 
1897 B) 461 0 — 
Summe: 9 785 Mittel: 3 


Die Bastarde der ersten Generation verhalten sich in 
Bezug auf ihre Nachkommenschaft in derselben Weise, un- 
abhängig von der Frage, ob sie selbst einzelne Neben- 
carpelle tragen oder nicht. Beide Formen bringen zum Theil 
polycephale Pflanzen und zum Theil Exemplare ohne Nebencarpelle 
hervor, letztere in der überwiegenden Mehrzahl. Zähle ich alle meine 
Culturen dieser zweiten Generation zusammen, so finde ich 8 Aus- 
saaten mit 828 Individuen, von denen 7—19°/, polycephal waren. 
Also weniger als sich nach dem Spaltungsgesetze erwarten lässt, aber 
da die Versuche namentlich in den Jahren 1894 und 1895 ausgeführt 
wurden, und ich damals geringe Spuren der Anomalie noch nicht 
berücksichtigte, sind die Zahlen wohl etwas zu niedrig ausgefallen. 
Die als polycephal gezählten Individuen hatten meist gut ausgebildete 
Kränze, von einigen wenigen Nebencarpellen zu einem vollen Kranze 
in derselben Weise schwankend wie die gewöhnliche polycephale 
Rasse. Sie stellten oftenbar die Gruppe der Pflanzen mit dem 
recessiven Charakter dar, welche nach Menper ein Viertel der Indi- 
viduen umfassen sollte. Es scheint mir kaum fraglich, dass bei einer 
Wiederholung des Versuches auf Grund der seither gewonnenen Er- 
fahrungen eine genauere Uebereinstimmung gefunden werden würde. 

Unter den Bastarden der zweiten Generation lassen 
sich, bei Selbstbefruchtung, die drei Typen unterscheiden, 
welche auch bei den typischen MEnper-Kreuzungen auf- 
treten. Einige sind constant polycephal, andere constant 
ohne Nebencarpelle, noch andere spalten sich nach Art der 
zweiten Generation. Constant polycephal war in erster Linie die 
neue Varietät P. s. polycepalum Danebrog und zwar in vier Generationen. 
Aber auch in Verbindung mit den Mephisto-Farben erhielt ich in dritter 
Generation Culturen mit ausschliesslich polycephalen Individuen (1897). 
In beiden Fällen wurde dazu aus der zweiten Generation ein Individuum 
mit gut entwickeltem Kranze ausgewählt. Bei Auswahi von Exem- 
plaren ohne Nebencarpelle erhielt ich mitunter ganze Culturen ohne 
Spur dieser Anomalie, und zwar in den Jahren 1595 und 1398 ın 


Retrogressive und degressive Merkmale. 367 


Verbindung mit der Danebrog-Zeichnung. Bastarde ohne oder mit 
wenigen Nebencarpellen zeigen sich in der nächsten, dritten Gene- 
ration meist wiederum als spaltungsfähig, und namentlich im Jahre 1895 
erhielt ich Culturen, in denen 25, 30, 36 und 37°/, der Individuen 
das recessive Merkmal zur Schau trugen. 

So ungenau und unvollständig diese Versuche in Folge der 
Variabilität der Eigenschaft und ihrer hohen Ansprüche an Zeit und 
Raum auch sein mögen, so zeigen sie doch deutlich, dass etwa 
vorhandene Abweichungen von dem MEnveu’schen Spaltungs- 
gesetze. sich aus diesen nebensächlichen Umständen er- 
klären lassen. 

Die Polycephalie des Papaver schliesst sich somit völlig den im 
vorigen Paragraphen besprochenen stark variablen Eigenschaften an. 


VII. Uebersicht der Mexper’schen Bastarde. 


$ 34. Retrogressive und degressive Merkmale. 


Am Schlusse unserer Darstellung der Mexper’schen Spaltungs- 
gesetze und der Beispiele, in denen sie sich bis jetzt als gültig 
zeigten, angelangt, wollen wir versuchen, die gemeinschaftlichen Züge 
dieser ganzen Gruppe aufzufinden. Wir gehen dabei von unserem 
Principe der elementaren Eigenschaften aus, und betrachten die Eigen- 
schaften somit jede für sich, ohne auf ihre Combinationen in den zu 
den Versuchen benutzten Pflanzen zu achten. Oder mit anderen 
Worten, wir behandeln alle Kreuzungen als monohybride. Die Frage, 
wie die einzelnen Eigenschaften sich in ihren Combinationen mit 
anderen verhalten, ist allerdings wichtiger, aber offenbar von com- 
plieirterer Natur und höherer Ordnung, und soll somit erst dann in 
Angriff genommen werden, nachdem in der Kenntniss des Verhaltens 
der Eigenschaften an sich dazu die erforderliche Grundlage gewonnen 
worden sein wird.! 

Ueberblicken wir die ganze Reihe unserer Beispiele, so ist 
zunächst hervorzuheben, dass wir sie in zwei getrennten Gruppen 
vorgeführt haben. In der einen Gruppe stellten wir die typischen 
Fälle zusammen (8 1—14), die andere bezog sich auf Mittelrassen 


! Vergl. den Abschnitt V über die Anwendung der Bastardlehre auf die 
Lehre von der Entstehung der Arten. 


368 Debersicht der Mexper’schen Bastarde. 


(Trieotylen, Syncotylen und die Beispiele der beiden vorhergehenden 
Paragraphen). 

Betrachten wir zunächst jede Gruppe für sich. In den typischen 
Fällen waren die antagonistischen Merkmale der beiden Eltern scharf 
von einander getrennt, und wenn auch jedes in gewissem Grade 
variabel war, so berührte doch der Abänderungsspielraum des einen 
denjenigen des anderen nicht. Für jedes Individuum war es leicht, 
zu entscheiden, ob es zu der 
einen oder zu der anderen der 
elterlichen Stammformen gehörte, 
‘ob es das dominirende oder das 
recessive Merkmal zur Schau trug. 
Das Merkmal aber, das in jedem 
Bastarde vorherrschte, wurde als 
dominirend bezeichnet. 

Die in 8 1—14 behandelten 
Einzelfälle liessen sich in einer 
Uebersichtstabelle zusammenfassen, 
aus der wir hier die Hauptzüge 
zur bequemeren Behandlung wieder- 
holen (vergl. S. 146). 

I. Depigmentation. Latenz 
der Farbe der Blüthen, Samen und 
Früchte und des Laubes (Fig. 72). 
Es handelte sich um die rothen, 
blauen und gelben Farbstoffe, nicht 

aber um das Chlorophyll, und in 
Fig. 72. Amarantus caudatus viridis.  Mullen zusammengesetzter Farben 
Eine rein grüne Varietät einer Art mit O 


rothbraunem Laube, als Beispiel voll- auch um theilweises Fehlen der- 
ständiger, sich über die ganze Pflanze selben. 
erstreckender Depigmentation des Zell- 3 

saftes. II. Denudation. Latenz der 


Behaarung und Bewaffnung. 

III. Defarination. Unterdrückte oder stark verminderte Stärke- 
bildung. 

IV. Theilweiser Verlust der unterständigen Lage des 
Fruchtknotens. 

Diese Uebersicht umfasst zwar nicht alle die behandelten Bei- 
spiele, doch schliessen sich die übrigen ihnen derart an, dass eine 
besondere Behandlung nicht erforderlich ist. 

Vergleichen wir nun diese Tabelle mit unseren Darlegungen im 
ersten Bande tiber die verschiedenen Weisen, in denen neue Arten 


me und degr essive Merkmale. 369 


Ershen können, Wir in N Taupakeihen drei en 
unterschieden, welche durch die Namen der progressiven, der retro- 
gressiven und der degressiven Artbildung angedeutet wurden 
(Bd. I, $7, S. 456). Unter ihnen zeichnete sich die retrogressive 
dadurch aus, dass sie durch das Latentwerden vorhandener 
Eigenschaften zu Stande kam. Und man sieht sofort, dass das 
Charakteristische obiger Aufzählung gerade darin liegt, dass es sich 
nur um latente Eigenschaften handelt. Wir folgern also, dass die 
typischen Fälle Menveu’scher Bastardirungen jene sind, in 
denen die fragliche Eigenschaft in dem einen Elter latent, 
in dem anderen aber activ ist. 

Dabei ist nun stets das active Merkmal dominirend über das 
latente. Das heisst also, dass, wenn im Bastard eine Eigenschaft 
zur Hälfte im activen und zur Hälfte im latenten Zustand vertreten 
ist, die Eigenschaft sich ebenso gut, wenn auch nicht immer ebenso 
kräftig, äussern kann, als wenn sie von beiden Eltern im activen Zu- 
stande ererbt wurde. Dass sie in gewissem Grade abgeschwächt sein 
wird, liest dabei auf der Hand; im Allgemeinen ist solches aber viel 
weniger der Fall, als man wohl erwarten könnte. Nur selten scheint 
die Abschwächung bis zur Hälfte zu gehen, oft ist sie gar nicht 
bemerklich. Doch fehlt es meist an einem genauen Maasse, und die 
Schätzungen der einzelnen Forscher gehen in solchen Fällen bekannt- 
lich oft weit auseinander. 

Die systematische Botanik ee die Rasse mit dem domi- 
nirenden Merkmal in der Regel als die Art, jene mit der recessiven 
Eigenthümlichkeit als die Varietät. Und zwar im Sinne der ab- 
geleiteten oder echten Varietäten, wie wir diese im ersten 
Bande S. 455 kennen gelernt haben. Und so lange die beiden Typen 
sich nur in Bezug auf die fragliche Eigenschaft und nicht 
auch in anderen Punkten unterscheiden, darf diese Auffassung als 
die herrschende betrachtet werden, trotzdem stets von einzelnen 
Forschern die recessiven Typen als Arten beschrieben werden (z. B. 
Chelidonium laciniatum Miwt). Die Artfrage aber werde ich erst in 
einem späteren Abschnitt behandeln. 

Dass die latenten Eigenschaften jünger sind als die 
entsprechenden activen, dafür sprechen die zahlreichen sogenannten 
Verlust-Varietäten. Eine Uebersicht darüber habe ich im ersten 
Bande bei der Behandlung der abgeleiteten Varietäten gegeben (S. 454). 
Man kann aus den dort angeführten und zahlreichen anderen That- 
sachen den Schluss ziehen, dass, wenn zwei elementare Formen sich 
nur oder wesentlich nur darin von einander unterscheiden, dass ein 

DE VrRIEs, Mutation. II. 24 


370 Uebersicht der Mexper’schen Bastarde. 


Merkmal bei der einen vorkommt, bei der anderen aber fehlt, ganz 
gewöhnlich die letztere als Varietät, die erstere aber als der Typus 
der Art beschrieben zu werden pflegt. Mit anderen Worten, dass 
der latente Zustand in solchen Fällen allgemein als jünger angesehen 
wird als der active. Weissblühende und weissfrüchtige Varietäten, 
unbehaarte und unbewafinete Formen und zahlreiche andere bilden 
hier die bekannten Beispiele. 


Allerdings ist es in sehr vielen Fällen augenblicklich noch gar 


nicht möglich zu unterscheiden, ob eine fehlende Eigenschaft unsichtbar 


ist, weil sie gar nicht vorhanden, oder weil sie zwar vorhanden, aber 
latent ist. Ich erinnere an das bereits mehrfach besprochene Bei- 
spiel von Datura Stramonium und D. Tatula; würde man hier die 
blaue Tatula-Farbe in Stramonium als latent betrachten, so hiesse 
dieses offenbar sofort die letztere als Varietät zu der ersteren rechnen. 
(Gerade in solchen Fällen aber erwartet man von der Bastardlehre 
wichtige Stützen, um darauf später eine endgültige Entscheidung 
gründen zu können. 

Ich habe hier diesen Punkt nur angeführt wegen der Frage nach 
dem Dominiren des phylogenetisch älteren Merkmales. Denn die 
systematische Unterscheidung abgeleiteter Varietäten neben ihren Arten 
bedeutet doch so viel, dass allgemein die Art als die ältere, die 
Varietät als die jüngere Form betrachtet wird. Allerdings fehlt in 
der Regel der unmittelbare Beweis, doch darf man hier gewiss nach 
Analogie schliessen. Führt also die Art das active, die Varietät das 
latente Merkmal, und dominirt ersteres im Bastard, so gilt der Satz, 
dass bei den typischen Menveu-Kreuzungen im Bastard das 
phylogenetisch ältere Merkmal dominirt.! 

Wir gelangen jetzt zu den Kreuzungen stark variabler 
Eigenschaften, und stellen zunächst die behandelten Beispiele 
übersichtlich zusammen. 


I. Gestreifte Blumen und Früchte. (Bd.I, S. 489; Bd. II, 
8:32, S. 351.) 
II. Buntblätterigkeit. (Bd. I, S. 597; Bd. I, $ 32, S. 355.) 
III. Gefüllte Blüthen. (Bd.I, S. 547; Bd. II, 8 32, S. 356.) 
IV. Polycephale Blüthen. (Bd.I, S. 98; B. II, 8 33, S. 360.) 


! Und zwar nicht weil es älter, sondern weil es activ ist. Ausnahmen sind, 
wie früher erörtert wurde, voraussichtlich zum wesentlichen Theile als dihybride 
Vorgänge zu erklären. 


—— 


371 


Retrogressive und degressive Merkmale. 


V. Mehrscheibige Blätter (Trifokum). (Bd. I, S. 435; Bd. II, 
8 32, S. 354.) 
VI. Trieotylie und Syncotylie. (Bd. II, 8$ 24, 25 und 31.) _ 
VII. Plantago lanceolat« ramosa. (Bd. I, S. 514; Bd. II, $ 32, 
S. 358.) 


Mit Ausnahme des Chrysanthemum segetum plenum und der ge- 
füllten Compositenkörbehen überhaupt sind somit die wichtigsten 
Beispiele der Mittelrassen, deren Constanz und weite Variabilität wir 
im ersten Bande ausführlich studirt haben, auch auf ihr Verhalten 
bei Kreuzungen geprüft worden. Allerdings nur theilweise in ge- 
nügendem Umfang, da die weit schwereren Versuchsanforderungen 
hier dem Forscher oft eine sehr ungewünschte Beschränkung auf- 
legen. Aber doch so weit, dass ein übereinstimmendes Verhalten für 
alle diese Fälle als gesichert angesehen werden darf. 

Diese Uebersicht haben wir somit mit den im ersten Bande 
unterschiedenen Haupttypen der Artbildung zu vergleichen. Der 
Mittelrasse entspricht die Halbrasse (Bd. I, $ 3, S. 422), in der 
die betreffende Eigenschaft zwar in der Regel latent ist, aber sich 
doch von Zeit zu Zeit äussert und somit der Beobachtung zu- 
gänglich ist. Wir haben sie in diesen Fällen als semilatent von 
den eigentlichen latenten Charakteren unterschieden. Die semilatente 
Eigenschaft muss, um sich zu äussern, eine andere, active Eigenschaft 
überwinden, da sie sich mit dieser nicht gleichzeitig äussern kann, 
wie ja ein Kleeblatt nicht zu derselben Zeit drei und vier Scheiben 
führen kann. 

Diese active und die semilatente Eigenschaft sind somit anta- 
gonistisch, aber in anderem Sinne als bei den Bastarden, wo die 
beiden antagonistischen Merkmale von verschiedenen Eltern ererbt 
wurden, und sich bei der Fortpflanzung wiederum trennen. In der 
Halbrasse sind sie derart verbunden, dass ihr gegenseitiges Verhält- 
niss nur durch eine Mutation umgeändert werden kann. 

Diese beiden antagonistischen Eigenschaften halten sich nun in 
der Mittelrasse das Gleichgewicht (Bd. I, S. 424). Das heisst, dass 
sie unter gewöhnlichen Bedingungen nahezu gleich häufig activ werden. 
Aber sie sind von der Lebenslage, gerade wegen dieses Antagonismus, 
im höchsten Grade abhängig. Dabei begünstigen gute Ernährung 
und sonstige zusagende Umstände die Anomalie (B. I, S. 627), un- 
günstige dagegen das Merkmal der Art. 

Wir wollen, um einen bequemen Ausdruck zu haben, den Zustand 
der die Anomalie bedingenden Eigenschaft in den Mittelrassen semi- 

24* 


372 /ebersicht der Mexper’schen Bastarde. 


activ nennen.! Dieser Name sagt uns also, dass unter mittleren 
Bedingungen die Anomalie etwa in der Hälfte der Fälle sichtbar 
wird, wie z. B. die tricotylen Mittelrassen ohne Auslese aus etwa 
50 °/, tricotylen und etwa ebenso vielen dicotylen Individuen bestehen. 
Das Artmerkmal ist somit in den Mittelrassen gleichfalls nur semi- 
activ. Viele Gartenvarietäten entstehen durch den Uebergang einer 
semi-latenten Eigenschaft in diesen semi-activen Zustand, einen Ueber- 
gang, der auch hier eine Mutation vorstellt, da er plötzlich auftritt, 
und sich nicht willkürlich hervorrufen lässt, wie unsere misslungenen 
Zuchtversuche mit Ranunculus bulbosus, Trifolium incarnatum, den 
facultativ einjährigen Arten u. s. w. gelehrt haben. 

In Bezug auf unsere Unterscheidung von progressiven, retro- 
gressiven und degressiven Artbildungen leuchtet es ein, dass es sich 
in den hier behandelten Fällen um die letztere Gruppe, also um 
degressive Artbildung handelt (Bd. I, S. 456). Denn diese 
kommt durch Activirung latenter bezw. semilatenter Eigen- 
schaften zu Stande (Bd. I, S. 461). Und genau so verhält es sich 
in allen den angeführten Beispielen. Es handelt sich stets um im 
Pflanzenreich mehr oder weniger weit verbreitete Anomalien, welche 
häufig einen atavistischen Charakter tragen, oder aber in anderer 
Weise auf das Vorhandensein latenter Eigenschaften bei den be- 
treffenden Arten hindeuten. 

Wir folgern also: Auch die durch degressive Artbildung 
entstandenen Merkmale verhalten sich bei Kreuzungen ent- 
sprechend den Mexpeu’schen Gesetzen. Es scheint dabei gleich- 
gültig zu sein, ob das semi-active Merkmal, d. h. also die Mittelrasse, 
mit derselben Eigenschaft im latenten oder im semilatenten Zustande 
gekreuzt wird, und wenn man unsere Liste auf S. 370 überblickt, so 
ist es häufig schwer zu sagen, ob in der anderen Stammform bei 
der Bastardirung der fragliche Charakter latent oder semi-latent war. 
Als latent ist es gewiss beim Papaver zu betrachten, wo es sich um 
Polycephalie handelte, denn die von mir benutzten Sorten zeigten 
diese Anomalie in vieljährigen Culturen (selbstverständlich mit Aus- 
nahme der polycephalen Varietäten) nie. Als semilatent dagegen bei 
den Rothkleeversuchen u. s. w. 

In allen bisher beobachteten einschlägigen Fällen dominirt in den 
Bastarden das Artmerkmal über die Anomalie, wenn auch oft mit erheb- 
licher Abschwächung. Und da nach den herrschenden systematischen 


’ Semi-activ bedeutet also nicht dasselbe wie semi-latent, sondern beide 
Ausdrücke sind mehr im Sinne von sub-latent und sub-aectiv aufzufassen. 


om« 


Retrogressive und degressive Merkmale. 313 


Begriffen und nach aller Analogie auch hier die Art allgemein 
für älter als die Anomalie gehalten wird, gilt auch hier die Regel 
von der Prädominanz des phylogenetisch älteren Merkmales.! 

Fassen wir jetzt die beiden anfangs unterschiedenen Haupt- 
gruppen zusammen, so finden wir, dass die durch retrogressive 
und die durch degressive Artbildung entstandenen Eigen- 
schaften den Menpern’schen Gesetzen folgen. In beiden 
Fällen handelt es sich bei den in der Kreuzung verbundenen 
Stammformen um dieselbe Eigenschaft, welche aber in dem 
einen Elter in einem anderen Zustande vorhanden ist als 
in dem anderen.? 

In der Praxis der Bastardversuche ist es bequem, die fraglichen 
äusseren Eigenschaften der Eltern als antagonistische zu bezeichnen 
und von Merkmalspaaren zu reden, und die Bedeutung solcher Paare 
ist durch die neueren Untersuchungen von CORRENS und namentlich 
durch die umfangreichen Studien von TSCHERMAK über allen Zweifel 
erhoben worden. Im inneren Wesen der Sache handelt es 
sich aber wohl niemals, oder doch nur in sehr seltenen 
Ausnahmen, wirklich um Paare von elementaren Eigen- 
schaften, sondern stets um eine einzige Anlage, welche beiderseits 
vorhanden ist, aber in den beiden Eltern in verschiedenen Zuständen 


vorkommt. 
Von diesen Zuständen aber haben wir bis jetzt vier kennen 


! Auch hier offenbar nicht weil es älter ist, sondern wegen des über- 
herrschenden Einflusses der antagonistischen, völlig activen Eigenschaft, mit der 
es verbunden ist. 

® Das ausgesprochene Gesetz muss, wenn es richtig ist, selbstverständlich 
auch im Thierreich gelten. Von zoologischer Seite sind aber diesbezügliche 
Versuche erst in der allerletzten Zeit angefangen worden. L. Cu£xor hat durch 
Untersuchungen an Mäusen für die Farbe die Gültigkeit des Menper’schen Ge- 
setzes bestätigt, indem er die gewöhnliche graue Form mit den Albinos kreuzte. 
Die graue Farbe dominirt, die weisse ist recessiv oder wird dominirt, wie Cu£xor 
es ausdrückt. Die Nachkommen spalten sich, indem 75°/, grau und 25°/, weiss 
sind. Vergl. L. Cu£xor, La loi de MEnDEL et l’heredite de la pigmentation chez 
les souris. Arch. Zool. experim. et generale. No. 2. 1902. Für die übrige z00- 
logische Literatur verweise ich auf W. Barzson’s Schrift: M&xper’s Principles 
of Heredity, 1902, namentlich auf S. 173 und $. 33, und ferner auf W. Bareson 
and E. R. Saunvers, Experimental studies in the physiology of heredity. Journ. 
Roy. Soc. London 1902, namentlich S. 123. In dieser Schrift findet man 
S. 139—142 eine übersichtliche Liste der Merkmale bei Pflanzen und Thieren, 
welche dem Mexper’schen Gesetze folgen. Beide Schriften sind, wie bereits er- 
wähnt, leider erst während des Druckes des vorliegenden Bandes erschienen. 


374 


Der sogenannte Atavismus im Gartenbau. 


gelernt: activ und latent, semi-activ und semi-latent,! und 
diese sind es, deren Wesen die Menper’schen Gesetze bedingt. 

In den Bastarden dominirt somit, für dieselbe innere 
Eigenschaft, der active Zustand über den latenten, und der 
semi-latente bezw. latente über den semi-activen. Bei der 
Bildung der Fortpflanzungszellen der Bastarde aber sind 
die verschiedenen Zustände ebenbürtig; keiner überwiegt den 
anderen, denn sie verlassen einander nach gleichen Zahlen, und ver- 
binden sich bei der Befruchtung mit gleichen Ansprüchen. 

Die Entstehung neuer Eigenschaften führt zu progressiver Art- 
bildung und neuen elementaren Arten (Bd. I, S. 455 und 460); ohne 
Bildung neuer innerer Eigenschaften entstehen aber die abgeleiteten 
Varietäten durch retrogressive und degressive Mutationen.” Die 
letzteren folgen den Mrxper’schen Gesetzen bei ihren Kreuzungen 
mit den betreffenden Arten, und sollte sich diese Regel allgemein 
bestätigen, so würde man umgekehrt die Gültigkeit der Mexper’schen 
Zahlenverhältnisse in Zweifelfällen als ein Argument für die Auf- 
fassung eines Unterschiedes als Varietätsmerkmal betrachten können. 
Doch gehört diese Frage schon nicht mehr dem Gebiete der ele- 
mentaren Eigenschaften, sondern jener viel complicirteren Lehre vom 
Artbegriff' an, und soll somit erst in dem letzten Abschnitt be- 
handelt werden. 


VIII. Der sogenannte Atavismus im Gartenbau. 


$ 35. Die MENDEL’schen Gesetze im Gartenbau. 


Retrogressive und degressive Mutationen spielen im Gartenbau 
bei der Production neuer Formen — falls es sich nicht um Kreuzungen 
handelt — die Hauptrolle. Die ersteren bedingen die sogenannten 
Verlustvarietäten, welche namentlich die Abwechselung in den Blüthen- 
farben hervorbringen, sei es, dass einfaches Weiss an die Stelle einer 
anderen einfachen Farbe tritt, sei es, dass die complicirten Färbungen 


‘ Den mutabelen Zustand der inneren Eigenschaften, wie er in der Prä- 
mutationsperiode entsteht (Bd. I, S. 352), werden wir im nächsten Abschnitt 
studiren; in diesem Zustande gehorchen die Eigenschaften den Mexper'schen 
Gesetzen nicht. Ueber die Möglichkeit weiterer Zustände vergl. Bd. I, S. 424. 

® Hierbei ist an den Satz zu erinnern, dass Varietäten im Grunde nur kleine 
Arten sind. 


Die Mexpezr'schen Gesetze im Gartenbau. 375 


und Zeichnungen der Blüthen zerlegt und in den mannigfachsten 
neuen Verbindungen der einzelnen Factoren vorgeführt werden. Die 
degressiven Mutationen bedingen jene seitlichen Abschweifungen vom 
Typus, welche sich fast überall wiederholen können. So vor Allem 
die bunten Blätter und gefüllten Blumen, und ferner eine Reihe mehr 
oder weniger monströser Bildungen. 

Wendet man hierauf unseren Satz an, dass gerade die retro- 
gressiven und degressiven Merkmale jene sind, welche den MEnper’schen 
Gesetzen folgen, so ergiebt sich, dass diese letzteren im Gartenbau 
eine sehr hervorragende Bedeutung haben müssen. Fast überall darf 
man ihre Wirkung erwarten, und es liegt auf der Hand, dass manche 
bis jetzt nicht verstandene oder unrichtig gedeutete Erscheinung auf 
dresem Wege eine einfache Erklärung finden wird. 

Aus der reichen Fülle der Beispiele möchte ich eins näher be- 
leuchten, weil es auf die herrschenden Ansichten über die Entstehung 
und das Wesen der Arten einen grossen Einfluss gewonnen hat. Ich 
meine die Frage nach dem Atavismus. Das Wichtigste hierüber habe 
ich bereits im ersten Bande (S. 432—523) zusammengestellt und durch 
Besprechung des Atavismus durch sogenannte Knospenvariation, sowie 
durch eine eingehende Behandlung der Erblichkeitserscheinungen bei 
gestreiften Blüthen näher beleuchtet. 

Aber im Gartenbau spielt der Begriff oder vielmehr der Name Ata- 
vismus eine viel bedeutendere Rolle. Eine ganze Reihe von Erscheinungen 
wird mit diesem Namen angedeutet. Ueberall auf den Aeckern, wo 
die Flurblumen im Grossen gezogen werden, um die Samen für den 
Handel zu liefern, sieht man zwischen den Hunderten und Tausenden 
der Individuen einer Varietät hier und dort ein abweichendes Exem- 
plar. Führt dieses den Typus der betreffenden Art, so betrachtet 
man es als einen Rückschlag, und dieser Atavismus ist nach VILMORIN 
der grösste Feind der reinen Culturen. 

Nach meinen Untersuchungen handelt es sich hier aber nicht 
um reinen Atavismus, sondern um die Folgen von Kreuzungen. Und 
die Anwendung der MEnner’schen Gesetze giebt in den meisten Fällen 
eine einfache Erklärung. Namentlich der Satz, dass das Artmerkmal 
gegenüber dem antagonistischen Kennzeichen der Varietät präponderant 
ist. Denn daraus ergiebt sich sofort, dass jede zufällige Kreuzung 
einer Varietät mit dem Staube der betreffenden Art in der Aussaat 
des nächsten Jahres Pflanzen mit dem Artmerkmal hervorbringen 
muss. Und diese bilden die Atavisten des Gartenbaues. 

Den näheren Beweisen für diesen Ausspruch werde ich die fol- 
genden Paragraphen widmen. 


976 Der sogenannte Atavismus im Gartenbau. 


Dabei werde ich an Anberen En unrichtigen Ankdrui 
Atavismus durch einen anderen ersetzen müssen.- Und da es sich 
wohl stets um ein Variiren unter dem Einflusse des Blüthenstaubes 
der Nachbarn handelt, werde ich diese sogenannten Atavisten lieber 
Vieinisten nennen (Vieinus: Nachbar), und die Erscheinung selbst 
als Vicinovariiren andeuten. 


$ 36. Die Reinheit käuflicher Samenproben. 


Mehrfach habe ich hervorgehoben, dass dasjenige, was in der 
Praxis als Variabilität und Atavismus bezeichnet wird, zu einem 
grossen Theile die Folge zufälliger Kreuzungen ist.! Es soll jetzt 
meine Aufgabe sein, diesen Ausspruch näher auszuarbeiten und durch 
Thatsachen und Beobachtungen zu belegen. 

Liest man die besten Werke der Gartenbau-Literatur aus der 
Mitte des vorigen Jahrhunderts, wie z. B. diejenigen von L. Vır- 
MORIN und VERLOT, so findet man, dass diese Verfasser mehrfach die 
Ueberzeugung aussprechen, dass der „Atavismus“, dieser grosse 
Feind aller Culturen, wesentlich durch Kreuzung bedingt 
sei. Hier hat das Wort also offenbar eine ganz andere Bedeutung 
als in unserer Wissenschaft. Es bezeichnet nur die Erscheinung des 
Auftretens älterer Typen in den Saaten neuerer Varietäten, ohne Rück- 
sicht auf ihre Erklärung. In der Biologie verbinden wir aber mit diesem 
Worte den Begriff eines Rückschlages, der durch Vererbung der vor- 
elterlichen Eigenschaften im latenten Zustande verursacht wird, und 
schliessen die Uebertragung fremden Blutes in eine Cultur durch 
Pollentransport davon aus.? 

Diese Anwendung des Begriffes im Gartenbau hat 
aber auf die Frage nach der Constanz und der Entstehungsweise der 
Varietäten gewöhnlich einen grossen, nachtheiligen Einfluss. Denn 
in sehr vielen Fällen ist das sogenannte Fixiren nur ein 
Reinigen von beigemischten Kreuzungsproducten. Da aber 
die meisten Varietäten einer solchen Reinigung mindestens in den 
ersten Jahren nach ihrem Auftreten, und oft noch viel später, be- 
dürfen, so scheint es, dass sie nur allmählich constant werden. Und 
diese Vorstellung von der langsamen Fixirung neuer Formen ist 
einerseits eine wichtige Stütze der Selectionslehre, andererseits ist sie 
durch diese selbst viel weiter verbreitet, als sie es eigentlich verdient. 


ı Vergl. Bd. I, S. 56—58, S. 138 u. s. w. 
? Vergl. die historische Note im ersten Abschnitt, $ 5, 8. 42 dieses Bandes. 


Din Reinheit käuflicher Samenproben. 377 


Aus Den Grunde halte ich es für wichtig, ER man en ine 
die Reinheit der gärtnerischen Producte möglichst klar werde. Die 
allgemeinen Verhältnisse sind ziemlich einfache, sie verbergen aber 
eine Fundgrube neuer Thatsachen, welche früher oder später an’s Licht 
gefördert werden werden, und welche dann voraussichtlich unsere Kennt- 
niss von dem Wesen der Varietäten und Arten sehr erheblich werden 
vertiefen können. Solche Fälle wollen wir hier aber ausschliessen, 
so namentlich die Erscheinungen, welche die Erblichkeit vieler Rassen 
mit gefüllten Blumen darbietet. Abgesehen von dem bekannten Bei- 
spiel der Levkojen giebt es Arten, deren Varietäten mit gefüllten 
Blüthen an sich steril sind, und nur durch Kreuzung mit der ein- 
fachen oder halbgefüllten Form Samen liefern (Petunia, Papaver nudi- 
caule u. Ss. w.). Es liegt auf der Hand, dass in solchen Fällen die 
Samenproben nur einen gewissen Procentsatz, meist etwa die Hälfte, 
an gefülltblüthigen Individuen enthalten. Auch die gestreiften Blumen 
bieten andere Verhältnisse, welche aber bereits im ersten Bande (S. 489) 
besprochen worden sind. 


Bezieht man Samenproben aus den besten Handelsgärtnereien 
des In- und Auslandes, so findet man in Bezug auf ihre Reinheit 
fast überall dasselbe. Die Proben sind praktisch rein, Unrein- 
heiten aus- Nachlässigkeit oder Mangel an Sorgfalt sind sehr selten. 
Manche Proben sind ganz rein; sie geben nur Individuen desselben 
Typus. Andere enthalten etwa 1—3°/, Beimischungen, und dieses 
ist der gewöhnliche Fall. Das Folgende wird zeigen, dass aus diesem 
Grad der Verunreinigung kein begründeter Tadel gemacht werden 
kann, es ist eben das Beste, was in der Praxis, ohne ganz bedeutende 
Preiserhöhung der Waare, zu erreichen ist. 

Wirkliche Verunreinigungen beschränken sich meist auf das Vor- 
kommen anderer Arten derselben Gattung. So fand ich in einer 
Samenprobe von Anagallis eoerulea Samen von A. arvensis, unter Papaver 
umbrosum solche von P. Rhoeas u. s. w.! Bei der Aussaat können 
einzelne Samen auf ein benachbartes Beet übergeweht werden, Mäuse 
sollen mitunter in den grösseren Geschäften Samen verschütten,? und 
Fehler beim Reinigen der Siebe zwischen dem Sieben der einzelnen 


! Meine Samen habe ich stets direct von den grössten Samenhändlern 
Europa’s bezogen. Aber aus Furcht, dass Jemand in meinen Mittheilungen Ver- 
anlassung zu Tadel suchen möchte, muss ich es unterlassen, die Bezugsquellen 
in den einzelnen Fällen namhaft zu machen. 

” Auch mir ist dieses im Anfang meiner Culturen mit Oenothera einmal 
vorgekommen. 


318 Der sogenannte Atavismus im Gartenbau. 


Sorten sind selbstverständlich nie absolut zu vermeiden. Aber alle 
diese Fälle sind ohne Bedeutung. 

Viel wichtiger ist der Umstand, dass die Anforderungen des 
Betriebes, bei der Bestellung, beim Reinigen und bei der Samenernte 
es unerlässlich machen, dass die verschiedenen Varietäten einer und 
derselben Art auf dem Felde dicht oder doch ziemlich dicht neben 
einander ceultivirt werden. Bei meinen Besuchen in die Gärtnereien 
von Erfurt, Quedlinburg u. s. w. hat mich diese Thatsache stets am 
meisten erstaunt, und es hat mir anfangs grosse Mühe gemacht ein- 
zusehen, dass eine Zerstreuung der Varietäten derselben Art auf 
entfernte Theile derselben Gärtnerei die Kosten des Betriebes so 
stark erhöhen würde, dass solches praktisch einfach unausführbar 
ist. Dennoch verhält es sich so. 

Diese Nachbarschaft der verwandten Sorten ist die Ursache der 
in der Praxis erlaubten Unreinheiten. Die Hummeln und Falter 
tragen, wie selbstverständlich, und wie ich auch mehrfach sah, den 
Blüthenstaub von dem einen Beet auf das benachbarte. Kreuzungen 
sind unvermeidlich, und unter der Aussaat des nächsten Jahres, 
d.h. also eines jeden Jahres, kommen überall einzelne Bastarde vor. 

Welchen Antheil werden diese am Bestand der Beete haben? 
Es hängt dieses wesentlich von den Arten ab. Denn .bei freiem 
Inseetenbesuch pflegt Selbstbefruchtung keineswegs ausgeschlossen zu 
sein, sei es, dass die Pflanze zum Theil sich ohne Hülfe befruchtet, 
wie z. B. Oenothera biennis und O. muricata, sei es, dass die Insecten 
den Staub von der einen auf die anderen Blüthen derselben Pflanze 
übertragen, wie in den meisten Rispen und Trauben." Es giebt im 
Gartenbau Arten, welche ohne Vermischung dicht neben einander 
cultivirt werden können, und andere, welche es praktisch gar nicht 
gelingt, rein zu halten. 

Bei ausschliesslicher Selbstbefruchtung können Pflanzen selbst- 
verständlich rein sein, wie z. B. viele Getreidearten. Ich führe als 
Beispiel die Löffelgerste oder Nepaulgerste (Hordeum trifurcatum) an, 
von der ich mehrfach Samenproben geprüft habe; ich fand sie stets 
völlig rein (Fig. 6 und 7 auf S. 40). Auch sonst findet man häufig 
käufliche Samenproben rein, d. h. bei Cultur in nicht zu geringem 
Umfang einförmig ohne Ausnahme.? So fand ich z. B. den Zwergtypus 

! Es wäre sehr wichtig, durch statistische Untersuchungen das Verhältniss 
von Selbst- und Fremdbefruchtung bei der Bestäubung durch Insecten für eine 
Reihe von Pflanzen zu ermitteln. 

® Die Gärtner pflegen ihre Beete rein zu halten, indem sie die Abweichungen 


ausschalten, wo sie sich zeigen; in den Versuchen über die Reinheit lässt man 
selbstverständlich alles zur Entfaltung kommen. 


Die Reinheit käuflicher Samenproben. 379 


von Alyssum maritimum nanum, die Blüthenfarbe von Anagallis grandi- 
flora carnea, von verschiedenen Levkojen, von Phlow Drummondi alba, 
von der gelben, weissgeränderten Sorte von Salpiglossis u. s. w. rein. 
Ebenso war die Form ohne Zungenblüthen von Matricaria Chamomilla, 
also die M. Ch. discoidea, so oft ich sie aussäte, völlig constant 
(Fig. 73 und 74). Sie ist überhaupt so constant, dass sie von vielen 
Autoren als besondere Art M. discoidea D. C. behandelt wird.! 


Fig. 13. Matricaria Chamomilla Fig. 74.. Matricaria Chamomilla 
discoidea. (Kamille). 


4 

In anderen Samenproben fand ich gewöhnlich einen oder einige 
Procente von Beimischungen, welche sich fast stets als andere Varie- 
täten derselben Art ergaben. 


Die Reinigung der Sorten findet auf den grossen Gärtnereien 
während der Blüthezeit auf dem Acker statt. Ich habe, namentlich 


! Prof. Gıarp machte mich darauf aufmerksam, dass sie auch in anderen 
' Merkmalen abweicht. So sind ihre Blüthen vierzählig und diejenigen der ge- 
wöhnlichen Kamille fünfzählig. Die discoödea verbreitet sich in der letzten Zeit 
in Nord-Amerika und im nördlichen Europa sehr stark. Vergl. Jens HELNBoE, 
Vore Ugraesplanters Spredning und Nyt Magazin for Naturv. Bd. 38. 


350 Der IR Atavismus im Gartenbau. 


bei Erfurt, nr nen zu der Zeit Deren um den 
Process im vollen Gange studiren zu können. Fast überall sieht 
man auf den Beeten einzelne Exemplare mit abweichender Blüthen- 
farbe, nicht selten verhältnissmässig viele. Wo Zwergvarietäten culti- 
virt werden, stehen zwischen diesen hier und dort die hohen Art- 
genossen, die anderen weit überragend und somit sehr auffallend, 
wie ich dieses z. B. bei Delphinium Ajacis sah. Ueberall sind in 
den Feldern Arbeiter beschäftigt, solche „Atavisten“ auszuroden. Ich 
sah dieses z. B. bei Dianthus barbatus, Phlocv Drummondi, Digitalis 
purpurea und bei zahlreichen anderen Sorten. Haufenweise sieht man 
die in vollster Blüthenpracht weggeworfenen Pflanzen an den Rändern 
der Aecker liegen. 

Die Reinigung geschieht in der Blüthezeit. Es würde viel zu 
viel Arbeit kosten, jede Pflanze auszumerzen, sobald sie sich als eine 
unechte zeigte. Daraus folgt aber, dass die ersten Blüthen der 
„Atavisten“ bereits eine mehr oder weniger grosse Zahl von Narben 
der echten Exemplare der Varietät befruchtet haben können. Ge- 
langen nun die betreffenden Samen in die Ernte, so ist erstens diese 
nicht völlig rein, zweitens aber muss der Ausleseprocess im nächsten 
Jahre, und so ferner jährlich, wiederholt werden. Es wird ein ge- 
wisser, für die Praxis ausreichender Grad von enlel: erreicht, aber 
kein absoluter. 

Wie gross die Reinheit ausfällt, hängt offenbar theilweise von 
den Eigenschaften der Arten selbst ab. Fallen die ersten Samen 
vor der Ernte ab, so erhöht dieses die Reinheit u. s. w. In anderen 
Fällen gelingt es trotz aller Sorge nicht, die Ernte zu einer guten 
zu machen. Jedes Jahr geht die Sorte zurück, bis sie schliesslich 
aufgegeben wird, wie mir solches z. B. von einzelnen Varietäten von 
Iberis coronaria gezeigt wurde, während andere, z. B. Ib. cor. Empress, 
trotz eines zu grossen Gehaltes an „Atavisten“, doch noch als für 
den Handel geeignet betrachtet wurden. Viele sonst gute Varietäten 
sollen aus dem Grunde, dass es nicht gelang sie zu reinigen, ver- 
lassen und überhaupt nicht in den Handel gebracht worden sein. 

Varietäten, welche bei der Kreuzung sofort ihr Merkmal ver- 
lieren, d. h. solche, deren Eigenthümlichkeit sich recessiv verhält, sind 
weit leichter zu reinigen als andere. Denn die Bastarde sehen gleich 
anders aus, und werden somit stets bei der Auslese entfernt. Daher 
rührt es, dass die weissblüthigen Varietäten den Ruf besonderer 
Constanz haben. Denn ihre Kreuzung mit der Mutterart giebt, so 
weit bekannt, Bastarde, deren Blüthen die Farbe der Art besitzen. 
Bei manchen Arten heisst die eine oder die andere weisse Sorte 


Die Reinheit käuflicher Samenproben. 3sl 


„Die Braut“. So war es z. B. 1891 in Erfurt gelungen, von den 
einfachen Sorten von Dianthus Heddewigii „Die Braut“ völlig zu 
„fixiren“, von den übrigen Sorten aber noch keine einzige. 

Betrachten wir jetzt die Culturen der ursprünglichen Arten. 
Diese sind selbstverständlich Kreuzungen mit ihren benachbarten 
Varietäten ausgesetzt. Aber da das Merkmal zu dominiren pflegt 
und also auch im Bastard vorherrscht, werden die Bastarde auf den 
Beeten von den echten Exemplaren bei der Auslese nicht unter- 
schieden werden können. Sie werden somit nicht ausgemerzt. Ihre 
Samen gelangen in die Ernte, ihr Staub befruchtet die Nachbarn. 
Im nächsten Jahre treten dann Spaltungen ein, welche die statt- 
gefundene Verunreinigung sichtbar machen. Solche Kreuzungen bilden 
offenbar eine der grössten Schwierigkeiten bei der Reinigung. Diese 
kann ja in solchen Fällen nie eine völlige werden; es würde dazu 
erforderlich sein, rein wissenschaftliche Isolirungsmethoden in die 
Praxis einzuführen, und das würde die Waare viel zu theuer 
machen. 

Es liessen sich diese Betrachtungen leicht weiter ausmalen, 
namentlich unter Anwendung der neueren Ergebnisse der Bastard- 
Forschungen. Doch kommt es hier mehr auf die Feststellung der 
Thatsache selbst, als auf ihre Erklärung an. Ich gehe somit jetzt 
dazu über, eine Reihe von Beobachtungen anzuführen, welche ich bei 
der Aussaat von aus dem Grosshandel bezogenen Samenproben über 
ihre Reinheit im Laufe der Jahre gesammelt habe. 

Antirrhinum majus luteum gab auf 44 echten Exemplaren ein 
rothblühendes; A. m. Delila enthielt zwei rothe, ein weisses und zwei 
Exemplare von der Varietät Fürefly auf 43 Pflanzen. Ebenso enthielt 
die Firefly ein Exemplar Delila und zwei rothe auf 39 Pflanzen. Wie 
man sieht, kommt roth, d. h. die Farbe der Mutterart und mehrerer 
Bastarde, unter den Beimischungen am häufigsten vor. Ebenso war 
es bei drei anderen in ähnlicher Weise geprüften Varietäten des 
Löwenmauls. Bellis perennis plena ‚schneeweiss“ wurde vor Kurzem 
in den Samen-Katalogen angeführt „mit 20°/, rother Exemplare“, 
da sie von der rothen Form abstammt. Unter Aussaaten der Var. 
plena fand ich bisweilen die Form mit gestielten Seitenköpfchen (Hen 
and chicken daisy). Begonia semperflorens atropurpurea Vernon, diese 
dunkelbraunrothe Varietät, giebt gewöhnlich einzelne rein grüne 
Exemplare, und es bleibt zweifelhaft, ob diese stets Kreuzungs- 
producte oder bisweilen Beweise wirklicher Inconstanz der Sorte sind. 
Von Calliopsis tinctoria (C. bicolor) sind der gelbe Typus, die Var. 
brunnea und die Var. fistulosa im Handel fast rein, jede von ihnen 


382 Der sogenannte Atavismus im Gartenbau. 


pflegt aber einzelne Individuen der beiden anderen, wenigstens in 
grösseren Aussaaten, zu geben. Iberis umbellata rosea enthielt auf 
100 Pflanzen eine weisse und zehn violette; diese letzteren isolirte 
ich und säte ihre Samen im nächsten Jahre, sie lieferten grossen- 
theils violette Blumen (die Farbe der Art und wohl auch der Bastarde), 
zum Theil aber auch Exemplare der Var. alba und der Var. rosea. 
Papaver somniferum nanum album plenum „Der Schwan“ gab auf etwa 
60 blühenden Pflanzen des echten Typus zwei mit ungefüllten Blüthen 
und eine rothe schöngefüllte; alle drei waren Zwerge. Als ich dann 
einige echte Exemplare mit ihrem eigenen Pollen befruchtete, erhielt 
ich die Schwan-Sorte völlig rein (1894), und seitdem hat sie, im Laufe 
mehrerer Generationen, bei Selbstbefruchtung nie ein abweichendes 
Exemplar hervorgebracht. Scabiosa atropurpurea gab ein blassrothes 
Exemplar. Varietäten von Bäumen und Sträuchern scheinen viel 
schwieriger rein zu halten zu sein, vielleicht einfach aus dem Grunde, 
dass man die „Atavisten“ nicht ausmerzen mag. Sambucus racemosa 
serratifolia gab unter 14 Exemplaren vier echte und zehn der gewöhn- 
lichen Form der S. racemosa. Betula alba laciniata gab nur Pflanzen 
mit ungeschlitzten Blättern auf etwa 20 Keimlingen. 

Es lohnt sich nicht, diese Liste weiter auszuarbeiten. Jedesmal, 
wenn man käufliche Samenproben aussät, kann man sich ein Urtheil 
über deren Reinheit bilden. Die mitgetheilten Beispiele lehren 
aber, dass die Proben sehr oft völlig rein sind, in anderen 
Fällen aber einzelne Samen anderer Typen enthalten. Diese 
sind wohl zumeist Bastarde, und durch Kreuzung im Jahre der 
Ernte auf der betreffenden Gärtnerei entstanden. Zum kleineren 
Theile sind es andere Beimischungen, deren Ursache in Kreuzungen 
früherer Jahre und in den Spaltungsproducten der so gebildeten 
Bastarde zu suchen ist. Gewöhnlich lassen sich die Varietäten sofort 
reinigen, wenn man, im ersten Jahre der Öultur, seine Samenträger 
isolirt oder künstlich befruchtet. Besteht die Gefahr, dass Bastarde 
mit dem Typus der cultivirten Sorte vorkommen, so hat man dann 
die Samen eines jeden Samenträgers für sich zu ernten und zu säen, 
um womöglich an den Spaltungen in der nächsten Generation die 
Bastarde erkennen zu können. Weitaus die meisten Sorten zeigen 
sich bei solchen Maassregeln bald rein und beständig.! 


! Es würde sich lohnen, diese Versuche in grösserem Maassstabe durch- 
zuführen, um etwaige wirklich inconstante Varietäten herauszufinden und näher 
untersuchen zu können. 


Das Vieinovarüiren und die Vieinisten. 383 


$ 37. Das Vicinovariiren und die Vicinisten. 


Nach den Erfahrungen des vorigen Paragraphen bilden zufällige 
Kreuzungen in weitaus den meisten Fällen die Ursache derjenigen 
Erscheinung, welche man im Gartenbau allgemein als Atavismus 
bezeichnet. Die Sorten verlaufen unter dem Einflusse ihrer Nach- 
barn, wie es heisst. Dieses Variiren unter dem Einflusse der Nach- 
barn kann man‘jetzt wohl nicht mehr als Atavismus nennen, es lässt 
sich aber einfach mit dem oben (S. 376) vorgeschlagenen Worte 
Vieinovariiren oder Vicinismus bezeichnen. 

Dieses Vicinovarüren ist eine der bedeutendsten Fehlerquellen, 
sowohl bei älteren als bei neueren Versuchen über die Constanz der 
Arten, und verdient deshalb ein sehr genaues Studium. Denn es hat 
manchen unter den besten Forschern zu Trugschlüssen verleitet oder 
doch wenigstens zu völlig unbewiesenen Behauptungen. 

Ich führe zunächst ein Beispiel an. Einer der berühmtesten 
Botaniker, der sich um die Variabilitätslehre sehr verdient gemacht 
hat, theilt einen Versuch mit, der „die plötzliche Abänderung in einem 
der geschlechtlich erzeugten Nachkommen einer normalen Pflanze“ 
beweisen sollte.! Es galt dem Wallnussbaum, Juglans regia, und dessen 
Varietät laciniata. Unter den Nüssen eines anscheinend völlig nor- 
malen Baumes von J. regia ergab sich bei der Aussaat eine als ein 
Exemplar von J. r. laciniata, eine Handelsform, welche aber in dortiger 
Gegend nicht cultivirt wurde. Wäre es gewiss, dass jener alte Baum 
sortenrein war, so würde die Beobachtung den Schluss wohl recht- 
fertigen; so lange dieses aber nicht untersucht worden ist, beweist 
sie meines Erachtens nichts. Jedes beliebige, in einem Garten unter 
dem Namen ‚„Juglans regia“ cultivirte Exemplar kann ein Bastard 
von dieser und der geschlitztblätterigen Sorte sein. Denn bezieht 
man aus dem Grosshandel Nüsse der J. r. laciniata, so gehen daraus, 
wie ich selbst beobachtete, oft mehr regia- als laeiniata-Exemplare auf. 
Die ersteren sind dann vermuthlich Bastarde, in der Gärtnerei durch 
Kreuzung entstanden. Dass sie auf laciniata- Bäumen gesammelt sind, 
braucht man dafür nicht anzuzweifeln. Solche Bastarde können, nach 
bekannten Analogien,?2 der reinen Sorte fortwährend ganz gleich aus- 
sehen und dennoch aus ihren Samen theilweise die geschlitztblätterige 
Form der Grossmutter reprodueiren. 

Meiner Ansicht nach sind eine grosse Reihe von Angaben über 


1! Berichte d. d. bot. Ges. Bd. IX. S. 215. 
-” Vergl. diesen Abschnitt $ 6 und namentlich die Bastarde des geschlitzt- 
blätterigen und des normalen Chelidonium. S. 145. 


384 Der sogenannte Atavismus im Gartenbau. 


das plötzliche Entstehen von Varietäten aus der Mutterform in dieser 
Weise zu erklären. Selbstverständlich leugne ich nicht, dass die 
betreffenden Formen ursprünglich aller Wahrscheinlichkeit nach durch 
Mutation entstanden sind, aber es gehört mehr dazu, um in den ein- 
zelnen Fällen den exacten Beweis dafür zu liefern. 

Im ersten Bande (z. B. S. 55—57 und S. 138—139) habe ich 
bereits mehrfach hervorgehoben, dass weder das plötzliche Entstehen 


Fig.75. Chrysanthemum segetum fistulosum. Fig. 76. Chrysanthemum segetum fistulosum. 


Rechts ein Köpfchen von oben gesehen, 4 Eine Zungenblüthe in eine vollständige 
mit theilweise unvollständig ausgebildeten Röhre verwandelt. B—E Geringere Grade 
Röhren. der Umwandlung. F Fastnormale Zungen- 

blüthe. 


von Varietäten, noch die behauptete Inconstanz mancher Sorte, noch 
auch die Zunahme der Constanz beim sogenannten Fixiren neuer 
Varietäten bewiesen werden kann, wenn man nicht sehr genau auf 
die Möglichkeit von Kreuzungen Acht giebt. Und zwar namentlich 
auf Kreuzungen in den Generationen, welche vor Anfang des Ver- 
suches gelebt haben. Viele einschlägige Angaben in der Literatur,! 


! Eine Reihe von Beispielen ist von De CAnpoLLe zusammengestellt worden, 
vergl. Geographie botanique Il, 1855. S. 1083. 


Das Vieinovarüiren und die Vieinisten. 335 


welche früher als gute Beweise betrachtet wurden, zeigen sich dieser 
Kritik gegenüber als völlig ungenügend. Denn gerade über den 
Punkt, auf den es ankommt, lassen sie uns im Zweifel. 

Aus den angeführten Gründen werde ich zunächst versuchen, 
das Vicinovariüren direct nachzuweisen und zu zeigen, wie die Be- 
obachtungen im Versuchsgarten die im vorigen Paragraphen gegebene 
Erklärung der Unreinheiten in den grossen Gärtnereien als völlig 
berechtigt erscheinen lassen. 

Eine ganze Reihe von Formen, welche bei völliger Isolirung 
oder künstlicher Selbstbefruchtung sich rein und ohne Rückschlag 
erhalten,! liefern unreine Samen, sobald in einiger Entfernung ver- 
wandte Varietäten oder Arten cultivirt werden. In sehr vielen Fällen 
kann man ohne Mithülfe der Insecten keine hinreichende Ernte für 
umfangreiche Öulturen oder Auslese-Versuche bekommen, wie z. B. bei 
vielen Compositen und Klee-Arten, und es ist dann einfach unmöglich, 
zwei oder mehrere verwandte Sorten in demselben Garten rein zu 
halten. Während mehrerer Jahre hatte ich die Gelegenheit, solche 
Culturen in einer gegenseitigen Entfernung von etwa 100 Meter zu 
machen, aber auch dadurch wird die Reinheit nicht gesichert. 

Als erstes Beispiel nenne ich Aster Tripolium. Von diesem liess 
ich vier Exemplare der Var. alba in 100 Meter Entfernung von einem 
grösseren Beete mit der blauen Stammsorte blühen; andere Astern 
gab es in der Umgebung nicht. Die Samen der vier weissen Mütter 
lieferten 1136 weissblühende Exemplare und ein einziges blaues (1898). 
Polemonium coeruleum album blühte 1897 in einer Entfernung von 
etwa 40 Meter von P. coeruleum,; seine Samen gaben 226 weiss- 
blühende Exemplare und ein blaues; als ich aber im nächsten Jahre 
den Versuch bei besserer Isolirung wiederholte, erhielt ich nur weisse 
Nachkommen. Thymus Serpyllum album blühte in meinem Garten im 
Sommer 1896 in grosser Entfernung des Th. Serpyllum in der syste- 
matischen Abtheilung. Ihre Samen gaben auf 781 weissen ein 
Exemplar mit der Blüthenfarbe der Mutterart. Brunella vulgaris alla 
blühte in meinem Garten zu dicht neben der systematischen Ab- 
theilung in einer Entfernung von nur 25 Meter von der Art; sie gab 
auf 367 Keimpflanzen 72°), grüne weissblühende und 28°/, braune 
violettblühende. Später, bei grösserer Entfernung, gab sie auf etwa 
500 weissen Nachkommen nur ein einziges braunes, violettblühendes 
Exemplar, u. s. w. 

Genau so verhält es sich, wenn man im Freien Samen von einer 


! Für die Beispiele vergl. S 8, S. 463 des ersten Bandes. 
DE Vrıes, Mutation. I. 25 


386 Der sogenannte Atavismus im Gartenbau. 


seltenen Varietät sammelt. Wächst sie in der Nähe der Art, so 
geben ihre Samen oft anscheinend nur diese. So fand ich Exemplare 
von 4Asiter Tripolium album unweit Huizen zwischen der gewöhnlichen 
Sorte in voller Blüthe, und verpflanzte sie nach Amsterdam, um 
später die Samen ernten zu können. Diese gaben 95°/, blaue und 5°/, 
weisse Nachkommen. Erythraea Centaurium album fand ich im Freien 
anscheinend isolirt, unweit Heemskerk. Die Samen gaben 80 blühende 
Exemplare, von denen zwei roth und die übrigen weiss blühten. 

In vielen Fällen habe ich solche Vieinovarianten oder Vieinisten 
isolirt oder künstlich befruchtet. Sie ergaben sich dann als Bastarde 
und sind theilweise im zweiten Abschnitt als Beispiele für die Spal- 
tungen benutzt worden. (Vergl. ausser den genannten auch Viola 
cornuta, Amarantus caudatus u. &.) 

Ist man durch Umstände gezwungen, von einer Art zwei Sorten 
zu eultiviren, so ist es oft geradezu unmöglich, sie rein zu halten 
oder gar die Frage zu beantworten, ob sie völlig constant sind oder 
nicht. Chrysanthemum segetum gehört leider zu den Arten, welche für 
ihre Nachbarn sehr empfindlich sind. Neben meinem Chrysanthemum 
segelum plenum (Taf. VIII und Bd. I, IV $ 22) habe ich vergeblich ver- 
sucht, ©. segetum fistulosum rein zu bekommen. Ob es völlig constant 
sein kann, weiss ich nicht, und da ich die plenum-Cultur nicht auf- 
geben will, werde ich es auch nicht untersuchen können. Bei einer 
Entfernung von 10—20 Meter zeigten beide Sorten viele Vieinisten; 
dabei hatte das 13-strahlige fistulosum theils Exemplare mit 13 offenen 
Zungenblüthen, theils solche mit 21 röhrigen Strahlen, also unter offen- 
barem „Einfluss“ meiner damaligen 21-strahligen Rasse (1896). Als 
ich später die Culturen in einer Entfernung von 100 Meter machen 
konnte, zeigte die 21-strahlige nur noch einmal eine röhrige Pflanze, 
das fistulosum liess sich aber nur bis 97 °/, reinigen (auf etwa 200 
blühenden Pflanzen, 1898). Die Figuren 75 und 76 stellen das 
Varietätsmerkmal des fistulosum dar, welches, wie man sieht, bedeu- 
tender, wenn auch verhältnissmässig seltener fluctuirender Variabilität 
unterliegt (vergl. auch Taf. VIII). Von Agrostemma coronaria alba liess 
ich zwei Exemplare durch Insecten befruchten, während in einer Ent- 
fernung von 100 Meter A. cor. bicolor (weiss mit röthlichem Herzen) 
blühte. Von den beiden alba-Exemplaren säte ich die Samen ge- 
trennt; die eine Probe gab eine ziemlich reine Nachkommenschaft 
(95 °/, alba und 5°/, bicolor auf 174 Ex.); die andere muss ganz zu- 
fällig sehr stark mit dem Pollen der entfernten bicolor beladen worden 
sein, denn sie gab auf 99 Keimpflanzen 68 bicolor und nur 36 alba. 
Und ähnlich in anderen Versuchen. 


Das Vieinovarüren und die Vieinisten. 387 


In allen diesen Versuchen ist es selbstverständlich immerhin mög- 
lich, dass auch ein wirklicher Atavismus hier und dort einen Antheil 
an dem beobachteten Ergebniss hat. Und solches selbst dann, wenn 
Controle-Versuche mit besserer Isolirung auf völlige Constanz hin- 
deuten. Denn eine einförmige Cultur von einigen Hundert oder 
Tausend Exemplaren kann ja nie beweisen, dass nicht auf hundert- 
tausend ein Fall von Rückschlag vorkommen kann. Diese Schwierig- 
keit ist aber dann ausgeschlossen, wenn durch zufällige Kreuzungen 
Artbastarde entstehen, und Jedermann weiss, dass solches von Zeit zu 
Zeit stattfindet. Es bildet ja dieser 
Umstand einen sehr wesentlichen 
Vortheil des Vicinovarlirens auf 
den Gärtnereien. Denn neben der 
Sicherheit, vieles bereits Bekannte 
wegwerfen zu müssen, besteht 
immerhin die Aussicht, gelegent- 
lich eine neue, werthvolle Com- 
bination auf den Aeckern an- 
zutreffen. 

Auch in meinen Culturen 
haben solche Artkreuzungen ge- 
legentlich zufällig stattgefunden, 
und zwar bei bekannter Entfer- 
nung der beiden Eltern. Sie 
lehren, wie leicht einzelne Pollen- 
körner durch Insecten auf einer 
Entfernung von bis 100 Meter und 
mehr auf die Narben verwandter 
Sorten übertragen werden können. Fig. 77. Polemonium eoeruleum album. 
So erhielt ich aus Samen von 
Phaseolus nanus einen Bastard dieser Art mit P. multiflorus, während 
der Vater etwa 20 Meter weit von der Mutterart entfernt war. Ebenso 
aus Früchten von Raphanus Raphanistrum, bei einer Entfernung von 
80 Meter von R. caudatus, einzelne Samen, welche den Bastard lieferten. 
Chrysanthemum segetum, 1395 in geringer Entfernung von C. coronarium 
eultivirt, gab 1896 auf einem Beete von über 400 Pflanzen 170 Exem- 
plare mit dem Typus der Bastarde. Im Sommer 1897 hatte ich 
zwei Pflanzen von Polemonium dissectum album, während in einer Ent- 
fernung von etwa 100 Meter ein Beet von Polemonium coeruleum album 
blühte. Die Samen der ersteren Pflanzen ergaben 126 blühende 
Exemplare, ohne Ausnahme weissblühend; zwei waren aber dem 
25* 


388 Der sogenannte Atavismus im Gartenbau. 


P. eoeruleum ähnlich, während die übrigen die feiner getheilten Blätter 
des P. disseetum trugen (Fig. 77). Es muss somit im Sommer 1897 
ein wenig Pollen von dem einen Beet, trotz der grossen Entfernung, 
auf das andere übertragen worden sein. 

Eine etwas vollständigere Beobachtungsreihe gab mir eine Oultur 
von Brunella vulgaris pinnatifida und B. vulgaris alba. Erstere ist fast 
doppelt so hoch wie letztere und ist an den fiederförmig eingeschnittenen 
Blättern leicht kenntlich; die Pflanzen blühten wie die Mutterart, 
violett. Die weissblühende Varietät hatte ich auf ihre Constanz ge- 
prüft; sie gab nach isolirter Blüthe auf über 500 blühenden Nach- 
kommen keine einzige violette oder sonst abweichende Form. Im 
Sommer 1897 blühten zerstreute Exemplare der alba gleichzeitig mit 
der pinnatifida, aber in verschiedener Entfernung von dieser. Von 
jeder alba wurden die Samen getrennt geerntet und gesät, und im 
nächsten Jahre fand ich 


bei einer Entfernung der Eltern von 2 Meter . . . 6 Bastarde, 
”„ „ „ „ ” „ 5) „ 2 ° ai B) „ 
„ ”„ ” „ „ „ 1 5) „ = 2 > 1 Bastard 


£\ 
„ „ „ „ „ „ \ 6 „ > E ® 1 ” 


Als Bastarde sind hier Pflanzen bezeichnet, welche höher als 
ihre Nachbarn waren, fiederförmig eingeschnittene Blätter und violette 
Blüthen hatten. Die übrigen Exemplare, meist etwa 10 pro Gruppe, 
glichen ihrer weissblühenden Mutter. 

Wie man sieht, finden somit Kreuzungen bei geringer Entfernung 
sehr leicht statt, fehlen aber bei grösseren Zwischenräumen nicht. 

Die in diesem Paragraphen mitgetheilten Beobachtungen lehren, 
dass Culturen durch gegenseitige Entfernungen von weniger 
als 100 Meter nicht derart isolirt werden können, dass sie 
bei freiem Insectenbesuch gegen gelegentliche Uebertragung von Pollen 
und somit gegen Kreuzungen geschützt wären. Bei geringeren 
Entfernungen ist also künstliche Befruchtung unter Ausschluss des 
Inseetenbesuches unerlässlich, wenn man aus seinen Versuchen Schlüsse 
auf etwaigen Atavismus zu ziehen wünscht. 


S 38. Kritik des Gartenbau- Atavismus. 


Zufällige Rückschläge von Pflanzen durch sogenannte spontane 
Variation sind in der Gartenbauliteratur sehr zahlreich verzeichnet 
worden. Bei wildwachsenden Arten scheinen sie dagegen sehr selten 
zu sein, namentlich scheint bei diesen ein Rückschlag durch Knospen- 


Kritik des Gartenbau- Atavismus. 389 


variation, mit Ausnahme des oben behandelten Falles der Bunt- 
blätterigkeit, fast nie vorzukommen. Und Rückschläge aus Samen 
sind im Freien nicht leicht zweifelsfrei nachzuweisen. 

Durchsucht man aber die Literatur mit Rücksicht auf das in 
den beiden vorigen Paragraphen ausgearbeitete Princip des Vicino- 
varlirens, so findet man bald, dass fast überall Zweifel möglich sind. 
Wenigstens in neun Zehnteln der Fälle lässt sich die mitgetheilte 
Beobachtung viel einfacher oder doch ebenso gut erklären, wenn man 
dazu eine Kreuzung annimmt. Und nur sehr selten liegen die Ver- 
hältnisse so, dass diese Möglichkeit wirklich ausgeschlossen wäre.! 

Es liegt kein Grund vor, atavistische Variation bei Fortpflanzung 
durch Samen zu leugnen, und im ersten Bande glaube ich hinreichend 
gesicherte Beobachtungen angeführt zu haben. Hier aber gilt es 
nachzuweisen, dass Vieles, worauf bis jetzt unsere Ueberzeugung 
vom Atavismus beruht, in einfacherer Weise durch Kreuzung erklärt 
werden kann. 

Es sind dabei zwei Fälle zu unterscheiden. Erstens kann die 
Kreuzung stattgefunden haben auf der Mutterpflanze, deren Samen 
man erntete. Die Mutter ist dann genau bekannt, aber die Möglich- 
keit eines anderen Vaters ist nicht ausgeschlossen. So verhält es 
sich allgemein in den Handelsgärtnereien, und ebenso lag die 
Sache in den Versuchen des vorigen Paragraphen. Zweitens kann 
aber die Kreuzung in einer früheren Generation bewirkt worden 
sein, und man hat seine Samen dann auf einem Bastard gesammelt. 
Oben haben wir gesehen, wie gar häufig Bastarde einem ihrer 
beiden Eltern anscheinend völlig gleichen. Es muss somit sehr 
oft vorgekommen sein, dass man thatsächlich einen Bastard vor sich 
hatte, während man glaubte, ein Exemplar einer reinen Sorte zu 
sehen. Oder mit anderen Worten: Vieles, was in der Literatur 
von reinen Sorten angegeben wird, muss in Wirklichkeit an 
Bastarden beobachtet worden sein. Und dieses gilt sowohl von 
plötzlichen Uebergängen bei der Fortpflanzung durch Samen, als von 
der Knospenvariation. 

Wir nennen den ersteren Fall den directen Einfluss des Vicino- 
varlirens und den zweiten den indirecten, und betrachten zuerst den ersten.? 


! Den Atavismus durch Knospenvariation schliesse ich hier aus; vergl. 
darüber S 12 des vierten Abschnittes des ersten Bandes S. 482. 

® In einem oft eitirten Versuch blühte eine Hepatica triloba im Walde blau, 
nach dem Verpflanzen in einen Garten aber roth. Die Vermuthung, dass zwei Exem- 
plare, den beiden Varietäten angehörend, zufällig zusammen verpflanzt wurden, 
scheint die einfachste Erklärung dieser angeblichen spontanen Variation zu sein. 


390 Der sogenannte Atavismus im Gartenbau. 


Manche Neuheit hat man nicht fixiren können, weil sie bei der 
Cultur zwischen ihren Verwandten entweder von Anfang an keine 
echte Nachkommen gab oder doch bald verlief. Das erstere giebt 
Vervor (l. c. S. 35) von Saponaria calabrica nana an, und Aehnliches 
beobachtete Horrmann bei einer Varietät von XNigella hispanica und 
bei Gilia trieolor alba." Ebenso werden häufig Varietäten unter un- 
günstigen Umständen nie völlig rein. So wurde z. B. Nigella damascena 
apetala (d.h. ohne die Nectarien) von Horrmann durch 17 Jahre aus 
Samen fortgepflanzt; unter den 5000 Exemplaren des ganzen Ver- 
suches gab es deren fünf mit Nectarien. 

Aehnliche Fälle giebt es sehr viele. Einige Neuheiten sind 
sofort samenbeständig, sagt HENwRı DE VILMoRIN,? wie alte Rassen, 
das ist aber Ausnahme und keine Regel; weitaus die meisten müssen 
im Laufe der Jahre durch Auslese fixirt (d. h. also gereinigt) werden. 
Und viele hervorragende Gärtner warnen dabei dafür, dass man die 
Umstände doch so viel wie möglich so regeln müsse, dass dieses 
Fixiren ohne zu grosse Schwierigkeiten vor sich gehen könne. Hatte 
doch bereits 1865 VERLoT (l. c. S. 70) die Vermuthung ausgesprochen, 
dass Kreuzung jedenfalls die bedeutendste, wenn nicht vielleicht 
manchmal die einzige Ursache des „Atavismus“ sei. 

Bei Bäumen liegen die Verhältnisse anscheinend viel ungünstiger 
als bei Kräutern; sie scheinen viel schwieriger zu isoliren zu sein, 
oder vielleicht auf noch grösseren Entfernungen gekreuzt zu werden. 
Den bekanntesten Fall bildet die Blutbuche.” STRASBURGER hat von 
einer geschlitztblätterigen Rothbuche gegen 10 °/, geschlitztblätterige 
Keimlinge, von einer Robinia Pseudacacia monophylla etwa 30°), ent- 
sprechende ganzblätterige Pflanzen gezogen.* Trauereschen geben 
bisweilen nur nicht-trauernde Nachkommen, bisweilen auch einzelne 
echte.®° Ebenso gab Orataegus Oxyacantha floribus coccineis fast nur 
weissblühende Sämlinge,® gelbe Kirschen gaben aus ihren Steinen 
meist nur Bäume mit rothen Kirschen.” Gelber Cornus mas gab nur 
!/s gelbe, *!/,, rothe Nachkommen.® Berberis vulgaris purpurea ist 


ı Bot. Zeitung. 1881. S. 378. Ebenso Horrmann, Species und Varietät. 
1869. S. 25 w 8. w. 

®2 Henrı L. pe Vırmorın, L’heredite. 1890. 8. 26— 27. 

3 Vergl. Bd. I, S. 139; ferner Verror, 1. c. S. 54—55; CARRIERE |. c. $. 72. 
Darwın, Variations II. S. 24—26, u. S. w. 

* Das Protoplasma und die Reizbarkeit. 1891. S. 26. 

5 Darwın |. c. 

6 SCHUBELER, vergl. Bot. Jahresber. III. S. 394. 

” pe CanvorLıe, Geographie botanique II. S. 1088. 

8 Ebendaselbst. 


Inconstante Rassen und Varietäten. 391 


aus Samen bisweilen echt, in anderen Fällen aber nur unecht auf- 
gekommen, u. s. w. In allen diesen und zahlreichen weiteren Bei- 
spielen ist die Möglichkeit einer Kreuzbefruchtung nicht ausgeschlossen. 

Dasselbe gilt von anderen Fällen, in denen aber eher anzunehmen 
ist, dass die Samenträger selbst Bastarde waren. So, wenn aus Samen 
derselben Pflanze verschiedene Typen aufgehen, wie es ÜARRIERE 
(l.c. S. 61) von Acer Negundo berichtet, oder wie es von Birnen von 
DecAssnE und vielen Anderen beobachtet wurde.! Und wenn gar 
Knospenvariationen eintreten, liegt es auf der Hand, die betreffenden 
Exemplare für Bastarde zu halten, wenigstens wenn die Abänderung 
eine sogenannte rückschreitende ist. So beobachtete HILDEBRAND, 
dass Exemplare von Rhamnus Frangula, welche der Mutterart während 
vieler Jahre durchaus ähnlich waren, plötzlich Zweige von R. F. asplenii- 
folia und zwar in erheblicher Menge hervorbrachten.” Öranien mit 
gelben und rothen Fruchthälften werden längst als Bastarde mit der 
Citrone betrachtet. Ebenso wohl die Weintrauben mit grünen und 
blauen Sectoren sowie die bekannte sectoriale Variation der Nectarinen. 
Auch bei Aepfeln kommt solches gelegentlich vor. 

Vielfach ist das Auftreten von „Atavisten“ als ein Beweis für 
die bis dahin nur vermuthete Abstammung einer Varietät angeführt 
worden. So wurde Thuya pendula oder filiformis von LAMBERT, 
Warrich und Anderen als eine gute Art betrachtet, bis HooKER 
fand, dass aus Samen dieser Form bisweilen Exemplare von T. orien- 
talis aufgingen.” Solche Schlussfolgerungen sind aber fast nur in 
jenen Fällen zulässig und überzeugend, wo es sich um die so leicht 
und zweifelsfrei zu beobachtende Knospenvariation handelt, und wo 
dazu noch die Möglichkeit eines hybriden Ursprunges der betreffenden 
Pflanze ausgeschlossen ist. 

Ueberhaupt ist somit bei Versuchen über Atavismus in erster 
Linie die Herkunft und die Befruchtung der angewendeten Samen zu 
berücksichtigen, denn sonst können die Schlüsse nie vorwurfsfrei und 
überzeugend sein. 


S 39. Inconstante Rassen und Varietäten. 


Ohne Zweifel giebt es Rassen und Varietäten, welche nicht völlig 
samenbeständig sind, welche jährlich oder doch fast jährlich aus 


ı Jorvdan, Especes affines. 8.12. 

2 Ber. d. d. bot. Ges. Bd. IX. S. 217. Bei Chelidonium ist die geschlitzt- 
blätterige Form recessiv. 

3 Darwın, Variations I. S. 386, wo eine ganze Reihe angeblicher Fälle von 
Atavismus zusammengestellt sind. 


392 Der sogenannte Atavismus im. Gartenbau. 


ihren Samen und Knospen, mit schroffem Uebergang, Atavisten hervor- 
bringen. Aber in den meisten Fällen reichen die vorliegenden Be- 
obachtungen nicht aus, um eine sichere Entscheidung zu treffen. 
Dasselbe gilt von dem sogenannten Fixiren neuer Varietäten, und 
ebenso von dem vereinzelten Vorkommen von Rückschlägen in sonst 
constanten älteren und sehr alten Sorten. 

Ich bin weit davon entfernt, meinen Vorgängern aus diesen 
Ungenauigkeiten irgend welchen Vorwurf machen zu wollen. Denn 
ich weiss aus eigener Erfahrung, wie schwierig es in manchen Fällen 
ist, seine Culturen rein zu halten. Die Kreuzungsverhältnisse sind zu 
complicirte, zum Theil, namentlich in Bezug auf die ihnen folgenden 
Rückschläge, noch durchaus unbekannte. Jedermann, der es versucht 
hat, aus den sogenannten gemischten Samen des Handels eine der darin 
vorkommenden Sorten rein zu erhalten, weiss, wie solches nur zu oft 
mit unerwarteten Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Manche Varietät 
ist leicht und in kurzer Frist zu isoliren und zu reinigen, manche 
aber zeigt nach Jahren von anscheinender Reinheit noch „Rückschläge“ 
zu den anderen Typen der ursprünglichen Mischung. Es liegt dies 
zum Theil daran, dass man in vielen Fällen die Bastarde nicht von 
den echten sortenreinen Exemplaren unterscheiden und sie somit nicht 
vor der Blüthe ausmerzen kann. Ihr Einfluss zeigt sich dann erst 
in der nächstfolgenden Generation. Namentlich wo künstliche Selbst- 
befruchtung zu grosse Schwierigkeiten macht, fällt dieser Umstand 
schwer in’s Gewicht. So weiss Jeder, dass die Farbenvarietäten von. 
Papaver nudicaule selten rein vorliegen, und nur sehr schwer völlig zu 
reinigen sind. So habe ich durch viele Jahre Solanum nigrum nicht 
von S. n. chlorocarpum reinigen können, bis ich fand, dass sie sich 
selbst befruchtet und ich somit die Bastarde von den reinen nigrum- 
Exemplaren trennen konnte.! Celosia cristata und Helichrysum bracteatum 
aus ihren Farbenmischungen einfarbig zu machen und auf die Dauer 
so zu erhalten, gelang mir bis jetzt nicht, obgleich ich es gewiss für 
möglich halte. Agrostemma Githago nicaeensis (blassblüthig) trat anfangs 
fast jährlich in meinen Culturen von 4A. Güthago, welche mit einer 
Saatmischung angefangen waren, auf. Ebenso einzelne weisse Exem- 
plare in dem sonst gelben Chrysanthemum coronarium. Oben habe 
ich bereits mehrere solche Beispiele angeführt. 

Aus ähnlichen Beobachtungsreihen ist in der vorhandenen Literatur 
vielfach auf Inconstanz, oder doch anfängliche Inconstanz, bestimmter 
Varietäten geschlossen worden. Meiner Meinung nach aber mit 


ı Vergl. oben Bd. II, S. 171. 


Inconstante Rassen und Varietäten. 393 


Unrecht. Sie lehren nur, dass es bis dahin nicht gelungen war, 
etwaige Constanz zu beweisen. Und durchsucht man von diesem 
Gesichtspunkte aus die Literatur, so dürfte die Ausbeute an zweifels- 
freien inconstanten Varietäten äusserst gering ausfallen.! 

So wage ich es z. B. augenblicklich nicht, zu entscheiden, ob 
die sogenannten fistulosa-Varietäten der Kompositen völlig constant 
sind. Ich meine die Formen, deren Zungenblüthen in Röhrchen 
umgewandelt sind (Fig. 75, 76 und 78). In gärtnerischer Hinsicht 
sind sie sehr samenbeständig, denn ihre Samen liefern zumeist einen 
sehr hohen Procentsatz an echten 
Nachkommen. Aber einzelne 
„Atavisten“ kamen bei mir stets 
vor, zum Theil gewiss durch 
Nachbarbefruchtung entstanden, 
zum Theil aber vielleicht auch 
auf wirkliche Inconstanz der 
Varietät hindeutend. Und die 
oft erhebliche partielle Varia- 
bilität dieses Merkmales hängt 
vielleicht mit einer solchen In- 
constanz, oder, wie man auf 
Grund der Selectionslehre zu 
Bon pflegt, mit einem un- Fig. 78. Calliopsis tinctoria fistulosa, eine 
genügenden Grade der Fixirung vielleicht nicht völlig constante Handels- 
zusammen. Halbe Röhrchen, varietät. Einzelne Scheibenblüthen sind flach 


ausgebreitet, andere nur zu einem Theile 
fast ganz flache Zungen u. s. w. röhrenförmig. 


wechseln ganz gewöhnlich mit 

den völlig ausgebildeten Röhren ab, wie dieses unsere Fig. 75 
und 76 für Chrysanthemum segetum und Fig. 78 für Calliopsis 
tinctoria zeigen. 

Ohrysanthemum coronarium und ©. carinatum weisen bekanntlich 
einzelne nicht völlig fixirte Varietäten auf;? Convolvulus trieolor grandi- 
florus soll aus Samen stets eine gewisse Anzahl eimfarbiger Blüthen 
geben.” Aquilegia chrysantha grandiflora alba soll gleichfalls nicht 
samenrein sein. Ich kaufte zwei Exemplare, liess sie isolirt blühen 
und erhielt 44 keimfähige Samen, von denen später 31 weiss und 


' Für gestreifte Blumen und bunte Blätter verweise ich auf die bezüglichen 
Paragraphen (IV, $$ 17—20 und 28) des ersten Bandes. 

* VILMoRIN- AnDRIEUX, Les fleurs de pleine terre. S. 258—259. Weitere Bei- 
spiele bei Horrmann, Botan. Zeitung. 1881. 

° VILMORIN- AnDRIEvK, 1. c. S. 157. 


394 Der sögenanmis Atavismus im Gartenbau. 


13 gelb blühten. es geben käufliche ee Dive zu 
viele unechte Exemplare; so gab z. B. Papaver somniferum nanum 
„ardoise“ etwa zu einem Viertel weissblühende Individuen, und Papaver 
nudicaule eoccineum flore pleno nur einfach blühende. Alle solche Fälle 
bedürfen noch einer eingehenden Untersuchung. Zumeist werden die 
Sorten, bei ausreichender Isolirung, wohl samenrein sein, aber hier 
und dort wird man unter ihnen doch auch Varietäten mit unvoll- 
ständiger Erblichkeit erwarten dürfen. 

Zum Schlusse noch Einiges über das sogenannte Fixiren neuer 
Varietäten.! Genaue Angaben findet man darüber, wenn man die 
gärtnerischen Kreuzungsversuche ausschliesst, in der Literatur nur 
sehr wenige. Im Sommer 1891 besuchte ich verschiedene Gärtnereien 
um Erfurt, und hatte die Gelegenheit, einige künftige Neuheiten zu 
sehen (Bd. I, S. 56). So sah ich in einem Geschäft eine neue Farben- 
varietät einer Levkoje (chamoisfarbig), von der im vorigen Jahre eine 
einzige Pflanze zufällig gefunden worden war. Jetzt war die Cultur 
zu 10°/, echt, und man hofite im nächsten Jahre auf 20°), 
kommen u. s. w. Die neue Sorte wurde aber in unmittelbarer Nähe 
der überwiegenden Menge der älteren Varietäten cultivirt. Ohne 
Zweifel hätte man das Fixiren (Reinigen) beschleunigen können, wenn 
es möglich gewesen wäre, sie besser zu isoliren. Auf einer anderen 
Gärtnerei sah ich einen neuen Typus von Convolvulus trieolor mit 
eigenthümlich geformten Blumen. Er war gleichfalls im vorigen Jahre 
in einem einzelnen Exemplare zufällig aufgetreten. Von den fünfzig 
Exemplaren, welche am Tage meines Besuches blühten, war nur ein 
einziges dem neuen Typus der Mutter treu geblieben. Noch schlechter 
stand es mit einer Olarkia elegans, von welcher Art im vorigen Jahre 
eine Pflanze eine in’s Blaue spielende Blüthenfarbe gezeigt hatte. Aus 
ihren Samen waren etwa 25 Individuen hervorgegangen, von denen 
kein einziges die Varietät wiederholte. Mein Führer betrachtete 
dementsprechend die Aussicht auf Fixirung als völlig verloren, und 
man hatte nicht die Absicht, den Versuch weiter fortzusetzen. Man 
wusste damals noch nicht, dass in einem solchen Falle die sogenannten 
Atavisten, welche ja Bastarde sind, aller Wahrscheinlichkeit nach im 
nächsten Jahre die neue Varietät zurückgeben würden, und zwar in 
ziemlich bedeutender Menge.” Und vermuthlich sind gar häufig Neu- 
heiten verloren gegangen, weil man dieses Ueberspringen einer Gene- 
ration bei den Bastarden nicht kannte. Ein Papaver somniferum 


ı Nederlandsch Twinbouwblad. 1891. Nr. 44. 8. 354. 
® Bei einer gegenseitigen Befruchtung zu etwa 25 °/,; vergl. oben. 


Imconstante Rassen und Varietäten. 395 


floribus plenis hatte im vorigen Jahre Blüthen getragen mit weissem 
Herzen und mit feingeschlitztem violettgefärbtem Rande der Blumen- 
blätter. Aus seinem Samen waren etwa 50 Pflanzen aufgegangen. 
Sie variirten in allen Richtungen, aber kein einziges hatte den mütter- 
lichen Typus wiederholt. Von einer anderen Varietät der nämlichen 
Art war zufällig eine weissblühende Abweichung aufgetreten; ihre 
Samen wiederholten diese aber nur in einem Exemplare unter einem 
Dutzend anders gefärbten. 

Die Culturbedingungen für das Fixiren von Neuheiten sind in 
den grossen Geschäften ungünstige. Weitaus die meisten Neuheiten 
werden von Liebhabern isolirt und „fixirt“,! diese können sie aber 
selbst nicht mit Vortheil in den Handel bringen und verkaufen sie 
deshalb den grösseren Firmen, welche dabei das Recht bekommen, 
sie unter ihrem eigenen Namen (d. h. dem Namen der betreftenden 
Firma) in die jährlichen Kataloge aufzunehmen. Mittheilungen über 
die gemachten Erfahrungen werden aus diesem Grunde nur selten 
veröffentlicht. 


® Vergl. den ersten Abschnitt Bd. I, S, 56. 


Dritter Abschnitt. 


Die Mutationskreuzungen. 


I. Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


S$S 1. Mutationskreuzungen in der Gattung Oenothera. 


Im ersten Abschnitte dieses Bandes haben wir gesehen, dass die 
Kennzeichen der Pflanzen bei Kreuzungen nicht alle denselben Gesetzen 
folgen. Fast überall traten dabei zwei verschiedene Typen in den 
Vordergrund, welche wenigstens eine Trennung in zwei Hauptgruppen 
unabweislich erscheinen liessen. Die eine Gruppe umfasste die con- 
stanten, die andere die inconstanten Eigenschaften. Als constant aber 
wurden dabei jene bezeichnet, welche von den Nachkommen der 
Hybriden unverändert ererbt wurden, welche also von Generation zu 
Generation mit demselben Typus übertragen wurden, den sie in den 
unmittelbar aus der Kreuzung hervorgegangenen Individuen hatten. 
Die inconstanten aber, obgleich gewöhnlich in der ersten Generation ein- 
förmig, ohne Abwechselung, zeigten eine solche in der zweiten und den 
folgenden Geschlechtern, indem hier die im ursprünglichen Bastard 
latenten Merkmale wiederum sichtbar wurden und sich in der mannig- 
faltigsten Weise untereinander und mit den dominirenden verbanden. 

Einzelne Fälle haben wir kennen gelernt, in denen alle 
Eigenschaften eines Bastardes constant waren (1, $ 8, S. 66), 
andere, in denen alle Eigenschaften in den Nachkommen 
die soeben umschriebene Spaltung aufwiesen. Aber diese 
beiden Gruppen bildeten nur die Extreme der Reihe, welche ganz 
vorwiegend aus Bastarden bestand, in denen Eigenschaften von beiden 
Typen zu gleicher Zeit neben einander vorkamen. Gerade diese Er- 
fahrung war es, welche uns im ersten Abschnitt jedes Mal mahnte, 
den Bastardtypus nicht als ein einheitliches Ganzes zu betrachten, 
sondern vielmehr unser Augenmerk auf seine einzelnen Componenten 
zu richten. 


Mutationskreuzungen in der Gattung Oenothera. 397 


Im vorhergehenden Abschnitt haben wir die inconstanten Merk- 
male ausführlich studirt. Es ergab sich dabei, dass die Annahme, 
dass jedes Mal die beiden antagonistischen Kennzeichen im Bastard 
vorhanden seien, durchaus unabweisbar war. Nur war das eine activ, 
das andere latent. Aber dieser Unterschied war nicht einmal ein 
absoluter. Vielmehr verrieth sich die Anwesenheit des latenten Merk- 
males gar häufig durch eine Abschwächung in den Aeusserungen des 
activren, und in einzelnen Fällen war die Abschwächung eine so 
starke, dass man ohne die Vergleichung verwandter Beispiele kaum 
unterscheiden konnte, welches von beiden dominirend und welches 
recessiv war. 

Bei der Production der Sexualzellen aber verhielten sich die 
beiden antagonistischen Eigenschaften als gleichwerthig, denn die 
Aussicht der latenten, sich in den Kindern activ zu entfalten, war 
genau ebenso gross wie die Aussicht der activen, in den Nachkommen 
rein und mit Ausschluss ihres Antagonisten aufzutreten. Wo diese 
Erscheinungen rein und von anderen Einflüssen ungetrübt auftraten, 
stellten sich somit die beiden entgegengesetzten, im Bastard ver- 
bundenen elterlichen Eigenschaften als erbgleich heraus. 

Die Spaltungen bei der Production der Nachkommen der Misch- 
linge folgten einfachen Gesetzen, und ich habe versucht zu zeigen, 
dass diese im Grossen und Ganzen dort gelten, wo die eine der 
gekreuzten Formen zu der anderen in demjenigen Verhältnisse steht, 
welches wir im ersten Bande als retrogressive und als degressive 
Artbildung kennen gelernt haben. Allerdings reicht das vorhandene 
Erfahrungsmaterial bei Weitem nicht aus, um diesen Satz in allen 
Einzelheiten zu prüfen, und ist die Möglichkeit von Ausnahmen einst- 
weilen nicht zu leugnen, doch deutet alles bis jetzt Bekannte darauf 
hin, dass zwischen der gegenseitigen Verwandtschaft und den Folgen 
der Kreuzung eine dem aufgestellten Satze entsprechende Beziehung 
obwaltet. 

Ebenso wenig, wie alle Artbildung eine retrogressive oder eine 
degressive ist, ebenso wenig spalten sich alle Bastarde oder 
alle Eigenschaften der Bastarde in den Nachkommen. Viel- 
leicht die meisten, und gewiss die wichtigsten, tiefer im Wesen der 
Pflanze begründeten Eigenschaften spalten sich nicht, sondern zeigen 
sich in den auf einander folgenden Generationen so, wie sie bereits 
in der ersten waren. Solche Eigenschaften bilden somit eine in sich 
geschlossene Gruppe, welche den spaltbaren gegenüber zu stellen und 
getrennt von jenen zu studiren ist (vergl. den nächsten Abschnitt). 

Die Variabilität der Bastarde hat von jeher auf die Gärtner und 


39 


[eo 


Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


Liebhaber, und in derselben Weise auf die Forscher, eine besondere 
Anziehungskraft ausgeübt. Ihr gegenüber traten die constanten Eigen- 
schaften der Hybriden nur allzu leicht in den Hintergrund. Dazu 
kommt, dass sie aus verschiedenen Gründen sich weniger leicht für 
ein eingehendes Studium eignen, theils gerade weil sie so wenig Ab- 
wechselung bieten, theils weil die Abstufungen, in denen sie sich 
zeigen, bis jetzt vielfach auf dem Gebiete der Schätzung, statt auf 
jenem der Messung liegen. Die Schwierigkeiten der Orientirung und 
der Forschung sind also hier erheblich grösser als dort, wo man auf 
den von MEnDEL gebahnten Wegen so sicher fortschreiten kann. 

Neben diese beiden Gruppen von Bastardirungen ist eine neue 
Abtheilung zu stellen, welche ich hier unter dem Namen der 
Mutationskreuzungen behandeln werde. Als solche bezeichne 
ich die hybriden Verbindungen zweier Typen, deren einer 
augenblicklich mutabel ist und den anderen mehr oder 
weniger regelmässig hervorbringt. Hier ist das genetische 
Verhältniss der beiden Stammeltern somit experimentell bekannt. Es 
soll dabei einstweilen gleichgültig sein, ob die Mutationen im Sinne 
des Fortschrittes stattfinden oder in demjenigen des Rückschrittes 
oder der seitlichen Ausbildung, mit anderen Worten: ob es sich um 
progressive, retrogressive oder degressive Mutationen handelt (vergl. 
Bd. I, S. 460). 

Unsere Oenothera Lamarckiana und ihre Abkömmlinge bieten die 
(selegenheit, diese Mutationskreuzungen einer eingehenden Prüfung 
zu unterwerfen. Und wie die Vorgänge des Mutirens selbst eine in 
sich geschlossene Gruppe von Erscheinungen eigener Art bilden, so 
ist es auch mit den Mutationskreuzungen. Ich beschreibe also 
zunächst meine diesbezüglichen Versuche, um erst nachher die Frage 
in Angriff zu nehmen, wie sich die Mutationskreuzungen einerseits 
bei retrogressiver Artbildung, an die Mexper’schen Fälle, andererseits 
aber, bei progressiven Mutationen, an die Production constanter Bastard- 
rassen anschliessen. 

Wenden wir auch hier unser Princip an, vom Einfachen zu dem 
Complieirteren allmählich hinaufzusteigen, so fangen wir mit jenen 
Fällen an, wo die Unterschiede der zu kreuzenden Formen am 
wenigsten zahlreich und am einfachsten zusammengesetzt sind. Im 
ersten Bande habe ich vielfach, und namentlich bei der Beschreibung 
von Oenothera lata (5. 287) darzuthun gesucht, dass jede meiner neuen 
Arten sich nur durch eine einzelne innere Eigenschaft von der Mutter- 
art unterscheidet, und nur durch eine einheitliche Mutation aus ihr 
hervorgegangen ist. Allerdings äussert sich eine solche innere Anlage 


Mutationskreuzungen in der Gattung Oenothera. 399 


gar oft in vielen, nicht selten in nahezu allen Organen der neuen 
Sorte, und kann man neben der primären Aeusserung eine Reihe 
von secundären Merkmalen unterscheiden, welche sich aber alle auf 
dasselbe innere Princip zurückführen lassen. 

Die Kreuzungen zwischen der Oenothera Lamarckiana und ihren 
Abkömmlingen sind also, trotz der bedeutenden Verschiedenheit, 
monohybride im reinen Sinne des Wortes (vergl. oben II, $1, S. 111), 
und sollen also den Ausgangspunkt für unsere Studien bilden. Ihnen 
schliessen sich die künstlichen Verbindungen zweier Abkömmlinge 
als dihybride Kreuzungen an.! 

Wie bei den Menper’schen Bastarden hat das Studium der ersten 
Generation voranzugehen, obgleich thatsächlich das Verhalten in den 
nachfolgenden das Wichtigste und eigentlich Entscheidende ist. Dazu 
kommt hier, dass der Nachweis der Öonstanz allerdings umfangreiche 
Versuche erfordert, dass aber zu deren Beschreibung und Erörterung 
wenige Worte genügen. Die erste Generation zeigt sich gar 
häufig, und namentlich bei den Kreuzungen meiner Oenotheren 
ganz gewöhnlich, als nicht einförmig. Sie umfasst meist 
zwei Typen, wenn die Kreuzung eine monohybride war, indem 
die beiden elterlichen Formen unter den Bastarden getrennt auftreten. 
Und bei dihybriden Kreuzungen pflegt dann der grossmütterliche 
Typus der Oen. Lamarckiana selbst als dritter hinzu zu treten. Solche 
Bastardgenerationen sind dann trimorph, wie dieses z. B. auf 
Tafel I für die erste Generation aus Oenothera lata x Oenothera nanella 
dargestellt worden ist.? 

Jeder der Bastardtypen zeigt sich in diesen Fällen als constant 
in seinen Nachkommen, wie solches unten in $ 7 nachgewiesen werden 
soll.” Ihre Bastardnatur geht nur aus ihrer Eintstehungsweise, nicht 
aus ihren sichtbaren Eigenschaften hervor. 

Diese constanten Bastarde verhalten sich aber in ge- 
wissem Sinne den Merxpen’schen genau entgegengesetzt. 
Denn bei ihnen ist die erste Generation oft mehrförmig, 
während die späteren keine Spaltungen zeigen, im Gegensatz 


! In meiner vorläufigen Mittheilung über diesen Gegenstand habe ich unter 
dem Titel Erbungleiche Kreuzungen die Kreuzungen in der Mutationsperiode der 
Oenothera Lamarckiana mit einigen anderen Bastardirungserscheinungen zusammen- 
gefasst, welche von den oben behandelten „typischen Bastardspaltungen“ unseres 
II. Abschnittes, $ 1—15 mehr oder weniger abweichen. Vergl. Berichte d. d. bot. 
Ges. 1900. Bd. XVII. 8. 435. 

® Vergl.,oben über den Atavismus. Bad.IlI, $5, 8. 43. 

® Ueber mögliche Ausnahmen von dieser Regel vergl. weiter unten. 


400 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


zu der Einförmigkeit der Mexper’schen Hybriden in dem ersten und 
ihrer Vielgestaltigkeit in den folgenden Geschlechtern. Oder mit 
anderen Worten: was bei den Merxper’schen Bastarden erst die 
zweite Generation zu leisten vermag, kann hier bereits in der ersten 
beobachtet werden. Und es leuchtet ein, dass dieses einen principiellen 
Unterschied darstellt. 

Ist die erste Generation mehrförmig — pleiotyp im Gegensatz 
zu monotyp —, so pflegt das numerische Verhältniss der verschie- 
denen Typen weder constant, noch, wie bei MENDEL, von einfachen 
Wahrscheilichkeitsgesetzen beherrscht zu sein. Im Gegentheil 
wechselt es von einem Versuch zum anderen, und zwar in viel 
weiteren Grenzen, als solches durch Beobachtungs- und Rechnungs- 
fehler möglich ist. Dieses Verhältniss verdient somit eine sorgfältige 
Berücksichtigung. Um Wiederholungen zu vermeiden, soll es mit 
einem einfachen Namen belegt und wie oben (II, $1, S. 117) als 
Erbzahl angedeutet werden. Die Erbzahl einer Art oder Varietät 
bei einer Kreuzung ist somit die Anzahl der Exemplare, welche 
den Typus dieser Art oder Varietät, bezw. die aus diesem Typus 
in Betracht gezogene Eigenschaft zur Schau tragen. Und offenbar 
ist diese Erbzahl in der Regel in Procenten der ganzen Cultur aus- 
zudrücken. | 

Diese wechselnden Erbzahlen können in manchen Fällen bis 
auf 0 hinabsteigen. Dann geht offenbar die Pleiotypie der ersten 
Generation in Monotypie über, und ist die letztere nur als ein extremer 
Fall der ersteren aufzufassen. Ueberall, wo die erste Generation 
in einigen Hunderten von Exemplaren gleichförmig ist, ist somit, 
wenigstens bis auf Weiteres, die Möglichkeit anzunehmen, dass sie, 
bei grösserem Umfang der Cultur, dennoch mehr als eine Form auf- 
weisen würde. Ob es neben dieser empirischen Monotypie auch noch 
eine principielle, bei jedem Umfange der Cultur bleibende giebt, ist 
zwar nicht unwahrscheinlich, muss aber einstweilen dahingestellt 
bleiben. 


$ 2. Die Erbzahlen von Oenothera lata. 


Die Oenothera lata ist eine der am häufigsten auftretenden und 
am leichtesten kenntlichen neuen Arten, welche in meinem Versuchs- 
garten aus der Oen. Lamarckiana entstanden sind.! Sie ist fast in allen 
Organen und Eigenschaften deutlich von der Mutterart unterschieden. 


ı Vergl. Bd. I, S. 287—298 und Fig. 88, $8. 288; Fig. 92, S.295. Ferner 
Bd. I, Fig. 46, S. 169 und Bd. II, Tafel I, Fig. 1. 


Die Erbzahlen von Oenothera lata. 401 


Sie bietet für Kreuzungsversuche zwei wichtige Vortheile. Denn 
erstens ist sie rein weiblich (Bd. I, S. 293) und bedarf daher der 
Castrirung nicht,! zweitens sind ihre Keimpflanzen schon am ersten 
oder zweiten Blatt mit Sicherheit zu erkennen (Bd. I, S. 294) und 
können die Saaten also bereits in den Keimschüsseln ausgezählt 
werden. Diesen Vorzügen gegenüber stehen aber zwei Nachtheile, 
erstens die Unmöglichkeit reciproker Kreuzungen, und zweitens die 
fast stets geringe Samenernte (vergl. Fig. 101 auf S. 321 des ersten 
Bandes). Der letztere Umstand beeinträchtigt wesentlich die Genauig- 
keit der Erbzahlen, und es bedarf somit umfangreicher Versuche, um 
die Ergebnisse aus diesen über allen Zweifel zu erheben. 

Wegen des Mangels an gutem Blüthenstaub ist jede Befruchtung 
der O.lata zugleich eine Kreuzung. Und da ich stets die Samen von 
jedem Individuum besonders ernte und aussäe und bei der Kreuzung 
die in der Aussaat vorhandenen Lata-Exemplare zähle, so besitze ich 
aus fast allen Jahren meiner Cultur eine oder mehrere Erbzahlen 
dieser Pflanze. Im Jahre 1898 habe ich aber eine grössere Anzahl 
von Lata-Pflanzen künstlich befruchtet, um unter möglichst gleich- 
föormigen Verhältnissen eine Uebersicht über diese Erbzahlen zu er- 
halten. Es waren zwei Versuche mit Lata-Exemplaren von verschie- 
dener Herkunft, ‘und ich werde diese jetzt zuerst beschreiben. 

Für den ersteren Versuch wählte ich Lata-Pflanzen, deren Eltern 
O. lata und O, nanella waren, welche Eltern selbst als Mutanten aus 
der ersten Lamarckiana-Familie im Jahre 1896 entstanden waren. 
Sie gehörten somit zu den in dem Stammbaume dieser Familien für 
jenes Jahr aufgezählten Exemplaren (Bd. I, S. 157). Die Befruchtung 
dieser Lata-Pflanzen mit dem Blüthenstaub der O. nanella hatte in 
Pergaminbeuteln stattgefunden; die Samen wurden erst 1598 aus- 
gesät. Unter den Keimpflanzen waren etwa ein Drittel O. lata, diese 
wurden zusammen auf ein besonderes Beet gepflanzt. Zur Blüthezeit 
wurden sie künstlich in Pergaminbeuteln befruchtet, und zwar jedes 
Exemplar stets mit dem Staub einer selben Pflanze von ©. Lamarekiana. 
Diese waren dazu mit correspondirenden Nummern belegt.” Sie waren 
keine direeten Nachkommen des reinen Lamarckiana-Stammes — 


1 Aus demselben Grunde sind alle Lata- Pflanzen Bastarde, und zwar meist 
zwischen ©. lata und ©. Lamarckiana. Ueber den Einfluss dieser Thatsaclıe 
auf die Erklärung der unten mitzutheilenden Versuchsergebnisse vergleiche man 
im fünften Abschnitt den $7, über die Entstehung neuer Arten als Bastarde. 

? Den Blüthenstaub für Oenothera- Kreuzungen entnehme ich stets den noch 
geschlossenen Knospen am Tage vor der Entfaltung. Die Antheren sind dann 
bereits geöffnet und der Staub ist ganz rein. 

DE Vries, Mutation. I. 26 


402 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


solche waren damals für meinen Versuch nicht vorhanden — sondern 
aufgegangen aus Samen von Lamarckiana-Pflanzen, welche selbst aus 
Samen von O. seintillans entstanden waren, und zwar aus der zweiten 
Generation der in der zweiten Lamarckiana-Familie (Bd. I, S. 184) 
entstandenen Pflanze. Diese Abstammung hat aber für unseren Ver- 
such keine weitere Bedeutung; die betreffenden Väter verhielten sich 
in jeder Hinsicht wie Lamarckiana-Pflanzen reiner Abstammung. 

Es wurden im Sommer 1898 für diesen Versuch 28 Lata-Pflanzen 
mit ebenso vielen Lamarekiana- Exemplaren mit gutem Erfolg gekreuzt. 
Die Samen wurden für jede Mutter getrennt geerntet und im Früh- 
ling 1899 in Schüsseln ausgesät. Die Keimpflanzen wurden von Zeit 
zu Zeit durchmustert, und diejenigen, welche unzweifelhaft lata oder 
Lamarckiana waren, ausgezogen, gezählt und aufgeschrieben. Die 
Mutanten, welche dabei gefunden wurden, sind im ersten Bande er- 
wähnt worden. Nach einigen Wochen waren alle Keimlinge gezählt. 

Es waren im Ganzen 3139 Keimpflanzen, von denen 695, also 
22°/,, O. lata waren. Die übrigen waren, mit Ausnahme einzelner 
Procente von Mutanten, alle ©. Zamarckiana. Also nahezu ein 
Viertel O. lata und drei Viertel O. Lamarckiana. Vorgreifend 
bemerke ich hier, dass dasselbe Verhältniss im Wesentlichen bei den 
übrigen Versuchen mit O. lata wiedergefunden wurde. 

Zu den Einzelheiten des Versuches übergehend, ist zunächst zu 
erwähnen, dass die Nachkommenschaft sämmtlicher Kreuzungen zwei- 
förmig war; es kam kein Fall vor, in der die Lata- Pfiänzchen ganz 
fehlten. Ebenso waren die Lamarckiana-Keimlinge stets in der Mehr- 
zahl. Ich habe für jede Mutter den Procentgehalt an Lata-Keim- 
pflanzen, also die Erbzahl, berechnet, und fand in dieser‘ Weise die 
folgenden 28 Erbzahlen:! 


4 

10 

1301 

193 193 20 20 21 21 2 2 22 22 22 2222 
23 24 25 26 26 27 

28 29 31 

40 


Diese Zahlen gruppiren sich um das oben erwähnte Mittel — 
22°/, — in der Weise, dass mehr als die Hälfte davon nicht wesentlich 


! Die Zahlen sind hier und in den späteren ähnlichen Gruppen der Ueber- 
sichtlichkeit halber so angeordnet, dass die um 5, 10, 15 u. s. w. herumstehenden 
jedesmal auf dieselbe Zeile gebracht sind. 


stärker entfernen. Letzteres ist ohne Zweifel zum Theil eine Folge 
davon, dass im Mittel nur 112 Keimpflanzen pro Mutter gezählt 
wurden (Vergl. $ 3, S. 125). Für die Zahlen, welche nahe um das 
Mittel herum liegen, hat solches keine Bedeutung; für die ab- 
weichenden gebe ich aber hier den Umfang der einzelnen Aus- 
saaten an: 


mans 2 9» U >» 2 12 2 
7, A OD in oe a al. '40: 


Wie man sieht,! sind die extremen Abweichungen grösser, als 
dass sie einfach durch den geringen Umfang der Culturen erklärt 
werden könnten. Die Erbzahl ist also wohl nicht als eine constante 
Grösse, sondern als ein variabler Werth zu betrachten. Zu derselben 
Folgerung führen auch die unten mitzutheilenden Versuche. 

Der zweite Versuch wurde in demselben Jahre (1598) genau in 
derselben Weise ausgetührt. Die Lata-Exemplare stammten aber in 
diesem Falle aus dem Bd. I, S. 202 gegebenen Stammbaum. In 
diesem wurde 1895 eine O. lata mit der ©, semilata befruchtet, die 
so erhaltenen Samen wurden 1897 ausgesät, und der Blüthenstaub 
der in dieser Aussaat entstandenen Lamarckiana-Pflauzen auf ihre 
Lata-Schwestern gebracht. Aus den so erhaltenen Samen stammten 
die 1598 zu meinem Versuch verwandten Pflanzen; die Bestäubung 
war aber dieselbe wie in dem oben beschriebenen Versuch. Zwölf 
Mütter gaben eine hinreichende Ernte; ihre Erbzahlen waren: 

6 A 

18 

24 24 25 27 
28 31 32 

38 

45 


Es wurden im Ganzen für diese 12 Mütter 821 Keimpflanzen ge- 
zählt, unter denen 197, also 24°/,, O. lata waren. Der Umfang 
der Aussaaten war im Mittel 150 Ex., und für die extremen Zahlen 
159 mit 6°/,, 134 mit 7°/,, 76 mit 38°/, und 55 mit 45°/,.. Die 
beiden niederen Zahlen sind also ausreichend gesichert, die beiden 
‚höchsten aber möglicher Weise zu hoch ausgefallen. 


! Nach Ropewarn’s oben mitgetheilter Tabelle der Latitüde (S. 128) ist diese 
für unseren Versuch auf etwa 9 zu veranschlagen. Die Werthe, welche kleiner als 
22 — 9 = 13 oder grösser als 22 + 9 = 31 sind, liegen somit ausserhalb dieser Latitüde. 

26* 


404 Kreuxungen in einer Mutationsperiode. 


O. lata in möglichster Kürze. Die Versuche sind, insofern nichts 
Anderes angegeben wird, in derselben Weise wie die obigen aus- 
geführt, die Befruchtung geschah fast stets in Pergaminbeuteln unter 
Ausschluss jedes fremden Pollens. Die Ernte und somit der Umfang 
der Aussaaten wechselte innerhalb derselben Grenzen wie oben; Aus- 
saaten von zu geringem Umfang sind nicht berücksichtigt worden. 
Die Erbzahlen sind in Procenten der ganzen Aussaat berechnet. 


Erbzahlen von Oenothera lata. 


ar der Eltern der ©. lata | Befruchtung | Erbzahlen 
reuzung 
A. O.lata x O. Lamarekiana. 
1899 O. lata x ©. Lam. O. Lam. 16 17 | 18 18/19 | 21:| 25|831|35 
1899 O.lata x O. Lam. | O. Lam.! 18 27 | 171 6 
1898 | O.lata x O. nanella | O. Lam.” 13 19 28 
1900 | O.latax O. Lam. O. Lam. 4 | 
B. O.lata bei Inzucht.® 
1897 || O. lata x O. semilata | ©. Lam. | | 22|24|26| 
1899 | O.lata x O. Lam. O. Lam. 14 |17/18|19|20 | | 28 


C. O.lata-Mutanten bei freier Bestäubung.* 


1888 || ©. Lamarckiana | — 15 16 ‚40 
1895 | O. Lamarckiana | — 11 
1898 || O. Lam.x O.nan. | — 18 24 | 38 


D. O.lata x älteren Abkömmlingen der O. Lam.’ 
1894—96 | O. lata x O. brevist. | O. brevistylis |15 | 23 | 31 


| 
1894 | O.latax O. Lam. | O. laevifola 18 


| 


E. O.lata x jüngeren Abkömmlingen der O. Lam.° 


1896 | ©. Lamarckiana O. nanella 24 | 26 |28|32| 39 
1899 || O.lata x O0. Lam. O. nanella 321132 
1899 | O.lata x O. Lam. | O. rubrinervis | 5 | T | 9 |15|18 | 20 | 22 


1895 | O.lata x O. Lam. | O. semilata | | | 37 


l 


1 0. Lamarckiana, ausnahmsweise nicht aus meiner Familie, sondern aus 


käuflichem Samen. 

® O0. Lamarckiana-Blüthenstaub, auf dem ursprünglichen Fundort bei Hil- 
versum gesammelt. 

° Inzucht, d. h. befruchtet mit ©. Lamarckiana-Exemplaren, welche von 
derselben Mutter stammten wie die O. lata. 

* Mutanten, bei freier Bestäubung, vorwiegend durch Lamarckiana - Pflanzen. 

° Also bei dihybrider Kreuzung, bei der aber hier nur die Lata-Erbzahl 
berücksichtigt wird. 


de SE u 


Die Erbzahlen von Oenothera lata. 405 


Die Erbzahlen der einzelnen Versuchsreihen habe ich in obiger 
Tabelle derart gruppirt, dass man auf dem ersten Blick sieht, dass 
sie regellos über die verschiedenen Kreuzungen vertheilt sind. Es 
ergiebt sich daraus, dass die Erbzahl der O. lata unabhängig 
ist von der Natur des Vaters, vorausgesetzt, dass dieser 
eine O. Lamarckiana, oder eine von dieser abgeleitete Art ist. 
Vereinigen wir alle diese Zahlen zu einer einzigen Gruppe, so 
erhalten wir: 
2 DE 
EN 
ee Ari 15a 161er Mm 
1818 18199120 20727722722 
23.24, 24,24 25- 26 26 
283228 28.531 31 32 327732 


Bat 

38 39 40 
Zusammen also 51 Erbzahlen, deren mittlerer Werth = 21°/, mit den 
oben gefundenen Mittelwerthen — 22°/, und 24°/, — hinreichend 


genau übereinstimmt. Ebenso stimmen die äusseren Grenzen (4, 6, 4 
und 40, 45, 40) in genügender Weise überein. Aber die Abweichungen 
vom Mittel sind hier im Allgemeinen grösser, was offenbar durch die 
wechselnden Lebensbedingungen in den einzelnen Jahren und Ver- 
suchen bedingt sein mag. 

Wir folgern also: 

1. Die Erbzahlen der O. lata sind, innerhalb der ge- 
wählten Grenzen, von der Art des Blüthenstaubes unab- 
hängig und betrugen im Mittel etwa 21—24/,. 

2. Sie schwankten zwischen 4 und 45°/,, oder mit anderen 
Worten, es fehlten bei keiner einzigen Kreuzung unter den 
Keimlingen die Lata-Exemplare; andererseits erreichten 
diese auch nie die Hälfte aller Keimpflanzen. 

3. Diese Resultate gelten für die 91 unter möglichst normalen 
Bedingungen ausgeführten Einzelversuche. 

Dieselbe Abwechselung der Erbzahlen, wie in den obigen Ver- 
suchen, findet man auch, wenn man diese Ziffern für die aufeinander 
folgenden Generationen zusammenstellt. Um dieses zu zeigen, gebe 
ich jetzt die Erbzahlen für die beiden im ersten Bande besprochenen 
Familien,! und für die Beurtheilung der Genauigkeit der Zahlen 

! Bei meiner Fortsetzung dieses Versuches beabsichtige ich stets nur Inzucht 


anzuwenden. Solches war bis jetzt nur ausnahmsweise der Fall, weil die Culturen 
ja nicht zu diesem speciellen Zweck angestellt worden sind. 


406 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


füge ich den Umfang der Aussaaten, d. h. die totale Anzahl der 
Keimpflanzen, unter denen die betreffenden Procentzahlen für die 
O. lata ermittelt wurden, zu. 


I. Erbzahlen der ersten Lata-Familie (Bd. I, S. 202). 


Generation Jahr Umfang! 0%, Lata Befruchtet durch 
IX 1901 95 4 _ 
VIII 1900 2000 19 O. Lamarckiana 
vi 1899 946 2a Inzucht 

VI 1898 164 24 O. Lam. aus O. seintillans 
V 1897 105 31 Inzucht 

IV 1895 128 14 O. semilata (Inzucht) 

Ill 1894 52 40 Frei 
II 1888/89 Lam. le Frei 


I 1886/87 Lam. u ze 


II. Erbzahlen der zweiten Lata-Familie (Bd. 1, S. 204). 


Generation Jahr ,„ Umfang 0%, Lata Befruchtung 
V 1594 340 15 — 
Try 1889 200 10 Frei 
ir 1885 614 21 : Frei 
II 1887 Lam. 2 Ex. Inzucht 
I 1856 Lam. — — 


Aus dieser Tabelle ersieht man, dass die Erbzahlen sich im 
Laufe der Generationen gleich bleiben, abgesehen von den 


Schwankungen innerhalb der üblichen Grenzen, und dass sie jeden- 


falls nicht allmählich zunehmen, auch nicht bei Inzucht, d. h. bei der 
Befruchtung mit Kindern von derselben Mutter. Zu demselben Er- 
gebniss haben die durch mehrere Generationen fortgesetzten Kreuzungen 


von O. lata und O. brevistylis geführt, welche wir später ($ 11 dieses | 


Abschnittes) unter dem Namen Oen. Pohliana beschreiben werden. 


$ 3. Die Erbzahlen von Oenothera nanella. 


Neben Oenothera lata eignet sich die O. nanella am besten zu 
Kreuzungsversuchen. Obgleich klein von Gestalt, ist sie äusserst 


kräftig und bringt regelmässig eine gute Ernte. Sie hat den Vortheil, ° 


! Der Umfang der Culturen ist in Bd. I, S. 202 nur für zwei Jahrgänge 
mitgetheilt worden; für die übrigen wird die Angabe hier vervollständigt. 


—s 


ET 2 2 au. 


Se 


Die Erbzahlen von Oenothera nanella. 407 


dass reciproke Kreuzungen möglich sind und dass sie selbst auf ihre 
Constanz geprüft werden konnte (Bd. I, S. 167 und 262). 

Nach den herrschenden Begriffen werden Zwergformen im All- 
gemeinen als Varietäten aufgefasst, und muss somit die O. nanella 
als eine solche gelten (Bd. I, S. 255 und 455). Sie verhält sich aber 
sowohl in Bezug auf ihre Uonstanz als auf ihre Entstehungsweise wie 
die echten Arten. Dem entsprechend hebe ich hier, als Haupt- 
ergebniss der zu beschreibenden Versuche, hervor, dass das Nanella- 
Merkmal sich hier bei den Kreuzungen mit der Mutterart und mit 
anderen verwandten Formen ebenso verhält wie im vorigen Para- 
graphen die O. lata, im Gegensatz also zu den Varietät-Merkmalen, 
welche den Menper’schen Gesetzen folgen. Innerhalb der Mutations- 
periode finden diese Gesetze somit wenigstens in diesem Falle keine 
Anwendung. Doch komme ich hierauf in S$ 12—14 dieses Ab- 
schnittes zurück. 

Die Erbzahlen der O. nanella sind im Grossen und Ganzen 
dieselben wie diejenigen der O. lata und gehorchen offenbar 
denselben Gesetzen. Es wird dieses aus den jetzt zu beschreibenden 
Versuchen hervorgehen. 

Einen Hauptversuch machte ich im Jahre 1398 mit Lamarekiana- 
Pflanzen aus dem Stamme der Bd. I, S. 157 erwähnten Familie. Von 
diesen waren 23 auf einem besonderen Beete gepflanzt. Sie wurden 
während der Blüthezeit castrirt, in Pergaminbeutel gehüllt und mit 
dem Blüthenstaub der O. nanella belegt. Und zwar in solcher Weise, 
dass nur Blüthen der endständigen Inflorescenz des Hauptstammes 
benutzt wurden, dass diese aber, im Laufe der 3—4 Wochen der 
künstlichen Befruchtung in 1—4 Abschnitten auf jeder einzelnen 
Pflanze eingetheilt wurden, indem sämmtliche Blüthen eines Abschnittes 
Pollen desselben Nanella-Exemplares erhielten. Auf den 23 Pflanzen 
hatte ich in dieser Weise 39 Abschnitte, von denen jeder eine andere 
Nanella-Pflanze zum Vater hatte! Also 39 Kreuzungen. 

Die 23 benutzten Lamarekiana-Pflanzen waren aus Samen von 
fünf selbstbefruchteten Individuen von 1897 aufgegangen. Für diese 
fünf Mütter habe ich den Gehalt an Nanella-Mutanten für jede be- 
sonders bestimmt; ich fand ihn in zwei Fällen zu 0-5°/,, in den 
drei anderen zu 1 °/,, und zwar auf 210-220 Keimpflanzen pro Mutter. 
Das Vermögen, Nanella hervorzubringen, war also in allen Eltern, 


‘ In vier weiteren Abschnitten misslang die Kreuzung oder gab sie zu wenig 
Samen; diese sind hier nicht mitgerechnet, sondern, wie stets, von vornherein 
als ungeschehen betrachtet. 


408 - Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


und somit auch wohl in den zu dem Versuche benutzten Individuen 
vorhanden. Um aber in dieser Hinsicht noch sicherer zu gehen, habe 
ich vor der Kreuzung auf jeder Pflanze einige Blüthen mit sich 
selbst befruchtet und ihre Samen getrennt geerntet. Ich fand unter 
1723 Keimlingen 21 Nanella, also etwa 1°/,, welche ziemlich gleich- 
mässig über die einzelnen 23 Mütter vertheilt waren. Um dieses zu 
erfahren, hatte ich die Samen für jede Mutter getrennt gesät. 

Den Blüthenstaub zu meinen Kreuzungen entnahm ich einem 
Beete von O. nanella, welches der vierten Generation der Bd. I, S. 265 
erwähnten constanten, im Jahre 1895 aus der O. Lamarckiana ent- 
sprungenen Rasse angehörte. Es waren etwa 100 blühende Exem- 
plare; jedes Mal, als von ihnen eines zu einer Kreuzung benutzt 
wurde, wurde es durch eine Etiquette ausgezeichnet, damit es nachher 
nicht zu einer zweiten Bastardirung verwandt werden könnte. | 

Es geht aus diesen Mittheilungen hervor, dass die Vorfahren 
der castrirten und der staubliefernden Pflanzen zu diesem Versuche 
bis zum Jahre 1889 dieselben waren, seitdem aber zwei getrennten 
Stämmen angehörten (vergl. die Stammbäume im ersten Band, 
S. 157 und 184). 

Von den 39 Kreuzungen wurden die Samen getrennt geerntet 
und ausgesät, und in jeder Keimschüssel die Anzahl der Nanella- 
Exemplare und die übrigen Keimlinge bestimmt. Für jede Kreuzung 
wurde dann das procentische Verhältniss, oder die Erbzahl berechnet. 
Ich erhielt die folgenden Zahlen: 


1 2 
3 3 4 B) > { 7 T 
1) I 11 


13 13 13 15 16 17 17 17 
19 19 19 20 21 21 21 22 
23 23 24 24 26 26 

28 

3) 

39 

48 


Die mittlere Zahl dieser Gruppe ist 17°/,. In den 39 Zählungen 
hatte ich zusammen 3768 Keimpflanzen, von denen 623 Nanella 
waren, also gleichfalls etwa 17°/,. Die extremen Zahlen 1—3°/, 
und 35—48°/, sind auf Gruppen von 86, 66, 74, 118 und 153, 76, 
61 Exemplaren gezählt worden, also jedenfalls nicht einfach durch 


die Ungenauigkeit der Probeentnahmen bedingt. 


Die Erbzahlen von Oenothera nanella. 409 


Wie man sieht, fallen diese Zahlen in der Hauptsache mit den 
für O. lata mitgetheilten zusammen. Das Mittel (17°/, statt 22—24°/,) 
liegt hier etwas niedriger, und die Grenzen fallen, trotz der sehr 
gleichmässigen Versuchsbedingungen, ein wenig weiter auseinander. 

Einen zweiten Versuch habe ich im Jahre 1897 in etwas ab- 
weichender Weise gemacht. Es wurden auf einigen Lamarckiana- 
Pflanzen während mehrerer Wochen alle Blüthen castrirt, in Pergamin 
gehüllt und mit Nanella-Staub befruchtet. Alle Früchte wurden 
numerirt und von jeder die Samen einzeln geerntet und gesät. Es 
ergab sich dabei zunächst, dass jede einzelne Frucht, wenn sie nicht 
gar zu wenig Samen enthielt, eine oder mehrere Nanella-Keime ent- 
hielt. Aber hierauf komme ich weiter unten zurück. Für den jetzt 
zu beschreibenden Versuch wurden die Ergebnisse der Ernten von 
je fünf aufeinander folgenden Früchten nach der Zählung zusammen- 
gefügst und für jede Gruppe der mittlere Procentgehalt an Zwergen 
berechnet. Solcher Erbzahlen gab es im Ganzen 47; sie sind die 
folgenden: 


h) 
5 9 30, 1072107712 
a re T 
13 27137 419er 1I97..19 +7 198.720: 721,222 
DAPEE DAN 0250526 4261 .1526,, 027 
as ale ‚ol 7 31: 32.1 325,32 7827732 


33 836 
40 42 42 
44 47 


Die Grenzen dieser Gruppe sind ungefähr dieselben wie in dem 
ersteren Versuch; die mittlere Zahl ist hier 24°/,, liegt also etwas 
höher als dort, und stimmt besser mit den Befunden bei der ©. lata 
überein. 

Die Zahlen in dieser Gruppe sind ziemlich genau. Es wurden 
im Ganzen über 12000 Keimlinge gezählt, also für jede Erbzahl 
etwas über 250, für keine Erbzahl aber weniger als 100. Berechne 
ich aus den Einzelzählungen die mittleren Erbzahlen für die acht 
benutzten Mütter, so liegen diese selbstverständlich einander viel näher, 
da die Unterschiede dabei mehr oder weniger ausgeglichen werden. 
Ich fand für die Mütter als procentische Erbzahlen: 


14 20 22 25 26 26 27 34 


+10 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


Ptlanzen Einiges mitzutheilen. Die Lamarckiana-Pflanzen gehörten 
dem Hauptstamme meiner Familie (Bd. I, S. 157) an, waren also 
reiner Abstammung; die Nanella-Cultur aber der dritten Generation 
derselben constanten Rasse, von der die vierte Generation zum erst- 
beschriebenen Versuch diente. Es wurden hier für jede Bastardirung 
einfach die schönsten der gerade reifen Blüthenknospen genommen, 
also die einzelnen Nanella-Pflanzen durcheinander als Väter benutzt. 

Neben diesen beiden Hauptversuchen habe ich zu verschiedenen 
Zeiten und mit Nanella-Pflanzen verschiedener Herkunft Kreuzungen 
vorgenommen, indem auch die Mütter, innerhalb meiner Mutations- 
gruppe, möglichst verschieden gewählt wurden. Sowohl diese Bastar- 


dirungen als auch die Aussaaten und deren Berechnungen fanden 


stets in derselben Weise und bei etwa gleichem Versuchsumfang 
statt, wodurch es überflüssig ist, auf die Einzelheiten einzugehen. 
Ich theile somit nur die erhaltenen Erbzahlen mit. 


Erbzahlen von Oenothera nanella. 


Jahr der > 
Ne Gewählte 9 Nanella Erbzahlen 
Kreuzung 
A. ©. Lamarckiana x O. nanella. 
1596 aus d. Hauptstamm | 2. Generation |0| [14118]25| | 
1898 „ lata x nanella 4. er 3|5| 8 124 | 
1399 „ seintillans 5: a 14 24 | 
1899 e ;; aus lata x nanella | 124 |41] | 


B. O.lata x O. nanella. 


1596 Mut. aus ©. Lam. | Mut. aus ©. Lam. In] ‚42146 4952 55 

1897 DT BE 2. Generation | | ı I | [50/50) 

1899 ausd.1.lata-Familie | Mut. aus lata x nan. 19) | 40 | | 
C. ©. seintillans x O. nanella. 

1895 2. Generation 2. Generation | | 122100 | | 

1897 1. a 2. R. Be: | 


Wie zu erwarten, stimmen diese Zahlen hinreichend genau mit 
denen der beiden ersten Versuchsreihen überein, ihre Grenzen sind 
im Wesentlichen dieselben, nur wurde in einem Falle gar keine 
‚Vanella gefunden (auf 298 Keimpflanzen.. Die mittlere Zahl aus 
dieser Gruppe ist 24°/,, also dieselbe wie in dem zweiten Versuche. 
Die Versuche sub B und © sind dihybride, doch wird hier nur die 


Die Abhängigkeit der Erbzahlen von verschiedenen Ursachen. 411 


Erbzahl der ©. nanella berücksichtigt. Auf einige von ihnen komme 
ich später zurück. 

In allen beschriebenen Versuchen wurde ©. nanella als Vater 
gewählt. Es ist solches im Allgemeinen deshalb vorzuziehen, weil in 
solchen Fällen ein zufälliger Fehler beim Castriren nie das Haupt- 
ergebniss, das Vorkommen von Nanella-Pflanzen unter den Bastarden, 
vortäuschen kann. Doch habe ich auch einige reciproke Kreuzungen 
ausgeführt, um zu erfahren, ob diese etwa von den mitgetheilten 
abweichende Erbzahlen aufweisen würden. Dies war aber nicht der 
Fall; die Erbzahlen liegen auch hier innerhalb derselben Grenzen. 
Die Nanella wurde aus zwei verschiedenen Familien (Bd. I, S. 262 
und 265) und theils in der dritten, theils in der vierten Generation 
gewählt. Den Blüthenstaub lieferten theils O. Lamarckiana- Pflanzen 
vom ursprünglichen Fundorte bei Hilversum, theils ©. brevistylis 
von dort (1893), oder aus meiner Cultur von 1899 (vergl. Bd. I, S. 223). 


Reeiproke Erbzahlen von Oenothera nanella. 


| 


ahr der | e | N: 
aanr der | Nanella 2 Gewählte d | Erbzahlen 
Kreuzung | | 
1898 4. Generation | O. Lamarckiana 7 21 21 | 29 
1893 | 4. y O. brevistylis | | | | 50 
1899. | 3. ‘ O. brevistylis » 31 | 44 | 


Auch hier ist die Uebereinstimmung mit den für O. Zata erhaltenen 
Zahlen eine auffallende. 

Aus allen den mitgetheilten Versuchen ist die mittlere Erbzahl 
für O. nanella ungefähr 21 °/,. 


S 4. Die Abhängigkeit der Erbzahlen von verschiedenen Ursachen. 


In den vorhergehenden Paragraphen haben wir gesehen, dass 
die beiden neuen aus Oenothera Lamarckiana entstandenen Arten sich 
bei Kreuzungen mit dieser, soweit untersucht, in derselben Weise 
verhalten. In der Regel entstehen bei der Kreuzung die Bastarde 
in zwei Typen, demjenigen des Vaters und demjenigen der Mutter, 
und zwar ist dabei im Mittel der Lamarckiana-Typus zu etwa 3/,, 
der Typus der jüngeren Art aber nur zu '/, vertreten. Um dieses 
Verhältniss schwanken die Erbzahlen in der Weise, dass sie sich 
meistens nur wenig von ihm entfernen, in den übrigen Fällen aber 
gleichmässig nach aufwärts und nach abwärts abweichen. Es scheinen 
1°/, und 50°), die gewöhnlichen Grenzen zu sein, welche nur in 


412 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


seltenen Fällen überschritten werden. Ausschliesslich Lamarckiana- 
Pflanzen erhielt ich bei Kreuzungen mit O. lata bis jetzt nicht, mit 
O. nanella in den mitgetheilten Versuchen nur ein Mal. 

Nehme ich als obere Grenze für die gewöhnlichen Fälle etwa 
50—55°/, an, so wird diese Grenze in den Kreuzungen mit O. lata 
nicht, bei O. nanella nur vereinzelt erreicht und nicht überschritten. 

Diese Verhältnisse deuten darauf hin, dass die mittlere Erbzahl 
für diese beiden Arten etwa 22—24°/, ist, dass die Abweichungen 
aber von den jedesmaligen Versuchsbedingungen verursacht werden. 
Selbstverständlich ist stets Rechnung zu halten mit den möglicher 
Weise durch die Wahl der Probe herbeigeführten Fehlern, aber die 
Abweichungen vom Mittel sind in zahlreichen Fällen zu gross, um 
diesen allein zugeschrieben werden zu können. 

Ich folgere hieraus, dass diese Erbzahlen nicht constante Grössen 
sind, deren Abweichungen nur durch die unvermeidlichen Beobachtungs- 


fehler bedingt werden, sondern dass sie an sich variabel und von der 


Lebenslage abhängig sind. 

In Bezug auf diese kommen zwei Factoren in Betracht. Erstens 
die individuelle Kraft der männlichen und weiblichen Keimzellen, 
welche zusammengebracht werden, und zweitens die Ernährungs- 
verhältnisse während der Kreuzung. Ob diese letzteren einen von 
der ersteren unabhängigen Einfluss haben können, ist vorläufig noch 
fraglich, und auf diese Frage werde ich nicht näher eingehen. Bei 


der Behandlung der individuellen Kraft treten wiederum zwei Punkte 


in den Vordergrund. Denn einerseits liegt es auf der Hand, anzu- 
nehmen, dass eine Verschiedenheit zwischen den männlichen und den 
weiblichen Keimzellen das Ergebniss beeinflussen kann, andererseits 
wäre es möglich, dass eine grössere oder geringere Kraft beider auf 
das Vorherrschen des älteren oder des jüngeren Typus entscheidend 
würde eingreifen. 

Meine Versuche über diese höchst wichtigen, aber sehr schwierigen 
Fragen reichen bei Weitem zu einem endgültigen Urtheil nicht aus. 
Aber dennoch zeigen sie, dass ein Einfluss der individuellen 
Kraft besteht, und sich in vielen Fällen geltend macht, 
und dass man auf Grund dieses Satzes durch experimentelles 
Eingreifen die Erbzahlen verändern kann. 

Im Sommer 1897 habe ich einen Versuch angestellt über die 
Vertheilung der Erbzahlen von Oenothera nanella über die Traube 
von O. Lamarckiana, wenn diese beiden Arten gekreuzt werden. Es 
handelte sich somit um die Frage, ob diese Erbzahl in jeder Höhe 
der Traube dieselbe ist. Solches war nicht der Fall. Der Versuch 


Die Abhängigkeit der Erbzahlen von verschiedenen Ursachen. 413 


ist derselbe, der bereits’im vorigen Paragraphen S. 409 beschrieben 
worden ist. 

Ausgangspunkt für meine Frage bildete die Beobachtung, dass die 
individuelle Kraft der Blüthen und Früchte im Laufe des Sommers 
allmählich abnimmt. Ende Juli und Anfang August, beim Anfang 
der Blüthezeit, sind die Blüthen weitaus am grössten. Während 
einiger Wochen bleiben sie, an der Hauptrispe am Gipfel des auf- 
rechten Stengels, ohne auffallende Verminderung ihrer Pracht. Ende 
August werden die neu sich öffnenden Blumen kleiner als die 
vorhergehenden, und im Laufe des Septembers und des Octobers 
nimmt die Grösse fortwährend ab, bis schliesslich die letzten Blumen 
oft nicht viel grösser sind als kräftige Blüthen von Oen. biennis. 
Untersucht man an einer fast reifen Traube die Früchte, so findet man, 
dass deren Länge gleichfalls von unten nach oben erheblich abnimmt. 
Und bestimmt man endlich in den einzelnen Früchten die Anzahl 
der keimfähigen Samen, so beobachtet man wiederum eine Abnahme, 
welche jetzt aber eine viel bedeutendere ist. Die individuelle Kraft 
der Blüthen und Früchte nimmt also während der Blüthezeit stetig 
und sehr merklich ab. 

Diese Abnahme gilt selbstverständlich bei dem vorliegenden 
Kreuzungsversuch sowohl für den Vater als für die Mutter. Der 
zur Befruchtung der ersten Zamarckiana-Blumen benutzte Blüthen- 
_ staub entstammte kräftigeren Blüthen als der später gebrauchte, und 
im Laufe der drei Wochen meines Versuches muss die Kraft des ver- 
wandten Nanella-Pollens allmählich eine geringere geworden sein.? 

Als im Frühling 1898 die Saaten der Samen der einzelnen 
Früchte ausgezählt, und die Zahlen in Gruppen von je fünf auf 
einander folgenden Früchten zusammenaddirt waren, zeigte sich, dass 
die Erbzahl auf allen Exemplaren im oberen Theile der Traube mehr 
oder weniger regelmässig abnahm. Diese Abnahme fing auf fünf 
Pflanzen sofort von unten ab an, in den drei anderen aber nahm 
die Erbzahl erst zu, um nur etwa um die Mitte der Traube wieder 
kleiner zu werden. Es lohnt sich nicht, die Zahlen für die einzelnen 
Früchte oder Pflanzen anzuführen; es wurden pro Pflanze etwa 


! Dasselbe ist auch bei anderen Pflanzen der Fall, so z. B. beim Raps, wo 
es ausführlich untersucht wurde von Em. Gross, Studien über die Rapspflanze. 
Oesterr. Ungar. Zeitschr. für Zuckerindustrie. 1900. Bd. 29. 8. 659. 

® Bei einer Wiederholung des Versuches liesse sich vielleicht dieser Factor 
ausschliessen, indem man zu Anfang Pollen für den ganzen Versuch einsammeln 
und diesen, nach Mischung, aufbewahren würde. Doch behält der Blüthenstaub 
der Oenothera seine Keimkraft nicht während langer Zeit. 


414 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


30 Früchte geerntet und für jede die Erbzahl bestimmt. Ich gebe 
nur die mittleren Zahlen für die beiden Gruppen von Pflanzen: 


Abhängigkeit der Erbzahlen von Oenothera nanella von der 
Höhe der Früchte auf der Traube der mit ihr gekreuzten 
O. Lamarckiana-Pflanzen. 


1. Gruppe 2. Gruppe 
(5 Pflanzen) (3 Pflanzen) Mittel 
I (obere fünf Früchte) 1297, ur 168 
II 41 ,; 21, 16° 
Ili 16.1; 21, 193 
IV Far 36 „ 249 
V: kejen 34 „ 24 „ 
vI 2A 28.5; 23 „ 
VII (untere fünf Früchte) 37 „ 22% 314 
Im Mittel: 19%, 26°], 


In der ersteren Gruppe sind die schwächeren Pflanzen enthalten. 
Die Erbzahlen, für jede Pflanze aus dem Mittel aller Zählungen mit 
Ausschluss derjenigen der obersten Früchte berechnet, waren 14, 
20, 22, 26, 27°/, O. nanella. Die zweite Gruppe enthielt die drei 
kräftigsten Pflanzen, für welche die Erbzahlen, in derselben Weise 
berechnet, 25, 26, 34°/, waren. In der ersten Gruppe nehmen die 
Erbzahlen aufwärts von. 37°/, bis 11—12°/, ab; in der zweiten 
steigen sie erst von 22 auf 36, um dann wieder auf 20 zu fallen. 
Berechnet man das Mittel für alle Versuchspflanzen, so erhält man 
in dem vorliegenden Falle wiederum eine stetige Abnahme von unten 
nach oben. 

Es geht aus diesem Versuche hervor, dass, abgesehen von zahl- 
reichen anderen Einflüssen, die Erbzahl um so höher ausfällt, 
je kräftiger die gekreuzten Blüthen sind. 

Dieser Satz lässt sich aus dem behandelten Versuche noch in 
einer anderen Weise belegen. Ich habe dazu für jede einzelne 
Versuchspflanze die Früchte nach der Anzahl ihrer keimfähigen 
Samen angeordnet, dann die Früchte in Gruppen eingetheilt und für 
jede Gruppe die mittlere Erbzahl berechnet. Es ergab sich dabei, 
dass die einzelnen Früchte procentisch um so mehr Nanella-Keime 
enthielten, als ihr Reichthum an keimfähigen Samen überhaupt grösser 
war. Ich führe als Beispiel die Zahlen für eine Pflanze aus der 
zweiten Gruppe der obigen Tabelle an. (Von diesem Exemplar sind 
die Keimlinge aus 35 Früchten untersucht worden.) 


Die Abhängigkeit der Erbxahlen von verschiedenen Ursachen. 415 


Keimpflanzen Procentischer Gehalt 
pro Frucht an Oen. nanella 
90—100 44 
sI— 33 
70— 80 ol 
60— TO 29 
50 — 60 14 
40— 50 13 
20— 40 10 


Oder in Worten: Je kräftiger und je samenreicher die 
einzelne Frucht, um so grösser ist im Mittel ihr Gehalt an 
Nanella-Keimen. 

Aus diesen Sätzen ergiebt sich nun die folgende Regel für die 
Beurtheilung der Erbzahlen, welche in den drei vorhergehenden Para- 
graphen mitgetheilt worden sind. Die Abweichungen der Erb- 
zahlen vom Mittel können zum Theil von der Wahl der 
Blüthen auf der Traube bedinst sein. In vielen Versuchen 
muss man damit zufrieden sein, etwa zehn Blüthen auf einer Traube 
zu castriren und künstlich zu befruchten. Es kann solches nicht an 
einem Tage geschehen, da die Unterschiede im Alter der Blüthen- 
knospen dazu zu gross sind. Meine meisten Versuche dauerten zwei 
bis drei Wochen, indem an jedem zweiten Tag die Castrirungen und 
Befruchtungen vorgenommen wurden. Gelingen diese nicht alle, so 
hat man am Schlusse weniger Früchte und Samen als man be- 
absichtigte, oder der Versuch ist über eine längere Zeit auszudehnen. 
Aus verschiedenen Gründen ist es unmöglich, stets die Kreuzung sofort 
beim ersten Anfang der Blüthe vorzunehmen, oft schon deshalb, weil 
dann die als Vater gewählte Art noch nicht blüht. Die Lage der 
gekreuzten Blumen auf den Trauben wechselt also je nach den Um- 
ständen,! und es leuchtet nach dem Obigen ein, dass hierdurch das 
Ergebniss wesentlich beeinflusst werden kann. 

Die äussersten Grenzen, zwischen denen die Erbzahlen schwanken, 
fallen selbstverständlich für die einzelnen Früchte weiter auseinander 
als für die Gruppen von je fünf Kapseln, wie sie auch für diese 
Gruppen weitere sind als für die ganzen Pflanzen (S. 409). Es wurden 
die Frbzahlen für etwas über 220 Früchte ermittelt. Von diesen 
hatten 20 überhaupt keine Nanella-Keime:; diese waren aber samen- 
arme Früchte in den oberen Theilen der Rispen (Samengehalt 


' Bei einer Wiederholung dieser Versuche wäre wenigstens die Lage der 
castrirten Blumen stets aufzuzeichnen. 


416 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


22—45 Keime pro Frucht). Elf hatten mehr als 50°/,, und nur 
zwei mehr als 61°/, Nanella. Auf diese zwei ist aber, wegen ihrer 
geringen Samenzahl (32 Keime mit 69°/,, 55 Keime mit 75°/, Nanella), 
kein Gewicht zu legen; übrigens gehörten sie beide zu der untersten 
Fünfergruppe ihrer Pflanze. Die Grenzen 0 und 61 °/, stimmen aber 
hinreichend mit den gewöhnlichen Grenzen unserer Zahlen ın den 
vorigen Paragraphen überein. 

Für einen zweiten Versuch habe ich die Vergleichung der End- 
rispe mit den Früchten der Seitenzweige gewählt. Und zwar der- 
jenigen Zweige, welche nicht aus den Achseln der Wurzelblätter, 
sondern auf dem mittleren Theile des Hauptstammes entspringen. 
Diese Zweige sind in der Regel auffallend schwächer als der Haupt- 
stamm. Und dem entsprechend fand ich auf ihnen auch die Erbzahl 
kleiner als sonst. 

Der Versuch ist der in $ 2, S. 402 erwähnte mit Oenothera lata. 
Auf sechs von den dort genannten Pflanzen wurden neben den Samen 
der Endrispe auch diejenigen der Seitentrauben gesammelt, nachdem 
ihre Blüthen mit dem Staub von Blumen derselben Lamarekiana- 
Individuen belegt waren. La aber die Seitenzweige später blühen 
als der Hauptstengel, waren die Pollen liefernden Blüthen für die 
ersteren auch spätere, höher in der Inflorescenz erwachsene. Die 
procentischen Erbzahlen oder der Gehalt an Lata-Keimlingen, in der 
mehrfach behandelten Weise ermittelt, waren: 


Pflanze Hauptstengel Seitenzweige 
I 27 21 
II 26 22 
ET 24 27 
IV 32 27 
V 21 21 
ai 28 18 
Im Mittel: 26 23 


Die Anzahl der gezählten Keimlinge war pro Einzelversuch 
45—132; im Ganzen 427 für die Hauptstengel und 650 für die 
Seitenzweige. Die gefundenen Unterschiede sind nicht gross, noch 
fallen sie ausnahmslos in derselben Richtung. Zusammen aber be- 
stätigen sie das Ergebniss des vorigen Versuches in genügender Weise. 

Für einen dritten Versuch habe ich wiederum eine Befruchtung 
von O. Lamarckiana mit dem Staub der O. nanella gewählt. Es galt 
dabei die Wirkung geringer Mengen von Blüthenstaub zu 
studiren. Der Versuch ging von den folgenden Ueberlegungen aus: 


Die ONE der Brbzahlen von vorschnödenen Ursachen. 417 


m: en ade en st die 0. al en beide einen 
sehr reichlichen Pollen. Dieser besteht aber zu einem wesentlichen 
Theile aus tauben Körnern, wie solches ja auch bei den anderen 
neuen Arten, und sogar bei O. biennis und O. murieata der Fall ist. 
Ebenso sind die Samenknospen zu einem erheblichen Theile unfrucht- 
bar. Es liegt deshalb auf der Hand, anzunehmen, dass die frucht- 
baren Pollenkörner von sehr verschiedener individueller Kraft sind. 
Bestäubt man nun die Narben in der gewöhnlichen Weise sehr reich- 
lich, so werden vorwiegend die Staubröhren der kräftigsten Körner 
die Samenknospen erreichen und befruchten. Vermindert man aber 
die Anzahl der Pollenkörner auf der Narbe allmählich, so werden 
offenbar immer mehr mittlere und schwache Pollenkörner ihre Röhren 
bis in den Fruchtknoten bringen können, bevor die letzten Samen- 
knospen befruchtet sind. Bei ganz geringen Gaben muss also die 
Befruchtung im Mittel durch schwächere Körner stattfinden als bei 
grossen Mengen von Blüthenstaub. Und dass die Quantität des 
Blüthenstaubes auf der Narbe einer anderen Species einen Einfluss 
auf die Eigenschaften der zu erwartenden Bastarde haben kann, war 
den älteren Forschern wohlbekannt.! 

Um nun das Keimen nur für eine kleine Anzahl von Staub- 
körnern zu ermöglichen, habe ich nicht kleine Mengen auf die Narben 
aufgetragen, sondern im Gegentheil die Narbenoberfläche möglichst 
reducirt. Von den vier bis acht Narben jeder castrirteu Blüthe schnitt 
ich dazu auf einigen Pflanzen alle Narben bis auf eine, auf anderen 
Individuen sämmtliche Narben mit Ausnahme eines ganz kleinen 
Theiles ihrer Insertion auf dem Griftel ab. Dann wurde der Staub 
aus einem einzigen Staubfaden der Nanella über mehrere so vorbereitete 
Blumen der Lamarckiana vertheilt, aber ohne die Staubmengen weiter 
auszumessen. Viele Früchte setzten dabei überhaupt keine Samen 
an, andere schwollen nur zur Hälfte oder zu einem Drittel auf, wieder 
andere lieferten eine ausreichende Ernte. 

Die Kreuzungen fanden im August 1899 statt. Die Lamarckiana- 
Pflanzen gehörten der siebenten Generation meiner ersten Lata- Familie 
(Bd. I, S. 202), die den Staub liefernden Nanella-Exemplare der fünften 
Generation der Bd. I, S. 265 beschriebenen Rasse an. Es wurden auf 
acht Pflanzen aus jeder castrirten Blüthe sämmtliche Narben entfernt; 
jede gab einige Früchte, aus denen zusammen 1593 Samen keimten. 
Diese Keimlinge waren ausnahmslos Lamarckiana; die Nanella fehlte 


1 Wıramann, Die Bastarderzeugung im Pflanzenreich. 1828. 8.22. Vergl. 
auch Näczuı, Sitzungsber. d. mat. phys. Classe der königl. bayr. Academie. 
15. Dec. 1865. S. 424. 


DE VRIES, Mutation. 11. 


[84] 
—ı 


418 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


unter ihnen durchaus. Es wurden ferner gleichfalls acht Pflanzen 
von allen Narben bis auf je eine pro Blüthe beraubt. Hier konnte 
der Staub der Nanella somit etwas reichlicher keimen. Die Anzahl 
der keimfähigen Samen zeigte sich bei der Aussaat als 1687, von 
denen 32 Nanella waren, also etwa 2°/,. Die einzelnen Erbzahlen 
der acht Pflanzen waren 0, 0, 0, 1, 1, 2, 3, 5, die ersteren meist bei 


|. 


geringerer, die drei letzten bei grösserer Ernte (in letzterer Gruppe 


240—330 Keimlinge pro Mutter). 

So niedere Erbzahlen sind in den gewöhnlichen Versuchen mit 
-O. nanella ($ 3, S. 40Sft.) äusserst selten. Auf mehr als 100 Kreuzungen 
wurde nur ein einziges Mal 0°/,, und nur 13 Mal 1—5°/, gefunden. 
Es ist somit unzweifelhaft, dass sie in diesem Versuche als Erfolg 
des Beschneidens der Narben und der kärglichen Bestäubung zu be- 
trachten sind. Sie beweisen also den anfangs ausgesprochenen Satz, 
dass man durch ein künstliches Eingreifen in den Process 
der Bestäubung einen wesentlichen Einfluss auf die Erb- 
zahlen ausüben kann. 


$ 5. Die Erbzahlen der übrigen neuen Arten. 


Wenn die Keimpflanzen nicht in den Keimschüsseln beim zweiten 


bis vierten Blatt, sondern erst nach dem Verpflanzen, als reich- 
beblätterte Rosetten kenntlich werden, ist die Ermittelung der Erb- 
zahlen selbstverständlich eine viel umständlichere Arbeit. Ich habe 
deshalb ‚mit den übrigen neuen Arten nur in soweit Versuche an- 
gestellt als erforderlich war, um zu erfahren, ob einige unter ihnen 
sich vielleicht wesentlich anders verhalten als die beiden ausführ- 
licher studirten. 

Mit Oenothera rubrinervis habe ich im Jahre 1899 sieben Lata- 
Pflanzen mit gutem Erfolge befruchtet, wie bereits S. 404 erwähnt 
wurde. Für diese habe ich auch die Erbzahlen der O. rubrinervis 
bestimmt und fand die folgenden procentischen Werthe: 

3 7 0) be) 6) 1) 9. 


In demselben Jahre habe ich auch O. Lamarckiana selbst mit 


O. rubrinervis befruchtet. Ich habe vier Kreuzungen, jede auf einer 


anderen Mutter und mit einem bestimmten Vater ausgeführt und 
erhielt die folgenden procentischen Erbzahlen: 


19 24 68 14. 


Die beiden ersteren fallen innerhalb derselben Grenzen wie alle bis- 


herigen Versuche; die beiden letzteren weichen aber in auffallender 
Weise ab und verdienen deshalb eine eingehendere Erörterung. Die 


{ 


Die Erbxahlen der übrigen neuen Arten. 419 


Lamarckiana-Pflanzen waren von reiner Abstammung, die O. rubrinerwis 
aber entstammten einem später zu besprechenden Kreuzungsversuche 
von 1893 zwischen O. rubrinervis und O. nanella, von welchen ich 
einen Theil der Samen bis 1899 aufbewahrt hatte. Diese Saat be- 
stand fast ausschliesslich aus Aubrinervis-Pflanzen, von denen die 
schönsten zur Entnahme des Pollens gewählt wurden. Die aus der 
Kreuzung von 1899 gewonnenen Samen wurden 1900 ausgesät und 
auf einem grösseren Beete in ausreichenden Entfernungen ausgepflanzt. 
Es waren für jeden der beiden Versuche 80 Pflanzen. Die Zählungen 
wurden im Juni auf den Rosetten vorgenommen und Ende August 
bei voller Blüthe wiederholt; sie ergaben beide Male dasselbe Resultat. 
Auf diese beiden und einige weitere Versuche werde ich aber unten 
ausführlicher zurückzukommen haben. 

Mit Oenothera oblonga habe ich wegen ihrer Samenarmuth (Bd. I, 
S. 244) nur zwei Versuche von geringem Umfange gemacht. Es 
war dies 1397; die gewählten Oblonga-Pflanzen stammten aus einer 
Seintillans-Familie (Bd. I, S. 275). Eine wurde mit O. brevistylis, 
die andere mit O. nanella befruchtet. Es keimten nur 36 bezw. 
15 Samen. Die Keimlinge der ersten Kreuzung waren mit Aus- 
nahme einer O. nanella alle O. Lamarckiana, die der zweiten trugen 
alle diesen Typus. Oblonga-Exemplare fand ich unter den Nach- 
kommen nicht, obgleich ich diese während mehr als drei Monate, 
also ausreichend lange Zeit, cultivirt habe. 

Oenothera seintillans habe ich zwei Mal mit O. nanella und ein 
Mal mit O. Lamarckiana gekreuzt; die letztere Kreuzung habe ich auch 
reciprok ausgeführt. Die beiden ersteren Versuche (1895 und 1897) 
ergaben 23 und 24°/, als Erbzahl für O. scintillans; es sind dieselben 
Kreuzungen, aus denen oben die Erbzahl von ©. nanella (S. 400) erwähnt 
wurde. Die Kreuzungen mit Lamarckiana gaben, als diese den Pollen 
lieferte, 27 °/,, als sie die Mutter war, aber 0 °/, seintillans. Beide 
Kreuzungen wurden 1898 ausgeführt; der Umfang der Aussaaten 
war 160 und 70 Exemplare; sie wurden sowohl als Rosetten als 
auch während der Blüthe gezählt und beurtheilt. 

Die Erbzahlen der O. seintillans (0, 23, 24, 27) fallen also mit 
denen der übrigen neuen Arten zusammen. Es ist dieses um so 
merkwürdiger, als die O. scintillans eine nur theilweise constante Art 
ist (Bd. I, S. 172 und 275ft.). Die zu diesen vier Bastardirungen 
benutzten Seintillans-Pflanzen gehörten alle denjenigen Familien an, 
deren Erbzahl bei Selbstbefruchtung etwa 35 °/, seintillans war. Mit 
der Bd. I, S. 173 erwähnten Rasse mit etwa 70°, seintillans habe 
ich noch keine Kreuzungsversuche gemacht. 

27* 


420 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


Schliesslich habe ich noch einen einzigen Versuch zu erwähnen, 
den ich mit Oenothera gigas angestellt habe. Zu diesem wählte ich 
Ende August 1898 zwei der Lamarckiana-Pflanzen, welche zu dem 
ersten Kreuzungsversuche mit O. nanella benutzt waren (S. 407), und 
befruchtete einen letzten Abschnitt ihrer Traube nach Castrirung mit 
Oenothera gigas. Diese Art fing in jenem Jahre erst spät an zu 
blühen, und es kam dadurch der Blüthenstaub der unteren Blumen 
der Endtrauben zweier Pflanzen auf die Narben der höchsten Blüthen 
der beiden (nahezu erschöpften) Inflorescenzen der Lamarckiana. Dieses 
extreme Verhältniss erklärt vielleicht das extreme Resultat dieser 
Kreuzung. Es wurden im Ganzen nur 0-7 und 0-3 Cem. Samen erzielt, 
welche sämmtlich ausgesät wurden, aber nur etwa 60 Pflanzen lieferten. 
Diese aber waren ausnahmslos O. gigas, was sowohl in der Jugend 
als auch im Herbst, als sie nahezu sämmtlich blühten, auffallend 
deutlich war. 

Ueberblieken wir die in diesem Paragraphen mitgetheilten Zahlen, 
so sehen wir für O. seintillans und theilweise für O. rubrinervis Zahlen, 
welche denen von O. lata und O. nanella völlig entsprechen. Anderen- 
theils finden wir für O. rubrinervis und O. gigas viel höhere Erb- 
zahlen (68 °/,, 74 °/,, 100 °/,) und ebensolche werden wir für O. rubri- 
nervis noch später kennen lernen (bei Kreuzungen zwischen dieser Art 
und O. nanella). Die O. oblonga schien in den zwei kleinen Versuchen 
ihren Typus unter ihren Bastarden nicht zu wiederholen. 

Es fällt im dieser Zusammenstellung auf, dass die schwächeren 
Arten (0. lata, O. nanella, O. seintillans und O. oblonga) niedere Erb- 
zahlen haben, während O. rubrinervis, welche etwa ebenso stark ist 
wie die Mutterart, sehr schwankende Zahlen aufweist, und die auf- 
fallend starke O. gigas in dem einzigen Versuche eine ausnahmsweise 


hohe Erbzahl besass. Es wird aber weiterer umfangreicher Versuche 


bedürfen, um hier eine Verallgemeinerung möglich zu machen. 


$ 6. Dihybride Kreuzungen. 
(Tafel I.) 


Kreuzt man zwei aus O. Lamarckiana entstandene Arten mit 
einander, so hat man eine dihybride Kreuzung. Eine solche wird 
sich aber als eine Summirung zweier monohybrider Verbindungen 
verhalten. Die Bastarde werden nicht nur die reinen Typen der 
Eltern wiederholen, sondern auch noch Combinationen von ihnen 
entsprechen können. Diese Combinationen können positive sein, indem 
sich die Eigenschaften der beiden Eltern addiren, oder negative, indem 


ee nn 


421 


Dihybride Kreuzungen. 


sie beide fehlen und der Bastard somit auf den Typus der gemein- 
samen Mutterart zurückschlägt. 

Wählen wir als Beispiel die Befruchtung der O. lata mit O. nanella. 
Die aus den so befruchteten Samen aufgehenden Pflanzen werden 
dann theils /ata, theils nanella sein können, dazu wird es aber auch 
Lamarckiana geben und andere, welche zu gleicher Zeit lata und nanella 
sind (vergl. Bd. I, S. 266). 

Die Erfahrung lehrt nun, dass diese vier Typen wirklich vor- 
kommen, aber nicht in gleichen Verhältnissen. Die beiden verbundenen 
Arten behalten im Allgemeinen die Erbzahlen, welche sie auch bei 
monohybriden Kreuzungen zeigen; ihnen gleichen somit im Mittel 
je etwa ein Viertel der Nachkommen. Unter den übrigen sind aber 
die positiven Verbindungen, also O. lata nanella, zwar vorhanden, aber 
in höchst untergeordneter Menge, in manchem Versuch gänzlich 
fehlend, während alle übrigen den Typus der Mutterart, also der 
O. Lamarckiana führen. Die Nachkommenschaft der O. lata x O. nanella 
hat also vorwiegend die Zusammensetzung, welche auf Tafel I ab- 
gebildet ist. Sie ist dann eine tritype, bestehend aus O. lata, O. nanella 
und ©. Lamarckiana. 

Die Kreuzungen, welche ich zwischen O. lata und O. nanella aus- 
geführt habe, sind schon bei diesen Arten in $ 2 und 3 dieses Ab- 
schnittes erwähnt worden; ich habe deshalb hier nur die gefundenen 
Werthe übersichtlich zusammenzustellen, indem ich für jede Kreuzung 
die drei Erbziftern neben einander vorführe. 


Erbzahlen bei der Kreuzung ®. lata x 0. nanella. 


Jahr der Nr. der Procentischer Gehalt der Ernte an 
Kreuzung Pflanze O. nanella O. lata O. Lamarckiana 

1596 it 55 24 21 

1596 II 52 28 20 

1596 Ill 49 26 25 

1896 IV 46 32 22 

1596 V 42 39 19 

1899 ii 40 32 28 

1599 ii 9 32 39 


In der letzten Spalte sind die Mutanten mitberechnet; sie sind im 
ersten Bande S. 211 für die entsprechenden Jahre (Keimung 1897 
und 1900) aufgeführt worden. 

Auch die Erbzahlen aus den Kreuzungen O. seintillans x O. nanella 
wurden bereits vorgeführt ($ 3 und 5). Sie waren die folgenden: 


422 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


O0. seintillans x ®. nanella. 


Kreuzung O. nanella O. seintillans O. Lamarckiana 
1895 24 23 34 
1897 43 24 15 


Kreuzungen zwischen ©. lata und O. rubrinervis sind S. 404 und 
S. 418 erwähnt worden. Die Zusammenstellung ihrer Erbzahlen! er- 
giebt Folgendes: 


OÖ. lata x 0. rubrinervis. 


Kreuzung Pflanze O. lata O. rubrinervis O0. Lamarckiana 
1599 T 15 fe) 74 
= 17 15 I 76 
s In 9 S S3 
, IV 5 5 90 


Die Kreuzungen zwischen O. rubrinervis und O. nanella lieferten 
in Bezug auf die letztere Form ein Ergebniss, das von den bisher 
mitgetheilten abweicht, und deshalb später ausführlich beschrieben 
werden soll. Vorgreifend sei hier aber bemerkt, dass die Rubrinervis- 
Eigenschaften sich dabei in derselben Weise verhielten wie die Merk- 
male meiner übrigen neuen Arten, indem die erste Bastardgeneration 
dityp war, aus Rubrinervis- und Lamarckiana-Individuen bestehend, 
und diese Eigenschaften sich in den späteren Generationen wie con- 
stante verhielten. 


$ 7. Die Constanz in den späteren Generationen, 


Die in den vorhergehenden Paragraphen behandelten Bastarde 
zwischen der Oenothera Lamarckiana und ihren verschiedenen Abkömm- 
lingen glichen theils jener, theils diesen. Allerdings wurden weitaus 
die meisten als junge Rosetten gezählt und weggeworfen, doch habe 
ich viele Hunderte von ihnen zum Blühen und zur Fruchtreife ge- 
bracht. Es zeigte sich dabei stets, dass zwischen ihnen und dem 
einen ihrer Eltern überhaupt kein Unterschied zu sehen war. Die 
O0. lata ist allerdings stets hybrider Herkunft, und hier könnte man 
nur einen Unterschied zwischen den unmittelbar aus der Lamarckiana 


! Für die drei übrigen Versuche vergl. S 7. 


Die Oonstans in den späteren Generationen. 423 


hervorgegangenen Mutanten und ihren Nachkommen erwarten. Aber 
auch ein solcher Unterschied zeigte sich nie. Und ganze Beete von 
O. nanella, selbst in den späteren Generationen der constanten Rassen, 
sind von den aus Kreuzungen stammenden Nanella-Exemplaren gar 
nicht zu trennen. Auch bei voller Blüthe und bei sehr genauem 
Durchsuchen gleichen sie sich völlig, unabhängig von ihrer Ab- 
stammung. 

Ebenso verhalten sich die hohen Bastarde, die der Lamarckiana 
ähnlichen Kinder aus diesen Kreuzungen. Sie gleichen in jeder Hin- 
sicht den Pflanzen reiner Abstammung. 

Es entsteht hieraus die Frage, ob diese Bastarde sich auch bei 
Selbstbefruchtung in derselben Weise verhalten werden? Mit anderen 
Worten: werden sie bei der Aussaat ihrer Samen sich als constant 
zeigen oder nicht? Die Antwort auf diese Frage lautet, dass Con- 
stanz die Regel ist, dass aber ausnahmsweise Bastarde vor- 
kommen, deren Kinder die beiden Typen der Grosseltern 
wiederholen. 

Die Behandlung dieser Spaltungen werde ich für später auf- 
bewahren (vergl. unten, $ 12—13) und zunächst eine Reihe von Ver- 
suchen vorführen, in denen die Bastarde sich als constant erwiesen. 

Die O. lata: ist hierbei ausgeschlossen, da Selbstbefruchtung bei 
ihr unmöglich ist. Hervorzuheben ist nur, dass ihre Erbzahl im 
Allgemeinen dieselbe ist, ob man sie als Mutante oder in späteren 
Generationen zu Kreuzungen verwendet (vergl. $2 und namentlich 
die Stammbaum-Tabellen S. 406). Gleichfalls ist selbstverständlich die 
O. seintillans ausgeschlossen, da sie ja selbst nicht constant ist. 

Ich behandle zuerst die Frage nach der Constanz der aus den 
Kreuzungen mit O. nanella hervorgegangenen Exemplare von O. nanella. 
Aus mehreren der in den vorigen Paragraphen behandelten Kreuzungen 
erzog ich einige oder mehrere Kinder zur Blüthe, befruchtete sie in 
Pergaminbeuteln rein mit dem eigenen Blüthenstaub und sammelte 
und säte die Samen für jedes Exemplar besonders. Aus diesen 
Samen erhielt ich stets nur Zwerge, meist rein, sehr selten solche, 
welche zu gleicher Zeit den Typus einer anderen reinen Art trugen 
(Bd. I, S. 266). Rückschläge auf den Typus der echten Lamarckiana 
gab es ebenso wenig wie unter den Nachkommen der Nanella- Pflanzen 
aus den reinen Rassen. ‚Jedoch behaupte ich keineswegs, dass solche 
Rückschläge bei weiterer Ausdehnung der Versuche nicht würden 
gefunden werden. Ich gebe jetzt für die einzelnen Versuche an, aus 
welcher Kreuzung die Zwerge stammten, wie viele von ihnen auf ihre 
Constanz geprüft wurden, und welche die Anzahl der aus ihren Samen 


424 Kreuzungen in einer Mutationsperiode. 


erhaltenen Keimlinge war. Diese waren ausnahmslos Zwerge; 
die Zahlen aber ersieht man aus der folgenden Tabelle. 


Umfang der Aussaaten über die Constanz von 0. nanella aus 


Kreuzungen. 
Jahr der E Anzahl der selbst- Anzahl 
Selbstbefruchtung Breuzung befruchteten Zwerge ihrer Kinder 

1598 O. Lam. x O. nanella 30 2305 
1598 O. lata x O. nanella 17 2616 
1595 O. lata x O. nanella 7 611 
1899 O. lata X O. nanella > 200 
1598 O. sceintillans x O. nanella 4 895 
1594 O. nanella x O. brevistylis 1 72 
Summa: 64 6197 


Auch ©. rubrinervis, entstammend einer Kreuzung von O©. La- 
marckiana x O. rubrinervis, habe ich nach künstlicher Selbstbefruchtung 
1599 auf ihre Constanz geprüft. Ich erzog aus den Samen S0 Pflanzen, 
welche sämmtlich blühten oder doch ihre Blüthenknospen zeigten und 
welche ausnahmslos O. rubrinervis waren. 

Bei dem Studium der Constanz der aus Kreuzungen entstandenen 
Exemplare von ©. Lamarckiana selbst handelt es sich erstens darum, 
ob die zu der Kreuzung benutzten Arten sich in der Nachkommen- 
schaft wiederholen, zweitens aber darum, ob sie dieses vielleicht nur 
in denselben Verhältnissen thun, in denen diese Formen auch sonst 
von der O. Lamarekiana als Mutanten hervorgebracht werden. Denn 
die Fähigkeit, zu mutiren, besitzen diese Bastardpflanzen, wie wir 
Bd. I, S. 212 gesehen haben, ebenso gut wie diejenigen reiner Ab- 
stammung. 

Für eine Reihe der in den vorigen Paragraphen beschriebenen 
Bastardirungen habe ich unter den Bastarden der ersten Generation 
einige Lamarckiana-Exemplare ausgewählt und in Pergaminbeuteln 


mit sich selbst befruchtet. Die Samen sammelte und säte ich für - 


jedes Exemplar getrennt; die Keimpflanzen wurden ausgesucht und 
gezählt, sobald sich die Merkmale unzweifelhaft erkennen liessen. Ich 
führe für die einzelnen Kreuzungen die Anzahl der selbstbefruchteten 
Bastarde und diejenige der geprüften Keimlinge an. Für die letzteren 
ist dann besonders mitgetheilt, wie viel Exemplare nicht Lamarekiana 
waren, sondern den Typus der zu den ursprünglichen Kreuzungen 
benutzten (Grosseltern, in sofern diese neue Arten waren, wieder- 
holten. 


re 


a [ee ug 


Mutationen nach Kreuzungen. 425 


Aussaaten über die Constanz von Oenothera Lamarekiana- 
Exemplaren aus Kreuzungen. 


Jahr der Anzahl der Anzahl 

Selbst- Kreuzung selbstbefruchten ihrer u au 
befruchtung O. Lamarckiana Kinder Dunelaue Erd 
1897 O. Lam. x O. nanella 5 1063 5 — 
1899 O. Lam. x O. seintillans 2 s0 — — 
1599 O. Lam. x O. rubrinervis 2 s0 — — 
1597 O. lata x ©. Lamarckiana 3 427 — > 
1895 O. lata x O. nanella 1 1695 12 1 
1898 O. seintillans x O. nanella 2 151 1! — 
Summar al, Waage 4 


Die Zahlen in dieser Tabelle sind absolute. In Procente um- 
gerechnet geben sie etwa 0-5—1°/, oder noch weniger. Sie stimmen 
somit mit den im ersten Bande besprochenen Mutationscoöfficienten 
(I, S. 239, 261 und 298) ausreichend überein, um als solche betrachtet 
werden zu dürfen. Dieser Schluss scheint um so mehr gerechtfertigt, 
als, wie bereits erwähnt, das Mutationsvermögen keineswegs auf die 
Hervorbringung der grosselterlichen Formen beschränkt war (I, S. 212). 

Es ergiebt sich hieraus, dass die aus Kreuzungen hervorgegangenen 
Exemplare von O. Lamarckiana bei der Aussaat ihrer selbstbefruchteten 
Samen ebenso constant sind wie diejenigen reiner Abstammung. 


$ 8. Mutationen nach Kreuzungen. 


Es liegt auf der Hand, dass nach Kreuzungen zwischen den 
einzelnen Gliedern unserer Mutationsgruppe neue Formen ebenso 
leicht auftreten werden als nach Selbstbefruchtungen. Auch sind sie 
dabei keineswegs häufiger, und nichts deutet darauf hin, dass das 
Mutationsvermögen etwa durch die Kreuzung gesteigert würde. Im 
ersten Bande, S. 211—212 habe ich die Zahlenbelege für diese Aus- 
sprüche zusammengestellt. Und wie neben den häufigeren Mutations- 
formen auch seltenere vorkommen, deren fortgesetzte Cultur bis jetzt 
nicht gelang, so geschieht solches selbstverständlich auch nach 
Kreuzungen. Ich meine hier die im ersten Bande S. 298—304 als 
Artanfänge beschriebenen Formen. Mehrfach entstanden nach Kreu- 
zungen solche neue Typen, welche sich deutlich von allen bis dahin 
beobachteten unterschieden, und welche, wenn sie als Rosetten von 
Wurzelblättern als etwas Besonderes erkannt und entfernt von der 


426 Kreuzungen in einer DERRIT 


übrigen Cultur unter möglichst günstigen Bedingungen ausge 
waren, sich auch beim Wachsthum des Stengels und während der 
Blüthezeit als abweichend ergaben. Gewöhnlich blühten sie dann 
aber zu spät, um ihre Samen noch reifen zu können, und gingen 
sie also spurlos zu Grunde. 

Es lohnt sich nicht, die so entstandenen Formen einzeln zu be- 
schreiben. Statt dessen gebe ich eine Ab- 
bildung einer sehr typischen neuen Form, 
welche im ‚Jahre 1900 aus gekreuzten 
Samen aufging, 

Unter den verschiedenen Verbindungen, 
welche ich zwischen O, rubrinervis und 
O. nanella gemacht habe, erhielt ich aus 
einer 1899 ausgeführten Kreuzung die in 


beim Auspflanzen auf den Beeten im Juni 
aus einer grösseren Aussaat als fremdartig 
ausgeschieden, mit einigen anderen Rosetten 
von mir unbekannter Form; sie war aber 
die einzige, welche es zur Blüthe brachte. 


heblich schwächer als ‘sonst. Die Rosette 
trieb bald einen Stengel, der dünner, 
schlanker und nicht so hoch war wie bei 
O. Lamarckiana und O. rubrinervis. Auch 
die Stengelblätter waren kleiner und auf- 
fallend viel schmäler. Der Stamm war 
sehr reichlich verzweigt, mit langen, dünn 
beblätterten Aesten. Im August und An- 
fang September, als das Exemplar bereits 
über 1 Meter hoch war, schien es, dass 
es gar nicht blühen sollte, und glaubte 


Fig. 79. Mutante aus Oenothera F E y. 
rubrinervis X nanella. 1900. als O. fatua abgebildeten Typus gehörte, 


trotz der Verschiedenheit der Blätter. Aber 


diese Aehnlichkeit verschwand, als es gegen den October zu blühen 


anfıng (Fig. 79). Im Laufe dieses Monats blühte es auf nahezu | 
allen Zweigen mit kleinen, sehr eigenthümlichen Blumen. Diese‘ 
öffneten sich aber viel zu spät, um Samen reifen zu können, und so 


ist mir auch von dieser Mutation nichts Anderes als einige Präparate 
und Abbildungen übrig geblieben, 


Fig. 79 abgebildete Pflanze. Sie wurde 


Die Wurzelblätter waren kleiner und er- 


ich anfangs, dass es zu dem Bd.], S. 301° 


3 


Die Kreuzung mutabler Eigenschaften. 


$ 9. Die Kreuzung mutabler Eigenschaften. 


In dem Paragraphen über die Hypothese der Prämutation 
(Bd. I, S. 352) haben wir gesehen, dass das alljährliche Auftreten 
derselben neuen Arten aus der Mutterart nur dann in einfacher Weise 
erklärt werden kann, wenn man annimmt, dass die Anlage zu diesen 
Mutationen bereits in der letzteren vorhanden ist. Diese Anlage 
muss dann erblich sein, und von der einen Generation auf die andere, 
von dem Hauptzweig der Culturen auf die Nebenzweige übertragen 
werden. Sie äussert sich aber mehr oder weniger regelmässig, jedes 
Jahr und wohl in jeder Cultur von ausreichendem Umfang eine gewisse 
Anzahl von Mutationen hervorrufend. Diese Anzahl schwankt inner- 
halb ziemlich enger Grenzen; sie ist für die eine neue Form etwas 
grösser als für die andere, erreicht z. B. für Oenothera oblonga 1°|,, 
fur O. rubrinervis O-1°/, und für O. gigas wohl nicht mehr als 0-01 °/, 
(Bd. I, S. 239). Ich habe oben für diese Verhältnisse den Namen 
der Mutationscoöfficienten vorgeschlagen. Die Anlagen aber nenne ich 
mutabele, gerade weil sie sich in grösseren Culturen in ausreichender 
Weise durch die Mutationen verrathen. 

Unsere Erörterungen über die Prämutationsperiode haben zu dem 
Schlusse geführt, dass neue elementare Eigenschaften nicht auch 
sichtbar zu werden brauchen, sobald sie im Innern der Pflanze zuerst 
hervorgebracht werden. Im Gegentheil, unsere ganze Gruppe von 
Beobachtungen über das Mutiren der Oenothera Lamarekiana führt zu 
der Ansicht, dass die inneren Eigenschaften lange Zeit nach ihrer 
Entstehung inactiv bleiben können oder doch nur gelegentlich in den 
activen Zustand überzugehen brauchen. Ein jeder solcher Uebergang 
stellt dann eine sichtbare Mutation dar. 

In diesen Fällen ist also eine neue Eigenschaft zuerst 
im mutabelen Zustande da, um erst aus diesem activ zu 
werden. 

Daraus geht aber hervor, dass, wenn man die Mutterart mit einem 
ihrer Abkömmlinge kreuzt, der einzige Differenzpunkt der ist, dass 
die fragliche Eigenschaft bei der ersteren im mutabelen, bei der 
letzteren im activen Zustande vorhanden ist. Aber beide Eltern be- 
sitzen, abgesehen von diesem Punkte, genau dieselben Eigenschaften. 

Wir finden hier also eine wichtige Analogie mit den im vorigen 
Abschnitt behandelten Mexper’schen Kreuzungen. Aber während 
dort die verschiedenen Zustände, namentlich bei den Spaltungen in 
den späteren Generationen, sich einander ebenbürtig zeigten, ist solches 
hier nicht der Fall. Offenbar ist eine Eigenschaft in der activen Lage 


428 Kreuzungen in einer Uunsslumsperi N 
u 


ungleichwerthig! mit derselben im mutabelen Zustande, und dieses \ 
äussert sich theils in der Ungleichförmigkeit der ersten Generation 
der Bastarde, theils in dem Einflusse äusserer Bedingungen auf das 
Ergebniss der Kreuzung. 

Die Ungleichförmigkeit dieser Bastarde in der ersten 


| 
1 | 
Generation besteht bei monohybriden Verbindungen darin, dass u | 


j 


Theil der Bastarde die Merkmale der Mutter, ein anderer Theil aber 
jene des Vaters führen, und zwar nicht oder doch nicht merklich 
abgeschwächt. Ist die erndone eine dihybride, d. h. eine solche 
zwischen zwei neuen elementaren Arten, so Berl sich zu diesen 
beiden Typen in der ersten Bastardgeneration noch ein dritter. Dieser 
ist ein atavistischer, da er derjenige der Mutterart beider Eltern, 
hier also der Oenothera Lamarckiana selbst ist. 

Die bei den Menper’schen Kreuzungen so allgemein gültige Regel 
von der Präponderanz des phylogenetisch älteren Merkmales finden 
wir auch hier, aber in einer anderen Weise. Bei den Kreuzungen 
von Oen. lata oder von Oen. nanella mit der Mutterart überwiegt die 
letztere in dem Sinne, dass sie mehr als der Hälfte, zumeist drei 
Vierteln der Bastarde, ihr Bild aufprägt, während der Typus der 
neuen Art nur zu etwa einem Viertel unter den Hybriden vertreten 
ist. Und bei den dihybriden Bastardirungen darf der soeben erwähnte 
Atavismus gewiss mit einem Vorherrschen der älteren Merkmale in 
Zusammenhang gebracht werden. 

Durchgreifend ist das Uebergewicht des älteren Charakters abe 
nicht. Denn sowohl Oenothera gigas als ©. rubrinervis zeigen in ihren 
Kreuzungen mit der Mutterart oft andere Verhältnisse. Und eben 
solches können Oenothera lata und O. nanella thun, wenn sie, wie wi 
weiter unten sehen werden, mit O. biennis verbunden werden. Viel- 
leicht hängen diese Ausnahmen mit dem Einflusse äusserer Be 
dingungen zusammen, wie wir sie durch das Beschneiden der Narben 
der castrirten Blüthen studirten, vielleicht aber haben sie eine tiefere 
Bedeutung. 

Aber gerade die Fälle, in denen dieselbe Eigenschaft sich bei 
Kreuzungen das eine Mal anders verhält als das andere, weisen au 
wichtige Entscheidungen hin, welche noch von der weiteren Forschung 
zu erwarten sind. Viele Fragen sind hier noch zu beantworten, nich 


‘ In meiner vorläufigen Mittheilung über die Mutationskreuzungen habe ich 
sie aus diesem Grunde, zusammen mit einigen anderen Gruppen und im Gegen- 
satze zu den typischen MEnver-Kreuzungen, als erbungleiche bezeichnet. Berichte 
d. d. bot. Ges. Bd. XVII. 1900. S. 435. 


Oenothera brevistylis. 429 


nur für Oenotkera, sondern in zahlreichen anderen Fällen. Ich brauche 
nur an das bereits oben genannte Beispiel PETER’S zu erinnern: 
Weshalb waren die Stolonen von Fleracium Pilosella und H. pannonicum 
präponderant, und diejenigen von M. flagellare recessiv, als man diese 
Arten mit Formen ohne Ausläufer kreuzte? 

In den folgenden Generationen pflegen die Mutationsbastarde 
sich nicht zu spalten, aber constant zu sein. In dieser Beziehung 
bilden sie einen Uebergang zu den ganz constanten, aber einförmigen 
Bastarden, welche wir in $ 8 des ersten Abschnittes (S. 66) kennen 
gelernt haben. Nur, dass die so gebildeten Bastardrassen, der Un- 
gleichförmigkeit der ersten Generation entsprechend, auch hier für 
jede Kreuzung zwei oder drei an der Zahl sind und sich von ihren 
Eltern bezw. Vorfahren in keiner wahrnehmbaren Weise unterscheiden. 

Die Trennung der antagonistischen Merkmale, welche in den 
Menper’schen Bastarden, nach der vorübergehenden Verbindung der 
ersten Generation, sich bei der Entstehung der zweiten vollzieht, 
findet man hier in der ersteren, und zwar ebenso scharf und ebenso 
vollständig. War dort die Spaltung und Isolirung ein Beweis 
für die selbstständige Existenz der inneren Eigenschaften, 
so ist es hier das anfängliche getrennte Auftreten nicht 
weniger. Beide Thatsachen gehören zu den besten Stützen 
für die Lehre von den elementaren Eigenschaften, und somit 
auch für die ganze Mutationstheorie. Das Verhalten der 
Mutationsbastarde schliesst sich in diesem wichtigen Punkte durch- 
aus dem Verhalten der Eigenschaften bei den Mutationen selbst an. 


II. Combinirte Mutationskreuzungen. 


$ 10. Oenothera brevistylis. 


Unter meinen neuen Arten von Oenothera folgt O. brevistylis den 
Gesetzen der Menper’schen Kreuzungen (S. 151), während die übrigen, 
vielleicht mit O. laevifolia und theilweise mit O. nanella als weiteren 
Ausnahmen, constante Bastarde liefern. Dieser Umstand giebt die 
Gelegenheit, durch hybride Verbindung der erstgenannten Form mit 
einer der anderen, bei derselben Befruchtung einerseits mit einer 
Mexper’schen, andererseits mit einer nicht zu Spaltungen führenden 


430 Combinirte Mutationskreuzungen. 


Eigenschaft zu arbeiten. Ich habe zu diesem Zwecke die Oonotherl N 
lata als die bequemste gewählt. 

Ehe ich aber zur Beschreibung der Bastardirungen von O. lata 
und ©. brevistylis schreite, ist es erforderlich, die letztere Art ein- 
gehender zu besprechen, und somit möge dieser Paragraph ihrer Be- 
schreibung gewidmet werden. 

Im ersten Bande S. 223—225 habe ich mitgetheilt, wie ich sie 
auf dem ursprünglichen Fundorte meiner Oenothera Lamarckiana bei 
Hilversum gleich anfangs (bereits 1886) gefunden habe, und dass sie 
in meinen eigenen Öulturen niemals aus einer anderen Art entstanden 
ist. In meinen Culturen hatte ich sie 
also nur behufs Feststellung ihrer Erb- 
lichkeit und Constanz, sowie für Bastar- 
dirungsversuche. Und aus diesem Grunde 
habe ich damals für die ausführlichere 
Beschreibung und die Abbildungen auf 
diese Stelle verwiesen. 

Das am meisten auffallende Merkmal 
ist die Kurzgriffeliekeit. Die Griffel haben 
nur die Länge der Kelchröhre, die Narben 
befinden sich somit im Grunde der Blüthe. 
Eine Vergleichung unserer Fig. SO mit 
Fig. 42 auf S. 152 des ersten Bandes 
zeigt dieses sofort. Untersucht man viele 
Blumen, so findet man, dass die Griffel- 
Fig. 80. Oenothera brevistylis. länge erheblichen fluctuirenden Variationen 
ee re unterliegt. Bisweilen liegen die Narben 
der Kelchröhre zeigend. Cultur innerhalb der Kelchröhre (Fig. 81 A), bis- 
vom Aug. 1900. ?/, nat. Grösse. weilen oberhalb, nicht selten ihren Rand 

1 Cm. weit überragend. Aber von da 
bis zu der Griffellänge der normalen Oen. Lamarckiana bleibt stets 
noch eine weite Kluft (Fig. 81 B), eine transgressive Variabilität giebt 
es hier nicht. 1 

Es ist deutlich, dass man dieses Merkmal bereits in den noch 
ungeöffneten Blüthenknospen beobachten kann, wenn man diese der“ 
Länge nach durchschneidet. Sogar ganz junge Knospen lassen keinen 
Zweifel darüber, zu welcher Form die Pflanze gehört, und dieses er- 
möglicht es, bei Bastardeulturen auch diejenigen Exemplare mi 
zuzählen, welche erst spät im Herbst Blüthenknospen bilden und 
diese nicht mehr öffnen können. Die Lage der Narben am Grund 
bedingt hier eine etwas grössere Dicke der Knospe, und das Fehlen 


451 


Oenothera brevistylis. 


der Narben am Gipfel, sowie das Fehlen eines langen Griffels, der bei 
seinem Wachsthum die Narben in die Spitze der Knospe hinaufdrückt 
und somit den noch geschlossenen Kelch ausdehnt, bedingen eine ge- 
ringere Streckung für diesen. Dadurch scheint sich die eigenthümliche, 
kurze, weniger spitze, unten breitere Form der Knospen zu erklären, 
welche für O. brevistylis so charakteristisch ist, dass man stets bereits 


Fig. 81. A Oenothera brevistylis. Eine Fig. 82. Blüthen nach Entfernung der 


halbirte Blüthe ohne die Blumenblätter. Kelchröhre, der Krone und der Staub- 

Die Narben liegen tiefer im Schlunde fäden, nur den unterständigen Frucht- 

der Kelchröhre als bei Fie. 350. Im knoten, den Griffel und die Narben 

Freien eingesammelt, September 1894. zeigend. ?/, der natürlichen Grösse. 

B Oenothera Lamarckiana, Blüthe ohne A. C Oen. brevistylis, B Oen. Lamarcki- 
die Blumenblätter. ana. September 1894. 


vor dem Oeffnen der Knospen weiss, ob sie kurz- oder langgriftelig 
sind (Fig. S4 A). 

Nimmt man Griffel und Narbe aus den Blüthen heraus 
(Fig. S2 4—C) und vergleicht man sie mit den gleichnamigen Theilen 
der Mutterart, so zeigen namentlich die Narben ein abweichendes 
Verhalten. Statt fleischig und cylindrisch sind sie mehr oder weniger 
blattartig ausgebreitet, und statt scharf vom Grifiel getrennt zu sein, 
gehen sie abwärts ganz allmählich in diesen über. Oft sieht es aus, 
als ob der Griffel in seinem oberen Theile aufgeschlitzt wäre; der 
aufgeschlitzte Theil verbreitert sich dann allmählich und zeigt wiederum 
der Länge nach verlaufende Einschnitte, welche die einzelnen Narben 


432 Combinirte Mutationskreuxungen. 


Baues zeigen 


von einander trennen. Aber in den Einzelheiten dieses 
sich die Narben höchst variabel. 

Betrachten wir jetzt den Fruchtknoten, so finden wir, dass dieser 
bei der Oenothera Lamarckiana unterständig ist; dort, wo die Kelch- 
röhre eingepflanzt ist, fängt auch der Griffel an. Anders verhält es 
sich bei unserer neuen Art (Fig. 83). Hier enden die Fächer des 
Fruchtknotens nicht am Grunde der Kelchröhre, sondern setzen sich 
noch 1—2 Cm. weiter nach oben fort. Und da später, wenn die Blüthe 

verwelkt ist, Kelch und Griffel 


ka _ .& sich auch hier in nahezu dersel- 

IamIET x . 
| I MN 114 7) N ben Höhe von der jungen Frucht 

|| N | | | > ER 

| do Ve trennen, so kann man den Sach- 
Ä | { | | de PR REN verhalt am einfachsten dadurch 
| au || | ( 0%A De e$ ) ausdrücken, dass man sagt, 
TRRIT "Bl I) NEN / dass die Fächer des Frucht- 
e: Ka) I / j ug, - knotens bei der O. brevistylis 
\| SH h a sich eine Strecke weit ın den 


Griffelhinauffortsetzen. Durch- 
schneidet man die Kelchröhre 
einige Millimeter oberhalb ihres 


IAniFaeen 


M 


m 


Grundes (Fig. 83 L bei g; dar- 
b-I Fig. 33. Oenothera bre- gestellt in Q), so liegt in ihrer 

= a una dere Partie Mitte der Griffel, wie tiblicht 
iIn=E einer üthe, er Länge } $ X 

= nach durchschnitten, bei ringsherum frei; dieser aber 
| Si vierfacher Vergrösserung. yejgt in seinem Innern vos 

= @ Querschnitt in der % h 

E Höhe von q. a Ein- Fächer mit Samenknospen. 


\ pflanzung der Kelchröhre 
auf den Fruchtknoten; 

{ k Kelehröhre; 5 Fächer 

) des Fruchtknotens mit 

den Samenknospen; 9 Oberer Theil des Frucht- 
knotens im Grunde des Griffel. Aug. 1900. 


Im eigentlichen Frucht- 
knoten sind die Fächer so weit, 
dass die jungen Samen quer 
liegen können; im unteren 
Griffeltheile sind sie viel enger, 
und dementsprechend sieht man hier die Samenknospen der Länge 
nach angeordnet (Fig. 83 1). 

Abgesehen von der Öonsistenz der Wandung oberhalb und unter- 
halb der Einpflanzung der Kelchröhre, scheint es mir durchaus natür- 
lich, den Fruchtknoten, soweit sich seine Fächer und die Samen- 
knospen erstrecken, als einheitliches Gebilde zu betrachten. Wir 
müssen ihn dann aber als halb-unterständig betrachten, und 
solches führt uns zu der Auffassung, dass O. brevistylis aus O. La- 
marckiana nicht durch den Gewinn einer neuen Eigenschaft, sondern 
durch ‚den Verlust (bezw. die Latenz) einer alten hervorgegangen sei. 


Oenothera brevistylis. 433 


Onagrarieen keine einfache, durch eine einmalige Mutation entstandene 
Eigenschaft, sondern eine solche, welche aus mehreren nach einander 
aufgetretenen Einheiten aufgebaut ist. Wir nehmen somit an, dass 
hier eine von ihnen, vielleicht die jüngste, latent geworden ist. 

Im ersten Bande habe ich mehrfach betont, dass eine einzelne 
elementare Eigenschaft in ihrem sichtbaren Auftreten nicht auf ein 
einziges Merkmal beschränkt zu sein braucht, sondern im Gegentheil 
ganz gewöhnlich eine grössere oder kleinere Reihe von Merkmalen 
abändert. Namentlich bei der Besprechung der Oenothera lata (Bd. ], 
S. 237—291) habe ich dieses Princip ausführlich begründet. Wir 
können in solchen Fällen meist eine primäre Aeusserung und daneben 
eine ganze Reihe secundärer Aeusserungen der neuen elementaren 
Eigenschaft unterscheiden. Allerdings sind wir noch. weit davon 
entfernt, im Einzelnen angeben zu können, wie eine neue Eigenschaft 
so verschiedenartige Nebenfolgen haben kann. Aber dieses soll uns 
einstweilen nicht verhindern, einen Punkt auszuwählen und in den 
Vordergrund zu setzen, sei es auch, dass die Wahl dabei vorläufig 
nicht ganz ohne Willkür stattfinden kann. 

In Bezug auf unsere Oen. brevistylis möchte ich nun den Verlust 
bezw. die Latenz einer der die Unterständigkeit des Fruchtknotens 
bedingenden Eigenschaften als das Primäre, und die Länge des 
Griffels, den mangelhaften Bau der Narben, sowie alle Veränderungen 
in den sonstigen Merkmalen als secundäre Aeusserungen derselben 
Mutation betrachten. Aber auch abgesehen von dieser vielleicht 
vorläufig zu scharfen Fassung deutet alles darauf hin, dass die 
O. brevistylis nicht durch den Gewinn einer neuen, sondern durch den 
Verlust (bezw. die Latenz) einer bereits vorhandenen Eigenschaft ent- 
standen ist. 

Von den secundären Merkmalen der O. brevistylis habe ich 
namentlich noch die Form der Blätter und die mangelhafte Aus- 
bildung der Früchte zu behandeln, doch ist das Wichtigste hierüber 
bereits im ersten Bande vorgeführt worden. Die Blätter sind etwas 
kürzer und am oberen Ende weniger scharf zugespitzt als bei der 
O. Lamarckiana. Solches zeigt sich namentlich in den Rosetten der 
Wurzelblätter und am Gipfel des Stengels, einige Wochen vor der 
Blüthe. In Bastardeulturen kann man die beiden Formen dann 
bereits unterscheiden und darauf eine Schätzung des zu erwartenden 
Resultates gründen. Vielleicht würde man auf dieses Merkmal hin 
auch gelegentlich die Abzählungen vornehmen können, doch habe ich 
es stets vorgezogen, die Blüthen oder doch wenigstens die Blüthen- 


DE VRIES, Mutation. II. 28 


434 Combinirte Mutationskreuzungen. 


knospen abzuwarten. In der Fig. 84 B sieht man diese grössere 
Breite der Blätter, wenn auch nicht sehr deutlich, abgebildet. 

Weit schärfer ist der Unterschied in den Früchten, welche wohl 
das am leichtesten zu beobachtende Merkmal bilden. Die Fig. 84 
zeigt zwei blühende Stengelgipfel in demselben Alter und an dem- 


Fig. 54. Blühende Stengelgipfel von O. bre- Fig.85. Ausgewachsene Früchte 
vistylis (B) und ©. Lamarckiana (L), an dem- von ©. brevistylis vom unteren 
selben Tage photographirt. Ende August 1900. Theile der Infloresceenz, im 
Im unteren Theile die fast erwachsenen October photographirt. Früchte 
Früchte f. klein und wenigsamig. 


selben Tage photographirt, B von O. brevistylis, L von O. Lamarckiana. 
Unten sieht man die noch unreifen, aber doch fast zur vollen Grösse 
ausgewachsenen Früchte in den Achseln der Blätter, und es fällt 
auf, wie sie bei der neuen Art ganz kurz geblieben und auswärts 
gerichtet sind, während sie sich bei der Mutterart (Fig. 84 L) viel 
länger und mehr aufgerichtet zeigen. 


Oenothera Pohliana (O. lata x O. brevistylis). 435 


Noch deutlicher wird dieses, wenn wir die völlig ausgewachsenen 
Früchte vergleichen. Diese sind für O. brevistylis in unserer Fig. 85, 
für ©. Lamarckiana aber in Bd. I, S. 320 in Fig. 99 L abgebildet, und 
zwar bei derselben Verkleinerung. Die ersteren sind eckig, mehr 
oder weniger keulenförmig und klein, die letzteren geschwollen, ge- 
rundet, im unteren Theile dick und etwa von der doppelten Länge. 
Die Früchte der O. brevistylis reifen im Mittel nur einen bis zwei 
Samen pro Frucht, diejenigen der O. Lamarckiana weit über hundert. 

Der Blüthenstaub der O. brewistylis ist sehr reichlich ausgebildet 
und in Kreuzungsversuchen nicht weniger fruchtbar als derjenige der 
O. Lamarckiana. Auf den eigenen Narben der O. brevistylis keimen 
ihre Pollenkörner reichlich, und ihre Röhren wachsen im Griffelkanal 
zahlreich abwärts, die Samenknospen im oberen Theile des Frucht- 
 knotens in grosser Anzahl erreichend, aber ohne hier die Bildung 
von Samen zu veranlassen. Und im unteren Theile entwickeln sich, 
wie bereits bemerkt wurde, höchstens ganz wenige Samen, sowohl bei 
freier als auch bei künstlicher Befruchtung. 


$ 11. Oenothera Pohliana (0. lata x O. brevistylis). 


Die hybride Verbindung von Oenothera lata mit Oenothera brevistylis 
gehört in manchen Hinsichten zu den wichtigsten Kreuzungen unter 
den Abkömmlingen der Oenothera Lamarckiana. Denn mehr als jede 
andere führt sie uns zu einer richtigen Erkenntniss desjenigen, was 
wir als elementare Eigenschaft zu betrachten haben. 

Die Aufgabe umfasst einerseits die Frage, wie sich die beiden 
in den vorigen Abschnitten einzeln behandelten Eigenschaften bei 
dihybrider Verbindung verhalten werden, die den Mexper’schen Ge- 
setzen folgende Brevistylis- und die constante Bastarde liefernde 
Lata-Eigenschaft. Die jetzt zu beschreibenden Versuche ergeben, 
dass beide Eigenschaften sich verbinden lassen, und dass 
jede dabei ihren eigenen Gesetzen folgt, unabhängig von 
der anderen. 

Die Brevistylis-Eigenschaft ist als recessives Merkmal in den 
Bastarden der ersten Generation unsichtbar und äussert sich in der 
zweiten Generation in etwa einem Viertel der Individuen. Die Lata- 
Eigenschaft aber tritt bereits in der ersten Generation in etwa einem 
Viertel der Bastarde auf, während die übrigen drei Viertel auch in 
späteren Generationen (abgesehen von dem Mutationsvermögen) keine 
Lata- Exemplare hervorbringen. 

Andererseits ist das Ziel der Aufgabe, zu versuchen, eine Rasse 

28* 


456 Combinirte Mutationskreuxungen. 


herzustellen, welche die beiden Eigenschaften constant in sich vereinigt. 
Lata ist weiblich, Brevistylis fast ausschliesslich männlich, und es fragt a1 
sich also, ob es möglich wäre, durch beider Verbindung eine dioe- 
cische Form zu erhalten. Dieses ist aber bis jetzt nicht möglich 
gewesen, und zwar aus dem folgenden Grunde: Die Lata-Eigenschaft 
macht den Blüthenstaub steril, die Brevistylis-Eigenschaft lässt die 
Fruchtknoten verkümmern. Wenn man also beide verbindet, so muss 
man eine Pflanze mit verkümmertem Fruchtknoten und 
sterilem Pollen erhalten. Und diese wird weder bei Selbst- 
bestäubung noch bei Kreuzung Samen zu geben im Stande 
sein. Solche Pflanzen bekommt man regelmässig, und zwar in den 
Verhältnissen, welche die einfachen Combinationsregeln erwarten 
lassen; mit ihnen ist aber offenbar weiter nichts anzufangen." Und 
wo unter diesen Bastarden die fertilen Fruchtknoten der O. lata sich 
mit dem normalen Blüthenstaub der O. brevistylis vereinigen, erhält 
man Pflanzen, welche einfach die betreffenden neuen Eigenschaften 
verloren haben und zu der Form der gemeinschaftlichen Vorfahren, 
O. Lamarckiana, zurückgekehrt sind, wie wir bald sehen werden. 
Ohne in theoretische Auseinandersetzungen zu treten, scheint es 
mir also, dass die zu besprechenden Versuche das Wesen der beiden 
elementaren Eigenschaften klar beleuchten, und uns dadurch den Weg 
weisen, welcher auch in anderen Fällen zu einer elementaren Analyse 
von Artmerkmalen führen kann. 
Die Wichtigkeit dieser Fragen ist für mich die Veranlassung 
gewesen, bereits in den ersten Jahren meiner Bastardirungsversuche 
diese Verbindung vorzunehmen.” Ich wählte dazu im Sommer 1894 
eine Lata-Pflanze aus meiner ersten Lata-Familie (Bd. I, S. 202), 
welche damals aus den Samen der in 1888 als Mutanten aus La- 
marckiana entstandenen dickköpfigen Exemplare hervorgegangen war. 
Diese befruchtete ich unter Ausschluss des Insectenbesuches mit dem 
Blüthenstaub aus Knospen von O. brevistylis, welche zu diesem Zwecke 
auf dem wilden Fundort bei Hilversum eingesammelt wurden. In 
demselben Jahre hat Herr Dr. Juuıus Pont, jetzt Professor an der 
Universität Prag, in meinem Institut die beiden Stammformen ana- 


ı Da Oenothera brevistylis in gewissen Exemplaren einen bis zwei Samen 
pro Frucht ausbilden kann, wird es vielleicht doch später möglich sein, auch 
von der Lata-brevistylis einzelne Samen zu gewinnen. 

® Eine vorläufige Beschreibung der Kreuzung und der beiden ersten Bastard- 
generationen dieses Versuches (1894—1896) habe ich im Botanisch Jaarboek 1897 
S. 74 und 90 veröffentlicht. 


Oenothera Pohliana (O. lata x O. brevistylis). 437 


tomisch und entwickelungsgeschichtlich untersucht! und die im ersten 
Bande sowie im vorigen Paragraphen geschilderten Verhältnisse ihres 
Baues entdeckt. Aus diesem Grunde habe ich damals für die Bastard- 
rasse aus den beiden genannten neuen Arten den Namen Oenothera 
Pohliana gewählt.” Diese Bastardrasse aber besteht, wie wir sehen 
werden, in jeder einzelnen Generation aus vier verschiedenen Formen, 
den beiden elterlichen und dem vorelterlichen Typus, sowie der 
Combinationsform. 

Die im Jahre 1594 geernteten hybriden Samen gaben im nächsten 
Sommer eine Öultur von 73 Pflanzen. Unter diesen waren 11 O. lata, 
also etwa 15°/,, und die übrigen, mit Ausnahme einer Mutante 
(0. oblonga) waren alle ©. Lamarckiana. Von der Kurzgriffeligkeit des 
Vaters war keine Spur zu sehen, was ja auch nicht zu erwarten war, 
weil diese Eigenschaft, als eine recessive, sich in der ersten Bastard- 
generation nicht äussert. Der Gehalt an Lata-Pflanzen liegt inner- 
halb der Grenzen der Erbzahlen dieser Art, wie wir sie oben ($ 2, 
S. 405) kennen gelernt haben, und nicht allzuweit von deren Mittel 
(21—24°/,) entfernt. Das Lata-Merkmal verhält sich also hier wie 
sonst in monohybriden Kreuzungen; in Bezug auf das Brevistylis- 
Merkmal ist aber anzunehmen, dass alle Pflanzen, sowohl diejenigen 
mit der Tracht der ©. lata als die übrigen, Bastarde waren. 

Dieses habe ich nur für die Zata-Pflanzen untersucht, und zwar 
indem ich sie wiederum mit Blüthenstaub von O. brevistylis befruchtete, 
welche Art ich damals bereits in Öultur hatte (1895). War die 
Voraussetzung richtig, so müsste diese Kreuzung (O. lata X brevistylis) 
x 0. brevistylis etwa 50°/, kurzgriffelige Nachkommen geben, genau 
so wie wir solches früher von (0. Zamarckiana x brevistylis) x O. bre- 
vistylis gesehen haben.? 

Im Ganzen habe ich vier Lata-Exemplare in dieser Weise be- 
handelt, und ihre Samen getrennt geerntet und ausgesät; da sie aber 
unter sich keine nennenswerthen Abweichungen zeigten, theile ich 
nur die Summen und die Mittelzahlen mit. Die Aussaat fand theil- 
weise 1396, theilweise aber erst 1899 statt. Bei der Keimung 
zeigten sich wiederum die beiden Hauptformen, wie in der vorigen 
Generation. Es keimten in beiden Jahren im Ganzen 518 Exem- 
plare, von denen 71°/, die Tracht der Lamarckiana und der Brevistylis 
hatten und 27°/, Lata waren, während die übrigen 2°/, sich als 


! Vergl. Bd. I, S. 223 und S. 292, sowie Oesterr. bot. Zeitschrift. 1895. Nr. 5. 
” Botanisch Jaarboek, 1. e. 8. 74. 
® Vergl. Abschnitt II, $ 11, S. 179. 


438 Combinirte Mutationskreuxumgen. 


Mutanten ergaben (O. oblonga in 6 Ex. und 8 Ex. von O. nanella). 
Um ferner in jeder der beiden erstgenannten Gruppen die Anzahl 
der Träger des Brevistylis-Merkmales zu ermitteln, wurde nun aus 
beiden etwa die Hälfte der jungen Pflanzen weiter ceultivirt und 
während der Blüthe ausgesucht und gezählt. Unter der Annahme, 
dass die dabei gefundenen Verhältnisse auch für die nicht weiter 
cultivirten Pflanzen gelten, wurde dann für die Zusammensetzung der 
ganzen Generation das Folgende gefunden: 


Oenothera Lamarckiana 35°), 


„ brevistylis 36 „ 45 Ir 
“ lata-brevistylis 9 „ r 
F lata 19, 27T, 


O. oblonga + O. nanela 2 „ 


Betrachten wir zunächst die Eigenschaften der einzelnen Gruppen, 
um nachher ihr numerisches Verhältniss zu besprechen. Die La- 
marckiana-Pflanzen sind äusserlich nicht von denjenigen reiner Ab- 
stammung zu unterscheiden, sie können aber, in Bezug auf die Kurz- 
griffeligkeit, Bastarde sein, und sie müssen solche sein, da ja ihr 
Vater O. brevistylis war. Die Brevistylis-Pflanzen stimmten in jeder 
Hinsicht mit der im vorigen Paragraphen gegehenen Beschreibung 
überein, auch müssen sie in Bezug auf ihre inneren Eigenschaften 
und ihre Erblichkeit rein sein, da ja das Merkmal ein recessives ist. 
Die Lata-Pflanzen wichen von echter Lata nicht sichtbar ab, nament- 
lich nicht in Bezug auf den Bau des Griffels und der Narben, welche | 
ebenso lang waren wie bei der gewöhnlichen O. lata. Aber in Bezug 
auf die Kurzgriffeliskeit müssen sie wiederum selbstverständlich 
Bastarde sein. 

Am wichtigsten sind die Exemplare, welche zu derselben Zeit 
O. lata und O. brewistylis waren. In der Jugend und während der 
Entwickelung des Stengels leicht als Lata zu erkennen und von dieser 
nicht abweichend, können sie an der Blattform und in dem Aeusseren 
der Blüthenknospen sich nicht als brevistyle verrathen, da hier die 
secundären Merkmale zu sehr mit denen der O. lata übereinstimmen. 
Oeffnet man aber die Blüthenknospen oder wartet man deren Ent- 
faltung ab, so sieht man, dass die Griffel kurz sind und die Narben 
nicht oder kaum aus der Kelchröhre hervorragen, ebenso, dass sie 
die eigenthümliche blattartige Ausbreitung der echten O. brevistylis | 
zeigen. Dagegen bieten die Staubbeutel alle Merkmale der O. lata, 
denn sie sind trocken, runzelig und ohne fruchtbare Körner. Auch 


setzen diese Pflanzen keine Kapseln an, oder doch ebenso wenig wie 
) 


zen 
> 


Oenothera Pohliana (O. lata x O. brevistylis). 439 


die O. brevistylis selbst; die Früchte fallen nicht nach der Blüthe ab, 
wachsen auch wohl etwas heran, aber doch nur sehr wenig, bei Weitem 
die Grösse der an sich schon kleinen Zata-Früchte (Bd. I, S. 321, 
Fig. 101Z) nicht erreichend. Keimfähige Samen fand ich in ihnen 
bis jetzt noch nicht. 

Jetzt kommen wir zu der Besprechung der numerischen Ver- 
hältnisse. Wir betrachten dabei zunächst jede der beiden fraglichen 
Eigenschaften für sich und dann deren Verbindung. Das Brevistylis- 
Merkmal müsste nach der Regel der MenpEL’schen Kreuzungen: 
(Dom. x Rec.) x Rec., in 50°/, der Individuen vertreten sein und wir 
finden es in 356 +9=45°/,, was nach den Erörterungen über die 
Latitüde solcher Zählungen eine ausreichende Uebereinstimmung ist 
(S. 128). Das Lata-Merkmal folgt den Regeln der Mutations- 
kreuzungen und ist somit von der Frage nach den Vorfahren der 
gekreuzten Exemplare unabhängig; seine Erbzahl schwankt um 
21—24°/, als Mittel. Wir finden hier 9 + 18 = 27 °/, Lata-Pflanzen, 
‘ während in der vorigen Generation deren 15°/, gefunden waren. 
Also auch hier eine der Erwartung entsprechende Uebereinstimmung. 

Die Berechnung der dihybriden Verbindung stösst auf die 
Schwierigkeit, dass die Lata-Eigenschaften von äusseren Einflüssen 
abhängig sind, und dass somit zu erwarten ist, dass die schwächeren 
Brevistylis-Pflanzen eine andere Erbzahl für das Lata-Merkmal haben 
können als die kräftigeren Lamarckiana-Pflanzen. Wir finden denn 
auch auf 45 brevistyle 9, welche zu gleicher Zeit lata sind, also 20 °/,, 
und auf 35 + 18 = 53 nicht-brevistyle 18 Lata-Pflanzen, also 34 /.. 
Berechnen wir jetzt die vier Gruppen unter der Annahme, dass 50 °/, 
- brevistyl und 27 °/, jeder der beiden Abtheilungen lata sein sollen, so 
finden wir: 


Exemplare Berechnet Gefunden 
Lamarckiana 36-5 °/, 33%, 
Lata 132.5.,, 187, 
Brevistylis 36-5 „ 30, 
Lata- Brevistylis 3-93, 35 


Unter .den angedeuteten Erwägungen gestatten diese Zahlen also 
die Schlussfolgerung, dass die beiden fraglichen Eigenschaften 
sich bei der dihybriden Kreuzung unabhängig von einander 
verhalten. 

Die folgende, also dritte Bastardgeneration, ist im Wesentlichen 
nur eine Wiederholung der zweiten gewesen. Daneben diente sie 
aber zur Controle der Constanz der in ihr auftretenden Typen. Im 


440 Combinirte Mutationskreuzungen. 


Sommer 1896 habe ich in der zweiten Generation vier Lata- Exemplare 
mit dem Pollen ihrer hohen brevistylen Brüder in Pergaminbeuteln 
befruchtet. Die Samen wurden getrennt geerntet und ausgesät, die 
vier Gruppen zeigten keine nennenswerthen Unterschiede. Zur Blüthe- 
zeit hatte ich 371 Pflanzen, deren Blüthen oder Blüthenknospen be- 
urtheilt werden konnten. Ich fand darunter mit dem Typus der 


Lamarckiana 349%, 
Brevistylis. 2 “ 50 %/, 
Lata- Brevistylis 15 „ 
Lata er 


Die einzelnen Typen waren dieselben wie in der vorigen Gene- 
ration; auf die oben gegebenen Beschreibungen kann also verwiesen 
werden. Die numerischen Verhältnisse sind gleichfalls im Wesent- 
lichen dieselben, nur für die beiden recessiven Merkmale ein wenig 
günstiger, übrigens aber die oben gezogenen Folgerungen einfach 
bestätigend. Die Lata-Brevistylis-Pflanzen waren wiederum völlig 
steril; ich habe ihre kleinen Früchte bei der Reife geerntet und 
sorgfältig geprüft, fand darin aber keine reifen Samen, trotzdem die 
Blüthen künstlich und reichlich mit dem Staub der Brevistylis- Pflanzen 
befruchtet worden waren. 

Von den hohen brevistylen Exemplaren, sowie von den „Atavisten“, 
d.h. den Pflanzen mit den Merkmalen der O. Lamarckiana habe ich 
eine gewisse Anzahl in Pergaminbeuteln mit ihrem eigenen Pollen 
befruchtet, dazu in der ersten Gruppe diejenigen Individuen aus- 
wählend, deren Narben am meisten aus der Kelchröhre hervorragten. 

Die Samen wurden im nächsten Frühling (1898) ausgesät. Die 
Lamarckiana-förmigen Mütter mussten, ihrer Abstammung nach, in 
Bezug auf die Kurzgriffeligskeit Bastarde sein; es ist hierauf nur ein 
kleiner Theil geprüft worden; der grösste Theil der Saat wurde nur 
so weit cultivirt, bis sich mit Sicherheit entscheiden liess, ob unter 
ihr Lata-Pflanzen vorkamen. Von 6 Müttern erhielt ich 988 Keim- 
pllanzen; unter diesen befanden sich 3 O. nanella, 1 O. lata und 
1 ©. oblonga, also die üblichen Mutanten; sonst hatten alle im Alter 
von etwa 1!/, Monaten die Merkmale der O. Lamarckiana. In Bezug 
auf das Lata-Merkmal verhalten sich die Atavisten hier somit genau 
so wie bei den entsprechenden monohybriden Kreuzungen (vergl. 
diesen Abschnitt, $ 7, S. 425). 

Um zu erfahren, ob die Voraussetzung richtig ist, dass die 
Lamarckiana-Exemplare in Bezug auf die Kurzgriffeligkeit Bastarde 
waren, habe ich eine kleine Gruppe weiter cultivirt. Es gelangten 


Oenothera Pohliana (O. lata x O. brevistylis). 441 


33 Pflanzen zur Blüthe, von denen 8 brevistyl waren, also 24 °/,, 
während die Gesetze der Menper’schen Kreuzungen 25 °/, erwarten 
liessen. Es darf diese Uebereinstimmung, trotz des sehr geringen 
Umfanges des Versuches, wohl als ein Beweis für die gemachte An- 
nahme betrachtet werden. 

Die Samen der brevistylen Pflanzen von 1897 mussten selbst- 
verständlich bis zur Blüthezeit cultivirt werden. Von 6 Müttern hatte 
ich im August 1898 im Ganzen 385 blühende Kinder, welche aus- 
nahmslos brevistyl waren. Also ebenso constant wie die O. brewistylis 
von reiner Abstammung, und wie es sich überhaupt für das recessive 
Merkmal bei Menper’schen Kreuzungen erwarten lässt. Die Pflanzen 
blühten bis spät in den Herbst hinein äusserst reichlich, da sie sich 
ja nicht durch Samenbildung erschöpfen. An ihren äussersten Spross- 
gipfeln fingen sie im October an Verbänderungen zu zeigen, welche 
sich in fast der Hälfte der damals noch blühenden Exemplare zeigten, 
und nicht selten eine Breite von 2—3 Cm. bei nicht erheblich grösserer 
Länge erreichten. Es waren theilweise kleine gleichseitige Dreiecke 
an der Spitze des sonst fast normalen Stengels. 

Im Sommer 1897 habe ich auch einige Lata-Exemplare mit 
Brevistylis aus derselben Cultur befruchtet, um den Versuch fort- 
zusetzen; diese Samen sind aber aus äusseren Gründen bis jetzt 
noch nicht ausgesät worden. 

Zum Schlusse fasse ich die mitgetheilten Ergebnisse meines 
Versuches in der Form eines Stammbaumes zusammen: 


Stammbaum über Oenothera Pohliana = 0. lata x 0. brevistylis. 


76 °/, (Atav.) Brevistylis Steril 
1898 24%), Brevist. 160 °/, | 
0°, Lata 
| | 
Atav. Lata Brewistyjlis Lata-brevistylis 
1897 349, 16%, 35 9, 15%, 
Be . . . 
Atav. Lata brevistylis Lata-brevistylis 
1896 35%), a 36%), 9%, 
(1899) 23 METER re | MEER TIER. 
- N . . 
1895 Atav. Lata O. brevistylis 
85.55 15°/, (aus O. Lam. x O. brevistylis) 
hi 
1594 O. lata x 0. brevistylis 


(2. Generation) (aus Hilversum) 


442 Combinirte Mutationskreuxungen. 


In diesem Stammbaum bedeutet 4Atav. Pflanzen, welche die 
Tracht der gemeinschaftlichen Vorfahren, also der Lamarckiana hatten, 
welche aber in Bezug auf die Länge der Griffel, ihrer Abstammung 
nach, Bastarde sein müssen. Ferner bedeutet (Aiav.) ebensolche 
Pflanzen, welche in Beziehung zu diesem Merkmal theils (zu ?/,) gleich- 
falls Bastarde, theils aber (zu !/,) reine O. Lamarckiana sein müssen. 

Der ganze Stammbaum zeigt aber, dass die Lata- und 
die Brevistylis-Eigenschaften sich in derselben Kreuzung 
verbinden lassen, und dass beide dabei ihren eigenen 
Gesetzen folgen. Wenn man diesen Versuch, wie ich es zu 
thun beabsichtige, in derselben Weise noch durch eine Reihe von 
weiteren Generationen fortsetzt, so wird voraussichtlich die Zusammen- 
setzung aller dieser Generationen dieselbe bleiben wie in den beiden 
Jahren 1896 und 1897. In diesen aber waren etwa die Hälfte der 
Pflanzen kurzgriffelig und die andere Hälfte im Bezug auf diese 
Eigenschaft Bastarde, während der Gehalt an Lata-Pflanzen nach 
den speciellen Gesetzen der Erbzahlen für diese Eigenschaft variürte. 
Verbindungen ohne und solche mit beiden Eigenschaften beobachtet 
man etwa so viele, wie die bekannten Wahrscheinlichkeitsgesetze 
dieses im Voraus berechnen lassen. Der Combinationstypus ohne 
die beiden elterlichen Eigenschaften geht auf die gemeinschaftlichen 
Vorfahren zurück und ist fruchtbar wie diese. “Derjenige mit den 
beiden neuen Eigenthümlichkeiten verbindet die Pollensterilität der 
Mutter mit dem verkümmerten Fruchtknoten des Vaters und ist also 
beiderseits steril. 

Andere Combinationen giebt es nicht, und kann es auch nicht 
geben, wenn die Voraussetzung richtig ist, dass es sich bei jeder der 
beiden ursprünglich gekreuzten neuen Arten nur um eine einzelne, ein- 
fache, unzerlegbare elementare Eigenschaft handelt. Umgekehrt aber 
bildet das Fehlen solcher anderweitiger Combinationen den besten 
Beweis für diesen so sehr wichtigen Satz. 

Und im Ganzen und Grossen lehrt die Unmöglichkeit, einen 
einförmigen und fruchtbaren Bastard, oder auch eine zweiförmige, 
dioecische Rasse aus der fraglichen Verbindung zu machen, dass nicht 
die äusserlichen, der Wahrnehmung bequem zugänglichen Merk- 
male bei Kreuzungen entscheidend sind, sondern die inner- 
lichen, weit schwieriger zu erforschenden elementaren Eigenschaften. 
Die Merkmale sind weiter nichts als die Aeusserungen 
dieser Eigenschaften, aber eine einzelne, unzerlegbare Eigenschaft 
kann sich in vielen Merkmalen äussern, und diese» sind deshalb 
gleichfalls im Wesentlichen untrennbar. 


Die Spaltungen unter den Bastarden der Oenothera nanella. 443 


$ 12. Die Spaltungen unter den Bastarden der Oenothera nanella. 


Im ersten Bande habe ich, bei der Beschreibung meiner Zwerg- 
Oenothera, besprochen, wie diese sich in vielen Punkten anders aus- 
nimmt als die übrigen neuen Arten (Bd. I, S. 255). Während die 
meisten von diesen in anderen Gattungen ihre Analoga nicht finden, 
kommen Zwergformen im Pflanzenreiche sehr häufig vor, und sind 
sie im Gartenbau sehr beliebt und in einer ganzen Reihe von 
Gattungen und Familien in Cultur. Sie werden regelmässig als 
Varietäten zu dem betrefienden Typus gerechnet, und deshalb wären 
in systematischer Hinsicht unsere Zwerge ohne Zweifel als solche 
aufzufassen und Oenothera Lamarckiana nanella zu nennen (Bd. I, S. 257). 
Da sie sich aber in experimenteller Hinsicht genau so verhalten wie 
die übrigen elementaren Arten, habe ich sie in der Regel wie diese 
mit der bequemeren Form eines binären Namens bezeichnet und 
Oenothera nanella genannt. 

Trotz dieser Uebereinstimmung in den Versuchen gab es dennoch 
Gegensätze. Zu diesen gehört namentlich die Thatsache, dass die 
Zwergeigenschaft sich nicht allzu selten mit den Merkmalen der 
übrigen neuen Arten verbindet, während diese sich unter sich fast 
völlig auszuschliessen scheinen. So beobachtete ich Zwerge als 
Mutationen (und nicht etwa als extreme Varianten der fluctuirenden 
Variabilität) von Oenothera albida, elliptica, gigas, scintillans und oblonga 
(S. 266), und fand ich in Bastardirungsversuchen auch Oenothera lata 
nanella. Somit kommen Combinationen mit allen in den Stammbäumen 
von 8. 157, 184 und 192 genannten neuen Formen vor, mit Ausnahme 
der allzu seltenen (O. leptocarpa u. s. w.) und der Oenothera rubrinervis. 

Im letzten Abschnitt des ersten Bandes habe ich die wichtigsten 
Typen der Artbildung als progressive, retrogressive und degressive 
unterschieden, je nachdem zu den alten Eigenschaften eine neue 
hinzukommt, oder eine bereits vorhandene inactiv oder latent wird, 
oder endlich eine latente in den activen Zustand übergeht. Nach 
diesen Unterscheidungen gehören die Zwergformen offenbar zum retro- 
gressiven Typus, denn sie können als Varietäten aufgefasst werden, 
in denen die die normale hohe Statur bedingende Eigenschaft inactiv 
geworden ist. Oder mit anderen Worten: in denen einer der Factoren 
dieser Statur verloren gegangen (latent geworden) ist. 

Betrachten wir jetzt das Verhalten der Zwergformen in Bastar- 
dirungsversuchen, d. h. wenn man sie mit den entsprechenden hohen 
Formen kreuzt. Leider fehlen ausreichende Versuche zur directen 
Vergleichung, aber die oben mehrfach berührten Zwergkreuzungen 


444 Combinirte Mutationskreuzungen. 


beim Mohn und beim Löwenmaul, sowie namentlich die sehr allgemein- 
gültige Regel, dass Kreuzungen in Bezug auf retrogressive Merkmale 
den Mexper’schen Gesetzen folgen, lassen ein ähnliches Verhalten 
auch für die Oenothera nanella erwarten. 

Mit anderen Worten: Nach den Bastardirungsregeln, welche für 
die auf retrogressivem Wege entstandenen Arten gelten, wäre zu er- 
warten, dass Oenothera nanella in ihren Kreuzungen mit hohen Ver- 
wandten den MEnpEr’schen Gesetzen folgen würde. 

Dem ist nun in den bis jetzt beschriebenen Versuchen nicht so. 
Oenothera nanella folgt als eine neue, vor Kurzem durch Mutation 
entstandene Art, den Regeln der Mutationskreuzungen. Aber nur 
theilweise, und zum anderen Theile entspricht sie der angedeuteten 
Erwartung. Ich habe bei meinen Beschreibungen von Zeit zu Zeit 
darauf hingewiesen, dass Ausnahmen vorkommen. Diese beziehen 
sich auf die Oen. nanella, und zwar so weit die Beobachtungen bis 
jetzt reichen, ausschliesslich auf diese (vergl. S. 399 u. s. w.). In diesen 
Ausnahmefällen folgt die Zwergeigenschaft, wenigstens der Hauptsache 
nach, wahrscheinlich aber völlig, den Gesetzen, welche sonst im 
Pflanzenreiche für die Bastardirung retrogressiv gebildeter Sorten 
beobachtet wurden. 

Solcher Ausnahmen kenne ich bis jetzt zwei. Erstens die 
Kreuzung von Oenothera nanella mit O. rubiennis, dem mehrfach be- 
sprochenen Bastard von O. biennis L. und O. cruciata Nutt., welcher 
also nicht zu der Mutationsgruppe der ©. Lamarckiana gehört. Diese 
Kreuzung habe ich in den beiden reciproken Verbindungen ausgeführt, 
und zwar mit gleichem Erfolge. Zweitens aber die sexuelle Ver- 
einigung mit O. rubrinervis, welche mit O. nanella gleicher Abstammung 
ist, und welche ihr phylogenetisch ebenso nahe verwandt ist, wie es 
die übrigen Mutationen in dieser Gruppe unter einander sind. Diese 
letztere Kreuzung habe ich, weil sie der eigentlichen Aufgabe meiner 
Untersuchungen am nächsten stand, so ausführlich wie möglich studirt, 
und obgleich meine Versuche zu einem endgültigen Abschluss noch 
mehrere Jahre brauchen werden, so wird der nächste Paragraph 
doch zeigen, dass sie schon jetzt auf einen wenigstens sehr nahen 
Anschluss an die MEnper’schen Gesetze schliessen lassen. 

Hervorheben möchte ich hier, dass die O. nanella in dieser Hin- 
sicht nicht völlig isolirt dasteht. Denn unter den Abkömmlingen 
der Oenothera Lamarckiana folgt die O. brevistylis in ihren verschiedenen 
Kreuzungen gleichfalls den Menper’schen Gesetzen, und zwar, soweit 
sie untersucht wurde, stets. Auch die O. laevifolia verhält sich, 
soweit ich aus gelegentlich gemachten Beobachtungen schliessen darf, 


Die Spaltunyen unter den Bastarden der Oenothera nanella. 445 


in derselben Weise. Diese beiden neuen Arten gehören aber zu den 
älteren Abkömmlingen der Oen. Zamarckiana und wurden von dieser 
in den fünfzehn Jahren meiner Culturen nicht wieder hervorgebracht. 
Man kann also sagen, dass die O. nanella sich bei gewissen Kreuzungen 
wie O. brevistylis, bei anderen aber ähnlich wie die übrigen neuen 
Arten verhält. 

Es lohnt sich, diese letzteren Fälle hier nochmals kurz zusammen 
zu stellen, bevor ich zu der Beschreibung der fraglichen Versuche 
übergehe. Das Typische der Mutationskreuzungen liegt darin, dass 
bereits die erste Generation nicht einförmig ist, sondern dass die 
Bastarde sich bereits in dieser in zwei oder drei Gruppen theilen, 
welche erstens den beiden Eltern, dann aber auch der gemeinschaft- 
lichen Stammform gleichen, und welche bei Selbstbefruchtung in 
ihren Nachkommen sich nicht spalten, sondern, soweit die Erfahrung 
reicht, constant bleiben. 

Die Zwergform tritt dabei in etwa einem Viertel der Individuen 
auf, aber je nach äusseren Einflüssen in sehr schwankender Anzahl, 
vom völligen Fehlen bis zu etwa der Hälfte der Exemplare. So 
verhält es sich bei den Kreuzungen mit O. Lamarekiana und mit 
O. lata und O. seintillans, welche dieser ja ganz nahe stehen (O. lata 
als Bastard und O. seintillans als inconstante Art). Aber auch die 
künstlichen Verbindungen mit O. brevistylis, O. biennis und O. hirtella 
folgen dem nämlichen Gesetze, trotz der viel weniger engen Verwandt- 
schaft. Bei O. biennis führt dieses bereits in der ersten Generation 
zu der neuen Combinationsform O. biennis nanella, welche sich bei 
Aussaat, wie die Bastarde der übrigen genannten Nanella- Kreuzungen, 
als constant erweist (vergl. den nächsten Abschnitt, $ 4). 

Ganz anders gestalten sich nun die beiden Kreuzungen mit 
O. rubiennis und O. rubrinervis, welche somit, vorläufig wenigstens, 
als Ausnahmen zu betrachten sind. In der ersteren Generation sind 
ihre Bastarde einförmig, in der zweiten sind sie nicht constant, son- 
dern spalten sie sich. Dabei übernimmt das Zwergmerkmal die Rolle 
des recessiven Charakters und dominirt in den Bastarden die hohe 
Statur. Erst in der zweiten Generation treten wiederum typische 
Zwerge neben den hohen Exemplaren auf. 

Zunächst beschreibe ich die Bastarde, welche ich aus der Ver- 
bindung der O. nanella mit der Bastardrasse O. rubiennis erhielt. Und 
zwar für die beiden reciproken Verbindungen O. nanella x O. rubiennis 
und O. rubiennis x O. nanella. Diese Hybriden führen alle den 
Typus Rubiennis und können wiederum Nanella-Exemplare 
hervorbringen. Die fraglichen Kreuzungen wurden 1898 ausgeführt. 


446 Combinirte Mutationskreuxungen. 


Sie hatten das folgende Ergebniss: 


Anzahl £ Anzahl 
Kreuzung der Keimpflanzen Nanella der Mütter 
OÖ. rubiennis x O. nanella 262 0) 2 
OÖ. nanella X ©. rubiennis 120 0) 3 


Die Keimpflanzen waren in diesem Versuche in Bezug auf die 
rothbraune Farbe der Stammform ©. rubiennis nicht gleichförmig. 
Bei der erstgenannten Kreuzung trugen 95 °/,, bei der zweiten 36 °/, 
diese Farbe, während die übrigen grün waren. Zwerge fehlten, wie 
die Zahlen angeben, durchaus. 

Als nun unter den rothbraunen Mischlingen einige künstlich mit 
ihrem eigenen Blüthenstaub unter Ausschluss jedes fremden Pollens 
befruchtet waren, gingen im Jahre 1900 aus den Samen theilweise 
Zwerge hervor. Diese waren Anfang Juni beim Auspflanzen bereits 
kenntlich, wurden aber, wie die übrigen, bis in den Herbst weiter 
eultivirt. Die Zahlenverhältnisse waren die folgenden: 


Anzahl der selbst- Anzahl der 


Kreuzung befruchteten Bastarde Grosskinder /. Namella 
O. nanella x O. rubiennis 3 Rubiennis 114 14 
O. rubiennis x O. nanella 2 Rubiennis s0 7-5 


Die fünf Aussaaten wurden einzeln gemacht; jede enthielt Zwerg- 
Exemplare, und zwar in Verhältnissen, welche nur unwesentlich von 
den angeführten Mittelzahlen abwichen. 

Ueber diese Bastardspaltung sind noch zwei Punkte hervor- 
zuheben. Erstens trugen die Zwerge nicht den reinen Typus der 
Nanella, sondern diesen combinirt mit den Merkmalen der Rubiennis, 
somit braunrothe Färbung, schmälere Blätter und Biennis-Blüthen. 
Es ist also eine Combinationsform O. rubiennis-nanella, welche ganz 
der später zu beschreibenden O. biennis-nanella entspricht (vergl. unten 
Abschnitt IV, $ 4), aber nicht, wie diese, bereits in der ersten Gene- 
ration entstand. Man ersieht aber auch hieraus, dass die Zwerg- 
eigenschaft sich durch Kreuzung auf andere Arten über- 
tragen lässt. 

Zweitens ist zu bemerken, dass die Zahlen 14°/, und 7-5 %, 
keineswegs ausreichend mit dem von dem Mernper’schen Gesetze ge- 
forderten Werthe (25 °/,) übereinstimmen, um als ein Beweis angeführt 
zu werden, dass die Kreuzung diesem Gesetze bereits völlig folgt.! 


' Aehnliche Abweichungen sind inzwischen auch von Correns bei Kreuzungen 
verschiedener Sorten von Mais beobachtet worden. Vergl. Scheinbare Ausnahmen von — 
der Menner’schen Spaltungsregel für Bastarde. Ber. d.d. bot.Ges. XX. 1902. S.159. I 


Oenothera rubrinervis X nanella. 447 


Doch hatten die Versuche, in Folge der geringen Samenproduktion 
der gekreuzten Blüthen, einen zu geringen Umfang, um hierauf Gewicht 
legen zu können. Uebrigens kehren dieselben Erscheinungen in den 
Versuchen des folgenden Paragraphen wieder. 


$ 13. Oenothera rubrinervis x nanella. 


Die primären Bastarde der Kreuzungen innerhalb meiner Mutations- 
gruppe bleiben in ihren Nachkommen constant. Dieser Satz wurde 
durch die Untersuchung der Kinder 
von 85 selbstbefruchteten Hybriden 
im $ 7 dieses Abschnittes erhärtet, 
erleidet aber in Bezug auf die jetzt 
zu beschreibende Verbindung eine 
Ausnahme. Und zwar nur für das 
Zwergmerkmal; die Rubrinervis-Eigen- 
schaft folgt auch hier den Regeln 
der Mutationskreuzungen (vergl. oben 
S. 424). 

Die Verbindung Oenothera rubri- 
 nervis X nanella schliesst sich also ge- 
nau der combinirten Kreuzung O. lata 
x O. brevistylis an, und verhält sich 
in vielen Hinsichten wie diese. Nament- 
lich bringt sie in der zweiten Gene- 
ration die Vereinigung der beiden 
elterlichen Merkmale in denselben In- 
dividuen zu Stande. Aber während 
die ©. lata brevistylis in beiden Sexual- 
organen steril war, ist die O. rubri- 
nervis nanella durchaus fertil, und bil- 
det sie seit einigen Generationen eine 
constante Bastardrasse (Fig. 86 u. 37). 

Die Kreuzungen zwischen O. ru- 
brinervis und O. nanella lieferten in Fig. 36. Oenothera rubrinervis nanella. 
der ersten Generation die folgenden Eine durch Bastardspaltung entstan- 


Errebnisse. Aus ihren Samen gingen {jene eunstante Form. Ganze Päanze 
E ö in !/; der natürlichen Grösse beim 

zwar, wie zu erwarten war, OÖ. rubri- Anfang der Blüthe. 

nervis und ©. Lamarckiana hervor, nicht 

aber O. nanella. Die Bastarde waren somit dityp statt trityp, wie 


sonst bei den dihybriden Mutationskreuzungen. Und solches nicht 


448 Combinirte Mutationskreuxzungen. 


als Ausnahme, sondern in allen darauf geprüften Fällen, trotz mög- 
lichster Verschiedenheit der Abstammung der benutzten Exemplare 
der beiden zu kreuzenden Arten. Das numerische Verhältniss zwischen 
den beiden vorhandenen Typen war ein sehr schwankendes, ähnlich 
wie wir dieses bereits in $ 5 für die Erbzahlen von O.. rubrinervis 
gesehen haben. 

Die bezüglichen Befruchtungen fanden theils 1893, theils 1899 
statt; stets wurden die Blüthen von O. rubrinervis castrirt und unter 
Ausschluss des Insectenbesuches mit dem Staub der O. nanella be- 
fruchtet. Für den ersten Versuch wählte ich sechs Rubrinervis- Pflanzen 
aus dem Bd. I, S. 192 vorgeführten Stamme; sie gehörten also der 
fünften Generation an. Sie wurden mit Nanella-Exemplaren der 
vierten Generation der Bd. I, S. 262 erwähnten, in 1889 aus der 


Fig. ST. Oenothera rubrinervis nanella. Eine Keimpflanze im Alter von 1'/, Monat. 


Laevifolia-Familie hervorgegangenen Rasse befruchtet. Väter und 
Mütter waren also möglichst reiner Abstammung. Die Samen der 
sechs Mütter wurden getrennt geerntet; von zweien säte ich sie im 
nächsten Jahre (1594), von den vier übrigen aber erst 1899. In 
beiden Jahren entstanden keine Zwerge und zwar auf mehreren 
Hunderten von zur Blüthe erzogenen Exemplaren. Stets herrschte 
der Typus der O, rubrinervis sehr stark vor und war derjenige der 
O. Lamarckiana nur schwach vertreten, doch habe ich nur 1899 eine 
genaue Zählung vorgenommen. Diese ergab, dass auf 440 Pflanzen 
8°/, Lamarekiana waren, sehr gleichmässig über die Kinder der vier 
Mütter vertheilt. Alle übrigen waren O. rubrinervis. 

Für den zweiten Versuch habe ich Rubrinervis- Pflanzen benutzt, 
welche nicht reiner Abstammung waren. Sie stammten aus einer 
Kreuzung der O. rubrinervis derselben Rasse wie im vorigen Versuch 
mit einer nicht zu meiner Mutationsgruppe gehörenden Form, welche 


Oenothera rubrinervis X nanella. 449 


ich oben (S. 310) unter dem Namen Oen. hirtella vorgeführt habe. 
Die Kreuzung fand 1897 statt; aus ihr ist eine constante rothnervige 
Rasse hervorgegangen, deren Blüthen aber nicht die Grösse der ge- 
wöhnlichen O. rubrinervis, sondern die viel kleinere der O. hirtella 
haben. Ich hatte von dieser Form im Jahre 1899 die zweite Gene- 
ration und castrirte in ihr sechs rothnervige Exemplare. Jede wurde 
mit dem Blüthenstaub einer anderen Nanella- Pflanze befruchtet, und 
zwar waren es drei Nanella-Pflanzen aus der 1896 ausgeführten Kreuzung 
O. lata x O. nanella, für welche damals beiderseits Mutanten aus der 
Lamarckiana- Familie benutzt wurden. Der Samen aus dieser Kreuzung 
war theilweise 1897, theilweise 1899 ausgesät worden. Die drei 
anderen für die Befruchtung der Rubrinervis dienenden Nanella- Pflanzen 
gehörten der vierten Generation meiner Rasse an (Bd. I, S. 265), 
waren 1898 spät gesät und überwintert. Es waren also zwei- 
jährige Individuen. Es wurden für jede der sechs Mütter die Samen 
getrennt geerntet und gesät. Die drei ersteren gaben 561 Keim- 
pflanzen mit 67, 75, 77, im Mittel 74°/, O. rubrinervis, die drei letzteren 
477 Pflänzchen mit 69, 74, 92, im Mittel 78°/, Rubrinervis. Ferner 
26°, und 22°/, O. Lamarckiana und keine O. nanella. 

Im dritten Versuche wurde eine Rubrinervis- Pflanze von derselben 
Abstammung wıe im zweiten mit Nanella der soeben genannten vierten 
Generation befruchtet. Die Samen lieferten 500 Keimpflanzen, von 
denen keine einzige O. nanella war, welche aber nicht weiter sortirt 
wurden. 

Für den vierten Versuch wurden acht Rubrinervis-Pfllanzen auf 
zwei verschiedenen Beeten castrirt. Die sechs ersteren entstammten 
einer Kreuzung meines reinen Lamarckiana-Stammes mit einer ©. rubri- 
nervis (1898), welche in der Seintillans- Familie als Mutante aufgetreten 
war. Die zwei übrigen entstammten gleichfalls einer solchen Kreuzung, 
aber die den Staub liefernde Rubrinervis war als Mutante in der 
Lata-Familie aufgetreten. Die Nanella-Pflanzen gehörten denselben 
zwei Gruppen an wie im zweiten Versuche. Die ganze Abstammung 
der gekreuzten Individuen lag also wiederum innerhalb meiner 
Mutationsgruppe. Die 6 Pflanzen der ersteren Gruppen waren mit 
je einer Nanella-Pflanze aus lata X nanella gekreuzt; ich erntete ihre 
Samen getrennt, erzog 348 Keimpflanzen und fand die folgenden pro- 
centischen Erbzahlen für ©. rubrinervis: 


34 40 40 46 49 58. 


Die übrigen Pflänzchen waren O. Lamarekiana, mit Ausnahme von drei 
Mutanten (2 lata, 1 albida). Zwerge gab es nicht. 
DE VRIES, Mutation. II. 29 


450 


Von den beiden anderen Rubrinervis-Exemplaren war eins mit 
Nanella-Staub derselben Herkunft und die anderen mit Nanella der 
vierten Generation befruchtet. Ich erzog 149 + 97 Keimpflanzen, 
erhielt unter ihnen keine Nanella, sondern nur Rubrinervis und La- 
marckiana, die ersteren im Verhältniss von 39 und 25 °%/,. 

Fassen wir zum Schluss die in den vier Versuchen mitgetheilten 


Zahlen zusammen, so bekommen wir, abgesehen von den Mutanten, 
die folgende Tabelle: 


Kreuzungen von Oen. rubrinervis x Oen. nanella. 


Zusammensetzung der ersten Generation. 


Jahr | Rubrinervis 2 Nanella & | Erbzahlen in Proc. 
‚ Rubrin. | Lam. | Nan. 
I 1893 5. Generation 4. Generation | 92 8 0 
| ‚ der ersten Familie 
| | 33 0 
II 1399 aus Rubrin. x Hirtella | aus lata x nanella | 75,74 | 25 0 
Te 028 0 
II 1899 aus Rubrin. x Hirtella 4. Generation | 69 31 0 
| (zweijährig) zalıa 26 0 
der zweiten Familie - 2) 8 0 
III 1899 aus Rubrin. x Hirtella 4. Generation 
| (zweijährig) — — 0 
der zweiten Familie 
34 66 0 
| 40 | 0 
IV 1899 aus Lam. x Rubrin. aus Zata x nanella | *° 45 | 35 h 
(Rubrinervis aus Seintillans) | ne = 2 
49 51 0 
58 42 0 
IV 1899 aus Lam. x Rubrin. aus lata x nanella | 39 61 0 
(Rubrin. aus Lata) 
[V 1899 aus Lam. x Rubrin. 4. Generation 25 15 0 
(Kubrin. aus Lata) der zweiten Familie 


In diesen Versuchen verhalten sich also die Merkmale der 
O. rubrinervis wie in den übrigen monohybriden und dihybriden 
Kreuzungen dieser Art, indem ein Theil der Bastarde diesen Typus, 
ein Theil aber denjenigen der O. Lamarekiana zur Schau trägt, und 
zwar unabhängig von der Abstammung der zur Bastardirung ge- 
wählten Rubrinervis-Pflanzen. 

Ebenso ist das Fehlen der O. nanella unter den Nachkommen 


Oenothera rubrinervis x nanella. 451 


dieser Kreuzungen von der Abstammung der beiden mit einander 
gekreuzten Individuen in diesen Versuchen unabhängig. 

-, Trotzdem sowohl O. rubrinervis als O. nanella von möglichst 
verschiedener Herkunft mit einander verbunden wurden, ist somit das 
Resultat in der ersten Generation stets dasselbe. Nur hohe Bastarde, 
zumeist mit den Merkmalen der O. rubrinervis, zum kleineren Theile 
mit dem Typus der gemeinschaftlichen Stammform ©. Lamarckiana, 
wurden erhalten. Zwerge fehlten stets. Die Rubrinervis und Nanella 
waren theils Mutanten, theils stammten sie aus den reinen Familien 
und theils auch aus verschiedenen Kreuzungen, aber ohne dass da- 
durch eine Abänderung im Ergebniss erhalten würde. 

Die erste Generation verhält sich also stets wie diejenige einer 
Mexper’schen Bastardirung, wenn man dabei nur das Zwergmerkmal 
beachtet. 

Von den erwähnten Kreuzungen habe ich aus äusseren Gründen 
die weiteren Generationen nur für einen Fall untersucht. Es war 
dies der 1893 angefangene Versuch. 

Diesen habe ich in den beiden folgenden Jahren fortgesetzt, dann 
unterbrechen müssen und 1899 wiederum aufgenommen. Ich gebe 
zunächst eine Uebersicht des Ganzen in der Form eines Stammbaumes: 


Bastardspaltungen unter den selbstbefruchteten Nachkommen 
von Oen. rubrinervis x, 0en. nanella. 
4. Generation Constant 
1901 
Selbstbefruchtet 


3. Generation Constant ARubrinervis Lamarckiana BRubri- Nanella Constant 
1900 | ohne Zwerge | nervis rubrinervis 


Selbstbefruchtet | (17—22°/,) 


2. Generation Lamarckiana Rubrinervwis Rubrinerwis Nanella Nanella 
1895 | | | | rubrin. 


Selbstbefruchtet | FR | : j er 


1. Generation Lamarcktana Rubrinervis 
1894 | 


Selbstbefruchtet i r BE 
er 2 
Kreuzung in 1893 Rubrinervis x Nanella 


Die Kreuzung und die erste Generation, welche vorwiegend aus 
kubrinervis- Pflanzen bestand, sind in$ 6, S. 422 erwähnt worden. Unter 
2gE 


452 Combinirte Mutationskreuxungen. 


den rothnervigen Individuen habe ich einige in Pergaminbeuteln mit 
ihrem eigenen Blüthenstaub, unter Ausschluss jedes fremden Pollens, 
befruchtet und ihre Samen im nächsten Jahre, 1895, ausgesät. Zur 
Blüthezeit hatte ich dann eine Cultur, welche vorwiegend aus echten 
Rubrinervis-Pflanzen bestand, untermischt mit einzelnen Lamarckiana- 
Individuen. Daneben kamen aber auf 300 Pflanzen 55 Zwerge, also 
etwa 18°/,, welche wiederum fast alle rothnervig waren. Nur ganz 
vereinzelte waren grün und in jeder Hinsicht so gebaut wie die ge- 
wöhnlichen Nanella-Pflanzen in anderen Üulturen. 

Mit Ausnahme dieser letzteren habe ich von jeder Sorte einige 
Exemplare unter den erwähnten Vorsichtsmaassregeln mit ihrem 
eigenen Blüthenstaub befruchtet. Betrachten wir zunächst die Rubri- 
nervis-Pflanzen. Diese waren sechs an der Zahl, von jeder wurden 
die Samen getrennt geerntet und ausgesät. Die Nachkommenschaft 
wiederholte die Spaltung der vorigen Generation, aber nur für einen 
Theil der Mütter. Unter den Zwergen fehlten diesmal die grünen 
Nanella-Pflanzen durchaus, wie sie auch in der ersten Generation 
(1594) gefehlt hatten. Ich fand für die sechs Mütter die folgende 
Zusammensetzung ihrer Nachkommenschaft: 


Spaltungen in der dritten Generation nach Selbstbefruchtung 
in der zweiten. 


(Vergl. den Stammbaum S. 451.) 


Anzahl der Keim- Procentische Anzahl 
Mutter 1895 pflanzen im Früh- RE Rubrinervis 
ling 1900 Nanella 

1 158 Be 97 0 

II 129 1 99 0 

III 139 0 33 17 

IV 139 Ü 79 21 

V 159 0 78 22 

VI 157 #) 75 22 


Wie in den beiden vorhergehenden Generationen überwiegt hier 
die ©. rubrinervis den Typus der Mutterart in sehr hohem Grade 
(92 °/, Rubrinervis und 8°/, Lamarckiana in der ersten Generation, 
vergl. S. 450). In Bezug auf die Erzeugung von Nanella- Exemplaren 
giebt es zwei Gruppen unter den Rubrinervis-Individuen der zweiten 
Generation: nicht-abspaltende und andere, welche die Combinations- 


Oenothera rubrinervis X nanella. 4553 


form in etwa gleichen Verhältnissen hervorbringen wie in der vorigen 
Generation. 

Die Lamarckiana-Pflanzen der zweiten Generation zeigten sich 
bei Selbstbefruchtung, soweit sie untersucht wurden, als constant. 
Es wurden die Samen von drei Pflanzen ausgesät und 188 Keim- 
pflanzen erhalten. Darunter waren keine Rothnerven oder rothnervige 
Zwerge und nur vier grüne Zwerge, eine Anzahl, welche zu sehr mit 
dem Mutationscoöfficienten der O. nanella übereinstimmt, um hier 
weitere Schlussfolgerungen zu gestatten. 

Sehr wichtig ist für uns die Oenothera rubrinervis nanella. Neben 
den im ersten Bande S. 266 aufgezählten Combinationstypen von 
O. nanella bildet sie eine neue, in vielen Hinsichten vorzüglichere 
Form. Erstens ist sie viel schöner und kräftiger, und übertrifft sie 
in diesen Hinsichten selbst die gewöhnliche Nanella ganz bedeutend. 
Und zweitens gelang es bis jetzt von den dort genannten Formen nicht, 
Samen zu gewinnen, während die Rubrinervis nanella sehr leicht und 
reichlich fructificirt. Ich habe sie jetzt in vier Generationen gezogen, 
sie erhielt sich dabei constant, genau mit denselben Merkmalen wie 
die Mutterpflanzen, und soweit der geringe Umfang der Versuche es 
zu beurtheilen gestattet, ohne Rückschläge. Sie verbindet die Merk- 
male der O. rubrinervis und der O. nanella in sehr vollständiger Weise 
in sich, soweit diese sich nicht überhaupt ausschliessen. Ihre Keim- 
pflanzen und die jungen Rosetten zeigen solches bereits. Vergleicht 
man unsere Fig. ST mit den Figg. 75 und 79 auf S. 257 und 260 des 
ersten Bandes, so sieht man leicht die Uebereinstimmung und die 
Unterschiede. Die Blätter sind im Herzen zusammengerückt, nur 
kurz gestielt oder gar sitzend, wie bei der Nanella, aber sie sind 
schmäler und länglich in der Form, wie solches der Rubrinervis ent- 
spricht. Ihre Farbe ist nicht grün, sondern röthlich-grau, namentlich 
auf den Nerven; das Roth scheint hier sogar reichlicher vertreten 
zu sein als bei der Mutterart. Im erwachsenen Alter werden die 
Rubrinervis nanella- Pflanzen etwas höher und kräftiger als die 
Nanella selbst, bleiben aber doch noch sehr niedrig. Die Fig. 77 
auf S. 256 des ersten Bandes stellt eine Nanella bei derselben Ver- 
kleinerung vor wie unsere Fig. 86. Aber für jene wurde die Pflanze 
in der Mitte der Blüthezeit, für diese dagegen zu deren Anfang 
photographirt. Die Blätter der Rubrinervis nanella sitzen am Stengel 
nicht so dicht auf einander als bei den gewöhnlichen Zwergen, sie 
sind länger und schmäler, röthlich-grau uud in allen diesen Punkten 
der Rubrinervis entsprechend. Die Blüthen sind viel grösser, dunkler 
gelb und weiter geöffnet; sie sind an kräftigen Pflänzchen ebenso 


454 Combinirte Mutationskreuxzungen. 


cross wie diejenigen der hohen Rubrinervis; ihre Kelche und Frucht- 
knoten sind oft intensiv roth gestreift. Der ganze Bau und ebenso 
die Verzweigung sind in dieser Form lockerer und dadurch schöner 
als bei der Nanella. 

Da die Oenothera rubrinervis nanella bis jetzt niemals durch Muta- 
tion aus einem der beiden Grosseltern, und eben so wenig unmittelbar 
aus den zahlreich ausgeführten Kreuzungen zwischen diesen beiden 
Typen entstand (vergl. die Tabelle auf S. 450), sondern nur bei der 
Spaltung selbstbefruchteter Bastarde erhalten wurde, so bildet sie eins 
der auffälligsten Beispiele für die Existenz der Bastardspaltungen auf 
dem Gebiete der Mutationskreuzungen. 

Die Spaltungsfähigkeit der Bastarde muss sich nicht nur 
bei Selbstbefruchtung, sondern auch bei Kreuzungen zeigen 
können. Und es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass in 
manchen Fällen, die in den Keimzellen thatsächlich auftretenden 
Spaltungen leichter durch geeignete Kreuzungen, als nach Selbstbe- 
fruchtung an’s Licht gebracht werden können. Denn vielleicht wird 
eine Spaltung in den Keimzellen oft durch eine starke Prävalenz 
der einen Eigenschaft bei der Befruchtung unsichtbar gemacht. Und 
wenn diese Schlussfolgerung richtig ist, so würde man im neuen 
Kreuzungen vielleicht mehrfach ein Mittel haben, Bastarde als spal- 
tungsfähig und somit als solche zu erkennen. 

Aus diesen Gründen habe ich mit den hohen Rubrinervis-Exem- 
plaren des beschriebenen Versuches eine Reihe von Kreuzungen aus- 
geführt. Sie haben in der Mehrzahl meine Erwartungen bestätigt, 
indem sie das Vermögen, durch Spaltung Nanella-Pflanzen entstehen 
zu lassen, fast regelmässig an’s Licht brachten. Die Kreuzungen 
wurden theils mit O. nanella selbst durchgeführt, theils mit O. lata und 
mit ©. Lamarckiana von verschiedener Herkunft, welche aber unter 
ihren Vorfahren, soweit mir bekannt, weder O. nanella noch O. rubri- 
nervis gehabt hatten. 

Ein erster Versuch betraf die Kreuzung (Rubrinervis x nanella) X 
nanella. Es wurden im Jahre 1895, unter den im Stammbaum S. 451 
als Rubrinervis angedeuteten Bastarden drei mit dem Blüthenstaub von 
O. nanella befruchtet. Die Zwerge gehörten der fünften Generation 
meiner damaligen Rasse an (vergl. Bd. I, S. 262). Die auf den drei 
Müttern getrennt geernteten Samen wurden im nächsten Jahre aus- 
gesät und die Nachkommenschaft zur Blüthezeit sortirt und gezählt. 
Die Zusammensetzung war annähernd dieselbe für die drei Gruppen, 
und da diese klein waren und zusammen nur 108 Pflanzen umfassten, 
gebe ich nur die mittleren Zahlen für alle. Es hatten den "Typus von: 


Oenothera rubrinervis X nanella. 455 


Omnubmnereis 2.2.8350 
Ä ® 200) 
O. Lamarekiana . . 35, g 
Or nanelo (grün). . 16, 30 
O. rubrinervis nanella 14 „, 2 


Wäre die Spaltung und die Kreuzung genau nach dem MENxDEL/- 
schen Gesetze vor sich gegangen, so würde man 50°/, Zwerge erwartet 
haben. Die kleinere Zahl, welche gefunden wurde, ist aber vielleicht 
nur dem geringen Versuchsumfang zuzuschreiben. 

In demselben Jahre (18594) habe ich drei Bastarde desselben 
Beetes und desselben Typus mit einer ©. Lamarckiana befruchtet, 
welche der damals noch unreinen Laewfolia-Familie angehörte (Bd. 1, 
S. 192). Die drei Samenproben gaben im Jahre 1595 Culturen von 
derselben Zusammensetzung, welche zusammen 213 theils blühende, 
theils vor der Blüthe ausgeschaltete Pflanzen enthielten. Ich fand 
darunter mit dem Typus der: 


O. rubrinervis . » . . . 84°, 
O. Lamarckiand . . . . 10, 
Oymanella n .. 20 22 u ae. wo, 


Denselben Versuch habe ich dann im Sommer 1899 in grösserer 
Abwechslung wiederholt. In diesem Jahre hatte ich, wie bereits 
oben erwähnt, nochmals von dem Samen der ersten Kreuzung von 
1893 gesät. Mit dem Staub der hohen, rothnervigen Pflanzen wurden 
zwei O. Lamarckiana von reiner Abstammung befruchtet, während 
gleichfalls drei Exemplare von O. lata aus der ersten Lata-Framilie 
(Bd. I, S. 202) mit dem Staub der fraglichen Bastarde belegt wurden, 
und ein rothnerviger Bastard als Mutter zu einem Kreuzungsversuch 
mit ©. Lamarckiana diente. Bei der Aussaat der Samen erhielt ich 
die folgenden Ergebnisse: 


Kreuzung von Rubrinervis x nanella-Bastarden mit 
0. Lamarckiana und 0. lata (1599). 


Procentische Zusammensetzung 


Mutter Vater der Nachkommenschaft: 
Rubrin. Lam. Nan. 

Lamarckiana Bastard 74 19 1 

h x 68 24 8 

Bastard Lamarckiana Tas AR 16 12 

Lata Bastard — — 2 

” ” —— = 6 

s; " —_ nn 8 

Versuch von 1894 84 - 10 6 

Im Mittel: 75 17 7 


456 Combinirte Muhasionahneus ER, 


Zur besseren Vers habe ch die Zahlen des vorigen Ver- 
suches am Schlusse dieser Uebersicht wiederholt. Der Umfang der 
Aussaaten betrug in den beiden ersteren Versuchen nur je 80 Pflanzen, 
im dritten nahezu 200 und in den drei übrigen 200— 300 Exemplare. 
Als Controle habe ich O. lata von derselben Abstammung mit O. rubri- 
nervis aus einer anderen (nicht mit Nanella gekreuzten) Familie be- 
fruchtet und unter ihren Kindern kamen, obgleich ich davon im 
geeigneten Alter über 1000 Stück prüfen konnte, keine Nanella vor. 
Ferner habe ich Bastarde aus der 1893er Kreuzung, welche den 
grünen Lamarckiana-Typus trugen, mit Zamarckiana reiner Abstammung 
befruchtet; sie gaben nur Zamarckiana mit 1—2°/, Nanella, also nicht 
wesentlich mehr, als durch Mutation ohne Kreuzung entstehen kann. 

Ueberblicken wir zum Schluss die Ergebnisse unseres Versuches, 
so sehen wir, dass die Bastarde aus der Kreuzung O©. rubriner- 
vis X nanella sich in Bezug auf die erstere Gruppe von 
Merkmalen nach den Regeln der Mutationskreuzungen ver- 
halten, in Bezug auf die Zwergeigenschaft aber den MEnxDEr- 
schen Gesetzen folgen, wenigstens wenn wir zunächst von den 
Zahlenverhältnissen absehen. Denn die erste Generation enthält nur 
hohe Individuen, die zweite aber theilweise hohe und theilweise Zwerge. 
Von den hohen spalten sich einige wieder in ihren Nachkommen, 
andere aber nicht, während die Zwerge durchaus constant bleiben. 
Die Uebereinstimmung ist soweit eine vollständige. 

Aber die Zahlenverhältnisse für das recessive Merkmal weichen 
ab. Ich fand: 


Nanella Nach Menxpe 


A. 2. Generation bei Selbstbefruchtung . . 18.05 25% 
B. 3. Generation, Bastarde bei Seihsiheuchinne 17—22°/, 25%, 
C. 2. Generation x Nanela . - . - Eee 30°, 50°, 
D. 2. Generation x Lamarckiana oder 1 0, 2a" Dan 
E. Genau so war es bei der Kreuzung mit Oeno- 


thera rubiennis (S. 446) in der 2. Generation 
bei Selbstbefruchtung . . -. . . 2.2... 7-14 25% 


Mit Ausnahme der unter D genannten Werthe sind diese Zahlen 
alle zu niedrig, was vielleicht darauf hindeutet, dass die MExDEL- 
schen Spaltungen erst unvollständig auftraten, vielleicht aber auch 
nur in dem geringen Umfang der Versuche seine Erklärung findet. 
Doch sind, wie bereits bemerkt, meime Untersuchungen über diesen 
Punkt noch nicht abgeschlossen. 

Die unter D erwähnten Kreuzungen hätten keine Zwerge ergeben 
müssen, falls eine reine Mexnper’sche Bastardirung vorliegen würde, 


Der Austritt aus der Mutationsperiode. 457 


Da aber diese Bastarde mit ZLamarckiana oder Lata Mutationskreu- 
zungen geben müssen, so werden ihre Nanella-Sexualzellen sich verhalten 
wie Nanella selbst, wenn sie mit Lamarckiana oder Lata gekreuzt wird. 
Man würde dann nach $ 3, falls die Hälfte der Sexualzellen die 
Nanella-Anlage führen, im Mittel !/, x 21°/, oder 10-5°/, Nanella- 
Exemplare unter den Bastarden erwarten. Die gefundenen Werthe 
2—12°/, genügen dieser Forderung in der Hauptsache, weichen von 
ihr aber wieder in demselben Sinne ab, wie die übrigen. Diese Ab- 
weichung kann somit kaum eine zufällige sein. 

Als Endschluss ergiebt sich somit, dass die Nanella-Eigen- 
schaft ın ihrer Verbindung mit O. rubrinervis und ©. rubien- 
nis (O. biennis x O. erueiata) wenigstens annähernd den 
Menpen’schen Gesetzen folst, während sie sich mit O. La- 
marckiana und ©. biennis nebst einigen anderen Arten nach 
den Regeln der Mutationskreuzungen verbindet. 


$ 14. Der Austritt aus der Mutationsperiode. 


Von der im ersten Bande beschriebenen Mutationsperiode der 
Oenothera Lamarckiana habe ich weder den Anfang noch das Ende 
beobachtet. Dagegen habe ich zwei neue Arten beschrieben, welche 
auf demselben Fundort mit der Mutterart untermischt vorkamen, von 
diesen aber im Laufe meiner Versuche , nicht wieder horvorgebracht 
wurden. Das diesbezügliche Mutationsvermögen muss also 
in der Oenothera Lamarckiana erloschen sein. Die betreffenden 
neuen Arten waren die O. brewistylis und die O. laevifohia.! 

In derselben Weise darf man vielleicht annehmen, dass das 
Mutationsvermögen auch für die anderen neuen Typen verschwinden 
wird. Nicht etwa für alle zu gleicher Zeit, sondern für den einen 
früher und für den anderen später. Es wird dadurch bei der Selten- 
heit der Mutationen einerseits und bei der geringen Beweiskraft 
negativer Befunde andererseits die Aussicht, dieses Erlöschen experi- 
mentell festzustellen, allerdings eine viel kleinere. Im ersten Bande 
habe ich die mittlere procentische Anzahl der Mutationen in den 
Aussaaten für die einzelnen neuen Formen als Mutationscoöfficienten 
behandelt, und wir sahen dort, dass diese Werthe z. B. für O. oblonga 
etwa 1°/,, für O. rubrinervis etwa 0-1°/, und für O. gigas nicht wesent- 
lich mehr als 0-01 °%/, betrugen (Bd. I, S. 239). Aussaaten, welche 
auf zehntausend Keimlingen eine fragliche Mutation nicht hervor- 
bringen, beweisen also das Fehlen des betreffenden Mutations- 


ı Vergl. Bd. I, 8. 336. 


458 Combinirte Mutationskreuz ae 


vermögens noch keineswegs. Und wenn in kleineren ae nur 
einzelne Mutanten gesehen werden, und andere fehlen, wie solches 
ja ganz gewöhnlich der Fall ist, so geben solche Versuche doch noch 
kaum einen Fingerzeig, in welcher Richtung man etwa ein Erlöschen 
des Mutationsvermögens erwarten dürfte. 

Aus dieser Schwierigkeit versprechen aber die Bastardirungs- 
versuche eine Auskunft, wenigstens nach einer bestimmten Richtung. 
Und zwar ist es das Verhalten der O. brevistylis, welches hier eine 
besondere Beachtung verdient. Denn diese Art, welche jetzt von der 
Lamarckiana nicht mehr hervorgebracht wird, giebt mit dieser auch 
keine Mutationskreuzungen. Sie folgt, sowohl mit ihr als mit der 
O. lata, den Mexper’schen Gesetzen. Ebenso verhält sich, nach 
einigen bereits oben erwähnten vorläufigen Versuchen, die O. laevifolia, 
welche gleichfalls nicht mehr durch Mutation entsteht. 

Es wäre allerdings voreilig, diese Erfahrung jetzt schon ver- 
allgemeinern und zu einem Satze erheben zu wollen. Doch ist 
andererseits die Vermuthung wohl erlaubt, dass bei retrogressiven 
Mutationen das Auftreten Mrxper’scher Bastarde auf das Aufhören 
des Mutationsvermögens in den betreffenden Familien hindeuten mag. 

Bei progressiven Mutationen lässt uns diese Hypothese allerdings 
vorläufig im Stich, wenigstens so lange für sie eine scharfe Grenze 
zwischen Mutationskreuzungen und normalen Bastardirungen nicht ge- 
funden bezw. nicht bequem festzustellen ist. Hier mag in mancher Linie 
des Stammbaumes die Mutabilität für einzelne Typen verloren gegangen 
sein, ohne dass es bis jetzt durch die Kreuzungsversuche verrathen würde. 

Wir müssen uns somit auf die retrogressiven Mutationen und 
namentlich auf die im ersten Bande als solche den übrigen gegenüber- 
gestellte O. nanella beschränken. Hier findet aber die soeben auf- 
gestellte Vermuthung in den Versuchen des vorigen Paragraphen 
offenbar ein Merkmal, auf welches sie sich fast unmittelbar an- 
wenden lässt. 

Ist die Hypothese richtig, so findet unsere Erfahrung, dass die 
Kreuzungen von O. rubrinervis und O. nanella in Bezug auf das Zwerg- 
merkmal keine Mutationskreuzungen sind, sondern Bastarde geben, 
welche sich in ähnlicher Weise spalten wie Art Menper’schen Hybriden 
in unserem vorhergehenden Abschnitte, ihre Erklärung in der An- 
nahme, dass die Oenothera rubrinervis in Bezug auf das 
Zwergmerkmal nicht mutabel ist. Wie sie diese Mutabilität 
verloren hat, und weshalb diese jedesmal verschwindet, wenn eine 
Rubrinervis-Pflanze durch Mutation aus O, Lamarckiana entsteht, mag 
einstweilen dahingestellt bleiben. 


Der Austritt aus der Mutationsperiode. 459 
Offenbar eröffnet diese Hypothese, falls sie richtig ist, die Aus- 
sicht auf sehr wichtige Aufschlüsse über das Aufhören der Muta- 
bilität und somit auf die Beziehungen des mutabelen Zustandes zu 
dem immutabelen, und auf einem Umwege wohl auch auf den Anfang 
der Mutabilität, diese allerwichtigste Frage auf dem ganzen Gebiete. 
Doch sind meine Untersuchungen hierüber noch im vollen Gange, 
und wird es noch vieler Jahre bedürfen, ehe sie zu einem gewissen 
Abschlusse gebracht werden können. 

Einstweilen lassen sich aber zur Erhärtung unserer Hypothese 
einige wenige Erfahrungen anführen. 

Erstens die negative Thatsache, dass ©. nanella, welche aus 
O0. Lamarckiana und aus deren Kreuzungen im Mittel aus über 
75000 Beobachtungen in 0-5—0-8°/, der Sämlinge entsteht, und 
welche auch von O. leptocarpa, von O. seintillans und von ©. gigas 
hervorgebracht wurde (Bd. I, S. 261—262) bis jetzt nie in meinen 
Aussaaten von O. rubrinervis beobachtet wurde, trotzdem diese behufs 
Prüfung ihrer Constanz mehrfach in eimigen Tausenden von FExem- 
plaren cultivirt wurde (Bd. I, S. 163, 193). Auch scheint die Muta- 
bilität der O. rubrinervis überhaupt eine sehr geringe geworden zu 
sein und sich auf die Production von Lata und Leptocarpa zu be- 
schränken, wie ich bereits im ersten Bande $. 238 hervorgehoben habe. 

Zweitens die Frage, ob das Vermögen, durch Mutation Zwerge 
hervorzubringen, in derselben Prämutationsperiode entstanden ist, 
wie die Mutabilität meiner Oenothera Lamarckiana in anderen Rich- 
tungen. Solches scheint nicht der Fall zu sein, im Gegentheil, 
die Nanella-Mutabilität oder die Fähigkeit, Zwerge zu produciren, 
scheint erheblich älter zu sein. Ich habe hierüber einen directen 
Versuch gemacht, indem ich Samen von ©. Lamarckiana aus einer 
Handelsgärtnerei bezog und. auf ihre Mutabilität prüfte. Ich kaufte 
Samen bei VILMORIN-ANDRIEUX et Cie. in Paris, säte sie im Früh- 
Img 1899 aus und befruchtete in dieser Cultur acht Pflanzen mit 
ihrem eigenen Blüthenstaub. Aus ihren Samen erzog ich im nächsten 
Jahre 1955 Pflanzen, von denen vier O. nanella waren, oder 0-2°/,, 
also nur etwas weniger als dem Mutationscoöfficienten meiner eigenen 
Culturen im Mittel entspricht. Ich vermuthe sogar, dass die Nanella- 
Production noch viel älter ist und bereits bei O. biennis gefunden wird, 
doch gestatten meine Erfahrungen hierüber noch keine weitere Mittheilung. 

Schliesslich lässt sich entscheiden, ob die Ursache, wegen der 
O. rubrinervis und ©. nanella bei ihren Kreuzungen Menper’sche 
Bastarde geben, in der ersteren oder in der letzteren Art zu suchen 
ist. Man braucht hierzu offenbar nur dasselbe Exemplar von 


460 Combinirte Mutationskreuxungen. 


O. nanella mit ©. Lamareckiana und mit ©. rubrinervis zu kreuzen. 
Zu diesem Zwecke habe ich im Sommer 1899 vier Nanella-Pflanzen 
bestimmt und jede mit einer Nummer bezeichnet. Ebenso wählte 
ich vier Pflanzen von ©. rubrinervis und vier von O. Lamarckiana, 
und gab ihnen dieselben Nummern. Auf den beiden letzteren Arten 
wurden am 17. August 199 einige Blüthen, nach vorhergegangener 
Castration, mit dem Staub der ©. nanella belegt, und zwar kam 
jedesmal der Staub einer Nanella-Pflanze auf die Narben einer 
Rubrinervis und einer Lamarckiana, welche dieselbe Nummer trugen.! 
Die castrirten Blumen wurden selbstverständlich in Pergaminbeuteln 
vor Insecten geschützt. Die Samen wurden für die acht Pflanzen - 
getrennt geerntet und ausgesät und ergaben bei der Zählung der 
Keimlinge im Jahre 1900 das Folgende: 


O. nanella, entstanden aus der Kreuzung dieser Art mit: 


OÖ. rubrinervis O. Lamarckiana 


Mit dem Staub von ©. nanella Nr. 1  0°/, Nanella 14°), Nanella 
„ „ „ „ „ „ „ 2 0 „ ” 24 „ „ 
„ „ „ „ „ „ „ 3 0 „ „ 24 „ „ 
„ „ ”„ „ „ 2 „ 4 0 „ „ 41 „ „ 


Die O. rubrinervis-Versuche umfassten je 120—160, die O. Za- 
marckiana-Öulturen je 140—240 Keimlinge. 

Es geht hieraus hervor, dass derselbe Blüthenstaub von Nanella 
mit Lamarckiana eine Mutationskreuzung, mit Rubrinervis aber eine 
Menxper’sche Bastardirung geben kann. Die Ursache dieses Unter- 
schiedes liegt also nicht in den Zwergen, sondern offenbar in den 
Rothnerven. Sie kann wohl keine andere sein als die oben an- 
gedeutete, der Verlust der betreffenden Mutabilität. 

Wir folgern also: 

Aller Wahrscheinlichkeit nach geht beim Auftreten 
von Oenothera rubrinervis als Mutante die Fähigkeit, durch 
Mutation ©. nanella hervorzubringen, verloren, und bedingt 
dieses die Möglichkeit der Bildung Menven’scher Bastarde 
zwischen diesen beiden neuen Arten. 


ı Zwei Nanella-Pflanzen stammten aus ©. lata x O. nanella, zwei andere 
gehörten der fünften Generation meiner reinen constanten Rasse an. Die 
O. Lamarckiana hatte als selbstbefruchtete Mutter O. seintillans, die Rothnerven 
stammten aus einer Kreuzung dieser Art mit 0. Lamarckiana. Uebrigens sind 
die einzelnen Versuche bereits oben beschrieben worden, und handelt es sich 
hier nur um deren Zusammenfassung. 


Vierter Abschnitt. 


Die unisexuellen Kreuzungen. 


I. Die constanten Eigenschaften der Bastarde. 


$ 1. Die Kreuzung auf den Gebieten der Variabilität 
und der Mutabilität. 


In seiner berühmten Theorie der Bastardbildung sagt NäÄckni: 
„Ich habe zur Erklärung der bei der Bastardbildung zu Tage tretenden 
Erscheinungen mich nicht bloss an diese äusseren Erscheinungen, 
sondern vielmehr an die inneren Eigenschaften gehalten, aus denen 
wir sie ableiten müssen.“ — „Die Erkenntniss dieses (Grrundsatzes, 
dass das Wesen einer Pflanzenform durch die systematischen Merk- 
male noch nicht vollkommen ausgedrückt wird, dass dasselbe vielmehr 
in den gesammten inneren Eigenschaften — begründet ist, muss auch 
auf die Methode der Bastardirungsversuche Einfluss gewinnen, wenn 
diese Lehre überhaupt einen nachhaltigen Fortschritt machen soll. 
Man muss hier, mehr als irgend anderswo, dem äusseren Schein 
misstrauen.“! 

Dass trotz dieser klaren und deutlichen Aussprüche eines hervor- 
ragenden Forschers die Wissenschaft auf diesem Gebiete im Laufe 
eines Drittel- Jahrhunderts einen wesentlichen Fortschritt in der an- 
gegebenen Richtung nicht gemacht hat, liegt meines Erachtens wohl 
hauptsächlich daran, dass man sich über die inneren Eigenschaften 
keine richtige oder wenigstens scharfe Vorstellung machen konnte. 
Die herrschende Ueberzeugung von der langsamen und stetigen Um- 
wandlung der Arten führte nothwendiger Weise zu der Annahme 
einer gleichfalls allmählichen Entwickelung der inneren Eigenschaften. 
Die Vorstellung scharf umschriebener sogenannter elementarer Eigen- 
schaften als iunere Grundlage der äusserlich wahrnehmbaren Eigen- 


! Sitzungsber. d. k. bayr. Akad. d. Wiss. 13. Jan. 1866. 8. 123 und 124. 


462 Die constanten Eigenschaften der Bastarde. 


thümlichkeiten lag ferne. Und die Betrachtung der Lmnx&’schen 
Arten als die Einheiten bei den Kreuzungsversuchen trug das Ihrige 
dazu bei, die wirklichen Einheiten in den Hintergrund zu drängen. 

In meiner Intracellularen Pangenesis! habe ich, im Gegen- 
satze zu NÄGeur's Theorie der Erblichkeit, die Forderung aufgestellt, 
die inneren Eigenschaften nicht zusammen als ein Ganzes zu be- 
trachten, sondern gerade im Gegentheil die einzelnen Eigenschaften 
als die Einheiten zu behandeln, bis zu denen die biologische Analyse 
vorzudringen hat. Die Ergründung des Wesens dieser Einheiten 
lag allerdings damals und liegt auch jetzt noch weit ausserhalb der 
Möglichkeit einer experimentellen Behandlung; wir können sie vor- 
läufig ruhig der Zukunft überlassen. Die Einheiten selbst aber und 
die Erklärung der äusserlich sichtbaren Vorgänge auf Grund dieser 
Vorstellung schienen mir unserem Studium gar nicht unzugänglich 
zu sein. Es handelte sich nur darum, sie in Angriff zu nehmen. 
Dieses konnte theils auf dem Gebiete der eigentlichen Mutationen, 
theils auf demjenigen der Bastardirungen versucht werden. Nirgend- 
wo tritt so klar wie hier das Bild der Art gegenüber seiner 
Zusammensetzung aus selbstständigen Factoren in den 
Hintergrund.” In den Bastarden sind die väterlichen und mütter- 
lichen Eigenschaften in bestimmter Weise gemischt, theils activ, theils 
latent, theils geschwächt, theils ungeschwächt. Und in ihren Nach- 
kommen können die latenten wieder an’s Licht treten und die mannig- 
fachsten Gruppirungen fast in jedem Grade gegenseitiger Mischung 
zeigen. Alle diese Erscheinungen beweisen uns klar, dass der Art- 
charakter im Grunde kein einheitliches Gebilde ist. Alle führen sie 
mit zwingender Nothwendigkeit zu dem Schlusse, dass der Charakter 
reiner Arten, genau so wie der der Bastarde, zusammengesetzter 
Natur ist.? 

Die jetzige Bastardlehre* betrachtet die Arten, Unterarten und 
Varietäten als die Einheiten, deren Combinationen in den Bastarden 
erzielt und studirt werden sollen. Man unterscheidet zwischen den 
Blendlingen der Varietäten und den echten Hybriden der Arten. 
Je nach der Anzahl der elterlichen Typen spricht man von diphylen 
bis polyphylen Bastarden, von Tripel-, Quadrupel-Hybriden u. s. w. 
Aber diese Behandlungsweise sollte für die physiologische Forschung 


' Intracellulare Pangenesis. S. 55 ff. 

2A. 048825; 

®» A. a. 0. S. 26. 

* Berichte d. d. bot. Ges. Bd. XVlll. Heft 3. 8. 34. 


Die Kreuzung auf den Gebieten der Variabilität und der Mutabilität. 463 


aufgegeben werden. Sie mag einstweilen für systematische und 
gärtnerische Zwecke genügen, sie genügt aber nicht für eine tiefere 
Erkenntniss der Arten. An ihre Stelle ist das Prineip der Kreuzung 
der Artmerkmale zu stellen. Die Einheiten dieser Kennzeichen sind 
dabei als scharf getrennte Grössen zu betrachten und zu studiren. 
Sie sind als von einander unabhängig zu behandeln, überall und so 
lange keine Gründe für das Gegentheil vorliegen. 

Neben den unmittelbaren Beobachtungen des Mutationsvorganges 
giebt es keine zweite Gruppe von Erscheinungen, welche auf die 
fraglichen Einheiten ein schärferes Licht zu werfen versprechen, als 
gerade die Folgen der Kreuzungen. Und der Umstand, dass die 
Forschungen der allerletzten Jahre, auf Mexper’s schöner Entdeckung 
fussend, eine zahlenmässige Behandlung der betreftenden Erscheinungen 
als möglich und im höchsten Grade fruchtbar kennen gelehrt haben, 
dürfte den besten Beweis für die wirkliche Existenz von scharf um- 
schriebenen elementaren Eigenschaften darstellen. Der „nachhaltige 
Fortschritt“, den NÄceLı von der Erkenntniss der inneren Eigen- 
schaften erhoffte, wird erst jetzt zur Wirklichkeit, nachdem diese 
letzteren zuvor in ihre Einheiten zerlegt worden sind. 

Im ersten Abschnitt dieses Bandes habe ich versucht, eine Ueber- 
sicht über die ganze Bastardlehre zu geben, wie sie sich beim Anfang 
der jetzigen Untersuchungsperiode zeigte. Es lag mir daran, nach- 
zusuchen, wie sich die älteren und neueren Erfahrungen zu dem 
Principe der elementaren Eigenschaften verhielten. Ueberall ergab 
sich in klarer Weise, dass das Bild sowohl der Art als des Bastardes 
ein zusammengesetztes ist, und namentlich, dass letzteres in weitaus 
den meisten Fällen theilweise aus constanten und theilweise aus 
spaltungsfähigen Merkmalen aufgebaut war. Diesen Gegensatz lernten 
wir als den wichtigsten kennen. Nur wenige Bastarde haben ent- 
weder nur constante oder nur spaltbare Kennzeichen. Regel ist es, 
dass von beiden Sorten je eine oder einige im Bastard verbunden 
sind. Und daraus entstand sofort die Nothwendigkeit, wenigstens 
diese beiden Gruppen getrennt zu behandeln. 

Ferner ergab sich, dass das Verhalten der väterlichen und mütter- 
lichen Charaktere im Bastard selbst nur scheinbar das Wichtigste 
ist. Es ist allerdings das erste Resultat eines gelungenen Kreuzungs- 
versuches, deshalb aber noch nicht das Hauptergebniss. Gerade im 
Gegentheil sind die Vorgänge bei der Fortpflanzung der Mischlinge 
von weit grösserer Bedeutung. Denn erst hier zeigen sich die Eigen- 
schaften in ihrem wirklichen Wesen. Nicht die Vermischung 
aller Eigenschaften im primären Bastard, sondern die Art 


464 Die conslanten Eigenschaften der Bastarde. 


und Weise ihrer Verbindung in seinen Nachkommen ist für 
die Erblichkeitslehre die wahre Quelle der Erkenntniss.! 

Die Mexpver’schen Gesetze beziehen sich nur auf die spaltungs- 
fähigen Merkmale der Bastarde. Wie ich im zweiten Abschnitt zu 
zeigen versucht habe, handelt es sich dabei vorwiegend um Eigen- 
schaften, welche in dem einen der beiden Eltern activ, in dem anderen 
latent, oder in der einen Stammform semi-latent und in der anderen 
semi-activ sind. Also im Wesentlichen um solche Kennzeichen, welche 
bei dem jüngsten der Eltern auf retrogressivem oder auf degressivem 
Wege aus der entsprechenden Eigenschaft des anderen Elters hervor- 
gegangen sind. Es sind das im Grossen und Ganzen jene Kenn- 
zeichen, welche man als Varietätsmerkmale zu betrachten pflegt (vergl. 
Abschnitt VI). 

Diesen gegenüber stehen die Differenzen, welche durch progressive 
Artbildung entstanden sind. Sie gehorchen bei Kreuzungen ganz 
anderen Gesetzen, indem sie, wenigstens in der Regel, zu constanten 
Bastardrassen oder doch zu constanten, sich im Laufe der Gene- 
rationen gleich bleibenden Eigenschaften der Bastarde führen. Sie 
sollen in diesem Abschnitte, so weit es jetzt thunlich ist, vor- 
geführt werden. 

Ehe wir dazu schreiten, müssen wir aber die Grenze zwischen 
der normalen Befruchtung und der Kreuzung, dann aber die ver- 
schiedenen theoretisch möglichen Formen der Kreuzungen selbst einer 
eingehenden Besprechung unterziehen. 

Im Grunde ist jede Befruchtung, welche nicht Selbstbefruchtung 
eines einzelnen Individuums ist, eine Kreuzung. Selbst spricht Darwın 
von der Kreuzung verschiedener Blüthen auf demselben Stocke. Und 
bei dioecischen Pflanzen und den meisten Thieren ist eigentlich jede 
Befruchtung eine Kreuzung. Der Unterschied liegt offenbar nicht in 
der Sache selbst, sondern in dem Interesse, mit welchem man den 
Vorgang betrachtet. Denn offenbar bedeutet normale Befruchtung 
die Verbindung zweier unter sich gleicher Eltern, Kreuzung aber die 
Vereinigung zweier ungleicher. Das heisst aber, dass man dieselbe 
geschlechtliche Verbindung Befruchtung oder Kreuzung nennen wird, 
je nachdem man dabei den Unterschieden zwischen den beiden Eltern 
Rechnung trägt oder nicht. 


! Vielleicht könnte man ‘aus den Werken von GÄRTNER, FockE u. A. Listen 
von Eigenschaften und von ihrem Verhalten bei den Kreuzungen in den ver- 
schiedensten Gattungen und Familien zusammenstellen. Eine solche, allerdings 
keineswegs leichte Arbeit würde als Grundlage für weitere Forschungen offenbar 
von höchstem Nutzen sein. 


Die ung auf. den Gebieten ( der Variabilität und der Mutabilität. 465 


Die Unterschiede Fklchln den Eltern Sind aber nach der 
Mutationslehre principiell verschiedene, je nachdem sie ausschliesslich 
der fluetuirenden Variabilität oder daneben auch der Mutabilität 
angehören. Es giebt somit: 

I. Kreuzung auf dem Gebiete der Variabilität. 
II. Kreuzung auf dem Gebiete der Mutabilität. 

Im ersteren Falle besitzen die beiden Eltern im Grunde dieselben 
Eigenschaften, im letzteren besitzt einer von beiden wenigstens eine 
innere Eigenschaft, welche dem anderen fehlt, oder kommt dieselbe 
Eigenschaft in einem anderen Zustande vor, wie bei den MExper’schen 
Bastarden. Betrachten wir zunächst den ersten Fall, so kann die 
Ausbildung der verschiedenen Charaktere, nach dem QuETELET’schen 
Gesetze der fluctuirenden Variabilität, eine sehr wechselnde sein. 
Zwei Exemplare derselben Art oder Varietät können in der Intensität 
der Färbung der Blüthen, in der Grösse der Blumenkronen, im Grade 
der Behaarung und der Bewaffnung, in der Ausbildung der Blätter, 
ferner in der Zahl der Organe in den einzelnen Blüthenkreisen, der 
Strahlen der Köpfehen und Schirme, der Blättchen zusammengesetzter 
Blätter u. s. w. von einander abweichen. Findet nun eine künstliche Ver- 
bindung solcher absichtlich möglichst verschieden ausgewählter Indivi- 
duen statt, so haben wir eine Kreuzung auf dem Gebiete der Variabilität. 

Eine solche Kreuzung kann offenbar zwischen Kindern einer und 
derselben Mutter, auch nach Selbstbefruchtung und bei reiner Ab- 
stammung, vorgenommen werden. Sie bildet dann einfach das Gegen- 
theil der Selection und wurde als solches bereits ausführlich im ersten 
Bande, namentlich S. 107, behandelt. Andererseits aber kann man 
verschiedene, durch Selection aus derselben elementaren Art erhaltene 
Zuchtrassen mit einander kreuzen, und die Vermischung ihrer Unter- 
schiede in den Kindern studiren. 

Solche Studien sind allerdings bis jetzt auf botanischem Gebiete 
noch kaum vorgenommen worden. Sie bedürfen zu ihrer Ausbildung 
der variationsstatistischen Methode, welche erst im letzten Jahrzehnt 
in der Botanik Eingang gefunden hat. Aber die von Gauton und 
Anderen auf anthropologischem und zoologischem Gebiete erhaltenen 
wichtigen Ergebnisse lehren, dass hier auch für den Botaniker noch 
viel zu arbeiten ist. Ich hebe zwei wichtige Sätze hervor: die Lehre 
von der Regression und die Lehre von den mittelelterlichen 
Eigenschaften. Die erstere ist im ersten Bande ausführlich be- 
handelt worden,! sie stellt vielleicht den schärfsten Gegensatz zwischen 


! Vergl. namentlich Bd. I, S. 60 und Fig. 19. 
DE VRIES, Mutation. II. 30 


466 Die constanten Eigenschaften der bastarde. 


den Kreuzungen auf dem Gebiete der Variabilität und jenen aus dem 
Ringe der Mutabilität dar. Denn die Regressionsgesetze lehren uns, 
dass die Eigenschaften der Kinder in solchen Fällen nicht nur von 
den sichtbaren Merkmalen der Eltern, aber auch, und in noch höherem 
Maasse, vom mittleren Typus der Art bestimmt werden. Offenbar 
muss für die Kinder ungleicher Eltern, also bei solchen Kreuzungen, 
die Regression dieselbe sein wie bei gleicher Abweichung der beiden 
Eltern vom Mittel. 

Der Satz von den mittel-elterlichen Eigenschaften sagt aus, dass 
die Eigenschaften der Kinder, in Bezug auf fluctuirend variirende 
Unterschiede der Eltern, sich nach dem Mittel der elterlichen Werthe 
richten. Man hat also nur für die fragliche Eigenschaft das Mittel 
der Eltern zu berechnen, in Bezug auf Zahl, Maass und Gewicht, 
und die Kinder werden sich verhalten, als ob die Eltern unter sich 
sleich und beide in diesem mittleren Grade ausgestattet wären.! Die 
sanze Kreuzungsfrage auf dem Gebiete der individuellen Variabilität 
wird hier durch eine sehr einfache Rechnungsweise auf das Gebiet 
der reinen Befruchtung zurückgeführt. 

Es leuchtet ein, wie vollständig auch m der Bastardlehre der 
Gegensatz zwischen Variabilität und Mutabilität ist. In dem vor- 
liegenden Buche behandle ich nur die letztere, und so beschränke 
ich mich auch hier ausschliesslich auf die einschlägigen Vorgänge. 
Nur zum Zwecke der klareren Abgrenzung glaubte ich die Varia- 
bilitätskreuzungen näher betrachten zu müssen. 


$ 2. Ungepaarte Eigenschaften. 


Sowohl bei den Menper'schen Kreuzungen als bei denjenigen 
innerhalb einer Mutationsperiode findet jede elementare Eigenschaft 
der Mutter bei der Befruchtung im männlichen Sexualkerne eine ihr 
entsprechende, gleichnamige, sei es auch, dass diese in Bezug auf 
ihre Activität in einem anderen Zustande vorhanden ist. 

Bei geringerer Verwandtschaft braucht solches nicht der Fall zu 
sein. Hier kann es in dem einen Elter elementare Eigenschaften 
geben, welche in dem anderen fehlen. 

Nach der Mutationstheorie entstehen die einzelnen Arten, beim 
Evolutionsprocess der organischen Natur, aus einander vorwiegend 
dadurch, dass von Zeit zu Zeit neue Eigenschaften zu den bereits 


! F. Gaston, Natural Inheritance. 1889. 8. ST u. s. w. Derselbe, Pro- 
ceedings Roy. Soc, Vol. 61. 8. 401. 


Ungepaarte Eigenschaften. 467 


vorhandenen herbei kommen. Der ganze Fortschritt beruht auf der 
allmählichen Differenzirung, diese selbst aber in letzter Instanz auf 
der Zunahme der Anzahl der elementaren Eigenschaften. ‚Jede solche 
neu aufgetretene Art hat also eine einzige Eigenschaft mehr als ihre 
Mutterart. Möge sich die Eigenschaft auch in mehreren Merkmalen 
äussern, oder vielleicht gar das Aussehen aller Organe mehr oder 
weniger abändern, sie ist doch stets als eine in sich geschlossene 
Einheit zu betrachten. Diesen wichtigen Satz haben wir durch die 
Vergleichung der neuen Arten von Oenothera so vielfach kennen 
gelernt, und namentlich gelegentlich der O. lata (Bd. I, S. 287) so 
eingehend besprochen, dass es überflüssig wäre, darauf hier zurück- 
zukommen. 

Es ist nun klar, dass der einfachste Fall einer Kreuzung auf 
dem Gebiete der Mutabilität derjenige ist, in welchem eine neue Art 
mit ihrer Mutterart verbunden wird. Der ganze Unterschied zwischen 
den beiden Eltern reducirt sich dann auf die eine betrefiende ele- 
mentare Eigenschaft. Diese fehlt der älteren Art und ist nur in der 
jüngeren anwesend. Um den Fall aber in vollster Einfachheit vor 
sich zu haben, muss man nicht Kreuzungen innerhalb einer Mutations- 
periode vornehmen, wie die im vorigen Abschnitt behandelten. Denn 
in jener Periode besitzt die Mutterart die fraglichen neuen Eigen- 
schaften bereits im mutablen Zustande. Man müsste die Mutterart 
von einem Fundorte hernehmen, wo. sie sich nicht im Zustande 
der Mutation befindet, denn nur dann wäre der Bedingung möglichster 
Einfachheit genügt. 

Bei einer solchen Kreuzung einer Art mit ihrer (immutablen) 
Mutterart muss offenbar der Bastard alle seine Eigenschaften mit 
alleiniger Ausnahme der neuen von beiden Eltern ererben. In Bezug 
auf die ersteren wird sich die Verbindung als eine normale Be- 
fruchtung verhalten. Die neue Eigenschaft aber wird er von dem 
jüngsten seiner Eltern erben. Ob er sie zur Schau tragen oder 
latent halten wird — das ist eben eine ganz andere Frage; ebenso 
_ diejenige, ob die Eigenschaft, falls sie latent bleibt, in den Nach- 
kommen wiederum activ werden wird. Wir beschränken uns hier 
auf die innere Vererbung, auf die theoretische Seite des Vorganges, 
wenn man will. 

Es ist nun klar, dass wir es in unserem schematischen Falle 
mit einer rein einseitigen Vererbung zu thun haben. Der neuen 
Eigenschaft steht bei der Mutterart keine andere gegenüber. Denkt 
man sich bei der Kreuzung alle Eigenschaften der beiden Eltern paar- 
weise zusammengelegt, so findet jede Eigenschaft des Vaters 

30* 


465 Die consianten Eigenschaflen der Bastarde. 


in der Mutter eine gleichnamige Einheit, nur die neue 
findet keine. Sie liegt im Bastard ungepaart. 

Diese Betrachtungsweise lässt sich nun auf weitere Fälle aus- 
dehnen. Es leuchtet ein, dass überall, wo Arten oder scharf ge- 
schiedene Unterarten geschlechtlich verbunden werden, der Fall vor- 
kommen kann, dass eine oder mehrere elementare Eigenschaften beim 
einen Elter vorkommen, beim anderen aber fehlen. Ungepaarte 
Eigenschaften muss es bei zahllosen, namentlich bei den meisten 
sogenannten Artkreuzungen geben. MACFARLANE, dessen theoretische 
Auseinandersetzungen über diese und ähnliche Punkte die Grundlage 
zu einer tiefer eindringenden Erkenntniss bilden, aber leider bis jetzt 
viel zu wenig berücksichtigt wurden,! hat für die entsprechenden 
Fälle den klaren Ausdruck „Unisexuelle Vererbung“ eingeführt. 
Im Anschluss an seine Beobachtungen und Darlegungen und an die 
im ersten Abschnitt dieses Bandes gegebene Uebersicht, namentlich 
aber an die hochwichtigen von PETER gegebenen Zahlen (S. 24) 
können wir sagen, dass solche, nur von einem Klter herrührende 


Öharaktere sich vererben, aber dabei in der Regel nur zur Hälfte 


reducirt sichtbar werden.” Der Grad dieser Reduction schwankt 
je nach den einzelnen Fällen, und zwar allem Anscheine nach in 
Uebereinstimmung mit den einfachen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit 
(s. oben S. 25, Note). Ferner scheint es sich aus unseren Dar- 
legungen zu ergeben, dass solche Eigenschaften, wenigstens in der 
Regel, in den Nachkommen der Hybriden sich gleichbleiben und sich 
in derselben Weise äussern wie in der ersten Bastardgeneration. 
Unterscheiden sich die beiden Eltern ausschliesslich durch solche 
unisexuelle oder ‚‚ungepaarte“ Charaktere, so entstehen die constanten 
Bastardrassen (s. oben S. 66); haben sie dazu noch andere, so tritt 
der gewöhnliche Fall von nur theilweise constanten Formen auf 
(s. oben S. 74). 

Das Verhalten der unisexuellen Eigenschaften bei den Bastar- 
dirungen gestattet noch in einem wichtigen Punkte eine ein- 
gehendere Analyse. Wir betrachten dazu die möglichen Grade der 
Verwandtschaft zwischen den beiden zu kreuzenden Formen und 
schliessen uns dabei an die gleichsinnigen Darlegungen ABBADo’s an. 


1 J. MuwıruEeAnp MACFARLANE, A comparison of the minute structure of plant 
hybrids with that of their parents, and its bearing on biological problems. "Trans- 
actions of the Royal Society of Edinburgh. Vol. XXXVII. Part I. No. 14. 1892, 

®2 MACrFARLANE a. a. OÖ. S. 273: „Structures found only in one parent and 
with no corresponding counterpart in the other, are handed down, though reduced 
by half.“ 


Ungepaarte Eigenschaften. 469 


Dieser Forscher hat in seiner klassischen Uebersicht der Bastardirungs- 
vorgänge im Pflanzenreiche, von denselben Principien ausgehend, die 
Verwandtschaftserade durch einfache Figuren darzulegen versucht.! 
Trägt man die von ihm nur im Text besprochenen Einheiten in die 
Skizzen ein, so erhält man ein Schema, wie es unsere Fig. 88 angiebt. 
Wir deuten durch M eine Mutterform an, aus der durch auf einander 
folgende Mutationen in zwei Richtungen die neuen Arten a, b, c, d 
und a‘, b', ec‘, d’ entstanden sein mögen. Und zwar a und a’ je durch 
eine Mutation aus M, b durch eine ebensolche aus a, ce aus b u. s. w. 
Es würden somit d und d’ je vier verschiedene elementare Eigen- 
schaften mehr besitzen als M. 

Es leuchtet nun ein, dass man in diesem Schema eine Art erstens 
kreuzen kann mit einem ıhrer geradlinigen Vorfahren, dann aber 
auch mit ihren seitlichen Ver- 
wandten. Erstere Verbindungen 
kann man avunculäre, letztere 
collaterale nennen. Leider ist 
es bei dem jetzigen Stande der 
Wissenschaft nur selten möglich, 
mit der erforderlichen Gewissheit 
zu entscheiden, zu welcher dieser 
beiden Gruppen eine ausgeführte 
bezw. vorgeschlagene Bastardirung 
gehört. Fig. SS. Schema für zwei Fälle uni- 


Aus diesen Gründen wollen sexueller Verbindungen bei Kreuzungen. 
Avunculäre Kreuzungen. 


wir, zur näheren Erläuterung des ++++ Collaterale Kreuzungen. 
Principes, einen schematischen 

Stammbaum entwerfen, und wählen dazu diejenige Gruppe aus der 
Gattung Oenothera, aus der wir in den vorhergehenden Abschnitten 
dieses Bandes Kreuzungen angeführt haben.” Es ist dieses die Unter- 
gattung Onagra oder die sogenannte Biennis-Gruppe. In Fig. 89 ist 
ein solcher Stammbaum entworfen, unter der Annahme, dass O, biennüs 
die Stammform der übrigen, mehrfach besprochenen Arten dieser Unter- 
gattung ist. Den im ersten Bande (S. 315) behandelten Ergebnissen 
der systematischen Untersuchung dieser Gruppe entsprechend nehmen 
wir an, dass O. Lamarckiana aus O. biennis hervorgegangen ist, unter 


! Micuerr Agpano, L’ibridismo nei vegetali. Studio bibliographico. Nuovo 
Giornale bot. Ital. (Nuov. Ser... Vol. V, No. 1—3. 1898. p. 17—19. 

® Die Literatur bietet nur wenige Beispiele in dieser Gruppe; vergl. Focke, 
Die Pflanzenmischlinge, S. 163 und F. GasnEram, Sur un nowvel hybride artificiel: 
Oenothera suaveolens x biennis, Bull. Assoe. Frang. d. Bot. Sept. 1900. 


470 Die constanten 1 Bigenschaften der ER 


Vergrösserung der Blüthen und nen ir Tracht ds der 
Blätter; ebenso, dass eine Verkleinerung der Blüthen und Ver- 


O.gigas. 0.Lam. 


Orubrin: Onan el a. O.cruciala. 
AH 


O.muric aa, 


2 Achre 
Koge drungen 


Aehre'. r : Aehre 
lang ” 5 ’ locker 


20 Ö.odorata 


Er 


j= 
B 
= 


‚Blüthen, 
klein 


O.biennis 


Euoenotherca. 


Fig. 59. Schematischer Stammbaum einiger Arten aus der Gattung Oenothera, zur 
Erläuterung der Haupttypen der unisexuellen Kreuzungen: 
Avunculäre Kreuzungen. 
——--- Collaterale Kreuzungen innerhalb der Untergattung Onagra. 
++++ Öollaterale Kreuzungen zwischen zwei verschiedenen Untergattungen. 


schmälerung der Blätter zu O. muricata und O. erueiata geführt haben. 
Ob diese und die übrigen angenommenen Mutationen in der gewählten 


Ungepaarte Eigenschaften. 471 


Reihenfolge stattgefunden haben oder nicht, ist offenbar für unseren 
Zweck gleichgültig. Wichtig ist nur die Annahme, dass O. biennis 
die Stammform ist, aus der die übrigen fraglichen Arten von Onagra 
hervorgegangen sind. 

Unter dieser Annahme sind alle Kreuzungen von O. biennis mit 
anderen Arten von Onagra als avunculäre zu bezeichnen. Von 
diesen haben wir oben, mit einer Ausnahme, diejenigen beschrieben, 
welche mit punktirten Linien angedeutet worden sind. Es sind dieses 
die Verbindungen mit O. Lamarckiana (S. 31), ©. erueiata (S. 101) und 
O. muricata (S. 67). Ferner gehört dazu die unten zu behandelnde 
Bastardirung von O. biennis und O. nanella (vergl. die beiden folgenden 
Paragraphen). Dagegen sind durch unterbrochene Linien die col- 
lateralen Kreuzungen zwischen O. Lamarckiana und ©. eruciata 
(S. 103), ©. lata und ©. cruciata (vergl. Abschnitt V), und ©. Lamarckiana 
und O. muricata (S. 29, Fig. 3 und 4) angegeben worden.! Endlich 
weist unsere Fig. 39 mit gekreuzten Linien zwei collaterale Bastar- 
dirungen an, welche zwischen einer Art der Untergattung Buoenothera 
(0. odorata) und zwei Arten aus der Gruppe Onagra ausgeführt worden 
sind, und welche, wegen der geringen Verwandtschaft, völlig sterile 
Hybriden gaben (S. 58). 

In diesem willkürlichen Beispiele sind die angenommenen Be- 
ziehungen einstweilen hypothetische, wenn auch sehr wahrscheinliche. 
Innerhalb einer Mutationsperiode liegen die Verhältnisse aber klar. 
Kreuzt man die Oenothera Lamarckiana mit einem ihrer Abkömmlinge, 
so hat man eine avunculäre Verbindung; bastardirt man zwei neue 
Arten unter sich, so erhält man eine collaterale. Beide allerdings 
nur im ersten Grade unseres Schemas (Fig. 88), also ax Mundax u. 

Ueberblickt man das Princip dieser Auseinandersetzungen, so 
sieht man sofort einen wichtigen Unterschied. Denn offenbar geben 


‘ Dass die reciproken Kreuzungen der beschriebenen Verbindungen oft 
andere Bastarde geben, wurde bereits S. 103 und S. 109 bemerkt, ebenso, dass 
oft Bastarde aus verschiedenen Verbindungen dieselben Charaktere besitzen. Zur 
Vervollständigung jener Angaben füge ich noch hieran zu, dass O. Lamarckiana 
x 0. biennis, O. nanella x ©. biennis, O. muricata x O0. biennis und O. eruciata 
x OÖ. biennis im Wesentlichen die Merkmale von O. biennis führen. Dagegen 
sind die Bastarde O. biennis x ©. Lamarckiana, O. muricata x ©. Lamarckiana, 
O. erueiata x O. Lamarckiana unter sich wesentlich gleich und einer Lamarckiana 
mit Biennis-Blüthen ähnlich. ©. biennis x muricata, ©. Lamarckiana x muricata, 
0. Lamarckiana x O. erueiata und O. lata x O. eruciata sind stark goneoklin 
nach der Vaterseite (vergl. Fig. 3 und 4 auf S. 29). In allen diesen Bastarden 
überwiegt somit der Einfluss des Vaters über denjenigen der Mutter. 


elterlichen Merkmale im Bastard, die collateralen aber dazu noch 
auf diejenigen der gemeinschaftlichen Vorfahren. Im ersteren Falle 
gilt oft, wie wir früher gesehen haben, die Regel von der Prävalenz 
der phylogenetisch älteren Kennzeichen (S. 33),! obgleich diese uns 
gerade in dem speciellen Beispiel, wegen der Ungleichheit der Bastarde 
aus den reciproken Kreuzungen, im Stich lässt. Bei den collateralen 
Bastardirungen kommt aber dazu die Aussicht auf Atavismus. 
Würden die neuen Eigenschaften a und a’ u. s. w. sämmtlich derart 
geschwächt auf den Mischling übertragen werden, dass sie in ihm 
ganz zurücktreten, so würde letzterer offenbar wiederum die Merkmale 
der gemeinschaftlichen Vorfahren zur Schau tragen können. Wir 
fanden davon ein Beispiel in der Kreuzung zwischen Oenothera lata 
und O. nanella, deren Producte in erster Generation, wenigstens in 
ziemlich bedeutender Anzahl, die unterscheidenden Merkmale beider 
Eltern völlig verloren hatten und zu der hohen Statur der gemein- 
schaftlichen Stammform zurückgekehrt waren (Tafel ]). 

Ein zweites Beispiel liefert die Kreuzung von 0. muricata mit 
O. Lamarekiana, da diese Bastarde Blumen von derselben Grösse und 
demselben Bau haben wie die gemeinschaftliche Stammform ©. biennis. 
Die Blüthen der Bastarde sind intermediär zwischen denen der beiden 
Eltern, ob diese Thatsache aber als Zwischenbildüng oder als Rück- 
schlag aufzufassen ist, muss einstweilen dahingestellt bleiben. Doch 
dürfte die rechnerische Construction einer Zwischenstufe zwischen 
den kleinen, sich selbst befruchtenden Blüthen von O. muricata mit 
der langen Kelchröhre einerseits, und den grossen Blüthen mit weit 
hervorragenden Narben der O. Lamarckiana andererseits kaum ohne 
eine gewisse Willkür auszuführen sein und nicht nothwendiger Weise 
auf das Bild von O. biennis führen. 

Es ist offenbar anzunehmen, dass unter den zahlreichen Bastar- 
dirungen, welche bis jetzt von so vielen Forschern ausgeführt worden 
sind, sehr viele, wenn nicht weitaus die meisten, collaterale sein 
werden, und es würde sich voraussichtlich lohnen, darunter nach 
weiteren Fällen von Atavismus, in Bezug auf bestimmte Merkmale 
oder Gruppen von solchen, zu suchen. 

Wir schliessen hier mit Macrarrane’s Ausspruch: „Obgleich 
viele mühsame und nützliche Arbeit auf die Bastardirungen von 


! Es erheben sich hier, wie ja auch sonst, bei schärferer Betrachtung viel- 
fach Widersprüche, welche noch einer vollständigeren Zusammenstellung der 
Thatsachen und einer eingehenderen Discussion bedürfen, 


Kreuz en der BUzumeinge von ©. Lamarckiana mit älteren Arten. 419 


anzen nen worden ist, müssen wir diese immer nur noch 
als einen geringen Anfang betrachten in einer Forschungsrichtung, 
welche einmal Ergebnisse von hoher wissenschaftlicher Bedeutung 
an’s Licht fördern wird.“ ! 


II. Combinirte unisexuelle Kreuzungen. 


$ 3. Kreuzungen der Abkömmlinge von Oenothera Lamarckiana mit 
älteren Arten. 


Im Anschluss an die Darlegungen der vorhergehenden Para- 
graphen dieses Abschnittes habe ich eine Reihe von Versuchen aus- 
geführt, in denen meine neuen Arten von Oenothera mit älteren, längst 
bekannten Formen künstlich verbunden wurden. In soweit diese 
nicht selbst mutabel waren, wurde dabei, so zu sagen, der mutable 
Zustand der ©. Lamarckiana übersprungen oder wenigstens aus den 
Versuchen ausgeschaltet. 

Allerdings sind diese Versuche noch bei Weitem nicht ab- 
geschlossen und harrt manche wichtige Frage noch einer experi- 
mentellen Beantwortung. Aber mein Hauptzweck ist nur, zu zeigen, 
was auch nach dieser Richtung von der Erforschung der Producte 
einer Mutationsperiode erwartet werden darf. 

Zu diesen Verbindungen mit meinen neuen Arten benutzte ich 
vorwiegend O. biennis L. und O. muricata L. Daneben aber auch 
O. suaveolens DESF., O. hirsutissima (= O0. biennis hirsutissima TORREY 
and Gray) und O. erueiata Nurt.? 

Solche Kreuzungen sind offenbar ihrem Wesen nach polyhybride. 
Die Oenothera Lamarckiana hat wenigstens zwei, von einander unab- 
hängige Eigenschaften, welche sie von allen übrigen Formen derselben 
Untergattung (Onagra) unterscheiden. nn sind dies die Tracht und 
die Grösse der Blumen (vergl. Bd. I, S. 329—330). Meine neuen 
Arten haben dazu jede noch eine En Eigenschaft, welche die 


1 J. M. MacrARLANE, a. a. O: S. 272. 

? Ueber diese Arten vergl. Bd. I, S. 327—332. Von ©. eruciata Nurr. be- 
nutzte ich eine Form, welche ich in einem späteren Abschnitt ausführlicher 
behandeln werde und bereits oben (S. 100) als Varietät unter dem Namen 
O. eruciata varia aufgeführt habe; hier habe ich aber auf das Merkmal der 
‘ Varietät (die Blüthen) keine Rücksicht zu nehmen, 


474 Combinirte unisexuelle Kreuxungen. 


Ausbildung grosser Blumen in der Regel nicht verhindert, wohl aber 
die Tracht verändert, ohne diese aber je zu derjenigen der anderen 
Onagra-Arten zurückzuführen. Von diesen unterscheiden sie sich 
somit wenigstens in zwei bis drei Eigenschaften. 
Es handelt sich aber bei den fraglichen Kreuzungen eigentlich 
nur um das Verhalten der neuen, nachweislich durch Mutation ent- 
standenen Eigenschaften. Ihnen gegenüber treten die anderen Unter- 


schiede in den Hintergrund. Allerdings bieten sie sich in den Ver- 


suchen häufig von selbst der Beobachtung dar; bei den Zählungen 
von Keimpflanzen kann man sich aber auch einfach auf das Haupt- 
merkmal beschränken. 

Vorgreifend bemerke ich hier, dass diese Kreuzungen sich in 
manchen Beziehungen eng an die Bastardirungen innerhalb der 
Mutationsgruppe anschliessen. Aber die Erbzahlen weichen ab; über- 
wog dort, im Grossen und Ganzen, das neue Merkmal in etwa einem 
Viertel der Bastarde der ersten Generation, so fehlt es hier oft ganz 
oder tritt doch meist nur in einem geringen Theile der Bastarde 
sichtbar auf. 

Abweichende Erbzahlen kommen auch hier vor, und, wie es 


scheint, nicht eben selten; sie sind, bis auf Weiteres, zufälligen 


günstigen Umständen zuzuschreiben. 

Auch Combinationsformen kommen vor, und unter ihnen möchte 
ich schon hier die durch Kreuzung erhaltene, bereits in der ersten 
(seneration entstandene constante Rasse von O. biennis nanella erwähnen. 


$ 4. Die erste Generation der Bastarde. 


Die Kreuzungen meiner neuen Arten von Oenothera mit älteren 
bekannten Arten fanden in derselben Weise wie die eigentlichen 
Mutationskreuzungen (S. 396) statt. Die Blüthen wurden, mit Aus- 
nahme derjenigen der weiblichen Zata, vor dem Oeffnen der Antheren 
castrirt, in Pergaminbeuteln eingehüllt und, sobald sich die Narben 
öffneten, mit dem fremden Pollen bestäubt. Die Operation wurde 
an derselben Rispe während zwei bis drei Wochen so oft wiederholt, 
dass Aussicht auf eine genügende Ermte erreicht wurde. Die Samen 
wurden für jedes Exemplar getrennt geerntet und ausgesät; die Keim- 
pflanzen entweder, bei hinreichend dünner Saat und unter Verwendung 
sedüngter Erde, in den Keimschüsseln gezählt oder ausgepflanzt und 
erst später sortirt. Das Sortiren und Zählen geschah im Rosetten- 
alter, sobald die Merkmale der einzelnen Arten klar und leicht zu 
erkennen waren. Die undeutlichen (zurückgebliebenen oder zu dicht 


Die erste Generation der Bastarde. 475 


stehenden) Exemplare liess ich dann noch einige Wochen für sich 
weiter wachsen, und wiederholte das Sortiren von Zeit zu Zeit. Aus 
den erhaltenen Werthen wurden jedesmal die Erbzahlen in Procenten 
berechnet und so ausgedrückt, dass sie unmittelbar den Gehalt an 
den der betreffenden neuen Art gleichen Individuen anweisen. 

Kreuzungen von O0. lata habe ich zu diesem Zwecke in den 
Jahren 1898 und 1899 ausgeführt. Die Zata-Exemplare stammten 
aus meinen im ersten Bande beschriebenen Culturen; von der ©. biennis 
und der ©. muricata, welche bei uns allgemein vorkommende wild 
wachsende Pflanzen sind, habe ich die Samen im Freien gesammelt; 
die übrigen sind theils durch Tausch aus botanischen Gärten, theils 
aus käuflichen Samen erhalten worden. ©. rubiennis ist die oben 
behandelte Bastardrasse zwischen O. eruciata und O. biennis (Ab- 
schnitt I, $ 13, S. 102), O. hirtella ıst eine mit ©. Lamarckiana ver- 
wandte Form, deren Blüthen aber nicht grösser sind als diejenigen 
der O. biennis, und welche mir namentlich für meine Kreuzungen 
tricotyler Rassen gedient hat (Abschnitt II, $ 25, Fig. 53, S. 310). 

Ich gebe jetzt das Resultat meiner Versuche in tabellarischer 
Form; jede Erbzahl bezieht sich auf die Nachkommenschaft einer 
einzigen Mutter. Nur für O. muricata und theilweise für O. biennis 
sind die Ermittelungen für drei Mütter vereinigt worden. 


Kreuzungen von Oenothera lata, mit älteren Arten. 
A. Mit kleinen Erbzahlen. 


_. Be Anzahl der gezählten „ Anzahl 
zung m Keimpflanzen Jos Her der Mütter 
O. lata x ©. muricata 1899 200 0—1 3 
OÖ. lata x ©. suaveolens 1899 269 2 
; = 1899 225 2 
E % 1899 249 4 
O. lata x ©, hirsutissima 1899 177 2 
a E 1899 233 1 
„ = 1899 462 1 
in) „» 1899 302 1 
©. lata x O. eruciata 1899 131 0 
Br A 1899 135 0 
4 % 1899 99 1 
O. lata x ©. rubiennis 1898 70 0 
B. Mit hohen Erbzahlen. 
O. lata x O. biennis 1898 154 51 
» 59 1898 145 44—54 3 
O. lata x ©. hirtella 1898 161 56 


476 Combinärke unisexuelle Kreuzungen. 


—— 


= en auf Te anderen Componenten ist mitzutheilen, dass 


diese in den meisten Versuchen nicht weiter als das Rosettenstadii 
untersucht wurden, in diesem aber dem anderen der beiden Eltern 


glichen, was allerdings bei den schmalblätterigen ©. muricata und 


O. eruciata eine Entscheidung zwischen diesen selbst und ihrem gleich- 
falls schmalblätterigen Bastard mit ©. Lamarckiana nicht gestattete.! 

Die Kreuzungen von O. nanella führten im Wesentlichen zu dem- 
selben Ergebniss: 


Kreuzungen von Oenothera nanella mit älteren Arten. 
A. Mit niederen Erbzahlen. 


Kreuzung Jah: Anzahl der gezählten „ A: Anzahl 
Vater Mutter Keimpflanzen 7 der Mütter 
OÖ. biennis x O. nanella 1399 139 0 1 
B; 2 1899 415 0 1 
OÖ. suaveolens x O.nanella 1899 196 0 1 
$ > 1899 157 ) 1 
a I 1899 157 0 1 
B. Mit hohen Erbzahlen. 
O. nanella x O. biennis 1898 250 96 3 
r e 1900 106 = 100 3 
O. nanella x O. hirtella 1898 170 57 3 N 


Die Erbzahlen der fünf ersten Versuche beziehen sich auf je 
eine Mutter; die der drei letzten aber auf je drei Mütter, für 
welche dieser Werth, mit einer Ausnahme, ganz oder doch nahezu 
zusammenfiel.? 

Die Tabelle enthält reciproke Kreuzungen für O. biennis, aber} 
mit sehr verschiedenen Erbzahlen. 

Wie bei ©. lata glichen die Keimpflanzen, welche nicht ‚ Zwerge 
waren, in der Jugend dem anderen ihrer Eltern. t 

Die Kreuzungen O. nanella x O. biennis verdienen eine besondere 
Erwähnung. Hier trugen alle Bastarde, sowohl die Zwerge als die 
übrigen 4°/, im Versuche von 1898, die Merkmale der O. biennis. 
Die letzteren habe ich bis zur Blüthe und zur Fruchtreife erzogen, 
und fand keinen Unterschied zwischen ihnen und der Vaterform. Die 


- Vergl. die Formen der Blätter in Bd. I, Fig. 105, S. 331, und für die frag- 
lichen Bastarde Bd. II, S. 29 und 103. 

® Die einzelnen Erpzahlen der drei Mütter wichen wegen der geringen 
Anzahl der gekeimten Samen in dem letzteren Versuche stark von einander "ba 
sie waren 39—61 und 71°/,. 


2 —— — == as nr en 


Die erste Generation der Bastarde. 4717 


Zwerge 'aber vereinigten den Zwergcharakter mit den Merkmalen des 
Vaters. Sie waren nicht höher oder stärker als die Oenothera La- 
marckiana nanella, unterschieden sich aber von dieser sehr deutlich, 
sowohl im Rosettenalter als zur Zeit der Stengelbildung und der 
Blüthe. Denn die Blätter waren schmal und länglich, kaum sitzend 
und nicht den Stengel mit breiten Ohren umfassend, auch hatten sie 
den röthlichen Mittelnerven und die mehr ebene Spreite, welche 
0. biennis von ©. Lamarckiana unterscheiden (vergl. Bd. I, Fig. 104, 
S. 330). Die Blüthen hatten die Grösse von denjenigen der O. biennis, 
waren also viel kleiner als bei O. nanella; auch stimmten sie in Bezug 
auf die Länge des Griffels und daher auf die Lage der Narben 
zwischen den Antheren mit O. biennis und nicht mit O. nanella überein. 
Wie die erstgenannte Art konnten sie sich also selbst, ohne künst- 
liche Hülfe, beim Ausschluss des Insectenbesuches, regelmässig 
befruchten. 

Ueber die Constanz dieser eigenthümlichen Bastardrasse in der 
zweiten Generation vergleiche man den folgenden Paragraphen. 

Mit der inconstanten Form O. seintillans erhielt ich Ergebnisse, 
welche den mitgetheilten für O. lata und O. nanella völlig entsprechen. 
Meine Versuche waren die folgenden: 


Kreuzungen von Oenothera seintillans mit älteren Arten. 


Kreuzungen Anzahl der un Anzahl 
Jahr u %, O.seintillans E 
Mutter Vater gezählten Pflanzen der Mütter 
0. seintillans x O. biennis 1895 115 0 1 
0. biennis x O. seintillans 1899 119 0 2 
O.seintillans x O.rubiennis 1898 129 7 3 
O.rubiennis x O.sceintillans 1898 60 0 1 
O. seintillans x ©. biennis 1898 197 68 3 
O. seintillans x ©. hirtella 1898 200 36 3 


In diesen Versuchen habe ich die Pflanzen nicht nur als Rosetten 
gezählt, sondern sie bis zur völligen Blüthe erzogen, um über ihren 
Charakter den erforderlichen Aufschluss zu bekommen. Es ist dabei 
zu bemerken, dass die Blüthengrösse von ©. biennis, welche dieselbe 
ist wie bei O. rubiennis und O. hirtella, durchaus prävalent ist über 
die grössere Gestalt der Lamarckiana-Blüthen. Es hatten also in 
diesen Culturen alle Bastarde Biennis-Blüthen, und bei den Seintillans- 
Exemplaren waren also die Blüthen entsprechend kleiner als bei den 
echten, nicht gekreuzten O. seintillans. Die übrigen Bastarde hatten 
theils die Tracht von O. biennis,. theils diejenige von ©, Lamarckiana, 


— _ - - a Fr 


478 Combinirte unisexuelle Kreuzungen. 


theils waren sie Combinationsformen; hierauf brauche ich aber an 
dieser Stelle nicht weiter einzugehen. 

Die Samenernte war meist eine geringe, ähnlich wie bei der 
O. seintillans selbst, daher sind die Versuche mit 1—3 Samenträgern 
ausgeführt, wie in der letzten Spalte der Tabelle angegeben ist. Die 
Werthe für die einzelnen Mütter wichen dabei nicht wesentlich von 
einander ab. 

Schliesslich habe ich eine kleine Reihe von Versuchen mit 
O. rubrinervis gemacht, und auch in diesem Falle meine Bastarde 
zum Blühen und zur Fruchtbildung gebracht, um völlig sicher über 
ihre Merkmale zu sein. 


Kreuzungen von Oenothera rubrinervis mit älteren Arten. 


Anzahl der gezählten °/, ©. rubri- 


Br a Pflanzen nerwis 
O. rubrinerwis X O. biennis 1898 100 1 
O. rubrinervis x O. hirtella 1897 18 47 
ie 2 1897 64 28 
ie n 1897 93 35 
O. suaveolens X O. rubrinervis 1899 68 84 


Entsprechend den höheren Erbzahlen der ©. rubrinervis bei den. 
Versuchen mit ihren nächsten Verwandten (vergl. den vorigen Ab- 
schnitt, 85, S. 418) wiegen auch hier die höheren Zahlen vor. 

Fasst man die Ergebnisse dieser vier Versuchsreihen zusammen, 
so sieht man, dass sie in den Hauptsachen eine grosse Ueberein- 
stimmung zeigen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die 
einzelnen Kreuzungen auch hier einer allgemeinen Regel folgen. 

Diese Regel kann uns aber erst klar werden, wenn wir die Ver- 
wandtschaft unserer neuen Arten zu den in den Versuchen benutzten 
älteren Sorten in Betracht ziehen. Nach der herrschenden syste- 
matischen Auffassung! ist die Verwandtschaft von O. Lamarekiana 
zu ©. biennis eine so grosse, dass die erstere oft als Varietät zu der 
letzteren gerechnet wird. An O0. biennis schliessen sich zunächst 
O. hirtella, dann aber auch O. suaveolens und O. hirsutissima eng an; 
sie haben dieselbe Grösse der Blumen und dieselben Einrichtungen 
zur Selbstbefruchtung. 0. muricata aber ist wesentlich weiter ent- 
fernt, und wird z. B. von Sprach als Typus einer besonderen Gruppe 
der Biennis-Gruppe gegenüber gestellt. Ihr schliesst sich O. erweiala 
und mit dieser O. rubiennis (= O. eruciata X O0. biennis) an. 


! Vergl. Bd. I, S. 315 und oben $ 2, 8. 470. 


Die ersie Generation der Bastarde. 479 


Ordnen wir nun die in den obigen Tabellen angeführten Zahlen 
nach diesen Graden der Verwandtschaft an, so erhalten wir folgende 
Uebersicht: 


Tabelle über den Einfluss der Verwandtschaft auf die Zusammen- 
setzung der Nachkommenschaft von Kreuzungen der neuen Arten 
von Oenothera mit älteren. 


Abkömmlinge von Proc. Gehalt an denselben Ab- 


Aeltere Arten s " : 
Oen. Lamarckiana kömmlingen unter d. Bastarden: 


A. Biennis-Gruppe: A. Lata B. Uebrige 
O. biennis O. lat 44—54 
O. nanella | 0——96- 100 
O. seintillans 0 68 
O0. rubrinervis ml 
O. hirtella O. lata 46—54 | 
O. nanella 57 
O. seintillans 36 
OÖ. rubrinerwis | 28—47 
O. suaveolens O. lata 2—4| 
O. nanella 2:0 
O. rubrinervis 84 
O. hirsutissima O. lata 1—2| 
B. Muricata-Gruppe: 
O. rubiennis (eruciata O. lata 0 
x biennis) O. seintillans 0 
O, muricata O. lata'! 0 (1) 
O0. eruciata O. lata! 0 () 


Aus dieser Tabelle ergiebt sich: 

1. Die neuen Abkömmlinge von ©. Lamarckiana geben 
mit O. biennis und deren nächsten Verwandten in der Regel 
eine zweiförmige Bastardgeneration, genau so wie mit O. La- 
marckiana selbst. Die beobachteten procentischen Erbzahlen fallen 
nicht ausserhalb des dort gültigen Rahmens, mit Ausnahme der 
beiden auffallend hohen Zahlen für O. nanella x O. biennis. 

2. Sowohl bei gleichnamigen als bei reciproken und endlich bei 
sehr übereinstimmenden Kreuzungen mit Arten aus der engeren 
Gruppe von O. biennis werden meist zwar übereinstimmende, bisweilen 
aber durchaus entgegengesetzte Werthe gefunden. Es deutet dieses 
darauf hin, dass äussere Umstände und wohl auch die individuelle 


! Die eingeklammerten Zahlen der beiden letzten Versuche beziehen sich 
auf je ein einziges, nur im Rosettenalter beobachtetes Exemplar, und sind also 
einstweilen als unsicher zu betrachten. 


480 Combinirle unisexuelle Kreuzungen. 


Kraft der Eltern hier, wie bei den Kreuzungen zwischen den neuen 
Arten und ©. Lamarckiana selbst, eine wichtige Rolle spielen. 

3. Mit O. muricata und deren nächsten Verwandten 
seben sie aber, soweit die vorhandenen Versuche einen 
sicheren Schluss gestatten, nur eine einförmige Bastard- 
seneration. Die beiden in der Tabelle angeführten Ausnahme- 
pflanzen weisen aber auf das Wünschenswerthe einer Wiederholung 
und Ausdehnung dieser Beobachtungen hin. 

4. Im Grossen und Ganzen sehen wir, dass die Aus- 
sicht auf eine einförmige Bastardgeneration mit abnehmen- 
der Verwandtschaft grösser wird, und damit schliessen sich 
diese Kreuzungen den gewöhnlichen unisexuellen an, deren erste 
(seneration einförmig zu sein pflegt. 


$ 5. Die Constanz in den späteren Generationen. 


Bei den hybriden Verbindungen meiner neuen Oenothera- Arten 
unter sich ergaben sich die erhaltenen Bastarde meist als constant, 
d. h. ihre nach Selbstbefruchtung geernteten Samen gaben in der 
Regel nur Kinder, welche den Typus ihrer Mutter wiederholten. Bei 
monohybriden Kreuzungen war damit gewöhnlich jede Spur der 
vorangegangenen Bastardirung verschwunden. 

Die Uebereinstimmung, welche wir in dem vorigen Paragraphen 
für die Erbzahlen bei jenen Versuchen und bei Kreuzungen mit 
älteren Arten kennen lernten, legt die Vermuthung nahe, dass auch 
in Bezug auf die Constanz der Hybriden zwischen beiden Gruppen 
Uebereinstimmung gefunden werden wird. Ich habe deshalb eine 
Reihe der Bastarde des vorigen Paragraphen künstlich, in Pergamin- 
beuteln, mit ihrem eigenen Blüthenstaub befruchtet. Die Versuche 
bestätigten die ausgesprochene Vermuthung, sofern sie nur con- 
stante Bastarde erkennen liessen. Es waren in der Regel die das 
Merkmal der neuen Art nicht zeigenden Exemplare, welche ich auf 
ihre Constanz prüfte, da es mir wesentlich darauf ankam, zu erfahren, 
ob es unter ihnen auch solche geben würde, welche das in ihnen 
unsichtbare Merkmal dennoch in ihren Nachkommen entfalten könnten. 

Ich gebe jetzt eine tabellarische Uebersicht dieser Versuche, 
welche nur constante Bastarde finden liessen!. Der Umfang 
der einzelnen Aussaaten war ein sehr verschiedener, was daher rührt, 


! Ueber die Spaltungen von Oen. rubiennis x nanella in der zweiten Gene- 
ration wurde oben S. 444 gehandelt. 


Die Constans in den späteren Generationen. 481 


dass die Zählungen in einzelnen Fällen (bei mehr als 500 in 
der Tabelle angegebenen Keimpflanzen) im Rosettenalter. stattfanden, 
während sie in den übrigen Versuchen erst zur Zeit der Blüthe 
vorgenommen wurden. 


Constante Bastarde der ersten Generation. 


A. Kreuzungen neuer Arten mit ©. biennis und O. hirtella. 


ezungen Selbstbefruchtete Jahr der Anzahl 
Bastarde Selbst- der gezählten 
Aller Ne (Anzahl und Form) befruchtung Kinder 
O. nanella x O. biennis 2 Biennis 1899 24 
„ ” 6 Biennis-nanella 1899 185 
O. rubrinervis x O. biennis 1 Biennis 1899 22 
> Pr 1 Lamarckiana BB! 1399 98 (44)? 
O. hirtella x ©. nanella 5 5 ; 1898 655° 


B. Kreuzungen neuer Arten mit O. rubiennis. 


0. lata x O. rubiennis 4 Lamarckiana BB 1899 573 
O. rubiennis x O. sceintillans 1 5 % 1899 30 
O. seintillans x O. rubiennis 2 5 5 1899 58 
” ur 2 Rubiennis 1899 65 


Mit einer unten erwähnten, wohl nur scheinbaren Ausnahme 
(0. seintillans, vergl. S. 482), waren diese Aussaaten einförmig, und 
wiederholten sie nur den Typus ihrer selbstbefruchteten Mutter. Die 
Formen der neuen Arten zeigten sich in ihnen nicht. Sie stellen 
somit voraussichtlich constante Bastardrassen dar, wenn nicht alle, 
so doch wohl die meisten. Ueber diese ist zu bemerken, dass sie 
theilweise einer der beiden gekreuzten Formen glichen (©. biennis und 
O. rubiennis), theilweise aber Combinationsformen bildeten: O. biennis- 
nanella und die biennis-blüthige ©. Lamarckiana.* Beide sind: bereits 


I BB = Biennis-blüthig, d. h. mit Blüthen von der Grösse derjenigen von 
O. biennis. 
” Es wurden im Rosettenalter 98 Exemplare gezählt, von denen nur 44 
weiter eultivirt wurden. 
® Unter diesen 655 Pflanzen kamen zwei O. nanella vor, was wohl dem 
gewöhnlichen Mutationsvermögen der O. Lamarckiana oder der O. hirtella zu- 
zuschreiben ist. Sie wurden bis zur Blüthe und zur Fruchtbildung beobachtet. 
* Bastardrassen, welehe Combinationstypen darstellen, haben in methodo- 
logischer Hinsicht stets den grossen Vortheil, dass sie offenbar über jeden Zweifel 
an der Genauigkeit der Operationen des Castrirens, der Bestäubung, der Ernte, 
des Reinigens der Samen und der Aussaat erhoben sind. Denn kein Versehen 
bei diesen Handlungen kann eine Combinationsform hervorrufen. 
DE VRIEs, Mutation. II. 31 


482 Combinirte unisexuelle Kreuzungen. 


im vorigen Paragraphen besprochen, und sind wohl als constante 
Rassen anzusehen. Jedenfalls gilt dieses von der O. biennis-nanella, 
welche eine wichtige Bereicherung auf dem Gebiete des düsteren 
Formenreichthums der Gartensorten in der O. biennis-Gruppe bildet; 
wichtig deshalb, weil hier ausnahmsweise ihr Ursprung bekannt und 
ihre Aufführung als Bastardrasse somit eines Beweises fähig ist. 
Die O. Lamarckiana BB, d. h. mit Biennis-Blüthen, entstand bei mir 
aus den verschiedensten Kreuzungen, welche diese beiden Blüthen- 
typen vereinigten, und zwar stets mit Ausschluss der Blüthenform 
der O. Lamarckiana. Die Blüthengrösse der Biennis ist gegenüber der- 
jenigen der O. Lamarckiana also fast durchweg prävalent. Vielleicht 
erwarben die Vorfahren, durch welche die ©. Lamarckiana aus der 
O. biennis unserer Vorstellung nach entstanden ist, zuerst die Tracht 
und erst später die Blumengrösse unserer jetzigen Art. 

In der Tabelle sind Kreuzungen mit O. seintillans erwähnt worden. 
Aus solchen entstehen bisweilen Seintillans- Pflanzen, wenn auch, dem 
soeben Gesagten entsprechend, mit kleinen, biennis-förmigen Blüthen. 
Ich habe nun auch solche mit ihrem eigenen Blüthenstaub befruchtet, 
obgleich selbstverständlich nicht zu erwarten war, dass sie eine 
grössere Uonstanz aufweisen würden als die O. seintillans selbst. Ich 
erzog aus den Samen eines solchen Exemplares 75 Pflanzen, von 
denen die meisten im Jahre 1900 geblüht haben. Es waren 60], 
O. Lamarckiana und 36°/, O. seintillans, beide Typen mit den er- 
wähnten kleineren Blüthen. Die übrigen waren theils O. oblonga 
(2 Ex.), theils O. lata und O. nanella (je ein Ex.), welche Typen be- 
kanntlich auch nicht allzu selten aus selbstbefruchteten ©. seintillans 
hervorgehen (Bd. I, S. 172). 

Die O. seintillans behielt also, trotz der Kreuzung und trotz der 
Combination mit den Blüthenmerkmalen der O. biennis, die ihr eigen- 
thümliche Zusammensetzung ihrer Nachkommenschatt. 


Fünfter Abschnitt. 


Anwendung der Bastardlehre auf die Lehre 
von der Entstehung der Arten. 


I. Historisches. 


$ 1. Die Ansichten von LINNE. 


Seitdem durch KÖLREUTER’s Untersuchungen die Existenz von 
Hybriden im Pflanzenreich nachgewiesen wurde, haben diese damals 
so auffallenden und wunderlichen Wesen stets eine ganz hervorragende 
Rolle gespielt, und namentlich als Anhaltspunkte gedient zur Er- 
klärung bis dahin unverstandener Erscheinungen. Die Erfahrung, 
dass Bastarde oft Zwischenbildungen sind und mehrfach sich durch 
einen hohen Grad von Variabilität auszeichnen, hat dazu geführt, 
überall da eine Bastardnatur zu vermuthen, wo diese Beziehungen 
sich dem Beobachter in besonders auffallender Weise aufdrängten. 

Nur selten haben diese Vermuthungen zu einem experimentellen 
Studium des wirklichen Sachverhaltes geleitet. Meist stellte man 
sich einfach damit zufrieden, die Erklärung als möglich anzudeuten. 
Zahllose wildwachsende Formen werden in der jetzigen Floristik als 
Bastarde beschrieben, ohne dass man untersucht hätte, ob die Hy- 
briden zwischen den als muthmaassliche Eltern gewählten Formen, 
auch wirklich die fraglichen Merkmale haben würden. Häufig genügte 
die Thatsache, dass eine Zwischenform neben zwei bekannten ver- 
wandten Sorten wachsend gefunden wurde, um ihre Bastardnatur 
festzustellen. Die neuere Lehre der Menxper’schen Hybriden, welche 
ja so oft nicht Zwischenformen sind, sondern das dominirende Merk- 
mal meist rein oder doch nur unmerklich geschwächt zur Schau 
tragen, wird hier allerdings andere Anforderungen stellen, und ebenso 
wird ein genaues Studium der unisexuellen Bastarde wesentlich dazu 
beitragen, hier das Gebiet der nicht experimentell geprüften Er- 
klärungen wesentlich einzuschränken. 

silz 


454 Historisches. 


Weit grösser ist die Bedeutung der Hybriden im Gartenbau, 
wo ja so zahlreiche künstlich erzeugte Bastarde in Cultur sind, dass 
die zufällig gefundenen und als Bastarde gedeuteten Typen mit viel 
grösserer Wahrscheinlichkeit als solche betrachtet werden, als die- 
jenigen der Floristik. Doch sind auch hier Bedenken keineswegs 
ausgeschlossen, und namentlich verleitet der grössere Handelswerth, 
den Bastarde im Allgemeinen besitzen, nur zu oft dazu, neue Sorten 
unter diesem Titel in den Handel zu bringen. 

Auch in den biologischen Wissenschaften bildet die Behauptung, 
irgend eine Form sei ein Bastard, noch immer eine beliebte Methode, 
die in bestimmten Fällen auftauchenden experimentellen Schwierig- 
keiten zu umgehen. 

Wenn es sich also darum handelt, die genetischen Beziehungen 
verwandter Arten zu einander klar zu legen, so ist offtenbar die Frage 
nicht von der Hand zu. weisen, welchen Antheil daran etwaige Bastar- 
dirungen gehabt haben können. Ohne Zweifel sind viele kleinere 
Arten bezw. Varietäten durch Kreuzungen älterer Formen entstanden, 
und ohne Zweifel spielt die Variabilität der Mischlinge sehr häufig 
eine wichtige Rolle. Es handelt sich nur darum, in dieser Richtung 
nicht allzu sehr zu übertreiben, und keine Vorgänge, welche andere 
Ursachen haben, auf diese zurückzuführen. Selbstverständlich ist 
die Grenze schwierig zu bestimmen, und werden noch zahlreiche 
Untersuchungen erforderlich sein, ehe auch nur stellenweise eine 
richtige Trennung vorgenommen werden kann. Aber ich betrachte 
es gerade als meine Aufgabe, auf solche Fragen zu weisen, damit 
die schwachen Punkte der heutigen Auffassungen die Veranlassung 
zu neuen Studien werden, und auf diesen einmal unsere Einsicht in 
die Entstehung der Arten als ein empirisches Gebäude errichtet 
werden könne. 

Dass jetzt auf diesem Gebiete noch viel Uebertreibung herrscht, 
kann gar nicht Wunder nehmen, wenn man berücksichtigt, mit welchen 
uns jetzt geradezu lächerlich erscheinenden Phantasieen diese ganze 
Richtung angefangen hat. Es scheint mir darum zweckmässig, die 
sehr eigenthümlichen Meinungen von Lisx& hier in möglichster Kürze 
darzulegen. 

Im ersten Bande (S. 12) haben wir gesehen, dass man vor Linni 
allgemein die Gattungen als die wirklichen systematischen Einheiten 
betrachtete, und dass Lınnt selbst in seinen ersten Veröffentlichungen 
diese noch für geschaffen hielt. ‘Seine Aufstellung des Grundsatzes 
eines künstlichen Systems, die Behauptung, dass nicht die Gattungen, 
sondern die Arten geschaften ‚seien, war eine rein willkürliche That 


Die Ansichten von LixneE. 485 


damals herrschenden Anschauungen, fast ein Eingreifen in die Rechte 
Gottes. Und so ist es nur natürlich, dass Liwwt in seinem späteren 
Leben mehr oder weniger zur der älteren Vorstellung zurückgekehrt ist. 

Um die dabei entstehenden Widersprüche aufzuheben, sprach er 
im 6. Band seiner Amoenitates academicae die Vermuthung aus, 
die er auch früher gelegentlich geäussert hatte (vergl. Bd. I, S. 12), 
dass sowohl die Gattungen als die Arten erschaffen seien, und zwar 
in dem Sinne, dass es in jeder Gattung ursprünglich nur eine Art 
gegeben habe. Aus dieser seien die anderen durch Bastardirung 
hervorgegangen.’ Diese eine Art sei dabei die Mutter aller übrigen 
gewesen und hätte auf diese die Merkmale der Gattung übertragen; 
sie bilde auch jetzt noch den Mittelpunkt der Gruppe. Es stimmt 
dieses mit vielen späteren Ansichten, namentlich aber mit dem 
oben (S. 36) besprochenen Gattungstypus GÄRTNER’s überein. Und 
DUHAMEL, GALLESIO, TREVIRANUS und viele andere Botaniker haben 
sich der Auffassung von dem einheitlichen Ursprunge der Gattungen 
angeschlossen. ? 

Von der Seite der Mutter war die Entstehung der Arten durch 
Bastardirung also völlig klar. In Bezug auf die Väter aber war 
Liss& im hohen Grade frei in seiner Wahl, da er den Satz von der 
grossen Seltenheit von Bastarden zwischen verschiedenen Gattungen 
natürlich nicht auf diese ursprüngliche Entstehung der Arten anwenden 
konnte. Es kam nur darauf an, die Väter so zu wählen, dass sie 
die untergeordneten Merkmale der Arten erklären konnten. Am meisten 
bekannt ist das Beispiel der pelorischen Linaria, welche durch Kreuzung 
der Linaria vulgaris mit irgend einer anderen Pflanze mit radial 
gebauten Blütken entstanden sein sollte. Daher auch der bei Linx& 
nicht seltene Artname hybridus. So nahm er an, dass Delphinium 
hybridum durch Kreuzung des Delphinium elatum mit Aconitum Napellus, 
Saponaria hybrida aus S. offieinalis unter dem Einflusse einer Gentiana, 
Veronica spuria aus V. maritima und Verbena officinalis, Actaea spieata 
alba aus A. sp. nigra und Rhus Toxieodendron entstanden seien, u. Ss. w.? 

Diese Ansicht Liwnt’s konnte sich selbstverständlich den Er- 


! Linn&, Amoenitates academicae. Bd. VI: Fundamentum fructificationis. 
Vergl. auch Näserı, Entstehung und Begriff der naturhistorischen Art. 8. 6. 

* Treviıranus, Physiologie der Gewächse. Bd. I, S. 423. Vergl. auch Carver, 
Nuovo Giornale Botanico Italiano. Vol. 12. No.1. S.6. 1880. 

® Vergl. pe CanvoLıe, Physiologie vegetale. II, S. 699 und Sacus, Geschichte 
der Botanik. S. 432. 


486 Historisches. 


fahrungen GÄRTNER’s und so vieler anderer Forscher gegenüber nicht 
aufrecht erhalten. Doch hat sie einen gewaltigen Einfluss gehabt 
und ist wohl zweifelsohne als der Ursprung vieler auch jetzt noch 
geläufiger Meinungen zu betrachten. Ueberall, wo die Neigung vor- 
herrscht, fremdartige Erscheinungen durch Bastardirung zu erklären, 
dürfte diese auf Lmx&’s Einfluss zurückzuführen sein. Und wie tief 
dieser Gedanke Wurzel gefasst hatte, sehen wir vielleicht am besten 
daraus, dass selbst die bedeutendsten Systematiker unter ihrem Einfluss 
standen. So sagt z. B. DE CAnnoLtE: „L’id6e de consid6rer les 
varist6es comme des hybrides me parait presque demontre6e.“! 

Es kann somit nicht Wunder nehmen, wenn wir diese Neigung 
auch jetzt noch häufig, nicht nur im Publikum und bei den Gärtnern, 
sondern sogar in wissenschaftlichen Kreisen antreffen. 


$ 2. Die jetzt herrschenden Meinungen. 


Unter dem Einflusse des allmählichen Fortschrittes unserer 
experimentellen Kenntnisse erleiden die Ansichten über die muth- 
maassliche Bastardnatur fremdartiger Erscheinungen immer bedeu- 


tendere Einschränkungen. Die im ersten Abschnitte dieses Bandes 


skizzirten Erfahrungen, und namentlich die Lehre von den MENDEL- 
schen Bastarden, zeigen klar, wie hier überall die Erscheinungen an 
feste Gesetze gebunden sind. Für die Erklärung bis jetzt nicht aus- 
reichend untersuchter Einzelfälle liegen zahlreiche Thatsachen vor, 
welche wenigstens begründete Analogieschlüsse gestatten. Das Gebiet 
der Phantasie verliert dadurch allmählich an Ausdehnung und an 
Bedeutung. } 
Viele Vorgänge, welche man bis dahin als Folgen von Bastar- 
dirungen erklären zu können glaubte, finden aber in dem heutigen 
Thatsachenmaterial keine ausreichenden Analogieen. Die experi- 
mentell ermittelten Regeln leisten dieses nicht. Daher die Annahme, 
dass diese Regeln keine Gesetze ohne Ausnahmen seien, dass gerade 
im Gegentheil hier und dort Erscheinungen vorkommen können, in 
denen, aus bis jetzt unbekannten Gründen, die Regel versagt. So 
gilt es z. B. als Regel, dass die Nachkommen Mexper’scher Bastarde, 
sobald sie einmal rein recessive Merkmale besitzen, in ihren weiteren 
Generationen constant bleiben. Würde man annehmen dürfen, dass 
diese Constanz keine absolute sei, sondern dass irgend ein Einfluss 
der vorhergegangenen Kreuzung im latenten Zustande übrig bleiben 


! Physiologie vegetale. 1, S. 728, 


Die jetzt herrschenden Meinungen. 487 


könnte, so würde diese Vermuthung vielleicht in vielen Fällen zur 
Erklärung fremdartiger Erscheinungen, wie z. B. Atavismus, benutzt 
werden können. Aber so lange nicht wenigstens einzelne gut beglaubigte 
Thatsachen als Belege vorliegen, hat eine solche Auffassung doch 
höchstens einen heuristischen Werth. 

Das Fehlen solcher Ausnahmen lässt sich kaum allgemeingültig 
beweisen. Andererseits hat der Beweis ihres Vorhandenseins in sehr 
vielen Fällen mit den nie völlig zu vermeidenden Versuchsfehlern zu 
kämpfen, und dürfte somit gleichfalls in der nächsten Zeit wohl nicht 
erbracht werden können. Und damit wird die erörterte Vermuthung 
noch für lange Zeiten eine Quelle plausibler Erklärungen für neue 
und vom Gewöhnlichen abweichende Erfahrungen bleiben. 

Statt weiterer Betrachtungen führe ich hier zwei specielle 
Punkte an. 

Es ist eine beliebte Ansicht, die Garten-Pens6es als ver- 
besserte Formen von Viola tricolor zu betrachten, und sie werden 
deshalb ganz gewöhnlich als V. tricolor maxima bezeichnet. Man 
wundert sich dann über die grossen Blumen, die runden Formen, die 
so viel reicheren Farbennuancen, und erklärt sich diese gern durch 
irgend eine unbegreifliche Wirkung der Bastardirung. Thatsächlich 
aber rühren die genannten Vorzüge, nach Wırrrock’s oben citirten 
Ausführungen (S. 97), einfach von der Viola lutea grandiflora her, durch 
deren Kreuzung mit V. trieolor die Garten-Pensees entstanden sind. 
Und so verhält es sich ohne irgend welchen Zweifel in einer langen 
Reihe anderer Fälle. 

Ob die zahlreichen Farbvarietäten, welche wir oben für so 
viele Gartenblumen studirt haben (S. 194), ursprünglich durch Mutation 
oder durch Kreuzung entstanden sind, ist eine Frage, welche in Er- 
mangelung historischer Nachweise wohl kaum je befriedigend zu 
beantworten sein wird. Ich meine die Frage, ob die verschiedenen 
Varietäten, welche, wie z. B. beim Löwenmaul (Antirrhinum majus), 
zwischen dem ursprünglichen Roth und dem völligen Weiss vor- 
kommen, und welche man jetzt durch Kreuzung von Roth und Weiss 
erzeugen kann, ursprünglich auch in dieser Weise entstanden sind. 
Oder sind sie vielleicht älter als die weisse Sorte, und ist diese nicht 
auf einmal, sondern im Gegentheil stufenweise, und eben durch die 
erwähnten Zwischenstufen aus der anfänglichen Farbe hervorgegangen ? 
Je nachdem man die eine oder die andere Antwort vorzieht, wird man 
sie offenbar in anderen Fällen als Analogie für etwaige Erklärungs- 
versuche benutzen. 

Darwın hat mehrfach betont, dass man in der Anwendung der 


483 Historisches. 


Bastardirung als Erklärungsprineip möglichst vorsichtig sein sollte, 
und es scheint mir, dass diese Warnung auch jetzt noch nicht ganz 
überflüssig geworden ist. 


$ 3. Neue Combinationen und neue Einheiten. 


Die Meinung, dass durch Bastardirung, wenn auch nicht regel- 
mässig, doch von Zeit zu Zeit neue Eigenschaften hervorgerufen 
werden können, beruht, so weit es sich beurtheilen lässt, zu einem 
grossen Theile darauf, dass man zwischen neuen Combinationen vor- 
handener Merkmale und neuen Kennzeichen nicht hinreichend scharf 
unterscheidet. Dass man durch Hybridisirung zahllose neue Formen 
von Gartenpflanzen erhalten hat, ist eine nicht zu leugnende That- 
sache, aus der aber noch gar nicht hervorgeht, dass dabei je eine 
neue elementare Eigenschaft entstanden sei. Denn überall, wo die 
Verhältnisse klar an’s Licht treten, handelt es sich nur um neue 
Verbindungen schon vorhandener Eigenthümlichkeiten. Unzweifelhafte 
Ausnahmen sınd selten, und zwar anscheinend eben so selten wie 
das Auftreten neuer Mutationen bei gewöhnlichen Befruchtungen. 
Wir haben oben gesehen, dass bunte und krausige Blätter gelegent- 
lich in Bastardrassen erscheinen, wie in den Caladium-Culturen von 
Brev (Bd. II, S. 12), aber auf solche vereinzelte Fälle scheint die Ent- 
stehung wirklicher Neuheiten bei Bastardirungen beschränkt zu sein. 
Die ganze Praxis der Gärtner geht ja darauf aus, in neu eingeführten 
Sorten die guten Eigenschaften zu finden und diese dann durch 
Hybridisirung auf die bereits vorhandenen Bastardrassen zu über- 
tragen. 

So lange man die einzelnen Eigenschaften nicht als getrennte Ein- 
heiten, sondern als die Aeusserungen eines einheitlichen Artcharakters 
betrachtet, fällt der Unterschied zwischen der Entstehung von neuen 
Combinationen und von neuen Einheiten bei der Bastardirung selbst- 
verständlich weg. Die einzelnen Eigenthümlichkeiten gehen dann 
überall allmählich in einander über, sie beruhen alle auf einem Mehr 
oder Weniger und liegen im Gebiete der fluctuirenden, hin und her 
schwankenden Variabilität. Jedes neue Merkmal soll im Laufe der 
phylogenetischen Entwickelung in dieser Weise aus den. übrigen ent- 
standen sein, und da liegt es auf der Hand, dass zwischen neuen 
Combinationen und neuen Einheiten im Grunde kein Unterschied 
angenommen werden kann. 

Aber die Thatsachen entscheiden gegen diese. Ansicht. Sowohl 
die Ergebnisse des experimentellen Studiums der  Bastardirungs- 


Neue Combinationen und neue Einheiten. 459 


erscheinungen als die Erfahrungen der Gärtner und der Landwirthe 
lehren uns überall die Combinationen bestimmter werthvoller und 
daher genau unterschiedener Eigenthümlichkeiten als das Wesentliche 
bei den Bastardirungen kennen. Auf dem Gebiete der Menper’schen 
Bastarde dürfte dieser Schluss kaum noch einem Zweifel unterworfen 
sein. Die dihybriden und polyhybriden Kreuzungen leiten stets zu 
solchen neuen Verbindungen, wie die Versuche von MENDEL mit 
Erbsen, von Rımpau mit Getreide und so viele andere lehren. Und 
der Umstand, dass man die Anzahl der möglichen constanten Ver- 
bindungen im Voraus berechnen kann, deutet doch wohl klar darauf 
hin, dass es sich wenigstens hier nicht um die Entstehung neuer 
Einheiten handelt. 

Was ie Gärtner variable Bastardrassen nennen (vergl. oben S. 87) 
sind Gruppen von mehr oder weniger constanten Typen, welche durch 
möglichst zahlreiche und möglichst abgewechselte Kreuzungen aus 
einer möglichst grossen Reihe ursprünglicher Arten, elementarer Arten 
und Varietäten erhalten worden sind. Wo immer die Aussicht auf 
eine Vermehrung der empfehlenswerthen Sorten auftaucht, werden 
sie dann wieder mit neuen Formen verbunden. Dadurch, dass der 
Blüthenstaub einer solchen, neu aus fernen Ländern eingeführten 
Pflanze auf wo möglich alle bereits vorhandenen Sorten gebracht, 
und somit die neue Eigenschaft, sei es auch nur eine einzige, mit 
allen eultivirten Typen der Gruppe verbunden wird, kann die An- 
zahl der augenblicklich vorhandenen Bastardtypen leicht verdoppelt 
werden. Allerdings wird diese äusserste Grenze nur selten erreicht, 
aber wohl nur deshalb, weil ja nicht alle möglichen Combinationen 
auch gerade so gute sind, dass man sie mit Vortheil in den Handel 
bringen könnte. Wir haben die Beispiele oben (S. 87) für Gladiolus, 
Amaryllis, Canna und Viola so ausführlich behandelt, dass ich darauf 
hier nicht weiter einzugehen brauche. Ich erinnere nur noch an die 
gefüllten Flieder (Bd. I, S. 180; Bd. II, S. 55, Fig. 13), die Cactus- 
Dahlien (Bd. 1, 8.180) u.s.w 

Würden durch Kreuzung leicht neue Eigenschaften entstehen, so 
würde offenbar die Anzahl der erhältlichen Typen eine unbeschränkte 
sein. Dem ist aber gar nicht so, weder in der Praxis noch auch in 
wissenschaftlichen Versuchen. Es giebt vielleicht keine Bastardgruppe, 
welche an ‚Formen reicher zu sein scheint als die Gattung Mirabilis. 
Und doch hebt Lecog, der diese Gruppe wohl am gründlichsten 
studirt hat, zu wiederholten Malen hervor, dass es ihm auch bei 
stetiger Ausdehnung seiner Versuche nicht gelungen sei, mehr als 
eine ganz bestimmte, verhältnissmässig beschränkte Anzahl neuer 


490 Historisches. 


Formen zu erzielen. Er nennt zwanzig für die Varietäten von M. Jalapa, 
und vierzig für die ganze Mirabilis-Gruppe als die Grenzen, welche 
sich nicht überschreiten liessen.! 

Hybridisirung ist vielfach als eine Quelle atavistischer Er- 
scheinungen in Anspruch genommen worden. Im Grunde handelt 
es sich dabei nicht um 
etwas Neues, sondern ent- 
weder nur um Eigen- 
schaften, welche in einer 
Reihe von Vorfahren latent, 
oder oft auch nur semi- 
latent vorhanden waren, 
oder um die Öombination 
einzelner, in verschiedenen 
Varietäten getrennt vor- 
handener Factoren einer 
alten, aber zusammenge- 
setzten Eigenschaft. So 
haben wir gesehen, dass 
beim Löwenmaul, durch 
Kreuzung zweier bekannter 
constanter Gartenvarietä- 
ten, welche die Namen 
„fleischfarbig“ und „Delila“ 
führen, die ursprüngliche 
rothe Farbe der „Art“ 
wieder hergestellt werden 
kann (S. 200). Und diese 
oben sogenannte hybrido- 
logische Synthese dürfte 
Fig. 90. Eupatorium cannabinum. Stengelspitze mit jn zahlreichen Fällen die 
einer Galle 9. Oberhalb der Galle sind die Blätter „, : 

bunt, unterhalb grün. Juni 1887. Erscheinungen des Ata- 
vismus erklären.? 

Ich möchte diesen Paragraphen nicht abschliessen, ohne noch 
einmal darauf hinzuweisen, wie leicht man sich täuschen kann, wenn 


' H. Lecoq, De la fecondation indirecte des vegetaux. Bull. Soc. Bot. France. 
1862. T.IX. 8.225 und 229. 

° Für eine Uebersicht der entsprechenden Erscheinungen im Thierreich 
verweise ich auf J. Cosson Ewarr's Presidential Address in der British Association, 
September 1901 (Nature, 1901 und Revue Scientifigue, Nov. 1901). Absolut neue 
Charaktere entstehen auch bei 'T'hieren durch Kreuzung nie, 


Neue Combinationen und neue Einheiten. 491 


beobachten glaubt. Ich führe als Belege zwei Beispiele an. 
Zwischen Rohr und Kolbenrohr, Phragmites und Typka, wächst 


unweit ’s Graveland äusserst allgemein 
der Wasserdost, Hupatorium cannabinum 
(Fig. 90). In seinen Stengeln bildet eine 
kleine Federmotte (Pierophorus mierodacty- 
lus?) Gallen, welche etwas über der Mitte 
des Stengels als kleine Anschwellungen 
auffallen. In ihnen findet man die Raupe. 
Diese Gallen sind am erwähnten Orte 
nicht allzu selten. Ich habe mehrfach, 
und namentlich im Sommer 1887 an 
vielen Exemplaren, beobachtet, dass ober- 
halb einer solchen Galle alle Blätter bunt 
waren, in den jüngsten Theilen oft in sehr 
hohem Grade. Und da unterhalb der 
Gallen die Stengel völlig normal grün 
belaubt waren, lag es auf der Hand, die 
Galle als Ursache der Anomalie zu be- 
trachten. Richtiger aber als Auslösung, 
denn das Bunt ist ja eine erbliche Er- 


scheinung, welche häufig latent bleibt und 


durch äussere Einflüsse sehr leicht stark 
gefördert oder im hohen Grade beein- 
trächtigt werden kann (Bd. I, S. 597). Es 
war somit anzunehmen, dass das Vermögen, 
bunte Blätter hervorzubringen, in diesen 
Pflanzen latent vorhanden war, von dem 
Gallenreize aber in den activen Zustand 
übergeführt wurde. Und den Beweis lieferte 
der Umstand, dass es mir bei fleissigem 
Nachsuchen auch gelang, einzelne bunt- 
blätterige Exemplare des Wasserdostes, 
ohne Galle, inderselben Gegend aufzufinden. 


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Fig. 91. Hieracium vulgatum; 
9 misslungene Galle von Aulax 
hieracü; k und k’ zusammenge- 
setzte Blüthenköpfchen oberhalb 
dieser Galle. Hilversum 1892. 


Auch die Gallen von Aulax hieracii auf Heeracium wmbellatum, 
H. vulgatum und anderen Arten, geben nicht selten Veranlassung zu 
Anomalien. Ich sehe hier ab von den bekannten Vergrünungen 
der Blüthen in den Fällen, wo die Galle im Blüthenboden des 


! Vergl. auch Bd. I, S8. 291 und 608, 


492 Können durch Kreuzung constante Rassen entstehen? 


Köpfchens liegt;! diese sind bei uns sehr allgemein und treten wohl 
stets auf, wenn die Lage der Galle dieses erwarten lässt. Die Ano- 
malien, welche als seltene Erscheinungen auf den von dieser Galle 
befallenen Pflanzen von mir beobachtet wurden, sind die Verbänderung 
und die Verdoppelung der Köpfchen. Die Fasciation ist bei Fieracium 
bei uns selten; dass sie aber eine erbliche Erscheinung ist, weiss 
ich aus einer Cultur, welche ich der Freundlichkeit des Herrn 
Prof. G. von LAGERHEIM verdanke. Aus den mir gesandten Samen 
fascüirter, bei Stockholm gefundener Exemplare von H. umbellatum 
hatte ich in den Jahren 1901—1902 eine umfangreiche Cultur, in 
der sich die Anomalie in schöner Weise wiederholte. Wenn man 
also oberhalb einer Galle von Aulax hieracüi eine Verbänderung sieht, 
während der untere Theil des Stengels normal ist, so liegt es auf 
der Hand, anzunehmen, dass ein latentes Vermögen vom Gallenreiz 
ausgelöst wurde. Diesen Fall beobachtete ich im Sommer 1888 
unweit Loosdrecht an H. vulgatum. Auf derselben Gruppe von Pflanzen 
fand ich, oberhalb einiger Gallen, auch Blüthenköpfchen, auf denen 


die einzelnen Blüthen theilweise durch kleine Köpfchen ersetzt waren. 


Es waren ziemlich grosse, wohl ausgebildete Gallen, und in den von 
diesen getragenen Köpfchen fand ich bis 20 Theil-Inflorescenzen 
pro Capitulum. Dieselbe Erscheinung fand ich im Jahre 1892 unweit 
Hilversum; es waren zwei sehr stark zusammengesetzte Köpfchen 
oberhalb einer misslungenen Galle von Aulax (Fig. 91). Da diese 
Anomalie sonst bei den Compositen als erbliche Erscheinung bekannt 
ist, ist die Erklärung hier offenbar dieselbe wie die oben gegebene.? 


II. Können durch Kreuzung constante Rassen entstehen? 


$ 4. Constante MENDEL'sche Bastardrassen. 


Wenn auch durch Bastardirung keine neuen Artmerkmale ent- 
stehen können, so können doch andererseits zweifelsohne aus Bastarden 
neue Arten hervorgehen. Diesen Satz haben wir im ersten Bande 


! M. Treug, Sur Vaigrette des Composees. Archives Neerl. d. Sc. exactes 
et naf. T, VIIL "8; 13, PLT. 

* Aehnliche Erscheinungen sind auch von Anderen beobachtet worden; 
vergl. namentlich Morrıarn, Revue generale de botanique. Vol. VII. p. ‚323. 


495 


Constante Menver’sche Baslardrassen. 


(S. 461) bei der Unterscheidung der verschiedenen Modalitäten der 
Artbildung besprochen, ohne damals auf eine nähere Beweisführung 
eingehen zu können. Jetzt komme ich darauf zurück, nachdem wir 
in den vorhergehenden Abschnitten dieses Bandes eine lange Reihe 
von Thatsachen kennen gelernt haben, welche als ausreichende Be- 
weise betrachtet werden dürfen. Ich habe diese nur übersichtlich 
zusammen zu stellen und daran die Beobachtungen zu knüpfen, 
welche von verschiedenen Forschern über constante Bastardrassen 
im Freien gemacht worden sind, um den endgültigen Beweis für den 
fraglichen Satz zu bringen. 

Das Ziel der Befruchtung ist sowohl im Pflanzen- als im Thier- 
reiche die Verbindung von Eigenschaften, welche sich in verschiedenen 
Individuen entwickelt haben. Auf dem Gebiete der fluctuirenden 
Variabilität hat die normale Befruchtung die in entgegengesetzten 
Richtungen vom Mittel abweichenden ungleichnamigen Eigenschaften 
zu vereinigen. Nur in dieser Weise können Combinationen zu Stande 
kommen, welche auf dem einfachen Wege des Variirens nicht erreicht 
werden. „Le croisement est le moyen de briser la corre- 
lation,“ sagt JOHANNSEN in seiner bahnbrechenden Untersuchung 
über die Möglichkeit einer Vereinigung entgegengesetzter, sich an- 
scheinend ausschliessender Vorzüge bei der Gerste,! und es scheint 
mir, dass in diesem Satze das Wesen der Befruchtung weit klarer 
und schärfer ausgesprochen ist als von irgend einem anderen Schrift- 
steller. 

Die Bedeutung der Befruchtung liegt vorwiegend, und im Freien 
wohl nahezu ausschliesslich in der Vereinigung der erblichen Eigen- 
schaften von Individuen, welche ungleichen äusseren Bedingungen 
ausgesetzt waren. Unter diesen Einflüssen hat das eine diese, das 
andere jene Eigenschaft in einer für die Lebenslage günstigen Richtung 
entwickelt, und diese Vorzüge lassen sich nur durch die Befruchtung 
in ein und dasselbe Individuum zusammenbringen. Verdanken die 
Lebewesen ihre Ausbildung nicht allein der eigenen Entwickelung, 
sondern der gleichsinnigen Wirkung der äusseren Umstände auf einige 
oder mehrere Vorfahren, so ist der Vortbeil der Kreuzung ein so 
auffallender, dass er sofort in die Augen springt. Dieser Punkt ist 
von Darwın ausführlich und gründlich klargelest worden, findet aber 


! Stickstoffgehalt und Samengewicht, vergl. W. JoHannsen, Sur la varia- 
bilite de lorge consideree au point de vue special de la relation du poids des 
grans a leur teneur en matieres azotiques. Cps. vsd. trav. du Laboratoire de 
Carlsberg. IV, 4. 8. 122—192. 1899. Vergl. 8. 185, 


_— Zu 


494 Können durch Kreuzung constante Rassen entstehen? 


seine volle Anwendung auch auf jene geringfügigen Unterschiede, 
welche von verschiedenen Individuen auf einem und demselben Standort 
erworben werden können. 

Die sexuellen Verbindungen von verschiedenen Arten oder Varie- 
täten haben im Grossen und Ganzen im Haushalt der Natur nur 
eine ganz untergeordnete Bedeutung. Wildwachsende Bastarde und 
namentlich im Freien beobachtete Bastardrassen sind verhältniss- 
mässig sehr selten, wie wir in einem der nächsten Paragraphen aus- 
führen werden. Um so wichtiger sind sie aber im Experiment. 

In diesem lassen sich, auf dem Gebiete der Mexper’schen 
Bastarde, neue constante Rassen stets und überall nach einem ein- 
tachen Gesetze darstellen. Nur die Monohybriden sind selbstverständ- 
lich ausgeschlossen, denn sie lassen keine anderen Combinationen zu, 
als die bereits in den Eltern vorhandenen. Sonst gilt überall die 
von MENDEL aufgestellte Regel, welche wir bereits oben angeführt 
haben (S. 189), dass constante Merkmale, welche an verschie- 
denen Formen einer Pflanzensippe vorkommen, auf dem 
Wege der Kreuzung in alle Verbindungen treten können, 
welche nach den Regeln der Combination möglich sind. 
Diese neuen Combinationen sind für die Dihybriden zwei an der 
Zahl, für die Trihybriden sechs u. s. w. 

Im zweiten Abschnitt dieses Bandes habe ich ausgeführt, dass 
es vorwiegend, wenn nicht ausschliesslich, die retrogressiven und 
die degressiven Merkmale sind, welche bei der Kreuzung mit ihren 
Antagonisten den Menxper’schen Gesetzen folgen.” Solche können 
somit überall, wo sie gruppenweise auf getrennten Sorten vorkommen, 
nach den gegebenen Regeln durch Kreuzung in neue Combinationen 
gebracht werden. Und diese Combinationen sind, wie wir gesehen 
haben, in ihren Nachkommen constant, sobald sie einmal von den 
noch spaltungsfähigen Bastarden aus demselben Versuche isolirt 
worden sind. 

Menpen selbst hat in dieser Weise bei Erbsen die zwischen 
den von ihm gewählten Merkmalen möglichen constanten Verbin- 
dungen hervorgebracht. Rımrau hat für Getreide dasselbe geleistet, 
und seine Beispiele haben wir S. 192 besprochen. Lychnis vespertina 
glabra x L. diurna gab eine constante Rasse mit rothen Blüthen 


! Im Sprachgebrauch und im brieflichen Verkehr hat sich die Gewohnheit 
eingebürgert, diesen Ausdruck abzukürzen und einfach zu sagen, dass die be- 
treffenden Merkmale „mendeln“ Die von den Physikern eingeführten Aus- 
drücke Ohm, Watt u. s. w. lassen diesen Gebrauch wohl als berechtigt erscheinen. 


Die consianten Bastardrassen der unisexuellen Kreuzungen. 495 


und unbehaarten Blättern (S. 184). Antirrhinum majus Dehla und 
A. m. fleischfarbig sind constante Varietäten, welche durch die 
Kreuzung Roth x Weiss gewonnen werden können. Ebenso erhielt 
ich von Brunella vulgaris eine constante Zwischenform mit braunen 
Kelchen und weissen Blüthen. Papaver somniferum  polycephalum 
Danebrog wurde gleichfalls durch Kreuzung von polycephalum mit 
Danebrog gewonnen und erhielt sich seitdem constant. Endlich 
erwähne ich die Oenothera rubrinervis nanella als eine constante 
Merxper’sche Bastardrasse aus O. rubrinervis und O. nanella er- 
halten (S. 453). Weitere Beispiele aus unserem zweiten Abschnitt 
anzuführen wäre überflüssig, denn alle Forscher, welche sich mit 
diesem Gegenstande beschäftigt haben, sind hierüber völlig einig. 
Ich erinnere nur an die oben besprochenen Versuche von ÜORRENS, 
TSCHERMAK, WEBBER, BATESON AND SAUNDERS, JOHANNSEN und vielen 
Anderen. 


$ 5. Die constanten Bastardrassen der unisexuellen Kreuzungen. 


Wenn bei der geschlechtlichen Verbindung zweier Formen die 
Differenzpunkte nicht auf Antagonismus, sondern auf einem einseitigen 
Ueberschuss beruhen, so nennen wir die Kreuzung eine unisexuelle. 
Hier giebt es keine Merkmalspaare, wie auf dem MEnpEn-Gebiete, wo 
jedes Paar bei beiden Eltern aus derselben Eigenschaft besteht, welche 
aber in verschiedenen Zuständen in Bezug auf die Activität auftritt. 
Der active verbindet sich mit dem latenten, der semi-active mit dem 
semi-latenten nach den Menper’schen Gesetzen. Wo aber in dem 
einen Elier eine Eigenschaft vorhanden ist, welche in dem anderen 
durchaus fehlt, können die Kinder die betreffenden Merkmale nur 
vom ersteren, also einseitig oder unisexuell ererben. Solche Fälle 
hat man nach unseren obigen phylogenetischen Erörterungen (S. 466) 
da, wo die eine Form durch progressive Mutation aus der anderen 
hervorgegangen ist, oder wo die beiden Formen in dieser Weise aus 
einem gemeinschaftlichen Vorfahren entstanden sind. Den ersteren 
Modus nannten wir die avunculären, den zweiten die collateralen 
Kreuzungen (S. 469). 

Obgleich principiell von den Menper’schen verschieden, führen 
solche Bastardirungen doch gleichfalls zu constanten Bastardrassen. 
Aber ihre Anzahl wird nicht von den Combinationsgesetzen bestimmt, 
ist im Gegentheil in der Regel eine viel geringere, auch bei einer 
bedeutenden Reihe von Difterenzpunkten. Meist erhält man nur einen 
constanten Bastard, bisweilen zwei, selten mehrere. Zwei verschiedene 


496 Können durch Kreuzung constanle Rassen entstehen? 


bekommt man namentlich dort, wo die reciproken Kreuzungen ver- 
schiedene Hybriden erzeugen (S. 471), aber auch in einigen anderen 
Fällen (Digitalis, Hieracium u. S. w.). 

Im ersten Abschnitt haben wir in einem besonderen Paragraphen 
(S. 66) eine Reihe von .constanten Bastardrassen angeführt, welche 
wohl wesentlich hierher gehören. Ich erinnere an Geum intermedium, 
Medicago media, Veronica Andersonüi, die Orchideen, die Anemonen von 
JANCZEWSKI, und aus meiner eigenen Erfahrung an Oenothera muri- 
cata X biennis. Ferner an O. biennis nanella (S. 476) und andere con- 
stante Bastardrassen aus derselben Gattung. Auch viele Bastard- 
varietäten des Gartenbaues dürften hierher gehören, viele andere 
aber in Bezug auf einige Eigenschaften hierher und gleichzeitig in 
Bezug auf andere zu den Menper’schen Hybriden. 


$ 6. Constante wildwachsende Bastardrassen. 


‘ Ist die Zahl der experimentell erzeugten constanten Bastardrassen 
vorläufig auch noch eine sehr kleine, so genügt die Thatsache ihres 
Vorhandenseins doch als Grundlage für die Auffassung, dass auch im 


Freien hier und dort solche Rassen vorkommen können. Nur sind 


die Schwierigkeiten der Forschung und der Beweisführung hier weitaus 
grössere als im Versuchsgarten. Namentlich ist es nicht immer leicht, 
zwischen den primären Bastarden, d. h. der ersten Generation, und 
den constant gewordenen Bastardrassen andererseits zu unterscheiden; 
ebenso ist, dem Wesen der Sache nach, eine durch Mutation ent- 
standene Zwischenform oft gar nicht von einer aus einer Kreuzung 
hervorgegangenen verschieden, wie solches namentlich bei der Be- 
trachtung der Farbvarietäten unserer Gartenblumen klar in die 
Augen springt. 

Krisge, der die Arten der Gattung Orchis und ihre zahlreichen 
Zwischenformen einer gründlichen monographischen Behandlung unter- 
zogen hat, spricht sich hierüber folgendermaassen aus: „Dass es eine 
Menge Combinationen von vorübergehenden hybriden Erscheinungen 
zwischen den Erstlingen von zwei Arten, den primären Bastarten, 
und zwischen den constant gewordenen polyphyletischen (d. h. hy- 
briden) Rassen giebt, nehmen wir an, wissen aber darüber nichts 
(Genaues. (Gewisse Erscheinungen, welche wir mit den Begriffen, wie 
gleitende Reihen, Rückkreuzungen, Weiter- oder Vorwärtskreuzungen, 
hybride Mittel-, Zwischen- und Uebergangsformen belegen, treten 
nur in ihrem Vorhandensein thatsächlich vor die Augen, doch welche 


Constante wildwachsende Bastardrassen. 497 


genealogische Beziehungen zwischen allen diesen Erscheinungen ob- 
walten, ist noch in Dunkel gehüllt.“! 

Als grundlegend ist in solchen Fällen stets das Experiment zu 
betrachten. Daher stelle ich hier in den Vordergrund die Uebersicht, 
welche FockE in seinem Werke „Pflanzenmischlinge“ (5. 465—468) von 
den Hybriden, welche sowohl künstlich erzeugt als auch spontan be- 
obachtet worden sind, gegeben hat. In dieser Liste sind zu gleicher 
Zeit in mehreren Fällen die Namen der Beobachter angeführt, welche 
sich von der Identität der natürlichen und der künstlichen Mischlinge 
überzeugt haben. Sie umfasst etwa 90 Hybriden aus 40 Gattungen. 
In einer anderen Reihe von Fällen ist die Hybridnatur nicht unmittel- 
bar bewiesen, aber doch mehr oder weniger wahrscheinlich. FockeE 
macht davon etwa 70—80 namhaft (S. 507) mit der Bemerkung, dass 
die Frage nach dem hybriden Ursprung hier näher erwogen zu 
werden verdient. 

SoLms-LAauBAcH hat in seiner monographischen Behandlung der 
Tulpen gezeigt, welchen grossen Einfluss die Kreuzungen im Freien 
auf die überaus reiche Artbildung in dieser Gattung gehabt haben 
müssen.” Ebenso spielt die Kreuzung nach Focke in der Gattung 
Rubus,? nach Maumvaun bei den Menthen,* nach Rosen bei Draba,? 
nach von WETTSTEIN in Sempervivum, in Buphrasia und in zahlreichen 
anderen Gruppen eine wichtige Rolle.® 

In historischer Beziehung knüpft die Lehre von der Entstehung 
von Arten im Freien aus Bastarden an die späteren Lebensjahre 
Lisnt’s und an die Periode der Transmutationisten an (oben S. 485 
und Bd. I, S. 12). Diese betrachteten die Gattungen als erschaffen, 
die Arten als auf natürlichem Wege aus ihnen entstanden. Die 
Differenzirung dachte man sich dabei durch Neubildung von Eigen- 
schaften erzielt, aber durch die Combination der einzelnen so 
erreichten Eigenthümlichkeiten liess sich der Formenreichthum offen- 
bar sehr wesentlich vermehren, und so nahm man an, dass wenigstens 


1 J. Kıinee, Die homo- und polyphyletischen Formenkreise der Dachylorchis- 
Arten. Acta Horti Petropolitani. Vol. XVII. Fase. H, No. 6. 1899. S. 33. 
Ueber die Constanz soleher Formen vergl. namentlich S. 29. 

®? H. Sorms-Lausacn, Weizen und Tulpen und deren Geschichte. 1899. 

® W.O. Focke, Synopsis ruborum Germaniae. Bremen, 1877. S. 56. 

* E. Marınvaup, Classification des especes et hybrides dw genre Mentha. Cps. 
18. Congres de soc. sav. 1898. 

3 F. Rosen, Bot. Zeitung. 1889. 8. 613. 

6 R. von Wertsteım, Die Neubildung von Formen im Pflanzenreich. Ber. 
d. d. bot. Ges. 1900. Bd. XVIII. Generalversammlungsheft S. 190, wo auch die 
übrige Literatur zusammengestellt worden ist. 


DE VRrIEs, Mutation. II, 32 


495 Können durch Kreuxung constante Rassen entstehen? 


in den artenreichen Gattungen ein Theil der Sorten durch Bastar- 
dirung gebildet sein könnte. Bekanntlich war W. HErBERT einer der 
eifrigsten Vertheidiger dieser Lehre, welche sich, trotz der von GÄRTNER 
und Anderen erhobenen Einwände und trotz der im Laufe der Zeiten 
eingetretenen Veränderungen in den theoretischen Anschauungen, bis 
jetzt erhalten hat. 

Allerdings muss man sich vor Uebertreibung hüten. Es handelt 
sich gar nicht darum, ob ein wesentlicher Theil der jetzt lebenden 
Arten, etwa die Hälfte oder ein Drittel, durch Kreuzung anderer 
Arten entstanden sein kann, wie einige populäre Schriftsteller wohl 
gemeint haben. Nicht eine wildwachsende Art auf hundert oder 
tausend kann als beglaubigtes Beispiel angeführt werden, aber dennoch 
giebt es solche. Und die neueren Studien von KERNER VON MARILAUN, 
von WETTSTEIN. und Anderen haben hier eine volle und endgültige 
Entscheidung gebracht. 

Am weitesten hat wohl, von den neueren Schriftstellern, REGEL 
die fragliche Ansicht übertrieben. Er behauptete, dass in den 
meisten Gattungen, und namentlich in den artenreichen Gruppen der 
Weiden, der Rosen u. s. w. die Annahme von je zwei oder drei ur- 
sprünglichen Arten genüge, und dass durch deren Kreuzung eine 


Variabilität eingetreten sein könne, welche ausreiche, um den ganzen 


Reichthum an Formen zu erklären. Naupın erachtete diese Ansicht 
als gar nicht unwahrscheinlich, obgleich er in seinen eigenen Experi- 
menten keine Stützen für sie fand.' Auch in der Gattung Hieracium 
haben hervorragende Forscher der Kreuzung einen grossen Einfluss 
auf die Neubildung zugeschrieben?, während auf der anderen Seite 
Fries ihre Existenz überhaupt in Abrede zog. In floristischen Werken 
sind gar häufig Zwischenformen ohne nähere Untersuchung ihrer Her- 
kunft als Bastarde behandelt worden, doch haben auch hier Schrift- 
steller von anerkannter Autorität, wie Framauvr und GirLor ihre 
Stimme gegen dieses Verfahren erhoben.” PrrEr bezeichnet solche 


! Naupin a. a. 0. S. 156. 

® Vergl. Menven, Ueber aus künstlicher Befruchtung gewonnene Hieracium- 
Bastarde. Ostwanp’s Klassiker, Nr. 121, S. 49 und Verhandl. d. naturf. Vereins 
Brünn. Bd. VIII. Heft I. 1869. S. 27—28. 

®» Cu. Frauaunn, Hybrides et metis, Ann. Soc. Hortic. de l’Herault 1899, 
S. 111, äussert sich sehr stark gegen die Methode, undeutliche Exemplare wild- 
wachsender Formen ohne Weiteres als Bastarde zu bezeichnen und X. GILior, 
Les menthes hybrides, Bull. Association Frangaise de Bot. Feyr. 1900, S. 2, sagt; 
„Il faut envisager avec prudence la question des hybrides produits spontan&ment 
dans la nature. Les plantes s’y hybrident plus diffieilement que dans les jardins; 


les produits sont tres differents, dissemblables, et souvent diffieiles & interpreter.“ ih 


Constante wildwachsende Bastardrassen. 499 


Formen als „Bastarde ohne Belege“,! und ABBano hat neuerdings 
in einer gründlichen Kritik eine Reihe von einschlägigen Fällen 
erörtert.” 

Ueberblickt man die im ersten Abschnitt dieses Bandes vor- 
geführten Thatsachen, so sieht man sofort, dass die Aussicht auf die 
Entstehung von Bastardrassen in der Natur eine sehr geringe ist. 
Viele Hybriden sind unfruchtbar oder bilden doch mit ihrem eigenen 
Blüthenstaub viel zu wenig Samen, um sich zu erhalten. Andere 
werden von dem Pollen ihrer Stammeltern, mit denen sie ja anfangs 
selbstverständlich zusammen wachsen, so viel leichter befruchtet, dass 
sie früher oder später von diesen wieder ganz assimilirt werden 
müssen. So dürften z. B. in der Gattung Oxalis nach HiILDEBRAND 
zwar einige als Species beschriebene Gartensorten durch Kreuzung 
entstanden sein, aber keine wildwachsende Arten.” Einige künstlich 
erzeugte constante Bastardrassen würden durch die genannte Ursache 
im Freien gewiss bald zu Grunde gehen, und werden denn auch, 
obgleich sie leicht entstehen, doch nur äusserst selten beobachtet, wie 
die Oenothera muricata + biennis. Für wieder andere ist die Com- 
bination der elterlichen Eigenschaften ungünstig, wie z. B. bei Aegilops 
speltaeformis, welche nur bei künstlicher Aussaat zu keimen vermag. 

Unfruchtbare‘ oder sonst ungünstig ausgestattete Bastarde können 
sich häufig im Freien durch eine kürzere oder längere Reihe von 
Jahren behaupten, wenn es sich um perennirende oder holzige Arten 
handelt. So z. B. die Hieracien und die Weiden; von den letzteren 
scheint es sehr fraglich zu sein, ob sich ihre Hybriden in der freien 
Natur je als solche fortpflanzen. Im Wiener Botanischen Garten 
werden eine ganze Reihe solcher im Freien aufgefundener Hybriden 
aus den verschiedensten Gattungen durch vegetative Vermehrung 
eultivirt.* 

Eine andere Frage ist offenbar die, ob unfruchtbare Bastarde 
an gewissen Fundorten fast jährlich gefunden werden können, indem 
sie immer von Neuem durch die Stammarten erzeugt werden. Solches 
scheint namentlich in der Gattung Cirsium nicht selten vorzukommen. 
Doch hat Prrer durch einige Zahlen gezeigt, dass man sich auch 


I A. Perer in EnGLer’s Jahrb. V, a. a. 0. S. 203. 

” M. Assavo, Libridismo, a. a. 0. S. 49 ff. 

® F. Hınvesrann, Jenaische Zeitschrift. 1889. 8. 546. 

* Eine Aufzählung dieser Mischlinge gab A. Jencıö in der Oesterr. botan. 
Zeitschrift. Jahrg. 1900. Nr. 1—3. Durch die Güte des Herrn Prof. von Werr- 
STEIN konnte ich einige von ihnen im verflossenen Jahre auch im hiesigen 
Botanischen Garten eultiviren und beobachten. 

32* 


>00 Können durch Kreuzung constante Rassen entstehen ? 


hier sehr leicht durch Ueberschätzung täuschen lässt:! „Bastarde sind 
offenbar viel seltener, als man glaubt. Unter den denkbar günstigsten 
Verhältnissen haben sich im Münchener Botanischen Garten von über 
2000 eultivirten Piloselloidensätzen nur etwa 70 hybride Verbindungen 
gebildet, also kaum 3-5 °/, jener Anzahl. Und doch stehen im Garten 
die verschiedensten Sippen von den verschiedensten Standorten nahe 
beisammen, so dass die Gelegenheit zur Kreuzung eine ganz ungleich 
günstigere genannt werden muss als im Freien. Daraus geht hervor, 
wie wenige Bastarde wildwachsend gefunden werden können.“ 

Vom theoretischen Gesichtspunkte aus haben wir zunächst, wie 
stets, zwischen den constanten und den spaltbaren Bastardeigenschaften 
zu unterscheiden. Beide können zu unabänderlichen Bastardrassen 
führen. Die constanten liefern in der Regel nur.eine Zwischenform, 
die spaltungsfähigen können so viele neue Typen geben als überhaupt 
Combinationen zwischen den elementaren Differenzpunkten der Eltern 
möglich sind, wie solches bereits von MEnpen gelehrt wurde. Die 
ersteren bilden sofort, die letzteren nach Ablauf der Spaltungen 
unabänderliche Sorten.? Diese Spaltungen können aber nur während 
einer beschränkten Reihe von Generationen anhalten, denn da die 
constanten Typen sich rein fortpflanzen, die jedesmal entstehenden 
Bastarde aber wieder zum Theil constant bleibende Individuen hervor- 
bringen, muss offenbar der Procentsatz der Hybriden in jeder Gene- 
ration sehr merklich abnehmen, bis sie schliesslich völlig verschwinden.®? 

GÄRTNER meint, dass die constanten Bastardrassen sich vielleicht 
während einiger Generationen erhalten können, dass aber ihre Frucht- 
barkeit dabei allmählich abnehme, bis sie endlich völlig unfähig 
würden sich fortzupflanzen.* Auch WıcHnura und Andere haben sich 
dieser Meinung angeschlossen.° Dagegen haben NÄgeErı und DARwIN 
auf die besonderen Einrichtungen der Gärrner’schen Versuche hin- 
gewiesen, welche durch Cultur in Töpfen, also bei sehr beschränkter 
Ernährung, und durch Inzucht im Laufe der Generationen eine Ab- 
nahme der jährlichen Ernte herbeiführen konnten.* Die angeführte 


ı A. PETER a. a. (). 8.240. 

? Vergl. auch Könnıcke, Ueber Varietätenbildung im Pflanzenreich. Verh. 
d. naturhist. Vereins d. pr. Rheinlande. 47 Jahrg. 1890. Bonn. S. 14—20. 

® Vergl. die Berechnung bei Menxper a. a. O. 8. 17, und die auf dasselbe 
Ziel auslaufende Theorie DeELBoEuF’s für die Mutabilität; Bd.1, S. 147. 

4 GÄRTNER 2.2.0. S. 162, 233, 517, 551 u. s. w. Vergl. auch die ältere 
Literatur bei demselbeu Autor 8. 587. 

5 Max WicuuraA a.a.0. S. 38. 

® Näseuı, Sitzungsber. d. k. bayr. Acad. d. Wiss. 15. Dec. 1865. S. 412. 
Darwin, Origin of Species und Forms of flowers. . 


Constante wildwachsende Bastardrassen. 501 


Behauptung GÄRrTNER’s ist somit sehr wesentlich einzuschränken und 
schliesst die Existenz seltener aus Bastarden entstandener wild- 
wachsender Arten gewiss nicht aus. 

Das Vorkommen solcher wurde wiederholt nachgewiesen.! Eine 
Uebersicht darüber hat R. Arnen RorrE in einer Darstellung gegeben, 
in der er die systematische Bedeutung der im Freien aufgefundenen 
und als Bastarde beschriebenen Formen einer ausführlichen Kritik 
unterzieht.? 

An diese Erörterungen schliesse ich jetzt eine kurze Uebersicht 
über die von KERNER angeführten Thatsachen an, welche uns eine 
Reihe von durch Kreuzung anderer Arten entstandenen wildwachsenden 
Species kennen lehren. Ihr hybrider Ursprung ist in einer aus- 
reichenden Anzahl von Fällen durch Versuche erwiesen worden, indem 
man durch künstliche Verbindung der vermuthlichen Stammformen 
den Bastard von Neuem erzeugte. 

Kerner’s Sätze wurden zuerst in einem kleinen Aufsatze, dann 
aber namentlich in seinem vielgelesenen Buche „Das Pflanzenleben“ 
veröffentlicht. Sie haben ohne Zweifel mehr als irgend eine andere 
Mittheilung dazu beigetragen, die Ansichten zu klären, Uebertreibung 
aufzuheben und die wirklichen Thatsachen zur Anerkennung zu 
bringen. 

In jenem kleinen Aufsatze führt Kerver als wildwachsende 
Bastarde, welche stellenweise sehr häufig angetroffen werden und sich 
durch Aussamung fort und fort vermehren und verbreiten, z. B. die 
folgenden an: Asplenium germanicum Weis. (Ruta muraria + septen- 
trionale), Oorydalis pumila Host. (intermedia + solida), Hieracium brachi- 
alum BerT. (Pilosella -+ praealtum), Marrubium remotum  (peregrinum 
+ vulgare), Potentilla collina Koch (argentea + verna). In der Umgebung 
von Sterzing in den tiroler Centralalpen wächst Saliv Ehrhartiana, 
ein auch künstlich erzeugter Bastard, in zahlreichen Exemplaren 
zwischen den Eltern S. alba und S. pentandra. Kbenso in Nieder- 
Oesterreich Salix cuspidata Schutz (S. fragilis + pentandra), der gleich- 
falls auch künstlich erhalten wurde. Auf den Torfmooren in der 
Umgebung des Schwarzseees bei Kitzbüchel kommt der Bastard 


! Vergl. Fock£, Die Pflanzenmischlinge, S. 459--468 und von demselben: 
Die Oulturvarietäten der Pflanzen. Nat.-Ver. Bremen. 1887. 8. 447—468. 

® R. A. Roıre, Hybridisation viewed from the standpoint of systematie botany. 
Journ. Roy. Hort. Soc. April 1900. 8. 181. 

®? A. Kerner von Marıtaun, Können aus Bastarden Arten werden? Oesterr. 
botan. Zeitschr, XXI, Nr. 2, 1871, S. 1—10, und Das Pflanzenleben. 1891. Bd. II. 
8. 547—582. 


02 Können durch Kreuzung constante Rassen entstehen? 


Drosera obovata M. u. Koch thatsächlich häufiger vor als seine beiden 
Eltern D. anglica und D. rotundifolia. Linaria italica Trev. (L. genistifolia 
+ L. vulgaris) hat sich nicht nur im gemeinschaftlichen Gebiete der 
Stammformen verbreitet, sondern von dort aus auch in Südtirol, wo 
L. genistifolia fehlt. Ebenso findet sich in der Wiener Gegend 
Hypericum commutatum NOLTE, ein Bastard von H. perforatum und 
H. quadrangulare auch dort, wo die letztere Art fehlt. Primula varia- 
bilis ist in Frankreich, Oesterreich und verschiedenen anderen Ländern 
Europa’s stellenweise sehr häufig, auch an Stellen, wo nur eine der 
beiden Stammformen, P. offieinalis und P. grandiflora, vorkommt. 

Der bekannteste unter diesen wildwachsenden Mischlingen ist 
wohl Rhododendron intermedium, eine Mittelbildung zwischen den beiden 
Alpenröschen R. ferrugineum und R. hirsutum. Diese beiden Arten 
wachsen je nach dem vorwiegenden Kalk- bezw. Kieselgehalt des 
Bodens meist in verschiedenen Alpenthälern getrennt; wo aber die 
beiden Bodenarten in demselben Thale oder auf demselben Abhange 
gemischt vorkommen, findet man sie häufig so dicht neben einander, 
dass Kreuzungen durch Insecten möglich sind. An solchen Stellen 
tritt das R. intermedium auf, bisweilen sogar häufiger als die Stamm- 
arten, in einzelnen Fällen, z. B. am Burgstall im Stubaithale, diese 
ganz verdrängend. Es trägt keimfähige Samen, durch welche es sich 
unverändert fortpflanzt. Auf trockenen Wiesen südlich von Wien 
wächst Salvia sylvestris allenthalben; als ihre Eltern wurden $. nemorosa 
und S. pratensis ermittelt, welchen sie im Grade der Fruchtbarkeit 
nahezu völlig gleichkommt. Nuphar intermedium (N. luteum + N. pu- 
milum) findet man in den Seeen des Schwarzwaldes und der Vogesen, 
zerstreut durch das nördliche Deutschland und mit zunehmender 
Häufigkeit im mittleren und nördlichen Russland und in Schweden. 
An manchen Orten kommt es ohne seine Stammeltern vor. Man 
hat die Kreuzung künstlich wiederholt; die so erhaltenen Hybriden 
zeigten sich aber weniger fruchtbar als die spontanen. Epilobium 
scaturigerum (E. alsinefolium + palustre) wächst im Riesengebirge, Brunella 
hybrida (B. laciniata + vulgaris) in der Wiener Gegend. 

Die angeführten Beispiele beziehen sich auf Sträucher und 
perennirende Pflanzen, welche also nicht ausschliesslich auf Vermehrung 
durch Samen angewiesen sind, sondern sich auch sonst im Laufe der 
Jahre erhalten können. Sie schliessen sich dadurch an die oben be- 
sprochenen sterilen Bastarde an. Aber gerade ihre Fruchtbarkeit, und 
die Fühigkeit ihre Eigenschaften unverändert auf die Nachkommen 
zu übertragen, stempelt sie zu neuen Arten. 


Neue Arten entstehen als Bastarde. 503 


$ 7. Neue Arten entstehen als Bastarde. 


In einer Mutationsperiode müssen nothwendiger Weise vielfache 
Kreuzungen zwischen den neuen Arten und ihrer Mutterart stattfinden, 
und man würde leicht zu der Ansicht gelangen, dass diese die 
Differenzen ausgleichen und somit früher oder später das Verschwinden 
der neuen Typen bewirken würden. Es soll deshalb hier meine Auf- 
gabe sein, zu zeigen, dass diese Befürchtung ohne Grund ist, und dass 
gerade im Gegentheil die Kreuzungen zur Erhaltung und zur Ver- 
mehrung der neuen Formen beitragen können. 

Wir knüpfen bei diesen Erörterungen selbstverständlich an unsere 
Oenothera Lamarckiana und an ihre Abkömmlinge an. Neue Arten 
entstehen hier theilweise durch progressive, theilweise durch retrogres- 
sive Evolution (Bd. I, S. 460). Als Beispiel der letzteren soll uns 
hier die O. brewistylis gelten (Bd. I, S. 223, und oben S. 429), sie unter- 
scheidet sich von der Stammform durch den theilweisen Verlust des 
unterständigen Fruchtknotens, und wir nehmen also an, dass eine der 
elementaren Eigenschaften, welche zusammen die normale Ausbildung 
des Fruchtknotens der Oenotheren bedingen, hier latent geworden ist. 
Als Beispiel der ersteren können wir die O. Gigas, oder die O. rubri- 
nervis wählen. ‘Für die Entstehung dieser Formen haben wir eine 
Prämutation angenommen (Bd. I, S. 352), d. h. wir sind zu dem 
Schlusse gelangt, dass die Fähigkeit, die einzelnen neuen Formen 
hervorzubringen, in der Mutterart als Anlage vorhanden sein muss. 
Der Uebergang dieser inactiven Anlage in den activen Zustand bewirkt 
dann die einzelnen Mutationen; die Anlagen selbst wurden wegen 
des regelmässigen Eintretens dieser Uebergänge als mutabel bezeichnet. 

Um zu erfahren, welchen Einfluss die Kreuzungen mit der 
Mutterart in einer solchen Mutationsperiode haben können, habe ich 
diese Bastardirungen künstlich vorgenommen und möglichst aus- 
führlich verfolgt. Die Ergebnisse sind oben für O. brevistylis in 
$ 11 (S. 435—443), für die übrigen aber in $ 5 desselben Ab- 
schnittes (S. 418), als Kreuzungen innerhalb einer Mutationsperiode 
beschrieben worden. Sie ergaben, dass O. brevistylis den MEnDEr’schen 
Gesetzen folgt, dass die anderen neuen Arten sich nach anderen Regeln 
kreuzen, indem sie mit ©. Lamarckiana nicht eine einförmige, sondern 
eine zweiförmige Nachkommenschaft geben. Die beiden Formen 
dieser Bastarde entsprechen genau den Typen der beiden Eltern. 
Jeder Bastardtypus erhält sich dann bei Selbstbefruchtung in seinen 
Nachkommen constant, abgesehen von der erblichen Fähigkeit zu mutiren. 

Wir wenden nun diese Erfahrungen auf einen idealen Fall einer 


904 Können durch Kreuxung constante Rassen entstehen? 


Mutationsperiode an, und nehmen an, dass die neuen Oenotheren im 
Freien ebenso leicht zur Blüthe und zur Fruchtbildung gelangen 
könnten als im Garten, oder dass sie im Garten ihrem eigenen Schicksal 
und der freien Bestäubung durch Insecten überlassen würden. 

Um aber die eintretenden Möglichkeiten vom Grunde herauf zu 
behandeln, fangen wir damit an, etwas genauer zuzusehen, wann 
eine Mutation eigentlich zu Stande kommt. Offenbar ist im Samen 
die Entscheidung schon getroffen, und muss der Uebergang der frag- 
lichen Eigenschaft aus dem mutablen in den activen Zustand entweder 
im Momente der Befruchtung oder bereits vorher stattgefunden haben. 
Im letzteren Falle sind die Pollenkörner und die Eizellen bereits als 
mutirt zu betrachten. Für jetzt genügt uns diese Annahme, und 
können wir auf weitere Betrachtungen verzichten.” Wenn wir aber 
die Mutation auf einen Zeitpunkt vor der Befruchtung verlegen, so 
können wir die Frage behandeln, was im Augenblicke der Befruchtung 
zu erwarten ist. 

Die sichtbaren Mutationen sind seltene, eins pro Hundert oder 
eins pro Tausend oder noch weniger Individuen umwandelnd. Es 
müssen somit auch die auf der O. Lamarckiana mutirten Pollenkörner 
und Eizellen seltene sein. Damit wird aber die Aussicht, dass zwei 
solche zusammentreffen werden, noch viel seltener, offenbar so selten, 
dass sie fast nie eintreffen wird, oder dass wenigstens ihre Folgen 
sich der Beobachtung entziehen werden. Weitaus die meisten 
mutirten Sexualzellen werden sich bei der Befruchtung mit nicht 
mutirten verbinden, und die Produkte werden, trotzdem sie nur von 
der 0. Lamarekiana abstammen, dennoch in dieser Hinsicht Bastarde 
sein. Solche Bastarde muss es aber ofienbar in jeder Generation 
etwa ebenso viele geben können, als überhaupt Sexualzellen mutirt 
werden. 

Jede sichtbareMutation muss in unserem Beispiele somit 
als Bastard zwischen einer mutirten und einer nicht-mutirten 
Sexualzelle entstanden sein, wenn wir von dem seltenen 
Zusammentreffen zweier mutirter Zellen absehen. Wir nehmen nun 
an, dass die Ergebnisse unserer Kreuzungsversuche auch für diese 
primär mutirten Sexualzellen gelten, eine Annahme, welche wohl 
selbstverständlich, aber auch unerlässlich ist, weil jene Zellen sich ja 
der directen Untersuchung entziehen. Ihre Berechtigung findet sie 
ferner darin, dass sie uns eine einfache Vorstellung über den ganzen 
Vorgang zu machen gestattet. Es werden nach jener Annahme für 


‘ Vergl. hierüber den letzten Abschnitt S 8 (Vegetative Mutationen). 


Neue Arten entstehen als Bastarde. 505 


O. lata und O. nanella also im Mittel etwa ein Viertel der mutirten 
Sexualzellen bei der Befruchtung zu einer sichtbaren Mutation führen, 
während die übrigen ohne merklichen Erfolg aufgenommen, man 
möchte fast sagen, von ihren Gatten assimilirt werden. 

Aber wenn nur ein Viertel der mutirten Pollenkörner und Eizellen 
zu wirklichen Mutationen führt, so reicht solches ofienbar völlig aus. 
Dieser Verlust verschwindet völlig gegenüber dem weit grösseren 
jährlichen Verluste an überflüssigem Blüthenstaub. Die Anzahl der 
sichtbaren Mutationen wird im einen Fall wie im anderen von der 
Anzahl der inneren Umwandlungsvorgänge bestimmt; diese letzteren 
aber entziehen sich vorläufig unserem Studium. Hauptsache ist, dass 
Bastardirungen beim Mutiren zwar unumgänglich sind, dass sie aber 
den Vorgang selbst nicht beeinträchtigen. 

Jede Mutante ist also ein Bastard, ihre Nachkommen, d.h. die 
neue Art, können also als Bastardrasse bezeichnet werden. Damit 
stimmt überein, dass die durch künstliche Kreuzung von O. nanella 
mit O. Lamarckiana erhaltenen Exemplare von O. nanella bei Selbst- 
befruchtung sich ebenso samenbeständig und samenrein zeigen, wie die 
unmittelbar durch Mutation entstandenen Individuen. Und ferner, 
dass es bei Kreuzungsversuchen ganz gleichgültig ist, ob man dazu 
die Mutanten selbst, oder ihre Nachkommen in erster oder in späterer 
Generation wählt. 

Ebenso wie die O. nanella verhalten sich die meisten übrigen 
Arten. Eine besondere Besprechung verdient aber die O. lata, 
welche nur weiblich vorkommt, und also nur durch Kreuzung fort- 
gepflanzt werden kann. Diese Art besteht also nur aus Bastard- 
individuen. Dennoch erhält sie sich unverändert,! und giebt sie bei 
Kreuzungen stets dieselben Ergebnisse wie die durch Selbstbefruch- 
tung gereinigte O. nanella. Ich habe in dem betreffenden Kapitel 
(S. 407) diese Uebereinstimmung so weit wie irgend möglich unter- 
sucht, aber bis jetzt keine Abweichungen gefunden. Er scheint also 
auf diesem Gebiete der Mutationskreuzungen ganz gleichgültig zu 
sein, ob die künstlich zu verbindenden Individuen reiner Abstammung 
sind oder nicht. Und vielleicht wird es später gelingen, manche 
Eigenthümlichkeiten ihrer Bastardirungen aus ihrem unvermeidlichen 
Ursprunge als Bastarde zu erklären. 

Es erübrigt uns jetzt noch zu untersuchen, wie sich die ©. bre- 
vistylis auf dem Felde verhalten wird. Dass sie sich dort seit ihrer 


! Ebenso im Freien, auf dem ursprünglichen Fundort, wo ich sie im Sep- 
tember 1902 noch blühend beobachtete. 


506 Können durch Kreuzung constante Rassen entstehen? 


Entstehung, also Honta während Ho als zehn Jahre, erhalten 
hat, haben wir früher gesehen (Bd. I, S. 224). Sie bildet aber so 
winzige Früchtchen aus, dass sie im Freien wohl niemals sich durch 
ihre eigenen Samen wird fortpflanzen können. Aber aus ihren 


Bastarden kann sie jährlich zu einem Viertel aller Individuen 


entstehen. 

Nehmen wir nun an, es sei zum ersten Male auf O. Lamarckiana 
ein einziges Pollenkorn oder eine einzige Eizelle zu O. brevistylis 
mutirt worden, und diese Zelle gelange durch Copulation mit einer 
normalen zur Hervorbringung eines neuen Individuums. Dieses wird 
ein Bastard sein, alle äusseren Eigenschaften der ©. Lamarckiana 
besitzen, und also im Kampf ums Dasein die gleiche Aussicht haben 
wie alle übrigen Exemplare des Feldes. Wenn es blüht, wird es 
theilweise mit fremdem Pollen, theilweise mit dem eigenen befruchtet 
werden. Die in ersterer Weise entstandenen Samen werden zur 
Hälfte zu Bastarden, zur anderen Hälfte zu reinen ©. Lamarckiana. 
Die übrigen Samen werden zu einem Viertel Lamarckiana, zur Hälfte 
Bastarde und zum letzten Viertel O. brevistylis sein. Im zweiten Jahre 
wird somit die bis dahin latente Brevistylis- Eigenschaft aller Wahr- 
scheinlichkeit nach in einigen Individuen sichtbar werden. Und 


daneben wird es etwas zahlreichere Bastarde geben, welche man aller- 


dings nicht von echten O. Lamarckiana wird unterscheiden können, 
welche aber dennoch in der nächsten Generation wiederum kurz- 
griffelige Individuen hervorbringen werden. Und so leuchtet es ein, 
wie sich die O. brevistylis im Freien neben der Lamarckiana erhalten 
kann. 

Die O. brevistylis ist fast völlig eingeschlechtlich, ein Umstand, 
der die Beweiskraft unseres Beispieles erhöht, für die Pflanze selbst 
aber auf die Dauer vernichtend sein muss. Dennoch hat sie sich 
seit 1586, in welchem Jahre ich sie zum ersten Male beobachtete, 


bis jetzt aufdem ursprünglichen Standort, den vielen Tausenden Exem- 
plaren von O. Lamareckiana gegenüber behauptet, und jedes Jahr sah 


ich sie dort in einigen, wenn auch meist nur wenigen Exemplaren. 


Auch im Sommer 1902 blühte sie noch reichlich. Und solches, 
trotzdem sie, soweit die Erfahrung reicht, von der O. Lamarckiana nicht 


mehr auf dem Wege der Mutation hervorgebracht wird. 


Uebertragen wir diese Auseinandersetzung auf eine fruchtbare H 


Art, so sieht man leicht ein, dass die Aussichten für eine solche, sich 


neben der Mutterart zu behaupten, ungleich günstigere sind. Denn | 
neben den Bastardsamen, welche sie auf den übrigen Individuen er- ' 


zeugt, trägt sie auch selber Samen, welche zwar theilweise gekreuzt, 


Neue Arten entstehen als Bastarde. 507 


zum Theil aber auch rein befruchtet sein können. Sie tritt also bald 
mit einer wesentlich grösseren Individuenzahl in den Kampf um’s 
Dasein ein. Dieser Vorzug kann so bedeutend sein, dass sogar 
auffallend schwache Arten, wie die Oenothera laevifolia sich längere 
Zeit neben der Mutterart behaupten. Diese Form, welche in meinen 
Culturen nie durch Mutation entstand, fand ich zuerst 1887 in 
blühenden zweijährigen Individuen, und zuletzt im verflossenen Sommer 
(September 1902) theils blühend, theils als Rosetten, aber stets nur 
in einigen wenigen Exemplaren. Neue Arten, welche gleich kräftig 
oder sogar kräftiger wären als die Mutterart, würden unter solchen 
Bedingungen, auch wenn sie anfänglich in ganz vereinzelten Indi- 
viduen aufgetreten wären, offenbar eine sehr gute Aussicht haben, 
sich zu vermehren und am Schlusse vielleicht die Mutterart zu 
überwinden. 

Beim Auftreten neuer Arten spielen die Kreuzungen 
somit keineswegs immer eine ungünstige Rolle, sondern 
können sie gerade im Gegentheil das ihrige zu einer raschen 
Vermehrung der Individuenzahl beitragen. Und dieses gilt, 
nach den gegebenen theoretischen Erörterungen sowohl als nach den 
directen Beobachtungen auf dem Standorte der Oenothera, für die 
beiden Formen von Kreuzungen, welche hier in Betracht kommen, für 
die Mutationskreuzungen und die Mexper’schen Bastardirungen. 

Ich befinde mich hier offenbar im Widerspruch mit der 
herrschenden Meinung, welche, von speculativen Betrachtungen aus- 
gehend, in der Isolirung neu entstehender Formen eine prinzipiell 
wichtige, in den meisten Fällen unerlässliche Bedingung für ihren 
Erfolg erblickt. Diese Ansicht ist wohl am klarsten und am aus- 
führlichsten von Morrrz WAGNER in seimer Migrationstheorie 
ausgearbeitet worden,! und obgleich sie offenbar in ihren wesentlichsten 
Momenten nicht haltbar ist und namentlich in vox WETTSTEIN einen 
begabten Gegner gefunden hat,? so hat sie sich doch während langer 
Zeit einer sehr allgemeinen Anerkennung erfreut, und findet auch 
jetzt noch Anhänger.’ 

Auch ist an dieser Stelle die von vielen Forschern und in geist- 
voller Weise namentlich von PrArE vertheidigte Ansicht der Noth- 


! M. Waoner, Die Darwıy’che Theorie und das Migrationsgesetz der Or- 
ganismen, 1868. — Die Entstehung der Arten durch räumliche Sonderung. Ge- 
"sammelte Aufsätze, 1889. 

” R. von Werrsstein, Grundzüge der geographisch - morphologischen Methode 
der Pflanzensystematik. Jena, 1898. S. 39. 

® Max Kassowırz. Allgemeine Biologie. Bd. II. 1899. S. 248. 


08 Können durch Kreuxung constante Rassen entstehen? 


wendigkeit der Plural-Variationen für die natürliche Auslese im 
Kampf ums Dasein zu erwähnen. Nach PLArE vermag die natürliche 
Selection nur auf solche Variationen einzuwirken, welche Plural- 
Variationen sind, d. h. welche nicht in einem eizelnen Individuum 
(Singular-Variation) sondern gleichzeitig oder nach einander in mehreren 
entstehen. Die Aussicht einer Anomalie, um sich im Laufe der 
(senerationen zu erhalten, sei im ersteren Falle eine gar zu kleine, 
denn „alle nur bei einigen wenigen Individuen auftretenden Variationen 
werden durch Kreuzung wieder vernichtet“.? Dieser bekannte Ausspruch 
ruht aber offenbar nur auf den älteren, grade in diesem Punkte sehr 
unklaren und sehr unvollständigen Erfahrungen der Bastardlehre, 
während die neuen Versuche, sowohl über Mrxper'sche Bastarde wie 
über die Mutationskreuzungen, wie wir gesehen haben, zu einer gerade 
entgegengesetzten Schlussfolgerung führen. 

Allerdings hat der hier berührte Punkt für eine Entscheidung 
zwischen der natürlichen Auslese aus Varianten der fluctuirenden 
Variabilität oder aus Mutanten keine Bedeutung. Denn beide Vorgänge 
liefern wohl in der Regel eine genügende Anzahl von Individuen, um 
die Abweichung als Plural-Variation zu betrachten. Bei den Varianten 
kommt es ja nur darauf an, bis wo die Grenze des Nützlichen auf 
der statistischen Curve reicht; alle Individuen, welche jenseits dieses 
Ordinaten stehen, bilden ja offenbar das Selectiönsmaterial. Und 
Mutationen treten, nach den Erfahrungen an Oenothera, wenn auch in 
wenigen Procenten, doch in einer Reihe von Jahren jährlich auf, und 
sind somit gewiss als Plural-Variationen zu betrachten. 

Die Mutationen im Gartenbau geben uns hier eine wichtige 
Belehrung. Weitaus die meisten Varietäten sind zuerst in einem 
einzelnen oder doch in sehr wenigen Individuen aufgetreten; sie 
müssen wohl ganz allgemein als Bastarde zwischen mutirten und 
nicht-mutirten Sexualzellen entstanden und durch die Spaltung solcher 
Bastarde in ihren Nachkommen sichtbar geworden sein. Nun finden 
diese Gartenvarietäten im Freien überall ihre Analoga, wie die zahl- 
reichen weissblüthigen Varietäten unserer Flora und andere uns 
beweisen.’ 

Es liegt auf der Hand, anzunehmen, dass diese Varietäten im 
Freien in derselben Weise entstanden sind wie in der Cultur, also 


! L. Prarg, Ueber die Bedeutung und Tragweite des Darwın’schen Selections- 
prineipes. 1900. 8. 121. 

5.20. 8.12% 

® Vergl. die betreffenden Listen im ersten Bande, S. 449—456. 


Neue Arten entstehen als Bastarde. 509 


gleichfalls in einzelnen oder doch in wenigen Individuen. Weder für 
ihre anfängliche Vermehrung noch für die spätere ganz beträchtliche 
Verbreitung vieler unter ihnen ist solches ein Hinderniss gewesen 
(vergl. Bd. I, S. 463—471). Die unvermeidlichen Kreuzungen mit 
der Mutterart sind ihnen nicht schädlich gewesen, es kommt nur 
darauf an, ob sie dieser überlegen sind oder nicht. 

Zu wiederholten Malen habe ich hervorgehoben, dass meiner An- 
sicht nach Arten in sehr verschiedener Weise entstehen können. 
Dieser Werrstein’sche Satz findet auch auf dem Gebiete der Mu- 
tationstheorie seine Anwendung. Namentlich möchte ich hier be- 
tonen, dass auch innerhalb der Schranken meiner eigenen Erfahrung 
die Zahl der Individuen, in denen sich eine Mutation äussert, eine 
wechselnde ist. Und zwar in ziemlich weiten Grenzen. Im ersten 
Bande S. 239 haben wir diese Zahlen als Mutationscoöfficienten 
kennen gelernt; sie betrugen für O. gigas etwa 0-01°/,, für O. rubri- 
nervis etwa 0-1°/,, für O. oblonga nahezu 1°/,, und an diese Typen 
schlossen sich die übrigen Mutanten unserer Oenothera an. Auch die 
Linaria vulgaris peloria hatte einen Mutationscoöfficienten von 1°/, 
(Bd. I, S. 560), und das Ohrysanthemum segetum plenum, sowie die 
Dahlia variabilis fistulosa (S. 523 und 480) traten in entsprechenden 
niederen Verhältnisszahlen zuerst auf. Dagegen mutirt Plantago 
lanceolata ramosa, wenn auch nur in atavistischer Richtung, jährlich 
in etwa 50°/, der Keimlinge (Bd. I, S. 515), und ist das Mutations- 
vermögen von Oenothera scintillans meist noch grösser, indem jährlich 
zwei Drittel der Samen in atavistischer oder anderer Richtung mutiren. 

In diesen letzteren Fällen erleidet der Satz, dass neue Arten 
als Bastarde entstehen, offenbar eine Einschränkung. Die Atavisten 
der Plantago und die oft 10—15°/, erreichenden Oblonga-Kinder der 
O. scintillans brauchen offenbar nicht ausschliesslich aus der Ver- 
einigung ungleichartiger Sexualzellen der Mutterpflanze zu entstehen. 
Und es steht nichts der Annahme im Wege, dass die weitere Forschung 
zahlreiche Beispiele solcher hoher Mutationscoöfficienten an’s Licht 
bringen wird. 

Einen hierher gehörigen Fall hat jüngst JonanssEn bei der Gerste 
ermittelt. Nach seinen brieflichen Mittheilungen lässt sich Folgendes aus- 
sagen: Als Schartigkeit der Gerste bezeichnet man die Erscheinung, dass 
bisweilen eine Anzahl der jungen Fruchtknoten sich nicht zu Körnern 
entwickeln. Die reifen Aehren enthalten dann leere Stellen, sogenannte 
Sprünge. Diese Erscheinung ist, abgesehen von etwaigen Fällen para- 
sitärer Natur, eine erbliche, und es gelang ‚JoHANNsEN, Rassen zu 
bilden, welche die fragliche Abnormalität regelmässig und in ziemlich 


al) Können durch Kreuzung constante Rassen entstehen? 


bedeutendem Maasse zeigten. Dabei zeigten die Rassen typische 
Variationscurven und einen hohen Grad von Üonstanz. Nur eine 
Rasse, welche von der Goldthorpe-Gerste abgeleitet war, zeigte ein 
abweichendes Verhalten. Diese hat nämlich jedes Jahr eine zwei- 
gipfelige Curve; der eine Gipfel stimmt ganz mit der Curve der 
normalen, fehlerfreien Rassen überein, der andere Gipfel liegt etwa 
bei 35—40°/, Sprüngen in der Aehre. Werden nun die Individuen 
mit und ohne Sprünge isolirt und ihre Samen für sich ausgesät, 
so verhalten die beiden Gruppen sich wie bei der Oenothera seintillans. 
Die Pflanzen ohne Sprünge geben eine durchaus constante Nach- 
kommenschaft, in der die kernlosen Stellen der Aehren fehlen oder 
doch eben so selten sind wie bei normalen Gerstensorten. Die 
Pflanzen mit 35—40 °/, Sprüngen spalten sich aber in ihren Nach- 
kommen, indem sie aus ihren Samen einerseits ihresgleichen, anderer- 
seits normale Individuen hervorwachsen lassen. Die normalen bleiben 
dann wieder im Laufe der Generationen constant; die schartige Rasse 
aber spaltet sich in jedem Jahre von Neuem, ebenso wie die O. scin- 
tillans jährlich aus den Samen der ausgewählten Individuen wiederum 
O. Lamarckiana hervorbringt. 

Da von der schartigen Goldthorpe-Gerste jährlich etwa ein 
Drittel der Individuen zu der reinen Sorte zurückkehren, verhält sich 
dieser Fall auch in Bezug auf die Zahlenverhältnisse ähnlich wie 
die eine der beiden Formen unserer O. seintillans (Bd. I, S. 173). Beide 
haben einen Mutationscoöfficienten von etwa !/,; bei beiden findet die 
jährliche Mutation in atavistischer Richtung statt. 

Betrachten wir die niederen Mutationscoefficienten der Oenothera 
Lamarckiana als das eine Extrem, so bilden offenbar solche Fälle 
das andere Aeusserste, wo sämmtliche Samen einer Ernte gleichzeitig 
mutirt werden. Wir haben dann einen Coefficienten von 100 °/,, und 
dürfen gewiss schliessen, dass auch alle Sexualzellen mutirt waren, 
und dass also Kreuzungen zwischen mutirten und normalen Ei- 
und Pollenzellen nicht vorkamen. Einen solchen Fall hat jüngst 
Cr. A. Wurre in der Gattung der Tomaten beobachtet.! 

Ehe ich zu der Beschreibung dieser wichtigen Beobachtung 
schreite, muss ich hervorheben, dass die Tomaten sich augenblicklich 
in einer Mutationsperiode zu befinden scheinen,? wie es überhaupt 


' Cuarzes A. Wuıte, The saltatory origin of species. Bull. Torrey botan. 
Club. Aug. 1902. S. 511—522. Vergl. auch Science. Nov. 29. 1901 und einige 
weitere Fälle in Science. Jan. 9. 1903. 

2 A. 8. 0. 8; 520: 


Neue Arten entstehen als Bastarde. 51l 


er: Erarpen von Elanzen I en in diesem Zustande 
geben muss." Die Untersuchungen Baıtzy’s haben hierauf zuerst 
aufmerksam gemacht.” Die „Upright“-Tomate entstand plötzlich aus 
der gewöhnlichen Sorte und ist seitdem samenfest. Sie unterscheidet 
sich durch eine Reihe von Kennzeichen und zum Theil durch weiter- 
gehende Differenzen, als die sonst zwischen anerkannten Sorten 
obwaltenden. In derselben Weise tauchte die Mekado-Tomate auf. 
Sie hat weniger zahlreiche, aber grössere Blättchen mit glatten 
Rändern und unterscheidet sich auch in anderen Hinsichten deutlich 
und scharf von der Mutterform. Sie entstand nicht nur ein einzelnes 
Mal, sondern in verschiedenen Jahren, und zwar aus verschiedenen 
Varietäten. Der Uebergang war stets ein plötzlicher, ohne Zwischen- 
stufen, und die neue Form war auch hier sofort samenfest. Diese 
unmittelbaren Beobachtungen werfen ein Licht auf den ganzen Evo- 
lutionsprocess der Tomaten im Laufe des vorigen Jahrhunderts wäh- 
rend ihrer Cultur. Die älteren kleineren, gerade-aufrecht wachsenden 
Pflanzen mit kleinen Früchten sind allmählich verschwunden; aus 
ihnen sind die jetzigen Typen mit langen, schwachen, weitverzweigten 
Stengeln und grossen saftigen Beeren hervorgegangen.” Und zwar 
derart, dass in den einzelnen Unterabtheilungen der Fortschritt im 
Wesentlichen in derselben Richtung stattgefunden hat, dass dieselben 
neuen Eigenschaften also in verschiedenen Arten des gemeinschaft- 
lichen Stammbaumes an’s Licht getreten, sind. Unabhängig von ein- 
ander entstehen aus gleichen oder verwandten Vorfahren ähnliche 
Typen, ein klares Beispiel polyphyletischer Entwickelung, wie 
sie ja auch in der freien Natur vielfach vorkommen muss.* 

Die neue Tomate des Herrn WHırE entstand gleichfalls 
polyphyletisch. Die Mutation wurde in zwei verschiedenen Jahren 
aus verwandten Samen verschiedener Herkunft in demselben Garten 
beobachtet. Sie hat das Merkwürdige, dass sie jedesmal alle Indivi- 


! Die Cocospalme hat nach ihrer Einführung aus Süd-Amerika in Indien 
eine so grosse Reihe von Unterarten hervorgebracht, dass diese zweifelsohne auf 
eine Mutationsperiode hindeuten. Ob diese bereits beendet ist? Vergl. O. F. Cook, 
Oontributions from the U. S. Nat. Herbarium. U. S. Department of agriculture. 
Washington 1901. 8. 257. 

® L.H. Baızev, The survival of the unlike. S. 112, 487 u.s. w. Vergl. auch 
H. W. Conn, The Method of evolution. 8.130, 144 u. s. w. 

® Ueber die Ursachen dieses Verschwindens vergl. L. H. Baıtey, Tomatoes. 
Comell Univ. Agrie. Exp. Station. Oet. 1891. Bull. 32. S. 168—171. Vergl. 
ferner die Aufsätze desselben Verfassers a. a. O. 1889 S. 115, 1890 $. 75, 1891 
S. 45, 1892 Bull. 43 und 45. 

* Vergl. Linaria vulgaris peloria. Bd. I, 8. 563. 


512 Können durch Kreuzung constante Rassen entstehen? 


luen der betreffenden Aussaat, und also auch wohl alle Samen der 
lörnte, umfasste. Die neue Sorte war sofort samenfest, und der 
Liebenswürdigkeit des Herrn WnrrE verdanke ich eine Probe von 
Samen, aus der ich sie im verflossenen Sommer (1902) cultivirt habe. 
Sie war auch bei mir völlig rein, und sowohl in der Frucht und den 
Blättern, als in den Blüthen und Früchten der von ihrem Urheber 
gegebenen Beschreibung treu. 

Diese Mutationen fanden in der folgenden Weise statt. Im 
Jahre 1898 hatte WHITE in seinem Garten zwei Dutzend Exemplare 
der Varietät Acme, welche dem Bilde dieser Sorte völlig entsprachen. 
Die von diesen Pflanzen gewonnenen Samen gaben im nächsten Jahre 
30 Individuen, welche alle sogleich beim Keimen eine andere Tracht 
zeigten, als die Mütter. Während Acme der formenreichen Gruppe 
mit lockerem blassgrünem Laube angehört, hatte die neue Mutation 
die Merkmale der Solanum-ähnlichen Gruppe mit festen, aufrechten 
Stämmen, dichtem Laub und breiteren Blättern von dunkelgrüner 
Farbe.! Die Früchte wichen gleichfalls ab, sowohl in der Farbe als 
im Geschmack eine neue werthvolle Sorte darstellend. Sie trugen 
aber wiederum auf allen Individuen dieselben Eigenschaften. Samen 
wurden nicht aufbewahrt. 


Iın nächsten Jahre wurde in demselben Garten dieselbe 


Varietät Acme gepflanzt, mit der der erstere Versuch angefangen 
hatte; die Samen waren aber von einem anderen Handelsgärtner 
bezogen als die Pflanzen des Jahres 1598. Die Cultur war eine reine 
Acme-Pflanzung, aber ihre Samen gaben im nächsten Jahre wieder 
dieselbe neue Varietät, welche bereits 1599 entstanden war. Und 
wiederum in allen Individuen. Die Cultur des Jahres 1901 war in 
allen Punkten eine Wiederholung derjenigen von 1899. Nur wurden 
jetzt Samen geerntet, mittelst welcher die neue Sorte vermehrt und 
verbreitet wurde. Sie erhielt den Namen der Washington-Tomate. 

Für die eingehende Discussion der sonst beobachteten Constanz 
der Acme und des Ausschlusses der Möglichkeit einer Kreuzung 
verweise ich auf das Original. Ich bemerke nur, dass diese neue 
Form des Mutationsvorganges in vielen Hinsichten besser den An- 
forderungen entspricht, welche von hervorragenden Forschern vom 
theoretischen Standpunkt aus an den Process der Entstehung neuer 


! Cu. A. Wuıre a. a. O. 8.511. Derselbe in Z’he Independent. Oct. 16, 
1902. S. 2460; vergl. ferner über die Classification der Tomaten L. H. Banev, 
Cornell Univ. Agriec. Experim. Station. Bull. 32. 1891. 8. 180. Vergl. auch 
den ersten Band S. 480. 


Die Entstehung gestreifter Blumen. 515 


Arten gestellt worden sind. Diese Beobachtungen dürfen also wesent- 
lich dazu beitragen, die gegen die Theorie erhobenen Schwierigkeiten 
zu beseitigen. 


IH. Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen ? 


$ 8. Die Entstehung gestreifter Blumen. 


Von allen Beispielen stark variabler Rassen sind wohl die bunten 
oder gestreiften Gartenblumen die beliebtesten, sowohl in der Cultur, 
wie auch als Ausgangspunkt für theoretische Betrachtungen über 
verschiedene Fragen auf dem Gebiete der Erblichkeit. Leider aber 
fehlen die Thatsachen, welche zu solchen Ausführungen berechtigen 
würden. Die Auffassung der Streifung als eine hybride Verbindung 
zwischen den beiden Grundfarben scheint eine so einfache, so 
natürliche und so auf der Hand liegende, dass man versäumt zu 
untersuchen, ob denn auch wirklich durch Kreuzung solche Rassen 
erhalten worden sind.! 

Beachtet man ferner, dass es gelegentlich vorkommt, dass vege- 
tative Bastardspaltungen den Schein einer ähnlichen Erscheinung 
vortäuschen, ohne aber zu erblichen gestreiften Rassen Veranlassung 
geben zu können, so ist die weite Verbreitung der erwähnten An- 
sicht wohl erklärlich. 

Wenn wir die Sache vom historischen Standpunkt untersuchen, 
so erscheint uns die herrschende Meinung nur als ein Ueberbleibsel 
aus der Zeit, wo man alles Fremdartige, ja sogar nahezu die ganze 
Entstehung der Arten innerhalb der Gattungen auf Bastardirung zu- 
rückführen zu können glaubte. Diese von Lısx& in seinen späteren 
Lebensjahren vertretene Ansicht fand in der Auffassung der 
gestreiften Blumen als Bastarde eine willkommene Stütze. Und in 
der Dissertation über die Peloria (1744) versicherte Liwn& ohne 
Weiteres, dass man aus Erfahrung wüsste, dass gestreifte Tulpen aus 
der Kreuzung zweier einfarbiger Sorten entstanden seien.” Ueber 
jene Erfahrung wird aber nichts Weiteres mitgetheilt. Einige Jahre 
später beobachtete Mustern dass eine weisse Renonkel, welche zwischen 
anderen Varietäten geblüht hatte, aus ihren Samen verschiedenfarbige 


! Vergl. die Note in diesem Band S. 51. 
? Diss. de Peloria, 1744; Amoen acad. ed. Schreber. I, S.55. Vergl. auch 
DE CanDoLLe, Physiologie vegetale. II, S. 698. 
DE VRIES, Mutation. II. 33 


9l4 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen? 


Individuen gab. Und seitdem scheint die erwähnte Ansicht, 
namentlich bei den Züchtern von Blumenzwiebeln, sich eingebürgert 
zu haben. 

Im letzten Abschnitt des ersten Bandes haben wir ausführlich 
die Meinung Vırmorm’s über die Entstehung gestreifter Blumen 
dargelegt. Sie gründet sich nicht auf eine plausible Erklärung der 
uralten gestreiften Sorten, deren erstes Auftreten wohl stets in 
Dunkel gehüllt bleiben wird, sondern auf Beobachtungen über das 
Erscheinen von gestreiften Varietäten bei Arten, von welchen man 
solche bis dahin nicht kannte (Bd. I, S. 489). Vırmorım stellte fest, 
dass in solchen Fällen die gestreifte Varietät später entsteht als die 
weisse und aus dieser hervorgeht. Und zwar nicht in den ersten 
Lebensjahren der weissen Sorte, sondern später und somit als (theil- 
weiser) Rückschlag auf die ursprüngliche Farbe (Bd. I, S. 494). 

Ist dieser Rückschlag als Vicinismus aufzufassen? D. h. fand 
er unter dem Einflusse des Blüthenstaubes gefärbter, in der Nachbar- 
schaft cultivirter Varietäten statt? (Vergl. oben S. 383.) VILMORIN 
äussert sich darüber nicht. Und obgleich die herrschende Meinung 
diese Erklärung wohl als selbstverständlich hinstellt, so fehlen doch 
die Beweise. Die Streifung kann ja genau ebenso gut als eine neue 
Mutation aufgefasst werden. i 

FockeE folgt der erwähnten Meinung, namentlich für Mirabilis: 
„Durch Kreuzung der drei ursprünglichen Farbenrassen (roth, gelb, 
weiss) sind ausser den Mittelfarben auch zweifarbig bunte Sorten 
hervorgegangen,“ sagt er.” Dagegen ist zu bemerken, dass die gestreiften 
Sorten von Mirabilis uralt sind, und bereits ein ganzes Jahrhundert 
und mehr in Cultur waren, als KÖLREUTER (1761) seine berühmten 
Bastardirungen in dieser Gattung anstellte.e Denn bereits MuntınG 
erwähnt sie im Jahre 1671 als allgemein bekannte Sorten. Er kannte 
neben den weissen, gelben und rothen Formen die „Jalappa vera, ofte 
Mirabilis Peruviana flore albo et luteo variegato, Opregte Jalappe, ofte 
wonder Bloem van Peru, met wit en geelgestreepte, en gesprenkelde 
couleur“, sowie die „Flore rubro et luteo variegato, met rood en geel 
gecouleurde bloemen.“ Ueber ihren Ursprung kann man also nur 
Vermuthungen aussprechen. MunrinG kannte bunte Blumen ferner z.B. 


! Mevster, Traite theorique et pratique de la vegetation. 1781—1784. I, p. 291. 
Vergl. auch pe CAnDoLte a. a. O. S. 723. 

® Focke, Die Pflanzenmischlinge. 8. 342. Vergl. auch S. 490 für andere 
Gattungen. 

%° ABrAHAMm Munting, Waare oeffeninge der Planten. 1671. 8. 218. 


BEE 


Die Entstehung gestreifter Blumen. 515 


bei Hepatica (S. 450), Levkojen (S. 484), Hesperis (S. 490), Vinca (8. 372), 
Aconitum (3. 230), Aquüegia (5. 276), Dianthus barbatus (S. 285) u. s. w. 

Vorsichtiger als Focke sind DEcAıswE und NAauvıs,! welche von 
den gestreiften Jalappen sagen, dass sie „vielleicht“ durch Kreuzung 
entstanden seien. Dieses ist um so bedeutsamer, als Naupın selbst 
viele Versuche in dieser Gattung gemacht hat, und unter seinen 
Hybriden gelegentlich auch gestreifte Blüthen vorkamen. 

Die bisher ausgeführten wissenschaftlichen Kreuzungsversuche 
zwischen Blüthen mit verschiedenen Farben haben in der Regel stets 
nur einfarbige Bastarde gegeben. Die Farbvarietäten folgen, wie wir 
im zweiten Abschnitte ausführlich behandelt haben, den Mexpkr/’schen 
Gesetzen; die Bastarde haben einförmig gefärbte Blumen, ihre Nach- 
kommen theils solche, theils weisse. Ebenso verhält es sich in der 
Gattung Mirabilis, wo KÖLREUTER, NAUDIN und andere diese Verhält- 
nisse studirten, und wo LECoQ zwischen sechs verschiedenen Varietäten 
über 600 einfarbige Bastarde gewann.? 

Allerdings kommen Ausnahmen vor, und erhält man bei solchen 
Kreuzungen gelegentlich scheckige und gestreifte Typen. Scheckige 
Bastard-Erbsen sind von TSCHERMAR? und WELDoN,* ebensolche Mais- 
körner von CORRENS? und von WEBBER® erhalten worden. Ob diese 
Erscheinung den gestreiften Blüthen analog ist, und constanten Rassen 
den Ursprung geben kann, ist noch unbekannt; namentlich scheinen 
beim Mais die gescheckten Bastardsamen sich anders zu verhalten 
als die Früchte der gestreiften Handelsvarietäten, z. B. die roth und 
gelbgestreiften Körner des Harlekins. Bastarde mit gestreiften Blumen 
sind aus einfarbigen Eltern gelegentlich gewonnen worden, doch sind 
solche Fälle bis jetzt noch gewissen Zweifeln ausgesetzt. Bei umfang- 
reichen Versuchen können sich immerhin Fehler einschleichen, und 
wenn LECoQ unter seinen 600 Mirabilis-Bastarden einzelne rein weiss- 
blühende, also recessiv-merkmalige findet, so vermuthet er selbst 
(S. 222), dass Castrationsfehler die Ursachen sein mögen. Aber auf 
die eben so seltenen gestreiften Bastarde jenes Versuches lässt sich 
diese Vermuthung selbstverständlich mit demselben Rechte anwenden. 


J. Decaıssne et Cm. Naupm, Manuel de Vamateur des Jardins. II, S. 333. 
H. Lecog, Bull. Soc. bot. France. 1862. S. 222. 
E. TscHermar a. a. O. 
F. WeEıvon, On alternative inheritance in peas. Biometrika I. 
° C.Correns, Bastarde zwischen Maisrassen. Biblioth. Botanica. Heft53. 1901. 
° H. J. WEBER, Xenia, or the immediate effect of pollen in Maize. U. S. De- 
partment of Agriculture. Bull. Nr. 22. 1900. Pl. 1. 
332 


>16 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen? 


Die wichtigste Fehlerquelle scheint mir aber in dem Umstand 
zu liegen, dass man es, grade auf diesem Gebiete, oft einer Pflanze 
nicht ansehen kann, zu welcher Rasse sie gehört. Betrachtet man 
unseren Stammbaum des gestreiften Löwenmauls (Bd. I, S. 503), so 
sieht man, dass diese Rasse auch einförmig rothe Individuen umfasst, 
welche in ihrer Nachkommenschaft nicht constant sind, sondern 
wiederum theilweise gestreifte Kinder geben. Wählt man nun, durch 
irgend einen unglücklichen Zufall — und solche kommen nur zu oft 
vor, wenn nicht sehr ausgedehnte Culturen eine allseitig gesicherte 
Wahl ermöglichen — zu einem Kreuzungsversuch eine solche ein- 
farbige Pflanze, so können offenbar aus ihrer Verbindung mit einer 
weissen Varietät zu einem Theile gestreifte Kinder hervorgehen. 
Denn ihre Sexualzellen sind ja zum Theil potentiell einfarbig, zum 
Theil potentiell gestreift. 

So fand Naupıs, dass Mirabilis Jalapa Roth x Gelb nie gestreifte 
Nachkommen gab, dass aber eine rothe M. Jalapa, mit M. longiflora 
gekreuzt, theilweise gestreifte Blumen entstehen liess.! Dieser Ver- 
such ist, namentlich wegen der schönen Abbildungen auf der bei- 
gegebenen Tafel, sehr allgemein bekannt geworden. War die Mutter 
aber vielleicht eine rothblühende Pflanze aus einer gestreiften Varietät? 
Aehnliche Zweifel tauchen in anderen Fällen auf. 

Auch die vegetativen Spaltungen, welche bei Bastarden bisweilen 
auftreten (vergl. unten), wären hier zu berücksichtigen. 

Die herrschende Meinung würde, trotz dieses Mangels der empi- 
rischen Begründung, doch wohl berechtigt erscheinen, falls die ge- 
streiften Rassen sich thatsächlich wie Bastardrassen verhielten. Dem 
ist nun aber, soweit jetzt unsere Kenntnisse reichen, nicht so. Die 
im ersten Bande beschriebenen Versuche mit Clarkia und Hesperis 
und namentlich der für Antirrhinum majus luteum rubro - striatum 
(Bd. I, Tafel 7) auf S. 503 gegebene Stammbaum gestatten eine ein- 
gehende Vergleichung mit den Bastardrassen, und namentlich mit 
den Spaltungen der Menper’schen Bastarde in den auf einander 
folgenden Generationen (vergl. oben S. 164 für Papaver und S. 171 
für Solanum). Bei diesen letzten Spaltungen treten theils constante 
Rassen, theils Bastarde mit dem dominirenden Merkmal auf, bei den 
gestreiften Blumen „spalten“ sich, wenn man so sagen will, sowohl 
die gestreiften wie auch die rothen. 

Viele Versuche, sowohl bei den älteren Forschern als in meiner 
eigenen Erfahrung, lehren, dass die Streifung dem ursprünglichen 


! Naupın, Nowvelles Archives du Museum. 4. 1865. 8. 32 und $S. 34—35. 


Die Entstehung er Blumen. 517 


emigen Farbenton gegenüber ein recessives Merl ist. So 
bei Mirabilis, Antirrhinum u. s. w. Es sollten sich also nach den 
Menper’schen Gesetzen nur die einfarbigen Individuen,und. nicht die 
gestreiften in ihren Nachkommen spalten. Die ganze Frage dreht 
sich aber gerade um die Variabilität der Gestreiften; sie findet 
somit in den Menpen’schen Gesetzen keine Stütze. 

Allerdings kann man sich aushelfen mit der Hypothese, dass die 
Constanz der recessivmerkmaligen Nachkommen der Bastarde keine 
absolute sei, dass sie zwar in den ersten Generationen keine Aus- 
nahme zeige, dass aber in späteren Jahren solche dennoch vorkommen 
könnten. Diese Hypothese ist, ihrem inneren Wesen nach, unwider- 
leglich, wie es ja alle Annahmen sind, welche das Eintreten einer 
Erscheinung nach vielen Jahren, d. h. nach einigen Jahren mehr als 
der Dauer der längsten Versuche, zu Hülfe rufen. Aber einen wissen- 
schaftlichen Werth wird sie erst dann bekommen, wenn wenigstens 
in einem Falle die Annahme sich im Versuche bestätigt und dadurch 
eine feste Grundlage für Analogieschlüsse gewonnen wird.! 

Fassen wir zum Schlusse unsere Erörterungen zusammen, so 
finden wir: 


1. Viele gestreifte Rassen sind uralt; über ihren Ur- 
sprung weiss man nichts. Andere sind jünger; man kennt die 
Varietät, aus der sie hervorgingen, und das Jahr ihrer Entstehung, 
aber über das Wie liegen keine Angaben vor. 

2. Durch die Kreuzung von einfarbigen und weissen 
Sorten entstehen einfarbige Bastarde, deren Nachkommen 
theils einfarbig, theils weiss, aber nicht gestreift sind. 

3. Nur in Ausnahmefällen, welche vielleicht stets auf Versuchs- 
fehler zurückzuführen sind, entstanden aus der Kreuzung einfarbiger 
Sorten gestreifte Bastarde. Ob diese aber der Anfang gestreifter 
Rassen werden können, scheint nicht untersucht zu sein. 

4.. Die gestreiften Rassen verhalten sich nicht wie 
Bastardrassen; namentlich folgen sie den Menxper’schen Ge- 
setzen nicht. 


Stützen wir uns auf diese Erfahrungen, so erscheint die Annahme, 
dass die Streifung eine eigene elementare Eigenschaft sei, welche 
durch eine Mutation entsteht und nicht durch die Combinirung 
anderer Eigenschaften erzeugt werden kann, wenigstens als gleich- 


! DeraGE kennzeichnet die herrschende Meinung in sehr charakteristischer 
Weise, indem er darauf hinweist, dass die Bastarde zwischen Weissen und 
Negern doch keine gestreiften Neger erzeugen! L’heredite. S. 256. 


918 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen ? 


berechtigt. Und für sie spricht der Umstand, dass bei buntblätterigen 
(sewächsen dieselbe Annahme fast stets die einzig mögliche ist. Denn 
diese können offenbar nicht, oder doch jedenfalls nicht als Regel, aus 
einer Kreuzung der grünen Form mit der 4Aurea-Varietät hervor- 
gegangen sein. Dazu sind die bunten Varietäten viel zu zahlreich 
und die Aureae viel zu selten (vergl. Bd. I, S. 601 u. s. w.). 


$ 9. Die Inconstanz der Mittelrassen. 


Mit demselben Rechte wie für die gestreiften Blumen kann man 
für alle ähnliche inconstante Varietäten die Frage aufwerfen, ob sie 
vielleicht durch Kreuzung entstanden sein können. Und obgleich es 
auf diesem weiteren Gebiete ebenso wenig möglich ist, eine end- 
gültige Antwort zu geben, so lohnt es sich doch, die Frage auch 
hier einer kritischen Erörterung zu unterziehen. 

Als Mittelrassen haben wir im ersten Bande (S. 424) jene in- 
constanten Varietäten bezeichnet, welche ihre erhebliche Variabilität 
dem Antagonismus zweier inneren Eigenschaften verdanken. An dem- 
selben Ort und zu derselben Zeit können sich diese beiden nicht 
äussern, da sie einander ausschliessen. Derselbe Flecken einer 
Blüthenkrone kann nicht gleichzeitig weiss und roth sein, dasselbe 
Kleeblatt nicht drei- und fünfzählig u. s. w. Die beiden Eigenschaften 
sind somit vicariirend. Dabei hängt das Vorherrschen der einen 
oder der anderen theils von inneren, theils von äusseren Ursachen 
ab. Die Lage auf der Pflanze in Bezug auf die Periodieität in der 
Entwickelung der Organe (Bd. I, S. 638), die Wahl der Samen 
(S. 644) und der Selectionsprocess überhaupt einerseits, und anderer- 
seits die Lebenslage und die Düngung (Bd. I, S. 627) entscheiden 
jedes Mal, welche von beiden activ wird und in welchem Grade. 

Die beiden vicariirenden Eigenschaften vererben sich bei der 
Fortpflanzung in derselben Weise; die Rasse bleibt sich innerhalb der 
von diesem Antagonismus gestellten weiten Grenzen gleich. Möge 
sie auch in ihrer äusseren Erscheinung höchst variabel und inconstant 
sein, in ihrem inneren Wesen ist sie ganz constant, ebenso unveränder- 
lich wie die besten Arten und Varietäten. Und wäre es nicht ein 
allgemeiner Brauch, sie inconstant zu nennen, so thäte man wohl 
besser, sie als polymorph oder pleiomorph oder vielleicht noch besser 
einfach als dimorph zu bezeichnen. 

Es ist nach allen unseren vorhergehenden Erörterungen klar, 
dass zwischen solchen „constanten Rassen mit vicariirenden 
Eigenschaften“ und Arten im Zustande der Mutabilität nur eine 


Die Ineonstanz der Mittelrassen. 519 


ganz oberflächliche Aehnlichkeit besteht. Die letzteren bringen con- 
stante Rassen hervor, welche den Formenkreis der alten Art durch- 
breehen und sich ausserhalb dieser stellen, bei den ersteren werden 
die Grenzen thatsächlich nicht überschritten. Wir werden uns somit 
hier auf diese beschränken und einen etwa möglichen Einfluss der 
Bastardirung auf die Mutabilität für die nächstfolgenden Paragraphen 
aufbewahren. 

Die beiden vicariirenden Eigenschaften, welche zusammen ein 
Paar bilden, sind nicht ebenbürtig.. Im Gegentheil haben wir im 
letzten Abschnitt des ersten Bandes an zahlreichen Beispielen gesehen, 
dass es sich ganz gewöhnlich um den Gegensatz eines normalen und 
eines abnormalen Kennzeichens handelt. Den Staubfäden des Papaver 
somniferum gegenüber sind die Umwandlungen dieser Gebilde in 
Carpelle als Anomalie zu betrachten u. s. w. Von diesen Anomalien 
giebt es aber alle Grade, welche einerseits zu dem Extrem der 
Monstrositäten, andererseits zu ganz normalen oder doch wenigstens 
unter bestimmten Bedingungen zu normalen Eigenthümlichkeiten 
führen. Die ersteren spielen in der Natur nur selten eine wichtige 
Rolle, und heissen gerade deshalb vorzugsweise Anomalien, sie eignen 
sich aber besonders gut für experimentelle Studien. Die letzteren 
haben ın der Natur eine Rolle, welche wohl ın den meisten Fällen 
noch nicht klar erkannt ist, welche aber als Anpassungsmittel viel- 
leicht sehr allgemein eine tiefgreifende ‚Bedeutung hat. 

Auf Grund unseres Satzes der allseitigen und richtungslosen 
Mutabilität (Bd. I, S. 139) dürfen wir folgern, dass einige Eigen- 
schaften nützlich und andere unnütz oder sogar schädlich sein können. 
Bei der Entstehung eines Paares vicariirender Eigenschaften kann 
somit die zweite hinzukommende entweder nützlich oder unnütz sein. 
Im ersteren Falle betrachtet die gewöhnliche Auffassung sie als 
Anpassungserscheinung, im zweiten hat sie nur den Werth einer 
Anomalie. Wir können demnach abnormale und normale Mittelrassen 
unterscheiden, die ersteren ohne, die letzteren mit einer wesentlichen 
Bedeutung im Kampf um’s Dasein. 

Wie bereits bemerkt wurde, sind die abnormalen dem experi- 
mentellen Studium bequem zugänglich; eine Reihe von ihnen haben 
wir im ersten Bande, die tricotylen und syncotylen aber erst im vor- 
liegenden Bande behandelt. Dagegen harren die normalen Mittel- 
‚rassen der tieferen Erforschung ihres Wesens noch sehr. 

Die abnormalen Mittelrassen kommen häufig als Ziergewächse in 
unseren Gärten vor, wo sie durch die Mannigfaltigkeit ihrer Formen 
besonders anziehen. Neben den bunten Blättern, den gefüllten Blüthen 


920 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen? 


und so vielen anderen im ersten Bande erwähnten Varietäten nenne 
ich hier im Besonderen die sogenannten kammförmigen Farne (Fig. 93). 
Man kennt sie von sehr zahlreichen Arten, und je nach der speciellen 
Natur der normalen Blattverzweigung geben sie andere Bilder. Sie 
entstehen, wie unsere Figur zeigt, im Wesentlichen durch wiederholte 


Fig. 92. Gespaltene Blätter 

wildwachsender Farne. A Po- 

lystichum eristatum. B Poly- 

podium vulgare. Beide 1886 bei Fig. 93. Blätter von Microlepis hirta cristata, einer 
’s Graveland gefunden. kammförmigen Gartenvarietät. 


(abelung der Blattachse, sei es der Hauptachse, sei es der einzelnen 
Fiederblättchen (Fig. 93 5) oder beider. Je nach den Arten und 
Gattungen sind die Spaltungen tiefer und zahlreicher, weichen die 
Gabeläste mehr oder weniger auseinander und entwickeln sie schmälere 
oder breitere Spreiten, dadurch oft zu einer krausigen Zusammenfügung 
des Ganzen führend. Bei schlechter Cultur, oder bei ungenügender 


Die Inconstanz der Mittelrassen. 521 


Beleuchtung im Zimmer oft kaum ausgebildet, können sie bei guter 
Behandlung zum schönsten Schmuck unserer Farnhäuser werden. 
Die ihnen entsprechenden Halbrassen sind bei uns, sowohl im Freien 
als in den Gewächshäusern, nicht allzu selten und äussern sich meist 
durch einfache Gabelungen des Blattes (Fig. 92 A und B).! 

Sehr wichtige Mittelrassen bilden ferner verschiedene Fälle von 
Verbänderungen und Zwangsdrehungen. Sie sind wohl die schönsten 
und bequemsten Beispiele, um das gegenseitige Verhalten der beiden 
vicarirenden Kennzeichen sowohl experimentell als statistisch, und 
namentlich in Bezug auf die Erblichkeit zu studiren, und sollen aus 
diesem Grunde in den beiden nächsten Kapiteln dieses Abschnittes 
ausführlich geschildert werden. Diese Rassen sind innerhalb ihrer 
Grenzen völlig constant, ihr Formenkreis umfasst aber einerseits 
äusserst stark missgebildete und andererseits anscheinend völlig nor- 
male Individuen mit allen Zwischenstufen. Aber sowohl die monströsen 
wie die normalen vererben auf ihre Kinder nicht ihr specielles Merk- 
mal, sondern den ganzen Formenreichthum der Rasse. Sie verhalten 
sich wie die Tricotylen und die Syncotylen, welche wir im zweiten 
Abschnitt studirt haben. 

Das Zahlenverhältniss der abnormalen und der normalen Indi- 
viduen innerhalb dieser Mittelrassen ist wesentlich von der Lebens- 
lage und von der Selection abhängig und zeigt sich dementsprechend 
in verschiedenen Rassen in sehr verschiedener Weise. Ob daneben 
auch tiefer begründete Differenzen vorhanden sind, muss einstweilen 
dahingestellt bleiben. Als eine besonders constante Rasse, in der 
die Anomalie im höchsten Grade vorwaltet, lernten wir im ersten 
Bande (S. 471, Fig. 131) Melilotus coerulea monophylla kennen. Doch 
gelang es mir auch bei dieser, durch frühzeitiges Beschneiden, Zweige 
mit ausschliesslich oder doch vorwiegend atavistischen Blättern 
(d. h. mit drei freien Spreiten) hervorzurufen. Von da bis zu den 
gestreiften Blumen könnte man eine lange Stufenleiter von ver- 
schiedenen Graden der Variabilität innerhalb des doppelten Formen- 
kreises aufstellen. 

Bei einiger Ausdauer oder bei künstlichem Eingreifen mittelst 
des Beschneidens ist es meist leicht, eine ganze Reihe von Ueber- 
sangsformen zusammenzustellen, wie bei den Ascidien (Fig. 94) und 


! Beispiele in RABennuorst, Kryptogamenflora, ferner A. GEHEEB», Ueber dicho- 
tome Wedelbildung bei Polypodium vulgare. Allgem. botan. Zeitschr. Jahrg. 1901. 
Nr. 4. S. 61—62. Botan. Centralbl. 1901. Nr. 23. S. 324. Dort auch Aspidium 
lobatum und Blechnum Spicant. 


522 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen? 


den Synfisen (Fig. 95), wo die Verwachsungen ganz geringe sein oder 
bis oben hinauf reichen können. Ich verzichte aber auf die Anführung 
weiterer Beispiele. Sie zeigen alle ein Hin- und Herschwanken 
zwischen zwei Typen, 
dem normalen und 
demjenigen der Ano- 
malie, wobei die Ueber- 
gangsstufen meist auf- 
fallend seltener sind 
als die typischen Mon- 
strositäten, alsoBlätter 
wie Fig. 94e, viel sel- 
tener als a—d, voll- 
ständige Adnationen 
wie Figur 95 B ge- 
wöhnlicher als gerin- 


Fig. 94. Magnolia obovata. Becherbildungen der Blätter. eere (4) u.8s.w. Man 
a—d ganze Ascidien, 5 nur die obere Hälfte des Blattes ” { 
becherförmig. 


könnte die Rassen aus 
diesem Grunde viel- 
leicht noch besser 
Doppelrassen als 
Mittelrassen nennen. 
Ueberall handelt es 
sich offenbar um zwei 
sich gegenseitig aus- 
schliessende, also vi- 
cariirende oder anta- 
gonistische innere Ei- 
genschaften. 

Ueber die normalen 
Mittelrassen liegen ein- 
gehende Untersuchun- 
gen noch kaum vor, 
wenigstens nicht ın 
dem hier gewählten 


Sinne Sie würden 
2 gr . 1 a ER - S Sur “ ar n ß 
Fig. 95. _Bidens leucantha. Syufise eines ebEelspruBsen vermuthlich beim sta# 
an dem Tragspross, vom Tragblatte 5 eine Strecke auf- 75% 3 
wärts bis a. tistischen Studium 


sich gleichfalls als 
dimorph, also mit zweigipfeliger Öurve, erweisen. Von der extremen 
Dimorphie der Landblätter und Schwimmblätter des Polygonum 


I. 1 
N 


Die Inconstans der Mittelrassen. 523 


amphibium! bis zu den Landformen von Batrachium und anderen Typen 
dürfte es eine Reihe hierher gehöriger Zwischenformen geben. Die 
ausserordentliche Variabilität, welche den Alpenpflanzen gestattet, im 
Flachlande ein ganz anderes Gepräge anzunehmen, würde sich viel- 
leicht bei statistischem Studium als eine dimorphe erweisen. Ich 
erinnere an die im ersten Bande beschriebenen Untersuchungen 
Bonnzer’s (Bd. I, S. 102, Fig. 29). Auch die Untersuchungen Stans 
über Licht- und Schattenblätter (Bd. I, S. 101), sowie diejenigen von 
GAUCHERY über die Zwerggestalt vieler Pflanzen auf unfruchtbarem 
Boden (Bd. I, S. 256) wären hier zu erwähnen. Sehr wichtig sind 
in dieser Beziehung auch die neueren Untersuchungen Bırrer’s über 
die Variabilität der Laubflechten und über den Einfluss äusserer 
Bedingungen auf ihr Wachsthum.” Doch darf ich auf dieses reiche, 
der statistischen Bearbeitung noch vielseitig harrende Material hier 
nicht weiter eingehen. Erst weitere Untersuchungen müssen zeigen, 
ob hier einfache oder zweigipfelige Variationscurven vorliegen. 

Die beiden inneren Anlagen, welche die vicariirenden oder anta- 
gonistischen Eigenschaften bedingen, denke ich mir im Innern der 
Pflanze derart neben einander gestellt und gegenseitig verbunden, 
dass beide in verschiedenem Grade, aber in gleichem Sinne, von der 
Ernährung und der Lebenslage beeinflusst werden. Die Anomalie 
erscheint als höchst variabel, die entgegengesetzte normale Eigen- 
schaft als äusserst stabil. Jene wird von, günstigen und ungünstigen 
Einflüssen stark, diese nur sehr wenig berührt. Wird die erstere 
durch schlechte Lebenslage herabgedrückt, so bekommt die letztere 
das Uebergewicht, und in dieser Weise erklärt sich die im ersten 
Bande ausführlich begründete Regel, dass eine gute Ernährung 
die Anomalie begünstigt (Bd. I, S. 627). 

Die obigen Auseinandersetzungen hatten nur zum Zweck, den 
Lesern das Bild der inconstanten Varietäten oder Mittelrassen wieder 
in Erinnerung zu bringen, um daran eine Discussion der Frage 
nach der Möglichkeit ihrer Entstehung durch Bastardirung knüpfen 
zu können. Wo die Mittelrasse wirklich eine Zwischenform zwischen 
zwei existirenden constanten Typen ist, wie die bunten Blüthen 
zwischen zwei einfarbigen Sorten, liegt diese Vermuthung auf der 
Hand und beansprucht eine analoge Erörterung, Und wo, wie 


1 J. Massart, L’accomodation individuelle chez Polygonum amphibium. Bull. 
Jard. Bot. Bruxelles. 1902. I, 2, 8.1. 

2 Geore Bitter in Jahrbücher für wiss. Bot. XXXVI. Heft 3. 8. 421—492, 
Tafel VIIT—XII. 1901. 


524 Können durch Krous ey inconstante Rassen Reh 


es Ja meistens a Fall ist, nur eine von den ak Grenzrassen 


wirklich besteht, da fragt es sich, in wie weit sich die angedeutete 
Auffassung mit weiteren Hülfshypothesen behelfen kann. 

Ich knüpfe die Discussion dieser Frage zunächst an ein be- 
stimmtes Beispiel an und wähle dazu den oben (S. 100) bereits vor- 
geführten Fall der Oenothera eruciata varia, welche als das Ergebniss 


einer Kreuzung von Oenothera eruciata Nurr. und O. muricata L. mit 


einem gewissen Grade von Wahrscheinlichkeit aufgefasst werden kann. 
Ich werde übrigens, in Ermangelung der Möglichkeit einer unmittel- 


baren Bastardirung der beiden vermuthlichen Eltern, die Inconstanz 


der ©. erue. varia sowie die Uebertragung dieser Inconstanz durch 
Kreuzung auf andere Arten unten in einem besonderen Kapitel aus- 
führlich schildern (vergl. diesen Abschnitt, Kap. VI, 8 21-31). 


Die Oenothera eruciata Nvrr. hat kleine linealische Petalen und 


steht systematisch inmitten einer Gruppe von Arten mit breiten, 
umgekehrt-herzförmigen Blumenblättern, von denen sie ohne Zweifel 
abstammt. Die amerikanischen Floren beschreiben von ihr keine 


andere Form; dagegen kommt in den europäischen botanischen Gärten 


eine Form vor, welche bisweilen beide Typen von Petalen trägt. 


Meist getrennt auf verschiedenen Individuen, bisweilen vereinigt auf 
derselben Pflanze oder sogar auf demselben Ast. In diesem Falle 
kommen oft Zwischenstufen vor, und es ist leicht, eine ununterbrochene 


Reihe von solchen zwischen den beiden Extremen zusammenzusuchen. 
Die umgekehrt-herzförmigen Petalen gleichen völlig denen der O. muri- 
cata L., welche auch dieselbe Grösse haben. 

Es entsteht nun die Frage, wie die europäische Form aus der 
amerikanischen entstanden ist? Ich setze dabei voraus, dass beide 
nicht etwa identisch sind, d. h. also, dass die letztere nicht dieselbe 
Variabilität hat wie die erstere. Diese Voraussetzung gründet sich 
auf die Beschreibung in den Floren; ist sie unrichtig, so wird unsere 
Frage auf den Ursprung der Oen. crueiata selbst verschoben. 

Die Antwort auf unsere Frage kann eine zweifache sein. Erstens 


kann die Umwandlung unmittelbar, d. h. ohne Hülfe einer anderen 


Art, vor sich gegangen sein, und zweitens könnte sie das Ergebniss 
einer Kreuzung darstellen. Ich habe im ersten Abschnitt dieses 
Bandes (S. 100 ff.) die Gründe besprochen, welche, abgesehen von den 
Petalen, im letzteren Falle die O. muricata als vermuthlichen zweiten 


Elter annehmen lassen, und kann mich also hier völlig auf die Blumen- | 


blätter beschränken. 


Hätte die Umprägung unmittelbar stattgefunden, so müsste sie | 


nach unserer Auffassung eine Mutation gewesen sein. Man müsste 


Die Inconstanz der Mittelrassen. 525 


dann annehmen, dass in der O. erueiata die von den Vorfahren ererbte 
latente Eigenschaft der breiten Kronenblätter durch irgend eine Ur- 
sache semilatent geworden wäre (Bd. I, S. 424), und dass in dieser 
Weise die Mittelrasse entstanden sei. Der Vorgang würde dann zu 
dem ebendaselbst (S. 461) beschriebenen Typus der degressiven Art- 
bildung gehören und in der Entstehung von COhrysanthemum_ segetum 
plenum und so vielen anderen Gartenvarietäten ein volles Analogon 
finden. 

Wäre die Umbildung das Resultat einer Kreuzung, so könnte sie 
wohl nicht als die unmittelbare oder regelmässige Folge dieses Processes 
betrachtet werden. Denn nach unseren Darlegungen im zweiten Ab- 
schnitt dieses Bandes (S. 146) folgen latente Eigenschaften bei ihren 
Kreuzungen mit den entsprechenden activen Eigenschaften den MEnDEr- 
schen Gesetzen, und diese führen nicht zu inconstanten Bastardrassen. 
Wenden wir diese Gesetze auf unseren Fall an, so müssten die 
Petalen von O. muricata das dominirende und diejenigen von O. eru- 
ciata das recessive Merkmal sein, und dieser Voraussetzung ent- 
sprechen die unten zu beschreibenden Hybridisirungsversuche durch- 
aus. Aber nicht die erste Generation entscheidet, sondern die zweite. 
Was diese lehrt, werden wir am Schlusse dieses Abschnittes sehen, 
so weit jetzt die Erfahrung reicht. Hauptsache wird es dabei sein, 
dass sie nicht zu einer Erklärung der Entstehung einer Mittelrasse 
als Folge der Kreuzung leiten. 

Nimmt man die Gültigkeit der Menper’schen Gesetze für diesen 
Fall nicht an, und betrachtet man die fragliche Kreuzung als eine 
unisexuelle, so müsste die Bastardrasse dennoch eine constante sein. 
Auch die Analogie mit den ditypen Bastarden, d. h. solchen, in denen 
die Prävalenz eine schwankende ist (S. 48), wie bei einigen Fheracium- 
Hybriden Menper’s und den Mischlingen von Oenothera Lamarekiana 
mit einigen verwandten Arten (S. 86) führt noch nicht zu inconstanten 
Rassen. Es scheint überhaupt sehr fraglich, ob für diese Annahme 
bestimmte, völlig sichergestellte und hinreichend ausführlich unter- 
suchte Fälle als Stützpunkte angeführt werden können. 

Man kann schliesslich die Hülfshypothese aufstellen, dass die 
Mexver’schen Spaltungen im inneren Wesen der Pflanze keine ab- 
soluten sind, wie sie es uns zu sein scheinen, und dass entweder stets 
oder doch bisweilen in den Nachkommen der Bastarde, in denen die 
Merkmale wiederum einseitig geworden sind, ein Rest der anta- 
gonistischen Eigenthümlichkeit übrig bleibt. Dieser Rest würde 
dann, als latente innere Eigenschaft, gelegentlich wieder semilatent 
oder sogar activ werden können. Wie dieser letztere Process zu 


>26 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen? 


denken wäre, ob er den Gesetzen der degressiven Mutationen unter- 
worfen wäre oder einen ganz neuen Typus darstellen würde, das 
wissen wir nicht, und es fehlen vorläufig alle Anhaltspunkte zu einer 
üntscheidung. 

Ebenso könnte man für die constanten Rassen der unisexuellen 
Kreuzungen vermuthen, dass die Constanz keine absolute sei und 
dass nach einer Reihe von Generationen die im Bastard verbundenen 
elterlichen Merkmale sich trennen können. Auch dieser Gedanke 
liesse sich weiter ausmalen, doch fehlen einstweilen die empirischen 
Kenntnisse, welche erforderlich wären, um die nicht zutreffenden 
Alternativen auszuschliessen. 

Nur eine ziemlich complicirte Reihe von Möglichkeiten 
könnte zu einer schematischen Vorstellung der Entstehung 
einer Mittelrasse aus der Kreuzung zweier constanter Rassen 
führen. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, doch ist 
die Wahrscheinlichkeit keine grössere als diejenige der 
Hypothese einer directen Mutation.! 

Bei den obigen Erörterungen wurde die Existenz der beiden 
constanten Grenzvarietäten vorausgesetzt, zwischen denen die zu 
erklärende Mittelrasse schwankt. Diese Fälle sind aber verhältniss- 
mässig sehr selten; die petalomanen Blüthen und die Aurea-Varie- 
täten in ihrer Beziehung zu den petaloidisch-gefüllten Blumen und 
den bunten Blättern wurden mehrfach besprochen (Bd. I, S. 424). 
Für Verbänderungen und Zwangsdrehungen? kennt man die betreffende 
constante Rasse aber nicht, ebenso wenig für Ascidien (Fig. 94, S. 522), 
Adnationen des Achselsprosses an den Tragspross (Fig. 95, S. 522), 
Polycephalie, Monophyllie, Catacorolla, Trieotylie und Syneotylie, 
Pleiophyllie wie beim Klee, zu stark verzweigte oder durchwachsene 
Inflorescenzen (Bd. I, Fig. 179, S. 634), Bracteomanie (Fig. 96 u. 97), 
Viviparie und zahlreiche andere im Laufe unserer Besprechungen 
gelegentlich erwähnte Mittelrassen. 

In diesen Fällen lässt die erwähnte Annahme der Entstehung 
der Mittelrassen durch Kreuzung zweier constanter Formen offenbar 
im Stich. Und da sie weitaus die zahlreichsten sind, verliert die 
Hypothese dadurch fast jeden Werth, und jedenfalls den grössten 
Theil ihrer Bedeutung. Ist man für diese Beispiele gezwungen eine 
Entstehung durch Mutation anzunehmen, so gilt die Annahme 
offenbar ebenso gut für die Mittelrassen mit constanten Grenzrassen. 


! Vergl. auch Bd. I, S. 428 sub 6. 
? Vergl. unten die ausführliche Darstellung in den beiden vorletzten Kapiteln 
dieses Abschnittes. 


Die Inconstanz der Mittelrassen. DR 


Es giebt allerdings noch eine letzte Hülfshypothese, welche man 
anführen könnte. Sie schliesst sich an den Satz an, dass neue Arten 
als Bastarde entstehen (siehe oben $ 7, S. 503). Ich meine als 
Bastarde zwischen einer mutirten und einer normalen Sexualzelle. 
Nimmt man nun an, dass buntblätterige Gewächse nur durch Kreu- 
zung der goldgelben Varietät und der grünen Art entstehen können, 
so könnte man für die zahlreichen Fälle, dass die erstere unbekannt 


Fig. 96. Plantago major rosea, eine Fig. 97. Plantago major bracteata, eine 
bracteomane Mittelrasse aus den Culturen wildwachsende bracteomane Halbrasse. 
der botanischen Gärten. A gedrungene, Beide Rassen (Fig. 96 u. 97) beruhen auf 
B gestreckte Form der Aehre. In den theilweiser Verlaubung der Bracteen, 
Achseln der laubartigen Bracteen stehen namentlich im unteren Theile der Aehre. 

die Blüthen. a a Blüthen in den Achseln der Bracteen. 


ist, entweder annehmen, dass sie ausgestorben wäre, oder dass sie 
nur als mutirte Sexualzelle bestanden hätte. Ersteres ist oftenbar, 
namentlich bei dem grossen gärtnerischen Werthe solcher Varietäten, 
sehr unwahrscheinlich, letzteres würde die Entstehungsweise aber der 
Beobachtung entziehen, und bedarf somit einer weiteren Erörterung. 
Diese schliesst sich ganz an die Entstehungsweise meiner neuen 
Oenotheren an. Diese können, wie wir gesehen haben, durch die 
Verbindung einer mutirten Sexualzelle mit einer normalen entstehen, 


528 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen 


und da die Mutationen so selten sind, dass sie das Zusammentreffen 
zweier mutirten Zellen äusserst unwahrscheinlich machen, so scheint 
diese Annahme wohl berechtigt zu sein. Nehmen wir nun an, dass 
irgend eine Art derart mutabel geworden ist, dass sie durch Mutation 
Sexualzellen für die goldgelbe Varietät hervorbringt. Diese werden 
sich dann mit potentiell grünen Sexualzellen verbinden. Macht man 
nun die weitere Annahme, dass aus dieser Verbindung buntblätterige 
Gewächse entstehen, so wäre eine Erklärung für diese gefunden. Nur 
ist es sehr fraglich, ob die Bastarde Grün x Aurea wirklich bunt 
sein würden; sind sie es nicht in der Regel, sondern nur aus- 
nahmsweise, oder vielleicht nur bei wiederholter Kreuzung wie z.B. 
Grün x Goldgelb x Grün, so würden die Schwierigkeiten der Hypothese 
sich derart häufen, dass es sich kaum lohnen würde, sie aufrecht zu 
halten. 

Im Ganzen und Grossen folgern wir also, dass die vorhandenen 
Kenntnisse keine Beweise und keine Analogien für die Ent- 
stehung von Mittelrassen durch Kreuzung constanter Typen 
liefern, dass sie aber auch nicht ausreichen, diese Hypothese 
endgültig zu widerlegen. Aber in weitaus den meisten Fällen 
ist sie wenigstens so unwahrscheinlich, dass eine unmittelbare 
Umprägung durch Mutation sich ak die einfachzge Erklä- 
rungsweise darstellt. 


$ 10. Zufällige Mutationen. 


Eine vielfach ventilirte Frage ist diejenige nach dem Einflusse 
der Bastardirung auf stossweise Artumbildungen und auf die Ent- 
stehung neuer Varietäten. Dass diese Frage eine zweifache ist, 
dürfte aus dem Vorhergehenden klar geworden sein. Sie betrifft 
erstens die Gewinnung neuer Combinationen bereits vorhandener 
Eigenschaften, dann aber die Möglichkeit der Ausbildung neuer 


elementarer Anlagen.” Die Hervorrufung neuer Combinationen ist 


Thatsache, und wurde bereits oben ausführlich behandelt; sie soll 
von unserer jetzigen Besprechung durchaus ausgeschlossen werden. 
Nur sei bemerkt, dass der Mangel der richtigen Unterscheidung von 
Combinationen und von einheitlichen Merkmalen wohl die grösste 
Quelle der auf diesem Gebiete herrschenden Verwirrungen ist. 

Die Frage, ob bei Kreuzungen neue elementare Eigenschaften 
entstehen können, ist zwar eine sehr beliebte, aber keineswegs eine 


1 Vergl. Bd. 1, 8. 461. 


Zufällige Mutationen. 529 


scharf formulirte. Nach der herrschenden Auffassung! finden die 
Mutationen überhaupt, wenigstens in der grossen Mehrzahl der Fälle, 
bei der generativen Vermehrung statt. Wenn nun nicht gerade die 
Kreuzung einen nachtheiligen Einfluss auf diesen Vorgang haben 
sollte, so müssen sie bei Bastardirungen mindestens etwa ebenso häufig 
sein, wie bei der normalen Befruchtung. Und da man viel eher an- 
zunehmen geneigt sein wird, dass die Verschiedenheit der Eltern für 
etwa mögliche Umprägungen günstig ist, so liegt es auf der Hand, 
anzunehmen, dass Bastarde zu Mutationen etwas mehr geneigt sind 
als normale Pflanzen (Bd. I, S. 461). 

Damit ist aber offenbar nicht viel gewonnen. Mutationen sind 
viel zu seltene Erscheinungen, um auf statistischem Wege zu einer 
Entscheidung zu gelangen, ob sie nach Kreuzungen etwas mehr vor- 
kommen als nach gewöhnlichen Befruchtungen. Wäre der Unterschied 
ein auffallender, so wäre für eine solche Entscheidung noch immer- 
hin Aussicht vorhanden. Dem ist aber gewiss nicht so. In der 
gärtnerischen Praxis mag es diesen Anschein haben; das beruht aber 
nur darauf, dass in den polymorphen Gattungen die Kreuzungen nun 
einmal die Regel sind. Was ohne sie erreicht werden kann, weiss 
man nur in seltenen Fällen.” Soweit die wissenschaftlichen Erfah- 
rungen reichen, scheint die Aussicht auf Mutationen bei Kreuzungen 
nicht wesentlich grösser zu sein, als bei der sexuellen Verbindung 
von Art- oder Varietätsgenossen. Bei meinen Versuchen mit Oenothera, 
wo die Mutabilität eine auffallend grosse ist, müsste ein solcher 
Unterschied sich wohl am ersten nachweisen lassen. Ich habe darauf 
besonders geachtet, und im ersten Bande S. 211 die betreffenden 
‚Zahlen zusammengestellt. Das Ergebniss war aber, dass das Muta- 
tionsvermögen ungefähr dasselbe war, wie in den reinen Familien 
meiner O. Lamarckiana. Auch die Nachkommenschaft der Bastarde 
verhielt sich in diesen Beziehungen nicht anders.® 

Nur in einem einzigen Falle habe ich nach einer Kreuzung eine 
unerwartete Mutation auftreten sehen. Es war dieses im Jahre 1900, 
als die Bastarde von O. eruciata varia und ©. biennis plötzlich in 
grösserer Zahl bunt waren (oben S. 102). Ebenso vereinzelt stehen 
- die übrigen, im ersten Abschnitt 85 bei der Variabilität der Bastarde 
(S. 46) vorgeführten Beispiele da. Alles spricht dafür, dass die Förderung 


! Doch komme ich im letzten Abschnitt hierauf zurück. 
? Z. B. bei COyclamen latifolium, vergl. W. T. Tuıserron Dyer, Proceed. 
Roy. Soc. Vol. LXI, Nr. 371. 8. 135. 
® Vergl. auch im vorliegenden Bande den Paragraphen über Mutationen 
nach Kreuzungen (Abschnitt III, S 8, S. 425). 
DE VRIES, Mutation. II. 34 


330 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen? 


der Mutabilität durch Bastardirung höchstens eine sehr neben- 
sächliche Bedeutung hat. 

Die erwähnte Beobachtung schliesst sich an ähnliche ältere, oben 
bereits gelegentlich eitirte Fälle an. Zunächst an das bekannte Beispiel 
von KnıGHT, der aus einer künstlichen Kreuzung von einem weissen 
Chasselas und einem weissen Frontignan mit der Aleppo-W eintraube 
Samen erhielt, aus denen Stöcke mit panachirten Blättern hervor- 
gingen.” In ähnlicher Weise sollen buntblätterige Tulpen und 
Georginen entstanden sein. Auch an die von HıLDEBRAND beobachteten 
Fälle von partiellen Farbenvariationen in den Blüthen eines Oxalis- 
Bastardes sei erinnert (oben $ 6, S. 51), sowie an andere ebendaselbst 
genannte Beispiele. Die hohe Seltenheit dieser Erscheinungen macht 
es aber überall wahrscheinlich, dass die Kreuzung nicht als die 
Ursache der aufgetretenen Abweichungen anzusehen ist. 

Eine andere, gleichfalls sehr geläufige Hypothese nimmt an, dass 
Bastardrassen in ihren späteren Generationen mehr zu stossweissen 
Aenderungen ihres Gepräges geneigt seien, als normale Arten oder 
Varietäten. Wo diese Annahme sich auf Thatsachen stützt, handelt 
es sich wohl meist um Mrxper’sche Bastardrassen, in denen die 
Spaltungen nach den erörterten Gesetzen vor sich gehen, ohne dass 
dabei aber wirklich neue elementare Merkmale entständen. Aber die 
Frage lässt sich auch umkehren. Es handelt sich dann um die 
Fälle, in denen thatsächlich eine Sorte aus einer anderen hervorge- 
gangen ist, und um die Möglichkeit, dass dabei die ältere vielleicht 
eine Bastardrasse sei, und dem zufolge die neue hervorbringen könnte. 
Die Hypothese ist eine vage, und sogar in ihrer Anwendung auf 
bestimmte Fälle kaum einer Discussion fähig, namentlich da sie sich 
weder über den vermuthlichen zweiten Elter, noch über die Beziehung 
der neuen Varietät zu diesem klar ausspricht. Sie erinnert stark an 
die im Anfang dieses Abschnittes besprochene Meinung Linnt’s, 
deren Charakteristik ja namentlich in einer gewissen Freiheit in der 
Wahl des hypothetischen Vaters lag. 

Es sei deshalb gestattet, ihre Discussion an eins der bekanntesten 
Beispiele Liss®’s anzuknüpfen. 

Die älteste specielle Frage nach der Entstehung neuer Formen 
durch Kreuzung ist wohl die bereits im ersten Bande (S. 564) be- 
sprochene Meinung Lıxnt’s, dass die Linaria vulgaris peloria ein 
Bastard zwischen der normalen Art und irgend einer Pflanze mit 


! Knıcut, Transact. Soc. Linn. London. 1X, p. 268. pE Canporıe, Physio- 
logie vegetale. II, p. 734. 


Zu Bee M ulationen. 531 


radial-sy easchen Blumen sein Dr De V an findet 
jetzt wohl keine Anhänger mehr. Dagegen knüpft sich an sie die 
andere Frage, ob vielleicht die L. vulgaris hemipeloria ein Bastard von 
der Peloria und der normalen Art ist, und ob die im ersten Bande 
beschriebenen Mutationen dieses Merkmales also vielleicht als Bastard- 
spaltungen aufgefasst werden können. 

Wäre die Hypothese richtig, so würde sie sich auf alle Halb- 
rassen ausdehnen lassen, und überall die Entstehung oder doch 
wenigstens die wiederholte Entstehung von Mittelrassen aus solchen 
in das Gebiet der Bastardirungserscheinungen zurückweisen. 

Allerdings bliebe das erste Auftreten jeder einzelnen Mittelrasse 
von dieser Erklärungsweise ausgeschlossen. Und wenn die erste 
Umprägung nur auf einer Mutation beruhen kann, ist nicht einzusehen, 
weshalb dieser Vorgang sich nicht von Zeit zu Zeit a wiederholen 
können. 

Wo zwischen constanten Varietäten und den en 
Art-Typen eine Halbrasse als Zwischenform vorkommt, würde sich 
offenbar dieselbe Fragestellung behandeln lassen. 

Unsere Discussion spitzt sich also derart zu, dass wir fragen, 
ob das wiederholte Auftreten einer und derselben Varietät oder 
Unterart aus einer Art bezw. aus der entsprechenden Halbrasse, als 
wiederholte Mutation, oder als Bastardspaltungen in Folge der 
Kreuzung dieser mit einer anfänglichen Mutation aufzufassen ist. 

Die erstmalige Mutation können wir uns aber denken als eine 
reale, in einem oder mehreren Individuen vertretene und eine vorüber- 
gehende Rasse bildende, oder, entsprechend unserem u 7 (S. 503), 
nur als mutirte Sexualzelle. 

Die wiederholte Entstehung derselben Varietät aus einer Art 
scheint eine ganz allgemeine Erscheinung zu sein. Sie pflegt als 
polyphyletischer Ursprung angedeutet zu werden. Für die 
Linaria vulgaris peloria haben meine Beobachtungen den unmittelbaren 
Beweis geliefert, und habe ich durch Betrachtung der geographischen 
Verbreitung in Verbindung mit der Sterilität die mehr allgemeine 
Gültigkeit des Satzes dargethan. Auch im Gartenbau sind Wieder- 
holungen derselben Abweichung überaus bekannt, sie haben dazu 
geleitet, die Fälle, in denen eine neue Varietät zum ersten Male 
auftritt, als Conqueste zu bezeichnen (Bd. I], S. 523). 

Ich schliesse hier selbstverständlich die wiederholte Entstehung 
einfarbig blühender Exemplare aus gestreiften Varietäten aus. Diese 
bilden zwar in gewissem Sinne eine Rasse und können auch als 


inconstante Halbrasse bezeichnet werden (Bd. I, S. 505), verhalten 
34* 


592 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen? 


sich aber anders als die constanten Halbrassen, welche jetzt den 
Gegenstand unserer Erörterung bilden. Sie stellen eigentlich nur die 
extremen Varianten der dimorphen Variabilität, d. h. des doppelten 
Merkmales vor. Sie sind in dieser Beziehung den sogenannten 
Atavisten der Mittelrassen, namentlich der zwangsgedrehten und ver- 
bänderten Rassen an die Seite zu stellen, welche ja auch, durch die 
auffallend andere Tracht, einer anderen Rasse anzugehören scheinen. 
Aber ihre Nachkommenschaft lehrt, dass sie nicht aus dem Verbande 
der Mittelrasse ausgetreten sind, dass sie die Grenze dieser Rasse 
nicht durchbrochen haben. Gerade die Thatsache, dass beide Rassen 
jährlich und wohl in den Nachkommen eines jeden Individuums in 
einander übergehen können, beweist ihre völlige Zusammengehörigkeit. 
Solche jährliche Uebergänge dürfen nicht mit den echten Mutationen, 
welche die constanten Halbrassen von den Mittelrassen trennen, ver- 
wechselt werden.! 

Die polyphyletische Entstehung von Varietäten im Freien ergiebt 
sich aus ihrer geographischen Verbreitung. Am besten untersucht 
sind wohl die weissbeerigen Bricaceen und Vaceinieen, denen ASCHERSON 
und Magnus eine ausführliche Studie gewidmet haben.” Mit Ausnahme 


von Arctostophylos alpina L. kennt man von sämmtlichen Beeren-tragenden 


Arten hellfrüchtige Varietäten; diese sind oft selten, oft sehr weit 
verbreitet, namentlich von der Heidelbeere (Vaceinium Myrtillus). 
Die Verbreitung ist keine gleichmässige, sondern es lassen sich 
Gebiete bezeichnen, in denen sich die Fundorte in besonderer 
Dichtigkeit anhäufen. In solchen Gebieten sind nicht nur die einzelnen 
Localitäten zahlreich, sondern es wurde daselbst auch die Varietät 
in einer grossen Zahl von Stöcken nachgewiesen. In den einzelnen 
Gebieten dürfte eine gemeinschaftliche Abstammung zumeist sehr 
wahrscheinlich sein, ob man aber jede hellfrüchtige Varietät auf 
einen einfachen Ursprung zurückführen kann, scheint mehr als frag- 
lich. Dazu sind sie meist zu selten und die Entfernungen zu gross. 
Viel natürlicher erscheint die Annahme eines polyphyletischen Ur- 
sprunges. 


Aber in wiefern dieser durch die Hypothese einer Bastardirung 


' Es würde sich vielleicht empfehlen, die Bezeichnung Halbrasse in diesen 
Fällen durch den Ausdruck atavistische Rasse zu ersetzen oder ganz fallen zu 
lassen. Vergl. auch Bd. I, S. 563—564. 

® P. Ascuerson und P. Masnus, Die Verbreitung der hellfrüchtigen Spielarten 
der europäischen Vaceinien. Verhandl. k. k. Zool. bot. Ges. Wien, 1891. S. 677 
und Berichte d. d. bot. Ges. 1889. Bd. VII, Heft 10. 


Die Kreuzung als Ursache von Atavismus. 599 


unserem Verständniss näher geführt werden kann, leuchtet nicht ein. 
Vielmehr scheint mir diese die ohnehin vorhandenen Schwierigkeiten 
nur noch zu vermehren. 


$ 11. Die Kreuzung als Ursache von Atavismus. 


Atavismus umfasst so zahlreiche und so weit aus einander gehende 
Erscheinungen, dass die Discussion einer möglichen Förderung durch 
Bastardirung nothwendiger Weise eine Trennung der einzelnen Vor- 
gänge erfordert. 

Nach den ausführlichen und im Laufe dieses Buches mehrfach 
citirten Darstellungen von GoEBEL und vielen anderen Forschern 


Fig. 98. Sium latifolium. AB untergetauchte Blätter, © D Uebergänge zu den Luft- 
blättern, Z ein normales Stengelblatt. 


bilden die Jugendzustände vieler Pflanzen vielleicht den schönsten und 
am besten gesicherten Fall einer Wiederholung vorelterlicher Eigen- 
schaften. Die Beispiele sind so zahlreiche, dass ich nur auf die 
Untersuchungen von REINKE, BEISSNER, BEYERINCK u. A., sowie auf 
die Lehrbücher der Biologie zu verweisen brauche; ich ziehe es vor, 
durch Vorführung eines sehr klaren Einzelfalles die Bedeutung der 


welche inmitten der Umbelliferen mit doppeltgefiederten Blättern 
nur einfach pinnate Blätter tragen (namentlich S. latifolium, Fig. 98 E 
und B. angustifolia). Sie stammen also offenbar von diesen ab und 
bekunden diese Beziehung in ihrer Jugend, sowohl der Individuen 
wie der einzelnen Sprosse, indem die untergetauchten Blätter sehr 
fein geschlitzt sind, während die späteren allmählich in die Luftform 
übergehen (Fig. 98 4—D). 

Einen zweiten Fall von Atavismus bilden diejenigen Organe der 
inconstanten oder Mittelrassen, welche das Gepräge der Mutterart 


Fig. 99. Robinia Pseud - Acacia mono- Fig. 100. Frazxinus Ornus monophylla. 
phylla. _A einfaches Blatt, BC ata- A Zweig mit einscheibigen Blättern, 
vistische Blätter. B C Uebergänge zu gefiederten Blättern. 


mehr oder weniger genau wiederholen. Auch davon habe ich die 
Beispiele bereits mehrfach zusammengestellt! und kann ich mich hier 
also auf einen einzigen Fall beschränken. Ich wähle die Monophyllie 
und gebe in Fig. 99 und 100 die Abbildungen monophyller Blätter 
von KRobinia Pseud- Acacia monophylla und Fraxinus Ornus monophylla 
nebst Uebergängen zu den normalen gefiederten Blättern dieser Bäume. 
Diese zeigen meist 1—2 Seitenblättchen, bisweilen, namentlich bei 


' Vergl. namentlich oben S. 526. 


Die Kreuzung als Ursache von Alavismus. 5935 


Robinia, auch mehrere, und werden dann zu gefiederten Blättern, 
welche sich nur noch durch eine geringere Anzahl von Blättchen- 
paaren von den typischen Arten unterscheiden.! 

Diese und ähnliche Fälle, in denen sämmtliche Individuen einer 
Rasse an ihren eigenen Organen oder doch in ihren Kindern die 
Erscheinung des Atavismus zeigen können, sind hier selbstverständ- 
lich auszuschliessen.? 

Ebenso sind jene Fälle auszuschliessen, wo vorelterliche zusammen- 
gesetzte Eigenschaften dadurch wieder erzeugt werden, dass solche 
unter ihren Nachkommen, in denen die einzelnen Factoren getrennt 
zur Schau treten, auf sexuellem Wege verbunden werden. In unserer 
Besprechung der Zerlegung der Blüthenfarben haben wir diesen 
Process als hybridologische Synthese’ behandelt; es möge somit 
hier genügen, darauf hinzuweisen (s. oben S. 200). 

Den besprochenen, regelmässig eintretenden und somit normalen 
Fällen von Atavismus stellen wir die seltenen gegenüber, welche 
gerade durch diese Seltenheit zeigen, dass sie zu dem Gebiete der 
Mutationen gehören. Es handelt sich hier um zufällige Abweichungen, 
in denen eine Pflanze zu irgend einem Merkmale oder zu irgend 
einer Combination von Merkmalen zurückkehrt, welche ihre nächsten 
Vorfahren nicht besassen, welche aber ihren entfernten Vorfahren 
zukamen. Ueber diese Vorfahren entscheidet in der Regel die 
systematische Verwandtschaft. Die betreffenden Abweichungen können 
auf generativem oder auf vegetativem Wege erzeugt werden. 

In den meisten Fällen scheint es keinem Zweifel unterworfen 
zu sein, dass Bastardirungen dabei nicht im Spiele sind. Nament- 
lich gilt dieses dort, wo es sich um Merkmale handelt, deren 
systematische Träger zu wenig Verwandtschaft besitzen, um sich 
gegenseitig kreuzen zu können, oder die, wo sie solches thun, doch 
das ganze Gepräge der Nachkommen so stark verändern, dass die 
Bastardnatur sofort ersichtlich wird. Ich führe als Beispiel einen 
Spross von Eqwisetum Telmateja an, den ich im Juli 1868 im Freien 
bei Celigny unweit Genf fand (Fig. 101). Diese Art hat bekanntlich 
im Frühjahr kleine, braune, unverzweigte Sprosse mit je einer fructi- 
ficativen Aehre, und im Sommer hohe, grüne, verzweigte aber sterile 


! Vergl. auch Bd. I, S. 136, Fragaria vesca monophylla und Fig. 38 eben- 
daselbst. 

® Ueber Atavismus vergleiche man Y. DeracE, Lheredite. S. 242—254; 
J. H. F. KonLsrusee, Der Atavismus. 1897; J. C. Ewarr in Proceed. Roy. Soc. 
London. LXV, S. 243, und die von diesen Schriftstellern eitirte Literatur. Ueber 
Atavismus durch Knospenmutation vergleiche man ferner den letzten Abschnitt. 


936 Können durch Kreux ung inconstante Rassen entstehen? 


Sprosse. Die abeehildee Arpmanıı stellt einen . mit 
einer sporentragenden Aehre vor, also eine Combination beider Typen, 
welche als ein Rückschlag auf jene Vorfahren aufgefasst werden kann, 
in denen, wie in Eqwisetum palustre, limosum u. Ss. w., die Trennung 
der generativen und der 
sterilen Sprosse noch nicht 
eingetreten war. 

Offenbar kann diese 
Anomalie aber nicht einer 
Kreuzung mit einer solchen 
Art zugeschrieben werden. 

Eher könnte man sol- 
ches noch von den zahl- 
reichen Rückschlägen im 
(rartenbau annehmen, und 
wir haben gesehen, dass 
Vieles, das hier als Ata- 
vismus bezeichnet wird, 

\ UN, 1. Wi einfach eine Folge von 
N N vn N/ Nachbarkreuzungenistund 

\ A also besser Vicinismus ge- 
nannt würde (s. oben S. 383). 

Dieses gilt aber nicht 
von jenen Fällen, in denen 
die Vermehrung vorzugs- 
weise eine vegetative ist, 
wie beiden meisten Blumen- 
zwiebeln. Dennoch sind 
auch hier Rückschläge gar 
nicht selten, bisweilen, 
namentlich bei Tulpen, so 
Fig. 101. Equisetum Telmateja. Sommerspross mit häufig, dass sie wesent- 
grünen Aesten und einerendständigen Sporen-Aehre. lichen Schaden verur- 

sachen. DieZüchternennen 
dann solche Exemplare Diebe, da sie die Ernte um je eine 
ganze Zwiebel vermindern (Fig. 102). 

Es würde mich viel zu weit führen, hier auf die lange Reihe 
von Beobachtungen einzugehen, welche als Atavismus in der Literatur 
aufgeführt worden sind. Auch werde ich auf die wichtigsten Beispiele 
von Atavismus durch Knospenvariation noch zurückzukommen haben, 
wenn ich diese Erscheinungen im letzten Abschnitt behandeln werde. 


Die Kreuzung als Ursache von Atavismus. 537 


Fast überall erscheint bei näherer Prüfung die Hypothese eines 
Kreuzungseinflusses als völlig überflüssig und dem Thatbestande 
nicht entsprechend. Wer sich hier eine klare Ansicht bilden will, 
findet das beste Material in HEINRIcHERr’s bereits mehrfach erwähnten 
Untersuchungen über die Vererbung atavistischer Erscheinungen in 
der Gattung Iris. Die culturellen Bedingungen schliessen hier jede 
Erklärung der beschriebenen Verhältnisse durch Bastardirung durchaus 
aus; dennoch tragen diese offenbar den Charakter des Atavismus, 
indem sie auf Vorfahren hinweisen, denen gerade die unterscheidenden 
Merkmale der Gattung in der 
Ausbildung des Kelches und 
der Krone sowie in der Anzahl 
der Staubfäden fehlen.! Nach 
den Darlegungen HEINRICHER’S 
scheint es mir völlig ein- 
leuchtend, dass der betreffende 
Fall nicht vereinzelt dasteht, 
sondern geradezu als das 
Muster für eine lange Reihe 
hierher gehöriger, abervorläufig 
nur ungenügend bekannter Er- 
scheinungen hingestellt werden 
muss.? 

Wenn ich also folgere, 
dass Atavismus in weitaus 
den meisten beschriebenen 
Fällen ganz unabhängig 
von etwaigen Kreuzungen 
aufzutreten pflegt, so be- ' 
haupte ich damit doch keines- Fig. 102. Papagei-Tulpe A. Mit einem auf 
wegs die Unmöglichkeit, dass juästirom Were etltandenen Tulbn 
er gelegentlich nach Bastar- E.H.Krerace und Sohn, Haarlem 1891. 
dirungen und sogar als Folge 
‚dieser erscheint. Bei den Mrxper’schen Bastarden scheint der Vorgang 
aber wesentlich auf die hybridologische Synthese erloschener 
zusammengesetzter Merkmale aus ihren activ gebliebenen, aber 


! E. HeiscricHer, Versuche über die Vererbung von Rückschlagserscheinungen 
bei Pflanzen, Prinssnein’s Jahrbücher. Bd. XXIV, und die dort S. 65 eitirte 
Literatur. Ders., Iris pallida Lam. abavia. Biolog. Centralbl. XVI, Nr. 1. 1896. 

” Vergl. auch Barzson’s neueste Schrift, MENDEL’s principles of Heredity. 1902. 

® Vergl. Sorıms-Lausacn, Weizen und Tulpen und deren Geschichte. 1899. 8.71. 


538 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen? 


getrennten einzelnen Factoren zurückzuführen zu sein. Bei den 
unisexuellen Kreuzungen scheint die Sachlage allerdings eine andere, 
und ich erinnere an das oben (S. 104) beschriebene Auftreten von 
einzelnen Biennis-ähnlichen Bastarden nach einer Kreuzung von Oeno- 
thera Lamarckiana und O. erueiata varia und an andere entsprechende 
Beobachtungen. Aber das innere Wesen der Beziehungen, welche man 
als Atavismus zu bezeichnen pflegt, ist hier fast überall noch völlig 
unklar und umfangreicher Untersuchungen sehr bedürftig. 


$ 12. Die Hypothese von Kreuzungen in der Prämutationsperiode. 


Die ziemlich vagen, im Vorhergehenden erörterten Vorstellungen, 
welche jetzt noch über die möglichen Folgen von Bastardirungen 
verbreitet sind, lassen wohl bei manchem Leser die Frage auftauchen, 
ob nicht die im ersten Bande beschriebenen Mutationserscheinungen 
von Oenothera Lamarckiana in irgend einer Weise ihr neues Gepräge, 
ihr von den bisherigen Beobachtungen scheinbar so stark abweichendes 
Verhalten, einer Bastardirung verdanken mögen. | 

Es scheint mir deshalb wünschenswerth, die hier möglichen 
Vermuthungen etwas eingehender zu zerlegen, um zu sehen, welche 
Bedeutung man ihnen, einerseits für die Erklärung der Beobachtungen 
selbst, und andererseits für die Anwendung dieses Beispieles auf den 
Satz von der Entstehung der Arten durch Mutation, beimessen kann. 

Sollen Bastardirungen als Ursache der Mutationsvorgänge im 
Spiele sein, so fragt es sich offenbar erstens wann diese hypo- 
thetischen Kreuzungen stattgefunden haben sollen, und 
zweitens zwischen welchen Eltern? 

Auf die erstere Frage lautet die Antwort selbstverständlich: Am 
Anfang der Periode der Mutabilität. Für diesen Anfang habe ich 
im ersten Bande den Namen der Prämutation vorgeschlagen 
(S. 352). Wir fragen also, ob in der Prämutationsperiode vielleicht 
Kreuzungen stattgefunden haben können, welche die Mutabilität 
herbeiführten, oder welche doch wenigstens ihr Wesen beeinflussten 
und ihre Richtung bestimmten. Zu welcher Zeit für die Oenothera 
Lamarckiana die Prämutationen stattfanden, ist vorläufig noch un- 
bekannt. Im ersten Bande habe ich auf S. 356 die beiden Möglich- 
keiten erörtert, dass diese inneren Umwandlungen auf dem Hilversumer 
Fundort, also zwischen den Jahren 1870—1886, stattgefunden haben 
können, oder dass sie älter seien, und dass die Pflanze bereits 
mutabel wäre, als sie sich dort zu verbreiten anfing. Im ersteren 
Falle sind Kreuzungen selbstverständlich ausgeschlossen, weil ja dort 


Die yyolhase von Kr euzungem in der Prämtationsperiode 599 


nur En: O. ne De en ihre nen Nachkommen en 
worden sind. Im zweiten Falle wird die Hypothese eine sehr vage, 
namentlich weil über das Vorkommen dieser Art in Amerika, über 
ihre Uebersiedelung nach Europa (vor 1796, vergl. Bd. I], S. 317), und 
über ihre nachherige Verbreitung daselbst in der Cultur und im 
Freien sehr wenig bekannt ist. War die Art vielleicht bereits in 
Amerika mutabel, bevor sie transportirt wurde? Und beziehen sich 
meine Beobachtungen vielleicht nur auf die Reste einer bereits viel 
älteren Mutationsperiode? Hierüber wird man sich erst ein Urtheil 
bilden können, wenn die ©. Lamarekiana in Amerika darauf geprüft sein 
wird, ob sie an ihren ursprünglichen Fundorten mutabel ist oder nicht. 

Jetzt komme ich zu der Frage, welche Arten vielleicht durch 
ihre Kreuzung die Mutabilität der ©. Lamarckiana bedingt haben 
können? Diese lässt sich wiederum in zwei Theile zerlegen. Ist 
vielleicht die O. Lamarckiana selbst keine ursprüngliche Art, sondern 
nur eine Bastardrasse? Oder ist sie eine gute Art, welche nur ihre 
'Mutabilität etwaigen Kreuzungen verdanken soll? Die erstere Frage 
kann offenbar für alle systematischen Arten aufgeworfen werden, da es 
ja, wie wir in 8 6 (S. 496) dieses Abschnittes gesehen haben, zwischen 
reinen und Bastardarten keine entscheidenden Unterschiede giebt. 
Namentlich ist auf die theilweise Sterilität des Blüthenstaubes und der 
Samenknospen hier kein Gewicht zu legen, weil solches ja auch bei 
anderen Arten derselben Gattung gefunden wird. Wissenschaftlichen 
Werth würde diese Behauptung aber erst dann erlangen, wenn man 
zwei andere Arten als die vermuthlichen Eltern bezeichnen könnte. 
Und solange dieses nicht möglich ist, entzieht sich die Hypothese 
jeder weiteren Discussion. Wäre es aber möglich, so würde daraus 
noch gar nicht hervorgehen, dass nun diese Kreuzung auch die 
Ursache der Mutationserscheinungen sein könnte. Denn nach unseren 
jetzigen Kenntnissen müsste die Kreuzung, welche doch wohl eine 
unisexuelle sein sollte, um den gestellten Anforderungen zu entsprechen, 
entweder zu einer constanten, also zu einer immutablen Bastard- 
rasse oder doch daneben nur zum Auftreten atavistischer Erscheinungen 
führen (oben S. 66 und S. 103). Diese Hypothese würde somit wohl 
noch einer ganzen Reihe von Hülfshypothesen bedürfen, um alle die 
im ersten Bande beschriebenen Mutationen erklären zu können. 

Es bleibt also nur die Frage übrig, ob die ©. Lamarekiana zwar 
eine gute Art ist, aber irgendwo und zu irgend einer Zeit, also 
nur in einem Theile ihrer Individuen dadurch mutabel geworden 
sei, dass sie zufällig mit anderen gekreuzt wurde. Solche zufällige 
Kreuzungen sind gewiss möglich und finden in botanischen Gärten, 


340 Können durch Kreuzung inconstante Rassen entstehen? 


wenn mehrere Arten zusammen wachsen, ohne Zweifel sehr vielfach 
statt. Können sie aber den ihnen zugeschriebenen Erfolg haben? 

Dies erscheint mir in jeder Hinsicht äusserst unwahrscheinlich. 
Erstens habe ich eine lange Reihe von Kreuzungsversuchen unter 
den nächsten Verwandten der O. Lamarckiana und zum Theil mit 
dieser selbst gemacht, und nie die Spur einer neuen Mutabilität 
entdecken können. Zweitens haben wir im ersten Abschnitt dieses 
Bandes ($ 2, S. 11) gesehen, dass die Eigenschaften der Bastarde 
auf diejenigen ihrer Eltern beschränkt sind. Man wird dadurch, 
wenn man den Boden der Thatsachen nicht einfach verlassen will, 
genöthigt weiter zu fragen, woher die verschiedenen Eigenschaften 
aller meiner neuen Arten rühren können. Will man eine einzige 
Kreuzung als Ursache für den ganzen Kreis der Erscheinungen 
annehmen, so müsste der hypothetische Urvater zugleich gigas und 
nanella, lata und brevistylis, rubrinervis und laevifolia, seintillans und 
oblonga gewesen sein, u.s.w. Bis man aber eine solche Art im 
Freien findet, scheint mir die Hypothese eine weitere Beachtung kaum 
zu verdienen. 

Andererseits könnte man vermuthen, dass meine neuen Arten 
nur scheinbar neu sind, und thatsächlich früher irgendwo in Nord- 
amerika im Freien als gute Arten gelebt haben und vielleicht noch 
leben. Wäre dann die O. Lamarckiana nach einander mit allen diesen 
Typen gekreuzt, und hätte sie von jeder Verbindung einen latenten 
Rest beibehalten, so würde eine Reihe weiterer Hülfshypothesen wohl 
zur Erklärung meiner Beobachtungen leiten können. Aber weder 
von O. lata noch von O. brevistylis, und viel weniger von den nur als 
Artanfänge (Bd. I, S. 298) auftretenden Typen könnte man ein solches 
Vorkommen im Freien annehmen. Und überhaupt wäre das System 
dieser Vermuthungen ein viel zu complicirtes, um auf wissenschaftlichen 
Werth Anspruch erheben zu können. 

Je eingehender man diese Vorstellungen untersucht, um so mehr 
schwindet ihre Bedeutung. Die erforderlichen Hülfshypothesen sind 
zu zahlreich; sie stehen dabei zum guten Theil mit den Thatsachen in 
Widerspruch, oder sind ihrem inneren Wesen nach äusserst unwahr- 
scheinlich. Weder die Annahme von Kreuzungen zwischen jetzt noch 
lebenden Arten, noch die Hypothese von einer Reihe von aus- 
gestorbenen Vorfahren können die Mutationsperiode erklären, oder auch 
nur unserem Verständnisse um ein Geringes näher bringen. Die Er- 
klärung muss offenbar in einer ganz anderen Richtung gesucht werden. 

Es erübrigt noch eine Form dieser Vorstellungen zu erörtern, 
welche sich den Thatsachen am nächsten anschliesst. Ich meine die 


Die Erblichkeit der Verbänderungen. 541 


Annahme, dass meine neuen Arten, jede nur durch eine 
einmalige Mutation aus der Mutterart hervorgegangen sind, 
und dass das spätere wiederholte Auftreten die Folge 
einer Kreuzung der O. Lamarckiana mit dieser ersten Mu- 
tante ist. Die Prämutation wäre dann eigentlich die Mutation, die 
beobachteten Mutationen selbst wären dann nur Bastardspaltungen. 
Und nach den Auseinandersetzungen des $ 7 dieses Abschnittes 
(S. 503) wäre es dabei sogar gleichgültig, ob die erste Mutation nur 
zu mutirten Sexualzellen oder auch zu mutirten Individuen geführt 
hätte. 

Diese, wie mir scheint völlig berechtigte Frage bedarf offenbar 
zu ihrer Beantwortung noch einer langen Reihe von Versuchen. 
Solange diese nicht ausgeführt worden sind, läuft man grosse Gefahr, 
der Bezeichnungsweise der Beobachtungen ein überwiegendes Gewicht 
beizulegen. Die Antwort kann einstweilen ruhig dahingestellt 
bleiben.” Denn weder für das Verständniss unseres speciellen Falles, 
noch auch für dessen Anwendung auf die Abstammungslehre ist sie 
erforderlich. Namentlich wird die unten vorzuführende Hypothese 
von den geologischen Mutationsperioden und von der iterativen Art- 
bildung von ihr ‚offenbar nicht berührt. 


IV. Die Inconstanz der verbänderten Rassen. 


$ 13. Die Erblichkeit der Verbänderungen. 


Verbänderungen oder Fasciationen sind im Pflanzenreich wohl 
die am häufigsten vorkommenden Anomalien.” Bis vor etwa zehn 
Jahren nahm man für sie, wie für die Monstrositäten im Allgemeinen 
an, dass sie nicht erblich seien, sondern nur äusseren Einflüssen ihre 
Entstehung verdanken. Der Hahnenkamm, Celosia eristata, galt als 
eine Ausnahme von dieser Regel. Allerdings wusste man, dass die 
Erscheinung bei einigen Arten mehrfach, bei anderen nur sehr selten 
auftritt, aber man begnüste sich mit der Auffassung, dass die eine 


! Es ‚sei mir an dieser Stelle gestattet, mir die Bastardirungs- und Mutations- 
versuche in der Untergattung Onagra zu dem obigen Zwecke vorzubehalten. Sie 
sind bereits in verschiedenen Richtungen in Angriff genommen worden. 

® Vergl. A. GarLLarDo, Fasciacion, Proliferacion y Sinantia. Anales del 
Museo Nacional de Buenos Aires. T. VI. S. 37—45. 


542 Die Inconstanz der verbänderten Rassen. 


Pflanze eine grössere Neigung zu solchen Anomalien besitze als die 
andere. 

Seitdem es mir gelungen ist, für eine Reihe anscheinend zufäl- 
liger Fasciationen, durch Isolirung und Weiterzucht der betreffenden 
Individuen, Rassen darzustellen, in denen die Abweichung sich regel- 
mässig und in einer erheblichen Anzahl der Exemplare wiederholt, 
steht es fest, dass es sich hier um erbliche Anlagen handelt, welche 
in bestimmten Gruppen von Individuen von der einen Generation auf 
die andere übertragen wer- 
den, und welche sich eigent- 
lich nur darin von den 

Merkmalen gewöhnlicher 
Varietäten unterscheiden, 
dass sie immer von Rück- 
schlägen begleitet sind. 
Niemals sind alle Aeste 
auf einem ausreichend ver- 
zweigten Exemplare ver- 
bändert, und ebenso wenig 
weisen alle Individuen einer 
grösseren Aussaat aus- 
nahmslos die Anomalie auf. 
Sogar die Celosia ceristata, 
welche in dieser Hinsicht 
der Vollkommenheit am 
nächsten kommt, macht von 
der genannten Regel nur 
scheinbar eine Ausnahme. 


Fig. 103. Zweigabelige und dreigabelige Roggen- 24 : 
ähren, wie sie bisweilen beim Mähen des Getreides Für die Lehre von den 


auf den Aeckern gefunden werden (1891). inconstanten Eigenschaften 
bilden somit die Verbän- 

derungen einen sehr wichtigen Fall. Dazu kommt, dass sie allgemein 
bekannt, Jedem zugänglich und ziemlich leicht zu cultiviren sind, und 
dass gelungene Culturen in einem Drittel oder mehr der Individuen 
schöne Verbänderungen aufzuweisen pflegen. Zwischen den Atavisten 
und den besten Erben giebt es dabei eine vollständige Reihe von 
Uebergängen, indem die Verbreiterung der Achse bald eine sehr geringe, 
bald eine ganz bedeutende sein kann und die Zwischenstufen häufig 
sogar an den Seitenzweigen einer einzelnen Pflanze beobachtet werden. 
Als Hauptergebniss der jetzt folgenden Darstellungen möchte 

ich den Satz in den Vordergrund stellen, dass die Atavisten oder 


Die Erblichkeit der Ver Dänderungen. 549 


en anderten are derRasse nurin oellesisalse 
Hinsicht als Rückschläge zu betrachten sind, dass sie aber 
in physiologischer Beziehung, d. h. in ihrer Bedeutung für 
die Vererbung der Verbänderung, den besten Erben der 
Rasse nur unwesentlich nachstehen. Die fragliche Eigenschaft 
ist in ihnen nur latent, und zwar nur vorübergehend unsichtbar, 
vielleicht nur durch den Mangel der erforderlichen Lebensbedingungen 
unausgebildet geblieben. Die Atavisten treten aus der Rasse nicht 
aus, wie z. B. diejenigen der Oenothera scintillans; die Rasse bildet 


Fig. 104. Ranunculus bulbosus. Ein bandförmiger Stengel aus einer verbreiterten 
Rosette von Wurzelblättern emporgewachsen. Auch die Gipfelblüthe ist verbreitert, 
aber gespalten. Hilversum 1894. 


eine einheitliche Gruppe von Individuen, und unterscheidet sich von 
den constanten Rassen oder echten Varietäten nur durch die auf- 
fallend starke Variabilität ihrer Merkmale. 

Diese Variabilität bezieht sich nicht nur auf den Grad der 
Verbreiterung der Achse, sondern auch auf die Art und Weise, in der 
sich die Anomalie äussert. Zunächst unterscheidet man die ge- 
spaltenen Zweige von. den im eigentlichen Sinne verbänderten. Auf 
den Rosgenfeldern werden bekanntlich bisweilen gespaltene Aehren 
gefunden (Fig. 103) und von den Landleuten getrennt aufbewahrt. 
Die Achse der Aehre ist ein oder mehrere Male getheilt; die Gabel- 


544 Die Inconstanz der verbänderten Rassen. 


äste sind jeder für sich aber normal gebaut. Auch kann der Halm 
unterhalb der Aehre gespalten sein und zwei gewöhnliche Aehren 
neben einander tragen. Solche Gabelungen sind auch bei anderen 
Pflanzen keineswegs selten, und kommen meist in Verbindung mit 
den typischen Verbänderungen vor. 

Diese letzteren sind entweder von unten bis oben von derselben 
Breite, also im eigentlichen Sinne bandförmig, oder sie fangen unten 
mit eylindrischer Form an und flachen sich aufwärts allmählich ab. 
Der letztere Fall ist der 
normale; von ihm ist der 
erstere abgeleitet. Und 
zwar entweder so, dass es 
sich um eine zwei- oder 
mehrjährige Achse han- 
delt, oder um die Seiten- 
zweige bereits selbst ver- 
bänderter Aeste. Zwei- 
oder mehrjährige Achsen 
fangen im ersten Jahre mit 
dem normalen kreisrunden 
Querschnitt an, und können 
dann noch in demselben 
Sommer eine maximale 
Breite erlangen, welche sie 
dann in späteren Jahren 


beibehalten. Solches be- 
Fig. 105. Viola tricolor maxima, das Gartenstief- 


= : obachtet man namentlich 
mütterchen. Ein gabelig gespaltener Blüthenstiel 
in der Achsel eines verdoppelten Blattes (a a); an Stengeln, welche aus 


ss die äusseren Stipeln, s’ die inneren, nicht ge- einer im Vorjahre gebil- 
spaltenen Stipeln dieses Blattes. Die Fortsetzung detanıP: W ] 
der Hauptachse ist seitlich abgebogen worden (b). eten hosette von Wurzel- 


blättern emporspriessen 
(Orepis biennis, Aster Tripolium, Picris hieracioides, Primula japonica, 
Ranuneulus bulbosus [Fig. 104] u. s. w.). Auf Bäumen und Sträuchern, 
und namentlich auf der Tanne (Abies excelsa) wiederholt sich eine 
einmal eingetretene Fasciation oft viele Jahre hinter einander.! 
Seitenzweige verbänderter Achsen haben oft eine verbreiterte Basis, 
und wachsen dann von dieser aus ohne weitere Zunahme der Breite 
empor (Tetragonia espansa, Orepis biennis u. 8. W.). 


' ©. pe ÖAnvoLıe, Fasciation chez un Sapin. Archiv. Se. phys. et nat. 1889. 
T. XXI p. 95, Taf. II und Over de erfelykheid der fasciatiön. Botan. Jaarboek. 
1894. Taf. XI. 


Die Erblichkeit der Verbänderungen. 545 


Wie der Grund eines Seitenzweiges, so kann auch die Anlage 
eines Blattes auf einer Fasciation in die Breite wachsen. Es ent- 
stehen dann breitere oder mehr oder weniger tief gespaltene Blätter, 
nicht selten mit gleichfalls verbreiterten oder gespaltenen Achsel- 
sprossen (Fig. 105). Oder die Anlagen werden ganz früh getheilt, 


Fig. 106. Der Krapp, Rubia tinetorum. Verbänderte Sprosse mit vergrösserter Anzahl 
der Blätter in den Wirteln. Auf einem Krappfelde unweit Ouwerkerk gefunden 
und am Rhizom abgebrochen. 1890. 


und es bilden sich zwei, drei oder mehrere Blätter statt eines ein- 
zigen (Fig. 106), wie solches namentlich bei wirteliger Blattstellung 
oft schön gesehen wird. 

Untersucht man die wachsende Spitze eines verbänderten Sprosses, 
so zeigt diese bereits den abnormalen Bau. Wo die Fasciationen 
sehr breite sind, leuchtet solches auch ohne eingehendere Untersuchung 
sofort ein, wie z. B. in dem im ersten Bande (S. 128) abgebildeten 

DE VRIEs, Mutation. II. 35 


>46 Die Inconstanz der verbänderten Rassen. 


Fall des Sedum reflexum eristatum. Auch an Inflorescenzen sieht man 
häufig im Gipfel solche verbreiterte Kämme, namentlich bei Veronica 
longifolia (Fig. 107), Amarantus speeiosus (Fig. 47 auf S. 252), Oenothera 
Lamarckiana und ©. brevisty- 
lisu.s.w. Eingehender sind diese 
Verhältnisse untersucht worden 
von NESTLER, der innerhalb 
der Endknospe eines fasciirten 
Zweiges regelmässig eine Vege- 
tationslinie statt eines Vege- 
tationspunktes, bezw. einen 
wachsenden Kamm statt eines 
Kegels nachweisen konnte.! 
Auf einem solchen Vegetations- 
kamme entstehen die Blätter 
in grösserer Anzahl und in ab- 
normaler Reihenfolge, und dem- 
zufolge pflegt die Blattstellung 
auf verbänderten Zweigen eine 
höchst unregelmässige zu sein. 
Doch harrt dieser für die ganze 
Blattstellungslehre offenbar so 
wichtige Gegenstand bis jetzt 
noch einer eingehenden Unter- 
suchung. Namentlich wäre 
es sehr wichtig, die Verbän- 
derungen bei den Coniferen in 
dieser Beziehung näher zu 
studiren, da hier ja unsere 
Kenntnisse über den normalen 
Bau des Vegetationspunktes so 
bedeutend tiefere sind als die 
bei den Angiospermen.?” Und 
das Material fehlt keineswegs, 
ja ist sogar bei der Uryptomeria 


Fig. 107. Veronica longifolia. Blüthenähre mit 
kammförmig verbreitertem Gipfel. 


japonica monstrosa oder fasciata und einigen anderen Arten käuflich 
in reichlichem Maasse zu haben (Fig. 108). 


! A. Nester, Untersuchungen über Faseiationen. Ovsterr. botan. Zeitschrift. 
Jahrg. 1894. Nr. 9 ff,, mit 2 Tafeln. 

® H. Dissrer, Zum Scheitelwachsthum der Gymmnospermen. Ber. d. d. bot. 
Ges. Bd. IV. 1886. 8.18. Äh 


Die Erblichkeit der Verbänderungen. 947 


Neben flachen Fasciationen oder solchen, welche nur durch ungleich- 
mässiges nachträgliches Wachsthum aus ihrer Ebene herausgebogen sind, 
kommen einige specielle, bis jetzt nur sehr wenig untersuchte Fälle 
ganz besonderer Ausbildung vor. Man 
weiss noch nicht, ob diese nur Aeusse- 
rungen derselben inneren Eigenschaft 
sind oder ob sie auf besondere Anlagen 
zurückgeführt werden müssen. Für 
letzteres spricht ihr morphologisches 
Verhalten, für das erstere aber die 
Thatsache, dass sie bis jetzt stets in 
Verbindung mit gewöhnlichen Verbän- 
derungen beobachtet wurden, d. h. bei 
Ärten, welche an solchen auch sonst 
reich sind. Ich führe als Beispiele die 
mehrstrahligen und die ringförmigen 
Verbänderungen an. 

Bei den Ringfasciationen wird der 
 Vegetationskegel in einen ringförmigen 
Wall umgebildet, der zu einem kleineren 
oder grösseren Trichter heranwächst. 
Bei Veronica longifolia fand ich diese 
‚merkwürdigen Bildungen in meinen 
Culturen mehrfach, doch bleiben sie 
hier meist klein, kaum einen Üenti- 
meter erreichend.! Dagegen beobachtete 


ich bei Peperomia maculosa eine solche Fig. 108. Cryptomeria japonica 


: : en . : monstrosa, eine an Verbänderungen 
Triehterbildung von über einem Deci- reiche Handelsvarietät « seitlich 


meter Länge”? Am bekanntesten sind _ausgewachsener, verbreiterter Gip- 

aber die Ringfasciationen bei Taraxacum fel eines Astes, der bei d einen nor- 
ß 3 5 malen Zweig abspaltet; b und c wei- 

offieinale, welche in der Literatur mehr- tere Fasciationen dieses Zweiges. 

fach beschrieben sind, und welche ich 

selbst auch öfters die Gelegenheit hatte zu untersuchen.” Innerhalb 


eines dicken röhrenförmigen Blüthenstieles stehen hier viele, oft 


ı A. NeEstLer, Ueber Ringfasciation. Sitzungsber. d. k. Acad. d. Wiss. Wien. 
Bd. CI, Abth. I. 1894. Tafel I-Il. 

° Sur un spadice tubuleux du Peperomia maculosa. Archives Neerlandaises 
d. sc. ex. et nat. T. XXIV. p. 258. Taf. XII. Die Anomalie hat sich später 
auf derselben Pflanze wiederholt (1892). 

° Micuzuis, Botan. Zeitung. 1873, 8. 334; 1885, S. 440. Die weitere Literatur 
findet sich bei Nestrer a. a. O. Vergl. auch Pavs Rıcuter, über Helianthus annuus. 
Ber. d. d. bot. Ges. 1890. Bd. VIII. S. 231. Taf. XVI. 

35* 


548 Die Inconstanx der verbänderten Rassen. 


10—20 oder mehr dünnere Stiele, jeder in der Achsel eines Blattes 
und jeder eine ziemlich normale Inflorescenz tragend. Aus den Samen 
eines solchen Individuums cultivire ich seit Jahren ein grösseres Beet 
mit weit über 100 Pflanzen, welche zwar Verbänderungen, aber bis 
jetzt keine Ringfasciationen hervorbringen. 

Strahlenförmige Fasciationen fand ich bisweilen in meinen Cul- 
turen von Amarantus speciosus neben den häufigeren gewöhnlichen 
Verbänderungen.! Der Gipfel der Inflorescenz bildete nicht eine 
Linie, sondern eine drei-, bisweilen sogar vierstrahlige Figur (Fig. 109). 
Einen ähnlichen Fall be- 
obachtete ich bei Digitalis 
lutea, und bei Celosia ceristata 
fand ich auch vierstrahlige 
Sprossgipfel (1893). Bei 

Compositen sind drei- 
strahlig fasciirte Köpfchen 
mehrfach gefunden worden. 
So z. B. bei Ohrysanthemum 
Leucanthemum, Helianthus 
annuus und Brigeron bellidi- 
florus; bei letzterer Art in 
unserem Garten sogar in 
vielen Jahren und nicht ge- 
rade selten. Allediese Fälle 
bedürfen einer näheren 
Untersuchung sehr. 

Für das Auftreten einer 
Verbänderung reicht es 
Fig. 109. Amarantus speciosus. Dreistrahlige nicht aus, dass die innere 
Gipfel von Inflorescenzen. 1893. Anlage dazu vorhanden sei. 
(Günstige Lebensbedingun- 

gen sind durchaus erforderlich. Je kräftiger eine Pflanze oder auch 
ein Zweig ist, um so grösser ist ihre Aussicht, sich zu verbreitern und 
abzuflachen. Dieses sieht man am besten bei solchen zweijährigen 
oder perenirenden Pflanzen, welche gelegentlich auch im ersten Jahre 
Blüthenstengel bilden können. Thun sie dieses, so treten oft nur 
geringe, bisweilen gar keine Verbänderungen ein, während unter den 
Exemplaren, welche im ersten Jahre Rosetten von Wurzelblättern 
bleiben, und ihren Stengel erst im zweiten Jahre, also nach bedeuten- 


ı Over de erfelykheid van fasciatien. Botanisch Jaarboek Gent. 1894. S. 90. 


Die Erblichkeit der Verbänderungen. 549 


der Erstarkung treiben, die zahlreichsten und schönsten Fasciationen 
gefunden werden. So erhielt ich z. B. durch die Güte des Herrn 
Prof. vov LAGERHEIM aus Stockholm Samen eines fasciirten Zeracium 
umbellatum, und hatte aus diesen im Sommer 1901 ein Beet mit nahezu 
100 blühenden Pflanzen, aber ohne Spur von Verbänderung (vergl. oben 
S. 492). Einige Pflanzen trieben aber keinen Stengel und als ich diese 
überwintert hatte, brachten sie mir ım nächsten Jahre sehr schöne 
verbreiterte Stengel mit kammförmigen Blüthenköpfchen am Gipfel. 
Ebenso verhielten sich in meinen Culturen Aster Tripolium, Pieris 
hieracioides, Oenothera Lamarckiana u. a. Die erstere Art bildete bei 
einjähriger Cultur hohe Stengel, welche in ihrer unteren Hälfte meist 
eylindrisch blieben, und sich dann allmählig abflachten, um aber keine 
grössere Breite, als von etwa 2-5 Om. zu erreichen. Solcher Exem- 
plare gab es in grösseren Aussaaten aber bisweilen bis zu 60 und 
70°/,. Bei zweijähriger Cultur verbreitern sich aber im ersten Herbst 
oder im Winter die Herzen der Rosetten allmählig, und aus diesen 
gehen dann Stengel hervor, welche zum Theil eine weit ansehnlichere 
Breite besitzen. So z. B. im Sommer 1895 von 3—6 Um. Piecris 
hieracioides bringt im ersten Jahre nur selten und nur ziemlich un- 
bedeutende Verbänderungen hervor, während die aus den verbreiterten 
Rosetten von Wurzelblättern im zweiten Lebensjahre hervorgehenden 
Stengel zu den schönsten Beispielen dieser Anomalie rechnen.! 

Ebenso wie das Alter der verschiedenen Individuen einer Oultur, 
hat auch die Aussaat je nach der Jahreszeit einen grossen Einfluss 
auf das Auftreten und die Ausbildung der Verbänderungen. Manche 
zweijährige oder perennirende Pflanze, welche bei normaler Saat im 
Frühjahr das Merkmal der Rasse bald zur Schau trägt, bleibt an- 
scheinend normal, wenn sie zu spät ausgesät wird, und also vor 
Eintritt des Winters sich nicht in genügendem Maasse erstarken 
kann. Meine fasciirten Rassen von Orepis biennis und Taraxacum 
offieinale sind in dieser Beziehung sehr lehrreich. Die Aussaaten von 
Crepis von April und Mai gaben bis 30 und 40°/, schön verbänderte 
Individuen, die Ende Juli gemachte Aussaat nur 20°/,, diejenige vom 
September gar keine. Ebenso gaben Samen von Taraxacum officinale, 
welche bei Aussaat im Frühling 13—27 °/, Verbänderungen hervor- 
brachten, bei einer Saat im August keinen einzigen abgeflachten 
Blüthenstiel. 


\ Sur la culture des monstruosites. Compt. rend. Paris, Janv. 1899. Sur 
la culture des fasciations des especes annuelles et bisannuelles, Revue gen. d. Bot. 
1899, T. XI, p. 136 und Ueber die Abhängigkeit der Fasciation vom Alter bei zwei- 
jährigen Pflanzen. Botan. Centralblatt. 1899. Bd. LXXVII. 


50 


Die Inconstanz 


der verbänderten Rassen. 


In solchen Rassen sind alle Lebensumstände von Bedeutung. 
Durch Dichtsaat kann man den Procentsatz der Erben herabsetzen, 


Fig. 110. Agrostemma Githago. 
Eine Pflanze, deren Hauptachse 
bei o abgeschnitten wurde. Die 
Cotylen sind bei e und c’ abge- 
fallen; ihre Achselsprosse sind ver- 
bändert und tragen statt decussirter 
Blätter mehrgliederige Wirtel. Sie 
spalten sich hier und dortin den 
Knoten, die Gabelzweige a, b 
und ce sowie d, e und f bildend. 
Oberhalb f ist der Kelch der 
Blüthe (% %) spiralig und mit dem 
obersten Laubblatte(b) verwachsen, 
derBlüthenstieldadurch gekrümmt. 
Cult. 1892. 


z. B. von 40 auf 5°/,. Sogar, wenn man 
die Anzahl der Verbänderungen auf die 
Flächeneinheit der Beete berechnet, geben 
wenige Exemplare eine bessere Aussicht 
auf Verbänderungen als viele, aber zu 
dichtstehende. Durch Cultur auf ziem- 
lich sterilem Sande verringert man die 
Zahl der Fasciationen, durch Düngung 
nimmt sie zu. Durch Topfeultur in stark 
gedüngterGartenerdeim Anfang,undnach- 
trägliches Auspflanzen auf den Beeten 
bekommt man die zahlreichsten und 
schönsten Anomalien, u. s. w.! 

Ferner kann man durch Beschnei- 
den und durch die dabei gemachte Wahl 
der Knospen einen wesentlichen Einfluss 
auf das Auftreten von Verbänderungen, 
wie von Monstrositäten im Allgemeinen 
ausüben. So sagt GOEBEL in seiner Or- 
ganographie°, „dass man künstlich Fascia- 
tionen erzeugen kann, dadurch, dass der 
„Saft“ rasch und mit grosser Intensität 
in eine Seitenknospe geleitet wird, die 
sonst nur einen kleinen Theil desselben 
erhalten hätte. Deshalb finden wir Fas- 
ciationen besonders häufig an Stockaus- 
schlägen und Wasserreisern, und auch 
bei einjährigen Pflanzen (Phaseolus multi- 
florus, Vieia Faba) lässt sich Fasciation 
hervorrufen, wenn man die Hauptsache 
über den Kotyledonen abschneidet.“ 
Eine Pflanze, welche besonders geeignet 
ist für die Demonstration des letzteren 
Falles, ist Agrostemma @Githago, welche 
in meinen Öulturen sich stets reich an 
Anomalien zeigte, solche aber vorzugs- 
weise hervorbringt, wenn man im Frühling 

ı Botan. Centralblatt, 1899, a. a. O. 

2 Bd. I, 8. 164. 


Halbrassen mit erblicher Verbänderung. Sal 


die Achse oberhalb der Cotylen oder des ersten Blattpaares wegnimmt. 
Die Achselsprosse, welche sonst gewöhnlich sich nicht ausbilden, 
wachsen dann hervor und werden dabei häufig fasciirt (Fig. 110). 

Mit dem Einflusse der Ernährung hängt auch die Periodieität 
zusammen. Seitenzweige fasciirter Sprosse sind meist von normalem 
Bau, aber doch auch gar nicht selten mit verbänderten untermischt. 
Diese zeigen dann eine gewisse Regelmässigkeit in ihrer Stellung, 
indem sie vorzugsweise dort gefunden werden, wo auch andere, 
normale und abnormale Eigenschaften das Maximum ihrer Entwickelung 
erreichen.” Diese, namentlich in der fasciirten Rasse von Tetragonia 
expansa leicht zu demonstrirende Erscheinung, bedarf aber noch sehr 
einer eingehenden Prüfung. 

Hauptsache scheint mir aber zu sein, wie wohl am klarsten von 
(0EBEL in seinem erwähnten Werke betont worden ist, dass überall, 
wo äussere Einflüsse Verbänderungen, oder Anomalien im 
Allgemeinen, hervorrufen, die latente Anlage dazu vorhanden 
sein muss. Fehlt diese, so helfen alle Operationen nichts. Aller- 
dings scheint die Anlage zu Verbänderungen im Pflanzenreich 
äusserst allgemein verbreitet zu sein, doch wohl nicht so allgemein, 
dass sie nicht gewissen Gruppen fehlen könnte. So ist es ja auf- 
fallend, dass Fasciationen weit zahlreicher bei Dicotylen als bei 
Monocotylen vorkommen, obgleich sie bei den letzteren gerade ein- 
zelne sehr bekannte Beispiele aufzuweisen haben (Asparagus, Lilium, 
Fritillaria, Orchis u. S. W.). 


$ 14. Halbrassen mit erblicher Verbänderung. 


Nur wenn man besonders zu diesem Zwecke Aussaaten macht, 
lässt es sich endgültig entscheiden, ob bei einer gegebenen Art die 
Fasciation erblich ist, und in welchem Grade. Macht man aber solche 
Culturen, so kommt man bald zu der Ueberzeugung, dass es hier 
zwei Haupttypen giebt, welche unseren im ersten Bande unterschiedenen 
Halb- und Mittelrassen durchaus analog sind. (Bd.I, S. 422). Im 
ersteren Fall sind die Anomalien seltene, und lassen sie sich durch 
Selection nur wenig häufiger machen. Im zweiten Fall kommen die 
Verbänderungen auch im Freien auffallend häufiger vor, und bedarf 
es nur der Isolirung der betrefienden Exemplare um sofort eine an 
Fasciationen reiche Rasse zu erhalten. Die Versuche sind ganz denen 


! Vergl. T. Tammes, Ueber die Periodicität morphologischer Erscheinungen 
bei den Pflanzen. Kon. Akad. v. Wet. Amsterdam 1903. 


-„-{9 


552 Die Inconstanx der verbänderten Rassen. 


analog, welche wir bei anderen Anomalien beschrieben haben, und 
namentlich verhalten sie sich in der Hauptsache wie die Tricotylen 
und syncotylen Züchtungen (vergl. Bd. Il, S. 212). Nur fehlt bei 
den Verbänderungen das dort vorhandene äusserst scharfe Selections- 
merkmal, welches die Keimpflanzen geben, und ist daher die weitere 
Ausbildung der Rasse durch Zuchtwahl, nach der anfänglichen 
Isolirung, eine viel schwierigere. 

Indem wir die typischen Mittelrassen für den nächsten Paragraphen 
aufbewahren, wollen wir jetzt versuchen eine Uebersicht über die 
seltener vorkommenden Fälle 
zu geben. Leider reichen die 
vorhandenen Erfahrungen in 
manchen Beispielen noch nicht 
aus, um mit völliger Sicherheit 
zu entscheiden, welche von 
den beiden fraglichen Rassen 
vorliegt. 

Verbänderungen kommen 
bei einigen käuflichen Pflanzen- 
sorten so häufig vor, dass Jeder 
sie leicht bekommen kann, sei 
es dass die fraglichen Varie- 
täten in ihrem Namen diese 
Eigenschaft verdanken, wie 
z. B. der Schwert-Hollunder 
(Sambucus nigra fasciata), sei 
es, dass sie nur als nebensäch- 
Fig. 111. Evonymus japonica. Ein verbän- liche Erscheinung auftreten, 
derter, vielfach gespaltener Zweig dieser ge- WIe beim japanischen Spin- 
wöhnlichen Gartenpflanze. a 5b Jahrestriebe delbaum ( Evonymus japonikca, 
en De hr nd Ey Fig. 111). Wo die Sorten vor- 

wiegend oder ausschliesslich 
auf vegetativrem Wege vermehrt werden, besteht die Möglichkeit, dass die 
Anomalie, trotz geringer Erblichkeit, doch eine sehr häufige Erscheinung 
sein kann, wie z. B. bei Lilium speeiosum album corymbiflorum und bei 
der sogenannten schwertförmigen Varietät von Fritillaria imperialis. 
Auch die bekannten monströsen Gactus-Arten wären hier zu nennen 
(©. peruwvianus monstrosus). Prüfungen dieser Missbildungen auf ihre 
Constanz bei Aussaat scheinen noch nicht gemacht worden zu sein. 

Ebenso verhält es sich mit vielen Baumarten und Sträuchern, 
von denen jeder Sammler leicht verbänderte Zweige erhält. Ich 


Halbrassen mit erblicher Verbänderung. 599 


nenne aus meiner Sammlung beispielsweise Fraxinus excelsior, Alnus 
glutinosa, Orataegus nigra, Axalea indica, Robinia Pseud-Acacia, Salix 
purpurea, Salix alba, Spiraea callosa atropurpurea. Ferner erhielt ich 
durch die Güte des Herrn Prof. W. Jomannsen in Kopenhagen sehr 
schöne, breite Verbänderungen der unterirdischen Ausläufer von 
Spiraea sorbifolia aus der Gärtnerei des Herrn ZEINER in Lessen. Es 


Fig. 112. Helianthus tuberosus. Ein fasciirter Spross, der sich im Knoten bei «a in 
zwei nahezu gleich starke Gabelzweige 5 und ce spaltet. In der Gabelung stehen 
zwei Blätter (d), deren Mittelnerven mit ihrem Rücken !zusammengewachsen sind.! 


sind dies dieselben Verbänderungen, welche früher von Caspary be- 
schrieben und abgebildet worden sind, und welche somit bei der 
genannten Art öfter vorzukommen scheinen.? 


! Dieses merkwürdige Vorkommniss am Rücken verwachsener Blätter in der 
Gabelung gespaltener Zweige habe ich auch bei Robinia Pseud- Acacia und 
Evonymus japonica beobachtet (Prinssn, Jahrb. f. wiss. Bot., XXIII, S. 81) und 
ebenso bei Collinsia heterophylla (1892), Epilobium hirsutum (1892), Echium vul- 
gare (1892), Chrysanthemum segetum (1892), Agrostemma Githago (1892 und 1894), 
Acer Pseudo- Platanus (1891), Crepis biennis (1893), Amarantus speciosus (1894), 
Mercurialis annua (1894) und Lamium purpureum (1895). 

® R. Caspary, Eine gebänderte Wurzel von Spiraea sorbifolia L. Schriften 
d. Physik. Oee. Ges. Königsberg. 1878. XIX. S. 149, Taf. IV. Es war aber 
keine Wurzel, vergl. Prnzıc, Teratologie I. 8. 421. 


554 Die Inconstanzx der verbänderten Rassen. 


Auch an perennirenden Kräutern kommen Verbänderungen 
haufig vor. Man beobachtet dann mehr oder weniger regelmässig, 
wenn man dieselbe Pflanze oder doch dieselbe Gruppe in verschiedenen 
Jahren untersucht, dass die Erscheinung sich wiederholt. So besitzen 
wir im botanischen Garten zu Amsterdam ein Exemplar von Sonchus 
palustris. auf welchem ich im Jahre 1890 zum ersten Male einen pracht- 
vollen hohen verbänderten Stengel beobachtete. Seitdem zeigt die 
Pflanze fast jährlich eine oder mehrere solche Gebilde, bisweilen von 
2 Meter Länge, bisweilen bis auf 1 Meter verkürzt und bis 6 Cm. an 
Breite auf einer Dicke von 1 Cm. erreichend. Unten, wo sie aus der 
Erde hervortreten, sind diese Stengel 
noch cylindrisch, nach oben verbreitern 
sie sich ganz allmählig. 

Aehnliche Fälle boten mir Aconilum 
Napellus, Helianthus tuberosus (Fig. 112) 
im Garten, Justieia superba, in den Ge- 
wächshäusern, Agrimonia Pupatoria und 
Ohrysanthemum Leucanthemum im Freien. 
An ein- und zweijährigen Arten be- 
obachtete ich Verbänderungen häufig, so 


selben Standortes im Laufe einiger Jahre 
bei Raphanus Raphanistrum, Pedieularis 
palustris und Oenothera biennis, und in 
meinen Culturen von Amarantus speciosus, 
Helianthusannuusund Oenothera Lamarcki- 
ana wiederholte sich die Anomalie im 


Fig. 113. Plantago tanceolata. Laufe von zehn Jahren fast jährlich.! 
Zwei-, drei- und vierfach gespaltene So 
Blüthenähren. Cultur 1894 u. 1895. Zu den sehr bekannten Beispielen 


gehört auch die Zuckerrübe, von 
der man wohl jährlich hier und dort auf den Feldern verbänderte 
Samenträger findet. Oft kommen darunter ganz lange und breite, 
völlig flache Stengel vor. Obgleich sie selbstverständlich bei der 
Selection nicht berücksichtigt werden, beweist die regelmässige Wieder- 
holung doch ohne weiteres die Erblichkeit der Anomalie. 
Ferner erwähne ich noch Flantago lanceolata von der ich im ersten 
Bande die var. ramosa ausführlich beschrieben habe (Bd.I, S. 514), und 
welche ich seit 1889 alljährlich eultivire. Sie bildet von Zeit zu Zeit 


! Ausführlicheres hierüber und weitere Beispiele findet man in Over de 
erfelykheid der faseiatien. Botanisch Jaarb. Gent 1894. 8. 72. 


namentlich in vielen Exemplaren des- 


Mittelrassen mit erblicher Verbänderung. 999 


gespaltene Blüthenähren (Fig. 113), namentlich unter den am Grunde 
unverzweigten, also atavistischen Inflorescenzen. Oftenbar ist die 
Anomalie in dieser Rasse im latenten Zustande und in geringem 
Grade erblich. 

Ebenso berichtet N. MEzzana über einen verbänderten Stengel 
von Cueurbita Pepo, dessen Gipfel über einer Länge von 1 Meter sich 
alimählig verbreiterte und dicht mit 
Blättern und Blüthen besetzt war. An 
sehr verschiedenen Exemplaren, aus 
ebenso vielen Samen derselben Frucht 
hervorgegangen, wurde diese Erscheinung 
beobachtet, und MrzzanaA schliesst dar- 
aus auf eine erbliche Tendenz zu dieser 
Anomalie.! Und der Umstand, dass ich 
selbst bei meinen Culturen von Oueurbita 
Pepo mehrfach solche Verbänderungen 
fand, bestätigt diese Folgerung. Auch 
bei Artemisia Absynthium sind Verbän- 
derungen bisweilen sehr häufig; ich be- 
obachtete sie namentlich in den Jahren 
1883 (Fig. 114), 1887, 1888, 1889 und 
1890, und bei der Aufzucht von Keim- 
pflanzen wiederholte sich die Erscheinung 
in 1889 und 1891.?2 Diese Art empfiehlt 
sich auch wegen den merkwürdigen For- 
men, welche die verbänderten Zweige hier 
so häufig annehmen, ganz besonders zu 
weiteren Beobachtungen. 


$ 15. Mittelrassen mit erblicher Ver- 


bänderung. Fig. 114. Artemisia Absynthium. 
Ein verbänderter und dadurch 


Von einigen Pflanzenarten findet Se ea ms 
8 or. 


man im Freien, wenigstens in gewissen 

Gegenden, viel häufiger fasciirte Exemplare als von anderen. 
Es deutet dieses, nach meiner Erfahrung, auf das Vorkommen 
bestimmter erblicher Rassen hin, deren Individuen mit den Exemplaren 
der normalen Art gemischt, oder stellenweise sogar für sich allein 


U N. Mezzana, Sopra un caso di fasciazione nel fusto di Cueurbita Pepo. Bull. 
d. Soc. Bot. Italiana. Firenze 1899. p. 268—273. 
? Botan. Jaar!:. - Gent 1894. S. 97. 


556 Die Inconstanx der verbänderten Rassen. 


vorkommen. Solche Rassen bestehen, so weit ich sie kenne, nicht 
ausschliesslich aus verbänderten Pflanzen, sondern theilweise aus 
solchen, theilweise aus normal gebauten. Die letzteren kann man, 
ohne Culturen, nicht von den normalen Pflanzen der betreffenden Art 
unterscheiden, und daher bleibt es meist ungewiss, ob beide Rassen 
oder nur die erstere an einem gegebenen Fundort wachsen. Doch 
spricht die grosse Seltenheit meist für die erstere Möglichkeit. 

Die bis jetzt in dieser Weise aufgefundenen erblichen Rassen 
verhalten sich wie Mittelrassen, da sie in jeder Generation, auch bei 
sorgfältiger Auswahl der Samenträger, theilweise aus Erben, theilweise 
aus Atavisten bestehen. Und zwar scheint das Verhältniss dieser 
beiden Typen wenigstens bei ausreichend gleichen Lebensverhältnissen 
ein ziemlich constantes zu sein. Es erreicht meist etwa 40°, 
Erben und 60°/, Atavisten; höhere Procentsätze der ersteren 
pflegen nur unter besonders günstigen Umständen vorzukommen, 
während bei ungenügender Cultur das Verhältniss der letzteren, trotz 
der Selection, sehr leicht erheblich zunimmt. 

Zunächst beschreibe ich als Beispiel Orepis biennis, eine aus- 
schliesslich zweijährige Pflanze von der in meinem Vaterlande verbän- 


derte Stengel vielfach und an verschiedenen Stellen beobachtet worden 


sind. Den Ausgangspunkt für meine Öultur bildeten zwei Fasciationen, 
welche ich im Mai 1886 auf einer Wiese unweit Hilversum unter 
hunderten von normalen Crepis-Pflanzen fand. Sie zeigten nur am 
Gipfel ganz geringe Verbreiterungen. Auf dieser Wiese sammelte 
ich im Juni reife Samen, und zwar standen nur solche von normalen 
Exemplaren zur Verfügung. Ob diese alle oder theilweise der ge- 
suchten Rasse angehörten, liess sich selbstverständlich nicht unter- 
scheiden. 

Aus diesem Samen hatte ich im nächsten Jahre 100 Pflanzen, 
von denen drei bereits in der Rosette verbändert waren, während 
neun im zweiten Jahre mehr oder weniger deutliche Fasciationen am 
Stengel oder an den Seitenzweigen ausbildeten. Also zusammen 
etwa 12°/,. Um völlig sicher zu sein, behielt ich aber nur die erst- 
genannten als Samenträger und merzte alle anderen von der Blüthe aus. 

Von diesen drei Pflanzen stammt also meine Rasse ab. Bezeichne 
ich die wildwachsenden Exemplare von 1886 als erste Generation, sO 
lebte die zweite in 1887—1888, die dritte in 1889—1890 u. s. w. 
Diese dritte umfasste 120 Pflanzen, von denen 48 oder etwa 40°, 
bereits im Winter im Herzen der Rosette eine kammförmige Vege- 
tationslinie zeigten. Diese Linie war in einzelnen Exemplaren bis zu 
6 Cm. lang. Ich wählte die drei schönsten Fasciationen als Samen- 


a7 


oO | 


Mittelrassen mit erblicher Verbänderung. 


träger aus und entfernte alle übrigen von der Blüthe. Die aus 
diesen Samen erhaltene vierte Generation war etwas weniger reich 
an Verbänderungen, da sie deren nur 30°/, enthielt; und die fünfte 
zeigte noch eine weitere Abnahme, bis zu 24°/,.! Die sechste Gene- 
ration (1595 —1896) war sehr reich an Verbänderungen, welche in 10 
der 40 Pflanzen eine Vegetationslinie von 4—7 Cm. bildeten. Die 
übrigen geringeren Fasciationen sind leider im Winter vor dem Zählen 
grösstentheils verloren gegangen und konnte eine genauere Procentzahl 
dadurch nicht ermittelt werden. Jedenfalls war es aber klar, dass die 
Rasse sich besser verhielt als in den beiden vorigen Generationen. Auch 
in der nächstfolgenden, siebenten Generation habe ich nur vor Anfang 
des Winters die verbreiterten Rosetten gezählt, und fand 10 solche 
auf 49 Pflanzen, also etwa 20°/,. Die achte Generation habe ich 
erst 1902 ausgesät, und zwar gleichfalls in sehr geringem Umfange. 
Sie fing im Winter 1902—1903 an, ihre Kämme zu zeigen. 

Fassen wir das Mitgetheilte kurz zusammen, so sehen wir, dass 
die im Freien ohne Wahl eingesammelten Samen etwa 12°/, ver- 
bänderte Nachkommen gaben, dass aber die Samen von den besten 
Erben im Laufe von fünf weiteren Generationen Erbzahlen gaben, 
welche zwischen 20 und 40°/, schwankten, und welche sich wahr- 
scheinlich in grösseren Culturen und bei günstigeren Lebens- 
bedingungen und namentlich bei Berücksichtigung etwaiger Fasciationen 
an den Seitenzweigen, wohl noch etwas höher gestaltet haben würden. 
Wir dürfen somit den Gehalt dieser Rasse als unter normalen 
äusseren Bedingungen ziemlich constant betrachten und ihn im 
‘ Allgemeinen auf etwa 30—40 °/, veranschlagen. 

Diese Zahl ist allerdings etwas niedriger als die normale Erbzahl 
der tricotylen Mittelrassen, welche wir im zweiten Abschnitt kennen 
gelernt haben. Dort betrug dieser Werth etwa 55°/,. Doch scheint 
mir diese Differenz keine sehr wesentliche, namentlich wenn man 
beachtet, dass die Tricotylie bereits in dem Samen entschieden ist, 
während zwischen dem Reifen der Samen der fasciirten Rassen und 
dem Sichtbarwerden ihres Merkmales eine lange Zeit vergeht, während 
welcher allerhand äussere Einflüsse noch auf das Ergebniss einwirken 
können. 

Ein zweiter Unterschied zwischen den verbänderten und den 
tricotylen Rassen bedarf gleichfalls einer kurzen Erörterung. Bei 
den letzteren führte die Selection sehr bald zum Ueberschreiten des 
anfänglichen normalen Werthes, und wurden Erbzahlen von 70—90 °/, 


1 Botanisch Jaarboek. Gent. 1894, S. 80 und 1897, S. 66. 


>58 Die Inconstanx der verbünderten Rassen. 


und darüber oft ohne zu viele Mühe erreicht. Bei den fascürten 
Rassen hält es aber sehr schwer, den Werth von etwa 40°/, wesent- 
lich zu übertreffen. Die Erklärung scheint mir im Folgenden zu 
liegen. Bei den Tricotylen findet eine doppelte Wahl statt, indem 
erstens die tricotylen Individuen zur Nachzucht bestimmt werden, und 
zweitens unter diesen eine Vergleichung stattfindet in Bezug auf den 
procentischen Gehalt der Samen jeder einzelnen Pflanze an drei- 
keimblätterigen Exemplaren. Und indem die Mütter mit den höchsten 
ürbzahlen ausgewählt werden, nimmt in der nächsten Generation 
die Erbzahl selbst bedeutend zu. Bei den fasciirten Rassen beschränkt 
man sich auf die Auslese der schönsten Verbänderungen, aber es 
liegt gar kein Grund vor, anzunehmen, dass diese auch gerade die 
höchsten Erbzahlen haben würden. Ein wesentlicher Theil der 
dortigen Selection unterbleibt hier also. Und zwar aus dem äusseren 
(runde, dass Erbzahlen hier nicht in den Keimschüsseln bestimmt 
werden können, sondern die volle Cultur im Garten erfordern. Wollte 
man für nur zwanzig Individuen die Erbzahlen aus je 100 Kindern 
ermitteln — was noch bei Weitem keine grosse Genauigkeit be- 
deuten würde — so würde man für Crepis etwa S0 Quadratmeter 
seines Gartens brauchen. Hoffentlich werden bald Institute errichtet 
werden, welche über solche Mittel verfügen.! 

Aehnlich wie Crepis biennis verhielten sich einige andere Arten, 
von denen es mir gelang Mittelrassen zu isoliren.” Zunächst nenne 
ich Aster Tripolium, von dem ich im Herbst 1900 ein prachtvolles 


verbändertes Exemplar mit reifen Früchten aus der hiesigen Gegend 


erhielt. Infolge einjähriger Cultur erhielt ich anfangs nur wenige 
Erben; ihre Zahl erreichte in der vierten Generation nur 7°/,. In der 
fünften Generation, im Sommer 1894, waren aber, bei besserer Be- 
handlung, mehr als die Hälfte der Exemplare verbändert, viele mit 
Stämmen von bis 3—4 Um. Breite. Geranium molle fasciatum werde 
ich im nächsten Paragraphen noch weiter besprechen; die Rasse 
trägt meist auf einem Drittel der Individuen fascürte Zweige. Im 
Jahre 1895 hatte ich die sechste Generation. Von Taraxacum offi- 
cinale fasciatum habe ich gleichfalls sechs Generationen cultivirt; sie 
brachten meist 30 °/, und mehr verbänderte Individuen hervor. Tetra- 
gonia expansa zeigt im botanischen Garten zu Amsterdam seit 1885 


' Mein Versuchsgarten umfasst nahezu T5 Beete von je etwa 4 Quadrat- 
meter Oberfläche. 

* Botanisch Jaarboek, Gent 1894 und Bull. Scientifique de la France et de 
la Belgique, publi@e par A. Gıarpd. XXVII. 1896. p. 402. 


—r- 


Die Bedeutung der Alawvisten. 559 


fast jährlich schöne Verbänderungen, deren Zahl in der vierten und 
fünften Generation nach der Isolirung etwas über 50 °/, der Individuen 
erreichte. 

Aehnlich verhielten sich meine fasciirten Rassen von Thrineia 
hirta, Veronica longifolia, Hesperis matronalis, Pieris hieracioides u. a. 

Im Allgemeinen kann man also sagen, dass solche 
Rassen, nach der Isolirung und bei guter Pflege und Auswahl 
der schönsten Verbänderungen als Samenträger, zur kleineren 
Hälfte aus fasceiirten Individuen, zur anderen aber aus 
anscheinend normalen, atavistischen Exemplaren bestehen. 
Dieses Verhältniss hängt aber in sehr hohem Grade von der Lebens- 
lage ab; es kann durch zweckmässiges Sorgen nicht unwesentlich 
erhöht werden, geht aber bei Vernachlässigung der Cultur bald auf 
sanz geringe Werthe herunter. 

Von den bekannten Fasciationen verhalten sich wahrscheinlich 
manche in derselben Weise. So hat KörnıckE seiner Zeit in Poppels- 
dorf eine fast völlig constante Rasse von fasciirten Erbsen (Pisum 
sativum) durch mehrere Jahre erzogen, und Amtsrath Rımrau theilte 
mir brieflich mit, dass er selbst von diesen Samen durch einige ‚Jahre 
in gutem Gartenboden diese verbänderte Rasse cultivirt und constant 
gefunden hat. Das im ersten Bande abgebildete Sedum reflexum 
eristatum (Bd. I, S. 128) fand ich gleichfalls bei Aussaat im hiesigen 
Garten sehr reich an Verbänderungen,. Auch Asparagus officinalis 
und mehrere andere Arten gehören vielleicht hierher. 


$ 16. Die Bedeutung der Atavisten. 


Wie bereits im Anfang dieses Kapitels (S. 543) hervorgehoben 
wurde, bildet eine richtige Würdigung desjenigen, was man hier unter 
Atavismus versteht, eine sehr wichtige Grundlage für unsere ganze 
Einsicht in die Frage nach der Erblichkeit der Verbänderungen, und 
somit der Anomalien überhaupt. Die Atavisten sind hier keine Indivi- 
duen, welche aus der Rasse heraustreten. Ganz im Gegentheil sind 
sie eigentlich nur als Exemplare zu betrachten, bei denen, aus irgend 
einem äusseren Grunde, die Anomalie während des ganzen Lebens 
unsichtbar bleibt. Für die Fortsetzung der Rasse wird man sie 
allerdings nicht vorzugsweise auswählen, doch taugen sie dazu im 
Grunde ebenso gut wie die verbänderten Individuen selbst. 

Ohne Zweifel bedarf es noch sehr ausgedehnter Untersuchungen, 
um ein völliges und eingehendes Verständniss der hier obwaltenden 
Gesetze zu erlangen, doch scheint mir das jetzt Bekannte ausreichend, 


560 Die Inconstanxz der verbänderten Rassen. 


um die Richtigkeit des ausgesprochenen Satzes zu beweisen. Zunächst 
führe ich die merkwürdige Thatsache an, dass die Anomalie in einer 
ganzen (reneration latent bleiben kann, ohne dadurch zu verschwinden 
oder auch nur merklich abgeschwächt zu werden. Ja, es können 
bisweilen zwei oder mehrere Geschlechter in dieser Weise über- 
sprungen werden. Ich führe einige Beispiele als Belege an.! Von 
Tetragonia expansa sammelte ich im Herbst 1887 Früchte auf sehr 
breiten Stengeln und hatte in den nächstfolgenden Jahren 1338— 1890 
drei weitere, an Verbänderungen mehr oder weniger reiche Gene- 
rationen. Von den schönsten Fasciationen von 1890 gaben die Samen 
aber im Jahre 1891 nur normale Pflanzen, welche auch an keinem 
Seitenzweige die Anomalie besassen. Die Pflanzen waren schwächlich, 
es schien, als ob die Monstrosität völlig verloren war. Aber aus den 
Früchten dieser Exemplare gingen im nächsten Jahre, 1892, vierzehn 
Pflanzen auf, von denen sieben, also die Hälfte, wiederum verbändert 
waren. Zwei Exemplare hatten je eine, zwei je zwei, zwei je drei 
und eine Pflanze hatte vier grosse Fasciationen. Und unter den 
Seitenzweigen war die Anomalie so reichlich vertreten, dass ich sie 
in nahezu einem Drittel aller Zweige auffand. Seitdem ist die 
Anomalie in dieser Rasse constant geblieben. In derselben Weise 
fehlte die Verbänderung in der dritten Generation meiner Rasse von 
Amarantus speciosus (1391), um in der vierten und fünften in 30 und 
50°/, der Individuen zurückzukehren. Auch bei Helianthus annuus 
fehlte sie in der dritten Generation (1889), während die vierte etwa 
20°/, verbänderte Individuen enthielt und die Anomalie seitdem 
constant blieb. Beim Mais fand ich verbänderte Kolben in einer 
Culturrasse in den Jahren 1888, 1889, 1892 und 1893, nicht aber in 
der zwischenliegenden Generation von 1891. Bei Pieris hieracioides 
habe ich aus den Samen einer Verbänderung von 1887 zuerst bei 
mangelhafter Öultur drei Generationen erzogen, welche keine Spur 
von Verbänderung auf vielen Hunderten von Aesten und Zweigen 
darboten. Erst die vierte Generation wiederholte die Erscheinung, 
obgleich nur in geringem Grade. Daneben cultivirte ich eine Rasse 
von zweijährigen Individuen, welche an schönen Verbänderungen in 
jeder Generation mehr oder weniger reich war.? 

In meiner oben beschriebenen Rasse von Orepis biennis habe ich 
im Sommer 1895 einige Atavisten vor der Blüthe isolirt.? Die Samen 


! Botanisch Jaarboek. Gent 1894. 
” Revue generale de botanique. 1899. T. XI. p. 136. 
° Botanisch Jaarboek. Gent 1897. p. 66. 


Die Bedeutung der Atavisten. 561 


wurden im nächsten Jahre ausgesät und lieferten ein Beet von über 
350 Pflanzen. Unter diesen zeigten im Winter etwa 20°/, der Rosetten 
eine kammförmige Verbreiterung im Herzen, welche in einigen bis 
5 Cm. Länge erreichte. Die Samen der Atavisten geben also nahezu 
eine ebenso grosse Aussicht auf schöne Verbänderungen als diejenigen 
der besten Erben. Und da die Monstrosität häufig die Pflanzen in 
nicht unbedeutender Weise schwächt, so wäre es vielleicht geradezu 
zweckmässig, die Samen der Atavisten oder doch der nur in Seiten- 
zweigen verbänderten Individuen zur Nachzucht zu wählen. 

Einen weiteren Beweis für den Satz, dass die Atavisten nur Erben 
mit latentem Merkmale sind, liefert das Studium des Einflusses der 
Düngung. Denn die Individuen, welche sich unter normalen günstigen 
Umständen wie Atavisten verhalten, können, wenigstens zu einem 
wesentlichen Theile, durch sehr starke Düngung noch zur Ausbildung 
von Verbänderungen gebracht werden. Ich machte mit derselben 
Rasse von Orepis biennis fasciata, welche alljährlich etwa 20—40 °/, 
verbänderte Individuen enthielt, im Jahre 1895 einen Versuch, indem 
ich eine Gruppe von 41 Pflanzen sehr stark mit Hornmehl düngte. 
Von diesen blieben bis zur Samenreife nur sechs ohne Verbänderung; 
es zeigten also jetzt etwa 85 statt 40 °/, die Anomalie. Dabei standen 
die Pflanzen ziemlich dicht, in Entfernungen von nur etwa 20 Cm.; 
hätte ich ihnen mehr Raum gegeben, so wäre es vielleicht gelungen 
in allen die Abweichung zur Schau zu 'bringen.! 

Besonders geeignet zu einem Studium des Atavismus ist die 
fasciirte Handelsrasse Celosia eristata, welche allgemein als Hahnen- 
kamm bekannt ist. Die grossen Kämme, welche man in den Gärten 
von dieser beliebten Pflanze sieht, sind nur die ausgewählten, besonders 
gut gepflegten und wohl gelungenen Individuen, also die extremen 
Plus-Varianten der Rasse.” Alles Uebrige wirft der Gärtner bereits 
in der Jugend weg. Wünscht man aber zu wissen, wie sich die 
Rasse wirklich verhält, so muss man selbst Aussaaten machen und 
alle Individuen ohne Wahl auspflanzen und weiter cultiviren. Bekannt- 
lich erhält man dann viele Pflanzen mit verzweigten Hauptstämmen 
und mit weit geringeren Graden der Verbänderung (Fig. 115 und 116). 
Durch die Auswahl dieser Minus-Varianten zur Weiterzucht könnte 
man hoffen, wie Sonms-LauBacH hervorhebt, schliesslich die nicht fas- 
clirte Stammform dieser so stark veränderten Culturpflanze zu erzielen.® 


! Botanisch Jaarb., 1897, p. 66 und Bull. Seientif. a. a. ©. T.XXVI. p.413. 
° Ueber die Cultur dieser Sorte vergl. Mörter's Deutsche Gartenzeitung. 
1892. S. 200. 
® H. Sorus-Lausacu, Bot. Zeitung. 1900. 8. 42. 
DE Vrıes, Mutation. IT. 36 


562 Die Inconstanxz der verbänderten Rassen. 


Dazu wäre aber, nach der in diesem Buche vertretenen Auffassung, 
eine Mutation erforderlich, und solche treten bis jetzt nur äusserst 
selten und nur ganz zufällig ein, wenn man nicht gerade einer Pflanze 
in einer Mutationsperiode begegnet. 

Während einer Reihe von ‚Jahren, von 1893 bis 1897, habe ich 
mich bemüht, eine Rasse ohne Verbänderungen zu erhalten, aber 
vergeblich. Und da es Regel ist, dass günstige Umstände den Ano- 
malien förderlich sind und es also stets die am schlechtesten ernährten 
und schwächsten Exemplare waren, welche die kleinsten Verbänderungen 


Fig. 115. Celosia eristata. Eine nahezu ganze Pflanze bei Cultur ohne specielle 
Sorgen. Gipfel kammförmig, aber klein. Die meisten Seitenzweige waren gleichfalls 
an der Spitze verbreitert. 


trugen, so habe ich schliesslich den Versuch aufgeben müssen, da 
meine Rasse allmählich ganz schwächlich wurde, ohne den gewünschten 
Erfolg zu bringen. 

Im Jahre 1893 erzog ich aus käuflichen Samen etwa 50 Pflanzen,! 
aber ohne die vorschriftsmässigen Sorgen. Die meisten machten 
dennoch Kämme und zwar in jedem Grade der Ausbildung, meist 


! Die Ebene der Verbänderung ist die Medianebene der Cotylen; ebenso 
bei Orepis biennis. Diese Thatsache dürfte als Ausgangspunkt für ontogenetische 
Studien über die Fasciationen zu empfehlen sein. 


Die Bedeutung der Atavisten. 69 


aber nur von 5—10 Cm. Breite. Sechs Pflanzen hatten am Gipfel 
des Hauptstammes eine Aehre mit einem kleinen Kamme an der 
Spitze, in sechs anderen fehlte dieser Kamm, obgleich hier und dort 
unter den Seitenzweigen kleine Verbänderungen vorkamen. Diese 
sechs wurden als Samenträger isolirt. Aus ihren Samen erhielt ich 
ım Jahre 1894 die zweite Generation, in der etwa die Hälfte der 
Individuen eine ährenförmige Gipfelinflorescenz 
ohne Kamm trug. Es waren 41 Exemplare; 
die übrigen 53 hatten Kämme von 1—3 Cm. 
Breite und wurden ausgemerzt. Von den ge- 
wählten Atavisten bildeten mehrere noch seit- 
liche Kämme und wurden dann jedesmal ver- 
nichtet, bis am Ende bei der Samenernte nur 
fünf Pflanzen ohne jede Spur von Verbänderung 
bei reichlicher Verzweigung übrig blieben. Im 
nächsten Jahre gab es 29 Pflanzen mit ge- 
ringen Kämmen und sechs ohne solche: diese 
wurden wiederum als Samenträger isolirt. Im 
Jahre 1896 hatte ich 38 Individuen, welche 
jetzt ausnahmslos Kämme bildeten, und zwar 
von 2—8-5 Cm. Breite, im Mittel etwa 4-5 Cm. 
Nur eine Pflanze hatte am Gipfel des Haupt- 
sprosses keinen Kamm, dafür aber einen ziem- 
lich stark verbreiterten Seitenzweig. Diese 
und diejenigen mit den kleinsten endständigen 
Kämmen dienten als Samenträger. Auch im 
nächsten Jahre (1897) erhielt ich keinen Fort- 
schritt, indem es wiederum nur ein einziges 
schwaches Exemplar ohne Kämme gab. Ich ME 
habe dann die Cultur, wenigstens vorläufig, ee ne 
aufgegeben und folgere, dass vollständige hohen, reich verzweigten 
Atavisten bei der Celosia ceristata sehr selten Pflanze, deren Inflores- 
E ara: : F cenzen ährenförmig sind, 
sind, und auch bei wiederholter Selection in aber meist eine kamm. 
der Minus-Richtung nur in sehr geringer förmige Spitze haben. 
Anzahl erhalten werden. Eine Aussicht auf 

eine rein atavistische „Rasse“ scheint bis jetzt nicht vorhanden 
zu sein. 

Die mitgetheilten Erfahrungen zeigen, dass es, in verbänderten 
Rassen, zwischen den Erben und den Atavisten keine scharfe Grenze 
giebt. Dasselbe lehrt auch die statistische Untersuchung, sobald es 
gelingt, ein ausreichendes Material durch Cultur herbeizuschaffen. 

36* 


564 Die Jnconstanz der verbänderten Rassen. 


Ich wähle en ae die ne De en Be von 
Orepis biennis fasciata als Beispiel.! 

Um eine reine Öurve zu erhalten, säte ich im März 1594 die Samen 
eines einzigen, stark verbänderten Exemplares der dritten Generation 
meiner Rasse (1890); die Pflanze hatte zusammen mit zwei anderen 
gleich stark fasciirten Individuen derselben Herkunft, sonst aber völlig 
isolirt geblüht. Die Samen wurden in Schüsseln im Gewächshause 
ausgesät und nachher in den erforderlichen Entfernungen auf die 
Beete ausgepflanzt; viele Exemplare bildeten bereits im ersten Jahre, 
als Rosetten von Wurzelblättern, einen Vegetationskamm aus; andere 
fingen erst während des Emporschiessens im zweiten Jahre an sich 
zu verbändern, noch andere blieben bis zur vollständigen Ausbildung 
aller Zweige ohne Kämme. Die Lebensbedingungen wurden so günstig 
wie möglich gemacht, und dementsprechend erhielt ich einen ver- 
hältnissmässig hohen Procentsatz an Erben. Als ich im Juni des 
zweiten Jahres die Pflanzen untersuchte, erhielt ich die folgenden 
Ergebnisse: 


Stengel ohne Verbänderung . . . 33 
„ mit geringen Veränderungen am Gipfel 9 

5 von unten bis oben verbreitert . . . 108 
Summe: 150 


Die 108 letzteren Pflanzen hatten die folgenden Breiten des Stengels: 


Cm. 2 Fa 24775677 89T Ss HA 
104.2 9.2°7975 ar rer EN Tree 


Diese Zahlen sind in der Fig. 117 im der Form einer Curve 
zusammengestellt. Dabei bedeutet 0 die Gruppe der 33 Atavisten, 
1 die neun Exemplare mit cylindrischem Stengel und geringer Ver- 
breiterung am Gipfel, während 2—20 die Breite der Stämme in 
Centimetern andeuten. 

Wie man sieht, ist die Curve eine zweigipfeligse. Den einen 
Gipfel bilden die Atavisten (a), den anderen die Fasciationen von 
mittlerer Breite (b), hier also von etwa 9 Cm. In Worten ausgedrückt, 
lehrt die Zahlengruppe uns, dass Uebergänge zwischen den 


normalen Verbänderungen und den Atavisten zwar vor- 


kommen, aber verhältnissmässig selten sind. Die Rasse 


bildet vorzugsweise die beiden Typen rein aus, und so verhält es 


sich, wie die allgemeine Erfahrung lehrt, auch bei den zufällig auf- 
gefundenen Fasciationen und bei sehr vielen anderen Monstrositäten. 


' Sur les courbes Galtoniennes des monstruosites. Bull. Scientif., publie par 
A. Gıarp XXVII. 1896. p. 396. 


? 


Die Bedeutung der Atavisten. 565 


und der Hemisyncotylen, sowohl bei gelegentlichen Funden als in 
den im zweiten Abschnitte dieses Bandes beschriebenen tricotylen 
und syncotylen Rassen. 

Aehnliche Resultate erhält man auch bei der Prüfung anderer 
verbänderter Rassen. So erhielt ich z. B. bei Aster Tripolium bei 
zweijähriger Cultur in der fünften Generation meiner fasciirten Rasse: 


Ohne Verbänderung Mit Verbänderung 
Cm. = 1 2 3 4 5) 6 
Individuen 16 2 6 8 1 1 1 


Also auf 35 Exemplaren einen sehr deutlichen Gipfel der 
Atavisten, und einen Gipfel der Erben bei einer mittleren Breite 
des Stammes von 3 Cm.! 

Eine mehrsgipfelige | 
Curve erhielt ich bei |” 
der statistischen Unter- 
suchung meiner Rasse 
von Geranium molle fas- 
ciatum. Diese Rasse? 
zeichnet sich besonders b 
aus, weil die Stengel be- 
kanntlich einen sympodi- 
alen Bau haben (Fig. 118). 
- Demzufolge erstreckt 
sich die Anomalie in der 
Regel jedesmal nur über „733336733 1011213 1415 16 1718 19 20 
ein einzelnes Glied des 2 = de 
S R Fig. 117. Crepis biennis fasciata. Curve über die 

ympodiums, kann aber Breite der Hauptstämme aller Individuen aus meiner 
deren auch zwei oder Cultur von 1895. Die Zahlen unter der Abseisse 
en f . d deuten die Breite der Stämme in Centimetern an, 
a zeInangEer 0 Stamm rund, 1 Stämme nur am oberen Ende und 
folgende umfassen. Auf 2—20 die Stämme auf der ganzen Länge abgeflächt. 
diese folgen dann wie- Die Höhe der Ordinaten weist die Anzahl der In- 


EM ı dividuen an. Gesammtzahl 150 Individuen. « Gipfel 
der atavistische Glieder. der Atavisten, 5 Gipfel der Erben.? 


Jedes Glied schliesst mit 
einer Endblüthe ab; auf den fasciirten Theilen sind diese Blüthen 
verbreitert und gewöhnlich mehr oder weniger gespalten, indem die 


| 


' Revue generale de botanique. 1899. T. XI. p. 143. 
” Botanisch Jaarb. Gent, 1894, S. 81 und 1897, 8. 67. 
2=Buü. Seientif. a. a.0. Bd. XXVII, S. 397. 


566 Die Inconstanx der verbänderten Rassen. 


Frucht bisweilen ein einzelnes flaches Band bildet (Fig. 119e) oder 

ein solches nebst einer oder zwei seitlichen, häufig fünfgliederigen 

Nebenfrüchten aus derselben Blüthe (Fig. 119c, d), oder endlich kann 

die ganze Frucht in zwei oder drei annähernd gleiche Theile gespalten 

sein (Fig. 119 d)). Bei allen 

? diesen Spaltungen beobachtet 

wer man eine Vorliebe für die nor- 

ec male Fünfzahl, indem die seit- 

z DE E lichen Gruppen diese meist ge- 

RT nau oder doch annähernd auf- 
weisen. 

Meine Rasse fing mit einem 
u im Jahre 1888 im Freien auf- 
> gefundenen Exemplare an, und 
brachte in der dritten und vierten 
Rx Generation 23>—30°/, Individuen 

mit Verbänderungen. Die beiden 

folgenden Generationen waren 

N viel reicher; die sechste enthielt 

auf einer Oultur von 220 Pflanzen 

65 °/, verbänderte Individuen 

und diente mir zu der hier zu 
beschreibenden statistischen 


GG % Prüfung. DBehufs dieser sam- 

DM melte ich, kurze Zeit vor der 

2 Reife, auf einer gewissen Anzahl 

e / von Exemplaren alle abweichen- 
Ares den Blüthen und zählte davon 


ohne Wahl auf 120 einzelnen 
4 Blüthen die Anzahl der Frucht- 
Fig. 118. Geranium molle fasciatum. Fas- fächer oder der Narben aus. 
ciirte Zweige mit verbreiterten Früchten abe. Die erhaltenen Zahlen waren 
Diese sind gespalten. j 
die folgenden: 


Anzahl der 
Narben 6789 10 11. 12 13 14 15 16717718 19 720 
Blüthen 3 9 4 5 10 15 2 2101256 3. 7 >50 Gear 


Die normalen Blüthen habe ich nicht gezählt, sie bildeten gegen- 
über der ganzen Gruppe der verbänderten eine weit überwiegende 
Mehrzahl. In der Curve Fig. 120, welche die gegebene Zahlenreihe 


graphisch darstellt, ist also der Gipfel der Atavisten a nur angedeutet 


worden. 


Die Bedeutung der Atavisten. : 567 


Die Nebengipfel fallen auf 11 (10), 15 und 20 Narben; die 
normale Fünfzahl der Blüthen spricht sich also deutlich in einer 
Vorliebe für die Ausbildung der mehrfachen Werthe aus.! 

Abgesehen von dieser merkwürdigen Eigenthümlichkeit bestätigt 
diese Curve wieder das Hauptresultat, dass geringe Grade von Ver- 
bänderung verhältnissmässig selten sind, und dass die atavistischen 
und abnormalen Blüthen zwei getrennte, wenn auch durch Ueber- 
gänge verbundene Gruppen 
darstellen. 

Fassen wir das Gesagte 
kurz zusammen, so finden 
wir, im Bezug auf die fas- 
eiirten Mittelrassen das Fol- 
gende: 

2 Die. Rassen be- 
stehen stets aus verbän- 
derten Individuen und 
aus Atavisten. 

2. Der Reichthum an 
Erben schwankt sehr, be- 
trägt oft 40°, oder we- 
niger, nicht selten aber 
mehr (Geranium und Crepis 


bis zu 65 und 85 °/,; Celosia 
Fig. 119. Geranium molle fasciatum. «a Frucht 


cristala). mit 6 Einzelfrüchtchen. 5 Gespalten in eine 
3. Die Erben und Ata- 4- und eine 5-zählige Gruppe. c Gespalten in 


Ysten sind durch Uebergänge ri, Gruppen, welch BT un 5 Kittel 
verbunden; diese sind aber die andere 5 Fächer und Narben. e Frucht 
selten, die statistischen Cur- mit 33 Fächern und Narben. (1895.) 
ven daher zweigipfelig. 

4. Das betreffende Verhältniss ist im höchsten Grade von der 
Lebenslage abhängig; diese kann Atavisten in Erben und Erben in 
Atavisten umändern. Selbstverständlich findet die Umänderung in 
der sensiblen Periode der Jugend statt, bevor das betreffende Merk- 
mal sich ausbildet. 

d. Die Nachkommen der Atavisten enthalten 
ebenso gut, und wenigstens oft nahezu ebenso 
zahlreiche abnormale Exemplare wie die Nach- 


‘ Weitere Untersuchungen über diesen Punkt scheinen mir sehr er- 
wünscht. 


568 Erbliche Zwangsdrehungen. 


kommen der Erben; sie können somit zur Fortsetzung der 
Rasse ohne Weiteres dienen. 


5 on 15 20° MER23 | 


Fig. 120. Geranium molle fasciatum. Curve über die Zahl der Fruchtfächer in den 
einzelnen Blüthen der sechsten Generation. Juni 1895. a Anzahl der normalen Blüthen 
weit über 100. Anzahl der Blüthen mit 6—23 Narben 120. 


6. Einen wesentlichen, durchgreifenden Gegensatz giebt es also, 
trotz der grossen äusseren Verschiedenheit, in diesen Rassen zwischen 
den abnormalen Exemplaren und den Atavisten nicht. 


V. Erbliche Zwangsdrehungen. 


Tafel IV. 


$ 17. Die spiralige Blattstellung. 


Weit auffallender als bei den Verbänderungen ist der Unter- 
schied zwischen normalen und abnormalen Exemplaren bei den 
Zwangsdrehungen. Valeriana offieinalis ist eins der bekanntesten und 
am häufigsten abgebildeten Beispiele (Fig. 121). Der ganze Stengel 
kann hier, statt über einen Meter hoch zu werden, bis zu einem 


Die spiralige Blattstellung. 569 


Decimeter hinabgedrückt werden, während er dabei sich mehr oder 
weniger trichterförmig erweitert. Die Blätter stehen im unteren Theile 
spiralig; weiter hinauf wird die Schraube allmählich steiler, bis 
schliesslich im oberen, erweiterten Theile die Blätter alle, wie eine 
Fahne, nach einer Seite gerichtet sind. Die Gipfelblüthen überragen 
die höchsten Seitenzweige der Inflorescenz nicht oder nur sehr wenig. 
Nicht jeder Stengel einer zwangsgedrehten Pflanze entwickelt 
diese Anomalie. Ganz im Gegentheil sind es deren in der Regel 
nur sehr wenige. Ich besitze 
seit 1859 im Botanischen 
Garten zu Amsterdam ein 
Exemplar, welches sich durch 
Ausläufer allmählich vermehrt 
hat und jetzt eine Fläche 
von mehreren Quadratmetern 
überdeckt. Es bringt jähr- 
lich Zwangsdrehungen hervor, 
aber diese bleiben selten, meist 
nur 1—3 aufvielen Hunderten 
von normalen Stengeln. 
Genau so verhält es sich 
bei der Vererbung, und zwar 
sowohl bei der Valeriana als 
bei anderen Arten. Nur wenige 
Pflanzen wiederholen in der 
Regel die Anomalie, auch 
wenn man die Samen auf den 
schönsten Stengeln eingesam- 
melt hat. Wirklich reiche 


Rassen sind bis jetzt noch sehr Fig. 121. Valeriana offieinalis. Eine ganze 

lien in einem Pflanze, deren Stamm nur etwa 10 Cm. an Höhe 
? erreichte. Nach dem Leben photogr. Juni 1900. 

der nächsten Paragraphen Blätterreihe unten spiralig, oben einseitig. 


zusammengestellt werden. 

Diese Seltenheit war die Ursache, dass man bis vor etwa einem 
Jahrzehnt die Zwangsdrehungen für nicht erblich hielt. Man meinte, 
dass sie durch bestimmte äussere Einflüsse hervorgerufen wurden, 
welche jedesmal auf das betreftiende Individuum unmittelbar einwirkten. 
Der Nachweis der zwangsgedrehten, völlig erblichen, und trotz eines 
hohen Gehaltes an Atavisten im Laufe der Generationen sich gleich 
bleibenden Rasse von Dipsacus syWestris torsus, wie ich sie seit 
13 Jahren cultivire und wie sie auf unserer Tafel IV nach photo- 


7 


IT0 Br blie he Zw angadr ehungen. | 


graphischen en meiner en abgebildet wor an ist, sowie eine 


lange Reihe von weiteren Beobachtungen über die Vererbung dieser 


Zwei 
w Wurzel, 
r Stengel mit den Narben der Wurzel- 
blätter und bei I—5 den einzelnen Win- 


Fig. 122. Dipsacus syWwestris torsus. 
zwangsgedrehte Hauptstämme. 


dungen der Blattspirale. g Stiel der gipfel- 
ständigen Inflorescenz. A Blattspirale links 
gedreht, Stengel nach rechts tordirt. 
B Blattspirale rechts aufsteigend, Stengel 
nach links tordirt. Stengel dick und hohl. 


Anomalie bei anderen Pflanzen, 
haben wohl jeden Zweifel in dieser 
Richtung beseitigt. 

Zwangsdrehungim eigentlichen 
Sinne kommt nur bei Arten vor, 
welche normal eine decussirte oder 
wirtelige Blattstellung haben, und 
beruht darauf, dass diese letztere 
sich verändert und spiralig wird. 
Demzufolge stehen die Blätter in 
einer unabgebrochenen Schrauben- 
linie, auf welcher sie seitlich mit 
ihren Füssen mit einander mehr 
oder weniger fest verbunden sind 
(Fig. 122). Nur selten gelingt es 
dem Wachsthum, dieses Band zu 
zersprengen, es werden dann 
mitten im gedrehten Theil ge- 
streckte Internodien eingeschoben. 
Nicht selten dagegen ist die Tor- 
sion auf eine grössere oder kleinere 
Strecke beschränkt (verg. z. B. 
unten Dianthus, Fig. 128), ja im 
Grunde ist wohl kein einziger 
Stengel gleich vom Anfang an in 
diesem Sinne abnormal. 

Die Folge der Verbindung der 
Blattfüsse zu einem continuir- 
lichen Bande ist eine Hemmung 
der Streckung des Stengels, wie 
man leicht begreifen kann. Die 
Internodien können sich nicht in 
der normalen Weise ausdehnen, 
und indem sie ihre Verlängerung 
dennoch anstreben, entwinden sie 
die Blattspirale theilweise. Diese 
wird dadurch steiler und nicht 
selten im oberen, sonst am 
stärksten in die Länge wachsenden 


Die spiralige Dlattstellung. al 


Theile des Stengels zu einer geraden Linie völlig entwunden. Die 
Blätter und ihre Achselsprosse stehen dann alle auf einer Längslinie 
(Fig. 121). Dieses kann aber offenbar nur dadurch erreicht werden, 
dass der Stengel selbst sich tordirt, und zwar in der entgegengesetzten 
Richtung der Blattspirale (Fig. 122). Im Inneren des gedrehten 
Stengels findet man, falls dieser hohl ist, selbstverständlich die Dia- 
phragmen, welche sonst in den Knoten vorhanden sind, als solche 
nicht. Auch sie sind unter sich zu einer durchgehenden Schrauben- 
linie verbunden, welche im Inneren genau der äusseren Blattspirale 
entspricht. 

Die gedrehten Stengel sehen aus wie aufgeblasen (Fig. 121 u. 122); 
sie sind viel dicker als die normalen derselben Art. Das Längen- 
wachsthum ist sozusagen in ein tangentiales Wachsthum umgesetzt 
worden, wie der Lauf der sonst vertikalen Rippen unserer Figuren 
deutlich zeigt. Je länger die betreffenden Internodien an den nor- 
malen Individuen sind, um so breiter sind die entsprechenden Stellen 
an den zwangsgedrehten. Dadurch erklären sich die kegelförmige 
Gestalt der YValeriana sowie die übrigen specifischen und localen 
Unterschiede. 

Nach dieser Beschreibung geht also eine Torsion des Stengels 
nach rechts (aufsteigend in der Richtung der Bewegung der Zeiger 
einer Uhr) mit einer linken Blattspirale zusammen und umgekehrt 
(Big. 122). 

Die hier gegebene Erklärung wurde zuerst von Braun aufgestellt, 
später von KLEBaHnn durch mikroskopische Untersuchung der Stengel- 
spitze eines gedrehten Galiums bewiesen,! und kann jetzt von Jedem 
an meinen erblichen Rassen leicht controllirt werden.? 

Bei Dipsacus sylvestris torsus erkennt man die spiralige Blatt- 
stellung bereits gegen das Ende des ersten Sommers im Herzen der 
Rosette von Wurzelblättern, und zwar mit dem unbewaffneten Auge 
und ohne Verletzung der Pflanzen. Bei der Keimung und in der 
ersten Jugend stehen bei allen Individuen, mit höchst seltenen 
Ausnahmen, die Blätter decussirt (Fig. 123 A), erst später macht 
diese Anordnung für die spiralige Platz, und zwar in einigen Indivi- 
duen früher als in anderen. Untersucht man dann das Herz der 
Pflanze bei starker Vergrösserung auf einem Querschnitt in der Höhe 


! Ar. Braun, Monatsber. der k. Akad. d. Wiss. Berlin 1854. 8.440. Vergl. 
Bot. Zeitung. 1873. S. 31. H. Kırsans, Ber. d.d. bot. Ges. Bd. VI. 8.346. Vergl. 
ferner: Ueber die Erblichkeit der Zwangsdrehungen, ebendaselbst. Bd. VII. 8. 291. 

® Für die Literatur vergl.: Monographie der Zwangsdrehungen. Jahrb. f. 
wiss. Bot. Bd. XXIII. 1891. 


3972 Erbliche Zwangsdrehungen. 


des Vegetationspunktes, so erhält man ein Bild, welches die spiralige 
Anordnung der Blätter deutlich zeigt. Solche Querschnitte, später, 
während des Emporschiessens des Stengels gemacht, pflegen noch 
dasselbe Bild zu geben (Fig. 123 B). Die äusseren Blätter dieser 
Figur sind m ihrem unteren Theile getroften, wo sie seitlich mit 
einander verwachsen sind; die links gedrehte Spirale ist in der Figur 
leicht zu verfolgen. Die nächstfolgenden Blätter waren noch sehr 
jung und sind demzufolge im oberen, freien Theile durchschnitten, 
aber dennoch deutlich spiralig angeordnet. Die drei jüngsten bilden 
wohl nicht einen Theil der Spirale, sondern einen dreigliederigen 
Wirtel, wie es ja bei tordirten Exemplaren von Dipsacus sehr oft 


Fig. 123. Dipsacus sylvestris torsus. 4 Querschnitt durch eine Keimpflanze, ein 

wenig oberhalb des Vegetationspunktes, die normale decussirte Blattstellung zeigend; 

ec’ die Cotylen. B Querschnitt durch die noch sehr junge Stammspitze eines tor- 
direnden Exemplares, mit spiraliger Blattstellung. 


vorkommt. Misst man die Blattwinkel, so entsprechen sie meist 
einem der gewöhnlichen Fälle der Blattstellung (z. B. °/,). 

In der Rosette der Wurzelblätter, wo die Internodien sich nicht 
strecken, braucht dieses Verhalten offenbar keine Störung zu bringen; 
die Blätter wachsen einfach aus und behalten ihre ursprüngliche 
gegenseitige Lage bei. Wenn aber im zweiten Jahre die jungen 
Internodien sich zu verlängern anfangen, so kann dieses, wie wir 
oben gesehen haben, nicht in allen Theilen des Umfanges gleich- 
mässig geschehen, da die Verbindungslinie der Blätter der Streckung 
Einhalt thut. Die Folgen davon sind die Drehung des Stengels 
und das Entwinden der Blattspirale. Die Divergenzwinkel der auf 
einander folgenden Blätter werden dabei allmählich kleiner, die An- 
zahl der Windungen selbst nimmt ab, die Zahl der Blätter auf einem 
einzelnen Umgang aber zu, wie unsere Fig. 122 dieses deutlich zeigt. 


er 


nen een 


= an Blatistelung. 


Di ans ist some eine mechanische Folge des Wer- 
lustes bezw. der Latenz einer einzelnen Eigenschaft: der decussirten 


Blattstellung. Geht diese verloren, so tritt 
die vorelterliche spiralige Anordnung wieder 
ein, aber jetzt in Verbindung mit Eigen- 
thümlichkeiten der Blattfüsse, welche an 
normalen Pflanzen nicht ohne wirtelige 
Stellung vorkommen und sich nur bei 
solcher mit einem übrigens normalen Bau 
vertragen können. Die Zwangsdrehung be- 
ruht also nach dieser Auffassung auf einer 
retrogressiven Umbildung der decussirten 
Blattstellung. 

Dass sie von dieser eine mechanische 
Folge ist, lässt sich unmittelbar durch das 
Experiment beweisen. Man braucht dazu 
nur in der frühesten Jugend den Zwang 
aufzuheben, d. h. die Blattspirale zu durch- 
schneiden. Thut man dieses sehr vorsichtig, 
so braucht dadurch das allgemeine Wachs- 
thum nicht gestört zu werden. Die Torsion 
' aber wird örtlich aufgehoben, oder richtiger, 
sie tritt an der betreffenden Stelle nicht 
auf. In der Mitte des sonst tordirten 
Stengels erzielt man ein gerades Inter- 
nodium. In unserer Fig. 124 ist dieses 
bei a. an der klaffenden Wunde und den 
gerade aufsteigenden Längsrippen deutlich 
zu erkennen. Mitunter macht die Natur 
selbst diesen Versuch und zerreisst das 
Längenwachsthum stellenweise die Blatt- 
spirale, ohne dabei eine so tiefe Wunde 
zu machen, wie im Experiment. Man sieht 
dann bisweilen ein gerades Internodium 
von normaler Länge, z. B. von einem Deci- 
meter und mehr inmitten des sonst ge- 
drehten Stammes. 

Die Zwangsdrehungen sind, wie 
andere Anomalien, in hohem Grade von 
der Lebenslage abhängig. Bei un- 
geeigneter Behandlung kann die 


Fig. 124. Dipsacus sylvestris 
torsus. Die beiden Blätter « 
und db des gedrehten Stammes 
sind in frühester Jugend 
durch einen Schnitt künst- 
lich getrennt worden. Zwi- 
schen ihnen sieht man die 
jetzt klaffende Spalte. Das 
eine Blatt 5 liegt um 2 Cm. 
höher als das andere «a. Der 
Stengel ist oberhalb « über 
etwas mehr als 2 Cm. gerade 
geblieben. Die nach vorn ge- 
richteten Blätter sind behufs 
der Deutlichkeit beim Pho- 
tographiren weggeschnitten 
worden. 


374 Erbliche Zwangsdrehungen. 


Anomalie fast ganz fehlen, auch wenn Samen ausgesät wurden, 
welche sonst in einem Drittel oder mehr der Individuen schöne 
Zwangsdrehungen geben. Die Untersuchungen, welche ich hierüber 
mit Dipsacus sylvestris torsus gemacht habe, und welche im Allgemeinen 
durch die Erfahrungen bei anderen Arten bestätigt werden, leiten- zu 
der folgenden Uebersicht.! 

Je günstiger die Lebensumstände sind und je kräftiger demzufolge 
das Wachsthum stattfindet, um so reicher wird eine Cultur aus 


gegebenen Samen an schön tordirten Pflanzen, und um so schöner 


wird die Zwangsdrehung in den einzelnen Individuen ausgebildet. 


Hauptsache’ ist dabei eine freie Stellung der einzelnen Pflanzen. 


Sie sollen nicht von anderen beschattet werden und einander nicht oder 
möglichst wenig berühren. Es dürfen nie mehr als 20—25 Pflanzen 
pro Quadratmeter stehen; in diesem Falle berühren sie einander 
dennoch im Herbste stark. Besser ist es jedenfalls, nur 10—15 Exem- 
plare pro Quadratmeter zu haben. 

Bei zu dichter Stellung bilden sich pro Quadratmeter weniger 
Zwangsdrehungen aus als bei weiterem Stande; die grössere Zahl 
von Individuen ist bei gleichem Raume kein Vortheil, sondern ein 
entschiedener Nachtheil. Bei mangelhaftem Raume findet ‘man die 
gedrehten Exemplare ausschliesslich oder doch vorzugsweise am 
Rande des Beetes. ; 

Wichtig ist ferner die Zeit der Aussaat, da sie die Lebensdauer 
der Pflanze bis zum Momente der Stengelbildung bedingt. Je länger 
dieses Leben unter günstigen Bedingungen dauert, um so grösser ist 
die Aussicht auf spiralige Blattstellung. 

Aussaaten im Sommer oder früh im Herbst, welche im nächsten 


Jahre Stämme liefern, heben die Aussicht auf Zwangsdrehungen 


völlig oder doch nahezu völlig auf. Dagegen sind Herbstaussaaten, 


welche erst im zweitfolgenden Sommer Stämme bilden, welche somit 
das Leben der Rosette bedeutend verlängern, günstig: der Gehalt 


an Pflanzen mit spiraliger Blattstellung nimmt dadurch, der gewöhn- 
lichen Frühlingsaussaat gegenüber, eher zu als ab. 


Ob man im März oder April oder Anfang Mai aussät, und ob 


man im Freien an Ort und Stelle aussät oder im Gewächshaus m 


Schüsseln, um nachher auf’s Beet auszupflanzen, scheint auf den 


Erfolg der Cultur keinen erheblichen Einfluss zu haben. Aus mehr- 


fachen Gründen ziehe ich seit einigen Jahren die letztere Methode 


ı On Biastrepsis in its relation to Cultivation. Annals of botany. Vol. XII. 
1899. p. 395. 


h 


> 


> AN m er 


Seltene Zwangsdrehungen. 575 


vor; sie ist bequemer und sicherer, namentlich in trockenen Früh- 
lingen. 

Ein guter, lockerer Boden mit kräftiger, an Stickstoff reicher 
Düngung ist eine wesentliche Bedingung. Auf ungedüngtem Sand- 
boden liefert auch der beste Samen keine gedrehten Individuen; auf 
hartem oder unfruchtbarem Boden nimmt der Gehalt bedeutend ab. 

Es ist möglich, den Lebenscyklus von Dipsacus sylvesiris torsus 
sich innerhalb Jahresfrist beschliessen zu lassen, wenn man die 
Samen sofort nach der Reife unter möglichst günstigen Bedingungen 
aussät. Man kann in dieser Weise in jedem Jahre eine ganze Grene- 
ration haben, und würde durch Selection vielleicht zu einer einjährigen 
‚ tordirten Rasse gelangen können. Bis jetzt aber geht diese Ein- 
jährigkeit auf Kosten der Zwangsdrehung, welche sich entweder gar 
nicht oder doch nur spurweise in den Stengeln solcher Pflanzen zeigt. 


$ 18. Seltene Zwangsdrehungen. 


Zwangsdrehungen werden sowohl an wildwachsenden als an cul- 
tivirten Pflanzen von Zeit zu Zeit zufällig aufgefunden, ohne dass 
man über die Erblichkeit der Anomalie andere Erfahrungen macht, 
als dass sie verhältnissmässig oft sich an verschiedenen Zweigen 
einer Pflanze, oder an mehreren Exemplaren desselben Fundortes, 
oder im Laufe einiger Jahre wiederholen. So beobachtet man sie 
bei Weigelia amabilis nicht selten zu Dutzenden, und sind in der 
Gattung Galium solche Missbildungen bei mehreren Arten sehr be- 
kannt. Ich sammelte sie selbst bei Galium verum und @G. Aparine. 
Auch Egwisetum ist ein bekanntes Beispiel, welches als zu den 
Gefässkryptogamen gehörig und wegen seinen eigenthümlichen Blatt- 
wirteln besondere Beachtung verdient. Unsere Fig. 125 ist nach 
einem Stamme photographirt, welchen Herr Dr. Tu. WEEvERS im 
Sommer 1900 unweit Nymegen mit mehreren anderen Zwangs- 
drehungen derselben Species sammelte. Auch Casuarina bildet bis- 
weilen an den Seitenzweigen solche Missbildungen, so z. B. mehrere 
im Jahre 1897 im hiesigen Botanischen Garten (Fig. 126 a). 

Im zweiten Abschnitt dieses Bandes haben wir gesehen, wie in 
Folge der Correlationen zwischen verschiedenen abnormalen Blatt- 
stellungen die Selection von tricotylen Keimen oft ein Mittel ist, 
Zwangsdrehungen von Arten zu bekommen, von denen man sie sonst 
nicht leicht erhalten würde. Ich nenne als Beispiele: Dracocephalum 
moldavicum (Fig. 38, S. 231), Asperula axurea, Centranthus macrosiphon 
und namentlich Mercurialis annua. Bei letzterer Art traten diese 


576 Erbliche Zwangsdrehungen. 


Missbildungen fast alljährlich und oft in nicht unerheblicher Anzahl 
in meinen tricotylen und syncotylen Rassen auf (Fig. 61, S. 325). 

So lange keine directen Isolirungsversuche vorliegen, lässt es 
sich in den meisten Fällen nicht endgültig entscheiden, ob man eine 
Halbrasse oder eine Mittelrasse vor sich hat. Doch spricht die 

Seltenheit der Anomalie bei 
> wiederholter Aussaat meist 

/ ziemlich bestimmt für die 
erstere Annahme. Soz.B. bei 
Lupinus luteus, Stlene noctiflora 
und anderen Arten, welche mir 
bisweilen Zwangsdrehungen. 
boten. Bei deroben erwähnten 
Valeriana officinalis (Fig. 121, 
S. 569) wiederholte sich die 
Z/wangsdrehung bei einer Aus- 
/  saat von Samen der gedrehten 


von der ich mehrere schöne 
Zwangsdrehungen aus den 


landes erhielt, sind sie, ob- 
gleich in den meisten Jahren 
vorhanden, doch stets sehr 
selten.! Bei Agrostemma 
Githago beobachtete ich in 


rationen ceultivirt habe, nicht 
gerade selten Zwangsdrehun- 


Fig. 125. Equisetum Velmateja. Zwangsdrehung 


Stengel nur in sehr geringem 
Grade. Bei Rubia tinetorum, 


Culturfeldern meines Vater- 


+ 


einer Rasse, welche ich seit 
1888 in etwa zehn Gene- 


w- 


gen, aber stets in verhältniss- 


eines aufrechten Stammes. mässig geringer Zahl. Bis- 


weilen waren diese auf die 


vegetativen Theile beschränkt, bisweilen war der Kelch, in Ver- | 


bindung mit dem oberen Blattpaare, in eine einerseits geöffnete 


Spirale umgewandelt (Fig. 127). 


Einen Versuch über den Grad der Erblichkeit habe ich mit 5 


! Eenige gevallen van Klemdraai by de Meekrap (Rubia tinetorum). Botan. 
Jaarb. Gent 1891. p. 74 und Tafel IV. 


tn 


Seltene Zwangsdrehungen. 577 


Dipsacus laciniatus angestellt. Diese Pflanze war mir deshalb von 
besonderem Interesse, weil sie zu einer Gattung gehört, aus der 
schöne Zwangsdrehungen seit langer Zeit allgemein bekannt sind, und 
zu der auch der Dipsacus sylvestris rechnet, von welchem ich eine 
an dieser Anomalie reiche, unzweifelhafte Mittelrasse habe isoliren 


Fig. 126. Casuarina quadrivalvis. Ein Fig. 127. Agrostemma Githago. Der Kelch 


Ast mit einer seitlichen Zwangs- ist einerseits geöffnet, dort mit dem obersten 
drehung (a). Botanischer Garten zu Blattpaar verwachsen und in eine Spirale 
Amsterdam. 1897. umgebildet. Cult. 1896. 


können. Beim Dipsacus laciniatus gelang diese Isolirung aber 
nicht; hier war offenbar keine Mittelrasse, sondern nur eine 
Halbrasse vorhanden. Denn trotz einer umfangreichen Cultur in 
zwei Generationen erhielt ich nur sehr geringe locale Torsionen. 
Ausgangspunkt für diesen Versuch bildete eine Pflanze von 
Dipsacus laeiniatus, welche ich im Botanischen Garten zu Groningen 
DE VRIES, Mutation. II. 37 


- 


5 7 6) Erbliche Zwangsdr ii gen. 


im Sommer 1895. in voller Blüthe sah. Sie war aber zwei Meter 
hoch, mit einem völlig geraden Stengel, der aber an einem der oberen 
Knoten eine kleine Gruppe spiralig gestellter Blätter mit localer 
Zwangsdrehung hatte. Sie blühte inmitten einer Gruppe von Indi- 
viduen, von denen mehrere dieselbe Abweichung, wenn auch in ge- 
ringerem Grade, zeigten. Herr Prof. J. W. Mor hatte die Freund- 
lichkeit, mir Samen von dieser Pflanze zuzustellen. Aus ihnen 
eultivirte ich in den beiden folgenden Jahren ein Beet von etwa 
16 Quadratmeter mit 400 Pflanzen, also 25 pro Quadratmeter, was 
als ein ausreichender Raum betrachtet werden darf (S. 574). Die 
Aussaat fand Anfang April statt. Im Sommer 1897 wuchsen alle 
Stengel gerade auf; kein einziger war tordirt wie beim Dipsacus 
sylvestris (Fig. 122, S. 570). Auch waren alle decussirt. Geringere 
Abweichungen in der Blattstellung kamen allerdings vielfach vor, wie 
gespaltene Blätter, dreigliederiger Bau der oberen Blattwirtel, Ver- 
bindung zweier Blattpaare durch eine sogenannte Risslinie über das 
zwischenliegende Internodium, eine Erscheinung, welche andeutet, 
dass die Blätter in der ‚Jugend spiralig statt wirtelig verwachsen 
waren u. Ss. w. Ferner gab es acht Pflanzen, also 2°/,, welche je 
eine deutliche locale Torsion an einem der oberen Knoten hatten, 
ähnlich wie die Mutterpflanze. Die betreffende Blattspirale umfasste 
drei bis sechs Blätter. Nur diese acht Pflanzen liess ich blühen, 
während es sonst im Garten keinen Dipsacus laciniatus gab. Fünf 
von ihnen lieferten eine ausreichende Ernte. 

Die zweite Generation meiner Oultur umfasste die Jahre 1898/99, 
lieferte 435 stengelbildende Pflanzen, welche bedeutend mehr Raum 
hatten als die vorhergehenden, und zwar 1 Quadratmeter für jedes 
Dutzend Exemplare. Dennoch war das Ergebniss dasselbe wie in 
der vorigen Generation. Alle Pflanzen bildeten gerade aufwachsende, 
hohe Stengel von 2—2!/, Meter. Unter ihnen gab es fünf Exem- 
plare, welche eine etwas grössere locale Zwangsdrehung hatten als 
in der vorigen Generation, da diese hier sieben bis zwölf Blätter in 
ununterbrochener Spirale umfasste. Sie stammten von drei der fünf 
Mütter ab. Geringere Drehungen an Knoten, welche nur zwei bis 
drei oder auch vier bis sechs Blätter trugen, gab es in diesem 
Jahre ziemlich viele, und zwar je nach der Mutter in 5, 5, 13, 13 
und 28°/, der Individuen. 

Es war also allerdings ein Fortschritt vorhanden, der seine 
Ursache theilweise in der Selection, theilweise in dem weiteren Stande 
hatte. Während aber bei der Isolirung des Dipsaeus sylvestris torsus 
sofort ein Gehalt von 34°/, an schönen, nahezu über die ganze Länge 


Zwangsgedrehte Rassen. 579 


tordirten Missbildungen eintrat, sobald der Cultur der dazu erforder- 
liche Raum gegeben wurde, traten hier, trotz der sehr günstigen 
- Lebensbedingungen, nur ganz kleine locale Drehungen auf. Ich folgere 
daraus, dass aus diesen Samen eine meinem Dipsacus sylvestris torsus 
ähnliche Mittelrasse nicht isolirt werden konnte. 


$ 19. Zwangsgedrehte Rassen. 


Die bereits mehrfach erwähnte Rasse von Dipsacus sylvestris torsus 
(Fig. 122—124, S. 570, 572 u. 573 und Tafel IV) hat jetzt ihre neunte 
Generation abgeschlossen. Sie erhält sich dabei auf etwa 40 °/, Indi- 
viduen mit schöner Zwangsdrehung und etwa 60°/, Atavisten mit 
meist decussirter, zu einem Theile aber auch ternärer Blattstellung. 
Die Atavisten sowie die gedrehten Pflanzen mit unvollständiger oder 
unterbrochener Blattspirale sind stets vor der Blüthe ausgemerzt 
worden; die gedrehten konnten durch Insecten rein unter sich be- 
fruchtet werden. 

Diese sehr scharfe Auslese hat den Erfolg gehabt, die 
Rasse auf einer ziemlich constanten Höhe zu erhalten. In 
den beiden ersten Generationen kannte ich die Lebensbedingungen 
allerdings noch nicht, und säte ich meine Saat viel zu dicht, dem- 
entsprechend erhielt ich nur am Rande meiner Beete gute Erben, 
und diese in viel zu geringer Anzahl. Seitdem aber diese Schwierig- 
keit überwunden wurde und die Rasse sich mit einem Male auf 34 °/, 
gedrehter Stämme emporschwang, sind die Erbzahlen so ziemlich 
dieselben geblieben, obgleich sie selbstverständlich, je nach den mehr 
oder weniger günstigen Witterungsverhältnissen in den einzelnen 
Jahren hin- und hergehenden Schwankungen unterliegen. Aber ein 
Fortschritt war dabei nicht zu erkennen. 

Um dieses Hauptergebniss meiner achtzehnjährigen Cultur über- 
sichtlich darzustellen, gebe ich jetzt eine kurze Zusammenstellung 
der neun auf einander folgenden Generationen: 


’ Anzahl Pflanzen Proc. Gehalt an ge- 
zn der Pflanzen! pro Quadratmeter drehten Hauptstämmen 
1. 1884—1885 — —_ — 
2. 1886—1887 1643 50 0-1 
3. 1888—1889 1616 35 4 
4. 1891—1892 107 25 34 
‚5. 1893—1894 45 22 10—20! 


' Da der Umfang der 5., 6. und 7. Generation sehr klein war, sind die 
betreffenden Procentzahlen entsprechend ungenau. Vergl. Abschn. II, $ 3, $. 123 


dieses Bandes. 
Sr 


>80 Erbliche Zwangsdrehungen. 
i Anzahl Ptlanzen Proc. Gehalt an ge- 
Generation der Pflanzen pro Quadratmeter drehten Hauptstämmen 
6. 1895 —1896 33 8 42 
7. 1897—1898 To 16 46 
Ss. 1899—1900 1295 22 32 
9. 1901—1902 492 22 41 


Im Mittel aus den sechs letzteren Generationen also etwa 35 °/,. 

Die stetige Isolirung und Selection der schönsten 
Zwangsdrehungen erhält somit die Rasse auf ihrer Höhe, 
verbessert sie aber nicht in merklichem Grade. 

Zu diesem Ergebnisse sind zwei Punkte zu bemerken. Erstens 
bedeuten die aufgeführten Procentzahlen nicht den ganzen Gehalt an 
Erben. Sie beziehen sich nur auf die Zwangsdrehungen im Haupt- 
stamme. Aber so oft ich die Atavisten, statt sie auszurotten, einfach 
aller ihrer Blüthenköpfehen vor dem Blühen beraubt habe, zeigte es 
sich, dass mehrere, und oft viele unter ihnen, im Stande waren, in 
den Seitenzweigen mehr oder weniger schöne locale Zwangsdrehungen 
auszubilden. Im Jahre 1902 habe ich diese möglichst genau gezählt 
und fand deren 71 oder 14°/,. Es bildeten somit im Ganzen 41 + 14 
oder 55°/,, d. h. also etwas mehr als die Hälfte der Individuen in 
diesem Jahre Zwangsdrehungen aus. Damit erreicht aber die Procent- 
zahl denselben Werth, den sie sonst bei Mittelrassen und namentlich 
bei den Tricotylen (vergl. oben S. 281) zu haben pflegt. 

Zweitens erinnere ich an die Bemerkung, welche ich im vorigen 
Kapitel ($ 15, S. 558) über die Selection machte. Die doppelte 
Selection, nach den sichtbaren Merkmalen der Samenträger und nach 
ihrer Erbzahl, ist hier ebenso wenig unter gewöhnlichen Versuchs- 
bedingungen zu erreichen, wie bei den Verbänderungen. Der wich- 
tigste Punkt, die Erbzahl, fällt hier weg, und dadurch musste die 
Verbesserung der Rasse, welche bei den Tricotylen so leicht auf 
70—90 °/, Erben führt, hier selbstverständlich unterbleiben. Nur 
ein glücklicher Zufall könnte sie herbeiführen, oder eine Ausdehnung 
des Versuches auf einen viel grösseren Maassstab. In der achten 
Generation habe ich die Erbzahlen von zehn Müttern verglichen; sie 
schwankten zwischen 10—55°/,. Da aber pro Mutter nur 100 bis 
140 Kinder verglichen werden konnten, schien mir die letztere Zahl 
für die Selection ohne grosse Bedeutung. In der neunten Generation 
habe ich von über hundert sehr schön gedrehten Individuen Samen 
geerntet, in der Hoffnung, vielleicht dennoch eine Selection nach den 
Erbzahlen vornehmen zu können. 


Zwangsgedrehte Rassen. 581 


Ich gebe jetzt eine ausführliche Beschreibung dieses ganzen 
- Versuches. ! 

Anfang meiner Rasse bildeten zwei Exemplare mit gedrehtem 
Hauptstamm, welche in einer in 1884 ausgesäten Oultur im nächsten 
Jahre in meinem Garten blühten. Vor ihrer Blüthe habe ich alle 
übrigen Individuen ausmerzen lassen. 

Aus ihren Samen erhielt ich 1886 die zweite Generation. Wie 
bereits bemerkt, war ich damals mit den Erfordernissen der Cultur 
noch unbekannt und erhielt ich, wohl hauptsächlich aus diesem 
Grunde, nur wiederum zwei gedrehte Stämme auf nahezu 1650 Indi- 
viduen. Beide blühten isolirt und trugen reichlich Samen. 

Die dritte, aus diesen Samen erhaltene Generation, 1888—1889, 
lieferte bei nahezu gleichem Umfang 67 tordirte Stämme. Also 
etwa 4°/,. Auch hier blühten die Samenträger isolirt. 

Die vierte Generation wurde zum Theil in 1890 ausgesät und 
lieferte bis 10°/, tordirte Individuen, welche aber nicht zur Fort- 
setzung der Rasse benutzt werden konnten. Theils wurde sie 1891 
ausgesät, und zwar mit besserer Kenntniss der Bedingungen, wodurch 
ihr Gehalt an „Erben“ bis zu 34°/, stieg, eine Zahl, welche die 
späteren Generationen der Hauptsache nach beibehalten, aber nicht 
erheblich überschritten haben. 

Die Verbesserung in der Cultur bestand wesentlich darin, dass 
den jungen Pflanzen von Anfang an mehr Raum gegeben wurde. In 
den beiden vorigen Generationen kamen etwa 50 Exemplare pro 
Quadratmeter zur Ausbildung. Jetzt wurde diese Zahl auf etwa 25 
reducirt, und zwar durch wiederholtes Ausjäten der überflüssigen im 
Juni, jedes Mal, als die Pflänzchen anfingen sich zu berühren. 

Mitte Mai 1891 hatte die Aussaat auf den Beeten stattgefunden. 
Anfang October sah ich auf etwa 100 Individuen bereits ein halbes 
Dutzend mit spiraliger Blattstellung im Herzen der Rosette; Anfang 
November konnte ich etwas über die Hälfte der Pflanzen als zweifel- 
lose Atavisten entfernen. Als darauf Ende Mai 1892 die Stengel 
kräftig emporwuchsen, wurden sie endgültig ausgesucht und gezählt. 
Ich bekam, zusammen mit den Zahlen vom November, also für die 
ganze Cultur: 


Kedrehte Stämme... Wi... 2837. =8349, 

Stämme mit dreizähligen Blattwirteln . . 12 =11 ,„ 

Atavisten mit decussirter Blattstellung. . 58 =55 „ 
Summe: 107 


1 Anmals of Botany. Vol. XIII. No. LI. Sept. 1899. p. 401. 


582 Erbliche Zwangsdrehungen. 


Sehr wichtig ist es, zu bemerken, dass die Anzahl der tordirten 
Stämme durch den weiteren Stand der Pflanzen nicht nur relativ 
(pro 100 Individuen), sondern auch absolut (pro Quadratmeter) zu- 
genommen hat. Es standen in der dritten Generation pro Quadrat- 
meter 50 Pflanzen, von denen 4°/, (1—7°/,), also etwa 1—4 Exem- 
plare, tordirt waren. In der vierten Generation aber hatte ich 
4 Quadratmeter mit 37 tordirten Individuen, also 9 pro Quadratmeter. 

Ich wählte auf diesem Beete die sieben am schönsten tordirten 
Pilanzen als Samenträger aus. Sie hatten alle auch locale Zwangs- 
drehungen in einigen Aesten. Ich isolirte sie vor der Blüthe. i 

Die fünfte Generation, 1593—1894, ist weniger günstig aus- 
gefallen; sie brachte es nur bis 20°), tordirter Hauptstämme. Ich 
habe für sie die Samen nicht, wie bis dahin, auf den Beeten aus- 
gesät, sondern in Schüsseln im Gewächshause meines Laboratoriums. 
Diese Methode hat sich seitdem als bequemer und sicherer heraus- 
gestellt und ist in den beiden folgenden Generationen gleichfalls 
befolgt worden. 

Die Aussaat der im September 1892 geernteten Samen fand 
Mitte März 1893 statt; Mitte April wurden die besten Pflänzchen je 
in einen Topf von 10 Cm. mit guter Gartenerde und starker Düngung j 
gepflanzt, und Mitte Mai wurden sie auf’s Beet gebracht und dabei I 
dieselbe gegenseitige Entfernung wie in der vorigen Generation ge- 
wählt (22 Pflanzen pro Quadratmeter. Im nächsten Jahre, 1894, 
schossen alle Stengel empor und wurden gezählt. Es fanden sich: 


A B oA °o 
Gedrehte Hauptstämme 5 2 20 10 
Dreizählige e 1 1 4 5 
Deeussirte 2 19 17 76 s5 
Summe: 25 20 


A und B sind zwei Gruppen, welche aus den besonders geernteten 
Samen von zwei Samenträgern von 1892 hervorgegangen waren. 2 

Der Umfang der Cultur ist, wie man sieht, zu klein, um eine 
genaue Beurtheilung der ee Zahlen zu erscheinen 
zu lassen. 

Von den vier besten Pflanzen wurden im Herbst 1894 die 
Samen geerntet, nachdem sie vor der Blüthe von den übrigen isolirt 
worden waren. 

Die sechste Generation, 1895—1896, lieferte wiederum ein besseres 
Resultat, 42°/, tordirte Hauptstämme, welches, wenigstens zum Theil, 5 
durch grössere Entfernung der Pflanzen von einander, bei übrigens“ 


Pa 


Zwangsgedrehte Rassen. 583 


gleicher Cultur, erhalten wurde. Aussaat Mitte März im Gewächs- 
hause in Schüsseln, Samen von 1894. Anfang April in Töpfe, An- 
fang Mai auf’s Beet. Im Ganzen nur 33 Pflanzen auf 4 Quadrat- 
meter, also etwa 8 pro Quadratmeter. Ende October fand ich 
14 Rosetten mit spiraliger Blattstellung im Herzen, 7 dreizählige 
und 12 decussirte. Also 42 °/, spiralige, 21 °/, dreizählige und 36 °/, 
deeussirte.. Im Mai 1896 bestätigte sich dieses Resultat und wurden 
die zwei- und dreizähligen Individuen ausgerodet. Die sechs am 
schönsten tordirten Individuen wurden als Samenträger ausgewählt 
und vor der Blüthe isolirt. 

Die siebente Generation, 1897—1898, cultivirte ich nahezu in 
derselben Weise. Aussaat im Gewächshause am 5. Mai 1897, aus 
Samen von 1896, nachher in Töpfe und noch später, Anfang Juli, 
auf’s Beet, 16 Individuen pro Quadratmeter; im Ganzen 70 Pflanzen. 

Ende Mai 1898 hatte ich: 


Gedrehte Stämme. . . . 32 =46°,, 
Dreizählige ‚, De 730, 
Deeussitrtenir.s) REINE Te = 2A 


Summe: 70 


In der achten Generation habe ich die Pflanzen genau in der- 
selben Weise behandelt wie in der vorhergehenden, Dabei habe ich 
erstens, wie bereits bemerkt, die Nachkommen von zehn verschiedenen 
Müttern mit einander verglichen, zweitens für jede Mutter die Samen 
des gipfelständigen Köpfchens der ganzen Pflanze mit den Samen 
der auf den Hauptzweigen stehenden Inflorescenzen verglichen. Für 
die letzteren wählte ich auf jeder Mutter vier bis acht der kräftigsten 
Zweige, welche auf der Mitte des am stärksten tordirten Theiles des 
Hauptstammes eingepflanzt waren. Sie entsprachen also dem Maximum 
der grossen Periode dieses Stammes! und zeigten dieses auch dadurch 
an, dass sie selbst unter allen Seitenzweigen an kleinen localen Tor- 
sionen am reichsten waren. Aus den Samen der primären Inflores- 
cenzen hatte ich 645 Pflanzen mit 31°/,, aus denen der secundären 
Inflorescenzen aber 650 Individuen mit 34 °/, gedrehter Hauptstämme. 
Also kein wesentlicher Unterschied. 

Die neunte Generation umfasste theilweise Kinder von gedrehten 
Exemplaren, theilweise solche von Atavisten. Ihre Cultur war die- 
selbe wie vorher; auf ihre Ergebnisse komme ich aber im nächsten 
Paragraphen zurück. 


ı Vergl. T. Tammes, Die Periodieität morphologischer Erscheinungen bei den 
Pflanzen. Kon. Akad. v. Wet. Amsterdam 1903. 


584 Erbliche Zwangsdrehungen. 


Rassen, welche an schönen Zwangsdrehungen überaus reich sind und 
also zu den Mittelrassen oder Doppelrassen gerechnet werden können. 

Die erstere ist Dianthus barbatus torsus. Von dieser Form erhielt 
ich im Herbst 1894 einen schön tordirten Ast von Herrn J. Ensink in 
Ruurlo. Die Zwangsdrehung war in ähnlicher Weise ausgebildet als 
in unserer Fig. 128, die Früchte waren aber reif und voller Samen. 
Die Samen konnte ich aber erst im Frühling 1897 aussäen. 

Die Pflanze blüht erst im zweiten 
Jahre und zwar jedes Exemplar auf 
etwa 10—20 Sprossen. Ich machte eine 
Cultur von nahezu 300 Individuen, 
welche in gegenseitigen Entfernungen 
von 20 Cm. ausgepflanzt wurden. Im 
Juni des zweiten Jahres (1898) fingen 
die Pflanzen an zu blühen. Weitaus 
die meisten Stengel waren normal de- 
cussirt, mehrere hatten auf der ganzen 
Länge oder auch nur im oberen Theile 
dreigliederige Wirtel, wiederum andere 
waren tordirt und mit spiraliger Blatt- 
stellung. Auch diese Anomalie lag 
vorzugsweise in der oberen Hälfte des 
Stengels unterhalb der Inflorescenz; 
bisweilen war aber der ganze Stamm 
oder ein grösserer Theil gedreht oder 
erstreckte sich die Torsion bis in die 
Inflorescenz. Das Maximum der Ano- 
Fig. 128. Dianthus barbatus torsu, malie fällt, soweit ich sehen konnte, 
die gedrehte Bart-Nelke. Stengel wenigstens der Hauptsache nach mit 
unten mit decussirter, oben mit : ö 
spiraliger Blattstellung. Juni 1900. dem Maximum der grossen Periode des 

Wachsthums zusammen, ähnlich wie 
bei Dipsacus. Ich zählte im Ganzen auf etwas über 4600 normalen 
Stengeln 53 mehr oder weniger stark gedrehte (33 Zwangsdrehungen 
über einen grösseren Theil des Sprosses und 20 solche über kleinere 
Theile in allen Graden der Ausbildung). Also etwa 1°/, der sämmt- 
lichen Sprosse. Die 33 schönen Torsionen fanden sich auf zehn 
Pflanzen, von denen fünf je 12, 6, 5, 3 und 2 gedrehte Sprosse und 
die übrigen fünf je eine solche Missbildung hatten. Die 20 kleineren 
Missbildungen fanden sich zerstreut, es hatten somit etwa 10°/, der 
Individuen die Anomalie entwickelt. Auffallend war dabei, dass 


Zwangsgedrehte Rassen. 


585 


die am reichsten ausgestatteten Individuen vorzugsweise am süd- 
lichen Rande des Beetes standen. 
Die erwähnten ausgesuchten Exemplare liess ich erst zur Blüthe 


gelangen, als alle übrigen 
Pflanzen ausgemerzt waren. 
Im Frühling 1899 säte ich 
nur die Samen des Exem- 
plares mit zwölf Zwangs- 
drehungen. Ich pflanzte 
jetzt 180 Individuen und 
zwar in derselben gegen- 
seitigen Entfernung und 
auch sonst unter gleichen 
Bedingungen wie in der 
vorigen Generation. Sie 
blühten im Sommer 1900. 
Beim Anfang der Blüthe 
hatte ich 2246 Stengel, von 
denen 1246 mit decussirter 
und 414 mit ternärer Blatt- 
stellung. Ferner gab es 
227 Stengel, welche über 
mehr als die Hälfte und 
359, welche nur im oberen 
Theile tordirt waren. Also 
im Ganzen 26°/, tordirter 
Sprosse gegen 1°/, in der 
vorhergehenden Generation. 
Oder im Mittel drei Zwangs- 
drehungen pro Pflanze. Nach 
einer Schätzung hatten weit 
über die Hälfte der Indi- 
viduen einen oder mehrere 
gedrehte Stengel. 

Es war somit in zwei 
Generationen gelungen, aus 
den anfänglichen, durch 
freie Befruchtung theil- 


weise verunreinigten Samen 


Fig. 129. Das Himmelröschen 


dunkeläugige 
(Viscaria oculata) mit Zwangsdrehung im Haupt- 
stamm; «a die Gipfelblüthe dieses Hauptstammes, 
deren Stiel durch die Torsion zuerst abwärts ge- 
bogen ist und sich dann wieder aufwärts gekrümmt 
hat; 5, e der gestreckte Theil unterhalb der 


Drehung; d Unterbrechung der Torsion. 1900. 


eine gute Mittelrasse zu isoliren. 


Die andere, oben angedeutete Rasse gehört zu Viscaria oculata 
(Lychnis Coeli-rosa), dem Himmelröschen unserer Gärten. Die Pflanze 


586 Erbliche Zwangsdrehungen. 


Ihre Stengel werden in Folge der Zwangsdrehung sehr verkürzt und 
bleiben daher niedrig, blühen aber reichlich (Fig. 129). Ich fand im 
Jahre 1597 m einer zu einem anderen Zwecke angestellten Cultur 
eine gedrehte Pflanze, ähnlich wie die abgebildete, und sammelte 
nach gemischter Blüthe ihre Samen für sich. 

Im Jahre 1898 hatte ich daraus eine Öultur von 300 Pflanzen, 
von denen 259 normal waren, während 40 im Hauptstamm und 28 
andere in einem oder mehreren Seitenzweigen Zwangsdrehungen auf- 
wiesen. Also 21 °/, tordirte Individuen. Nur die am schönsten tor- 
dirten (21) Exemplare liess ich blühen und Samen tragen; von diesen 
säte ich nur die Samen der am allerschönsten gedrehten Pflanze. 
Ich hatte davon im nächsten Jahre (1899) 385 Individuen, von denen 
157 oder etwa 35 °/, Zwangsdrehungen ausbildeten. Wie bei Dipsacus 
und Dianthus gab es auch hier viele Individuen mit dreizähligen Blatt- 
wirteln; ich zählte deren etwa 100 oder ein Viertel der ganzen Cultur. 

Die vierte Generation cultivirte ich im Jahre 1900, aber nur in 
geringem Umfange. Sie war gleichfalls reich an Zwangsdrehungen 
und lieferte mir die in Fig. 129 nach einer Photographie abgebildete 
Ptlanze. 

Ohne Zweifel würde man bei mehreren anderen Arten Aussicht 
haben, durch Isolirung zwangsgedrehter Individuen 'reich ausgestattete 
Mittelrassen zu bekommen, und man würde dazu vorzugsweise solche 
wählen, welche bereits ohne Auswahl öfter diese Missbildung hervor- 
bringen. So z. B. Gypsophila panieulata, Urtica urens (von der ich 
bereits eine zweite Generation mit gutem Erfolge eultivirt habe), und 
vielleicht auch Scabiosa atropurpurea. Dagegen haben meine Aussaaten 
von Samen zwangsgedrehter Exemplare von Valeriana officinalis, Sapo- 
naria offieinalis, Galium Aparine! und anderen, wie theilweise bereits 
oben erwähnt, mir eine solche Aussicht nicht eröffnet. 


Die Existenz erblicher Doppelrassen oder Mittelrassen 4 


mit Zwangsdrehung scheint mir durch die mitgetheilten 
Versuche völlig bewiesen. Sie werden durch einen Zufall 
aufgefunden und dann leieht durch Isolirung rein dargestellt 
und auf einen Gehalt von etwa 30—40°/, tordirter Indivi- 
duen gebracht. Dieser Gehalt konnte bis jetzt zwar vorüber- 


gehend durch Cultur, nicht aber auf die Dauer durch Se- 


lection wesentlich erhöht werden. 


' Bydragen tot de leer van den klemdraai. Botanisch Jaarboek. Gent IV. 
1892. 8.154. Tafel XV. f 


{eb} | 
[0 6) 
1 


Die Bedeutung der Atavisten. 


$ 20. Die Bedeutung der Atavisten. 


Trotz der besten Pflege und trotz wiederholter sorgfältiger 
Selection bleiben die zwangsgedrehten Rassen reich an Atavisten. 
Diese sind theilweise decussirte Exemplare vom normalen Bau der 
Art, theilweise haben sie dreigliederige Blattwirtel, wie solche an 
den gedrehten Individuen ganz gewöhnlich oberhalb der Zwangs- 
drehungen gesehen werden. 

Wir werden jetzt, ebenso wie wir es bei den Verbänderungen 
gemacht haben, das Wesen, und namentlich die Erblichkeitsverhält- 
nisse dieser Atavisten näher untersuchen. Ich schicke dabei das 
Hauptergebniss voran, welches darin besteht, dass die Atavisten 
nicht aus der zwangsgedrehten Rasse heraustreten, sondern 
zur Fortsetzung dieser wenigstens nahezu ebenso gut ver- 
wendet werden können, wie die besten Erben.! 

In erster Linie sei die Thatsache angeführt, dass es zwischen 
den Atavisten und den Erben keine scharfe Grenze giebt. Allerdings 
ist der Unterschied zwischen den hohen, gerade aufsteigenden Stengeln 
und den kurzen, gedrungenen Missbildungen ein höchst auffallender, 
wie es unsere Tafel IV zeigt. Es ist ganz klar, dass es sich hier 
nicht um die‘ fluctuirende Variation einer einzelnen Eigenschaft 
handelt, sondern dass zwei antagonistische Anlagen im Spiele sind. 
Die eine schliesst die andere aber nicht völlig aus. Auch die am 
stärksten gedrehten Hauptstämme tragen Zweige, deren Mehrzahl zu 
der decussirten Blattstellung zurückkehrt. Nie erhält man eine 
Pflanze, aus der die letztere ganz verschwunden wäre. Ebenso zeigen 
die atavistischen Individuen mit völlig geradem Hauptstamm und mit 
decussirten oder ternären Blättern nicht selten in ihren Seitenzweigen 
Zwangsdrehung, wie wir bereits oben gesehen haben. Im Jahre 1887 
habe ich die Hälfte der Atavisten meiner damaligen Cultur von 
Dipsacus syWestris torsus dicht am Boden abgeschnitten. Aus der 
Stengelbasis schlugen sie aus. Ich erhielt in dieser Weise nahezu 
2000 Zweige secundärer und tertiärer Ordnung. Unter diesen gab 
es 235 mit geringen aber deutlichen Torsionen in einem Knoten und 
26 mit einer kleinen mehrblätterigen Zwangsspirale. In der dritten 
Generation habe ich denselben Versuch mit ähnlichem Erfolge wieder- 
holt, und auch an einzelnen, bis kurz vor der Blüthe stehen gelassenen 
Atavisten Torsionen an den höheren Zweigen beobachtet. 


! Bei den gefüllten Levkojen sind die gefüllten Exemplare bekanntlich steril 
und werden die Varietäten mittelst der Samen der einfachen fortgepflanzt. Auch 
hier giebt es bei gewöhnlicher Feldeultur etwa 50°/, solcher Atavisten. 


ot 
je) 
on 


Erbliche Zwangsdrehungen. 


Auch andere Fehler der Blattstellung deuten das Zugehören der 
Atavisten zu der Rasse an. Erstens die Individuen mit dreigliederigen 
Wirteln. Diese fangen nicht sofort in der Jugend damit an; sogar 
sind tricotyle Keimpflanzen in meiner Rasse sehr selten. Zuerst 
ist die Blattstellung immer decussirt, und erst im Spätsommer oder 
im Herbst, zur Zeit, wenn andere Exemplare ihre Blätter spiralig zu 
stellen anfangen, geht hier die decussirte Stellung in eine dreigliederige 
über. Diese bleibt dann fast ausnahmslos über den ganzen empor 
wachsenden Stamm bis an das Endköpfchen erhalten. Solche Pflanzen 
sehen aus wie ganz normal, namentlich zeigen die Blätter ihres Stammes 


Fig. 130. Dipsacus sylvestris torsus. Gespaltene Blätter der decussirten Atavisten 
der achten Generation, 1900. 4—D zunehmende Grade der Spaltung. 


nicht die sonst so häufigen Spaltungen des Hauptnerven. Dagegen 
kommen sowohl diese, wie locale Zwangsdrehungen und andere Anomalien 
an den Seitenzweigen der wirteligen Stämme nicht gerade selten vor. 

Die Beziehung der dreigliederigen Wirtel zu der spiraligen An- 
ordnung harrt noch einer genauen Untersuchung. Vielleicht sind die 
ersteren als ein niedrigerer Grad der Anomalie zu betrachten. Dafür 
spricht namentlich der Umstand, dass stark gedrehte Individuen, welche 
oberhalb der Zwangsdrehung ein oder mehrere gestreckte Internodien 
tragen, auf diesen meist dreigliederige Wirtel besitzen. 

Die decussirten Individuen sind reich an Blättern mit gespaltenen 


Die Bedeutung der Atavisten. 589 


Hauptnerven (Fig. 130 A—D), und zwar in allen Graden der Spaltung, 
von einfach zweispitzigen Blättern bis völlig gespaltenen.! Auch 
tragen sie im oberen Theile bisweilen einen oder zwei gleichmässig 
dreigliederige Wirte. Die Reihe dieser Spaltungen ist schon von 
DeELPıno aufgestellt worden;? jede Generation meiner Rasse bietet 
ein reichliches Material zur Demonstration (Fig. 130 A—D). 

In der dritten Generation liess ich 13 Atavisten bis kurz vor 
der Blüthe stehen; sie zeigten sämmtlich in der oberen Stengelhälfte 
einige gespaltene Blätter. In 
der neunten Generation be- De 
obachtete ich auf 172 von den N \4 
220 decussirten Atavisten am 
Hauptstamme dieselbe Ano- 
malie, also an etwa 80°/, der 
ganzen Gruppe. Von den an- 
deren zeigten mehrere die Ab- 
weichung noch an den Seiten- 
Zweigen. 

In der Achsel gespaltener 
Blätter sah ich zumeist nur 
einen Spross, bisweilen aber 
deren zwei, oder auch einen 
flachen, breiten, mit zwei 
Blüthenköpfehen am Gipfel. 
Auch in dieser Richtung be- 
stätigt meine Cultur die von 
Dernrıno aufgestellten Reihen. 

Wie auf die Zwangs- 
drehung selbst, hat die Lebens- 
lage auf diese untergeordneten 
Anomalien einen grossen Ein- Fig. 131. Valeriana offieinalis. Ein Stamm 
Je günstiger diesel mit er aus derselben Cultur 

wie Fig. 121. Juni 1900. 
dingungen sind, um so seltener 
werden die Individuen, welche in allen Zweigen und in allen Blättern 
völlig normal sind. Offenbar ist die Anlage für die Miss- 
bildung in allen vorhanden. 

Im Anschluss an diese Erörterungen mögen hier die mehrfach 
erwähnten sogenannten localen Zwangsdrehungen noch eine kurze 


1 Ber. d. d. bot. Ges. Bd. VII. 1889. S. 296. 


® F. Derpino, Teoria generale della Fillotassi. Atti della R. Universita di 
Genova. IV. Parte II. 1883. 


590 Erbliche a ee 


Besprechung finden. Sie kommen wohl gelegentlich in allen zwangs- 
gedrehten Rassen vor. Unsere Figur 131 stellt einen solchen Fall 
für Valeriana offieinalis dar. Er blühte in demselben Jahre und auf 
demselben Beete wie der völlig tordirte Stengel Fig. 121 (S. 569). 

Bei Dipsacus laeiniatus war die Missbildung in meiner Cultur bis 
jetzt nur auf solche beschränkt, bei Dipsacus sylvestris torsus erhielt 
ich sie unter besonderen Lebensbedingungen an aufrecht wachsenden, 
sonst decussirten Stengeln. Am schönsten pflegen sie aber an den 
Seitenzweigen der tordirten Individuen ausgebildet zu sein, nament- 
lich an den kräftigsten Aesten, welche aus den Achseln der Wurzel- 
blätter und aus der Mitte des gedrehten Stammes emporspriessen. 

Wie bei den Verbänderungen ind auch bei den Zwangsdrehungen 
die Zwischenformen zwischen diesen und der normalen Blattstellung 
verhältnissmässig selten. Allerdings nicht, wenn man die drei- 
gliederigen Wirtel, die gespaltenen Blätter und die örtlichen Torsionen 
der Seitenzweige mitrechnet. Wohl aber, wenn man seine Aufmerk- 
samkeit auf die Zwangsdrehung am Hauptstamme beschränkt. Die 
genaue Messung desjenigen Theiles, auf dem die Blätter in einer 
Spirale stehen, stösst leider auf grosse Schwierigkeiten, da der Anfang 
dieser Spirale innerhalb der Rosette liegt und erst zu einer Zeit 
stattfindet, wo die äusseren Blätter bereits längst verfault sind. Ich 
habe allerdings diesen Anfang in einigen Fällen genau ermittelt, 
indem ich von der Keimung ab die Blattpaare markirte und zählte. 
Auf die Anwendung dieser sehr umständlichen Methode für die Fest- 
stellung einer Curve habe ich aber bis jetzt verzichtet. Dagegen 
lässt sich leicht abzählen, wie viele gestreckte Internodien es ober- 
halb der Zwangsdrehung giebt, und diese sind selbsverständlich um 
so zahlreicher, je kleiner der tordirte Theil ist. 

Im Jahre 1900, als meine achte Generation 1295 blühende 
Pflanzen umfasste, habe ich für jeden gedrehten Stengel die Zahl 
der gestreckten Internodien oberhalb der Drehung aufgeschrieben. 
Wenn ich dabei den stets vorhandenen langen Stiel des Endköpfchens 
nicht mitrechne, so erhalte ich die folgende Reihe: 


Ex. ohne Mit 0—6 gestreckten Internodien ober- 

Zwangsdrehung halb der Zwangsdrehung 
Gestreckte Internodien 6 5 4 3 2 1 0 
Individuen 900 2 3 1 2 40 200 148 


Die Curve, welche man aus diesen Zahlen construiren kann, ist 
offenbar eine zweigipfelige und im Wesentlichen von derselben Form 
wie die entsprechende, in Fig. 117 (S. 565) für die Verbänderungen 


Die Bedeutung der Atavisten. 591 


dargestellte. Torsionen mit 2, 1 und O0 gestreckten Internodien auf 
ihrem Gipfel sind weitaus die häufigsten; kleinere Torsionen kommen 
nur in 9 Fällen auf 1295, also in weniger als 1°/, aller Individuen 
oder in etwa 2°/, der tordirten Exemplare vor. Im Sommer 1902 
habe ich auf meinen Beeten dieselben Zählungen wiederholt; die 
Zwischenformen waren etwas häufiger und erreichten etwa 7°/, auf 
den 492 Individuen; die Form der Curve wurde dadurch aber nicht 
wesentlich verändert. 

Ueber die Erbzahlen der Atavisten habe ich in der achten und 
neunten Generation einen Versuch angestellt. Im Juli 1900 liess ich 
auf einem Beete einige stark gedrehte, einige völlig decussirte und 
einige Stämme mit nur dreigliederigen Wirteln zur Blüthe gelangen. 
Ich reducirte die Zahl der Köpfchen vor der Blüthe auf das gerade 
Erforderliche und sorgte für isolirte Bestäubung in der folgenden 
Weise. Alle Köpfchen wurden in Pergaminbeutel eingehüllt und 
täglich wurden die Beutel von einer Gruppe während einiger Stunden 
abgehoben. Die zahlreich herumfliegenden Hummeln konnten also 
an dem einen Tage nur gedrehte, am anderen nur decussirte, am 
dritten nur ternäre Individuen besuchen. Diese Behandlung wurde 
fortgesetzt, bis alle Köpfchen verblüht waren. Die Samen wurden 
von jeder Pflanze besonders eingesammelt. Im Frühling 1901 säte 
ich die Samen von zwei decussirten, drei ternären und vier gedrehten 
Samenträgern aus und zählte für jede Mutter im Jahre 1902, kurze 
Zeit vor der Blüthe, die Hauptstämme. Da aber die Zahlen für die 
einzelnen Samenträger jeder Gruppe nicht wesentlich von einander 
abwichen, so gebe ich hier nur das Gesammtresultat: 


Kinder, in Proeenten: 


Pau Zweizählig Dreizählig (Gedreht u 
Zweizählig 48 8 44 201 
Dreizählig 39 24 37 136 
Gedreht 45 14 41 155 


Summe: 492 


Wie man sieht, sind die Kinder der Atavisten genau 
ebenso reich an gedrehten Stämmen wie die Kinder der 
besten Erben der Rasse. Dagegen scheint unter den Atavisten 
die Selection der decussirten bezw. ternären einen Einfluss in der 
betreffenden Richtung ausgeübt zu haben. 

Die gedrehten Dipsacus-Stämme sind theilweise nach links, theil- 
weise nach rechts tordirt. Und zwar findet man von beiden Sorten 


592 Erbliehe Zwangsdrehungen. 


stets ungefähr dieselbe Anzahl.! Dadurch? entsteht für die Selections- 
lehre eine sehr merkwürdige Frage, nämlich, ob man durch Selection 
der in einer bestimmten Richtung gedrehten Stämme das Gleich- 
gewicht stören und ein Uebergewicht für die gewählte Richtung er- 
reichen kann. Da nach der in diesem Buche vertretenen Ansicht die 
Selection gar nicht alles vermag, ist die Erwartung gestattet, dass 
es sich in diesem Falle nicht um eine fixirbare Eigenschaft handelt 
und dass die Selection also hier ohne Einfluss bleiben wird. Ich 
habe aus diesem Grunde zuerst in der siebenten Generation nur 
Pflanzen mit einer nach rechts aufsteigenden Blattspirale blühen 
lassen, und ebenso hatten sämmtliche tordirte Samenträger der achten 
Generation dieselbe Richtung der Spirale. Der Erfolg war bisher 
der folgende. Ich zählte: 


Blattspirale nach 


rechts links 
8. Generation 205 215 Individuen 
9. Generation 40 24 


”„ 


Dieser Versuch wird noch fortgesetzt. 

Die erblichen, an Zwangsdrehungen reichen Mittelrassen bilden 
ein geeignetes Material, um durch Kreuzung zu versuchen, die Miss- 
bildung auf verwandte Arten zu übertragen. Bis’ jetzt liegt aber in 
dieser Richtung nur eine einzige Thatsache vor, welche mir von 
Herrn Prof. Le MonntEr in Nancy brieflich mitgetheilt wurde.® 

Er sandte mir zwei gedrehte Stämme von Dipsacus fullonum, 
welche eine ebenso starke und ebenso vollständige Zwangsdrehung 
aufwiesen wie die besten Exemplare meiner Rasse (Fig. 122 A und B, 
S. 570), und welche diese Missbildung einer Kreuzung verdanken 
zwischen der betreffenden Art mit meinem Dipsacus sylvestris torsus, 
den Herr LE MonsıER seit vielen Jahren in grösserem Umfange 
eultivirt. 

Im Jahre 1896 blühte meine Rasse gleichzeitig mit dem gewöhn- 
lichen D. fullonum im Botanischen Garten zu Nancy, und zwar in 
einer gegenseitigen Entfernung von etwa 100 Meter, aber in grossen 
Mengen. Der Pollen konnte leicht von den Insecten von einem Beet 
auf das andere übertragen werden. Aus den Samen des Dipsaeus 


! Anmals of Botany a. a. O. 8. 404. 

®? R.M. Yerkes, Variation in the fiddler Crab, Gelasimus pugilator. Proceed. 
Americ. Ac. of Arts and Sciences. 1901. Vol. 36. No. 24. p. 417. p. 441: Right- 
and left-handed animals oecur in approximately equal numbers. 

® Journ. Roy. Hortie. Soc. 1900. Vol. XXIV. p. 69. 


Das Crueiata- Merkmal. 593 


fullonum entstanden, neben zahlreichen normalen Pflanzen, drei mit 
gedrehten Stämmen. Eine von ihnen hatte aufwärts gerichtete 
Bracteen im Involucrum, ein Merkmal des D. sylvestris, welches ıhn 
vom D. fullonum unterscheidet. Weitere Untersuchungen über diese 
wichtige Frage sind abzuwarten. 

Die in diesen Paragraphen vorgeführten Thatsachen scheinen mir 
den Beweis zu liefern, dass die zwangsgedrehten Mittelrassen 
sich genau so verhalten wie die entsprechenden verbän- 
derten Rassen, und dass namentlich auch hier der Atavis- 
mus nur ein morphologischer ist und kein Austreten aus 
der Rasse bedeutet. 


VI. Kreuzungen des Gruciata-Merkmales. 


$ 21. Das Cruciata-Merkmal. 


Dass Bastardbefruchtungen bei der Entstehung von Arten und 
Varietäten eine wesentliche Rolle spielen, dürfte nach dem am Anfang 
dieses Abschnittes Mitgetheilten wohl nicht fraglich sein. Allerdings 
nicht in dem Sinne, dass dadurch neue elementare Eigenschaften 
entstehen könnten, wohl aber so, dass einerseits die neuen Eigen- 
schaften im Anfang den Gefahren der Kreuzung ausgesetzt sind, und 
andererseits, dass durch hybride Verbindungen Merkmale, welche in 
getrennten Stämmen entstanden sind, in denselben Individuen ver- 
einigt werden können. 

Im Anschluss an diese Ergebnisse haben wir ferner die Frage 
behandelt, in wie fern inconstante Rassen, wie wir sie im letzten 
Abschnitt des ersten Bandes kennen lernten, durch Kreuzung ent- 
standen sein können. Von der allgemeinen Regel der völligen Samen- 
beständigkeit der Arten und Varietäten bilden sie eine so auffallende 
Ausnahme, dass es auf der Hand liegt, dafür eine besondere Ursache 
zu suchen. Ich meine nicht die Fälle von seltenem Atavismus oder 
die nur bei vegetativer Fortpflanzung sich häufiger wiederholenden 
Knospenvariationen, obgleich auch hier eine nähere Prüfung gewiss 
mehrere Beispiele in das Gebiet der Bastardlehre zurückweisen dürfte.! 
Ich habe hier im Besonderen diejenigen Rassen im Auge, welche bei 


! Vergl. unten, $S 8 des letzten Abschnittes. 
DE VRrIEs, Mutation. II. 38 


r 


Ib | 


94 Kreuxungen des Crueiata- Merkmales. 


genügendem Umfang der Cultur alljährlich aus Samen und oft aus 
Knospen Rückschläge hervorbringen. 

Im ersten Bande habe ich diese Fälle, und namentlich die ge- 
streiften Blumen, ausführlich besprochen, und zwar ohne auf die 
Frage einer möglichen Erklärung näher einzugehen. Es galt dort 
nur ihre besondere Natur, in 
Verbindung mit den übrigen 
Beispielen des Atavismus, 
klar zu legen. In $ 9 dieses 
Abschnittes haben wir ferner 
die Uebereinstimmung ihrer 
Inconstanz mit Bastard- 
spaltungen geprüft, um zu 
unterscheiden, in wie fern 
diese uns eine tiefere Ein- 
sicht geben könnten. 

Allerdings wäre der di- 
recte Weg der, dass man 
versuchte, durch Kreuzung 
constanter Typen eine in- 
constante Rasseherzustellen. 
So lange solches aber nicht 
gelungen ist, ist man auf 
andere, mehr indirecte Me- 
thoden angewiesen. 

Zu diesem Zwecke habe 
ich mit einer sehr eigen- 
thümlichen inconstanten 
Rasse eine Reihe von Ver- 
suchen über Selbstbefruch- 
tung und Kreuzung ange- 
Fig. 132. Oenothera eruciataNUTT.der botanischen stellt, deren Ergebnisse ichin 


Gärten. A ein typisches Exemplar, B ein Wurzel- F : 5 
blatt desselben. C ein „atavistisches‘‘ Exemplar diesem Kapitel beschreiben 


mit breiten Blumenblättern. werde. 

Die fragliche, oben be- 
reits besprochene! Rasse ist die in den europäischen botanischen 
Gärten ceultivirte Form der Oenothera eruciata Nurr., welche gewöhn- 
lich ohne Weiteres mit diesem Namen angedeutet wird und unter 
ihm im Samentauschverkehr leicht erhältlich ist. Die europäische 


! Vergl. S. 100 dieses Bandes. 


Das Orueiata- Merkmal. 595 


Gartenpflanze scheint mir aber wegen ihrer Inconstanz nur eine Rasse 
der amerikanischen Art zu sein. 
Betrachten wir zunächst die Eigenschaft, der die Pflanze ihren 
Namen verdankt. Cruciata heisst hier kreuzblüthig; die vier Kronen- 
blätter bilden in der geöffneten Blüthe ein kleines Kreuz. Dieses rührt 
daher, dass sie nicht breit und mehr oder weniger umgekehrt herzförmig 
sind, wie bei den übrigen Arten derselben Gruppe (der Untergattung 
Onagra), sondern schmal, fast linealisch (Fig. 132 A und Fig. 133 B). 
Auf verschiedenen Exemplaren der in den Gärten cultivirten 
Form findet man die Breite dieser Petalen eine wechselnde. Auf 
einigen sind sie völlig linealisch, 
oben nicht breiter als unten, und 
mit einer feinen Spitze endigend. 
Auf anderen sind sie mehr oder 
weniger verbreitert; oben oft 
doppelt so breit als unten, oder 
auch noch mehr. In derselben 
Weise varürt die Farbe. Die 


ganz schmalen Blumenblätter sind [ ei \ 
grünlich, die breiteren fast gelb l j) 
oder rein gelb. Mitunter kommen um 5 


Exemplare vor, welche ich als 

F 5 Fig. 133. Oenothera Lamarckiana eruciata. 
[13 

„Atavisten bezeichnen werde, da A ein normales Kelchblatt, von vorn ge- 
sie die herzförmigen Petalen sehen; B, C, D Kronenblätter; man er- 
ei : kennt mehr oder weniger deutlich die 
der Onagra Gruppe besitzen Spitze und die beiden seitlichen, unterhalb 
(Fig. 132 C), obgleich sie sonst N der Spitze befindlichen Lappen, welche an 
allen Merkmalen mit den kreuz- den stachelartigen Fortsatz und dessen An- 
blüthi üb ; 2 x heftung an das Kelchblatt erinnern. Nach 
üthigen übereinstimmen. Hier derNatur gezeichnet von HEnkI TH.A. Hus. 

sind die Petalen leuchtend gelb, 
und die schmalen Blumenblätter der echten Oruciata stimmen mit 

ihnen häufig genau in der Farbe überein. 

Eine eingehendere Prüfung des Kreuzes lehrt, dass wir einen 
Fall von Sepalodie der Krone vor uns haben. Die Kronenblätter 
sind in Kelchblätter umgewandelt. Allerdings nicht vollständig, und 
namentlich erreichen sie die Länge der echten Kelchzipfel nicht (Fig. 133). 

Sepalodie der Krone ist im Pflanzenreiche eine sehr seltene Er- 
scheinung. In seiner Vegetable Teratology beschreibt MAsTErs davon nur 
einen einzigen Fall.! Es ist dieser. der St. Valery-Apfel, dessen 


11869. 8.282. Vergl. auch die Uebersetzung- desselben Werkes von Uno 
Dauner. 1886. S. 320. Von dem im Handel befindlichen Malus apetala habe 
ich noch keine Blüthen beobachten können. 

38* 


596 Kreuzungen ‚des Orueiata- Merkmales. 


Blüthen an = Stellen « der aa kleine ee Gebilde 
tragen, welche als einen zweiten, inneren Kreis von Kelchblättern 
aufgefasst werden können. In diesen Blüthen sind auch die Staub- 
fäden in schmale, blattartige Gebilde umgewandelt, welche keinen 
Pollen hervorbringen.” Andere Beispiele giebt es gewiss noch, aber 
nur äusserst spärlich und selten.? 

In meiner inconstanten Rasse ist die Sepalodie eine unvoll- 
ständige. Sie trifitt die Kronenblätter streifenweise, indem gelblich 
grüne und leuchtend gelbe Längsstreifen mit einander abwechseln. 
Aber die grünen Streifen sind der Form des Kelches entsprechend 
schmal, während die gelben sich verbreitern, ähnlich wie ja auch die 
normalen Petalen in die Breite wachsen. Denkt man sich ein sepa- 
lodisches Kronenblatt im jungen Zustande, vor dem Anfang des 
Breitenwachsthumes streifenweise aus gleich breiten, abwechselnden 
Theilen von den Eigenschaften der Krone bezw. des Kelches zusammen- 
gesetzt, so werden, wenn die Periode jenes Wachsthumes eintritt, 
die ersteren Streifen sich erheblich verbreitern, die letzteren aber 
nur unbedeutend. Und dieses Princip bedingt im Allgemeinen die 
eigenthümlichen Formen der cruciaten Kronenblätter. 

Das Studium des anatomischen Baues bestätigt diese Auffassung. 
Die grünen Streifen haben den Bau der Kelchblätter, namentlich 
ihre Oberhaut mit Spaltöffnungen und Haaren; die gelben Theile 
haben eine glänzende, glatte Haut, ohne diese Gebilde. Die Aus- 
dehnung und die Vertheilung der Intercellularräume entsprechen den 
äusserlich sichtbaren Eigenschaften, wie zu erwarten war, und ebenso 
die Farbstoffe im Zelleninhalt. 

Je schmaler die cruciaten Petalen sind, um so mehr herrscht 
die Kelchnatur vor. Die rein linearischen sind nicht nur fast ganz 
srünlich und deutlich behaart, sondern ahmen auch in ihrer Form 
die Kelchblätter nach. Die letzteren tragen an ihrer Spitze eine 
kleine eylindrische, grüne und saftige „Granne“, welche frei absteht, 
wenn der Kelch noch geschlossen ist. Die "einzelnen Kelchblätter 
schliessen dann nach oben bis zu dem Fusse dieser Grannen an 


! Die gewöhnlichen Vergrünungen sind hier selbstverständlich ausgeschlossen ; 
sie sind theils nachgewiesener Maassen, theils wahrscheinlich parasitärer Natur; 
vergl. Botanisch Jaarboek. Gent, 1896. Bd. VIII. p. 66. 

? Sepalodie der Petalen bei Trifolium pratense multifidum erwähnt BurkıLL 
in Proceed. Cambridge Phil. Soc. Nov. 1900. Vol. XI. PartI. p. 31. 

°H. Tu. A. Hus, Sepalodie in de bloemen van Oenothera. Botanisch Jaar- 
boek, Gent, 1903. 


Kelch ist von diesen vier kleinen dornartigen Fortsätzen gekrönt.! 

In den grünlichen Petalen der Oen. eruciata erkennt man diese 
Fortsätze leicht. Sie sind allerdings nicht eylindrisch, sondern etwas 
abgeflacht und nach unten verbreitert, also mehr oder weniger drei- 
eckig; auch sind sie im Verhältniss zu dem unteren Theile zu gross. 
Aber sie sind seitlich scharf und deutlich durch je einen kleinen vor- 
springenden Zahn vom übrigen Theile abgegrenzt (Fig. 133 B). Sie 
verrathen auf dem ersten Blick die Kelchnatur der cruciaten Petalen. 

Je breiter und je leuchtender gelb diese veränderten Blumen- 
blätter sind, um so undeutlicher pflegen diese Anhängsel ausgebildet 
zu sein, bis sie in den breitesten Exemplaren 
gar nicht mehr zu erkennen sind. 

In den cruciaten Petalen findet also eine 
Wechselwirkung statt zwischen zwei Eigen- 
schaften oder Gruppen von Eigenschaften, 
welche in der Regel getrennt vorkommen. 
Bisweilen durchdringen sie einander, meist 
liegen sie streifenweise neben einander. Sie 
ringen sozusagen um die Herrschaft und be- 
dingen dadurch die auffallende Variabilität 
der Rasse. 

Wir haben also hier eine Mittelrasse, RE E 
wie wir solche im letzten Abschnitte des ersten gjolapurin. De 
Bandes kennen gelernt haben, analog dem mit Iinealischen Kronen- 
Trifolium pratense quinquefolium, den Varietäten Be a a Er no 

5 g. 1900. 
mit gefüllten oder gestreiften Blumen u. s. w. 
Die beiden fraglichen Eigenschaften halten sich ungefähr das Gleich- 
gewicht (Bd. I, S. 424). 
Diese Mittelrasse verhält sich wahrscheinlich zu der wilden Art 
ähnlich wie der soeben erwähnte fünfblätterige Klee zu dem gewöhn- 
lichen Trifolium pratense. Ich komme daher jetzt zu der Besprechung 
jener ursprünglichen Form.? 


! Als Monstrosität fand ich bei 0. Lamarckiana diese Fortsätze bisweilen 
dunkelgrün und laubartig verbreitert. 

® Diese kenne ich nur aus Abbildungen, Beschreibungen und Herbar-Exem- 
plaren. Trotz vielfacher Bemühungen ist es mir erst in der allerletzten Zeit 
gelungen, lebende Samen aus Amerika zu bekommen. Diese verdanke ich dem 
freundlichen Entgegenkommen der Herren D. T. Mac Doucar in New-York und 
B. L. Rosınsox in Cambridge, Mass. In europäischen Gärten, aus denen ich 
mehrfach Samen erhielt und aussäte, kommt, soweit meine Erfahrung reicht, nur 
die Mittelrasse vor. 


a | 
“ar 
an 


Kreuxungen des -Oruciata- Merkmales. 


Die beste, mir bekannte Beschreibung findet sich in BrrrrTon 
und Brown’s Flora von Nord- Amerika. Mit dieser und der bei- 
gegebenen Abbildung stimmt meine Pflanze völlig überein. Nur er- 
wähnen Brrrroxn und Brown nichts über eine etwaige Variabilität 
der Petalen, und ebenso wenig erwähnen sie die Form mit den 
herzförmigen Blumenblättern (Fig. 132 0). Wäre die amerikanische 
Pflanze variabel oder pleiomorph, wie die europäische, so wären die 
betreffenden Formen doch gewiss auch, sei es auch als besondere 
„Arten“, in die Flora aufgenommen worden. 

Die O. erueiata Nurr. ist einjährig (unsere Form ist in einzelnen 
Exemplaren auch zweijährig), niedriger und feiner von Bau als 
O. biennis und in allen Theilen braunroth (purpurn) statt grün. Die 
Blätter sind sehr schmal (Fig. 132 .B), die Blüthen klein; die Kelch- 
zipfel kürzer als die Kelchröhre, die Blumenblätter 12 Mm. lang und 
2—4 Mm. breit, spitz, die Früchte etwas länger aber dünner als bei 
O. biennis. Aus diesen Merkmalen sind nach meiner Erfahrung, 
ausser der ganzen Gestalt, die braunrothe Farbe, die Form der 
Blätter, die Grösse der Blüthen und der Bau der Früchte die Punkte, 
an denen sich die Pflanzen in der Cultur am leichtesten und am 
sichersten von ihren Verwandten unterscheiden lassen. 

Die O. erueiata Nurr. wächst von Vermont bis New-York und 
Massachusetts und steigt im Adirondack-Gebirge bis zu 2000 Fuss 
hinauf. 

Im Prodromus von DE CANDOLLE wird O. erueiata Nurr. unter 
O. parviflora L. aufgeführt. Warson nennt sie als Varietät von 
O. biennis L.? Ebenso ToRREY und Gray, welche auch O. parviflora L. 
als eine besondere Form neben O. eruciata NuTT. nennen; sie rechnen 
diese beiden als Varietäten zu O. biennis L.” Auch Sprach nennt 
diese beiden Formen neben einander als Varietäten, rechnet sie aber 
zu seiner O. chrysantha, also zu der Gruppe der O. muricata L. Er 
bezeichnet die Petalen als linearisch und verkümmert (Petala hebetata).* 


I N. Brırron and A. Brown, An illustrated Flora of the Northern United 
States, Canada and the British possessions. 1897. Vol. II. p. 485. Die Gruppe 
Onagra ist hier als Gattung genommen, dementsprechend heisst unsere Pflanze 
Onagra cerueiata (Nurr.) Small. 

®2 S, Watson, Revision of the extra-tropieal North American Species of the 
Genus Oenothera, in Proceedings Amerie. Acad. of Science. 1873. Vol. VIII. 
p: 579 and 603. Hier heisst es: „petals very narrow or wholly wanting“. In 
meinen Culturen fand ich nie Blüthen ohne Petalen. 

® J. Torrer and Asa Gray, A Flora of North America. 1833—40. Vol.I. p. 492. 

* Spacn, Monographia Onagrearum. Nouvelles Annales du Mus&um d’histoire 
naturelle. 1835. IV. p. 355. 


Das Orueiata- Merkmal. 599 


Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, dass die in euro- 
päischen Gärten unter dem Namen der O. eruciata cultivirte Pflanze 
wirklich zu O. erueiata Nurr. gehört und mit dieser in allen Punkten, 
mit Ausnahme der Variabilität der Petalen und der Inconstanz bei 
Aussaaten, übereinstimmt. Ich betrachte sie daher als eine be- 
sondere Rasse, Unterart oder Varietät dieser Form und werde sie 
im Folgenden mit dem Namen Oenothera eruciata varia bezeichnen.! 

Ob diese Form durch eine Mutation oder durch Kreuzung 
(vielleicht mit O. muricata L.), wie im ersten Abschnitt erörtert wurde, 
aus der wilden Stammform entstanden ist,? ist selbstverständlich un- 
bekannt? und wird so lange ungewiss bleiben, bis es gelingt, sie in 
der einen oder der anderen Weise aus der Stammart künstlich dar- 
zustellen. 

Ausser den beiden behandelten Formen tritt das Orueiata-Merkmal 
auch sonst in der Gattung Oenothera und in anderen Gattungen der 
Önagrarieen auf. Ich kenne es bis jetzt bei: 


O. biennis eruciata. 

O. rubiennis eruciata (siehe unten $ 27). 

O. Lamarckiana eruciata (siehe unten $ 29). 
Epilobium hirsutum cruciatum. 

Fuchsia coccinea. (?) 


Ueber diese Pflanzen möge, soweit sie nicht zu meinen Versuchen 
dienten und somit ausführlicher zu besprechen sind, Folgendes mit- 
getheilt werden: 

Oenothera biennis ceruciata wurde im August 1900 von meinem 
Sohne Erxsst in den Dünen unweit Santpoort inmitten der gewöhn- 
lichen Form der O. biennis gefunden. Diese Varietät scheint bis 
dahin unbekannt gewesen zu sein, denn was ich aus verschiedenen 
Gärten oder in Herbarien unter diesem Namen sah, scheint wohl 
stets zu der nächstfolgenden Form, O. rubiennis eruciata, zu gehören. 
Wo dieses Exemplar herrührte und wie es entstanden ist, lässt sich 
nicht mehr erforschen. An eine Kreuzung von O0. biennis mit 
O. eruciata ist nicht zu denken, theils weil letztere bei uns wohl nur 
in botanischen Gärten vorkommt, theils weil die braunrothe Farbe 
der O. eruciata in ihren Kreuzungen dominirend ist, hier aber durchaus 


! Synonyme: Onagra cruciata varia, Oenothera biennis eruciata varia, Oeno- 
thera muricata ceruciata varia u. 8. w. 

® Vergl. S. 100 dieses Bandes. 

® An Bastardrassen ist die in den Gärten eultivirte Gruppe der Onagra 
äusserst reich. 


600 Kreuzungen des Oruciata- Merkmales. 


fehlt. Eher wäre eine directe Entstehung aus O. biennis anzunehmen, 
also durch eine Mutation, analog derjenigen, durch welche die O. eru- 
ciata Nurr. selbst einmal entstanden sein muss. 

Von dem einzigen, wildwachsenden Exemplar erhielt ich etwa 
1 Cbem. Samen, und daraus weit über 500 Pflanzen, von denen aber 
nur etwas über 100 im ersten Jahre geblüht haben. Die übrigen 
blieben Rosetten, wurden zum Theil überwintert und blühten im 
Sommer 1902. Diese ganze Cultur war, so lange sie nicht blühte, 
in keiner einzigen Beziehung von der reinen O. biennis zu unterscheiden. 
Ich konnte sie täglich vergleichen, da ich aus Samen der bei uns 
häufigen, wildwachsenden O. biennis gleichfalls eine Cultur hatte. Erst 
die Blüthenknospen und dann 
die Blüthen zeigten einen 
Unterschied. Die ersteren 
waren schmal, weil die Petalen 
den Raum innerhalb des 
Kelches nicht ausfüllten; die 
letzteren waren auf den 100 
einjährigen sowie später auf 
den zweijährigen Pflanzen, 
mit im Mittel je zwei bis 
drei blühenden Trauben, aus- 
nahmslos schmal, linealisch, 
mehr oder weniger verküm- 
mert und verhältnissmässig 
Fig. 135. Kreuzblüthen verschiedener Nacht- wenig variabel. Die neue 
kerzen. A Oenothera Lamarckiana eruciata ; Varietät ist somit als völlig 
B Oenothera lata x O. eruciata varia; © Oeno- 

thera rubiennis eruciata. constant zu betrachten.! 
Kreuzungsversuche habe ich 
mit ihr zwar gemacht, aber noch nicht beendet. 

Oenothera rubiennis ist die im ersten Abschnitt dieses Bandes 
beschriebene constante Bastardrasse (S. 102), welche im Samenaustausch 
häufig mit der O. erueiata vermischt erhalten wird. Sie kommt theils 
mit den gewöhnlichen breiten Blumenblättern der O. biennis vor, theils 
mit verschmälerten, welche dann in allen Punkten mit den so viel 


! Dass meine Cultur, trotz der freien Bestäubung der Blüthen der Mutter- 
pflanze ‘auf dem wilden Standort, rein war, ist wohl wesentlich dem Umstande 
zuzuschreiben, dass die Oenothera biennis sich bereits vor dem Oeffnen der Blüthen- 
knospen befruchten kann, wie in Fig. 135 € die Lage der Narben zwischen den 
Staubfäden für ©. rubiennis eruciata andeutet. Die letzteren öffnen sich am Tage 
vor der Entfaltung der Krone. 


Das Oruciata- Merkmal. 601 


kleineren Petalen der O. eruciata varia übereinstimmen (Fig. 135 C) und 
wie diese, höchst variabel sind. Mit dieser Rasse habe ich einen 
Theil der unten zu erwähnenden Kreuzungen ausgeführt.! 


Oenothera Lamarckiana eruciata (Fig. 135 A) bildet den Haupt- 
gegenstand meiner Studien über die jetzt vorliegenden Fragen. Sie 
ist eine constante Bastardrasse, welche ich durch Kreuzung von 
O. Lamarckiana und O. rubiennis eruciata erhielt.? 


Epilobium hirsutum eruciatum erhielt ich durch die Freundlich- 
keit des Herrn Jonn Rasor in Woolpit, Bury St. Edmunds in 
England. In jener Gegend findet man E. hörsutum sehr allgemein, 
an einer einzigen Stelle wuchsen aber etwa ein Dutzend Pflanzen, 
welche in allen ihren Blüthen nur schmale, verkümmerte, grünlich 
rothe Kronenblätter hatten. Sie verhielten sich genau wie die cru- 
ciaten Formen der oben beschriebenen ÖOenotheren, müssen aber 
offenbar unabhängig von diesen, also durch eine eigene Mutation 
entstanden sein. Herr Rısor sandte mir blühende Sprossgipfel mit 
reifen Früchten; die Samen keimten in meinem Versuchsgarten 
sofort. Die wildwachsenden Exemplare sind möglicher Weise aus den 
Stolonen einer einzigen Mutter entstanden, da sie dicht beisammen 
wuchsen, und es ist also möglich, dass dieses Exemplar das 
erste der neuen Form ist, welches unmittelbar aus der Mutterart 
hervorging. 

Aus den Samen hatte ich im Sommer 1902 eine grössere Oultur 
von weit über 100 Pflanzen, welche am Hauptstamme und mehrfach 
auch aus den Seitenästen reichlich blühten und ausnahmslos rein 
eruciate Blüthen hervorbrachten. Die Cultur war aber, trotz vieler 
Sorgen, in diesem ersten Jahre noch nicht kräftig genug, um merk- 
lich Samen zu tragen, wird aber voraussichtlich im zweiten Lebens- 
jahre eine gute Ernte geben. 


Die Angaben über Fuchsia coccinea kenne ich nur aus den Mit- 
theilungen von SCHLECHTENDAL und SURINGAR, welche auch von PENZIG 
citirt worden sind. Ob hier wirklich Sepalodie vorliegt, scheint mir 
fraglich, obgleich in den schmalen Kronenblättern die Eigenschaften 
des Kelches und der Krone streifenweise neben einander lagen. Aber 
die Blüthen waren auch sonst monströs mit Uebergängen ihrer Theile 


. ! Im Sommer 1902 cultivirte ich diese Form ebenfalls aus Samen, welche 
ich der Freundlichkeit des Herrn Dr. G. Bırter in Münster verdanke. 

® Samen dieser Rasse habe ich seit 1897 im Samen-Catalog des Botanischen 
Gartens von Amsterdam im Tausch angeboten, 


602 Kreuxungen des Crueiata- Merkmales. 


in grüne Blätter u. s. w. Der Fall soll hier also nur kurz erwähnt 
und für eine eingehendere Prüfung empfohlen werden.! Erinnert sei 
auch an die apetale Fuchsia procumbens. 


$ 22. Oenothera cruciata varia als Mittelrasse. 


Wenn man im Tausch der botanischen Gärten Samen unter dem 
Namen 0. cerueiata Nurr. erhält und aussät, so bekommt man, ab- 
gesehen von etwaigen Fehlern, eine Cultur, welche ganz oder doch vor- 
wiegend aus Pflanzen besteht, deren Aeusseres mit den Beschreibungen 
der ©. eruciata übereinstimmt. Nicht selten findet man, mit diesen 
untermischt, Exemplare der schönen Bastardrasse O. rubiennis erueciata. 
Bisweilen auch die O. rubiennis selbst, und schliesslich eine der 
O. eruciata in allen Merkmalen mit Ausnahme der Petalen gleichende 
Form. Ihre Blumenblätter sind breit und umgekehrt-herzförmig, 
von derselben Gestalt wie bei O. biennis, aber viel kleiner (Fig. 136). 

Diese Beimischungen deuten auf frühere Kreuzungen hin; solche 
sind ja in botanischen Gärten, wenn verschiedene verwandte Arter. 
nahe bei einander blühen, nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern 
zweifelsohne eine ganz gewöhnliche Erscheinung.? Sie lassen es stets 
als fraglich erscheinen, ob neben den Kreuzungsprodukten die reine 
Form noch erhalten ist, und häufig sind ja Bastarde nicht an ihren 
Merkmalen, sondern nur an den Eigenschaften ihrer Nachkommen- 
schaft, nach künstlicher Selbstbefruchtung, von echten Arten zu unter- 
scheiden. 

Die Möglichkeit, dass die O. erueiata varia der europäischen 
Gärten in dieser Weise durch eine Kreuzung aus der amerikanischen 
O. eruciata entstanden sei, und zwar vermuthlich durch eine Ver- 
bindung mit O. muricata, habe ich im ersten Abschnitt dieses Bandes 
ausführlich erörtert (S. 100). 

Obgleich ich zu mehreren Malen solche Aussaaten von fremden 
Samen gemacht und bisweilen in zweiter Generation fortgesetzt habe, 
habe ich nur einen Versuch durch eine längere Reihe von Jahren 
verfolgt. 

Ausgangspunkt für diese Öultur bildete eine einzige Pflanze, 
welche im Jahre 1897 aus im Tausch erhaltenen Samen aufgegangen 


! von ScHLECHTENDAL, Botan. Zeitung. 1866. 8. 255. W. F. R. Surınaar, 
Monstruositeit van eene Fuchsia-bloem. Nederl. Kruidk. Archief. 1874. 2. Serie, 
Bad. I. S. 109, Tafel I. O. Penxzıo, Pflanzen- Teratologie. I, S. 485. 

® Vielleicht dieselbe, welehe von Lınxf als O. parviflora beschrieben wurde? 

° Vergl. Abschnitt II, $ 37 über das Vieinovariiren (oben $. 383). 


Oenothera cruciata varia als Mittelrasse. 603 


war. we Jeipfel ee Pflanze wurde bei der Blüthe in einen 
Pergaminbeutel gehüllt und vor Insectenbesuch völlig geschützt. Die 
Blumen befruchten sich selbst leicht und ohne künstliche Hülfe, der 
Beutel brauchte also erst 
nach dem Verblühen der 
ganzen Rispe geöffnet 
zu werden. Die Nach- 
kommen dieser Pflanze 
blühten stets in derselben 
Weise isolirt, soweit sie 
als Samenträger aus- 
gewählt wurden. 

Die ursprüngliche 
Pflanze gab nur wenig 
Samen, aus denen ich 
im nächsten Jahre (1598) 
nur sechszehn Pflanzen 
zur Blüthebringen konnte. 
Diese zeigten den ganzen 
Formenreichthum der 
Rasse, wie er sich auch 
in den späteren Gene- 
rationen bewährt hat. 
Zwei Exemplare hatten 
nur herzförmige Blumen- 
blätter (Fig. 136). Neun 
andere waren rein sepa- 
lodisch, d. h. so rein, wie 
es in meinen Culturen 
überhaupt vorgekommen 


ist. Die Petalen waren Fig. 136. Oenothera ceruciata varia. Eine „,ata- 

: : .. vistische‘ Pflanze mit breiten, umgekehrt - herz- 
schmal, linealisch, Srlz förmigen Petalen (vergleiche Fig. 132 C, S. 594). 
lich und mit einer deut- 4 Blühender Sprossgipfel; B-Rispe mit nahezu reifen 
lichen Spitze; alle unter Früchten; C einzelne Frucht; D unteres Stengel- 


i : blatt; EZ eine einzelne Blüthe in der Achsel ihres 
sich gleich. Soche Pe- Stützblattes. 


talen füllen vor der Blüthe 

den Kelch nicht aus, die erwachsenen Blüthenknospen scheinen dem- 
zufolge schlaff und wie leer. Oeffnet sich die Blüthe, so bleiben 
ganz gewöhnlich die vier Kelchblätter an ihrem oberen Ende noch 
zusammengeklebt, da die Ursache fehlt, welche ihre Verbindung zer- 
sprengen könnte. Meist trennen sie sich nachher und spreizen sich 


604 Kreuzungen des Oruciata- Merkmales. 


aus, sich nach rückwärts umbiegend. Aber unter ungünstigen Be- 
dingungen sah ich sie mehrfach verbunden bleiben; oft klebten sie 
noch beim Verblühen aneinander. Die Befruchtung findet theilweise 
vor, theilweise bald nach der Entfaltung der Blüthe statt; der Besuch 
der Insecten ist, wie bereits bemerkt, dazu nicht erforderlich. 

Die übrigen fünf Pflanzen meiner Cultur zeigten die im vorigen 
Paragraphen besprochene starke Variabilität der Petalen. Meist breit- 
linealisch und hochgelb, schwankten sie einerseits nach den schmalen 
grünlichen, andererseits nach den umgekehrt-herzförmigen Gestalten 
hin. Und solches sowohl individuell wie partiell, d. h. sowohl mit 
durchschnittlichen Unterschieden zwischen den einzelnen Exemplaren, 
wie mit starken Differenzen auf derselben Pflanze. Nicht selten fand 
ich Blumenblätter von sehr verschiedener Breite au auf einander 
folgenden Tagen auf derselben Rispe; ja selbst in derselben Blüthe 
war mehrfach ein Blumenblatt ganz schmal, ein anderes aber breit. 
Auch dasselbe Blumenblatt kann in der einen Längshälfte breit, in 
der anderen aber verkümmert sein. 

Um diese drei verschiedenen Typen in einfacher Weise andeuten 
zu können, werde ich die schmalen grünlichen, wenig variablen Extreme 
rein-sepalodisch nennen, die zahlreichen Uebergänge breit-sepa- 
lodisch oder halb-sepalodisch, und die umgekehrt-herzförmigen 
atavistisch. Die rein-sepalodischen stimmen nach mir von Herrn 
D. T. Mac DovsAu in New-York freundlichst gesandten Blüthen mit 
den Petalen der wilden ©. erueiata Nurr. überein, doch ist eine nähere 
Vergleichung erwünscht; die breit-sepalodischen sind für die Mittel- 
rasse charakteristisch, und die atavistischen verdienen diesen Namen, 
nach gärtnerischem Brauche, wenn man meine Rasse als Bastard 
betrachtet, nach wissenschaftlichem Brauche, wenn man die Ab- 
stammung der 0, crueiata Nurr. von einem breitpetaligen Onagra- 
Vorfahren (z. B. O. biennis oder O. muricata) annimmt. 

Die rein-sepalodischen und die atavistischen bilden dann die 
Extreme, zwischen denen die ganze Gruppe varıirt. Und solches 
nicht nur bei dieser Rasse, sondern ebenso bei der O. rubiennis eruciata 
und bei der O. Lamarckiana cruciata. 

Ausser diesen drei Typen kommt es auch vor, dass eine Pflanze 
durch Knospenvariation von der einen Form in die andere über- 
geht; sie trägt dann, auf getrennten Aesten oder auch auf derselben 
Rispe, zwei Sorten von Blüthen (Fig. 137). Diesen Fall kenne ich 
von den rein-sepalodischen Exemplaren noch nicht; die breit-sepa- 
lodischen aber können atavistische und die atavistischen Exemplare 
breit-sepalodische Zweige ausbilden. Es ist selbstverständlich, dass 


Oenothera cruciata varia als Mittelrasse. 605 


die Aussicht darauf um so grösser ist, je reicher die betreffende 
Pflanze sich verzweigt. Also bei weitem Stand und namentlich im 
Spätjahr. Ersteres hat zur Folge, dass in grösseren Aussaaten die 
Knospenvariationen wegen des beschränkten Raumes meist nicht auf- 
treten; letzteres, dass sie häufig erst im September sichtbar werden, 
wenn die künstlichen Befruchtungen bereits längst abgeschlossen sind. 
Es ist also ganz gewiss, dass wohl manche Pflanze, welche keine 
Knospenvariation gezeigt hat, 
solches unter anderen Cultur- 
Bedingungen gethan haben würde. 
Im letzten Jahre habe ich ein 
einfaches Mittel in Anwendung 
gebracht, solche Zweigvariationen 
vielfach zu bekommen. Es wurde 
dazu im Juni der Hauptstamm, 
möglichst früh, ausgeschnitten, 
und unter den zahlreichen, dann 
aus den Achseln der Wurzelblätter 
hervortretenden Nebenstengeln 
fand ich nicht allzu selten die 
zwei T’ypen auf derselben Pflanze. 

Bei meinen Zählungen ist 
also stets mit Rücksicht auf die 
Möglichkeit verborgener Zweig- 
varlationen ein entsprechender 
Vorbehalt zu machen. 

Kehren wir jetzt zu der Be- 
schreibungderHaupteculturzurück. 

Selbstbefruchtete Samen habe 
ich von drei rein-sepalodischen _, 

- : ö Fig. 137. Oenothera ceruciata varia. Eine 
und von einer breit-sepalodischen Aehre mit zwei normalen und einer cru- 
Pflanze im Jahre 1898 gewonnen. ciaten Blüthe (1901). 

Sie wurden im nächsten Frühling 

ausgesät. Aber anstatt die Einzelheiten dieser und der folgenden 
Generationen ausführlich zu beschreiben, scheint es ausreichend, den 
ganzen Versuch übersichtlich in der Form eines Stammbaumes (S. 606) 
vorzuführen. Dabei ist zu bemerken, dass, abgesehen von den Blumen- 
blättern, die Art sich als völlig constant erwiesen hat, die Tracht 
und die Merkmale der O. erueiata Nurr. waren stets und in jedem 
Exemplare völlig ausgebildet, die Beete sehr einförmig. Darauf brauche 
ich also weiter nicht einzugehen. Ferner ist es selbstverständlich, 


606 IR des Oruciata- Merkmales. 


dass in der Tabelle nur die bihhendan ne en sind; 
einige wenige, welche trotzten (zweijährig wurden) oder ihren Stengel 
zu spät trieben, sind nicht mitgezählt worden. 

Der Umfang der Culturen war allerdings nur ein kleiner; die 
Zahlen in dem Stammbaume geben die absoluten Anzahlen der be- 
obachteten Pflanzen an. Sie reichen nicht aus, um in irgend einem 


Stammbaum 
von 


Oenothera ceruciata varia bei Eigenbefruchtung. 


| Rein- Sepalodische |Breit- Set Atavistische 


Generation 
| Pflanzen | Pflanzen Pflanzen 
IV-V. 1901 | 44R 2B 2A 
vierte und | Br 
fünfte 39 R 3B 3 Au 
Generation oB 45 A 
nn ———————— 0000. 
| 
IV. 1900 | | 24 R 2B Ze \ 
vierte Gene- | = "4 
ration | | 1A 70 A 
IM. 189 | 30R30R22R 0oB 8A 
dritte Gene- | u 
ration 4 R 0B 58 A 
| z 
NE 1898 , Nr.1 Nr.2 Nr.3 | 
zweite Gene- ‘IR 5B A \ 
ration | 
JE 1897 ıR 
erste Gene- 
ration 


Falle absolute Constanz zu beweisen, genügen aber überall dort völlig, 
wo Spaltungen beobachtet wurden. Und solche sind, wie man leicht 
sieht, die Regel, 

Zählt man die Culturen, unabhängig von der dazu verwandten 


(eneration, für jede der ni Haupttypen zusammen, so findet man, 


dass rein-sepalodische Pflanzen bei Selbstbefruchtung vorwiegend 
Ihresgleichen hervorbringen, aber daneben in geringerer Menge die 


EINER TE DU EU Ehe ee 


Vergleichung eruciater und gestreifter Blumen. 607 


beiden anderen Formen. Ebenso können die breit-sepalodischen 
Pflanzen sich spalten, sie liefern aber vorwiegend atavistische Nach- 
kommen. Und der letztere Typus hat sich bis jetzt, bei Aussaat, 
nur wiederholt. Rechnet man die Summen der absoluten Zahlen 
dieser drei Gruppen in Procenten um, so erhält man: 


Mi Anzahl In Procenten: 

Nırer der Kinder Rein-Sep. Breit-Sep. Atavisten. 
Rein-sepalodisch 232 85 5 10 
Breit-sepalodisch 103 4 0 96 
Atavistisch 141 0 0 100 


Es ist hierbei an die oben erwähnte Thatsache zu erinnern, dass 
von Zeit zu Zeit durch Zweigvariationen partielle Spaltungen eintreten, 
und zwar sowohl auf breit-sepalodischen als auf atavistischen Pflanzen, 
dabei jedes Mal den anderen dieser beiden Typen, und, wenigstens 
bis jetzt, nicht das Extrem der rein-sepalodischen hervorbringend. 

Aus dem Mitgetheilten ergiebt sich, dass die Oenothera 
cruciata varia eine äusserst variable Mittelrasse ist, welche, 
in allen übrigen Merkmalen mit der Mutterart, der Oen. eruciata NUTT., 
übereinstimmend, in der Form und Ausbildung der Petalen 
zwischen dieser und den übrigen Onagra-Arten schwankt. 
Sie bringt einerseits rein-cruciate Exemplare, andererseits Individuen 
mit umgekehrt-herzförmigen Blumenblättern hervor. Und solches 
sowohl durch Samen als durch Knospen. 


$ 23. Vergleichung cruciater und gestreifter Blumen. 


In der Einleitung zu diesem Kapitel habe ich darauf hingewiesen 
(S. 593), dass die im vorigen Bande beschriebenen inconstanten Varie- 
täten eine so auffallende Ausnahme von der allgemeinen Regel der 
Constanz der Arten und Varietäten bilden, dass die Frage nach einer 
möglichen Erklärung sich nicht zurückweisen lässt. 

Die im ersten Bande (Abschnitt IV, $ 12, S. 482) behandelten 
Erscheinungen des Atavismus bilden eine lange Reihe von meist 
unzureichend untersuchten oder gar nur durch Beobachtung be- 
kannten Vorgängen ohne entscheidende Experimente. Am einen 
Ende dieser Reihe stehen vereinzelte, ganz seltene Erscheinungen, 
welche ebenso unvermittelt und ebenso plötzlich auftreten, wie neue 
Varietäten überhaupt entstehen, und welche also wohl als Mutationen 
aufzufassen sind. Am anderen Ende derselben Reihe stehen die 


608 Kreuzungen des ÜOruciata- Merkmales. 


gestreiften Blumen mancher Gartenpflanzen, welche alljährlich und 
oft in bedeutenden Mengen atavistische Individuen hervorbringen. 

Alle diese Fälle harren des experimentellen Studiums. Es ist 
gar nicht ausgeschlossen, dass sie nur scheinbar eine einheitliche 
Gruppe bilden, welche thatsächlich ganz verschiedene Sachen um- 
fasst. Ich beschränke mich hier auf den extremen Fall, den des 
alljährlich wiederkehrenden Rückschlages, wie er sich namentlich bei 
gestreiften Blumen zeigt. 

Ueberblickt man die Erscheinungen der elementaren Bastard- 
lehre, so sieht man, dass hier und dort Spaltungen vorkommen, 
welche unter den Kindern eines Bastardes die in diesem latente 
Eigenschaft des Vaters oder der Mutter zu Tage treten lassen. Und 
solches namentlich auf dem Gebiete der eigentlichen Mrxper’schen 
Kreuzungen. Es entsteht daraus die Frage, ob die inconstanten 
Rassen vielleicht eine analoge Erscheinung sind und ob der Rück- 
schlag in ihnen vielleicht einfach auf eine Bastardspaltung zurück- 
geführt werden kann? 

Wie bereits bemerkt (S. 594), wird eine endgültige Antwort erst 
dann gegeben werden können, wenn man im einzelnen Falle durch 
hybride Verbindung zweier constanter Rassen eine inconstante machen 
kann. Da solches aber vorläufig nicht der Fall ist, werde ich mich 
darauf beschränken, zu untersuchen, wie sich inconstante Merkmale 
bei Kreuzungen verhalten. 

Bevor ich aber zu dieser Discussion schreite, scheint es mir 
wichtig, eine möglichst eingehende Vergleichung zwischen den cruciaten 
Blüthen der Oenotheren und den gestreiften Gartenvarietäten vor- 


zunehmen. Wir wählen, der klaren Ausdrucksweise halber, dabei 


stets das gestreifte Antörrhinum als Beispiel (Bd. I], S. 494). 

Ueber das Merkmal habe ich schon oben S. 596 das Wichtigste 
hervorgehoben. Die cruciaten Blüthen können ohne Weiteres 
als gestreift bezeichnet werden; sie sind den gewöhnlichen 
Streifungen durchaus analog. Grünliche, kelchähnliche oder sepa- 
lodische Längsstreifen wechseln mit hochgelben, kronenähnlichen oder 
petalodischen ab. Nur haben die ersteren beim Wachsthum des 
Blumenblattes die Eigenschaft, schmal zu bleiben, die letzteren aber 
die, sich zu verbreitern, wie es ja normale Kronenblätter bei ihrem 
Wachsthum auch thun. Und dieses erklärt die wechselnde Form: 
die Petalen sind um so breiter, je reicher sie an petalodischen und 
je ärmer sie an sepalodischen Partieen sind. Würde dieses Breiten- 
wachsthum fehlen, so würden sich die eruciaten Blüthen ganz wie 
gestreifte verhalten. 


Vergleichung eruciater und gestreifter Blumen. 609 


Ebenso auffallend ist die Uebereinstimmung in den Rassen. Es 
giebt beim gestreiften Löwenmaul eine feinstreifige, eine breitstreifige 
und eine rothe atavistische Zuchtrasse (vergl. Bd. I, Fig. 142, S. 501). 
Und bei den Oenotheren eine rein-sepalodische, eine breit-sepalodische 
und eine atavistische. Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass die beiden 
atavistischen analog sind; beim Löwenmaul trägt sie die Blüthenfarbe 
der wilden Art, bei den Oenotheren die für die ganze Gattung und 
namentlich für die Untergattung charakteristische Gestalt zur Schau. 
Ebenso deutlich ist die Analogie zwischen dem feingestreiften An- 
tirrhinum und den rein-sepalodischen Oenotheren. Das „Varietät- 
merkmal“ tritt hier stark in den Vordergrund, ohne aber die ältere 
Eigenschaft völlig auszuschliessen. Rein gelbe und rein weisse Sorten 
von Antirrkinum giebt es zwar, sie gehören aber nicht zum Formen- 
kreise der gestreiften und entstehen aus diesen auch nicht (Bd. I, 
8. 505). Ebenso ist auch bei meinen Oenotheren die Sepalodie keine 
vollständige; nirgendwo treten völlig typische Kelchblätter an die 
Stelle der Petalen. 

Endlich sind auch die beiden mittleren Typen analog: das breit- 
streifige Löwenmaul und die breit-sepalodischen Oenotheren. In beiden 
sind die zwei antagonistischen Eigenschaften gleichzeitig thätig, und 
kämpfen sie, wenn man so sagen darf, um den Vorrang. Die Breite 
der rothen Streifen einerseits und diejenige der hochgelben anderer- 
seits schwanken innerhalb sehr weiter Grenzen, und diese Schwankungen 
sind theils individuell, theils partiell, d. h. oft Unterschiede zwischen 
den Individuen, oft aber auch zwischen den einzelnen Blüthen der- 
selben Pflanze darstellend. Bisweilen ist die Sepalodie der Oenotheren 
in den vier Kronenblättern einer Blüthe in sehr ungleichem Grade 
ausgebildet, ebenso sind auch nicht selten die Hälften einer gestreiften 
Blume von Antirrhinum einander ungleich. 

Knospenvariation kommt gleichfalls bei beiden Gruppen vor, und 
zwar ist es bei beiden vorwiegend, wenn auch nicht ausschliesslich, 
die mittlere Rasse, welche diese Erscheinung zeigt. Bei den cruciaten 
Blüthen thun aber auch die atavistischen solches nicht allzu selten. 

Neben diesen verschiedenen Punkten der Uebereinstimmung giebt 
es noch einige weitere. Ich nenne erstens den Gegensatz zwischen 
den rothen Exemplaren des Löwenmauls und denjenigen mit den 
breitesten Streifen und dann die sectoriale Variabilität. Beide Er- 
scheinungen finden bei den Oenotheren ihresgleichen. Die breit- 
sepalodischen gehen zwar oft sprungweise, oft aber auch ganz allmählich 
in die atavistischen über, wie uns namentlich die Petalenreihe der 
O. rubiennis eruciata in Fig. 140 auf S. 618 lehrt. Sie legen die 


DE VRIES, Mutation. II. 39 


610 Kreuzungen des Oruciata- Merkmales. 


Vermuthung nahe, dass auch beim Löwenmaul die bis jetzt beobachtete 
Kluft sich wohl bei geeigneter Cultur wird überbrücken lassen. Und 
eine sectoriale Variation, d. h. die Entstehung cruciater oder ata- 
vistischer Blüthen auf einem Sector einer andersartigen Inflorescenz, 
habe ich für meine Oenothera bereits oben (Fig. 137 auf S. 605) ab- 
gebildet. Im Zusammenhange damit ist auf die auch bei den ceruciaten 
ÖOenotheren nicht fehlende Knospenvariation hinzuweisen. Diese ist 
aber bis jetzt so selten gewesen, dass ihr Wesen noch bei Weitem 
nicht in allen Zügen hat erforscht werden können. Dazu kommt, 
dass die Blüthen am zweiten Tage zu verwelken und bald abzufallen 
pflegen, während sie bei Antirrhinum oft eine Woche lang die Pflanze 
schmücken. Ersteres ist offenbar geeignet, sectoriale Vertheilungen 
zu maskiren, letzteres, sie gerade besonders auffällig zu machen. 
Auch findet man bei gestreiften Blumen nicht selten eine einseitige 
Rothfärbung der Achse der Inflorescenz, was selbstverständlich bei 
dem Orueiata-Merkmal fehlt. Es dürfte somit keineswegs ausgeschlossen 
sein, dass Erscheinungen, wie sie unsere Fig. 137 auf S. 605 darstellt, 
bei umfangreicheren Culturen häufiger eintreten werden. 

Weniger einfach liegt die Frage in Bezug auf den Gegensatz 
zwischen den breitstreifigen und den rothen Individuen des Löwen- 
mauls. Dieser ist aber selbstverständlich kein absoluter, da ja die 
fluctuirende Variabilität der Streifenbreite an sich keine absoluten 
Grenzen haben kann. Nur scheinen bis jetzt die extrem breiten Streifen 
seltener als die atavistischen Pflanzen zu sein, und wenn man die 
Sachlage so auffasst, so trifft ja dasselbe für die eruciaten Oenotheren 
zu. Hier sind die Uebergänge zwar vorhanden, aber doch nur sehr 
. selten so zahlreich, dass sie die Atavisten als die normalen End- 
glieder einer gewöhnlichen Variationscurve erscheinen lassen. Meist 
bilden die Atavisten in der empirischen Öurve einen Gipfel für sich. 

Zu betonen ist, dass in allen diesen Beziehungen die drei von 
mir vorwiegend untersuchten Rassen O. eruciata varia, O. rubiennis eru- 
ciata und O. Lamarckiana eruciata, und ebenso die weitere Bastardrasse 
O. lata x O. eruciata.varia, sich, soweit untersucht, genau in derselben 
Weise verhalten. Für die beiden letzteren ist der hybride Ursprung 
experimentell bekannt, für die zweite ist er sehr wahrscheinlich, für 
die erstere jedenfalls bis jetzt nicht ausgeschlossen. 

Vergleichen wir schliesslich die Stammbäume der gestreiften und 
der eruciaten Rassen, und namentlich Bd. I, S. 503 mit Bd. II, S. 606, 
so finden wir, dass die beiden Hauptformen stets vorzugsweise ihres- 
gleichen hervorzubringen bestrebt sind. Doch bei den gestreiften 
Blumen mit mehr Ausnahmen als bei den cruciaten Nachtkerzen. 


Kreuzungen von Oenothera cruciata varia. 611 


Bei ersteren ist die Erbzahl der gestreiften meist 90—98 °/,, diejenige 
der Atavisten (Rothblüthigen) 71—84°/,. Bei den Oenotheren bringen 
die Atavisten. dagegen meist so wenig cruciate Kinder hervor, dass 
sie in weitaus den meisten Versuchen völlig constant zu sein scheinen. 
Ebenso dürften die rein-sepalodischen Nachtkerzen noch seltener zu 
dem mittleren Typus zurückkehren als die feinstreifigen Antörrhinum- 
Pflanzen. Doch sind diese Unterschiede offenbar nur graduell. 

Wir nehmen somit an, dass die Differenzen nur untergeordneter 
Natur sind, und dass in den wesentlichen Zügen die beiden Er- 
scheinungen mit einander übereinstimmen. 


$ 24. Kreuzungen von Oenothera cruciata varia. 


Bevor wir zu der Beschreibung der Bastardirungsversuche über- 
gehen, welche ich mit der kreuzblüthigen Nachtkerze angestellt habe, 
ist es erforderlich, zu untersuchen, wie eine inconstante Rasse sich 
dabei verhalten wird. 

Es leuchtet ein, dass ungleichartige Samen aus ungleichartigen 
Keimzellen hervorgehen müssen. In unserer Rasse sind also nicht 
nur die Kinder einer selbstbefruchteten Mutter, sondern auch deren 
Keimzellen unter sich verschiedenartig. Und zwar entweder nur die 
männlichen oder nur die weiblichen, DEE was wohl am wahrschein- 
lichsten ist, beide. 

Befruchten wir nun eine solche Pflanze, welche bei Eigen- 
befruchtung drei Typen von Kindern gegeben haben würde, mit dem 
reinen Staub einer anderen verwandten, aber constanten Art, und 
nehmen wir an, dass die Eizellen unter sich ungleich sind, dass es 
etwa zum Theil reine, zum Theil atavistische Eizellen gebe. Oftenbar 
wird die Kreuzung der ersteren Gruppe ein anderes Resultat geben 
als die der letzteren, auch wenn der Pollen derselbe ist. Eine weitere 
Frage ist es allerdings, ob dieser Unterschied in der ersten Generation 
sichtbar sein wird. Das hängt ja wesentlich von der Prävalenz ab, 
und wenn das Merkmal des Vaters über die beiden Eigenschaften 
der Mutter vorherrscht, werden die Kinder in diesem Punkte unter 
sich gleich sein. Es wird dann erst bei der Entwickelung der zweiten 
Generation der Unterschied sichtbar werden, wenn er nicht etwa 
gänzlich unterdrückt wird. 

Bei geringerer Prävalenz kann die erste Generation mehrförmig 
(pleiotyp) sein, und können dazu Spaltungen in den folgenden Gene- 
rationen auftreten. Diese Erscheinungen werden sich mit der von 
der Mutter allein herrührenden Pleiomorphie combiniren können, und 

3IE 


zu entscheiden, was der einen und was der anderen Ursache zu- 
zuschreiben ist. 

In unserem Falle handelt es sich nur um die Kreuzung der 
Eigenschaften, welche die Form der Blumenblätter beherrschen. 
Allerdings weisen die Bastarde auch in Bezug auf andere Merkmale 
wichtige Erscheinungen auf; über diese habe ich aber bereits am 
Schlusse des ersten Abschnittes berichtet (vergl. oben S. 97). Ich 
werde das Wichtigste daraus, weil es die ganze Tracht meiner Pflanzen 
bestimmt, selbstverständlich gelegentlich wiederum zu erwähnen haben, 
beschränke mich aber sonst auf die Petalen. Es handelt sich somit 
stets um Kreuzungen einer Mittelrasse mit stark variablen Petalen 
mit Formen, welche umgekehrt-herzförmige Blumenblätter haben, wie 
die ©. Lamarckiana, und welche in dieser Hinsicht, trotz der variirenden 
Grösse der Blüthen, constant sind. Die umgekehrt-herzförmige Ge- 
stalt ist dabei als die ältere zu betrachten; sie herrscht in der Unter- 
gattung Onagra fast ausschliesslich vor und bildet in der ganzen 
Gattung Oenothera weitaus den Haupttypus. 

Meine Erfahrungen lehren nun, dass bei den Kreuzungen Herx- 
förmig x Crueiata das ältere Merkmal prävalent ist, und 
zwar gewöhnlich so stark, dass es in den Versuchen die 
Kreuzblüthen völlig ausschliesst. Nur in seltenen Fällen ist 
die erste Generation dityp. In der zweiten Generation herrscht 
gleichfalls die Constanz vor, es treten aber bisweilen Spaltungen auf. 

Jene Zweiförmigkeit und diese Spaltungen machen es möglich, 
das Orueiata-Merkmal mit den anderen Eigenschaften der älteren zu 
der Kreuzung gewählten Art oder der möglichen Bastardcombinationen 
zu verbinden, und so eine Reihe neuer cruciater Pflanzenformen dar- 
zustellen. Als wichtig für meine Versuche hebe ich unter diesen 
die der Oenothera muricata am nächsten stehende ©. lata x O. eruciata 
varia und die O. Lamareckiana eruciata hervor. Der Nachweis der 
hybriden Entstehung solcher Rassen eröffnet dann die Möglichkeit der 
Erklärung der O. rubiennis erueiata aus einer vermuthlichen ähnlichen 
Abstammung. Und vielleicht auch jene der O. erueiata varia selbst. 


$ 25. Oenothera lata x 0. cruciata varia. 


Die schönste Reihe von Bastardspaltungen habe ich unter den 
Nachkommen dieser Kreuzung gefunden, und zwar in Folge wieder- 
holt vorgekommener partieller Spaltungen. In der ersten Generation 
habe ich durch Zufall eine Pflanze als Samenträger ausgewählt, 


als zweiförmig ergab. Und in der zweiten Generation bot ein 
Individuum bereits im August das Schauspiel von verschiedenen 


Fig. 135. Oenothera lata X O. eruciata Fig.139. Oenothera lata X O. erueiata varia. 

varia. „Atavistisches“ Exemplar, mit Kreuzblüthiges Exemplar aus derselben Aus- 

umgekehrt-herzförmigen Petalen. saat wie die vorige Figur. S eine seriale 
Achselknospe.! 


Blüthen auf einer Rispe, ähnlich wie es für die Mutterart O. erueiata 
varia in Fig. 137 auf S. 605 abgebildet worden ist. 


! Dieselbe Abweichung ist, im fruchtreifen Zustande, im ersten Band S$. 349, 
Fig. 111 abgebildet. 


614 Kreuzungen des Oruciata- Merkmales. 


indem ich an einer Pflanze von O. lata die Seitenzweige in Pergamin- 
beuteln mit dem Blüthenstaub derjenigen kreuzblüthigen Exemplare 
befruchtete, welche im Stammbaum auf S. 606 für dasselbe Jahr 
erwähnt worden sind. Die Lata-Pflanze stammte aus der früher 
beschriebenen Cultur von O. Pohliana (S. 441). Die Kreuzung gab 
nur sehr wenige keimfähige Samen, weil der Versuch erst spät im 
Sommer angestellt werden konnte. 

Im nächsten Jahre hatte ich nur sieben Pflanzen. Von diesen 
war eine der O. lata ähnlich, sie blieb aber den ganzen Sommer über 
eine Rosette von Wurzelblättern und konnte nicht überwintert werden. 
Die sechs übrigen hatten untereinander dieselbe Trackt und bis auf 
die Blüthen dieselben Merkmale und stimmten darin ganz mit dem- 
jenigen Typus überein, der in Abschnitt I, $ 3, S. 29 für den Bastard 
von O. Lamarckiana und O. muricata beschrieben und abgebildet 
worden ist (Fig. 3 und 4). Einige waren mehr gelblich und schwach, 
andere mehr grünlich und kräftig, wie solches ja auch bei jenem 
Bastard vorkommt. Diese Pflanzen blühten während der künstlichen 
Befruchtung im August sehr reichlich, aber nur mit herzförmigen 
Petalen, ähnlich wie Fig. 138 (S. 613). Mitte September fing aber 
eine, und Anfang October eine zweite an, neben solchen auch kreuz- 
blüthige Blüthen zu entfalten. Diese letzteren waren breit-sepa- 
lodisch, ihre Petalen nicht ganz schmal und grünlich, sondern hoch- 
gelb und von schwankender Breite, ähnlich wie die entsprechenden 
Theile der O,. erueiata varia, aber grösser, von der Grösse der Biennis- 
Blumen. Sobald ich die Erscheinung der partiellen Variation be- 
obachtet hatte, habe ich die einzelnen Blüthen notirt und solches 
dann im Laufe einiger Wochen fortgesetzt. Es wechselten auf den- 
selben Rispen, und zwar auf den meisten Rispen dieser beiden 
Pflanzen, breit-sepalodische und atavistische Blüthen mehr oder 
weniger regelmässig ab. Bisweilen waren die ersteren, bisweilen die 
letzteren in der Mehrzahl. 

Trotz der geringen Anzahl der Exemplare zeigt diese Oultur 
somit als wesentlichen Typus das Sichtbarwerden beider 
antagonistischer Merkmale in der ersten Bastardgeneration. 

Von einem der beiden partiell-cruciaten Exemplare wurden im 
nächsten Jahre (1900) die Samen ausgesät. Diese waren also durch 
Selbstbefruchtung in atavistischen Blüthen gewonnen, zu derjenigen 
Zeit, als die Pflanze noch anscheinend ganz atavistisch war. Ich 
hatte eine Cultur von etwas über 100 Pflanzen, von denen 104 Exem- 
plare im August und September blühten. Darunter waren 60°/, mit 


Oenothera lata x O. eruciata varia 615 


sepalodischen und 40 °/, mit herzförmigen Kronenblättern. Aus dieser 
Cultur sind die Vorlagen zu den beiden Photographien auf S. 613 
(Fig. 138 und 139) genommen; sie geben den doppelten Typus der 
ganzen Cultur sehr genau wieder. 


Die meisten dieser Pflanzen blühten bis in den October, und 
zwar nicht nur aus der Endrispe des Hauptstammes, sondern auch 
aus mehr oder weniger zahlreichen Seitenzweigen. Sie blieben aber 
jede bis zuletzt ihrem Typus treu, mit einer einzigen Ausnahme. 
Diese war ein Exemplar, das an der Hauptrispe abwechselnd ata- 
vistische und cruciate Blüthen hervorbrachte. Sobald ich darauf 
aufmerksam geworden war, schnitt ich die bereits geöffneten Blüthen 
“und die sämmtlichen unreifen Früchte ab, umgab die Rispe mit einem 
Pergaminbeutel und befruchtete von jenem Tage ab jede sich öffnende 
Blüthe mit ihrem eigenen Pollen. Dabei wurde jede Blüthe derart 
mit einem Bindfaden markirt, dass es bei der Fruchtreife möglich 
war, die Früchte der cruciaten und jene der atavistischen Blüthen 
getrennt einzusammeln. 


Nur diese Samen habe ich im folgenden Jahre (1901) ausgesät. 
Die aus ihnen hervorgehenden Pflanzen hatten wieder denselben 
Habitus und dieselben Merkmale wie in den beiden vorigen Gene- 
rationen. Es war nur eine geringe Anzahl, weil die Ernte nur klein 
gewesen war. Anfang September, bei voller Blüthe, sah man, dass 
auf beiden Beeten die ceruciaten Exemplare vorherrschten, dass aber 
auf beiden daneben auch atavistische vorkamen. Die Zählung ergab: 


ae 4 Crueiate Atavistische Partielle 
a Exemplare Exemplare Varianten 
erueiaten Blüthen 51 2 0 


atavistischen „. 14 5 1 


Zusammen 73 Exemplare, von denen etwa 90°/, cruciate waren. 
Also mehr als in der vorigen Generation (60 °/,). 


Eine Pflanze zeigte wiederum partielle Variation, indem die End- 
rispe des Hauptstammes und ein Seitenzweig reichlich und ganz ata- 
vistisch blühten, während ein anderer Seitenzweig, oben am Stengel 
in derselben Höhe wie der erstere befindlich, nur Blüthen mit ver- 
schmälerten Petalen trug. 


Fassen wir zum Schlusse das Ergebniss dieses Versuches in 
der Form eines Stammbaumes zusammen, so erhalten wir die fol- 
gende Uebersicht: 


616 Kreuzungen des Orueiata- Merkmales. 


Stammbaum 
über die Bastarde ©. lata x O. eruciata varia. 


6 i Cruciate Ex. Partielle Atavistische Ex. 
rn in Procenten Varianten in Procenten 
1901 
9% C 1 10 A 
Dritte Bastard- _ 
generation 
1900 
60 C 1 40 A 
Zweite Bastard- = 20002 7 2 Fee 
generation | 
1899 
0C 2 100 A 
Erste Bastard- —_ —_ 
generation | 
| 
1898 | 
Kreuzung O. lata x O. erueiata varia. 


Die Fähigkeit des Urvaters, sich bei Selbstbefruchtung 
in den Nachkommen zu spalten, ist hier also auf die Bastarde 
übergegangen und durch alle Generationen beibehalten 
worden. 


$ 26. Oenothera Lamarckiana x 0. cruciata varia, 


Im Gegensatz zu dem im vorigen Paragraphen beschriebenen 
Versuch lieferte diese Kreuzung fast nur Hybriden mit atavistischen, 
also breiten, herzförmigen Blumenblättern, und trat nur in der Nach- 
kommenschaft einer einzigen Mutter eine Spaltung, d. h. also eine 
theilweise Reproduction des kreuzblüthigen Typus auf. 

Die Kreuzung fand im Sommer 1898 statt. Es wurden vier Exem- 
plare von ©. Lamarckiana zum Üastriren ausgewählt. Sie hatten als 
Eltern eine Lamarckiana-Pflanze, welche selbst aus Samen von 
O. seintillans, und zwar von der im Jahre 1895 aus dem reinen 
O. Lamarckiana-Stamme als Mutante hervorgegangenen Pflanze dieser 
Art entstanden war (vergl. Bd. I, S. 157, 172). Diese vier Exemplare 
wurden in Pergaminbeuteln mit dem Blüthenstaub der ©. cruciata varia 
aus dem Stammbaum S. 606 belegt, und zwar drei unter ihnen mit 
dem Staub der rein-sepalodischen und eines mit demjenigen der 
breit-sepalodischen Exemplare jener Cultur.! 


! Dieser Versuch wurde bereits im ersten Abschnitt dieses Bandes (S. 103) 
zu anderen Zwecken erwähnt. 


Oenothera Lamarckiana x O. eruciata varia. 61 


- 


Die Samen dieser vier Mütter gaben eine reichliche Aussaat, aus 
der die etwa 6°/, abweichenden und eine übergrosse Menge der den 
Haupttypus tragenden Exemplare ausgepflanzt wurden. Ich hatte 
zur Blüthezeit etwa vierhundert Pflanzen. Keine einzige trug ver- 
schmälerte Blumenblätter, auch nicht an einzelnen Blüthen oder 
Zweigen. Das atavistische Merkmal war also durchaus präponderant. 
Für die künstliche Selbstbefruchtung wurden vier Exemplare des 
Haupt-Bastardtypus und einige der beiden anderen Typen ausgewählt. 
Der Haupt-Bastardtypus (94 °/, der ganzen Aussaat) war derselbe, der 
auch aus O. Lamarckiana x O. muricata und aus O. lata x O. eruciata 
varia entstanden war (vergl. Fig. 3, S.29 und Fig. 138 und 139, S. 613). 
Die beiden anderen waren mehr der O. biennis ähnlich. 

Die Samenernte war eine geringe. Die Cultur der Kinder der 
Hybriden, also der zweiten Generation, gab im Jahre 1900 aus den 
biennis-ähnlichen Müttern nur Pflanzen mit atavistischen Blüthen, im 
Ganzen 130 Exemplare. Die Kinder des Haupttypus wiederholten 
ausnahmslos diese Form. Von drei Müttern hatten sie nur atavistische 
Blüthen, es waren dieses je etwa 30—40, zusammen 108 Exemplare. 
Von der vierten Mutter erhielt ich 91 blühende Kinder, unter denen 
7 schön cruciat und die übrigen, also etwa 92°/,, atavistisch blühten. 
Zu bemerken ist, dass diese Mutter aus der Kreuzung mit einem 
rein-sepalodischen Urvater in 1898 hervorgegangen war, während die 
drei anderen breit-sepalodische Väter hatten. 

Die erste Generation war also, in Bezug auf die Kronen- 
blätter, atavistisch und zeigte sich in der zweiten mit einer 
Ausnahme als constant. In dieser letzteren trugen etwa 8°/, der 
Individuen sepalodische Kronenblätter, während die übrigen ihrer 
Mutter ähnlich waren. 

Ich habe im Jahre 1899 noch eine Reihe weiterer Kreuzungen 
der O. eruciata varia vorgenommen, aber das Ergebniss nur in der 
ersten Generation geprüft. Es war zunächst eine rein sepalodische 
Pflanze, welche ich mit O. muricata befruchtete; die Kinder dieser 
Kreuzung (68 Exemplare) hatten nur atavistische Blüthen. Dasselbe 
galt von den übrigen Bastardirungen, wie ja zu erwarten war, da 
zu diesen Exemplare mit herzförmigen Petalen gewählt wurden. Ich 
befruchtete diese Pflanzen mit O. Lamarckiana, O. brevistylis, O. ru- 
biennis, O. biennis und O. mwuricata und brachte ihren Pollen auf die 
Narben von O. Lamarckiana, O. rubiennis, O. hirsutissima, O. suaveolens 
und O. muricata. Jede einzelne Cultur umfasste im nächsten Jahre 
etwa 70—80 blühende Exemplare, alle mit ausschliesslich herzförmigen 
Blumenblättern. 


618 Kreuzungen des Orueiata- Merkmales. 


$ 27. Oenothera rubiennis cruciata. 


Wenn man Samen aus verschiedenen botanischen Gärten unter 
dem Namen von ©. erueiata Nurr. erhält und aussät, so findet man 
in den Beeten bisweilen, wie bereits erwähnt, einzelne Pflanzen vom 
Typus der O. biennis, welche aber statt der hellgrünen Farbe in 
Stengeln und Blättern braunroth sind. Unter diesen kommen dann 
wiederum einzelne Exemplare mit verschmälerten Blumenblättern vor 
(vergl. Fig. 135 C auf S. 600). Solche cultivire ich unter dem Namen 
O. rubiennis cruciata.' 

Wie bei der O. crueiata varia kommen auch hier drei Typen vor. 
Sehr schmale grünliche, mit einer mehr oder weniger scharf abgesetzten 
Spitze, nenne ich rein-sepalodische; sie variiren auf den einzelnen 
Pflanzen sehr wenig. PBreitere, oft länglich viereckige (Fig. 140 7), 
oder in der Mitte und nach oben mehr oder weniger verbreiterte 


Fig. 140. Blumenblätter und Staubfäden von Oenothera rubiennis eruciata, jedes Paar 

von einer anderen Blüthe. 7 und 2 von derselben Pflanze, 3 von einer zweiten und 

4 und 5 von einer dritten Pflanze. Sept. 1899. Die Petalen von I hatten links und 
rechts einen schmalen grünlichen Rand, die übrigen nicht. 


(2 und 3), oder endlich fast umgekehrt-herzförmige (4) bilden in 
höchst wechselnden Gestalten die lange Reihe der breit-sepalodischen 
Formen. Schliesslich werden Blüthen gefunden mit derselben Gestalt 
der Blumenblätter wie die reine O. biennis (5); solche nenne ich 
atavistische. Sie stehen bisweilen mit verschmälerten auf demselben 
Individuum, in anderen Fällen aber trägt eine ganze Pflanze nur 
solche atavistische Blüthen. 

Die rein-sepalodischen einerseits und die Gruppe mit meist 
breit-sepalodischen und einzelnen atavistischen Blüthen und 
Pflanzen andererseits zeigten sich, im Gegensatz zu dem Verhalten 
der O. erueiata varia selbst, bis jetzt bei mir als constant. Dieses 
hebe ich namentlich deshalb hervor, weil ihre Kreuzungen mit anderen, 
reinen Arten zu ähnlichen Bastardspaltungen geführt haben wie die- 


! Ueber die künstliche Gewinnung von ©. rubiennis aus 0. cruciata 
x O. biennis vergl. Abschnitt I, S 13, S. 101. 


Oenothera rubiennis ceruciata. 619 


jenigen der O. eruciata varia. Diese werde ich im nächsten Para- 
graphen beschreiben. 

Die rein-sepalodische Rasse erhielt ich 1895 und benutzte sie 
theilweise zu einer Kreuzung, theilweise sammelte ich ihre eigenen 
Samen. Die letzteren habe ich 1899 ausgesät, um die Rasse auf 
ihre Reinheit und Constanz zu prüfen. Ich hatte etwa 70 Exemplare, 
von denen einige aber Rosetten von Wurzelblättern blieben, andere 
zu spät ihren Stengel trieben und 35 im September und October 
mehr oder weniger reichlich blühten. Alle hatten den Typus der 
O. rubiennis, und die blühenden hatten ausschliesslich sehr schmale, 
grünliche, fein zugespitzte Petalen, waren also rein-sepalodisch wie 
die Mutter. Soweit der Versuch geht, war die Form somit als con- 
stant zu betrachten. 

Von der breit-sepalodischen Rasse fand ich mein erstes Exem- 
plar in einer Aussaat, welche unter dem Namen O. eruciata gemacht 
worden war, im Jahre 1597. Es waren zwei Pflanzen, deren Petalen 
zwischen 7 und 3 der Fig. 140 schwankten. Aus ihren Samen hatte 
ich im nächsten Jahre (1898) ein Beet von über hundert blühenden 
Pflanzen, welches durch seine grosse Gleichförmigkeit auffiel. Alle 
Exemplare waren O. rubiennis; ihre Petalen stets und fast ausnahmslos 
schmal, meist wie Fig. 140 1, bisweilen wie 2, sehr selten breiter. 
Die Pflanzen hatten lange Rispen und blühten sehr reichlich. Im 
Laufe des August und im September’ nahm aber, und zwar mehr 
oder weniger auf allen Individuen, die Breite der Petalen allmählich 
zu, ohne aber die Form 5 zu erreichen. 

Auf diesem Beete wurden zwei typische Exemplare mit ihrem 
eigenen Blüthenstaub in Pergaminbeuteln befruchtet, was ohne künst- 
liche Hülfe geschieht, indem die Narben die Staubbeutel unmittelbar 
berühren. Aus den so erhaltenen Samen hatte ich im Sommer 1899 
die dritte Generation. 

Diese umfasste 130 Pflanzen, welche mit einzelnen Ausnahmen 
im August und September reichlich blühten. Sie waren nach allen 
Merkmalen wiederum reine O. rubiennis, also in dieser Hinsicht völlig 
constant. In der Form der Petalen zeigte sich in diesem Jahre aber 
eine sehr grosse Mannigfaltigkeit, was wohl in der zufälligen Wahl 
der beiden Samenträger im Vorjahre ‘seine Ursache hatte. Die 
Blumenblätter schwankten von ganz schmalen Typen, welche noch 
schmäler waren als /, bis zu den normalen umgekehrt-herzförmigen 
Formen der O. biennis (5). Die einzelnen Formen waren meist 
typisch für die sie tragenden Individuen, und zeigten sich auch so, 
als ich eine Reihe unter diesen ausgezeichnet hatte und täglich 


620 Kreuzungen des Oruciata- Merkmales. 


beobachtete. Oft aber sah man auch auf derselben Pflanze, bis- 
weilen sogar an demselben Tage Schwankungen in den Formen. Am 
häufigsten waren die mittleren Formen 2 und 3, seltener die breiteren, 
und es gelang mir nur einzelne Exemplare aufzufinden, welche in 
der Hauptrispe und auf den Aesten nur herzförmige Blumenblätter 
hatten. Ich wählte theils solche, theils schmalblüthige zur Selbst- 
befruchtung in Pergaminbeuteln aus. | 

Die vierte Generation hatte also zunächst die Aufgabe, zu prüfen, 
in wie weit die atavistischen Individuen der dritten sich in ihrer 
Nachkommenschaft constant zeigen würden. Die Samen entstammten 
von zwei Pflanzen mit nur breiten, herzförmigen Blumenblättern, sie 
gaben im Sommer 1900 70 blühende Exemplare vom Typus der 
O. rubiennis. Auf diesen schwankte die Breite der Petalen in der- 
selben Weise wie im vorigen Jahre, doch war sie im Allgemeinen 
etwas erheblicher. Es gab ziemlich viele Exemplare mit vorherrschend 
herzförmigen Petalen, aber sehr wenige mit nur solchen. Oft schwankte 
die Form auf derselben Pflanze, aber ohne scharfe Grenzen, in der- 
selben Rispe von der einen Blüthe zur anderen, oft sogar von einem 
Blüthenblatt zum anderen wechselnd. Rein-sepalodische Exemplare 
gab es in dieser Cultur nicht. 

Die Rasse verhielt sich also in etwas anderer Weise als die 
O. eruciata varia (vergl. S. 606), in der die atavistischen Individuen 
nur atavistische Nachkommen gaben. Wahrscheinlich waren die als 
die besten Atavisten gewählten Exemplare der dritten Generation 
also noch keineswegs solche, sondern nur extreme Varianten des 
mittleren Typus. 

Zur Controlle habe ich in der vierten Generation auch diesen 
mittleren Typus, aus Samen breit-sepalodischer Exemplare, fortgesetzt. 
Auch hier hatte ich 70 blühende Pflanzen aus den Samen zweier 
Mütter. Sie waren sämmtlich und in nahezu allen Blüthen breit- 
sepalodisch, vom Typus / und 2, selten breiter und sehr selten auf 
einzelnen Blüthen die Grenzform 5 erreichend. Hier zeigte sich die 
Rasse also in genügender Weise als constant. 

Mit den beschriebenen Rassen, der rein-sepalodischen und 


der breit-sepalodischen, habe ich eine Reihe von Kreuzungen aus- 


geführt, welche in den nächstfolgenden Paragraphen beschrieben 
werden sollen. 
Im Ganzen und Grossen umfasst also in diesen Ver- 


suchen die Oenothera rubiennis eruciata einerseits eine con- 


stante, rein-sepalodische, und andererseits eine äusserst 


variable Rasse, aber sie zeigte die tiefgreifenden Spaltungen 


EEE ARREBE 


Kreuzungen von Oenothera rubiennis eruciata. 621 


ihres vermuthlichen Elters, der O. erueciata varia, nicht. 
Die Ursache dieses Unterschiedes ist noch dunkel, scheint aber 
wesentlich in der zufälligen Wahl der Samenträger für die einzelnen 
Generationen begründet zu sein. 


$ 28. Kreuzungen von Oenothera rubiennis cruciata. 


Die hier zu beschreibenden Kreuzungen wurden sämmtlich mit 
der in $ 27 vorgeführten breit-sepalodischen Rasse gemacht, und 
zwar theilweise in der zweiten, theilweise in der dritten Generation. 
Sie ergaben als constantes Resultat, dass das Oruciata-Merkmal 
unter den Bastarden durchaus fehlte, und dass es auch, bei 
Selbsbefruchtung von diesen, unter ihren Kindern bis jetzt nie- 
mals wieder auftrat. 

Die Regel von der Prävalenz des älteren Merkmales, welche wir 
bereits oben bei den Lamarekiana X crueiata varia-Kreuzungen kennen 
lernten, gilt somit auch hier, und das Fehlen von ungleichförmigen 
Bastarden in der ersten, oder von Spaltungen in der zweiten Gene- 
ration, ist wohl nur auf deren Seltenheit und einen immerhin noch 
zu geringen Umfang der Versuche zurückzuführen. 

Das Fehlen der Spaltungen in der zweiten Generation beweist 
aber hier, ebenso gut wie ihre grosse Seltenheit dort, dass die 
Kreuzungen des Orueiata-Merkmales, trotzdem dieses anscheinend ein 
recessives ist, doch den Mexper’schen Formeln der Bastardirungen 
nicht folgen. 

Die Einförmigkeit des Ergebnisses aber lässt es als genügend 
erscheinen, die Versuche kurz und in tabellarischer Form vorzuführen. 
Sie sind übrigens theilweise bereits in anderen Abschnitten besprochen 
worden, wo es galt, das Verhalten der Eigenschaften des anderen 
der beiden Eltern zu erläutern. 

Im Jahre 1898 habe ich die folgenden hybriden Verbindungen 
gemacht: 


Anzahl Anzahl 
Kreuzungen in 1898 der blühenden der blühenden 
Hybriden Grosskinder 
O0. Lamarckiana x O. rubiennis eruciata 110 — 
0. seintillans X O. rubiennis eruciata 128 30 + 75 
OÖ. nanella x O. rubiennis eruciata 120 114 
O. lata x O. rubiennis erueiata 70 _ 
O. rubiennis eruciata x O. seintillans 60 58 + 65 
O. rubiennis ceruciata x O. nanella 262 so 


622 Kreuzungen des ÜUrueiata- Merkmales. 


Die Grosskinder wurden für die Seintillans-Kreuzungen für die 
drei Typen der ersten Generation, d. h. für die Lamarckiana- (30 + 58), 
für die Seintillans- (75) und für die Rubiennis-Exemplare (65) ge- 
sondert geprüft, daher die doppelten Zahlen. Sie verhielten sich 
aber alle in Bezug auf das Oruciata-Merkmal negativ. Die Nanella- 
Kreuzungen gaben eine durchaus einförmige erste Bastardgeneration, 
da alle Pflanzen den Typus der O. rubiennis zeigten (vergl. oben 
Abschn. III, S. 445). 

In der dritten Generation (1899) habe ich die nachstehenden 
Verbindungen gemacht: 


R f Anzahl der blühenden 
Kreuzungen in 1899 


Hybriden 
O. Lamarckiana x O. rubiennis eruciata 50 
O. muricata x O. rubiennis cruciata 71 
O. rubiennis ceruciata x ©. Lamarckiana 61 
O. rubiennis eruciata x O. brevistylis 76 
O. rubiennis eruciata x OÖ. muricata 89 
O. rubiennis eruciata x O. biennis 40 


Kreuzblüthige Bastarde wurden hier ebenso wenig wie in der 
vorigen Versuchsreihe beobachtet. 


$ 29. Entstehung von Oenothera Lamarckiana cruciata. 


Um das Orueiata-Merkmal auf Oenothera Lamarckiana zu über- 
tragen, ohne dass diese sonst ihre Eigenschaften verändern würde, 
wäre selbstverständlich eine Kreuzung mit der reinen Art O. ceruciata 
Nvrr. am meisten erwünscht. Diese habe ich aber noch nicht aus- 
führen können, und die in $ 5 beschriebenen Verbindungen mit 
O. crueiata varia führten noch nicht zu diesem Ziel. Dagegen gelang 
es mir, die fraglichen Merkmale zu vereinigen, als ich O. Lamarckiana 
mit O. rubiennis eruciata kreuzte (Fig. 141 und 142, 8. 624). 

Zu diesem Versuche benutzte ich die in $ 27 beschriebene rein- 
sepalodische Rasse, welche ich 1895 im Samentausch erhalten hatte, 
und welche sich bis jetzt bei der Aussaat ihrer Samen als constant 
gezeigt hat, obgleich sie ohne Zweifel nur einen Zweig der Mittel- 
rasse bildet, wie wir dort ausgeführt haben. Diese Rasse war, allem 
Anscheine nach, eine Bastardform zwischen O. erueiata oder O. eruciata 
varia und O. biennis, wie ich oben (S. 101) durch einen directen 
Kreuzungsversuch für die übrigen Eigenschaften beweisen konnte. | 

Mit ihrem Blüthenstaub befruchtete ich zwei castrirte Exemplare 
von ©. Lamarckiana aus meiner Laevifolia-Familie (Bd. I, S. 192). 


Enistehung von Oenothera Lamarckiana .cruciata. 623 


Die Samen dieser Pflanzen habe ich theils im nächsten Jahre, 
theils im Jahre 1899 ausgesät. Ich erhielt im ersten Versuch etwa 30, 
im letzten 58 blühende Exemplare, von denen die meisten in ihrem 
Habitus O. Lamarckiana, einige wenige aber O. rubiennis waren.! Als 
die Blüthen sich entfalteten, zeigte sich, dass diese überall vom 
gleichen Bau waren, die Merkmale der Biennis-Blüthen und nicht 
diejenigen der Lamarckiana zeigend. Die Petalen waren also nicht 
so gross wie bei der letzteren Art (Bd. I, S. 308—310). Dafür waren 
sie aber auf allen Pflanzen und in allen Blüthen umgekehrt-herz- 
förmig, von der für O. biennis normalen Breite. Verschmälerte oder 
verkümmerte gab es nicht; es fand sich keine Spur einer Andeutung 
des Oruciata-Merkmales. 

Meine Samenträger musste ich also auf’s Geradewohl auswählen. 
Ich nahm als solche im Sommer 1896 vier Exemplare, deren Rispe 
ich vor der Blüthe in Pergamin hüllte. Es waren Pflanzen, welche, 
mit Ausnahme der Blüthen, ganz die Merkmale der Oenothera La- 
marckiana zeigten. Die Samen wurden getrennt geerntet und aus- 
gesät und zwar für drei Mütter im nächsten Frühling, für eine aber 
erst 1899. Die Saaten sind aber, der einfacheren Vorstellung halber, 
im Stammbaum auf S. 625 zusammen im Jahre 1897 angeführt. 

Bereits im Sommer dieses Jahres ergab sich eine Verschieden- 
heit. Allerdings nicht in der Tracht, der Form der Blätter, dem 
Bau der Inflorescenz und den übrigen vegetativen Merkmalen. Diese 
waren überall denen der gewählten Mütter gleich. In dieser Be- 
ziehung war die Rasse also von Anfang an constant, und so blieb 
sie auch in den späteren Generationen (vergl. den Stammbaum S. 625). 
Die Verschiedenheit galt nur den Blüthen, und eigentlich nur den 
Petalen. Die Kinder dreier Mütter (zwei Aussaaten in 1897 und eine 
in 1899) hatten nur umgekehrt-herzförmige Blumenblätter von der- 
selben Breite wie bei der Mutter; der „biennis-blüthige“ O. Lamarckiana- 
Typus (oben S. 482) ergab sich hier also als constant. Die Versuche 
umfassten 30, 40 und 80 blühende Pflanzen. Trotzdem die Blüthezeit 
2—3 Monate dauerte und die meisten Exemplare sehr reichlich blühten, 
konnte kein einziges Blumenblatt aufgefunden werden, welches eine 
deutliche Verschmälerung zeigte. 

Ganz anders verhielt sich die Nachkommenschaft der vierten 
Mutter. Die Cultur umfasste Ende August nur 37 blühende Pflanzen, 
unter diesen gab es aber 16, welche in allen Blüthen mehr oder 
weniger das Oruciata-Merkmal zeigten. Die übrigen hatten dieselben 


! Auch gab es einige Mutanten, zu O. oblonga gehörend. 


624 Kreuzungen des Orueiata- Merkmales. 


herzförmigen Petalen der drei anderen Aussaaten und sind in unserem 
Stammbaum als O. Lamarckiana BB angedeutet. 

Die Orueiata-Exemplare waren breit-sepalodisch, mit sehr schwanken- 
der Petalenbreite, einige fast linearisch, andere oval. So schmale, wie 


Fig. 141. Oenothera Lamarckiana eru- Fig. 142. Oenothera Lamarckiana eru- 
eiata. Stammgipfel einer breit-sepalo- ciata. Seitenzweig eines rein-sepalo- 
dischen Pflanze. Sept. 1899. dischen Exemplares. Sept. 1899. 


das rein-sepalodische Extrem des Grossvaters sie hatte, fand ich in 
jenem Jahre noch nicht. 

Es war somit eine Pleiomorphie eingetreten, und zwar 
nicht unter den Kindern aller Mütter, sondern nur unter denen einer 
einzigen, wohl durch einen glücklichen Zufall ausgewählten. Durch 
diese Erscheinung war das sonst latente, oder vielleicht in 


Entstehung von Oenothera Lamarckiana cruciata. 625 


anderen Exemplaren sogar verschwundene, recessive Merkmal an’s 
Licht gekommen, und hatte es sich mit den übrigen in der ersten 
Generation von mir ausgewählten Merkmalen, denen der Tracht der 
O. Lamarckiana, verbunden. 

Der Hauptzweck meines Versuches, die Herstellung einer Bastard- 
form Oenothera Lamarckiana eruciata war hierdurch erreicht worden. 
Meine Pflanzen glichen in jeder Hinsicht der ©. Lamarekiana mit 


Stammbaum 


der constanten Bastardrasse Oenothera Lamarckiana eruciata. 


1900 O. Lam. eruc. OÖ. Lam. erue, 
ntia Gene rein-sepalodisch meist rein -sep, 
ration | 
1899 O. Lam. eruc. O. Lam. eruc. + O. Lam. BB' 
vierte Gene- rein-sep. breit-sep. 
ration 
1898 rein-sep. Ex. : breit-sep. Ex. 
dritte Gene- | 
; O. Lam. eruc. + O0. Lam. BB 
ration \ Sg Ze Bee as 
| 
| 
1897 O. Lam. BB! O. Lam. eruc. + O. Lam. BB 
zweite Bastard- | Im 27 
generation | | 
N Nr.2 Nr.3 Nr. 4 
1896 O0. Lam. BB + O. rubiennis 
<< —— 
erste Bastard- l 
generation | 
1895 O. Lam. x ©. rubiennis erueiata 
Kreuzung 


Ausnahme der Blüthen, welche nicht wesentlich anders gebaut waren 
als diejenigen der O. eruciata selbst und sich von diesen eigentlich 
nur durch die bedeutendere Grösse unterschieden. Es galt jetzt aber 
noch zu untersuchen, ob die neue Form sich als eine constante oder 
als eine inconstante Rasse verhalten würde. 

Zu diesem Zwecke habe ich fernerhin nur von der ©. Lamarckiana 
eruciata weiter cultivirt, und zwar habe ich versucht, die fluctuirende 


ı 0. Lamarckiana BB in dieser Tabelle bedeutet die Bastardform dieser 
Art mit Biennis-Blüthen, wie sie bereits mehrfach beschrieben wurde. 
DE VRIES, Mutation. II. 40 


626 Kreuzungen des Oruciata- Merkmales. 


Variation der Petalenbreite dazu zu verwenden, zwei Zuchtrassen‘ 
herzustellen, eine mit schmalen grünlichen und eine mit etwas breiteren 
gelben Petalen (Fig. 141 und 142 auf S. 624). Solches ist aber, wie 
der Stammbaum zeigt, nur einseitig gelungen, wohl wegen Mangels 
des erforderlichen Umfanges oder ausreichend scharfer Selection, 
vielleicht aber auch, weil der Einfluss der Culturbedingungen auf 
die Ausbildung des Orueiata-Merkmales noch nicht genügend studirt 
wurde. Aber gerade das Misslingen des Selectionsversuches zeigt, 
dass die Differenz zwischen den rein-sepalodischen und den breit- 
sepalodischen Rassen dem Gebiete der fluctuirenden Variabilität an- 
gehört. Die Oen. Lamarckiana erueiata ist eben, wie die O. eruciata 
varia und die O. rubiennis eruciata, eine Doppelrasse, deren Merkmal 
von zwei vicarirenden Eigenschaften bedingt wird. 

Im Sommer 1897 waren alle cruciate Exemplare breit-sepalodisch; 
ich wählte als Samenträger zur Selbstbefruchtung zwei Pflanzen mit 
möglichst schmalen Petalen aus. Aus ihren Samen erhielt ich zwei 
getrennte Beete (1395), welche in der Tracht ausschliesslich ©. La- 
marckiana waren, in den Blüthen aber eine reiche Mischung aller 
einschlägigen Formen von Petalen aufwiesen. Die rein-sepalodischen 
hatten linearische, in eine mehr oder weniger scharf abgesetzte Spitze 
endigende, grünliche Petalen. Diese füllten in der Knospe den Raum 
des Kelches nicht aus; der Kelch war also schlaff und etwas falzig, 
statt gespannt und wie aufgeblasen. Beim Oefinen der Blüthen wirkt 
der Druck der Petalen auf den Kelch sonst mit; hier aber nicht, 
und demzufolge trennen sich die Kelchblätter öfters nicht völlig, 
indem sie an der Spitze im Zusammenhange bleiben. Der Kelch 
der blühenden Blüthe sieht dann aus wie vier halbe Bogen auf einer 
Kugelfläche, welche nur an den Polen verbunden sind. Die schmalen 
Blumenblätter und die Staubfäden treten aus den weiten Spalten 
hervor. Meist trennen sich die Gipfel der Kelchblätter später, bis- 
weilen (bei schlechtem Wetter) auch nicht. In allen diesen Be- 
ziehungen verhält sich also die neue ©. Lam. eruciata genau wie die 
gewöhnliche O. erueiata varia. Und dasselbe gilt von den breit- 
sepalodischen Exemplaren mit ihren sehr wechselnden Petalen. Hier 
schwankt diese Breite nicht nur von einem Exemplar auf das andere, 
sondern oft von der einen Blüthe derselben Rispe auf die andere, 
oder sogar von einem Blumenblatt einer Blüthe auf das andere. Im 
Allgemeinen nimmt dabei im Laufe des Spätsommers und des Herbstes 
die Breite der Petalen auf den einzelnen Pflanzen allmählich zu, 
wenn auch nicht immer und nicht auf allen Individuen. Die rein- 
sepalodischen bleiben aber im Herbst constant; ihre Novemberblüthen 


Kreuzungen von Oenothera Lamarckiana eruciata. 627 


sind nicht weniger typisch als die ersteren im Juli oder im August 
geöffneten derselben Rispe. 

Ich habe die Petalen für eine grössere Zahl von Exemplaren in 
dieser Cultur gemessen und fand für die rein-sepalodischen eine 
Länge von 10—19, im Mittel 14 und eine Breite von 3—6, im Mittel 
4 Mm. Für die als breit-sepalodisch bezeichneten aber 14—23, im 
Mittel 19 Mm. Länge und 12—1S, im Mittel 15 Mm. Breite. Die herz- 
förmigen Petalen der atavistischen Pflanzen maassen 13—27, im Mittel 
24 Mm. in der Länge und 21—32, im Mittel 25 Mm. in der Breite. 

Die Cultur von 1898 umfasste 143 blühende Pflanzen. Von 
diesen waren 64°/, rein-sepalodisch, 20°/, breit-sepalodisch und 
16°/, atavistisch. Die Saaten der beiden Mütter, einzeln untersucht, 
wichen in ihrer Zusammensetzung nicht wesentlich von einander ab. 
Nur von den beiden cruciaten Sorten wurden Exemplare zur künst- 
lichen Selbstbefruchtung ausgewählt. 

Die rein-sepalodischen erhielten sich in den beiden folgenden 
Generationen (1899 und 1900) rein, auf allen Exemplaren und in 
allen Blüthen. Breit-sepalodische Blüthen kamen nur im Spätsommer 
und atavistische gar nicht vor. Der Umfang der Culturen war 300 
und 45 blühende Pflanzen. 

Die breit-sepalodischen waren viel variabler, doch fehlten einer- 
seits rein-sepalodische Exemplare und kam andererseits nur ein 
einziges atavistisches auf über 200 blühenden Pflanzen in 1899 vor. 
Es wurde ein mittleres Exemplar künstlich mit sich selbst befruchtet; 
dieses gab in 1900 aber unter 35 blühenden Pflanzen eine grössere 
Zahl von rein-sepalodischen als von breit-sepalodischen, und keine 
Atavisten. Die Kinder des Atavisten von 1899 waren, nach Selbst- 
befruchtung, wiederum so, mit einer einzigen cruciaten Ausnahme 
(Umfang 61 blühende Exemplare). 

Bei Auswahl rein-sepalodischer Exemplare kann die 
Oenothera Lamarckiana cruciata also als constante Rasse 
betrachtet werden. Ob sie völlig rein ist, lässt sich bis jetzt noch 
nicht entscheiden; vielleicht wird sie bei grösseren Aussaaten und bei 
Selection in der breit-sepalodischen Richtung später doch wohl auch 
atavistische Exemplare hervorbringen. 


$ 30. Kreuzungen von Oenothera Lamarckiana cruciata. 


Die bis jetzt angeführten Kreuzungen des Orueiata-Merkmales 
gaben nur in einem einzigen Falle bereits in der ersten Generation 
eine Ungleichförmigkeit, und zwar keine individuelle, sondern nur 

40* 


628 Kreuzungen des Oruciata- Merkmales. 


eine partielle. Es war dies die Oenothera lata x O. cerueiata varia. 
Sonst war die erste Generation stets monotyp; die breiten, umgekehrt- 
herzförmigen Petalen schlossen die eruciaten Formen durchweg aus. 
Und bei der Selbstbefruchtung dieser monotypen Bastarde ergaben 
die meisten sich als constant, d. h. ihre Nachkommenschaft war 
ebenso monotyp wie sie selbst. Nur selten traten Spaltungen auf 
(S. 617 und S. 625). 

Aus diesen Gründen habe ich noch eine Reihe weiterer Kreuzungen 
ausgeführt, und es ist mir gelungen, die obige Lücke auszufüllen, 
und, wenigstens in einem Falle, eine Zusammensetzung der ersten 
Generation zu beobachten, welche sich den ditypen Bastarden anderer 
Versuchsreihen (Abschnitt I) durchaus anschliesst. 

Diese Kreuzungen fanden im Sommer 1898 statt zwischen vier 
cruciaten Exemplaren der damaligen Cultur von Oen. Lamarckiana 
cruciata (S. 625) und vier Pflanzen von O. Lamarckiana aus der in 
Bd. I, S. 202 erwähnten Lata-Familie. Die letzteren wurden castrirt 
und dienten als Samenträger; jede von ihnen wurde mit dem Staub 
einer besonderen, zu diesem Zweck mit einer entsprechenden Nummer 
bezeichneten Pflanze befruchtet. Und zwar zwei mit rein-sepalodischen 
und die beiden anderen mit breit-sepalodischen Exemplaren. Die 
Samen wurden für jede Mutter getrennt ausgesät. Dass die Bastarde 
und ihre Nachkommen stets in den vegetativen Organen die Merk- 
male der ©. Lamarckiana hatten, ist wohl selbstverständlich (abgesehen 
von den hier sehr seltenen Mutationen), da die beiden Eltern in diesen 
Punkten übereinstimmten. 

In Bezug auf die Petalenbreite gaben die vier Kreuzungen, trotz 
der nahen Verwandtschaft der gekreuzten Exemplare, sehr verschie- 
dene Ergebnisse. 

Die erste (0. Lam. x O. Lam. erueiata, breit-sepalodisch) gab 
nur atavistische Kinder und wurde nicht weiter verfolgt. 

Die zweite (0. Lam. x O. Lam. erueiata, rein-sepalodisch) gab 
gleichfalls nur atavistische Kinder, von denen etwa 70 blühten. Zwei 
von ihnen wurden mit dem eigenen Blüthenstaub rein befruchtet und 
die Samen gaben 58 blühende Pflanzen, welche wiederum ausnahmslos 
atavistisch waren (1900). 

Die dritte Kreuzung, von O. Zamarckiana mit einer breit-sepa- 
lodischen O. Lam. eruciata gab über hundert blühende Bastarde (1899), 
welche anfangs alle atavistisch waren. Erst im October fing ein 
einzelnes breit-sepalodisches cruciates Exemplar an seine Blüthen 
zu entfalten. Von den Atavisten, welche, wie gewöhnlich, Biennis- 
Blüthen hatten, wurden zwei der künstlichen Selbstbefruchtung 


3 


Kreuzungen von Oenothera Lamarckiana eruciata. 629 


unterworfen. Die Samen des einen gaben im nächsten Jahre (1900) 
29 blühende Pflanzen, welche sämmtlich wiederum atavistisch waren. 
Die Samen des anderen aber zeigten eine Spaltung, indem auf 
33 blühenden Exemplaren 6 cruciate und 27 atavistische vorkamen. 
Also etwa 18°/,. Dieser Fall ist der im vorigen Paragraphen be- 
handelten Spaltung durchaus analog, wie sich am leichtesten aus 
einer tabellarischen Darstellung ergiebt: 


1900 O0. Lam. BB O. Lam. BB + 18°), ©. Lam. cruc. 


— 


zweite Gene- | | 


ration | | 

1899 O. Lam. BB + 1°], O0. Lam. eruc. 
erste Gene- BR 

ration 

1898 O. Lamarckiana x O. Lam. eruciata 
Kreuzung breit-sepalodisch 


Der vierte Versuch ist derjenige, der bereits in der ersten 
Generation eine gemischte Zusammensetzung zeigte. Es wurde 
eine Lamarekiana-Pflanze mit dem Staube einer rein-sepalodischen 
O. Lamarckiana erueiata belegt. Aus den Samen hatte ich Anfang 
September 1899 im Ganzen 65 blühende Exemplare, deren Blüthen 
das Folgende zeigten: 


Atavistisch, Petalen umgekehrt-herzförmig 46 Exemplare = 71°, 
Breit-sepalodiseh 1... san Tr. 5 =11, 


Rem-sepalöthseh :. WE niet 2912 & 18 ;; 


In dieser Cultur wurden sechs Exemplare in Pergaminbeuteln 
der Selbstbefruchtung überlassen; ihre Samen wurden getrennt ge- 
erntet und im nächsten Frühling auf besonderen Beeten ausgesät. 
Es waren zuerst drei atavistische Exemplare, welche zusammen 
hundert blühende Kinder gaben; diese waren ausnahmslos wiederum 
atavistisch. Ferner waren es eine breit-sepalodische und zwei rein- 
sepalodische Mütter (1399), deren getrennt geerntete und ausgesäte 
Samen für jede zu einer Spaltung Veranlassung gaben. Sie ent- 
hielten auf 28, 23 und 25 blühenden Exemplaren etwa 50, 56 und 
64°/, eruciate Kinder. Diese waren theilweise breit-sepalodisch, 
grossentheils aber rein-sepalodisch. Die folgende Uebersicht fasst 
diese Ergebnisse zusammen: 


630 Kreuzungen des Cruciata- Merkmales. 


1900 O0. Lam. BB 0. Lam. BB O0. Lam. BB O. Lam. BB 
zweite Gene- + 50°/, O.L.erue. +56°/, O.L.eruc. +64°/, O.L.eruc. 
ration 
1899 Nr.1 Nr.2 Nr.3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 
erste Gene. 71°/, O. Lam. BB-+ 11°/, O. Lam. eruc. + 18°), O. Lam. cerue. 
’ hreit-sepalodisch rein-sepalodisch 
ratıon — m rer 
| 
1898 O. Lamarckiana x ©. Lam. eruciata 
Kre uzung rein -sepalodisch 


Eine dieser Culturen habe ich im nächsten Jahre (1901) wieder- 
holt, um wo möglich auch in dieser Rasse partielle Spaltungen zu 
beobachten. Es gelingt dieses sehr leicht, sobald man seine Culturen 
besonders zu diesem Zwecke einrichtet, d. h. den einzelnen Pflanzen 
ausreichenden Raum zu üppiger Verzweigung giebt. Es blühten im 
Ganzen 95 Exemplare, von denen 53, also 56°/, oder dieselbe An- 
zahl wie im vorigen Jahre, cruciate Blüthen trugen. Unter diesen 
zeigten zwei Pflanzen eine partielle Variation. Von ihnen zeigte eine 
die Erscheinung vom Anfang der Blüthezeit an, indem an der Inflores- 
cenz des Stammes zwischen den vorwiegend breit-sepalodischen Blüthen 
einzelne atavistische sich entfalteten. Später blühte diese Pflanze 
auch auf den Zweigen des Stengels und aus einem Nebenstengel aus 
der Achsel eines Wurzelblattes. Erstere trugen cruciate, der letztere 
aber ausschliesslich atavistische Blumen. Die zweite Pflanze blühte 
vom Anfang an atavistisch, in der ganzen endständigen Traube und 
auf den Seitenzweigen des Stengels und fing erst im October an auf 
einem der letzteren breit-sepalodische Blumen zu öffnen. Die erstere 
Pflanze war also bei der Zählung zu den breit-sepalodischen, die 
letztere aber zu den atavistischen gerechnet worden. Ohne Zweifel 
würde ich bei noch weiterem Stande und noch reichlicherer Ver- 
zweigung meiner Pflanzen noch mehr Fälle von dieser partiellen 
Spaltung beobachtet haben. 


$ 31. Vergleichung der cruciaten Bastardrassen mit Oenothera 
eruciata varia. 


In Ermangelung der Gelegenheit, die Ursache der Inconstanz 
der Oenothera eruciata varia auf direetem Wege aufzusuchen, habe ich 
in den vorhergehenden Paragraphen eine Reihe von Versuchen be- 
schrieben, welche uns lehren sollten, wie sich diese Rasse bei weiteren 
Kreuzungen verhält. Um jetzt zum Schlusse diese Frage so weit 


Vergleichung der eruciaten Bastardrassen mit Oenothera eruciata varia. 631 


wie möglich zu beantworten, stelle ich hier die erhaltenen Ergebnisse 
übersichtlich zusammen. 

Die Oenothera cruciata varia, welche den Ausgangspunkt meiner 
Studien bildete, verhält sich wie eine Mittelrasse, wie ein Blick auf 
den S. 606 gegebenen Stammbaum sofort zeigt. Sie umfasst cruciate 
und atavistische Individuen, letztere mit umgekehrt-herzförmigen 
Petalen. Die eruciaten sind theilweise rein-, theilweise breit-sepa- 
lodisch (S. 604). Diese drei Typen sind aber nicht von einander 
getrennt, sondern wohl jede von ihnen kann die anderen gelegentlich 
wieder hervorbringen, sei es aus Samen, sei es aus Knospen. Diese 
Inconstanz erhält sich, wenigstens bei entsprechender Auswahl der 
Samenträger, im Laufe der Generationen. 

Kreuzt man nun diese Mittelrasse mit einer constanten 
Sorte, so wiederholt sich die Inconstanz in den Hybriden, 
sowohl in der ersten als auch in den späteren Generationen, 
Im Besonderen geht aus meinen Versuchen das Folgende hervor: 

«1. Die Inconstanz zeigt sich unter den Hybriden und deren 
Nachkommen theils auf vegetativem Wege, durch sogenannte Knospen- 
variation, theils bei der Vermehrung durch Samen. Und letzteres, 
bei Selbstbefruchtung, sowohl für atavistische als für eruciate Exem- 
plare (z. B. S. 629—630), am leichtesten aber selbstverständlich für 
die partiell variablen Individuen, 

2. Die erste Generation der Hybriden nach einer Kreuzung kann 
die folgenden Erscheinungen aufweisen: 

a) Sie besteht nur aus Individuen mit herzförmigen Petalen, 
welche in ihren Nachkommen constant bleiben (O. rubiennis eruciata 
x O. seintillans und O. rub. erue. X O. nanella, sowie die beiden reci- 
proken Kreuzungen (S. 621); O. Lamarckiana x O. Lam. eruciata theil- 
weise (S. 629 u. 630). Vergl. ferner die nur in erster Generation 
geprüften Fälle auf S. 617 u. 622). 

b) Sie besteht aus atavistischen Individuen,! von denen die meisten 
in ihren Nachkommen constant bleiben, einzelne aber wenigstens theil- 
weise auch cruciate Exemplare hervorbringen, und also inconstant 
sind. Diese Inconstanz erhält sich dann in den nächstfolgenden 
Generationen (0. Lamarckiana x O. cruciata varia, S. 617 und O. La- 
marckiana X O0. rubiennis cruciata, S. 625). 

c) Sie besteht aus atavistischen Individuen, von denen einige im 
Laufe ihrer Blütheperiode durch partielle Variation einzelne cruciate 


! Als solche bezeichne ich der Kürze halber die Pflanzen mit nur breiten, 
umgekehrt-herzförmigen Blumenblättern. 


632 Areuxungen des Orueiata- Merkmales. 


Blüthen (Fig. 137, S. 605) oder gar einzelne cruciat blühende Zweige 
hervorbringen. Auch diese Inconstanz wiederholt sich in den fol- 
genden Generationen (O. lata x O. cruciata varia, S. 616). 

d) Sie besteht theilweise aus atavistischen, theilweise aus cru- 
ciaten Exemplaren; und auch hier erhält sich die Inconstanz in den 
folgenden Geschlechtern (0. Lamarckiana x O. Lamarckiana eruciata, 
S. 629 u. 630). 

3. Es leuchtet ein, dass diese vier Fälle eigentlich nur 
einen einzigen bilden, in welchem bereits die erste Bastard- 
generation mehr oder weniger ungleichartig ist und diese 
Pleiomorphie sich in den folgenden Generationen erhalten 
kann. Ob der eine oder der andere Fall eintritt, hängt offenbar 
nur vom Zufall ab, d.h. vom Umfang der Öulturen und von der 
Wahl der Samenträger. Vollständig tritt die Reihe nur selten auf, 
wie z. B. in dem S. 629 u. 630 beschriebenen Versuch mit O. La- 
marckiana x ©. Lamarckiana erueiata. 

Wenden wir auf dieses Ergebniss unsere in $ 23, S. 607 aus- 
geführte Betrachtungsweise an, und nehmen wir an, dass die In- 
constanz der Oenothera cruciata varia auf einer Pleiomorphie der Ei- 
und Samenzellen beruhe. Jede Kreuzung dieser Doppelrasse mit einer 
constanten Rasse kann sich dann als eine Mischung verhalten, und 
die potentielle Ungleichförmigkeit der Hybriden ergiebt sich dann 
als nahezu selbstverständlich. 

Wir vergleichen ferner unsere hybriden cruciaten Rassen einer- 
seits mit der Inconstanz des gestreiften Löwenmauls (Bd. I, S. 503) und 
anderer Mittelrassen, andererseits mit den inconstanten Menper’schen 
Bastardrassen, wie wir diese oben S. 164 und 171 für Papaver somni- 
ferum Mephisto x Danebrog und Solanum nigrum x chlorocarpum be- 
schrieben haben. Mit jenen finden wir eine völlige Uebereinstimmung, 
mit diesen aber gar keine. Allerdings entscheidet die erste Bastard- 
generation nicht endgültig, indem namentlich auch die Menper’schen 
Hybriden sich in ihr vegetativ spalten können. In der zweiten Gene- 
ration sollte aber die Spaltung ganz allgemein sein, und in den 
späteren sollte sie sich auf Individuen mit dem dominirenden Merk- 
mal beschränken, und in diesen beiden wichtigen Punkten verhalten 
sich unsere Orueiata- Bastarde offenbar anders. 

Doch reichen die beschriebenen Versuche noch bei Weitem 
nicht aus, um hier ein endgültiges Urtheil zu fällen. Sie lehren 
hauptsächlich nur so viel, dass die Inconstanz der ursprünglichen 
Rasse durch die Kreuzungen weder merklich vermehrt, noch wesent- 


lich vermindert ist, dass also die O. eruciata varia diese Eigenschaft 


Vergleichung der cruciaten Bastardrassen mit Oenothera cruciata varia. 633 


auf ihre hybriden Nachkommen, wenn auch vielleicht nicht auf alle, 
übertragen hat. 

Auch unsere Hauptfrage, ob die ursprüngliche incon- 
stante Rasse diese Eigenschaft einer Kreuzung oder viel- 
leicht einer eigenen Mutation verdanke, lässt sich nach 
den vorhandenen Erfahrungen weder bejahen noch ver- 
neinen. Doch enthalten diese offenbar die Warnung, dass man 
auch bei inconstanten Rassen nicht ohne sehr triftige Gründe eine 
Kreuzung als Ursache der anscheinend unerklärlichen Erscheinungen 
annehmen sollte. 


Sechster Abschnitt. 


Die Beziehungen der Mutationstheorie zu 
anderen Disciplinen. 


I. Der Artbegriff in der Mutationslehre. 


$ 1. Systematik und Mutationslehre. 


Ueberall, wo es uns möglich war, durch directe Beobachtungen 
und Versuche einen tieferen Blick in das Wesen der erblichen Eigen- 
schaften der Organismen zu werfen, ergaben sich diese als zusammen- 
gesetzter Natur. Keine Pflanze vererbt auf ihre Nachkommen ihre 
Eigenthümlichkeiten als ein einheitliches Ganzes, wie man es sich 
bisher vorstellte. Genau im Gegentheil haben wir eine lange Reihe 
von Erscheinungen kennen gelernt, in denen entweder ein einziges 
Merkmal oder eine kleinere oder grössere Gruppe von solchen sich 
von den übrigen trennen liess und sich offenbar anders verhielt. Bei 
der Entstehung neuer Arten und Varietäten ist nicht das ganze 
Wesen im Fluss; Alles bleibt vielmehr in Ruhe bis auf einen oder 
einige wenige Punkte, deren Umänderung die ganze wahrnehmbare 
Umprägung bedingt. Und bei den Bastardirungen sind die beiden 
sexuell zu verbindenden Typen sich stets in der überaus grossen 
Mehrzahl der Kennzeichen gleich, und beschränkt sich ihre Differenz 
auf ganz bestimmte Einzelheiten, welche sich in den einfachsten 
Fällen zahlenmässig behandeln lassen. 

Die Analyse der Organismen führt uns somit zu der Er- 
kenntniss von Einheiten, welche in manchen Punkten den Molecülen 
der Öhemie analog sind. Nur sind sie von viel complicirterer Structur 
und auf historischem Wege entstanden. Sie lassen sich nicht los- 
trennen und einzeln dem Experiment unterwerfen, wie die chemischen 
Körper. Wir können sie nur untersuchen, indem wir das Verhalten 
nahe verwandter Arten und Varietäten studiren, d. h. also solcher, in 


Systematik und Mutationslehre. 635 


denen eine bestimmte Einheit oder einige wenige solche in der einen 
Pflanze vorhanden sind und in der anderen fehlen. Und gerade aus 
diesem Grunde sind unsere Forschungen einstweilen auf die jüngsten 
Einheiten beschränkt. 

Aber wie die ganze vergleichende Wissenschaft aus den unmittel- 
bar der Beobachtung zugänglichen Thatsachen ihre Schlüsse zuerst 
auf die nicht beobachteten Fälle, dann aber auch auf immer weitere 
Gebiete der uns nicht unmittelbar zugänglichen Erscheinungen aus- 
dehnt, so ist es auch hier unser Recht und unsere Pflicht, die Trag- 
weite unseres Schlusses möglichst allseitig zu prüfen. 

Im Speciellen handelt es sich somit um die Frage, ob die 
Sätze von der Entstehung der Arten durch Mutation und 
von dem Aufbau der erblichen Eigenschaften aus elemen- 
taren Einheiten im Einklang sind mit den theoretischen 
Ansichten, zu denen einerseits die systematische Wissen- 
schaft und andererseits die Entwickelungsgeschichte der 
Organismen auf anderen Wegen gelangt sind. Lässt es sich 
zeigen, dass die Mutationstheorie den Anforderungen dieser Dis- 
ciplinen besser genügt als die jetzt herrschende Form der Selections- 
lehre, so wird daraus ihre Berechtigung als eine allgemeine Theorie 
von dem Wesen der erblichen Eigenschaften, meiner Ansicht nach, 
in überzeugender Weise hervorgehen. 

Aus diesem Grunde werde ich diesen letzten Abschnitt solchen 
vergleichenden Betrachtungen widmen. Ich verlasse dabei allerdings 
den sicheren Boden der Thatsachen und wage mich auf Gebiete, in 
denen die eigene Erfahrung mich im Stich lässt. Aber die experi- 
mentelle Forschung muss ihre Fragen und ihre Ziele gerade solchen 
allgemeinen Gesichtspunkten entnehmen, und es scheint mir keines- 
wegs überflüssig zu sein, von Zeit zu Zeit zu untersuchen, was sie 
bereits geleistet hat und was ihr für die nächste Zeit zu leisten übrig 
bleibt. Ich werde mich dabei möglichst knapp fassen, mich wo immer 
möglich an die Ansichten anerkannter Autoritäten anschliessen und 
die eigene Meinung auf diejenigen Punkte beschränken, welche gerade 
den Verband zwischen der Mutationstheorie und jenen Ansichten 
beleuchten sollen. In das ausserordentlich reiche Feld der Meinungs- 
verschiedenheiten über unsichere und untergeordnete Fragen möchte 
ich mich nicht begeben, die Literatur ist hier bereits längst so 
herangewachsen, dass der Einzelne sie nicht mehr bewältigen kann. 

Nur den Anschluss der Mutationstheorie an die Hauptsätze der 
Entwickelungslehre nachzuweisen, ist mein Ziel, und auch dieses nur 
ganz kurz und oft nur andeutungsweise. Neue Theorien und neue 


636 Der Artbegriff in der Mutationslehre. 


Hypothesen habe ich den bisherigen hier nicht zuzufügen, um so 
weniger, als ich überzeugt bin, dass die Lehre von den Mutationen 
ohnehin und überall zu einer Vereinfachung und klareren Fassung 
der Probleme leiten wird. 

Die Aussicht der Theorie auf Anerkennung hängt einerseits von 
ihrer empirischen Begründung, andererseits von ihrer Leistungsfähig- 
keit ab, und die Erörterung dieser letzteren würde ich also keines- 
wegs unterlassen dürfen. Den einzelnen Hauptfragen, welche von 
ihr berührt werden, werde ich somit die einzelnen Kapitel dieses 
letzten Abschnittes widmen. 


$ 2. Progressive, retrogressive und degressive Mutationen. 


Die Untersuchungen über die Entstehung von Arten und Varie- 
täten führten uns zu denselben Hauptschlüssen wie das Studium der 
Folgen der Bastardirung. Bei der Behandlung der letzteren habe 
ich diese Uebereinstimmung ausführlich nachzuweisen versucht. Es 
erübrigt also nur noch, die im letzten Abschnitt des ersten Bandes 
über die verschiedenen Modalitäten der Artbildung gewonnenen Er- 
fahrungen in Verbindung mit den Ergebnissen der Bastardlehre noch 
einmal kurz und übersichtlich darzustellen und sie von einer mehr 
allgemeinen Seite zu beleuchten. 

Der Fortschritt in der organischen Natur beruht im Wesentlichen 
auf einer zunehmenden Differenzirung. Die Eigenthümlichkeiten, welche 
zusammen das Gepräge der einzelnen Arten bilden, werden zahl- 
reicher; jedes höher organisirte Wesen hat deren in der Regel mehr 
als seine Vorfahren aus längst verflossenen Zeiten. Wenden wir 
dieses allgemeine Princip auf die Lehre von den elementaren Eigen- 
schaften an, so ergiebt sich sofort, dass die Zahl dieser Einheiten 
im Grossen und Ganzen mit zunehmender Differenzirung zunehmen 
muss. Oder umgekehrt, dass die Höhe der Differenzirung im 
Wesentlichen von der Anzahl der elementaren Eigenschaften bedingt 
ist. ‚Jedes Mal, wenn zu den bereits vorhandenen eine neue Einheit 
hinzukommt, schreitet die Differenzirung um einen Schritt voran. 
Wäre es möglich, die Einheiten zu zählen, so würden wir darin ein 
Maass für die Organisationshöhe der Organismen finden. 

Die einzelnen Schritte sind offenbar nur kleine, wenigstens in 
der Jetztzeit, und jeder von ihnen kann selbstverständlich für sich die 
Organisation kaum merklich hinaufführen. Wenigstens fehlen uns 
bis jetzt die Mittel einer so genauen Abwägung des Differenzirungs- 
grades, dass wir den Einfluss einer Einheit mehr oder weniger auf 


Progressive, retrogressive und degressive Mutationen. 637 


den aus Tausenden von Einheiten aufgebauten Complex würdigen 
könnten. Erst die Gruppen von Einheiten bilden klare und ein- 
leuchtende Unterschiede in der Örganisationshöhe, aber innerhalb 
einer kleinen Gattung oder einer formenreichen Sammelart scheinen 
uns die einzelnen Typen meist gleichwerthig. 

Die einzelnen Schritte, in die nach dieser Vorstellung die all- 
mähliche Differenzirung sich auflöst, bezeichnen wir als Mutationen, und 
zwar, gerade wegen dieses Fortschrittes, als progressive Mutationen. 
Jede solche fügt also zu dem Complex der bereits vorhandenen erb- 
lichen Eigenschaften eine neue hinzu. 

Die neue Eigenschaft braucht aber offenbar nicht sofort bei ihrer 
Entstehung auch sichtbar zu werden. Es handelt sich ja zunächst 
nicht um die äusseren Merkmale, sondern um die inneren Anlagen, 
durch welche diese bedingt werden. Und ebenso wie der Keim zahl- 
reiche Anlagen enthält, welche noch der Entfaltung harren, ebenso 
kann man sich denken, dass eine Eigenschaft bei ihrer ersten Ent- 
stehung, ihrer phylogenetischen Geburt, wenn ich so sagen darf, 
zunächst latent bleibt, um erst später, vielleicht erst viel später, 
activ zu werden. 

Nach dieser Vorstellung ist jede progressive Mutation im Grunde 
ein doppelter Vorgang und besteht aus der Bildung einer neuen 
inneren Anlage und aus der Activirung dieser. Beide Processe mögen 
bisweilen zusammen fallen, sie brauchen das aber nicht. Daher ist 
es zweckmässig, sie mit besonderen Namen anzudeuten, und bezeichnen 
wir den inneren Vorgang als Prämutation, den äusserlich sichtbaren 
aber als die Mutation im eigentlichen Sinne. 

Dementsprechend ist die Prämutation hypothetischer, die Mutation 
aber empirischer Natur. 

Zugleich geht aus dieser Erörterung hervor, dass eine innere 
Anlage nicht ohne Weiteres ein äusseres Merkmal bedingt. Wie bei 
der Ontogenie kann auch in der Phylogenie eine elementare Eigen- 
schaft zeitweise activ, aber zu anderen Zeiten latent oder inactiv sein. 
Wird nun eine neue Eigenschaft aus ihrem anfänglichen latenten 
Zustande activ, so nannten wir das eine progressive Mutation. Und 
deshalb müssen wir ihre Rückkehr aus dem activen in den latenten 
Zustand, wenn diese vorkommt, gleichfalls als Mutation und zwar als 
retrogressive Mutation bezeichnen. 

Die Erfahrungen im Gartenbau und die Systematik der kleineren 
Arten und Varietäten lehren nun, dass solche retrogressive Mutationen 
ganz gewöhnliche Erscheinungen sind. Fast jede Eigenschaft kann 
gelegentlich verschwinden. Nicht nur die oberflächlichen, wie Farbe, 


638 Der Artbegriff in der Mutationslehre. 


Behaarung, Bewafinung u. s. w., sondern auch die tiefer im Wesen 
begründeten, wie die decussirte Blattstellung und sogar die Symmetrie. 
Zwangsdrehungen und Pelorien lehren uns, welche weitgehende Aen- 
derungen in der Tracht der ganzen Pflanze oder im Bau der Blüthen 
durch das Inactivwerden einer solchen elementaren Eigenschaft hervor- 
gerufen werden können. 

Die retrogressiven Mutationen machen den Eindruck eines Ver- 
lustes; die betreffende Eigenschaft verschwindet aus dem Gesammt- 


Fig. 143. Castanea vesca. Abnormal be- 
blätterte Kätzchen. A mit zwei Blättern, 
B C mit je einem Blatt; CO dazu mit einem 
Seitenzweig; a männliche, 5 weibliche 
Blüthen, cenormalesBlatt. Apeldoorn,1896. 
Gesammelt von Herrn Dr. P. F. ABBınk- 


Fig. 144. Mercurialis annua. Ein Zweig 
einer männlichen Pflanze, welche an 
den langen, dünnen Aehren hier und 
dort Früchte trägt. Auf den weiblichen 
Pflanzen sind die Früchte auf kurzen 
Stielen in den Blattachseln gestellt. 


SPAINK. 


bilde. Aber alles deutet darauf hin, dass wenigstens in der überaus 
grossen Mehrzahl der Fälle dieser Verlust nur ein äusserer ist, und 
dass im inneren Wesen der Pflanze die Anlage bleibt, aber inactiv 
wird. Namentlich sprechen dafür jene Fälle, in denen eine syste- 
matisch latent gewordene Eigenschaft gelegentlich als Anomalie wieder 
sichtbar wird, wie z. B. das Auftreten von weiblichen Blüthen an 
männlichen Exemplaren diöcischer Arten (Fig. 144) oder von Blättern 
an normal blattlosen Inflorescenzen (Fig. 143). 


Progressive, retrogressive und degressive Mutationen. 639 


Zwei Rassen, welche sich nur durch die Latenz oder die Activität 
einer selben Anlage unterscheiden, besitzen also in ihrem inneren 
Wesen dieselbe Anzahl von elementaren Einheiten. Sie stehen ein- 
ander offenbar anders gegenüber als zwei Rassen, deren eine durch 
die Neubildung einer Anlage aus der anderen hervorgegangen ist, 
wo also die Anzahl dieser Einheiten um Eine verschieden ist. 

Ehe wir aber diesen Gegensatz näher betrachten, müssen wir 
uns die Frage vorlegen, ob der active und der inactive oder latente 
Zustand die einzigen sind, in welchen eine innere Anlage vorkommen 
kann. Theoretisch ist solches offenbar gar nicht erforderlich und 
können wir uns dazwischen sehr verschiedene Grade der Activität 
denken. Thatsächlich lehrt die Erfahrung, dass solche Zwischen- 
stufen auch vorkommen. Wir haben sie oben (Bd. I, S. 424) als 
semilatent bezeichnet und die Rassen, welche sich durch solche semi- 
latente Eigenschaften kennzeichnen, im Allgemeinen Zwischenrassen 
genannt. Von diesen giebt es zwei Typen, welche uns überall im Freien 
und in den Culturen entgegentreten, die Halbrassen und die Mittel- 
oder Doppelrassen. In beiden ist das semilatente Merkmal in besonderer 
Weise mit einer anderen, activen Eigenschaft verbunden, und zwar 
derart, dass sie in ihren Aeusserungen sich gegenseitig ausschliessen. 
Sie vertreten einander, wenn man so sagen darf, und bilden somit 
ein vicariirendes Paar. Dreizählige Kleeblätter und fünfzählige, 
dreizählige oder gespaltene Samenlappen und zweizählige, normale 
und pelorische Blüthen, stielrunde und verbänderte Sprosse, gewöhn- 
liche und petaloide Staubfäden bilden solche Paare. Dasselbe Blatt, 
dasselbe Staubblatt, derselbe Spross kann nicht zu gleicher Zeit drei- 
und fünfzählig u. s. w., mit einem Worte normal und abnormal sein. 

Diese vicariirenden Merkmalspaare sind die Quelle einer weit- 
gehenden Variabilität, indem die Anomalie in den verschiedensten 
Graden der Ausbildung auftreten kann. Die Individuen einer Gruppe 
schwanken dann in ihrem Aeusseren nicht um ein Mittel, wie bei 
der gewöhnlichen fluctuirenden oder oscillirenden Variabilität, sondern 
zwischen zwei oft weit getrennten und einander mehr oder weniger 
entgegengesetzten Typen. Sie tragen das Gepräge der Inconstanz, 
und solche Rassen und Varietäten pflegen auch gewöhnlich kurzweg 
inconstante genannt zu werden. Aber nur in dem Sinne, dass der 
Formenkreis, in welchem sie hin und her schwanken, eın äusserst 
reicher und namentlich ein dityper oder dimorpher ist, nicht aber so, 
dass irgend ein Individuum aus diesem Kreise herausbrechen und eine 
neue Rasse begründen könnte. In diesem Sinne sind die inconstanten 
Rassen ebenso feste wie die besten constanten Arten und Varietäten. 


640 Der ER in der Mutationslehre. 


Zwischen den Halbr assen = a Mittel- En: Do liegt der 
Unterschied nur in dem gegenseitigen Verhältnisse der beiden Anlagen 
des vicariirenden Paares. Ueberwiegt unter mittleren Bedingungen und 
beim Ausschluss der Selection die eine sehr stark, so ist die Rasse einseitig 
und wird deshalb Halbrasse genannt (z. B. Fig. 145). Ueberwiegt bei 
denselben Voraussetzungen keine von beiden, sondern halten sie sich 
ungefähr das Gleichgewicht, so entsteht die Mittelrasse (z. B. Fig. 27 
des ersten Bandes auf S. 98). Bei den Tricotylen und Syneotylen 
enthält die Halbrasse stets nur sehr wenige anomale Individuen, 
höchstens in ganz einzelnen Procenten (bei fehlender Selection), wäh- 
rend die Doppelrasse etwa zur Hälfte aus normalen, und zur anderen 

Hälfte aus tricotylen bezw. syncotylen In- 

dividuen besteht. Aber beide Typen von 

Exemplaren geben bei Aussaat rein be- 

fruchteter Samen wieder dasselbe Verhältniss. 

Will man die Nomenclatur weiter aus- 

bilden, so kann man die Bezeichnung semi- 

latent auf die anomale Eigenschaft der 

Halbrassen beschränken und für jene der 

Mittelrassen den Namen semi-activ ein- 

führen (vergl. Bd. I, S. 424). Wir unter- 

scheiden dann für eine und dieselbe 

Anlage vier Zustände: den activen, 

Fig.145. Papaver commutatum den latenten, den semi-activen und 

polycephalum. Dieselbe Ano- den semi-latenten. Und diese Unter- 

malie, welche bei P. somni- 

ferum alsMittelrasse vorkommt Scheidung dürfte einstweilen genügen, und 

(Bd. I, Fig 27, S. 98), findet genügt wenigstens, soweit meine Erfahrung 

sich hier als Halbrasse, sich B u 

sehr selten und meist nur in reicht, den bis jetzt bekannten Thatsachen. 

geringem Grade äussernd. Aus dem einen Zustand in den anderen 

kann man eine Anlage nicht willkürlich 

überführen, weder durch Selection noch durch andere Mittel. Wenigstens 

bei dem jetzigen Zustande unserer Kenntnisse ist dieses noch nicht 

möglich. Einen solchen Uebergang bewirken nur uns unbekannte 

Combinationen von Ursachen, der sogenannte Zufall. Auch sind die 

Uebergänge, soweit man sie beobachten kann, keine langsamen oder 

allmählichen, sondern sie finden stossweise statt. Mit einem Male 

ist die neue Rasse da, unerwartet tritt sie auf, wie wir solches 

namentlich für die pelorische Linaria gesehen haben. Solche plötz- 

liche Uebergänge aber stellen unsere Mutationen dar. Und zur 

Unterscheidung von den progressiven und den retrogressiven haben 
wir die übrigen als degressive Mutationen bezeichnet. 


Progressive, retrogressive und degressive Mutationen. 641 


Jede Mutation besteht also im Grunde nur in der Um- 
lagerung einer inneren Eigenschaft. Von latent wird sie activ, 
von semi-latent semi-activ u. s. w. Handelt es sich dabei um neue 
Anlagen, welche zum ersten Mal activ werden, nachdem sie in einer 
kürzeren oder längeren Reihe von Vorfahren latent waren, so sprechen 
wir von progressiven Mutationen. Werden die activen wiederum 
latent, so ist der Process ein retrogressiver, in allen übrigen Fällen 
aber ein degressiver. 

An diese im ersten Bande aus den Erfahrungen über die Ent- 
stehung von Arten und Varietäten abgeleiteten Principien schliessen 
sich nun die Erscheinungen der elementaren Bastardlehre in sehr 
einfacher Weise an. Wir sehen dabei einstweilen von den Mutations- 
kreuzungen ab und betrachten die Pflanzen in ihrem gewöhnlichen 
immutablen Zustande. Es giebt dann zwei Haupttypen von Kreuzungen, 
die Menper’schen und die unisexuellen. Die ersteren folgen den 
Spaltungsgesetzen, sie führen zu verschiedenen Combinationen der 
elementaren Eigenschaften und können so viele neue Rassen geben, 
wie neue solche Combinationen möglich sind. Diese Rassen sind 
constant; die Bastarde selbst aber spalten sich immer wieder bei der 
Bildung ihrer Sexualzellen und gelegentlich auch auf vegetativem 
Wege. Die Bastarde der unisexuellen Kreuzungen sind dagegen 
constant; sie spalten sich, so weit die Erfahrung reicht, nicht wieder. 
Sie sind im Allgemeinen, falls sie überhaupt fruchtbar sind, ebenso 
samenfest wie ihre Eltern, können dafür aber die Inconstanz ihrer 
Eltern, wenn unter diesen z. B. Mittelrassen sind, ererben und auf 
ihre Nachkommen übertragen (z. B. die Bastarde von Oenothera 
eruciata varia). 

- Die Erörterungen unseres zweiten Abschnittes haben uns nun 
zu der Folgerung geleitet, dass Kreuzungen den Menoer’schen Ge- 
setzen folgen, wenn der eine der beiden gekreuzten Typen zu dem 
anderen im Verhältnisse einer aus ihm auf retrogressivem oder auf 
degressivem Wege entstandenen Mutation steht. Das heisst also, 
wenn die beiden Stammeltern genau dieselben inneren elementaren 
Eigenschaften besitzen, aber die eine oder die andere oder einige 
solcher Eigenschaften in beiden in verschiedenen Zuständen vorkommen. 
So namentlich bei der sexuellen Verbindung von latenten Eigenschaften 
mit activen, von semilatenten mit semiactiven u. s. w. Die ein- 
ander entgegengesetzten, von derselben Anlage in diesen 
verschiedenen Zuständen bedingten sichtbaren Kennzeichen 
bilden dann ein sogenanntes Merkmalspaar. Stammformen, 
welche sich nur in solchen Merkmalspaaren von einander unter- 

DE VRIES, Mutation. I. 41 


642 Der Artbegriff in der Mutationslehre. 


scheiden, bilden somit sowohl in der Lehre von der Entstehung der 
Arten wie in der Bastardlehre eine Gruppe für sich. 

Dieser gegenüber stehen die unisexuellen Kreuzungen, welche 
zu den constanten Bastardrassen führen und dadurch bedingt sind, 
dass wenigstens eine Eigenschaft in dem einen Stammelter gefunden 
wird, welche dem anderen durchaus fehlt. Daher der MacFArRLAnNE’sche 
Name unisexuell. In complieirteren Fällen kann die eine Form einen 
grösseren Ueberschuss von Anlagen haben, oder können sogar beider- 
seits Anlagen vorkommen, welche der anderen Stammform fehlen. 
Einseitig wird der Ueberschuss sein, wenn die eine Form geradlinig 
von der anderen abstammt, und solche Kreuzungen haben wir (S. 469) 
als avunculäre bezeichnet. Zweiseitig wird er sein, wenn beide 
nach verschiedenen Richtungen aus einem gemeinschaftlichen Vor- 
fahren hervorgegangen sind, was dann zu collateralen Bastardirungen 
leiten kann. Merkmalspaare giebt es dann im innern Wesen der be- 
treffenden Formen nicht, wenn auch oft äusserlich der Schein davon 
vorhanden ist. 

Die unisexuellen Kreuzungen entsprechen somit den 
progressiven Mutationen, die Menpen’schen aber den retro- 
gressiven und den degressiven Formen der Artbildung. 
Umgekehrt dürfen wir auf Latenz oder Semi-Latenz von 
Eigenschaften schliessen, wo die Kreuzungen sich an die 
Menpen’schen anschliessen, während die unisexuellen Kreu- 
zungen das einseitige Fehlen der inneren Anlagen anweisen. 
Ich gestehe gerne, dass das jetzt vorhandene Material von Thatsachen 
weder zur allseitigen Begründung, noch auch zur praktischen An- 
wendung dieses Satzes in allen einzelnen Fällen ausreicht. Dazu 
bedarf es einer unverhältnissmässig grösseren Ausdehnung der Ver- 
suche. Es kommt mir auch nur darauf an, das Princip klarzulegen 
und zu zeigen, wie die beiden Hauptzweige der Mutationslehre, 
trotz der so sehr verschiedenen Ausgangspunkte, doch schliesslich 
zu derselben theoretischen Einsicht in das Wesen der erblichen 
Eigenschaften führen. Und diese Einsicht lässt sich beim jetzigen 
Stande unserer Kenntnisse am einfachsten in dem kurzen Satze 
formuliren: 

Retrogressiv und degressiv entstandene Formen folgen 
bei ihren Kreuzungen mit den entsprechenden Vorfahren 
den Menpen’schen Gesetzen, während progressiv entstandene 
sich unisexuell verhalten. 


Der theoretische Unterschied zwischen Arten und Varietäten. 643 


$ 3. Der theoretische Unterschied zwischen Arten und Varietäten. 


Als ein rother Faden läuft durch die ganze Geschichte der 
systematischen Wissenschaft der Gedanke, dass es zwischen älteren 
und jüngeren Merkmalen einen principiellen Gegensatz gebe. Welcher 
Art dieser Unterschied sei und wo die Grenze liege, das haben die 
hervorragendsten Forscher mehrfach zu ermitteln gesucht, und je 
nach den vorhandenen Kenntnissen ist die Antwort eine verschiedene 
gewesen. Von den Transmutationisten bis auf NäÄcerr's bekannte 
Unterscheidung der Organisations- und Anpassungsmerkmale giebt es 
eine lange Reihe von Versuchen, sich über das von Allen vermuthete 
Prineip klar zu werden. 

In den älteren Zeiten machte man sich die Sache bequem, indem 
man eine übernatürliche Ursache zu Hülfe nahm: die systematisch 
höheren Merkmale seien durch Schöpfung, die übrigen auf natürlichem 
Wege entstanden. Aber in der Praxis führte auch diese Ansicht 
nicht zur Uebereinstimmung, indem für Einige die Gattungen, für 
Andere die Colleetivarten und für eine dritte Gruppe von Schrift- 
stellern die einzelnen constanten Formen die geschaffenen Einheiten 
waren. 

Unsere Erörterungen haben uns auf den verschiedensten Wegen 
stets zu der Erkenntniss geführt, dass es zwischen älteren und Jüngeren 
Eigenschaften thatsächlich einen principiellen Gegensatz giebt, der 
sowohl auf dem Gebiete der Entstehung der Arten, wie auf jenem 
der künstlichen Bastardirungen überall sich klar ausspricht. Denn 
einerseits können Formen aus einander entstehen ohne Bildung neuer 
Anlagen, nur durch Ueberführung bereits vorhandener in andere Zu- 
stände, wie latent und activ, andererseits aber unter dem Auftreten 
wirklich neuer elementarer Eigenschaften. Auf dem letzteren Vor- 
gang beruht der Fortschritt in der Organisation, auf dem ersteren 
zu einem guten Theile die Mannigfaltigkeit der Formen. 

Vergleicht man dieses experimentelle Ergebniss mit den erwähnten 
theoretischen Betrachtungen, zo dürfte der Schluss nahe liegen, dass 
in der Bildung neuer oder der Umprägung vorhandener An- 
lagen der gesuchte Gegensatz zwischen älteren und jüngeren 
Merkmalen zu finden sei.! Auf dem Boden der Schöpfungslehre 
kann man für die Entstehung neuer Einheiten eine übernatürliche 
Ursache annehmen; für die Umprägung bereits vorhandener Anlagen 
hat wohl niemand diese Forderung gestellt. Aber auch beim jetzigen 


ı Vergl. oben 8. 369 und $. 374. 
41* 


644 Der u in der Mutationslehre. 


ee unserer Ansichten über die ee behält der 
erwähnte Gegensatz seine volle Bedeutung. 

Es würde mich zu weit führen, hier das Bild, das Anderen vor- 
schwebte, eingehend zu analysiren. Eine solche Analyse führt aber 
zu der Ueberzeugung, dass der Unterschied zwischen Neu- 
bildung und Umprägung von Anlagen am genauesten dem 
Unterschiede entspricht, den die besten Systematiker 
zwischen Arten und Varietäten zu machen gesucht haben.! 
Jede Form, welche durch Neubildung einer inneren Anlage 
entstanden ist, sollte somit als Art, jede andere, welche 
ihre Eigenthümlichkeit nur einer Umprägung einer bereits 
vorhandenen Anlage verdankt, sollte als Varietät aufgefasst 
werden.” Oder wie wir es bereits im ersten Bande (S. 455, 
460 u. s. w.) ausgesprochen haben: die Entstehung neuer Eigen- 
schaften führt zu progressiver Artbildung, während ohne die Bildung 
solcher die echten, abgeleiteten Varietäten durch retrogressive und 
degressive Mutationen entstehen.” Nur in dieser Weise lässt sich, 
meiner Ansicht nach, das Princip völlig scharf und klar aufstellen. 

Allerdings nur das Princip; denn in der Praxis wird unsere 
Definition vorläufig selten Anwendung finden können. Hier aber hat 
die elementare Bastardlehre einzugreifen, denn in ihrer Terminologie 
lautet der erwähnte Grundsatz, dass Formen, welche bei gegen- 
seitigen Kreuzungen in allen Merkmalen den Menpeu’schen 
Gesetzen folgen, als Varietäten einer selben Art aufzufassen 
sind. Und diese Form unseres Satzes erlaubt offenbar überall dort 
eine unmittelbare Anwendung, wo eine experimentelle Prüfung sich 
ausführen lässt. 

Selbstverständlich ist diese Forderung jetzt noch eine zu hohe. 
Doch haben die bedeutendsten Forscher aller Zeiten die Bastardlehre 
als eine empirische Grundlage für den fraglichen Unterschied be- 
trachtet.* Auch dürften die Schwierigkeiten im Grunde nicht so 
grosse sein, als sie es auf den ersten Blick zu sein scheinen. Denn 
sobald das Erfahrungsmaterial einen gewissen Umfang erreicht haben 
wird, werden sich bestimmte Gesetze ermitteln lassen, welche in den 


! Vergl. auch Bd. I, S. 131 und 460—461. 

® Es sei dabei nochmals daran erinnert, dass Varietäten im Grunde nur 
kleinere Arten sind und dass sie namentlich bei Aussaaten ebenso constant zu 
sein pflegen wie diese. 

® Vergl. auch oben 8. 367—374. 

* Vergl. Näczuı a. a. O. S. 396, Focke a.a. 0. $. 488, 502, Naupin a. a. O. 
S. 164, ABBADo 2.2.0. 8.9; u. 8. w. 


meisten Fällen genügen werden, nach Analogie weiter zu schliessen. 
Die Betrachtung unserer Tabelle über die typischen MExper’schen 
Bastarde auf S. 146, sowie die Zusammenstellung der übrigen Kreu- 
zungen, welche sich diesen anschliessen ($ 34, S. 370), wird sofort 
eine Einsicht in die Tragweite solcher Analogieschlüsse geben. 

Allerdings sind die Arten, welche ich hier den Varietäten gegen- 
über stelle, die kleineren oder elementaren Arten, und liegt die Ab- 
grenzung der grösseren oder Collectiv-Arten der Natur der Sache 
nach nicht auf dem experimentellen, sondern auf dem vergleichenden 
Gebiete." Aber die elementaren Arten sind ja die nachweislich be- 
stehenden Einheiten des Systems, während die grösseren Arten nur 
Zusammenfassungen von solchen zu Gruppen sind. Die Besprechung 
dieser gehört also der Behandlung der Frage nach dem praktischen 
Unterschiede zwischen Arten und Varietäten an. 

Ehe ich dazu übergehe, habe ich noch den mehr complicirten, 
aber ganz gewöhnlichen Fall zu besprechen, dass zwei nächst ver- 
wandte Formen sich von einander theilweise durch progressive, theil- 
weise durch retrogressive oder degressive Merkmale unterscheiden. 
Nach den ersteren wären sie dann als elementare Arten, nach den 
letzteren als abgeleitete Varietäten aufzufassen, und da sie im System 
schwerlich beides zu derselben Zeit sein dürfen, so wird man in dem 
einen oder dem anderen Sinne eine Entscheidung zu treffen haben. 

Zur näheren Beleuchtung dieser Schwierigkeiten führe ich zunächst 
ein Beispiel an, und wähle dazu die mehrfach besprochenen Formen 
Lychnis vespertina und L. diurna, welche von mehreren Systematikern 
zusammen zu einer Art, L. dioica, gerechnet werden. Denkt man 
sich diese beiden Formen von einer gemeinschaftlichen Urspecies 
abgeleitet, und betrachtet man dabei die einzelnen Merkmale, so tritt 
der Unterschied in der Blüthenfarbe als besonders klarer Charakter 
in den Vordergrund. Offenbar muss die Urspecies rothblüthig gewesen 
sein, und ist die L. vespertina in derselben Weise weissblüthig ge- 
worden wie gewöhnliche weissblüthige Varietäten rother Arten. Damit 
stimmt überein, dass die Blüthenfarbe bei diesen beiden Arten sich 
bei Kreuzungen genau so verhält wie sonst bei vielen Varietäten. 
Sie folgt, hier wie dort, den Menper’schen Gesetzen (vergl. oben 
S. 146 und 184). Andere Unterschiede zwischen den beiden Licht- 
nelken bilden die Breite der Blätter und die Länge der Blüthenstiele, 


! Auf die Frage, in welchen Fällen eine ternäre Nomenclatur zweckmässig 
ist (vergl. Bd. I, S. 456), habe ich hier nicht einzugehen; sie ist durchaus con- 
ventioneller Natur. 


in den Nachkommen der Bastarde; sie sind wahrscheinlich als die 
Ergebnisse progressiver Artbildung aufzufassen.! Vielleicht ist die 
L. vespertina eine weissblüthige Varietät einer ausgestorbenen roth- 
blühenden Art. Jedenfalls aber glaube ich, dass man nicht fehlgehen 
wird, wenn man behauptet, dass L. vespertina und Z. diurna sich von 
einander theilweise durch typische Artmerkmale, theilweise 
aber durch Varietätsmerkmale unterscheiden. 

Genau dasselbe hat auch GÄRTNER mehrfach betont und nament- 
lich auch an demselben Beispiel beleuchtet.” Er sagt darüber das 
Folgende: Der Zweifel über die specifische Verschiedenheit nahe 
verwandter Arten, wie z. B. der Lychnis diurna und vespertina, lässt 
sich durch Bastardbefruchtung am leichtesten entscheiden, denn, wenn 
solche Arten mit anderen (d. h. mit einer dritten Art) keine ver- 
schiedenen, sondern die gleichen Bastarde liefern, so zeugt dies nur 
von einem Varietätsunterschied, im anderen Falle liegt der Beweis 
vor, dass die innere Natur solcher dem Aeusseren nach nahe ver- 
wandter Arten specifisch verschieden ist. So geben die beiden ge- 
nannten ZLychnis-Arten mit Cucubalus viscosus ganz verschiedene 
Bastarde. Merkwürdig nennt GÄRTNER es jedoch, dass solche Arten 
in anderer Beziehung, namentlich in Hinsicht auf die Farbe der 
Blumen, wenn sie gegenseitig durch Bastardbefruchtung verbunden 
werden, sich wie Varietäten verhalten. Auch in Bezug auf die Um- 
biegung der Zähne der Kapsel beim Reifen verhält sich L. vespertina 
als eine Varietät, und zwar als eine retrogressive Varietät einer Art 
mit dem Merkmal der L. diurna (vergl. oben S. 191). 

Wir wollen jetzt das in diesem Beispiele hervortretende Prineip 
von einem allgemeineren Gesichtspunkte aus besprechen. 

Es waltet in der Literatur die Auffassung vor, dass Formen, 
welche sich gegenseitig leicht befruchten, dabei einen nor- 
malen Samenertrag geben und fruchtbare Bastarde bilden, 
als Varietäten einer und derselben Art zu betrachten sind. 
Formen dagegen, welche sich nur mit herabgesetzter Frucht- 
barkeit sexuell verbinden lassen, und deren Bastarde selbst 
von geringerer Fertilität sind als dieStammarten, betrachten 
die meisten Forscher als specifisch getrennt. Diese Sätze 


! Vergl. die historische und kritische Behandlung bei R. Aıuen Roure, 
Hybridisation viewed from the standpoint of systematic botany. Journ. Roy. Hort. 
Soc. April 1900. p. 197. 

?2 GÄRTNER a. a. O. S. 581—582. 


lage für die einschlägigen Erörterungen gedient, und auch Darwın 
stützt sich in dieser Frage vorwiegend auf sie.! Abgeleitet aus einer 
breiten Erfahrung und aus einer gründlichen systematischen Kenntniss 
geben sie zweifelsohne die Principien an, welche Aussicht haben, in 
den weitesten Kreisen Anerkennung zu finden. Deshalb verdienen sie 
als Ausgangspunkt unserer kritischen Betrachtungen in den Vorder- 
grund gestellt zu werden, und handelt es sich nicht darum, sie um- 
zustürzen oder durch andere zu ersetzen, sondern einfach um ihnen 
jene schärfere Fassung zu geben, welche die jetzigen Kenntnisse der 
Bastardirungsvorgänge unumgänglich nothwendig machen. 

Wir gehen dabei ferner von dem oft eitirten Satze aus, dass 
Varietäten nur kleine Arten sind.” Das heisst, dass der Unter- 
schied zwischen Arten und Varietäten kein principieller, sondern nur 
ein gradueller oder vielmehr conventioneller sei. Auch schliesse ich 
meine ganze Erörterung den im ersten Bande gegebenen Eintheilungen 
an, nach denen die zu Grossarten verbundenen Formen hauptsächlich 
zwei sind (S. 455): 

1. Ebenbürtige Formen oder elementare Arten. 
2. Abgeleitete Formen oder echte Varietäten. 

Die Entstehung der elementaren Arten beruht nach den Aus- 
einandersetzungen des 8 7 (Bd. I, S. 456) auf der Neubildung von 
elementaren Eigenschaften, also auf deren numerischer Zunahme, die 
echten Varietäten unterscheiden sich von ihrer Art durch die Latenz 
bestimmter Merkmale, sei es, dass diese in dem Typus der Art activ 
und in der Varietät latent sind, sei es, dass sie im ersteren latent 
oder semilatent vorkommen und bei der Entstehung der Varietät 
activ oder semi-activ werden. Den dort benutzten Bezeichnungen 
gemäss entstehen also die elementaren Arten durch progressive, 
die abgeleiteten Varietäten aber durch retrogressive und de- 
gressive Artbildung (S. 460). 

Versuchen wir es nun, mit diesen Unterscheidungen die Er- 
fahrungen der Bastardlehre zu verbinden, so haben wir gesehen, 
dass die beiden Hauptabtheilungen der Bastarde mit diesen beiden 
systematischen Gruppen im Wesentlichen übereinstimmen. Die 
Menpen’schen Bastarde entsprechen der retrogressiven 
und degressiven Artbildung und somit den echten Va- 
rietäten, die unisexuellen Bastardirungen entsprechen 


! Vergl. auch Focke, Die Pflanzenmischlinge. S. 436, 446—502, 451 u. 8. w. 
? Vergl. Bd. 1, S. 119 und,oben S. 644. 


648 Der Artbegriff in der Mutationslehre. 


der progressiven Artbildung und somit den elementaren 
Arten. 

Ueber diesen wichtigen Punkt kann eine Meinungsverschiedenheit 
kaum bestehen. Aber er deutet nur das Princip und nicht etwa 
die Anwendung in den einzelnen Fällen an. Im Grunde ist dieser 
Satz auch ja nur eine andere Fassung des oben angeführten Satzes 
über die Fruchtbarkeit der Kreuzungen und der Hybriden. Denn 
die Menpven’schen Bastarde haben im Allgemeinen dieselbe 
Fruchtbarkeit wie ihre Stammeltern, und auch bei der Kreuzung 
dieser letzteren vermindert sich die Ernte nicht. Erst bei den 
unisexuellen Verbindungen nimmt mit abnehmender Ver- 
wandtschaft auch die Fertilität ab. 

Seitdem in den letzten Jahren die Arbeit Mexper’s wieder die 
Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat, ist diese Beziehung immer 
klarer an’s Licht getreten; sie konnte wohl keinem Forscher ent- 
gehen. Die Unterscheidung von zwei Gruppen von Bastarderzeugung 
und ihr Zusammenhang mit den systematischen Eintheilungen wurde 
am ausführlichsten von TSCcHERMAR besprochen, der es versuchte, 
darauf eine „allerdings wohl nicht durchgreifende“ Unterscheidung 
von Artbastarden und Varietätsmischlingen zu gründen.! 

Wir betrachten das Princip, auch in seiner neuen Fassung, 
somit als gesichert und wenden uns jetzt zu der Frage, weshalb die 
Unterscheidung keine durchgreifende sei. Ich werde dabei aus ver- 
schiedenen Gründen die Mutationskreuzungen, welche auch TSCHERMAK 
zu den Artbastardirungen rechnet, ausser Betracht lassen, und die 
Mrnper’schen Bastarde, im Anschluss an MacrArLAne’s Bezeichnungs- 
weise, bisexuelle nennen, indem ich den Namen der unisexuellen 
Kreuzungen in dem oben erörterten Sinne dieses letzteren Forschers 
beibehalte.. Somit gäben, um es möglichst kurz auszudrücken, die 
bisexuellen Kreuzungen Varietätbastarde (Blendlinge), die unisexuellen 
aber Artmischlinge (Hybriden im engeren Sinne). 

Aber offenbar ist eine Einschränkung erforderlich. Und gerade 
darin liegt der Angelpunkt der ganzen Frage, der Grund der von 
Jedem bei der Verwerthung der Bastardlehre in der Systematik 
empfundenen Schwierigkeiten. Die Einschränkung aber lautet: Die 
Unterscheidung gilt für die Monohybriden; für die Di- 
Polyhybriden aber nur, soweit sie sich diesen anreihen 
lassen. 


! E. Tsonermak in der dritten Anmerkung zu seiner Ausgabe von MENDEI’8 
Versuchen über Pflanzenhybriden. $. 58, 


Der theoretische Unterschied zwischen Arten und Varietäten. 649 


Als Monohybriden haben wir jene Bastarde bezeichnet, deren 
Eltern sich nur in einer einzigen elementaren Eigenschaft von einander 
unterscheiden. Monohybriden giebt es selbstverständlsch sowohl auf 
dem Gebiete der unisexuellen als auf jenem der bisexuellen Kreuzungen. 
Jede einzelne monohybride Kreuzung kann aber offenbar 
nur einer dieser beiden Gruppen angehören. Ist sie bisexuell, 
verläuft sie nach den Mrnper’schen Gesetzen, so lässt sie die Zu- 
sammengehörigkeit der beiden Stammeltern ohne Weiteres als Varie- 
täten erkennen.! Ist sie unisexuell, so handelt es sich um elemen- 
tare Arten, von denen die eine aus der anderen hervorgegangen 
sein muss. 

Die Di-Polyhybriden sind Bastarde, deren Eltern von einander 
in zwei oder mehreren elementaren Eigenschaften abweichen. Hier 
sind nun offenbar zwei Fälle zu unterscheiden. Wir beschränken 
uns zunächst auf die Dihybriden. Erstens können die beiden Difterenz- 
punkte derselben Hauptgruppe angehören und in den Kreuzungen 
und deren Producten somit denselben Gesetzen folgen. Würde jede 
von ihnen z. B. den Grad der elterlichen Verwandtschaft als „Varietät“ 
betrachten lassen, so werden beide es offenbar zusammen auch thun. 
So ist z. B. Papaver somniferum polycephalum Danebrog als eine Varietät 
zu betrachten, ebenso, aller Analogie nach, Calliopsis tinctoria pumila 
purpurea (Bd. I, S. 139), und bleiben namentlich die zusammengesetzten 
Blüthenfarben, welche sich bei Kreuzungen in ihre Componenten zer- 
legen und aus diesen wieder aufbauen lassen, innerhalb des Gebietes 
der Varietäten. 

Ebenso wären Formen, deren eine in progressiver Richtung durch 
zwei Schritte bezw. Mutationen aus der anderen entstanden wäre und 
deren Kreuzungen den Gesetzen der unisexuellen Verbindungen folgten, 
gewiss von einander als elementare Arten zu unterscheiden. 

Es kann aber auch vorkommen, dass zwei Formen sich zwar 
nur in zwei Punkten unterscheiden, dass sie aber in Bezug auf den 
einen eine bisexuelle, in Bezug auf den anderen eine unisexuelle 
Verbindung geben würden, wie in dem oben angeführten Beispiele 
der Lychnis vespertina X diurna. Das eine Merkmal würde in den 
Bastarden den MEnper’schen Gesetzen folgen, das andere aber eine 


! Und zwar unabhängig von der Frage nach der Nomenclatur. So ist 
2. B. Chelidonium laciniatum Mill., auch wenn man diesen bequemeren Namen 
beibehalten will, nach Obigem als eine Varietät von (©. majus zu betrachten. 
Vergl. Bd. I, 8. 456. Es wäre überhaupt wünschenswerth, dass man auf die Ab- 
hängigkeit der Nomenclatur von den gerade herrschenden systematischen Auf- 
fassungen verzichtete. 


650 Der Artbegriff in der Mutationslehre. 


constante Mittelform bilden.” Nach dem ersteren würde sich 
der eine Elter zum anderen verhalten als eine abgeleitete 
Varietät, nach dem anderen als eine ebenbürtige elemen- 
tare Art. 

(Genau dasselbe muss, und zwar in noch höherem Maasse, von 
den Tri-Polyhybriden gelten. Die Ditferenzpunkte ihrer Eltern können 
alle unisexuelle, oder alle bisexuelle sein, oder aber gemischte. Im 
ersteren Falle wird man das Verhältniss als zu den elementaren 
Arten, im zweiten als zu den Varietäten gehörig betrachten. Im 
dritten aber lässt uns das Princip offenbar im Stich. 

Gerade dieser dritte Fall scheint aber in der Natur weitaus der 
allgemeinste zu sein. Bei den Bastardirungsversuchen ist man, wenn 
man überhaupt die Gesetze ermitteln will, in der Regel verpflichtet, 
sein Augenmerk nur auf bestimmte Differenzpunkte zu richten und 
andere als nebensächlich ausser Betracht zu lassen. So verhielt es 
sich bereits bei den Erbsenkreuzungen von MENDEL, ebenso liegt die 
Sache bei den Maisrassen, welche sich ja auch nicht ausschliesslich 
in Varietätmerkmalen von einander unterscheiden, ebenso für Lychnis 
vespertina und diurna und viele andere Fälle. 

Es würde zu weit führen, diese Erörterungen hier in allen Einzel- 
heiten auszumalen und mit Beispielen zu belegen. Der Sinn ist, 
glaube ich, wohl Jedem klar. Er lässt sich am einfachsten wieder- 
geben, wenn man die Eigenschaften, welche nach MEnper’s Gesetzen 
kreuzen, kurzweg Varietätseigenschaften, die unisexuellen kurzweg 
Artmerkmale nennt. Man erhält dann diese allgemeinere Form für 
unseren für ZDychnis aufgestellten Satz (S. 646): Zwei verwandte 
Formen können sich von einander gleichzeitig durch Varie- 
täteigenschaften und durch Artmerkmale unterscheiden. 

Sind sie deshalb als Varietäten oder als Arten zu bezeichnen? 
Hier sind wir an die Grenze zwischen den Thatsachen und den 
conventionellen Bestimmungen angelangt. Hier liegt der Kreuzpunkt, 
den GOETHE in seinen bekannten Versregeln andeutet: „Dich im 
Unendlichen zu finden, Musst unterscheiden und dann verbinden.“ 
Das Unterscheiden ist objectiv, das Verbinden aber subjectiv. Ersteres 
ist das unmittelbare Ergebniss der Forschung, in unserem Falle 
einerseits der systematischen Studien, andererseits der Bastardirungs- 
versuche. Das Verbinden aber ist Sache des sogenannten Taktes, 


! Ich erinnere hier an die oben beschriebene Oenothera Pohliana (O. lata 
x brewvistylis), deren Lata-Merkmal sich wie eine Mutationskreuzung, deren Kurz- 
griffeligkeit sich aber wie ein Menper’sches Bastardirungsmerkmal verhält (ver- 
gleiche oben III, $ 11, 8. 435). 


Der praktische Artbegriff. 651 


es soll bestimmten Zwecken dienen und namentlich die Uebersicht 
über die Formen und das gegenseitige Verständniss ermöglichen. 

Es ist nicht meine Aufgabe, hier näher auf die systematischen 
Eintheilungen einzugehen oder bestimmte Vorschläge zu machen.! 
Ich habe nur die thatsächlichen Verhältnisse klar legen wollen. Diese 
aber führten uns wiederum zu der Ueberzeugung, dass auch hier 
eine klare Einsicht nur auf Grund der Mutationstheorie gewonnen 
werden kann. Nur wenn man das Bild der Art in seine einzelnen 
Factoren, die elementaren Eigenschaften, zu zerlegen versucht, gelingt 
es, in den so sehr complicirten Artbegriff eine Einsicht zu erlangen, 
welche mit den Thatsachen in Einklang ist und sich auf Versuche 
stützt. 

Wohl bin ich mir bewusst, dass die jetzt vorhandenen Versuche 
bei Weitem nicht ausreichen und dass sehr Vieles noch zu thun übrig 
bleibt. Zahllose Kreuzungsversuche, nach den neueren Methoden 
angestellt, sind erforderlich, um der Systematik die Grundlage zu 
bieten, auf der sie weiter bauen kann. Die Unterscheidung von 
elementaren Eigenschaften bildet dabei das leitende Princip, das auch 
künftighin gewiss auf diese Forschungsrichtung befruchtend ein- 
wirken wird. 


$ 4. Der praktische Artbegriff. 


Als Arten bezeichnen wir sowohl’ die Collectivarten wie auch die 
elementaren Arten. Und diese Zweideutigkeit des Wortes ist so tief in 
der Geschichte der beschreibenden Wissenschaften eingewurzelt, dass es 
wohl nie gelingen wird, sie gänzlich zu beseitigen. Bereits Lmx& hat die 
beiden Begriffe zusammengeworfen, und während der Eine aus seinen 
Schriften zu der Ueberzeugung gelangt, dass für ihn die Collectiv- 
arten die wirklichen Arten waren,” fassen Andere seine Stellung 
anders auf und meinen, dass er bei der Aufstellung des Artbegriffes 
im Wesentlichen die wirklichen Einheiten der Natur im Auge 
gehabt hat.? 


! Sollten sich zwei Formen ausschliesslich in „Varietätmerkmalen“ von ein- 
ander unterscheiden, deren aber sehr viele aufweisen, so würden sie wohl auch 
als Arten zu trennen sein. Auch hier ist die Grenze eine willkürliche. Und 
auch grössere Gruppen, ja vielleicht ganze Familien, können unter ihren 
Differenzen mitunter solehe aufweisen, welche jenen „Varietätmerkmalen“ an- 
gehören. 

2 Verel. Bd. 1, S: 13. 

3 S. Berui, Observations critiques sur la realite des especes en nature au 
Point de vue de la systematique des vegetaux. 1901. 


652 Der Artbegriff in der Mutationslehre. 


Der Grundgedanke, von dem wohl alle Forscher ausgehen, ist 
dieser: „Die Species allein stellen die wahrhaft realen Begriffe dar.“! 
Was aber die wahrhaft realen Begriffe sind, darüber gehen die 
Meinungen auseinander. „On ne peut pas douter,“ sagt DE ÜANDOLLE, 
„que le groupe appel& espece par V'illustre Su6dois ne fut, dans sa 
maniere de voir, une association de formes voisines.“? Dagegen 
gründete Jorpan bekanntlich seine Auffassung der kleineren oder 
elementaren Arten als wirkliche Arten gerade auf denselben Grund- 
satz. Das Bedürfniss, als Art etwas Reelles zu bezeichnen, ist überall 
entscheidend, die Realität ist aber für die beschreibende Wissenschaft 
bis jetzt eine andere als für die experimentelle Forschung. 

Es wäre allerdings wünschenswerth, sich darüber zu einigen, nur 
eine von den beiden genannten Gruppen Art zu nennen. Es fragt 
sich nur welche. Die ältere Ansicht und die populäre Auffassung 
wollen die grösseren Abtheilungen als Arten andeuten und wählen 
für die kleineren den Namen Unterarten.? Doch bedeutet Unterart 
nun einmal keine Einheit, sondern eine Gruppe von solchen, welche 
genau so zusammengesetzt und nur kleiner ist als die Art selbst 
(Bd. I, S. 452, 453). Die neuere Forschungsrichtung geht immer 
mehr darauf hinaus, die kleineren Typen als Arten zu bezeichnen, 
und überall, wo man nach dem Beispiele JorpAan’s auf die Constanz 
im Versuche den Hauptwerth legt, muss diese Ansicht vorwalten. 
Ihre Bedeutung für die beschreibenden Wissenschaften ist jüngst von 
Bernı in klarer und überzeugender Weise auseinandergesetzt worden, ? 
und dürfte jetzt die grössere Aussicht haben, auch von den besten 
Systematikern anerkannt zu werden. 

Man hat vorgeschlagen, die Collectivarten demgegenüber mit einem 
besonderen Namen zu belegen und das Wort Stirps dazu gewählt. 
Diese Bezeichnung wird in diesem Sinne von verschiedenen Systematikern 
angewandt,? und Berrı hat eine lange Reihe von historischen und 
kritischen Argumenten für diese Methode angeführt. Im Deutschen 
würde sich Stirps vielleicht am besten mit Sippe übersetzen lassen,® 


1 C. Näserı, Entstehung und Begriff der naturhistorischen Art. 1865. 8. 31. 

? Arnpn. DE CANDOLLE, Archiv. des sc. de la bibl. Universelle. Geneve, fevr. 1878. 
T. LXI p. 4. 

® Ich lasse im Folgenden die Varietäten, in dem Sinne unserer vorigen 
Paragraphen aufgefasst, gänzlich bei Seite. 

+ 8. Ber a. a. 0. 

5 Z. B.: H. L£fveırıf, Monographie du genre Onothera. 1902. I, 8. 72, 
106 u. 8. w. 

% Die Mutationen und die Mutationsperioden bei der Entstehung der Arten. 
Leipzig. Veit & Comp. 1901. 8.14. 


ee 


Der praktische Artbegriff. 655 


obgleich auch dieses Wort von verschiedenen Forschern in verschie- 
denem Sinne angewandt worden ist und sich vielleicht eine bessere 
Uebersetzung würde finden lassen.! Jedenfalls ist es wünschenswerth, 
in dieser Richtung eine Entscheidung zu treffen, und werden die Aus- 
führungen BeLur's dazu die Grundlage abgeben können. Doch liegen 
Nomenclaturfragen mir fern und überlasse ich die Entscheidung gern 
Anderen. 

Wir kommen jetzt auf die praktische Umschreibung des Art- 
begriftes. 

Die beschreibenden Wissenschaften brauchen eine Definition, 
welche von Kreuzungsversuchen durchaus unabhängig ist. Die am 
allgemeinsten angenommene Form gründet sich auf das Fehlen oder 
Vorhandensein von Uebergängen, wie bereits im ersten Bande erörtert 
wurde. Gruppen von Individuen, welche durch Uebergänge mit 
einander verbunden sind, fasst man als Arten auf; wo Lücken in 
der Reihe sich vorfinden, sind die Grenzen der Arten zu legen.? 
Ohne eine solche Vorschrift wäre die Beschreibung von Arten nach 
dem Studium eingesammelten Materiales unmöglich, und sie wurde 
denn auch seit DE CANnDOoLLE von den besten Systematikern immer 
angewandt. Nur wo directe Versuche sich ausführen lassen, verhält 
die Sache sich offenbar anders. 

Nur kurz möchte ich zwei Schwierigkeiten hervorheben. Erstens 
pflegen gerade die besten Varietäten nicht durch Uebergänge mit 
der Mutterart verbunden zu sein, und zweitens bewirkt die oft be- 
sprochene transgressive Variabilität häufig eine Verwischung 
von Grenzen, welche thatsächlich vorhanden sind. Die Aufsuchung 
dieser, bei der beschreibenden Methode oft verschwindenden Grenzen 
muss also stets dem experimentellen und statistischen Studium vor- 
behalten bleiben. DE CANDOLLE spricht in solchen Fällen von vor- 
läufigen Arten, und das wohl mit Recht.’ 


! Vergl. für Menper, Näceri und PETER in diesem Band S. 189 und sonst; 
ferner ©. CorrEns, Scheinbare Ausnahmen von der MENDEL’schen Spaltungsregel für 
Bastarde. Ber. d. d. bot. Ges. 1902. Bd. XX, Heft3. 8.170. Ders., Ber. d. 
d. bot. Ges. 1901. Bd. XIX. S. 77, Note 1 und die Monographie der Mais- 
Bastarde desselben Verfassers, S. 1 und Wertstem, Grundzüge der geographisch- 
morphologischen Methode der Pflanzensystematik. 1898. 8. 3. 

® Vergl. z. B. Annee Biologique. IV, 1898, p. 470; V, 1899, p. 377 und fast 
überall an den betreffenden Stellen. Ebenso BorrAvauLLz, On Orustacians. 1901. 
p-. 193. GeisEBAcH, Die Vegetation der Erde nach ihrer klimatischen Anordnung. 
1812. 8.9, u: 8. w- 

® ArpH. DE Canporze, La Phytographie. p. 98, 167. 


654 Der Artbegriff in der Mutationslehre. 


$ 5. Der Parallelismus zwischen der systematischen und der sexuellen 
Verwandtschaft. 


So lange die Abstammungslehre allgemein anerkannt wird, be- 
steht die Forderung, dass die systematischen Eintheilungen der Aus- 
druck der verschiedenen Grade der Blutsverwandtschaft zwischen den 
Organismen sein sollen. Aber bereits vor Darwın’s bahnbrechenden 
Arbeiten hatte man erkannt, dass die Anforderungen an die Syste- 
matik als beschreibende und classificirende Wissenschaft andere sind, 
als die Frage nach der wirklich vorhandenen Verwandtschaft. Diese 
letztere zu erforschen und womöglich die Eintheilungen des Systems 
mit ihr in Einklang zu bringen, war die Aufgabe, deren Lösung man 
gleich vom Anfang an von den Bastardirungsversuchen erwartet hat. 

Das Ergebniss hat aber diesen Erwartungen nicht entsprochen. 
In ungezwungener Weise lassen sich die Erfahrungen der Systematik 
und der Bastardlehre bis jetzt noch nicht vereinigen. NäÄcerı hat 
diesen Widerspruch zum klaren Ausdruck gebracht, indem er den 
Begriff der sexuellen Verwandtschaft aufstellte. Der Grad dieser 
Wahlverwandtschaft zwischen zwei 'ypen wird erstens durch den 
Grad ihrer Fruchtbarkeit bei gegenseitiger Kreuzung und zweitens 
durch den Grad der Fruchtbarkeit der daraus hervorgegangenen 
Bastarde bestimmt. 

Die einfachste Form, auf die man versucht hat, den Parallelismus 
zwischen der systematischen und der sexuellen Verwandtschaft zurück 
zu führen, ist die folgende: 1. Pflanzen, welche mit einander frucht- 
bar gekreuzt werden können, gehören stets zu derselben Gattung. 
2. Ptlanzen, deren Fruchtbarkeit bei der Kreuzung nicht vermindert 
wird, gehören zu derselben systematischen Art (oder Grossart). Beide 
Sätze sind sehr beliebt und von hervorragenden Forschern vertheidigt 
worden; sie haben aber das Bedenkliche, dass sie nicht umgekehrt 
werden können. 

Betrachten wir zuerst den ersteren Satz. Er leugnet die Existenz 
von Hybriden zwischen verschiedenen Gattungen, von sogenannten 
Gattungsbastarden. Er rührt aus jener Zeit und von jenen philo- 
sophisch angelegten Geistern her, für welche die Gattungen als er- 
schaffen, die Arten aber als auf natürlichem Wege aus ihnen hervor- 
gegangen galten. Diese Schule der T’ransmutationisten haben wir 
bereits im ersten Bande (8. 12) in ihrer historischen Bedeutung 
geschildert. Von ihnen rührt auch die oben bereits besprochene 
Ansicht her, dass innerhalb der Gattungen Arten nicht nur durch 
den normalen Kvolutionsprocess entstehen, sondern dass daneben 


Der Parallelismus zwischen d. systemat. u. d. sexuellen Verwandtschaft. 655 


auch, aus den so gebildeten Arten, durch Kreuzungen neue Formen 
hervorgebracht werden können. W. HERBERT ist wohl der hervor- 
ragendste Vertreter dieser Auffassung,! welche später namentlich von 
GoDRoN vertheidigt worden ist. Dieser letztere Forscher bezeichnet 
alle Gattungen, deren Arten mit denen verwandter Genera sich 
bastardiren lassen, als künstlich, und hat ein umfangreiches That- 
sachenmaterial zur Begründung dieser Meinung zusammengebracht.? 

Gegen den erwähnten Satz ist im Grunde nicht viel einzuwenden, 
und seine Anerkennung würde nur in verhältnissmässig wenigen Fällen 
zur Erweiterung von Gattungen führen, in sehr zahlreichen aber von 
den in den letzten Jahren wiederum so beliebten Spaltungen der 
Genera, und Erhebungen von Untergattungen zu Gattungen zurück- 
halten. 

In der Praxis aber hat sich die Durchführung des HrrBrrr’schen 
Satzes als eine Unmöglichkeit ergeben. Anfangs gab es nur wenige 
solcher Gattungsbastarde. Aber ihre Zahl hat allmählich bedeutend 
zugenommen, zum Theil allerdings durch die soeben erwähnten Spal- 
tungen von Gattungen, zum Theil aber auch durch die Erweiterung der 
Erfahrungen auf dem experimentellen Gebiete. Berberis und Mahonia 
(vergl. B. Neuberti, S. 50, Fig. 10) könnte man wohl zu einer Gattung 
vereinigen; die vorgeschlagene Vereinigung von Roggen und Weizen, 
zwischen denen Rımpau einen Bastard gewonnen hat,’ zu der Gattung 
Fromentum dürfte wohl nur geringen Beifall finden, und die Thatsache, 
dass BURBANK in Californien in sehr umfangreichen Kreuzungen ein 
einziges Exemplar eines Bastardes zwischen Nicotiana und Petunia, den 
er Nicotunia nennt, erzielt hat,* wird wohl kaum je als ausreichender 
Grund für eine systematische Vereinigung dieser beiden Gattungen 
gelten. Die bigeneren Bastarde erreichen in der Familie der Orchi- 
deen jetzt ungefähr die Zahl von 150, namentlich zwischen den 
Gattungen Laelia, Cattleya, Epidendrum und Sophronitis, sowie zwischen 
Zygopetalum, Colax und Batemannia.® 


{ W. HerBERT, Amaryllidaceae, with a Treatise upon Cross-bred Vegetables. 
London 1837. p. 337 u. s. f. Vergl. auch Gärrxer a. a. O. S. 152 und Näcen, 
Sitzungsber. d. k. Bayr. Akad. d. Wiss. 15. Dec. 1865. S. 400. 

” A. Gopron, De l’espece et des races dans les ätres organises. 1859. T. I, 
p- 225—236 und Mem. Acad. Stanislas & Nancy, 1862. p. 296—298. 

® W. Rımpau, Kreuzungsprodukte landwirthschaftlicher Culturpflanzen. Land- 
wirthsch. Jahrb. 1891. S. 20 und Tafel VI. Fig. 58. 

* Lurtuer BurBank, New COreations in frwits and flowers. Bursank’s Experi- 
ment grounds (Santa Rosa, California). 1893. Mit einer Abbildung der Nicotunia. 

° C. C. Hurst, Journ. Roy. Hort. Soc. Vol. 24, p. 102 and 125. 


656 Der Artbegriff in der Mutationslehre. 


Auffassung erheben, sind einerseits die Thatsache, dass die Grenzen 
der Möglichkeit hybrider Verbindungen durchaus unscharfe sind, 
andererseits der vielfach erhobene Einwand, dass Bastardirungen 
doch immer nur Ausnahmen sind, und dass das Princip also überall 
da im Stich lässt, wo solche nicht gelingen. In Bezug auf ersteren 
Punkt ist zu bemerken, dass es zahlreiche Hybriden giebt, welche 
man nicht künstlich zum zweiten Male machen kann, wie z. B. Ribes 
Gordonianum, mit anderen Worten, dass manche Bastardirungen zwar 
durch Zufall, aber nicht in dem beschränkten Umfange eines Experi- 
mentes gelingen. Die Unmöglichkeit fruchtbarer Kreuzungen wird 
deshalb wohl niemals experimentell zu beweisen sein. In Bezug auf 
den zweiten Punkt erinnere ich nur daran, dass es in weitaus den 
meisten Gattungen überhaupt keine Artbastarde giebt, dass dort also 
alle Anhaltspunkte für die Abgrenzung der Gattungen nach diesem 
Princip vollständig fehlen. 

Wir kommen jetzt zu den Arten. Bereits KöÖLREUTER stellte 
den Satz auf, dass innerhalb dieser Gruppen die Kreuzungen frucht- 
bar seien und durchaus fruchtbare Nachkommen gäben, und dass 
zwischen den Arten die Fertilität der Kreuzungen oder wenigstens 
diejenige der erzeugten Bastarde fehle. GÄRTNER und wohl die meisten 
späteren Forscher haben sich dieser Ansicht angeschlossen, nur stellen 
sie an die Stelle der fehlenden die verminderte Fruchtbarkeit als 
Merkmal für die Artgrenzen.! 

Aber auch von diesen Principien giebt es so zahlreiche Aus- 
nahmen, dass es bis jetzt nicht gelungen ist, sich über ihre Anwen- 
dung zu einigen. Die sexuelle Affinität ist zwar im Grossen und 
Ganzen der systematischen parallel, aber im Einzelnen nur zu oft 
nicht.”° Naupın betrachtete diese Abweichungen von der Regel als 
Ausnahmen? und ABBApDo und mehrere andere Forscher haben es 
der Bastardlehre zur Aufgabe gestellt, die Ursachen dieser Ausnahmen 
in den einzelnen Fällen an’s Licht zu bringen.* 

Diese Ursachen können im Allgemeinen zu zwei durchaus ver- 
schiedenen Gruppen gehören. Denn einerseits können sie von un- 
senügenden systematischen Kenntnissen herrühren, andererseits aber 
von der Unzulänglichkeit der Experimente über die Kreuzungen. In 
3ezug auf ersteren Punkt bemerke ich, dass die Systematik zwar 


I GÄRTNER a. a. 0. S. 163—164, 578—579 u. 8. w. 

® Vergl. Murseck, Botaniska Notiser. 1901. p. 214. 

’» On. Naupin, L’Hybridite dans les vegetaux. 1869. p. 145. 
* Assano, L’ibridismo nei vegetali. 1898. p. 48. 


Der Parallelismus zwischen d. systemat. u. d. sexuellen Verwandtschaft. 697 


häufig den latenten Eigenschaften Rechnung trägt, aber dass es selbst- 
verständlich keineswegs immer möglich ist, auf systematischen Gründen 
zu entscheiden, ob eine Eigenschaft, welche man nicht sieht, wirklich 
völlig fehlt oder nur im inactiven Zustande verkehrt. Und doch wird 
die Latenz als retrogressive Metamorphose, und also häufig als das 
Merkmal einer Varietät, das Fehlen aber als eine phylogenetisch 
ältere Stufe, und also zumeist als Artcharakter aufgefasst (vergl. 
Bd. I, S. 460). 

Man kann jetzt eine Pflanze, in welcher irgend eine Eigenschaft 
activ ist, entweder kreuzen mit einer solchen, der dieser Charakter 
auch als innere Anlage fehlt, oder mit einer Art bezw. Varietät, in 
der das betreffende Merkmal als Anlage vorhanden, aber inactiv, 
latent ist. Im Aeusseren bieten zwei solche Kreuzungen keinen 
Unterschied, ihrem inneren Wesen nach sind sie sich aber gerade 
entgegengesetzt. Es lässt sich also erwarten, dass ihre Folgen ver- 
schiedene sein werden. Die Kreuzung activ x fehlend ist eine 
unisexuelle und wird voraussichtlich zur Halbirung der sichtbaren 
Merkmale im Bastard führen; die Kreuzung activ x latent ist eine 
bisexuelle und folgt, wenigstens in den gewöhnlichen Fällen, den 
Menper’schen Gesetzen. Vielleicht wird eine genauere Untersuchung 
in dieser Weise manche der Widersprüche lösen, welche jetzt noch 
gegen den Parallelismus der systematischen und der sexuellen Ver- 
wandtschaft erhoben werden können. , Als Beispiel führt Focke u. a. 
das Folgende an:! „Silene vulgaris und S. maritima, Capsella rubella 
und C. bursa pastoris, Phaseolus vulgaris und Ph. multiflorus oder die 
Diplacus- (Mimulus-) Arten scheinen morphologisch nicht mehr von 
einander unterschieden zu sein, als etwa Tropaeolum majus und Tr. minus, 
Nicotiana latissima und N. Marylandica, N. rustica und N. Texana oder 
Pisum sativum und P. arvense. Und doch zeigen die Mischlinge in 
dem einen Falle alle Eigenschaften von Bastarden, in dem anderen 
alle Merkmale von Blendlingen.“ FockE fasst seine Erörterungen 
über diesen Gegenstand in dem Schlusssatze zusammen, dass syste- 
matisch wahrscheinliche Kreuzungen sehr oft misslingen, während 
unwahrscheinliche zuweilen gelingen (a. a. O0. 8. 457). 

Der Unterschied zwischen Menoen’schen und unisexuellen 
Kreuzungen sollte also auch nach dieser Betrachtungs- 
weise die Grundlage werden, um zu entscheiden, was man 
als Arten, und was man als Varietäten zu bezeichnen hat. 

Aber auch die sexuelle Affinität giebt nicht immer zuverlässige 


1 Focke a. 2.0. 8. 448. / 
1065 42 


DE VRIES, Mutation. 


658 Der Artbegriff in der Mutationslehre. 


barkeit, d. h. die Anzahl der in einer Kapsel reifenden Samen, bei 
entgegengesetzten Kreuzungen verschieden. Sie wird somit nicht allein 
durch jene Verwandtschaft, sondern offenbar auch noch durch andere 
Ursachen bestimmt. Unter diesen ist die Länge des Griffels wohl 
die am meisten bekannte, auch haben die Untersuchungen Burck’s 
über die Concentration und die Reizmittel der Narbensäfte höchst 
wichtige Aufklärungen gebracht.! In den extremen Fällen gelingt die 
eine Kreuzung leicht, die andere aber nicht, wie z. B. Mirabilis Jalapa 
x longiflora, Geum urbanum x rivale, Sophronitis x Cattleya u. S. W. 
Zweitens gelingt die Kreuzung bisweilen, trotz offenbar sehr naher 
Verwandtschaft, nicht, wie z. B. zwischen Anagallis arvensis und 
coerulea (GÄRTNER). 

Es lohnt sich nicht, hier dieses Thema weiter auszumalen. Es 
ist zu wiederholten Malen behandelt und namentlich von FockE 
in seinen Pflanzenmischlingen in erschöpfender Weise dargestellt 
worden. Als Hauptergebniss darf man wohl den Satz aussprechen, 
dass die meisten Schriftsteller im Grunde überzeugt sind, dass 
systematische und sexuelle Affinität, wenn beide richtig auf- 
gefasst werden, durchaus parallel gehen, ja eigentlich ihrem 
inneren Wesen nach nur eine und dieselbe Sache sind, dass 
es aber bis jetzt nicht gelungen ist, die vorhandenen Ausnahmen von 
diesem Parallelismus aufzuklären. 

Die Hauptfrage ist schliesslich die, ob sich die Diagnosen der 
Arten und Varietäten allmählich auf die elementaren Eigenschaften 
als Einheiten werden zurückführen lassen, und ob die sexuelle Ver- 
wandtschaft von der Anasahl dieser Differenzpunkte bestimmt wird. 
GÄRTNER hat bereits darauf hingewiesen, dass die Gattungen, in 
denen man die meisten Bastarde gewonnen hat, jene sind, welche 
an sehr nahe verwandten Arten am reichsten sind (a. a. O. S. 168). 
Nigerı hat diesen Gedanken weiter ausgeführt und ihm folgte 
namentlich Sachs in seinem Lehrbuch der Botanik. Auch ABBADo, 
Hovxst, GıLLoT und viele Andere haben sich diesem Gedankengange an- 
geschlossen. Nach ihren Ausführungen könnte man den Satz von dem 
Parallelismus zwischen der systematischen und der sexuellen Verwandt- 
schaft auch so fassen, dass man sagt, dass die Fruchtbarkeit der 
Kreuzungen bezw. der Kreuzungsprodukte im Grossen und 
Ganzen um so mehr abnehme, als die Anzahl der Differenz- 


ı W. Burck, Over de beweging der Stempels by Mimulus en Torenia. Sitzungs- 
ber. d. Kon. Akad. d. Wiss., Amsterdam 1901 und in früheren Abhandlungen. 


Die Tragweite der bisherigen Erfahrungen. 659 


punkte, d.h. also der die Differenzen bildenden elementaren 
Eigenschaften zunehme.! Doch bedarf es noch vieler Unter- 
suchungen, um eine kritische Behandlung und experimentelle Be- 
sründung dieser Vermuthung zu ermöglichen. 


I. Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


$ 6. Die Tragweite der bisherigen Erfahrungen. 


Die Mutationslehre betont gegenüber der jetzt herrschenden 
Selectionslehre die hohe Bedeutung der sprungweisen oder stossweisen 
Aenderungen und betrachtet nur diese als artbildend. Die Darwın’sche 
Form der Selectionstheorie erkennt sowohl diese wie namentlich die 
fluetuirenden Variationen als thätig bei der Entstehung neuer Arten an, 
während WartAcE das andere Extrem vertheidigt, nach welchem die 
Bildung der Arten nur auf langsamer, gradweiser Veränderung beruht. 

Dementsprechend verhalten sich diese beiden Richtungen der 
Mutationslehre gegenüber verschieden. Die Anhänger WALLACK's 
verwerfen sie durchaus; die der Darwın’schen Form beipflichtenden 
Autoren sind ihr weniger bestimmt feindlich, manche haben sie sogar 
mit grossem Wohlwollen begrüsst. 

Da diese beiden Richtungen sich in den Kritiken, welche über 
den ersten Band dieses Werkes bisher veröffentlicht wurden, deutlich 
aussprechen, so möchte ich sie hier kurz besprechen, um damit die 
Hauptfragen, um welche sich der Streit voraussichtlich drehen wird, 
möglichst klar zu stellen. 

Die extremen Gegner behaupten, dass es keine Mu- 
tationen gebe. „Natura non facit saltus.“ Was als stossweise 
Aenderungen beschrieben wird, seien nur die äussersten Abweichungen 
der gewöhnlichen Variabilität. Denn je weiter diese sich vom Mittel 
entfernen, um so seltener sind sie, durch um so grössere Intervalle 
sind sie von einander getrennt. Die Anzahl der Blumenblätter von 
Ranunculus bulbosus semiplenus schwankt um 9—10, erreichte mehr- 
‘ fach 14, sehr selten 20—23 und nur in einem Falle mehr, und 
zwar 31 (Bd. I, S. 588). Die Lücke zwischen 23 und 31 ist aber 
kein Sprung; sie ist eine völlig normale, auf diesem Theile der 
QuETELET’schen Curve auch sonst ganz gewöhnliche. In dieser Weise 


' Vergl. auch die Stammbaumfigur der Oenothera-Kreuzungen auf S. 470. 
42* 


660 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


habe man sich immer die beobachteten Lücken in der Variabilität 
und somit auch die sogenannten Sprünge oder Stösse zu erklären, 
sie seien immer nur extreme Varianten von Reihen, welche bei 
weiterer Untersuchung sich als continuirliche ergeben würden. 

Diese Auffassung wird meiner Ansicht namentlich von Morpho- 
logen! und Statistikern? entgegengehalten. Mit den Erfahrungen des 
Gartenbaues ist sie, wie namentlich in der letzten Zeit KoRSCHINSKY 
gezeigt hat,’ durchaus im Widerspruch, und meine Beobachtungen 
mit Oenothera lehren sowohl durch das Fehlen der Uebergänge als 
durch die Stabilität der neuen Arten ohne Weiteres, dass wenigstens 
hier echte Mutationen vorliegen. Die Schwierigkeiten, welche sich 
einer übereinstimmenden Auffassung entgegenstellen, liegen meiner 
Ansicht nach zum grossen Theile auf dem Gebiete der transgressiven 
Variabilität, die ja so oft der morphologischen Beobachtung Uebergänge 
vortäuscht, welche erst im Experiment ihre wahre Natur verrathen. 

Unter denjenigen Kritikern, welche sich mehr oder weniger voll- 
ständig im günstigen Sinne über meine Theorie ausgesprochen haben, 
haben mehrere hervorgehoben, dass die grösste Gefahr, welche ihr 
drohe, gerade in diesem Punkte liege. In einer sehr klaren und 
scharfen Uebersicht der Mutationslehre hat neuerlich MAcDouGAL 
dieses zusammenfassend ausgesprochen, indem er über meine Ergeb- 
nisse sagte, dass man schon jetzt sehen könne, „that the greatest 
misunderstanding which may likely arise in the consideration of his 
results will be that founded on the error of confusing fluctuating 
varlability and mutability.“® 

Die Unterscheidung der artbildenden von der fluctuirenden Varia- 
bilität wurde zuerst von Darwın aus seiner Pangenesis abgeleitet, 
und dieses mag zum Theil die auch jetzt noch bei so vielen Forschern 
vorhandene Abneigung erklären. 


' Von meinen zahlreichen Kritikern nenne ich hier nur On. Schröper, Die 
Variabilität der Adalia bipunctata L. Allgeın. Zeitschrift f. Entomologie. Bd. 6—. 
1901—1902. Die von ScHröper vertretene Ansicht wurde seitdem durch die Unter- 
suchungen von A.G Mayer über die Farben der Schmetterlinge widerlegt. Vergl. 
Effects of natural selection and race-tendency upon the color-patterns of Lepidoptera. 
Museum Brooklyn Inst. of Arts a. Se. 1902. Vol.I. No.2. p. 31. 

?® Vergl. die neue Zeitschrift Biometrika und darin namentlich die Aufsätze 
WELDon'’s. 

° S. Korscnmsskyv, Mem. Acad. Imp. Petersbourg. 1899. IX. 

* D. T. Mac Dovscar, Z’he Origin of Species by Mutation. Torreya. 1902. 
Vol;,2.) 8,99; 

° Vergl. Intracellulare Pangenesis, z. B. S. 210 und Ber. d. d. bot. Ges. 
1900. XVIIL.S. 83. 


Die Traqweite der bisherigen Erfahrungen. 661 


Weitaus die meisten Schriftsteller nehmen an, dass an der 
Artbildung sich sowohl die fluctuirende wie auch die stoss- 
weise Variabilität betheiligen sollen.! Diese Ansicht Darwın’s, 
welche unter dem Einflusse Warracr’s allmählich in den Hintergrund 
gerathen war, ist in den letzten Jahrzehnten wiederum stark in den 
Vordergrund getreten. Je nach ihren persönlichen Einsichten und Er- 
fahrungen räumen die einzelnen Forscher den stossweisen Aenderungen 
oder Mutationen hier einen geringeren und dort einen grösseren An- 
theil ein. Gerade diese lange Reihe von Abstufungen deutet darauf 
hin, dass es sich nicht um ein selbstständiges Princip, sondern um 
den Uebergang von der herrschenden Theorie zu einer anderen handelt. 
Namentlich unter den amerikanischen Forschern hat sich das Be- 
dürfniss, in dieser Richtung so weit wie möglich voranzuschreiten, 
in den letzten Jahren besonders klar ausgesprochen. 

Sucht man nach einem bestimmt zu umschreibenden Gesichts- 
punkte im Flusse dieser Meinungen, so tritt auch hier wieder die 
Lehre des grossen Meisters in den Vordergrund. Darwın äussert 
sich wiederholt dahin, dass es möglich sei, sich vorzustellen, dass 
Eigenschaften zwar nur langsam entstehen, dagegen aber plötzlich 
verschwinden können.” Nimmt man dabei unsere im ersten Bande 
vorgetragene Unterscheidung der progressiven, retrogressiven und 
degressiven Artbildung an, so könnte man behaupten, dass die 
progressive Artbildung nur langsam und allmählich ge- 
schehe, während die retrogressive und die degressive auf 
Mutationen beruhen können. Bei der progressiven handelt es 
sich ja zuerst um die Neubildung einer bis dahin nicht vorhandenen 
inneren Eigenschaft, während bei den retrogressiven und degressiven 
die inneren Anlagen dieselben bleiben und nur in andere Zustände 
übergeführt werden. Bei der ersteren werden die activen latent, bei 
der letzteren die latenten activ oder die semilatenten semiactiv, im 
Grunde bleiben es aber dieselben stofflichen Träger. Neues entsteht 
dabei im Idioplasma nicht.’ 

Die Mutationen im Gartenbau sind, wie wir gesehen haben, vor- 
wiegend retrogressiver oder degressiver Natur, stossweise Artbildungen 


! Die im Obigen mehrfach eitirten Ansichten von Wersstein’s hat dieser 
Forscher soeben in einem in der Versammlung der Naturforscher und Aerzte in 
Karlsbad gehaltenen Vortrag zusammenfassend veröffentlicht, unter dem Titel: 

Der Neo- Lamarckismus und seine Beziehungen zum Darwinismus. 1903. 
® Ueber diesen Punkt vergleiche man namentlich die ausgezeichnete Kritik 
von L. PrAtE, Ueber Bedeutung und Tragweite des Darwın’schen Selectionsprincips. 
1900. 8. 37 und a.a. 0. 
? Vergl. unten $ 9—11. 


662 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


auf progressivem Wege sind viel seltener. Doch glaube ich in meinen 
Untersuchungen über Oenothera den bekannten Fällen einige zugefügt 
zu haben, welche wenigstens das Vorkommen von progressiven Muta- 
tionen sicher stellen können. Selbstverständlich bedarf es auf diesem 
Punkte noch zahlreicher weiterer Untersuchungen, sowohl über neue 
Erscheinungen als auch zur Prüfung der bereits bekannten. Denn 
mehrfach bedarf die stossweise Entstehung besserer Beweise, oder ist 
die progressive Natur eines als Mutation nachgewiesenen Vorganges noch 
Zweifeln ausgesetzt. Namentlich wäre hier auch die Frage zu berück- 
sichtigen, ob vielleicht die hypothetischen Prämutationen allmählich 
zu Stande kommen, während die im Verborgenen langsam ausgebildete 
neue Eigenschaft sich nur nachher plötzlich entfaltet. Diese Unter- 
scheidungen werden sich aber nur nach und nach durchführen lassen. 

Von allgemeinen Gesichtspunkten ausgehend hat wohl zuerst 
KöLuıker die Bedeutung der Mutationen gegenüber Darwın hervor- 
gehoben,! indem er diesen, damals noch hypothetischen Vorgang 
mit dem Namen der heterogenen Zeugung andeutete. Auch 
K. E. von Baer und Bronx sind hier zu nennen, ebenso HaAckE, 
@&. PFEFFER, DELAGE, CUNNINGHAM, WOLFF, DREYER, DRIESCH, EMERY? 
und viele Andere. Am kräftigsten wurde diese Lehre in den letzten 
Jahren wohl von BarEsox vertheidigt, dessen Ansicht ich oben bereits 
mehrfach hervorgehoben habe. Auch die Autoren, welche einzelne 
Gattungen und Arten monographisch studieren, wie namentlich 
Wrrrrock in Bezug auf Viola, pflegen der Vorstellung stossweiser Neu- 
bildungen gewogen zu sein. Andererseits findet diese Lehre auch aus 
rein speculativen Gründen hervorragende Vertheidiger, unter denen ich 
nur von HARTMANN und ferner Hamann und KERSTEN zu nennen brauche. 
Auf zoologischer Seite haben sich namentlich HußrecHt und Hunt 
MorGAn für die neue Richtung ausgesprochen,* der letztere auf Grund 
seiner Studien über die Regeneration verletzter Organe.’ 

Von praktischen Landwirthen haben meiner Auffassung namentlich 
Em. von ProskowErz und H3AaLmAR Nıusson beigepflichtet. Ersterer 
hat in jahrelangen, sehr ausgedehnten Untersuchungen die Umwand- 
lung der wilden Beta patula in die Zuckerrübe studirt, und gefunden, 


! Köruiker, Abhandl. Senckenb. Gesellsch. 1864. S. 223—229. 

® Enery, Biolog. Centralblatt.‘ 1893. Nr. 13. S. 723. 

’ Vergl. die ausführliche und kritische Darstellung in H. Kersten, Die 
idealistische Richtung in der modernen Entwickelungslehre. Zeitschr. f. Naturw. 
1901.. Bd. 78. 8. 321. 

* A.A. W. Husrecut, De evolutie in nieuwe banen. Utrecht, 1902. 

° Tu. Hust MorGan, Darwinism in the light of modern eritieism. Harpers 
monthly Magazine, Febr. 1903 und in mehreren anderen Schriften. 


Die Tragweite der bisherigen Erfahrungen. 6653 


dass die Umprägung keineswegs Schritt für Schritt, sondern plötzlich 
und mit einem Male zu Stande kommt.! Jede neue Eigenschaft tritt 
auf einmal in die Erscheinung; sie ist nicht das Produkt der Zucht- 
wahl, sondern innerer Vorgänge, deren Natur wir noch nicht kennen. 
Auch ganz nebensächliche Eigenthümlichkeiten, wie die Farbe, ver- 
ändern sich in derselben Weise. Hsaumar Nıvsson hat als Leiter 
der wissenschaftlich-praktischen Versuchsstation für Saatverbesserung 
in Svalöf in Schweden seit einer Reihe von Jahren ein überaus 
wichtiges Material von Thatsachen zusammengebracht, welches auf die 
Mutationslehre ein sehr klares Licht zu werfen verspricht, aber noch 
der zusammenfassenden Bearbeitung harrt.. Nach mündlichen Mit- 
theilungen und sonstigen gelegentlichen Aeusserungen dieses Forschers 
stehen seine Erfahrungen mit der Mutationslehre durchaus im besten 
Einklang. ? 

Neben den bereits angeführten wichtigen Beobachtungen von 
HEINRICHER über Iris pallida abavia, von SOLMS-LAUBACH über Capsella, 
von WırrRock über Viola, von Baıtey und WHrrE über Tomaten, 
und von so vielen Anderen möchte ich jetzt noch die folgenden nach- 
tragen. Noru beschreibt die plötzliche Entstehung einer förmlichen 
Ranke an Tropaeolum und schliesst daraus auf die Möglichkeit von 
stossweisen Umprägungen und deren Bedeutung für die Descendenz- 
lehre.? MACFARLANE untersucht die Variabilität in der Gattung 
Prunus,* Tracy beobachtete das plötzliche Auftreten einer Zwerg- 
varietät von Phaseolus lunatus,? CARUEL stellte eine Reihe von Fällen 
zusammen, in denen sich directe Uebergänge nicht nachweisen lassen 
und bezeichnet sie als Euthymorphosen,® CAarrson untersuchte die 
Mutationen der schwedischen Sueeisa- Formen,” und LAURENT spricht 
sich in ähnlicher Weise über einige Sorten von Obstbäumen aus. ° 


! Em. v. Proskowerz jr., Oulturversuche mit Beta. 1892 — 1901 in der Oesterr. 
Ungar. Zeitschr. f. Zuckerindustrie und Landwirthschaft des Centralvereins f. 
Rübenzuckerind. in d. Oest. Ung. Monarchie, 1892—1902. In jedem Jahrgang 
die Versuche des vorigen Jahres; im Jahrg. 1892 auch die älteren Versuche und 
die Literatur. Ueber die Mutationen. vergl. man namentlich Jahrg. 1902. 

? Vergl. die verschiedenen Jahrgänge der Zeitschrift der Versuchsstation 
Svalöf. Sveriges Utsädeförenings Tidskrift, und namentlich die Ärsberättelse 
under är 1901 in Jahrg. XII, 1902. Heft 1, S. 3. 

® F. Noız, Das Auftreten einer typischen Ranke an einer sonst rankenlosen 
Pflanzenart. Sitzungsber. d. Niederrhein. Ges. f. Naturk. Bonn. 14. Jan. 1895. 

* W. We Tracy, American Naturalist. 1895. XXIX. p. 485. 

5 J.M.MacrARrLAnE, Publications of the Universityof Pennsylvania. 1901. p. 216. 

° T. Carver, Bull. Soc. Bot. Ital. Firenze 1896. p. 84. 

” Bot. Not. 1901. S. 224. 

8 E. Laurent, De l’erperimentation en hortieulture. 1902. p. 12. 


664 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


und Euphorbia ipecaeuanha aus Pennsylvania, welches durch den auf- 
fallenden Reichthum an Formen auf eine Mutationsperiode für diese 
Arten schliessen lässt und Herr L. CockaynE berichtete mir über 
von ihm in Neu-Seeland beobachtete Umbildungen von Sarothamnus 
scoparius und Lupinus arboreus.. Auch sei hervorgehoben, dass neuer- 
dings BORRADAILLE für die decapoden Krebse zu dem Schlusse kam, 
dass die Erklärung der Artbildung auf dem Wege der natürlichen 
Zuchtwahl auf sehr grosse Schwierigkeiten stosse.! Herr R. LAUTER- 
BORN hatte die Güte, mich auf das plötzliche Auftauchen der gelben 
Tollkirsche, Atropa Belladonna lutea, aufmerksam zu machen, über 
welches von Dr. Scnüz berichtet wurde.” Ebenso hatte Dr. Raarz 
die Freundlichkeit, mir Samen einer äusserst merkwürdigen glänzend 
braunen Farbvarietät der Zuckerrübe zu senden, welche in den Öulturen 
von Klein-Wanzleben plötzlich entstanden war. Auch in meinem 
Garten zeigte sie das neue Merkmal in schönster Weise. 

Ich habe nur eine Auswahl gegeben, und muss auf eine voll- 
ständigere Liste verzichten. Es kam mir ja nur darauf an, zu zeigen, 
dass die Lehre von den Mutationen bereits überall Anhänger findet 
und vielseitig von den Thatsachen gestützt wird.® Hoffentlich er- 
öffnet dies ihr die Aussicht, einmal die ihr noch entgegenstehenden 
Schwierigkeiten endgültig zu überwinden. 


$ 7. Die Erklärung der Anpassungen. 


Seitdem durch Darwın’s Schriften die Ueberzeugung von der 
gemeinschaftlichen Abstammung der Organismen zur allgemein an- 
erkannten Grundlage der Forschung und der Speculation geworden 
ist, hat sich das Interesse, sowohl der Schriftsteller wie auch der 
Leser, immer mehr einer bestimmten Seite des Problems zugewandt: 


ı L. A. Borravaınıe, Marine Orustaceans. 'The fauna and geography of the 
Maldive and Laccadive Archipelagoes. Vol. I. Part 2. p. 197. 

? Amtl. Bericht über die 33. Versamml. d. Naturf. und Aerzte. Bonn. 
Sept. 1854 (Bonn, 1859). 8.139. Die Pflanze war einige Jahre vorher in einem 
einzigen Exemplar im Schwarzwalde gefunden worden. 

® Eine sehr wichtige Stütze verspricht die oben ($. 242, 277) als Prüfung 
auf Erbkraft oder Grossmutterwahl beschriebene Methode zu werden, da eine 
Auslese nach der mittleren Zusammensetzung der Nachkommenschaft offenbar 
in der Natur nicht vorkommen dürfte. In der Praxis zeigt sie sich ebenso be- 
bedeutungsvoll, wie in meinen trieotylen Züchtungen. Sie wurde mit bestem 
Erfolg von Vırvorıs und Anderen bei Zuckerrüben, von Hays beim Weizen und 
von von Locnow beim Roggen angewandt. 


Die Erklärung der Anpassungen. 665 


der Frage nach der Erklärung der Anpassungen. Allerdings liegt 
diese Frage ausserhalb der Ziele des vorliegenden Buches, welches 
ja nur die empirischen Grundlagen der Descendenzlehre zu behandeln 
hat. Doch scheint es mir nicht ohne Interesse, zu zeigen, dass die 
herrschende Meinung, die die Waruacr’sche Form der Selections- 
lehre für die einzige hält, welche zu einer Erklärung der Anpassungen 
führen kann, unrichtig ist. 

Die Ansicht, dass alle Eigenschaften der Organismen in jeder 
gewünschten Richtung variabel sind, und dass jede kleinste Abweichung 
im Kampf um’s Dasein ausgelesen und in dem erforderlichen Grade 
gesteigert und schliesslich fixirt werden kann, ist allerdings eine 
äusserst bequeme. Ich gestehe gern, dass sich mit ihr fast Alles in 
sehr plausibler Weise zurechtlegen lässt, und dass derartige Er- 
klärungen in hohem Maasse anziehend auf den Leser wirken. Aber 
das ist noch keine Wissenschaft. Denn zuerst sollten die inneren 
Widersprüche des Systems aufgeklärt werden, und wenn man dieses 
versucht, so gelangt man bald zu der Ueberzeugung, dass die Hypothese 
selbst sich mit den Erfahrungsthatsachen nicht im Einklang befindet. 

Die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Selectionslehre auf diesem 
Gebiete sind Jedem bekannt; sie reichen ohne Zweifel ausserordent- 
lich weit. Was dem gegenüber die Mutationslehre zu bieten vermag, 
weiss man noch nicht, weil ein Versuch in dieser Richtung noch 
nicht gemacht wurde. Aber alles scheint darauf hinzudeuten, dass 
diese die Anpassungen in ebenso vollständiger bezw. ebenso unvoll- 
ständiger Weise wird erklären können, als die herrschende Theorie. 
Nur wird sie wohl stets das Besondere haben, dass sie mehr geeignet 
ist, die hypothetischen Theile der Erörterungen an’s Licht zu bringen, 
als diese im Zusammenhang des ganzen Bildes in den Hintergrund 
zu drücken. 

Die Selectionslehre hat augenblicklich noch die zahlreichsten 
Anhänger. Aber unter den jüngeren Naturforschern giebt es, wie 
wir oben gesehen haben, eine Richtung, welche den stossweisen 
Aenderungen eine grössere Bedeutung zuschreibt. Die fluctuirende 
Variabilität stellt für sie nur ein einfaches Hin- und Herschwanken 
um eine bestimmte Gleichgewichtslage dar, während die Bildung 
neuer Arten die Erreichung neuer Gleichgewichtslagen erfordert. 
Namentlich in Amerika hat diese Ansicht Eingang gefunden, wie es 
Cox! in seinem neuen Werke über die Evolution in ausführlicher 
Weise schildert. 


ı H.W.Coxnn, The Method of evolution. New-York 1900. p. 132. 


666 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


Unter den zahlreichen hervorragenden Schriften, welche der 
Warrack'schen Richtung angehören, nenne ich hier, ausser dem be- 
kannten Werke dieses Verfassers: „Natural selection and tropi- 
cal Nature“ (1895), nur die kritische Zusammenstellung Prarr’s.! 
Obgleich PrarE sich am Schlusse seiner klaren und eingehenden 
Kritik aller einschlägigen Fragen für die Selectionslehre ausspricht, 
so macht mir doch sein Werk, unter allen von mir benutzten Schriften, 
den Eindruck höchster Objektivität, und ich bin überzeugt, dass die 
Kluft zwischen seiner Ansicht und der hier vertretenen sich ganz gut 
wird überbrücken lassen. Indem ich also meine Leser für eingehendere 
Betrachtungen auf diese Schrift verweise, werde ich mich hier auf 
einige wenige Punkte beschränken, welche mit dem oben bereits an- 
geführten im allerengsten Zusammenhang stehen. 

I. Die fluctuirende Variabilität ist in ihrer Leistungs- 
fähigkeit streng begrenzt, während die Erklärung der Anpassungen 
eine unbegrenzte Veränderlichkeit erfordert. Früher, als das Gesetz 
von QUETELET nur auf anthropologischem Gebiete bekannt war, schrieb 
man der Veränderlichkeit der Pflanzen und der Thiere fast alles zu. 
Jetzt ist sie an Bande gelegt, und zwar an solche‘, welche ihre Be- 
deutung ausserordentlich einschränken. Im ersten Abschnitt des ersten 
Bandes habe ich dieses Thema ausführlich besprochen, und glaube 
ich hier nicht wieder darauf zurück zu kommen zu brauchen. 

Ein wichtiges Argument wurde von Rosa und CaArTTanEo auf- 
gestellt.” Das Aussterben grösserer Gruppen von Arten beweist nach 
ihren Ausführungen, dass die diesen innewohnende Variabilität ohn- 
mächtig war, sie den abändernden Lebensbedingungen anzupassen. 
Und daraus geht hervor, dass die gewöhnliche, nie fehlende Varia- 
bilität solches zu leisten nicht vermag; es bedarf dazu offenbar eines 
anderen Processes. 

II. Die fluetuirende Variabilität ist linear, sie oscillirt 
nur nach mehr oder weniger, während die Theorie eine allseitige Ver- 
änderlichkeit erfordert.” Auch über diesen Punkt habe ich mich im 
ersten Bande (S. 83) bereits ausgesprochen. Er bildet nach meiner 
Meinung einen der schwersten Einwürfe gegen die herrschende Meinung. 
Und gleichfalls zeigt es sich hier am klarsten, wie weit die An- 


ı L. Pıate, Ueber Bedeutung und Tragweite des Darwın’schen Selections- 
prineipes. Leipzig 1900. Hier auch auf S. 145—153 ein sehr vollständiges 
Literaturverzeichniss. 

® Vergl. weiter unten in $ 12. 

® Gustav Worrr, Der gegenwärtige Stand des Darwinismus. 1896. 


Die Erklärung der Anpassungen. 667 


hänger Darwın’s von den Ansichten des grossen Meisters abgewichen 
sind. Für Darwın war es eine Hauptsache, dass der Kampf um’s 
Dasein, dieser seitdem so vielfach missverstandene Wettkampf, aus 
einer planlosen Variabilität auszuwählen hätte. Die natür- 
liche Auslese ist ein Sieb, sie schafft nichts, wie es oft fälschlich 
dargestellt wird, sondern sichtet nur. Sie erhält nur, was die Varia- 
bilität ihr bietet. Wie das, was sie siebt, entsteht, sollte eigentlich 
ausserhalb der Selectionslehre liegen. Eine Frage ist es, wie der 
grosse Wettkampf siebt, eine andere, wie das Gesiebte vorher ent- 
standen war. In beiden Hinsichten ist auch jetzt noch die ursprüng- 
liche Ansicht Darwın’s die beste von allen, doch ist die Sachlage von 
späteren Schriftstellern vielfach getrübt worden. Das Sieb ist nicht 
so engmaschig, dass nur die allerbesten am Leben bleiben. Gerade 
im Gegentheil merzt die natürliche Auslese immer nur einen Theil 
der Individuen aus, und darunter die schlechtesten, d. h. die der 
augenblicklichen Lebenslage am wenigsten angepassten. Die Selection 
ist die Elimination der Minderwerthigen, während die Auswahl der 
vorzüglichsten Individuen Election ist, und zu einer Elite führt, wie 
bei der Zuchtwahl der Rüben und des Getreides (Bd. I, S. 72—82), 
oder wie ein hervorragender Kritiker, A. KuyPper, sagt: „Selection 
zielt auf die Erhaltung der Arten, Election ist die Auswahl von Per- 
sonen“.! Die Lehre von der directen Bewirkung der Organismen 
durch ihre Umgebung, wie sie von LAMARcK aufgestellt wurde, ist es 
ja, gegen welche Darwın seine Hypothese der planlosen Variabilität 
aufstellte, als den Anforderungen der reinen Naturwissenschaft besser 
entsprechend. Diese alte Lehre taucht in neuester Zeit wiederum 
vielfach auf,? und das beweist nach meiner Meinung hauptsächlich, 
dass die herrschende Vorstellung der Selectionstheorie auch in jenen 
Kreisen nicht befriedigen kann. ? 

Das Sieb der Auslese schaltet also fortwährend viele Minder- 
werthige aus, wie aber die Unterschiede entstehen, ist eine andere Frage. 
Die lineare Variabilität liefert diese Unterschiede nur nach zwei Rich- 
tungen, mittelst deren die Auslese die einzelnen Merkmale vergrössern 
und verkleinern, verstärken oder abschwächen kann. Weiteres kann sie 


! A Kuyper, Evolutie. Amsterdam 1899. 8. 11. 

?2 G. Hensıow, Does Natural selection play any part in the Origin of Species. 
Nat. Sc. XI. 1897. p. 166. Warnuıne, Lehrbuch d. Oekologie. 8. 382. WeETT- 
stein, Ber. d. d. bot. Ges. 1900. Bd. 18. Generalversammlungsber., S. 184. 
STRASBURGER, Ceratophyllum submersum. Jahrb. f. wiss. Bot. Bd. 37. 8. 518, 
wo sich auch die Literatur über die direete Bewirkung zusammengestellt findet. 

3 R. v. Wertstein, Handbuch der systematischen Botanik. 1901. 8. 32. 


668 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


aber nur dann leisten, wenn ihr von der Variabilität anderes Material 
geboten wird. Und dieser Anforderung genügt die Mutationshypothese; 
denn sie nimmt, wie ich im ersten Abschnitt des ersten Bandes 
(S. 139) gezeigt habe, nothwendiger Weise eine allseitige Veränderlich- 
keit an, und die Betrachtung der formenreichen Arten, sowie die Er- 
fahrungen mit Oenothera Lamarckiana haben uns von der Berechtigung 
dieser Annahme überzeust. Auf die Erklärung der von der 
Theorie geforderten allseitigen Variabilität muss die herr- 
schende Ansicht verzichten, während die Mutationslehre 
diese einfach als Beobachtungsthatsache verwenden kann. 

III. Die ersten ganz kleinen Anfänge neuer Merkmale 
bieten der natürlichen Auslese kein Zuchtmaterial, sie sind 
im Kampf um’s Dasein ohne Bedeutung. Dieser Vorwurf gegen die 
herrschende Selectionslehre ist wohl der bekannteste. Von manchen 
Schriftstellern ausgearbeitet, von Coxx in seinem oben citirten Werke 
klar auseinandergesetzt, bedarf er hier keiner eingehenden Erläuterung. 
Er führt die denkenden Forscher immer mehr zu der Ansicht, dass 
nur stossweise Variation den ersten Anfang der Organe erklären 
kann.! Nur die Mutationslehre überwindet schliesslich diese so 
vielfach gefühlten Schwierigkeiten, obgleich man nicht verkennen 
sollte, dass der Einwurf nur gegen die jetzige Form der Selections- 
theorie und nicht gegen Darwın’s Meinung gerichtet ist. Denn wenn 
das Sieb der Auslese immer nur die Minderwerthigen auszuscheiden 
hat, und es sich nur darum handelt, das Mittel der Uebrigbleibenden 
zu erhöhen, so giebt, wie Darwın so oft betont hat, am Ende auch 
der allergeringste Vorzug den Durchschlag. 

Aber für die Mutationslehre bestehen jene ganz lang- 
samen Uebergänge, jene äusserst kleinen Vorzüge einfach 
nicht. Die artenbildende Variabilität überspringt diese im Experiment 
und in den Erfahrungen des Gartenbaues, die Theorie kann also einst- 
weilen auf sie verzichten. ? 

IV. Die Selectionslehre erklärt zwar die nützlichen, 
nicht aber die unnützen oder gar schädlichen Eigenschaften.? 


! Conn 2.2.0. S. 134. 

? Namentlich bei der Erklärung der Instinkte versagt die übliche Seleetions- 
lehre. Vergl. Wasmann, Biol. Centralblatt. Bd. XXI, Nr. 22/23 und namentlich 
Euerv, Gedanken zur Descendenz- und Vererbungstheorie. Biolog. Centralblatt. 
1893. Bd. XIIT, Nr. 13 und 14. $. 397, ferner W. WAsneEr, L’industrie des 
Araneina. Me&m. Acad. Imp. St. Petersbourg. VII. Ser. T. XLII. No, 11. 1894 
und N. Cnoropkovsky, Die Coniferenläuse. Hor. Soc. Ent. Ross. XXXI. 8. 43. 

® Für Zusammenstellungen solcher verweise ich auf Drmoor, MaAssAarT et 
VANDERVELDE, L’evolution regressive. Paris 1897, namentlich 8. 286—289. 


Aue 


nr 


Die Erklärung der Anpassungen. 669 


Die Mutationslehre geht aber gerade davon aus, dass die Artbildung 
eine richtungslose sei, dass die Mutationen unabhängig von der Frage 
nach Nutzen oder Anpassung ent- 
stehen, und dass sie am Leben 
bleiben können, wenn sie nur nicht 
geradezu das Dasein der Indivi- 
duen unmöglich machen oder die 
Fruchtbarkeit vernichten. Wie 
sterile Formen entstehen können, 
erklärt uns die Selectionslehre 
nicht, dennoch giebt es deren zahl- 
reiche. Neben den bereits im 
ersten Bande angeführten Bei- 
spielen hebe ich hier die jüngst 
von Nortu beschriebene und ab- 
gebildete, höchst merkwürdige 
sterile Form des Hafers hervor,! 
ferner die Datteln ohne Kerne,? 
die Trauben ohne Kerne? und das 
Muscari comosum plumosum unserer 
Gärten, eine stark verzweigte, völlig 
sterile Varietät der durch einen 
Busch steriler Blüthen am Gipfel 
der normalen Traube ausgezeich- 
neten Art M. comosum (Fig. 146). 

Statt einer weiteren Discussion 
führe ich nur den äusserst merk- 
würdigen Fall von Mimulus und 
Torenia an, den Burck beschreibt 
und der, wie dieser Forscher be- 
tont, an sich genügen würde, die Unhaltbarkeit der Selectionslehre 
darzuthun.* Diese Pflanzen enthalten in jeder Blüthe vier Staub- 
fäden, zwei grössere normale und zwei kleinere anormale. Diese 


ni g 


& 
Lt 
Er 
SS 
so 


at 
re/ 


Fig. 146. Muscari comosum plumosum. 


! F. Norz, Sttzungsber. d. Niederrhein. Ges. f. Naturk. Bonn 1901, 4. März. 
? On. Rıvıöez, Societe nat. d’acclimatation. Paris. La Nature. 1901. Nr. 1477. 
p- 247. Der betreffende Baum wächst bei Hamma in Algerien. 
® H. Mörter-Tuurcau giebt im Experiment Station Record, XI, p. 16, 1902 
eine ausführliche Uebersicht der völlig oder theilweise sterilen Sorten von Trauben. 
* W. Burex, Kon. Akad. v. Wet. Amsterdam. 1901. Album d. Natuur. 
1902. Vergl. auch die älteren Schriften dieses Verfassers über Thatsachen, welche 
die Seleetionslehre nicht erklären kann. 


670 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


letzteren enthalten völlig fertilen Blüthenstaub, öffnen sich aber 
nie. Der Pollen ist also durchaus nutzlos, obgleich er, künstlich auf 
die Narben gebracht, zu ganz vorzüglicher Samenbildung führen kann. 
Offenbar kann dieser Zustand weder durch allmähliche Umbildung. 
noch auch unter dem Einflusse der gewöhnlichen Selection des Nütz- 
lichen entstanden sein. 

Alle die hervorgehobenen Schwierigkeiten der herr- 
schenden Ansicht werden von selbst hinfällig, wenn man 
an die Stelle der fluctuirenden Variabilität die Mutabilität 
als Quelle der Artbildung annimmt. Und mit dieser werden sich 
schliesslich die Anpassungen wohl in ebenso befriedigender Weise 
erklären lassen wie mit jener. 


$ 8. Vegetative Mutationen. 


Ehe es möglich sein wird, experimentell zu untersuchen, wie die 
Mutationen zu Stande kommen, scheint es wünschenswerth, zu wissen, 
wann sie stattfinden. Die herrschende Meinung bringt sie wohl immer 
in Verbindung mit der Befruchtung. GALLEsIo hat diese Ansicht am 
Anfang des vorigen Jahrhunderts zuerst klar ausgesprochen, und 
sie gegenüber dem bei den Züchtern geläufigen Glauben an dem 
directen Einfluss der Lebenslage zu vertheidigen gesucht.! Dass die 
artbildende Variabilität nahe mit der Befruchtung zusammenhänge, 
ist sowohl im Thierreich wie im Pflanzenreich, namentlich für ein- 
jährige und sonstige sich vorwiegend durch Samen vermehrende 
Pflanzen stets als völlig klar betrachtet worden. 

Daneben stehen aber die Knospenvariationen oder die vegetativen 
Mutationen, wie sie zweckmässiger zu nennen sind. Sie waren den 
älteren Forschern wohl bekannt, hauptsächlich hat aber Darwın ihre 
Bedeutung durch eine ausführliche und übersichtliche Zusammen- 
stellung der einschlägigen Thatsachen hervorgehoben. Ihm haben 
sich die meisten späteren Schriftsteller angeschlossen. DELAGE be- 
kämpft die Ansicht, dass die Befruchtung die einzige Ursache der 
Mutabilität sein sollte, theils auf Grund der Knospenvariationen, theils 
aber auch, weil es bei der Befruchtungsvariabilität nichts wirklich 
Neues gebe, sondern höchstens nur eine neue Verbindung der erb- 
lichen Eigenschaften.” Savastano führt zahlreiche Gründe, nament- 


!G Garresıo, Traite du Citrus; Teoria della riproduzione vegetabile. Pisa, 
1816. pE CAnpoLıe, Physiologie vegetale. II. p. 720. 
® J. Derase, L’heredite. 1895. p. 283. 


Vegetative Mutationen. 671 


lich den holzigen Gewächsen entnommen, für die Auffassung an, dass 
die Varietäten gewöhnlich aus Samen, und seltener aus Knospen ent- 
stehen.! BaıteyY legt wiederum auf die Knospenvariationen ein 
grösseres Gewicht; die Sexualität ist nach ihm keineswegs eine Be- 
dingung der Variabilität, zahlreiche neue Varietäten sind im Gegen- 
theil auf vegetativem Wege entstanden, wie mehrere Sorten von Ana- 
nas, Bananen, Erdbeeren, Aepfeln, Trauerweiden u. s. w.? 

Am weitesten geht in dieser Richtung wohl Kassowirtz, wenn er 
sagt:? „Auch wenn es niemals eine geschlechtliche Fortpflanzung ge- 
geben hätte, wäre unsere Erde von den verschiedensten, in ihren 
Eigenschaften und Funktionen weit von einander abweichenden Wesen 
bevölkert, und es besteht keinerlei Grund für die Annahme, dass die 
Abstände zwischen den extremsten Formen ohne dieselbe geringer 
ausgefallen wären, als sie es thatsächlich sind.“ 

Aus dieser allzu kurzen historischen Uebersicht geht so viel 
hervor, dass die Bedeutung der vegetativen Mutationen immer mehr 
in den Vordergrund tritt, während der Zusammenhang der arten- 
bildenden Variabilität mit der Befruchtung immer mehr als ungenügend 
bewiesen und von untergeordneter Bedeutung erscheint. 

Bevor wir zu einer Betrachtung der Thatsachen schreiten, wollen 
wir zunächst die Frage selbst einer kritischen Erörterung unterziehen. 
Wir fragen also, in welchen Zeitpunkten des Lebens einer Pflanze 
die Bedingungen für das Eintreten von Mutationen verschieden sind. 
Das Leben der Pflanze zerfällt in die vegetative und in die sexuelle 
Periode, und es giebt also vier Möglichkeiten, welche zu berücksichtigen 
sind. Erstens diese beiden Perioden selbst, dann aber die beiden 
Uebergänge von der einen in die andere: die Entstehung der Sexual- 
zellen (der Zeitpunkt der sogenannten numerischen Reduction der 
Chromosomen des Kernes) und die Befruchtung, welche letztere Ja 
den Anfang des vegetativen Lebens bildet. Handelt es sich nur um 
Wahrscheinlichkeiten, so sind offenbar die Vorgänge bei der Ent- 
stehung der Sexualzellen von viel complicirterer Natur als die Be- 
fruchtung, und werden andererseits die Sexualzellen wohl allgemein 
als empfindlicher betrachtet als die vegetativen Organe. Man würde 
aus diesen Gründen geneigt sein, den Moment des Mutirens jedenfalls 
nicht in den Augenblick der Befruchtung, sondern in einen früheren 
Zeitpunkt zu verlegen. Wie viel früher, wäre dann eine weitere Frage. 


I L. Savastano, La Varieta in arboricultura. Annali d. R. Scuola Sup. 
d’Agricoltura in Portiei. 1899. I, 2. p. 63 und sonst. 

® L.H. Baıry, The plant individual in the light of evolution. Seience 1897. 

3 Max Kassowırz, Allgemeine Biologie II. 1899. S. 247. 


672 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


Die im $ 10 des zweiten Abschnittes (S. 172) mitgetheilten theo- 
retischen Betrachtungen Mexper's haben gelehrt, dass bei seinen 
Bastarden die Spaltungen bei der Vorbereitung der Ei- und Pollen- 
zellen stattfinden, und bei der Bildung dieser Elemente bereits ab- 
gelaufen sind. Denn die Eizellen und Pollenkörner der Monohybriden 
sind selbst nicht mehr hybrider Natur, sondern gehören rein dem 
einen oder dem anderen der beiden elterlichen Typen an. Aehnlich 
muss es sich beim Mutiren verhalten; wann dieses stattfindet, ist die 
Frage, aber alles spricht dafür, dass die Ei- und Pollenzellen bereits 
mutirt sind, bevor sie sich bei der Befruchtung verbinden. Diese 
Ansicht hat uns oben (Abschnitt V, $ 7, S. 503) zu dem Satze geführt, 
dass neue Arten, wenigstens in den von mir als normal betrachteten 
Fällen, als Bastarde entstehen. 

Allerdings äussert sich die Mutation ganz gewöhnlich erst bei 
der Entwickelung des Keimes. Die Aeusserung hängt in solchen 
Fällen unbedingt von der Befruchtung ab. Daraus folgt aber keines- 
wegs, dass der Vorgang selbst mit dieser zusammenfalle. Sogar lehrt 
dieses Auftreten uns eigentlich gar nichts über die ihm vorangegangenen 
Vorbereitungen; diese können in das sexuelle Leben fallen, oder auch 
über dieses hinaus in das vegetative zurückgreifen. 

Für die letztere Auffassung sprechen die Thatsachen der secto- 
rialen Variation, welche bei gestreiften Blumen (Bd. I, S. 490) und 
bunten Blättern (Bd. I, S. 606) wohl am besten bekannt sind, aber 
auch sonst, und namentlich bei der sectorialen Spaltung der Bastarde, 
gelegentlich beobachtet werden. Ich erinnere an das oben (Bd. I, 
S. 606) beschriebene Beispiel einer bunten Knospenvariation einer 
Eiche. Ein bunter Zweig fand sich an einem sonst grün beblätterten 
Strauche, aber die Einpflanzungsstelle des Zweiges lag auf einem 
bunten Längsstreifen des Tragastes. Die Umprägung hatte also nicht 
bei der Entstehung der Knospe, sondern lange vorher stattgefunden. 
Der Name Knospenvariation giebt in solchen Fällen das richtige Ver- 
hältniss nicht an. 

Man kann nun dieses Beispiel überall auf das Auftreten von 
Mutationen anwenden und behaupten, dass dem Moment des Sichtbar- 
werdens eine kürzere oder längere Periode vorangegangen ist, in der 
die Umprägung im latenten Zustande bereits vollzogen war. Handelt 
es sich z. B. um eine Umbildung oder Neubildung in den Blüthen, 
so könnte eine sectoriale und eine Knospenmutation vorhergehen, 
ohne dass solches äusserlich sichtbar wäre. Im ersten Bande S. 496 
habe ich auf die roth gestreiften Staubfäden in gestreiften Blumen 
aufmerksam gemacht und die Frage erörtert, ob auch die Staubkörner 


Vegetative Mutationen. 673 


gruppenweise verschieden sein könnten. Diese Frage gilt selbst- 
verständlich ebenso gut für Eigenschaften, welche in den Staubfäden 
nicht sichtbar werden können. 

Es würde mich zu weit führen, diesen Gedankengang hier noch 
mehr auszumalen. So viel dürfte klar sein, dass Keimvariationen 


Fig. 147. Grüne Georgine. Ein Ast, dessen gipfelständige Inflorescenz 5 sowie der 

Seitenzweig 5’ vergrünt sind wie die übrigen Theile der Pflanze, während bei «a 

aus einer Achselknospe ein Zweig entstanden ist, welcher rothe gefüllte Köpfchen 

von normalem Bau und ohne jegliche Vergrünung trägt. «’ blühend, «’ als Knospe. 
Vergl. Bd. I, 8. 474, Fig. 133. (1902). Vergl. S. 681. 


die Folgen von bereits in den Pollen- und Eizellen vor- 
handenen Umprägungen sein können, und dass diese selbst 
wieder bereits vor der Ausbildung der Sexualzellen, viel- 
leicht sogar vor der Entstehung der Blüthe, ihren Ur- 
sprung genommen haben können. Oder mit anderen Worten: 

Die Keimvariationen können als ein spezieller Fall 


DE VRIES, Mutation. II. 43 


674 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


von vegetativen Mutationen betrachtet werden. Und diese 
Möglichkeit bleibt immer offen, wo das Gegenteil nicht unmittelbar 
bewiesen werden kann. 

Nach diesen Erörterungen wollen wir jetzt eine Reihe von That- 
sachen anführen, in denen die Mutationen auf vegetatirem Wege 
entstanden sind, also die bis jetzt als Knospenvariation behandelten 
Beispiele. Es wird dabei erforderlich sein, drei Gruppen von Er- 
scheinungen getrennt zu behandeln. Erstens die vegetativen Spaltungen 
der Bastarde, zweitens den vegetativen Atavismus der Mittelrassen, 
wie er sich namentlich bei den gestreiften Blumen zeigt (Bd. I, 
Tafel VII), drittens die eigentlichen vegetativen Mutationen, welche 


Fig. 148. Cryptomeria japonica spiraliter falcata, mit einem atavistischen Zweige. 
Vergl. S. 681. 


meist atavistischer Natur sind (Fig. 147 u. 148), bisweilen aber auch 
im Sinne des Fortschrittes stattfinden. 

Vegetative Bastardspaltungen sind seltene Erscheinungen, 
aber vielleicht theilweise deshalb, weil man in einer ganzen Reihe 
von Knospenvariationen die Möglichkeit der Bastardnatur der be- 
treffenden Pflanze nicht berücksichtigt hat.! Aus meiner eigenen Er- 
fahrung kenne ich nur einen einzigen Fall. Es ist dieses der oben 
S. 155 erwähnte Bastard von Veronica longifolia mit der Varietät V. 
l. alba. Dieser Bastard blüht blau, und lässt sich leicht durch Thei- 
lung vermehren und während vieler Jahre cultiviren. Seitdem ich 1889 


! Vergl. hierüber das oben bei der Kritik des Gartenbau-Atavismus Gesagte 
(s. oben, Abschn. II, $ 38, S. 388). 


Vegetative Mutationen. 675 


das erste Exemplar erhielt, habe ich ihn oft in sehr ausgedehnten 
Culturen mit mehreren Tausend Trauben in Blüthe gehabt, und dabei 
mehrfach Fälle von sectorialer und von Knospenvariation beobachtet; 
das letzte Mal noch in diesem Sommer (1902). Die Knospenvariation 
trat bisweilen am Rhizom auf (1902); der ganze aus der Erde her- 
vorwachsende Spross entbehrte in seiner Rinde und seinen Blättern 
des rothen Farbstoffes, und war somit schon vor der Blüthe leicht 
kenntlich. Die Blüthen waren sämmtlich weiss, während die übrigen 
Sprosse desselben Rhizomes blau blühten. Bisweilen fand ich auch 
eine weiss blühende Traube als Seitenzweig an einem sonst blau 
blühenden Stengel (1894). Die sectoriale Spaltung äussert sich in 
diesem Bastarde so, dass eine Traube einerseits blau, andererseits 
weiss blüht.! Die Breite des weiss blühenden Längsstreifens kann 
dabei wechseln, die Hälfte (1891), oder ein Viertel (1898) oder weniger 
der ganzen Traube, oder auch nur einen ganz schmalen Streifen um- 
fassend (1894, 1895). Die Samen solcher vegetativ weiss gewordenen 
Blüthen geben, so weit ich nach einigen Vorversuchen urtheilen kann, 
weiss blühende Nachkommen. 

Sehr bekannt ist das Beispiel Naupın’s, welcher aus der Kreuzung 
von Datura Stramonium mit D. laevis, unter vielen Bastarden mit aus- 
schliesslich dornigen Früchten, drei Individuen erhielt, welche sich 
vegetativ spalteten. Diese Bastarde erster Generation trugen zahl- 
reiche Früchte, auf denen die Oberfläche theilweise gedornt, theilweise 
glatt war, wie bei D. laevis. Bisweilen war die eine Hälfte glatt, 
meist aber nur ein Viertel oder ein kleinerer Theil. Die unbedornten 
Klappen waren auch in der Hinsicht zu der D. laevis zurückgekehrt, 
dass sie kürzer waren als die gedornten, und also an diese nicht 
genau anschlossen. Ueber die Samen dieser Kapseln liess sich 
wegen der gemischten Bestäubung nichts aussagen. Solche vegetativen 
Spaltungen scheinen bei Datura jedoch sehr selten zu sein; andere 
Forscher scheinen sie nicht erhalten zu haben und auch ich habe 
mehrfach vergeblich ausgedehnte Culturen dieses Bastardes gemacht, 
in der Hoffnung, einige zu bekommen. 

Von den in der Literatur zerstreuten Beispielen vegetativer 
Bastardspaltungen seien hier ferner nur die folgenden angeführt. 
SAGERET erhielt einen Bastard von Brassica und Raphanus mit zweierlei 
Formen von Schoten;* Douner-Anpanson beobachtete an einem inter- 


U Ber.:d.:d. bot. Ges. 1900. XVII. S8. 86: 
?2 SAGERET, Ann. Sc. Nat. 1826. 
43* 


676 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


mediären Bastard von Abies Pinsapo X pectinata einen Ast mit den Merk- 
malen von A. Pinsapo. 

FockE erwähnt eine Anagallis phoenicea X coerulea, welche roth 
blühte, aber ein halbes Blumenblatt mit der blauen Farbe der letzteren 
Art hatte.” Vegetative Spaltungen in den Früchten von Citrus- 
Bastarden sind vielfach beschrieben worden.” Bei Helianthemum- 
Bastarden hat man mitunter gleichzeitig verschiedenfarbige Blüthen 
am nämlichen Stock vorgefunden.* Bastarderbsen können theils grün, 
theils gelb sein,’ und ähnliche Spaltungen fanden CoRRENS und 
WEBBER an hybriden Maiskörnern. 

Das bekannteste Beispiel vegetativer Spaltungen eines Bastards 
liefert aber Oytisus Adami (©. Laburnum + purpureus), das jeder in 
seinem Garten oder in Anlagen beobachten kann. Der Bastard ist 
völlig steril, alle Exemplare bilden zusammen nur ein Individuum; 
ob die auffallende Neigung zu Spaltungen dem Bastard als solchem 
oder speciell nur diesem Individuum eigen ist, weiss man nicht. 
Thatsache ist, dass der Bastard zwischen seinen beiden Eltern inter- 
mediär ist und von Zeit zu Zeit Knospen hervorbringt, von denen 
einige zu den kräftigeren grossblätterigen und langtraubigen Zweigen 
des ©. Laburnum werden (Fig. 149), während aus anderen die busch- 
artig verzweigten feinen und schwachen Aeste des C. purpureus mit 
den einzelnen oder in kleinen Gruppen stehenden Blüthen und Früchten 
entstehen. (Fig. 150.) 

Eine geläufige Ansicht ist die Hypothese, dass der C. Adami 
ein Pfropfhybride sei.” Gründe für diese Meinung giebt es nicht, 
weder historische noch auch physiologische.® Allerdings scheint der 
Urheber, der Pariser Gärtner Anpam, selbst geglaubt zu haben, dass 
die Form, welche er als Varietät von C. purpureus in den Handel 


! Bull. Soc. bot. Fr. 1899. AsBano, L’ibridismo a. a. O. p- 26. 

® W. O. FockeE, Nat. Ver. Bremen. 1887. 8. 422. Vergl. auch GÄRTNER, 
Die Bastarderzeugung, S. 309 und Focke, Pflanzenmischlinge, S. 450. 

° VertoT, La Variabilite. p. 14. Kerner, Pflanzenleben Il. S. 559—560 u.s. w. 

* Fock£e, Die Pflanzenmischlinge. S. 473. Hier auch weitere Beispiele. 
Ferner bei Braun, Verjüngung. 8.336; bei Darwıy in Animals and plants under 
domestication u. s. w. Für Hieracium, Oxalis, Chamaedorea u. s. w. vergl. den 
ersten Abschnitt dieses Bandes. 

° F. Weıvon, Biometrika I, 2. 1902. ° Vergl. auf d. vorig. Seite Datura. 

” Intracellulare Pangenesis. S. 206. 

° Die Geschichte des C'ytisus Adami habe ich in holländischer Sprache aus- 
führlich erörtert in Adam’s Gouden Regen, Album der Natuur. 1894. Lief. 7. 
Die ursprüngliche Quelle ist in den Annales de la Societe horticole de Paris, 
T. VII, 1830 zu finden. 


Vegetative Mutationen. 677 


brachte, durch das Pfropfen von ©. purpureus auf ©. Laburnum ent- 
standen sei. Seine Zeitgenossen glaubten ihm dieses aber nicht, und 
CAmuzEr behauptet, den Baum gesehen zu haben, von welchem Anam 
seine Knospen zur Oculirung genommen habe, und dass dieser Baum 


Fig. 149 Cytisus Adami A, A’, 4”, bei B einen Zweig von (©. Laburnum, L, L, 
L’, mit zahlreichen Trauben mit reifen Hülsen tragend. 


bereits alle Eigenschaften des C©. Adami besässe. Erst durch CAspary 
(1865) hat die Hypothese eines Pfropfhybriden Eingang gefunden. Da 
man aber keinen experimentellen Fall eines solchen Hybriden kennt, 
und also nicht weiss, welche Eigenschaften solche Organismen wohl 
haben würden, falls sie existirten, lässt sich aus den Eigenschaften 
des ©. Adami der betreffende Schluss selbstverständlich nicht ableiten. 


678 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


Viel natürlicher ist die Meinung, dass es sich um einen gewöhnlichen, 
erst nachher auf €. Laburnum gepfropften Bastard handle. ! 


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Fig. 150. Cytisus Adami A, A’, bei / einen Busch von Zweigen von C. purpureus 
P, P', P’ mit vereinzelten Hülsen % tragend. 


Auch in den sonstigen Angaben über Pfropfhybriden hat sich 
diese Auffassung theilweise längst als irrig erwiesen, wie bei den 
Kartoffeln durch Lipemvrn’s Versuche, theilweise wird es wohl 


! Ebenso E. Laurent, De l’ Experimentation en horticulture. Bruxelles 1902. 
p. 16. Die Literatur über C. Adami ist so zahllose Male zusammengestellt 
worden, dass ich hier auf nähere Angaben verzichten kann. 


Vegetative Mutationen. 679 


sich um ein Pfropfen auf einem Bastardwildstamm handeln, wie 
Laurent für den Neflier de Bronvaux vermuthet,! oder um ein Pfropfen 
eines Bastardes auf eine normale Unterlage, wie WırrEe nach münd- 
licher Mittheilung für den von ihm beschriebenen angeblichen Pfropf- 
hybriden von einer auf Weissdorn veredelten Birne anzunehmen 
geneigt ist.? 

Im Uebrigen muss ich mich darauf beschränken, für die Frage 
nach dem gegenseitigen 
Einflusse des Wildstam- 
mes und des Pfropfreises 
auf die sehr ausführlichen 
neueren Studien von L. DA- 
NIEL zu verweisen. ® 

Sehr wichtig sind in 
Bezug auf vegetative Bas- 
tardspaltungen die Unter- 
suchungen von BEYERINCK 
über die Folgen des Be- 
schneidens bei (ytisus 
Adami. Dieser Forscher 
fand, dass Knospen, welche 
für gewöhnlich ruhen, aber 
durch das Abschneiden der 
übrigen Aeste zum Aus- 
treiben gebracht werden, 


in sehr erheblicher An- =. 

Fig. 151. Ulmus campestris variegata mit Atavismus 
zahl zu C. Laburnum und durch Knospenvariation. Ein Zweig mit grösseren 
C. purpureus werden, und grünen Blättern ist bei « entstanden. 


dass man es somit in 
seiner Gewalt hat, die Anzahl dieser Spaltungen fast willkürlich zu 
vergrössern. Ueber 100 Fälle wurden an einigen wenigen Bäumchen 


ı Vergl. die Literatur über diesen angeblichen Bastard von Mespilus und 
Crataegus in Le Jardin und Journ. Roy. Hort. Soc. 1900. Vol. 24. p. 237. 
Ferner Lavrest a.a. O0. 8.16. Vergl. auch die Uebersicht über Pfropfhybriden 
bei Fruwırrn, Züchtung landwirthschaftlicher Kulturpflanzen. S. 72 ff. 

® N. Wırıe, Mittheilungen d. biolog. Gesellsch. in Christiania. Biol. Central- 
blatt. 1896. Bd. XVI, Nr. 3. 8.126. Vielleicht handelt es sich hier um Pyrus 
auricularis (P. communis x Sorbus Aria) oder einen verwandten Bastard. Vergl. 
Dirrer, Handbuch der Laubholzkunde III. S. 359. 

3 Lucıen Dante, La variation dans la greffe et l’heredite des characteres 
acequis. Ann. Se. nat. Bot. 1899. VIII. Serie. T. VIII. S. 1—226 und Tafel I-X 
und die späteren Veröffentlichungen desselben Autors. 


680 Der Geltungsbereich der Mutationslehre. 


erhalten. Auch sectoriale Spaltungen von Knospen und Zweigen 
kamen vor, bisweilen die eine Längshälfte eines Sprosses zu C. La- 
burnum umgestaltend, während die andere C©. Adami blieb. Es ist 
zu erwarten, dass die Anwendung dieses Prinzipes in vielen anderen 
Fällen zur Entdeckung wichtiger Thatsachen führen wird. 
Zahlreiche in der Literatur beschriebene Beispiele von Knospen- 
variationen stellen ohne Zweifel solche vegetative Bastardspaltungen 
dar und haben somit für die 
Lehre von den vegetativen 
Mutationen keine unmittelbare 
Bedeutung. Ebenso verhält es 
sich mitden Knospenvariationen 
der Mittelrassen (vergl. Bd. I, 
Tafel VII, Antirrhinum), welche 
bereits oben ausreichend be- 
sprochen wurden. Auch die 
graduellen Unterschiede 
zwischen den verschiedenen 
Zweigen einer zu einer Mittel- 
rasse gehörigen Pflanze stellen 
keine Mutationen dar, und 
haben für die erblichen Eigen- 
schaften der von ihnen ge- 
tragenen Samen oft keine Be- 
deutung (z. B. Chelidonium majus 
flore pleno, Bd. I, S. 647). 
In den meisten Fällen 
scheint eine eingehendere Un- 
an W VEEIEERRE tersuchung dringend erforder- 
Narr em lich, um die wahre Natur auch 
Fig. 152. Rhus typhina. Ein Blatt eines sonst sehr ‚gewöhnlicher Knospen- 
grünen Strauches, welches von a bis 5 fast variationen an’s Licht zu 
gelb war. Blättchen ganz oder bei @ über die bringen. So namentlich bei den 
eineLängshälfte viel kleinergewachsen. Doorn, = : ce = 
1886. Gesammelt von Frau Prof. A. Wzper, Puntblätterigen Gewächsen, bei 
denen Jeder wenigstens an 
Sträuchern und Bäumen die Erscheinung kennt, wo aber die Mannig- 
faltigkeit des Vorganges bis jetzt noch nicht erschöpfend studirt worden 
ist. Einerseits giebt es hier Beispiele von Knospen-Atavismus, indem 
ganze Zweige einer buntblätterigen Varietät in ihrer Farbe und allen 


! M. W. Beyerinck, Kon. Akad. v. Wetensch. Amsterdam, Nov. 1900. 


Vegetative Mutationen. 681 


ihren secundären Merkmalen zum normalen Typus der Art zurück- 
kehren (Fig. 151).! Andererseits werden oft halbe Blätter grün, oder 
entstehen auf grünen Individuen sehr seltene Zweige mit meist schwach, 
bisweilen aber sehr schön bunten Blättern (Fig. 152 u. 153). Letzteres 
zeigt ein grosser Baum von Morus nigra fast alljährlich in unserem 
Garten. 

Erst wenn man alle diese und ähnliche Fälle ausgeschlossen 
hat, wird man die Knospenvariationen als wirkliche vegetative Muta- 
tionen betrachten dürfen. Und auch dann sollte man eigentlich den 
Beweis fordern, dass die ab- 
weichenden Zweige, bei Selbst- 
befruchtung ihrer Blüthen, aus 
ihren Samen ihren Typus rein 
wiederholen würden. Dem ist 
leider in sehr vielen Fällen nicht 
zu genügen, weil die betreffenden 
Knospenvariationen oft keine 
Samen tragen, auch wenn sie 
alljährlich vorkommen, wie bei 
Cephalotaxus  peduneulata fasti- 
giata (Bd. I, S. 486, Fig. 135) 
und bei zahlreichen anderen 
Coniferen, deren Knospenvaria- 
tionen von BEISSNER erwähnt 
worden sind, z. B. Cryptomeria 
Japonica spiraliter falcata (Fig. 148, 
S. 674). Auch von der grünen 
Georgine (Fig. 147, S. 673) habe 
ich leider keineSamen bekommen Fig. 153. Carpinus Betulus. Bei a ein theil- 

Ri. Kate ZRR weise buntes Blatt an einem sonst grün be- 
können, weil sie zu spätim Jahre blätterten Baume. Hilversum, 1887. 
blühte. Diese Pflanze, welche 
ich auch im ersten Bande besprochen und abgebildet habe (S. 474), 
habe ich während einiger Jahre cultivirt und auf vegetativem Wege 
vermehrt, da sie völlig steril ist. Im Sommer 1902 hat sie aber 
auf einmal angefangen Knospenvariationen hervorzubringen, und zwar 
in grösserer Anzahl zerstreut auf den verschiedenen Hauptstämmen, 
und also anscheinend unabhängig von einander, aber unter denselben 
unbekannten äusseren Einflüssen. Die Köpfchen dieser atavistischen 
Zweige waren vom normalen Bau der gewöhnlichen Georginen, gefüllt 


! Vergl. Bd. I, S. 488 und S. 603—606. 


682 Die stofflichen Träaer der erblichen Eiaenschaften. 


und mit carminrothen Einzelblüthen, welche an ihrer Spitze einen 
weissen Flecken trugen. Offenbar wird man also annehmen, dass 
diese grüne Georgine ihrerseits aus der entsprechenden gefülltblüthigen 
rothen Varietät hervorgegangen ist. 

Ich verzichte auf die Anführung weiterer Beispiele. Die mit- 
getheilten beweisen, dass Varietätmerkmale auf vegetativem 
Wege verschwinden können, indem die ursprüngliche Eigenschaft 
der Art wieder activ wird. Zu einer solchen Mutation ist also weder 
die Bildung von Sexualzellen noch auch die Befruchtung erforderlich. 
Die Möglichkeit, dass Samenvariationen schliesslich auf Knospen- 
variationen zurückzuführen sein werden, ist also nicht von der Hand 
zu weisen, doch wird es noch vieler experimenteller Studien bedürfen, 
bevor hier auf thatsächlicher Grundlage ein endgültiges Urtheil aus- 
gesprochen werden kann. Die oben besprochene BEYERINcK’sche 
Methode der künstlichen Hervorrufung von Knospenvariationen durch 
Beschneiden dürfte hier die wichtigsten Erfolge versprechen. 


III. Die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften. 


$ 9. Darwın’s Pangenesis. 


Der Titel des Darwın’schen Buches über den Ursprung der 
Arten durch natürliche Zuchtwahl wird in den letzten Jahr- 
zehnten mehrfach unrichtig verstanden. Für Darwın lag das Haupt- 
gewicht in dem Worte natürlich. Es handelte sich ja um den 
Gegensatz zwischen natürlicher und übernatürlicher Artentstehung. 
Das ganze Ziel seiner Riesenarbeit ging darauf hinaus, zu zeigen, 
dass übernatürliche Ursachen gar nicht erforderlich sind, um die 
verwandtschaftlichen Beziehungen der Thiere und der Pflanzen zu 
erklären, dass im Gegentheil eine solche Erklärung in viel einfacherer 
und befriedigenderer Weise durch natürliche Ursachen zu erreichen 
sei. Dieser Ueberzeugung hat er allgemeinen Eingang verschafft, und 
sie wie mit einem Schlage zur festen Grundlage für alle spätere 
Forschung auf diesem Gebiete gemacht. 

Jetzt aber verlegt man häufig das Hauptgewicht auf das Wort 
Selection und auf die Vergleichung der natürlichen Auslese mit der 
Gewinnung von Rassen in der Landwirthschaft durch künstliche 


Darwıns’ Pangenesis. 685 


Zuchtwahl. Dabei vergisst man oft, dass vor einem halben Jahr- 
hundert die Kenntniss der verschiedenen Formen der Variabilität und 
somit auch der Auslese erst noch in ihrem Anfang war, und dass 
man die jetzigen Kenntnisse nicht auf den damaligen Stand anwenden 
sollte. Namentlich zwischen Mutabilität und Variabilität im engeren 
Sinne unterschied man damals kaum. Es war gerade Darwın, der 
zuerst in zahlreichen Fällen diese beiden Typen der Veränderlich- 
keit einander gegenüberstellte. 

Dieser Gegensatz ist ja auch jetzt noch in den Thatsachen nicht 
so klar ausgesprochen, dass er bereits allgemeine Anerkennung finden 
würde. Für Darwın selbst stellten sich der Durchführung noch zu 
viele Schwierigkeiten entgegen, und die principielle Bedeutung ist ihm 
vielleicht erst völlig klar geworden, als er auf theoretischem Wege 
tiefer in die Kenntniss der Erscheinungen der Erblichkeit einzudringen 
strebte. 

Diesen Versuch hat er bekanntlich in seiner vorläufigen Hypo- 
these der Pangenesis niedergelegt. Ebenso bekannt ist es, dass er 
durch eine Reihe jetzt überflüssiger Hülfshypothesen versucht hat, 
seine Vorstellung den damals herrschenden Ansichten anzupassen, dass 
er aber gerade dadurch ihr mehr geschadet als genützt hat. Denn 
die meisten seiner Kritiker haben diese Hülfshypothesen bekämpft, 
ohne den Hauptsatz gebührend zu würdigen. 

In meiner Intracellularen Pangenesis habe ich versucht zu zeigen, 
wie die hohe Bedeutung von Darwın’s Hypothese erst dann klar an’s 
Licht tritt, wenn sie von jenen überflüssigen Annahmen befreit wird. 
Ebenso habe ich mich bemüht nachzuweisen, dass der Kern der 
Theorie sich mehr oder weniger deutlich in den Hypothesen seiner 
Nachfolger wiederfinden lässt und bei diesen gleichfalls durch un- 
nütze oder unrichtige weitere Annahmen getrübt ist. Diesen Kern 
herauszuschälen und mit den damaligen Kenntnissen so weit in 
Verbindung zu bringen, als es ohne ein künstliches Gebäude von 
Hypothesen möglich war, war die Aufgabe jenes Buches. ! 

Es ist nicht meine Absicht, hier eine Uebersicht der seitdem un- 
verhältnissmässig angeschwollenen Literatur über Erklärungsversuche 
zu geben,? und für die älteren Theorien, wie diejenigen von SPENCER, 


! Intracellulare Pangenesis. Jena, 1899. 

2 Vollständige und objecetiv gehaltene Zusammenstellungen finden sich in 
vielen Werken; zu den besten gehören wohl ©. Keırer, Vererbungslehre und 
Thierzucht. 1895; H. MArLiöre, Etudes sur Vheredite. 1895; E. B. Wırson, The 
cell in development and inheritance. 1900; Fruwırru, Die Züchtung der landwirth- 
schaftlichen Qulturpflanzen. 1901; u.s. w. 


654 Die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften. 


NÄGELI und HerrwıG, brauche ich nur auf das genannte Werk zu 
verweisen. Ich habe nur zu zeigen, dass das im vorliegenden Buche 
angeführte Beweismaterial für die Mutationstheorie sich unmittelbar 
an das Princip der Pangenesis anschliesst. Man hat eigentlich 
nur an die Stelle der empirischen Einheiten der erblichen 
Eigenschaften, wie wir sie bisher kennen gelernt haben, die 
Vorstellung von inneren Anlagen oder stofflichen Trägern 
derselben zu setzen, um die Beobachtungsergebnisse für 
die Pangenesislehre verwerthen zu können.! Dieser Ge- 
danke ist namentlich von JoHANNsEN in dem Abschnitte „Pan- 
genesislehre“ seines neulich erschienenen Lehrbuches der Botanik 
ausgearbeitet worden, und dieses gestattet mir, mich im Folgenden 
möglichst kurz zu fassen.” Ich glaube, mich auf eine einfache Dar- 
stellung der Pangenesis nach Darwın’s Auffassung, sowie nach der 
von mir vorgeschlagenen Modification beschränken zu können, ohne 
dabei die im vorliegenden Buche angeführten einschlägigen Beobach- 
tungen wiederholen zu müssen. Ich behandle zunächst den Kern 
und die Hülfslıypothesen, um erst später das Wesen der Theorie 
darzulegen. 

In Bezug auf die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften 
der Organismen giebt es zwei principiell verschiedene Meinungen. Die 
eine ist die Ansicht Spencer’s, nach der der Charakter einer jeden 
Art ein einheitliches Ganzes bildet und jede stoffliche Anlage somit 
diesen ganzen Üharakter vertritt. Diese Ansicht findet auch jetzt 
noch die meisten Anhänger. Ihr entgegengesetzt ist Darwın’s Auf- 
fassung, nach der die einzelnen Zellen des Organismus, und in den 
Zellen die einzelnen sie zusammenstellenden Elemente jede ihren be- 
sonderen Vertreter in der erblichen Substanz haben. So viele ver- 
schiedenartige Zellen und so viele getrennte Organe es in diesen giebt, 
so viele verschiedene Anlagen sollen die stoffliche Grundlage der Erb- 
lichkeit zusammensetzen. 

Nicerı hat für diese Grundlage das Wort Idioplasma ein- 
geführt, und diese Bezeichnung empfiehlt sich aus mehreren Gründen 
zu einer allgemeinen Verwerthung, da sie an sich nicht zwischen den 
beiden geschilderten Principien entscheidet. Für Näceuı ist das Idio- 


! Ber. d. d. bot. Ges. 1900. XVIII. S. 83 und Sur les unites des caracteres 
speeifiques. Revue generale de botanique. 1900. XII. p. 257. 

® E. Waruıns og W. JoHannsen, Den almindelige Botanik. 4. Aufl. 1901. 
S.675 ff. Es sei mir gestattet, hier mit besonderer Anerkennung hervorzuheben, 
dass mehrere Kritiker des ersten Bandes meines Buches die Beziehung der 
Mutationslehre zur Pangenesis bereits vorgreifend ausgearbeitet haben. 


hET 


Darwıy’s Pangenesis. 685 


plasma allerdings eine Einheit, wir wollen diese Bezeichnung aber 
weiterhin für die Gesammtheit der Darwın’schen Einheiten verwenden. 

Das getrennte Verhalten der einzelnen erblichen Eigenschaften 
sowohl beim Mutationsvorgange als bei den Bastardirungen entscheidet 
meiner Ansicht nach ohne Weiteres für die Darwın’sche Auffassung 
der besonderen stofilichen Grundlage für jede von ihnen, und der 
ganze Gegensatz zwischen Mutabilität und Variabilität im engeren 
Sinne ist nur nach diesem Principe in Einklang mit der Theorie zu 
bringen. ! 

Darwm’s Pangenesis lässt sich in die beiden folgenden Sätze 
zusammenfassen: ? 

In jeder Keimzelle und jeder Knospe sind die einzelnen Zellen 
und Organe des ganzen Organismus durch bestimmte stoffliche 
Theilchen vertreten. Diese vermehren sich durch Theilung und gehen 
bei der Zelltheilung von der Mutterzelle auf ihre Töchter über (Pan- 
genesislehre). 

Ausserdem werfen die sämmtlichen Zellen des Körpers zu ver- 
schiedenen Zeiten ihrer Entwickelung solche Theilchen ab, diese 
fliessen den Keimzellen zu und übertragen diesen die ihnen etwa 
fehlenden Eigenschaften des Organismus (Transporthypothese). 

Die Vermehrung der stofflichen Träger der Erblichkeit und ihr 
Uebergang im Laufe der Entwickelungsgeschichte durch die successiven 
Zell- und Kerntheilungen leuchtet am klarsten ein, wenn man jene 
Fälle betrachtet, wo gewisse vikariirende Eigenschaften während des 
grösseren Theiles der Entwickelung verbunden bleiben, um erst spät 
oder gar am Schluss der Zelltheilungen sich zu trennen. Man sieht 
dann diese Trennungen mosaikartig über die ganze Pflanze vertheilt. 
MACFARLANE hat zuerst bei den Bastarden auf diese Bedeutung der 
Erscheinung aufmerksam gemacht, und namentlich bei Geum- inter- 
medium nachgewiesen, wie sich der Einfluss beider Eltern oft bis in 
die einzelnen Zellen verbunden, oder auch erst in diesen getrennt er- 
kennen lässt. Die bunten Blätter zeigen diese späten Trennungen 
oft in schönster Weise,? oft in grösseren Feldern von der verschie- 


! Die Richtigkeit dieses Ausspruches geht am einfachsten daraus hervor, 
dass diejenigen meiner Kritiker, welche überzeugte Anhänger der Warrace’schen 
Form der Selectionslehre sind, den Unterschied zwischen Mutabilität und Varia- 
bilität ohne Weiteres leugnen. Vergl. oben S. 659. 

® Darwın, Animals and Plants under domestication. Bd. II. Chapter on 
Pangenesis und Intracellulare Pangenesis a. a.0. 8.3 und 62. 

® A. J. J. van DER VELDE, Anatomie en physiologie der bonte bladen. Hande- 
lingen, V® Vlaamsch Nat. en Gen. Congres, Brugge. Sept. 1901. 


686 Die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften. 


densten Form und Anordnung (Fig. 154 und Fig. 155), oft in ganz 
kleinen Zellengruppen (Fig. 156).! Doch kennt man die Beziehungen 
dieser Mosaikfiguren zu der Entwickelungsgeschichte noch zu unvoll- 
ständig, um ein Bild von jenen Spaltungen der combinirten Eigen- 
schaften in den Zellenstammbäumen? zu entwerfen.’ 


Fig. 154. Ulmus campestris variegatus. Fig. 155. Beta vulgaris saccharifera. Ein 
Auf den verschiedenen Blättern ist das zufälliges buntes Blatt; die gelben und 
3unt in selır verschiedenen Graden aus- grünen Gewebe liegen schichtenweise 

gebildet. über einander mit verschiedenen Grenzen 


in den einzelnen Schichten. 


Die zweite Annahme stösst auf unüberwindliche Schwierigkeiten 
und hat sich längst als durchaus überflüssig ergeben. Schon Darwın 


! MAcFARLANE, On the minute structure, a. a. 0. 
® Vergl. Intracellulare Pangenesis. >. 86. 

° Wichtige Aufschlüsse geben die neuesten Untersuchungen von BoNnNIER 
und Fıor. Vergl. G. Boxnıer, Formation des elements du eilindre central. Cps. rs. 
T. 131. p. 781 (12. Nov. 1900); derselbe, Sur la differenciation des tissus vascu- 
laires, a. a. O. p. 1276 (Dec. 1900) und L£ox Fror, Sur lorigine commune des tissus 
dans la feuille et dans la lige, a. a. O. (Dec. 1900). 


u 


Darwın’s Pangenesis. 687 


hatte hervorgehoben, dass sie auf Pflanzen und Korallen, auf die 
Arbeiterinnen der Bienen und ähnliche Fälle nur in sehr beschränkter 
Weise angewandt werden kann. Lässt man sie fallen, so tritt der 


erste Satz nur um so reiner 
und schärfer hervor. 

In dieser Richtung haben 
namentlich GALTon und 
Brooks sich grosse Verdienste 
um die Pangenesislehre er- 
worben. Beide sprechen sich 
für das Hauptprineip aus, be- 
schränken aber die Transport- 
hypothese in sehr wesent- 
licher Weise. 

Gauron betonte nament- 
lich, dass die verschiedenen 
Zellen des Körpers in ihrem 
Ursprunge besondere stoft- 
liche Träger zur Voraus- 
setzung haben; diese Theil- 
chen bilden zusammen die 
Keimmasse oder „stirp“, was 
also im Wesentlichen mit dem 
späteren Begriffe des Idio- 
plasma übereinstimmt.! In 
der Keimmasse seien aber 
viel mehr Träger vorhanden, 
als es Zellen gebe; die üb- 
rigen latenten Theilchen spie- 
len bei Gatron eine noch 
wichtigere Rolle als bei DAr- 
wın, sowohl zur Erklärung 
der ontogenetischen Entwicke- 
lung als beim Atavismus. 
Sowohl bei den Zelltheilungen 
als bei der Vermehrung der 
Individuen geht die Keim- 


Fig. 156. Quercus sessiliflora albovariegata, eine 

Handelsvarietät. Aufdem gelblichweissen Grunde 

sind in unregelmässiger Weise grüne Feldchen 
zerstreut. 


masse unverändert auf die Nachkommen über. Nur unter ge- 
wissen Bedingungen treten Veränderungen in ihr ein; eine Annahme, 


! Francıs GaLton, A theory of heredity. 1875. 


688 Die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften. 


welche zur Erklärung der Umbildung der Arten selbstverständlich 
erforderlich ist. 

W. K. Brooxs hat in einem ausgezeichnet klar geschriebenen 
Werke über die Erblichkeit gleichfalls eine Modification der Pangenesis- 
lehre vorgetragen.! Er verwirft nicht die ganze Transporthypothese, 
sondern beschränkt sie auf den Transport von wenigen Keimchen in 
besonderen Fällen, namentlich wenn aus äusseren oder inneren Ur- 
sachen irgendwo im Organismus Veränderungen eintreten. Eine Ver- 
änderung in der Umgebung einer Zelle veranlasst diese dazu, Keimchen 
abzuwerfen und dadurch auf die Nachkommen eine Neigung zu über- 
tragen, in den entsprechenden Körpertheilen in derselben Weise ab- 
zuweichen (S. 83). Die männlichen Sexualzellen sind nun besonders 
dazu eingerichtet, solche Keimchen aufzusammeln und auf die weib- 
liche Eizelle zu übermitteln. Ist einmal durch Vermittelung von 
transportirten Keimchen eine Veränderung erblich geworden, so ist 
nachher deren Mitwirkung nicht mehr nöthig, und wird sie namentlich 
durch Auslese beseitigt. 

Brooxs hebt hervor, dass man nicht für jedes Blatt, für jede 
Blüthe, und somit auch nicht für jede Zelle besondere stoffliche 
Träger der erblichen Eigenschaften anzunehmen habe. Die Annahme 
wird eine viel einfachere, wenn alle gleichnamigen Organe oder Zellen 
sich auf dieselbe Einheit zurückführen lassen. Die äusserst zusammen- 
gesetzte Vorstellung vom Bau des Idioplasma wird dadurch offenbar 
in hohem Grade vereinfacht. 

Die Ausführungen von GauLton und Brooks haben sehr wesent- 
lich dazu beigetragen, die Pangenesislehre von vielem unnützen Ballast 
zu befreien, und ihren Kern dadurch klarer an’s Licht treten zu 
lassen. Doch gerade in Bezug auf einen der Hauptpunkte schliessen 
sie sich noch zu enge an Darwm’s Vorstellung an. Ich meine in 
der Frage, ob die Organe und Zellen die Einheiten sind, welche wir 
uns im Idioplasma vergegenwärtigt denken müssen. 


$ 10. Intracellulare Pangenesis. 


Meiner Ansicht nach sind die Einheiten, zu denen wir bei 
den theoretischen Erörterungen vorzudringen haben, nicht die mor- 
phologischen Elemente wie die Körpertheile und Gewebe, 


ı W.K. Brooxs, The law of heredity, a study of the cause of variation and 
the origin of living organisms. 1883. Vergl. namentlich S. s0—100, S. 319, 
327 u. 8. w. 


Intracellulare Pangenesis. 639 


oder die Zellen und ihre sichtbaren Organe. Im Gegentheil 
sind es die Eigenschaften, und zwar die inneren elemen- 
taren Eigenschaften, welche die äusseren Merkmale bedingen, und 
durch deren Zusammenwirken erst die morphologischen Elemente ge- 
bildet werden (Fig. 157). 

Darwiıs spricht sich über das, was er eine einzige erbliche Eigen- 
schaft nennt, nicht überall deutlich aus. Mehrfach nennt er seine 


Fig. 157. Rubus fruticosus laciniatus. Das Merkmal der Varietät, die stärkere Ein- 

schneidung des Blattrandes, äussert sich sowohl in den Laubblättern als in den 

Blumenblättern. Beide Erscheinungen sind offenbar Aeusserungen derselben stoff- 
lichen Träger der inneren Eigenschaft. 


Keimchen Vertreter der Zellen, oft werden andere morphologische 
Elemente oder Gruppen von Kennzeichen von ihm als Einheiten be- 
trachtet. Doch betont er gelegentlich ausdrücklich, dass jede Eigen- 
schaft, welche unabhängig von anderen variiren kann, an 
einen besonderen stofflichen Träger gebunden sein muss.! 


! Darwın, Variations. 2. Ed. 1875. I, p. 378. JIntracellulare Pangenesis. 
Ss. 16 ff. 


DE VRIES, Mutation. II. 44 


690 Die stofflichen Träger der erblichen Bigenschaften. 


Da ER hat sich nun bei den späteren Eee immer 
mehr in den Vordergrund gedrängt. Die morphologischen Elemente 
werden immer mehr als Combinationen von Einheiten anerkannt, 
während die gegenseitige Unabhängigkeit bei der Variabilität das 
Merkmal der tieferen Elementareinheiten ist. 

Allerdings sind diese Elemente ganz gewöhnlich zu kleineren 
und grösseren Gruppen vereinigt," und benehmen sich diese dann wie 
Einheiten, indem die einzelnen Glieder der Gruppe gewöhnlich zu- 
sammen in die Erscheinung treten, oder in derselben Weise von der 
Lebenslage in ihren Aeusserungen beeinflusst werden. Die Inflores- 
cenzen einhäusiger Gewächse sind typische Beispiele für solche 
Gruppen von Eigenschaften, die Stolonen bilden andere Fälle, und 
fast überall ist die Entwickelung der Organe von Einflüssen abhängig, 
welche die Kennzeichen gruppenweise in der einen oder der anderen 
Richtung sich ausbilden lassen. Auch bei den Bastardirungen sind 
wir gelegentlich solchen Verbindungen von elementaren Einheiten be- 
gegnet (S. 193). 

In Bezug auf den Transport der stofflichen Träger der erblichen 
Eigenschaften, oder der Pangene,?” wie ich sie nenne, pflichte ich der 
Ansicht von Ganron und Brooks bei, dass diese Annahme möglichst 
zu beschränken sei, und glaube, dass man sie am besten vollständig 
fallen lässt. 

Nur innerhalb der Zelle nehme ich einen Transport an, und zwar 
in der Hauptsache nur so, dass die Pangene aus den Kernen heraus- 
treten und sich im Protoplasma verbreiten können. ® 

Nach meiner Ansicht besteht das ganze lebendige Proto- 
plasma aus Pangenen, nur diese bilden darin die lebenden 
Elemente (Intr. Pang., S. 190). Im Kern ist nach Herrwıe’s Vor- 
sang der Sitz der erblichen Eigenschaften anzunehmen, durch die 
Kerntheilungen gehen sie von jeder Zellengeneration auf die nächst- 
folgende über. Aber in den Kernen sind die meisten Pangene un- 
thätig; um activ zu werden, müssen sie aus ihnen, oder wenigstens 
aus ihrem Gerüste, austreten, und sich an die entsprechenden Stellen 
des Zellleibes begeben. Die eingehende Betrachtung der Erscheinungen 


! Intracellulare Pangenesis. S.21 und sonst. 

? Weitere Namen für die stoffliehen Träger giebt es fast ebenso viele, wie 
Schriftsteller dieses Thema berührt haben, z. B. Mikroplaste, Archiplaste, Bio- 
moleeüle, Protobionten, Bioblaste, Eiementarorganismen (Arruans), Plasome 
(Wiesxer), Functionsträger, Idioblaste (Herrrwıc), Chonder (ScHNEiDEr) u. 8. W. 

> Wo Zahlen protoplasmatisch zu Verbänden zusammengefügt sind, dürfte 
bisweilen gleichfalls ein Transport von Pangenen anzunehmen sein. 


Die Pangene als Träger der erblichen Eigenschaften. 691 


des Zelllebens führte mich zu der Ansicht, dass die Annahme eines 
stofflichen Einflusses der Kerne auf die Lebensprocesse unumgäng- 
lich sei, und dass die dynamischen und enzymatischen Theorien dieser 
Einwirkung bei genauer Betrachtung doch auch der Annahme der 
Pangene als Grundlage des ganzen Protoplasma bedürfen (a. a. O. 
197—199). 

Die neueren Untersuchungen von GERASsImow über kernlose und 
zweikernige Zellen von Spirogyra! haben diese Auffassung durchaus 
bestätigt, und auch auf thierphysiologischem Gebiete haben mament- 
lich Driesch und HansEmAnN sich für sie ausgesprochen. ? 

Im Idioplasma der Kerne vermehren sich die Pangene durch 
Theilung. Ein Theil der neugebildeten verbleibt dort, um die Keim- 
masse für die Zelltheilungen zu liefern. Ein anderer Theil tritt aber 
aus dem Kerne heraus und wird im Cytoplasma activ. Dabei ver- 
mehren sich die Pangene derart, dass sie einen wesentlichen Theil 
des Leibes der einzelnen Organe in der Zelle bilden, wie der Chro- 
matophoren, der Hautschicht, der Vacuolenwand u. s. w. Diesen 
prägen sie dadurch ihren Charakter auf, und in dieser Weise erklärt 
es sich, dass die Funktionen der Zellenorgane den erblichen Eigen- 
schaften der Pflanze, den sie angehören, gehorchen. Das Austreten 
aus den Kernen findet von Zeit zu Zeit statt, und bald besteht der 
Zellenleib nur noch aus Pangenen, welche in jüngster Zeit aus dem 
Kerne gekommen sind. 


$ 11. Die Pangene als Träger der erblichen Eigenschaften. 


Als Hypothese dient die Pangenesis heuristischen Zwecken, als 
Theorie soll sie eine Grundlage sein für eine tiefere Einsicht in das 
Wesen der lebendigen Substanz. Ueber ihren heuristischen Werth 
brauche ich hier nicht viel zu sagen. Für mich ist die Pangenesis 
immer der Ausgangspunkt meines Suchens gewesen, anfangs allerdings 
nur in theoretischer Richtung, von dem Augenblicke aber, in welchem 
ich meine Betrachtungen zusammenfassen und vorläufig abschliessen 


1 J. J. Gerassimow, Bull. Soc. Imp. Nat. Moscou. 1901. No. 1 und 2; Zeit- 
schrift f. allg. Physiologie I, 3. 1902. S. 220 und die dort eitirte Literatur. 

” H. Driescn, Analytische Theorie der organischen Entwickelung. 1895. 
D. Hansemann in VIrcHow’s Archiv. Bd. 119. 8. 315. 

® Meine Ansicht, dass der Transport der Pangene vorwiegend durch die 
sogenannten Strömchen des Protoplasma vermittelt wird, und dass diese nor- 
male und ailgemeine Erscheinungen sind, ist durch die von gewissen Seiten 
dagegen erhobenen Bedenken nicht erschüttert worden. 

44* 


692 Die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften. 


zu können glaubte, habe ich sie vorwiegend als Leitschnur für experi- 
mentelle Studien benutzt.! 

Namentlich hat sie mich dazu geführt, in der freien Natur nach 
dem Mutationsvorgange selbst zu suchen,? da ich hoffte, dadurch so- 
wohl für die Lehre von den Trägern der erblichen Eigenschaften, wie 
für die ganze Vererbungslehre, Thatsachen finden zu können, welche 
mehr unmittelbare Schlüsse gestatten würden, als das bis dahin vor- 
handene Beobachtungsmaterial. 

Die Pangenesislehre berührt nur den Kern der allgemeinen Erb- 
lichkeitstheorie; die Umkleidung überlässt sie den specielleren Theorien, 
aber die Erfahrung hat mich gelehrt, dass der Kern zur Ableitung 
von Aufgaben für die experimentelle Forschung genügt und mit viel 
grösserer Aussicht zu der Entdeckung neuer wichtiger Thatsachen 
führt, als die so schön ausgebildeten Gebäude von Hypothesen, welche 
man auf ihn gegründet hat. Namentlich aber ist die Pangenesis viel 
eingehenderer Anwendung fähig als die ihr entgegengesetzte Ansicht 
von den Trägern der Gesammtheit der Artmerkmale als Einheiten. 
Zur Auffindung neuer Forschungsrichtungen auf diesem Gebiete 
glaube ich zuversichtlich das Darwın’sche Prineip emem Jeden em- 
pfehlen zu können. 

In erster Linie hat es geleitet zu der richtigen Unterscheidung 
der beiden Haupttypen der Veränderlichkeit, der Mutabilität und der 
Variabilität im engeren Sinne. Finally, we see, sagt Darwın, 
that on the hypothesis of pangenesis variability depends on 
at least two district groups of causes.?” Die erstere Gruppe 
umfasst das Fehlen, die Ueberproduction und die Umlagerung von 
Keimchen, welche dabei selbst nicht umgebildet werden. Diese Ver- 
änderungen können einen grossen Theil der fluktuirenden Variabilität 
erklären. Die andere Gruppe umfasst die Umprägung der Keimchen 
selbst. Und indem die neuen Typen von Keimchen sich vermehren, 
werden sie sich zu neuen Eigenschaften ausbilden. 

In diesen Sätzen sind eigentlich bereits die drei verschiedenen 
Typen der Veränderlichkeit enthalten. Denn die erstere Gruppe ist 
noch eine zweifache. Sie umfasst nach unseren jetzigen Auffassungen 


' Vergl. die Literatur- Uebersicht am Schlusse dieses Abschnittes. 

* In dieser Beziehung sei es mir gestattet, als historische Besonderheit 
mitzutheilen, dass ich meine Intracellulare Pangenesis im Jahre 1888 während 
eines Sommeraufenthaltes unweit Hilversum geschrieben habe, und dass sich der 
Fundort der Oenothera Lamarckiana kaum in zehn Minuten Entfernung von jener 
Wohnung befindet. 

° Animals and Plants under domestication II. 2. Aufl. 1875. S. 390. 


Die Pangene als Träger der erblichen Eigenschaften. 693 


sowohl die fluetuirende Variabilität, als auch die retrogressiven und 
degressiven Mutationen. Die erstere wird von der wechselnden An- 
zahl der Pangene bedingt, die beiden letzteren aber von der „trans- 
position of gemmules and the redevelopment of those which have long 
been dormant“. Neben diese stellt sich die Entstehung neuer Formen 
von Pangenen, welche offenbar der progressiven Mutabilität entspricht.! 

Verändertes numerisches Verhalten der Pangene ist so- 
mit die Grundlage der fluctuirenden Variabilität, Umlage- 
rung der Pangene im Kerne bedingt die retrogressiven und 
degressiven Mutationen, während dieBildung neuer Arten von 
Pangenen zur Erklärung der progressiven erforderlich ist. 

An diese Grundsätze schliessen sich nun die im vorliegenden 
Werke mitgetheilten Thatsachen in so einfacher Weise an, dass sie 
als Beweise für die Richtigkeit des Principes betrachtet werden dürfen. 
Es sei mir gestattet, dieses noch weiter auszumalen, wenigstens so 
weit es möglich ist ohne die Ausarbeitung fernerer Hülfshypothesen. 

MEnper’s Entdeckung hat augenblicklich wohl den grössten Ein- 
fluss zu Gunsten der Ansicht von den differenten Trägern der erb- 
lichen Eigenschaften ausgeübt. Die Factoren des Artbildes treten 
hier so klar in ihrer Selbständigkeit hervor, wie in keinem anderen 
Falle, mit Ausnahme des Mutationsvorganges selbst. Auf die hohe 
Bedeutung seiner Gesetze für die Pangenesislehre habe ich in meiner 
ersten vorläufigen Mittheilung über diesen Gegenstand hingewiesen, 
und seitdem haben sich CoRRENS, BATESON, CUTENoT und viele andere 
Forscher mehr oder weniger dieser Auffassung angeschlossen. Cuxxor, 
der mit Barzson die Gültigkeit der MEnpEr’schen Gesetze im Thier- 
reich nachwies, nennt die Einheiten, um die es sich bei diesen 
Kreuzungen handelt, „particules repr&sentatives“.2 Ob diese 
Anlagen selbst die Pangene des Kernfadens sind, oder ob jede An- 
lage aus einer Gruppe von gleichnamigen Einheiten aufgebaut ist, ist 
eine sehr wichtige Frage, welche später sich wohl durch die Er- 
fahrung wird entscheiden lassen. 

Denn Barzson weist darauf hin, dass es immerhin noch möglich 
ist, dass die constanten MEnper’schen Bastardrassen, in Bezug auf 
die einzelnen Eigenschaften nicht absolut rein seien. Das heisst, dass 
bei der Bildung der Sexualzellen die dominirenden und die recessiven 
Anlagen sich vielleicht nicht so voilständig trennen, dass nicht, sei es 
stets, sei es ausnahmsweise, in den Sexualzellen neben den recessiven 


! Vergl. auch Intracellulare Pangenesis. 8.73 und 210. 
? L. Cukxor, La loi de MENDEL et V’heredite de la pigmentation chez les 
souris. Arch. zool. experim. et generale. 1902. No. 2. 


694 Die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften. 


eine Spur des dominirenden, B = ern eine ET 
des recessiven Merkmales vorhanden bleibe. Diese Spur brauche sich 
dann während mehrerer Generationen nicht zu äussern, bis später ein- 
mal, aus noch unbekannten Gründen, atavistische Erscheinungen in 
solchen constanten Bastardrassen die Erinnerung an die frühere 
Kreuzung wieder wach rufen. Vorläufig spricht die Erfahrung aller- 
dings gegen diese Annahme,! aber sie verfügt noch nicht über eine 
so lange Reihe von Generationen, als für eine endgültige Entscheidung 
erforderlich wäre. Doch ist es klar, dass ein solcher Atavismus, 
falls er wirklich vorkommt, auf den zusammengesetzten Bau der 
Mexper'schen Anlagen würde schliessen lassen. 

Diese Menper’schen Anlagen behalten ihre Selbständigkeit 
während des vegetativen Lebens und bei der Befruchtung bei. Nach 
den Erörterungen unseres zweiten und vierten Abschnittes handelt es 
sich bei MEnpEL-Kreuzungen stets um dieselbe elementare Eigen- 
schaft, welche in dem einen der Eltern in einem anderen Zustande, 
in einer anderen Lage, vorkommt als in dem zweiten. Von solchen 
Lagen lernten wir bis jetzt vier genauer kennen: die active und die 
latente, die semiactive und die semilatente. Die Anlagen trennen sich 
nicht nur bei der Bildung der Sexualzellen, sondern gelegentlich auch 
im vegetativen Leben, wie die sogenannten Knospenvariationen der 
Bastarde uns lehren;? sie sind somit auch hier nur locker verbunden 
und keineswegs durcheinander gemischt. 

Die Variabilität beruht auf der wechselnden Anzahl der gleich- 
namigen Pangene. Daher ist sie nur eine lineare (Bd. I], S. 83), 
und bewegt sie sich nur in zwei Richtungen, durch Vermehrung der 
Pangene in der Plusrichtung, durch Verminderung ihrer Anzahl in 
der Minusrichtung. Gute Ernährung und günstige Lebenslage be- 
wirken eine Zunahme, die umgekehrten Bedingungen eine Abnahme 
dieser Zahl. Aber die einzelnen Sorten von Pangenen sind einerseits 
in sehr verschiedenem Grade, andererseits in verschiedenen Perioden 
des Lebens der Pflanze für diese Einwirkungen empfindlich. Einige 
Eigenschaften sind ja sehr stark variabel, andere fast gar nicht. Die 
empfindliche Periode der Variabilität haben wir im ersten 
Bande mehrfach ausführlich studirt. Diese Erfahrungen erklären uns, 
wie es möglich ist, dass die Eigenschaften desselben Organismus auf 


! Sogar bei den Mutationskreuzungen. Denn das Merkmal der Oenothera 
lata wurde in meinen Versuchen trotz zehn aufeinander folgender Kreuzungen 
weder geschwächt noch verändert. Es stellt somit wohl eine feste Einheit 
dar ($. 406). 

?® Vergl. diesen Abschnitt oben $ 8, S. 674. 


Die Pangene als Träger der erblichen Eigenschaften. 695 


die Lebensbedingungen in so verschiedener Weise reagieren können. 
Die correlative Variabilität findet hier, soweit sie nicht auf eine 
Verkoppelung der Pangene durch Gruppenbildung beruht, ihre aus- 
reichende Erklärung. 

Die Bedeutung der normalen Befruchtung tritt bei dieser Auf- 
fassung in ein ganz besonderes Licht. Die Lebenslage beeinflusst 
die einzelnen Eigenschaften gleichsinnig, wenn auch in ungleichem 
Maasse. Aber in entgegengesetzten Richtungen abweichende Eigen- 
schaften in demselben Individuum zu vereinigen, das vermag sie, so 
viel wir jetzt beurtheilen können, nicht. Dazu ist offenbar der zweck- 
mässige Weg derjenige eines Austausches der Anlagen, wie solche als 
Folge der Befruchtung, und wohl erst beim Anfang der Bildung der 
Sexualzellen stattfinden kann. In dieser Weise kann die geschlecht- 
liche Fortpflanzung die in verschiedenen Graden und Richtungen 
variirenden Anlagen in alle möglichen Verbindungen bringen, und es 
der natürlichen Auslese überlassen, zu entscheiden, welche von diesen 
Combinationen in jedem einzelnen Falle gerade die beste ist. 

Die Mutabilität beruht darauf, dass die Pangene bezw. die Gruppen 
von gleichnamigen Pangenen im Idioplasma in verschiedenen Zuständen 
oder Lagen vorkommen können. Die normale, active Lage ist jene, 
in der sie in den entsprechenden Entwickelungsperioden des Organis- 
mus ungehemmt sich vermehren und theilweise in das Protoplasma 
austreten können, um dort ihren Funktionen obzuliegen. Genau ent- 
gegengesetzt ist die latente Lage, in der solches nicht oder doch nur 
in höchst beschränkter Weise möglich ist. In anderen Lagen beein- 
flussen sich je zwei Gruppen ungleichnamiger aber benachbarter Pan- 
gene gegenseitig, indem sie abwechselnd das Uebergewicht erhalten. 
Solches tritt in den vicariirenden Eigenschaften der Halb- und Mittel- 
rassen in die Erscheinung. Die beiden verbundenen Anlagen werden 
dann von den äusseren Lebensbedingungen zwar gleichsinnig, aber in 
höchst verschiedenem Grade beeinflusst; die eine, phylogenetisch ältere, 
ist meist nur wenig, die andere, phylogenetisch jüngere, meist sehr 
stark empfindlich. Verkehrt diese letztere in semilatenter Lage, wie 
bei den Halbrassen, so ist allerdings der Grad ihrer Aeusserung, 
d. h. des Austretens der einzelnen Theilchen in’s Protoplasma ein 
ziemlich beschränkter, verkehrt sie aber im semiactiven Zustande wie 
in den Mittelrassen, so entsteht dadurch die ausserordentliche Varıa- 
bilität, welche diese Rassen kennzeichnet. 

Der Unterschied zwischen den unisexuellen und den MENDEL- 
Kreuzungen leuchtet ohne Weiteres ein. Das im vierten Abschnitt 
Gesagte braucht nur auf die Einheiten der Pangenesislehre übertragen 


696 Die stofflichen Träger der erblichen Eigenschaften. 


zu werden. Findet bei der Bildung der Sexualzellen eines Bastardes 
jede Anlage ihren Antagonisten, so findet der Austausch statt wie 
bei der normalen Befruchtung, und die Mexper’schen Kreuzungen 
sind eigentlich nur ein besonderer Fall von dieser. Finden einzelne 
oder mehrere Anlagen keine Antagonisten, so ist offenbar der normale 
Process gestört; die beiden Idioplasmen passen nicht mehr genau 
aufeinander. Von dem Grade dieser Störung, d.h. von der Anzahl 
der differirenden Anlagen hängt offenbar erstens die Fruchtbarkeit 
der Kreuzung selbst, sowie die Lebensfähigkeit der Bastarde, und 
zweitens die Fertilität der letzteren ab. Sind sie aber fertil, so theilen 
sich die ungepaarten Eigenschaften bei der sexuellen Vermehrung 
der primären Bastarde wohl einfach in der vegetativen Weise, und 
dieses würde die Constanz der betrefienden Bastardrassen erklären 
können. 

Die progressiven Mutationen beruhen auf der Neubildung von 
Pangenen. Bei den Theilungen im Idioplasma entstehen dann un- 
gleichartige Einheiten, statt nur gleichartiger. Dieses ist der Vor- 
gang, den wir Prämutation genannt haben. Die „prämutirten Pan- 
gene“ pflegen anfangs inactiv zu sein, sei es wegen ungenügender 
Anzahl, sei es aus anderen Gründen. Es besteht offenbar eine sehr 
grosse Aussicht, dass gleichnamige Pangene in verschiedenen Species 
zu der Entstehung derselben neuen Pangene führen können, und dieses 
würde vielleicht viele Erscheinungen von paralleler progressiver Muta- 
bilität erklären. 

Schliesslich muss man annehmen, dass die Pangene oder Pangen- 
gruppen in jeder der erwähnten Lagen fest oder locker im Verbande 
mit den übrigen stehen können. Ist die Lage eine feste, so bleibt 
sie durch alle Generationen dieselbe und ist die betreffende Art oder 
Varietät bezw. der betreffende Charakter immutabel. Ist die Gleich- 
gewichtslage eine labile, so ist die betreffende Eigenthümlichkeit mutabel, 
geringe äussere Eingriffe können sie in eine feste Lage überführen und 
dadurch die sichtbare Mutation, wie bei den Oenotheren, hervorrufen. 
Nur ist uns leider die Natur dieser Eingriffe noch unbekannt. Die 
feste Lage, welche aus der mutablen in dieser Weise entsteht, kann 
aber sowohl die active sein als auch die latente, wie letzteres für die 
Nanella- Eigenschaft bei der Entstehung der O. rubrinervis der Fall 
war (S. 451). 

Es wäre leicht, diese Erörterungen in viel grösserem Umfange 
weiterzuführen. Ueberall treten, wie es mir scheint, die Beziehungen 
der Pangenesis zu den neuen Erfahrungen mehr oder weniger klar 
an’s Licht, überall können die letzteren als Beweise für die erstere 


Ze 


Die Periodieität der progressiven Mutationen. 697 


angeführt werden. Und dieses spricht meiner Ansicht nach für beide, 
und eröffnet für Pangenesis und Mutationstheorie die Aussicht, durch 
ein inniges Zusammenwirken immer weitere Gebiete der Erforschung 
der Erblichkeit aufzuschliessen. 


IV. Die geologischen Mutationsperioden. 


$12. Die Periodicität der progressiven Mutationen. 


Im Grunde bewegt sich die Mutationstheorie innerhalb des engen 
Kreises der Linn&’schen Collectivarten, und lässt sie sich somit ebenso 
gut mit der Schöpfungstheorie als mit der Descendenzlehre vereinigen. 
Sie handelt ja eigentlich nur von der Frage, wie jene kleineren Arten, 
für welche man auch vor Darwın allgemein eine Entstehung nach 
natürlichen Gesetzen aus den geschaffenen Typen annahm, aus diesen 
hervorgegangen sind. 

Aber die Aussichten der neuen Theorie hängen zum grossen 
Theile von ihrer Leistungfähigkeit ausserhalb jenes engen Bezirkes 
ab. Für ihre Beurtheilung sind allgemeine Gesichtspunkte vielleicht 
noch wichtiger als die Thatsachen selbst. Deshalb scheint es mir er- 
forderlich, hier nachzuweisen, dass die Mutationslehre sich den 
jetzt herrschenden Ansichten über den Stammbaum des 
Pflanzen- und Thierreiches wenigstens in vielen, und nament- 
lich in den wichtigsten Punkten, besser anschliesst als 
die bisherige Selectionslehre.! Ich schliesse mich dabei so viel 
wie möglich den Meinungen der besten Autoritäten an, und beabsich- 
tige keineswegs, neue Hypothesen aufzustellen, sondern nur die nahe 
Uebereinstimmung der Mutationslehre mit den bereits von anderen 
veröffentlichten Theorien darzuthun. Ich betrete dabei allerdings ein 
fremdes Gebiet, werde mich daher möglichst kurz fassen, und verweise 
namentlich für die Literatur ein für allemal auf die speciellen Fach- 
quellen, ohne diese jedesmal besonders anzuführen. 

Ich werde dabei zunächst die Folgerungen besprechen, zu denen 
die Betrachtung der Mutationsperiode der Oenothera Lamarckiana uns 
leiten kann, um dann zu zeigen, dass diese sich den geologischen und 
paläontologischen Thatsachen durchaus anschliessen. 


! Vergl. meinen in Hamburg vor der Versammlung deutscher Naturforscher 
und Aerzte im September 1900 gehaltenen Vortrag über „Die Mutationen und 
die Mutationsperioden bei der Entstehung der Arten“ (Leipzig, Veit & Comp., 1901). 


695 Die geologischen Mutationsperioden. 


Ausgehend von der Erfahrung, dass unsere Oenothera sich jetzt 
in einem Zustande der Mutabilität befindet, kann man die Frage 
stellen, ob dieser Zustand einen Anfang gehabt hat oder nicht? 
Falls ja, so hat die Pflanze früher, zu gewissen Zeiten, immutable 
Vorfahren gehabt, falls nein, so waren alle ihre Vorfahren, rückwärts 
bis auf die allereinfachsten Organismen, mutabel wie sie. 

Die erstere Annahme schliesst sich den um die Mitte des vorigen 
Jahrhunderts, vor dem Einflusse Darwın’s, herrschenden Meinungen 
an. Man war damals überzeugt, „que les especes varieraient plus A 
certaines epoques de leur existence qu’a d’autres“.! Dieses führt für 
unseren speciellen Fall von selbst zu der Vorstellung einer Mutations- 
periode, wie wir sie im ersten Bande dieses Buches überall angewandt 
haben. Sie führt fernerhin zu der Hypothese von periodischen Muta- 
tionen, welche mit immutablen Zeitintervallen abwechselten; denn wenn 
alle die verschiedenen elementaren Eigenschaften, deren Anhäufung 
schliesslich zu der Entstehung unserer Art geleitet hat, stossweise 
entstanden sind, so müssen diese Stösse jedenfalls mehr oder weniger 
regelmässig über den ganzen Stammbaum der Vorfahren der Oenothera 
vertheilt gewesen sein. Wie viele Schritte zusammen auf eine Muta- 
tationsperiode fallen, lässt sich nicht entscheiden, ist offenbar auch 
Nebensache. Die vorhandenen Beobachtungen deuten bis jetzt nur 
auf je einen Schritt in derselben Richtung, doch dieses schliesst die 
Annahme zusammengesetzterer Perioden selbstverständlich nicht aus. 

Um die an unseren Nachtkerzen gemachten Erfahrungen auf 
frühere, hypothetische Mutationsperioden anzuwenden, wiederholen wir 
zunächst den im ersten Bande, S. 157, gegebenen empirischen Stamm- 
baum in etwas anderer Form, indem wir die in jedem Jahre aus dem 
Hauptstamme hervorgegangenen Seitenzweige, d. h. also die neuen 
Arten, in der Form von Fächern oder Sträussen zeichnen (Fig. 158). 
Jeder Strauss bedeutet somit die Mutationen in einer einzigen Gene- 
ration; der Hauptstamm geht unverändert durch und bringt nach 
einander die einzelnen Sträusse hervor. Diese aber gehören offenbar 
einer und derselben Periode an, da jeder von ihnen im Wesentlichen 
aus denselben neuen Arten in annähernd gleichen Verhältnissen 
besteht. 

Zur Vergleichung mit früheren Perioden lässt sich nun diese 
ganze Figur zu einem einzelnen Strausse zusammendrücken. Solches 
ist in dem oberen Fächer der Fig. 159 geschehen. Die Seitenzweige 


ı H. Lecoa, Geographie botanique. 1854. Vergl. auch Aıpu. Dr CAnvore, 
Geographie botamique raisonnee II. p. 1100— 1102. 


Die Periodieität der er ‚ogressiven In 699 


gehen = nicht mehr von einem einzigen Punkte aus. Dan soll 
angedeutet werden, dass das Bild eine längere Reihe von Generationen 
umfasst, in denen sich die Abzweigungen wiederholten. 

Nehmen wir nun, wie gesagt, an, dass die Vorfahren unserer 
Oenothera nicht stets mutabel gewesen sind, so muss unser Strauss 
nach unten abgeschlossen sein, und ihm muss, sozusagen, ein Stiel 
ohne Nebenzweige vorangegangen sein. Verfoigen wir diesen Stiel 
nach abwärts, so müssen wir offenbar wieder bald in eine andere 
Mutationsperiode gelangen, und zwar in eine, welche allerdings nicht 
der unmittelbaren Beobachtung zugänglich ist, von der aber noch so 
zahlreiche Ueberreste zu uns gelangt sind, dass wir mit einem hohen 
Grade von Wahrscheinlichkeit schliessen dürfen, dass die Erscheinungen 
in jener Periode in der Hauptsache ähnliche waren wie in der von 
mir beobachteten. Ich meine die Differenzirung der Untergattung 
Onagra und ihrer zahlreichen Arten, wie O. biennis L., O. muricata L., 
O. eruciata Norr. u. Ss. w. Ueber diese hypothetische Periode habe 
ich im ersten Bande, S. 315, bereits gesprochen, und im zweiten Bande 
habe ich gelegentlich der Behandlung der collateralen und avuncu- 
lären Kreuzungen ein mehr ausgearbeitetes Schema entworfen. In 
diesem Schema ist sie als eine zusammengesetzte vorgeführt worden, 
d. h. mit mehreren auf einander folgenden Mutationen auf denselben 
Aesten (S. 470). In unserer Fig. 158 ist diese Onagra-Periode nach 
demselben Muster gezeichnet worden als der auf ihr folgende Strauss 
der Abkömmlinge der Oenothera Lamarckiana. 

Wir können nun offenbar unsere Figur abwärts fortsetzen. Wir 
gelangen dabei zunächst zu der Untergattung Euoenothera, von der 
manche Arten den Species von Onagra zum Verwechseln ähnlich sind 
und sogar oft mit diesen verwechselt werden (z. B. O. odorata mit 
O. suaveolens). Von dieser gelangen wir zu der Gattung Oenothera 
selbst, während andere Untergattungen Seitenzweige bilden, von denen 
Kneiffia (vergl. oben Fig. 54, S. 320) und Xylopleurum als Beispiele 
in Fig. 158 gewählt worden sind. 

An diemehrfach besprochenen Ueberreste solcher vorübergegangener, 
aber doch verhältnissmässig jüngerer Mutationsperioden braucht hier 
nur erinnert zu werden.! Draba verna nach JoRDAN und Rosen (Bd. I, 
S. 121 und Fig. 3 auf S. 15), Viola trieolor (Bd. I, S. 16, Fig. 4) nach 
Wırrrock’s oben mehrfach citirten Untersuchungen (oben S. 96 u. s. w.), 
Hieracium, Rubus, Rosa, Helianthemum und so viele andere Gattungen 


! Nach Wasmann’s schönen Untersuchungen scheinen gewisse mit den Ameisen 
zusammen lebende Coleopteren (Dinardinen) augenblicklich noch im Zustande der 
Mutation befindlich zu sein. Biolog. Centralblatt. XXI. Nr. 22/23. Dec, 1901. 


700 Die geologischen Mutationsperioden. 


mit ihren zahllosen, äusserst nahe verwandten Arten bilden solche 
(Gruppen. STAnDFuss, der auf experimentellem Wege die Beziehungen 
nahe verwandter Arten bei den Insecten erforschte, bedient sich in 


Den. Lam. 


7 
1898 3000 n 90 
1897 Na iR 1800 In 38 29.0 Ts 
78.96 ds Melk 8000 . TE 0 65 
1. 15. 73.16 14000 60n er 176.0 15 
1895 2 X ” 
L 
1897 = l£ 70000 3n Ir 
1889 5l£t 75000 In 


Fig. 158. Stammbaum von Oenothera Lamarckiana, die jährliche Entstehung neuer 
Arten im Versuchsgarten in den Jahren 1889—1899 darstellend. 9 O. gigas, a O, al- 
bida, I# O.lata, n O.nanella, r O. rubrinervis, o O. oblonga, s O. seintillans. Die den 
Buchstaben vorgesetzten Zahlen bedeuten die Anzahl, in der die betreffende Art 
jedesmal auftrat. Die Zahlen an dem Hauptstamme geben den Umfang der Culturen an. 


solchen Fällen des bezeichnenden Ausdruckes „explosiv erfolgende 
Umgestaltungen“.! Jede artenreiche Gattung macht ihm den Eindruck 


' M. Staxpruss, in den oben $. 34 angeführten Schriften, namentlich Experim. 
200l. Studien. S. 39. 


Die Periodieität der progressiven Mutationen. ol 


einer Explosion. Es sieht aus, als ob eine ursprüngliche Art in 
Hunderte von Stücken zersprengt würde. Die einzelnen Stücke, 


alb. lata nan. rubr. ohlonga, scint. 


7900 gigas 7 


1890 SS 
NIC 


> 
Ay 


Denolhera amarckiand 


a Aa N 


NY / y 
Aneiffia SA ; 


NY 
SY - 


Denothera 


NY 


Fig. 159. Schematischer Stammbaum für die progressive Artbildung, ausgehend von 

Oenothera Lamarckiana. Die obere Gruppe ist eine reducirte Form der Fig. 155 und 

enthält dieselben neuen Arten. Onagra ist die Untergattung, zu der die Oen. La- 

marckiana gehört. Euoenothera, Kneiffia und Xylopleurum sind andere Untergattungen 

von Oenothera. Die beiden eingeschalteten kleinen Gruppen von Seitenzweigen sollen 

die mehrfachen zwischenliegenden Mutationsperioden andeuten. Die Figur wäre nach 
unten in ähnlicher Weise weiter fortzusetzen. 


soweit sie am Lieben geblieben sind, sind die jetzigen Arten. Die 
Gattung selbst ist eigentlich nur die ursprüngliche Art, die Sammel- 
art oder Grossart. 


702 Die geologischen Mutationsperioden. 


Unsere Fig. 158 können wir nach unten in ähnlicher Weise noch 
weiter fortsetzen. Von den elementaren Arten kamen wir zu den 
Sammelarten, von diesen zu den Untergattungen und Gattungen. 
Den älteren Explosionen entsprächen die Unterfamilien und Familien 
und alle die höheren Abstufungen des Systems. Wäre das ganze 
System uns lückenlos bekannt und hätte der Stammbaum die Form 
einer gewöhnlichen dichotomischen Tabelle, so würde jeder Ver- 
zweigungspunkt für uns die Stelle eines Arten-Fächers bedeuten, 
von der aber nur die auserwählten und nicht alle die entstandenen 
Seitenzweige in das Bild aufgenommen wären. 

Soviel über die Speculationen, zu denen eine Bejahung der oben 
gestellten Frage (S. 698) führen würde. Im nächsten Paragraphen 
werden wir sehen, wie naturgemäss diese den Ergebnissen der palä- 
ontologischen Forschung entsprechen. Jetzt haben wir aber noch zu 
erörtern, was aus einer Verneinung derselben Frage abzuleiten wäre. 

Diese Verneinung wäre die Behauptung, dass alle Vorfahren 
unserer Oenothera, rückwärts bis zu den Urorganismen, mutabel ge- 
wesen wären. Wir verbinden diesen Satz zunächst mit zwei wichtigen 
Ergebnissen der Erfahrung. Erstens ist die Oenothera offenbar nicht 
die einzige mutable Pflanze. Auch die Tomaten verkehren, nach den 
Untersuchungen von Bartey und von WHrteE, augenblicklich wohl in 
einer solchen Periode, und die Cocospalmen müssen eine solche nach 
ihrer Einführung in den Indischen Archipel durchlaufen haben. 
Ueberall im Pflanzenreiche giebt es Ueberreste von Mutations- 
perioden, und wir würden somit zu einem reich verzweigten Stamm- 
baume gelangen, in welchem, von den jetzt lebenden Explosionsgruppen 
rückwärts, die Linien alle stets nur von mutablen Vorfahren gebildet 
sein müssten. Denn dass die Mutabilität eine ununterbrochene sei, 
ist gerade die Voraussetzung, von der die Behauptung ausgeht. 

Aber nicht alle Pflanzen und Thiere sind jetzt mutabel; gerade 
im Gegentheil ist die Mutabilität eine recht seltene Erscheinung. 
Dieser Umstand lässt sich mit der Theorie der mutablen Hauptlinien 
des Stammbaumes nur so in Einklang bringen, dass man annimmt, 
dass diese Linien seitlich Zweige hervorbringen, in denen das Muta- 
tionsvermögen verloren geht. Oben habe ich, mittelst Kreuzungs- 
versuchen (S. 451), den Nachweis zu liefern versucht, dass in meiner 
Oenothera rubrinervis das Mutationsvermögen für die Nanella-Eigenschaft 
verschwunden ist, obgleich ihre Vorfahren, die echte O. Lamarckiana, 
dieses in erheblichem Grade (zu etwa 1°/,) besitzen. So können wir 
uns denken, dass vielfach die Mutabilität aufhört; es brauchen dazu 
ja, nach den im vorigen Kapitel erörterten Principien, die inneren 


Die Periodieität der progressiven Mutationen. 703 


Anlagen nur aus ihrer schwankenden in eine feste Lage übergebracht 
zu werden. 

Der ganze Stammbaum würde uns dann als ein reich verzweigtes 
System mutabler Linien erscheinen, welche lückenlos zusammenhängen, 
aber überall, wenn ich so sagen darf, umkleidet sind von immutablen 
Seitenzweigen. Diese würden sich etwa zum Stamme verhalten, wie 
die lJaubtragenden Kurztriebe unserer Bäume zu den die Krone bilden- 
den Langtrieben. 

In jeder Gattung und jeder Untergattung gäbe es dann wenigstens 
eine mutable Species, von der die übrigen abstammen, sei es, dass die 
erstere in ihrer Mitte noch lebt, sei es, dass sie bereits ausgestorben wäre. 
In den ersteren muthmasslich seltenen Fällen stimmten diese Mutter- 
arten wohl am nächsten mit den oben besprochenen Gattungstypen 
GÄRTNER’s überein (S. 36), welche janach ihrem Verhalten bei den Bastar- 
dirungen als die centralen oder Urformen der Gattung zu betrachten sind. 

Es ergiebt sich leicht, dass der Gegensatz zwischen den beiden 
Stammbaumbildern, zu denen eine Bejahung und eine Verneinung 
unserer Hauptfrage führen, eigentlich kein prineipieller ist, und dass 
beide sich verbinden lassen, wenn man von ersterem die periodische 
Mutabilität, von letzterem die zahlreichen immutablen Seitenzweige 
als Hauptsache betrachtet. 

Wenden wir nun hierauf die Folgerungen an, zu denen DAnIELE 
Rosa auf paläontologischem Gebiete in, seinen höchst wichtigen Studien 
über die zunehmende Verminderung der Veränderlichkeit in Ver- 
bindung mit der Entstehung und dem Aussterben der Arten gelangt 
ist.! Er zeigte auf Grund einer eingehenden Betrachtung der grösseren 
Stämme der Lebewesen in der Vorzeit, dass die Aussicht auf Er- 
haltung für Gattungen und Familien sowohl, wie für ganze Ordnungen 
überall nachweislich mit ihrem Formenreichthum zusammenhängt. 
Beispiele wie die Zingula, welche seit den cambrischen Zeiteu mit 
höchst geringen Aenderungen bis auf die Jetztzeit am Leben geblieben 
ist, sind äusserst selten.” Dagegen sehen wir überall die kleineren 


! D. Rosa, La riduzione progressiva della variabilita, e i suoi rapporti coll’ 
estinzione et coll’ origine delle specia. Torino 1899. Deutsch von H. BossuArp, 
Die progressive Reduktion der Variabilität und ihre Beziehungen zum Aussterben. 
und zw der Entstehung .der Arten. Jena 1903. G. Carttaneo, I limiti della 
vartabilita. Rivista di Se. Biolog. 1900. Vol. HI. No. 1—2. Vergl. namentlich 
auch E. D. Core, The law of the unspecialized; Primary factors of organie evo- 
lution. Chicago 1896. 

®? Weitere Beispiele bei Huxrey, Proceed. Roy. Inst. III. p. 151 und Povrron, 
Brit. Assoc. 1896, Zool. Section, Presidential Address. Für die Foraminiferen vergl. 
CARPENTER, Introduction to the study of the Foraminifera. 1862. p. XI ete. 


704 Die geologischen Mutationsperioden. 


Gruppen früher oder später aussterben, während nur dort, wo die 
Variabilität, d. h. die Production neuer Formen, in ausgiebigster Weise 
thätig war, die Gruppen sich durch längere Zeiten fortsetzen. Unver- 
änderlichkeit ist das Todesurtheil, nur wer sich den wechselnden 
Lebensbedingungen leicht und rasch und möglichst allseitig anschliessen 
kann, bleibt am Leben. Die artenbildende Variabilität ist so- 
mit nichtin einerimmer und überall vorhandenen Veränder- 
lichkeit begründet, sondern die Folge ganz specieller, in den ein- 
zelnen Gruppen nur zu oft fehlender Bedingungen. 

Wenn man annimmt, dass die Mutabilität in den Hauptlinien 
des Stammbaumes eine ununterbrochene ist, und dass der Verlust 
dieses Vermögens nicht, oder doch in der Regel nicht, rückgängig zu 
machen ist, so ist es klar, dass jeder Zweig des Stammbaumes, das 
heisst also jede grössere oder kleinere Gruppe, zum Aussterben ver- 
urtheilt ist, so bald die mutablen Arten in ihr, durch irgend welche 
Umstände, erloschen sind. Umgekehrt sieht man leicht ein, dass, je 
zahlreicher die mutablen Typen sind, um so grösser die artenbildende 
Variabilität der ganzen Gruppe, und um so grösser die Aussicht auf 
Erhaltung im Laufe der geologischen Zeiten sein muss. 

Ohne eine Entscheidung treffen zu wollen, scheint mir die Aus- 
sicht, dass die Mutabilität sich im Laufe der geologischen Zeiten ohne 
jegliche Unterbrechung erhalten würde, eine so geringe sein, dass die 
Annahme von abwechselnden, mutablen und immutablen Perioden sich 
kaum wird abweisen lassen. Namentlich auch weil sie sich ja mit 
den Ansichten von Rosa keineswegs im Widerspruch befindet. 


$ 13. Die iterative Artbildung. 


Nach allen Anzeichen entstehen die Arten gesellig und treten sie 
in den geologischen Ablagerungen sprungweise auf.! In ausführ- 
lichen Studien hat namentlich KokEn diese Art des Auftretens neuer 
Formen in den geologischen Schichten für unterschiedene Abtheilungen 
nachgewiesen.” Er bezeichnet diese Erscheinung als iterative Art- 
bildung. Eine persistente Art treibt nach ihm von Zeit zu Zeit „Varie- 
täten“, die gleichsam schwarmartig auftreten, während dazwischen mehr 
oder weniger lange Ruhephasen liegen. Er beobachtete dies zuerst bei den 


ı W.O. Focke, Die Pflanzenmischlinge. 1881. S. 509. 

® E. Koren, Paläontologie und Descendenzlehre, Jena 1902, und die dort 
eitirte Literatur. Vergl. namentlich S. 12—13. Vergl. auch W. B. Scott, On 
variations and mutations. Am. Journ. Se. Vol. 48. p. 355. 


Die iterative Artbildung. 705 


älteren Gastropoden, aber auch bei Craniaden, Pectiniden u. s. w. sind 
Fälle iterativer Artbildung beschrieben. 

Es scheint mir einer weitläufigen Auseinandersetzung nicht zu 
bedürfen, um zu zeigen, dass die im vorigen Paragraphen aus den 
unmittelbaren Beobachtungen des Mutationsvorganges abgeleitete Vor- 
stellung sich diesen Ergebnissen der paläontologischen Forschung in 
durchaus einfacher und befriedigender Weise anschliesst, während die 
Selectionslehre nur durch Hülfshypothesen zu der Annahme einer 
Periodicität gelangen könnte. Auch hat Wnrtz, der die betreffenden 
Erscheinungen von der paläontologischen Seite gründlich erforscht 
hat,! jüngst die Congruenz meiner Vorstellungsweise mit seinen dies- 
bezüglichen Folgerungen hervorgehoben.” Unsere Fig. 159 (S. 701) 
könnte ohne Weiteres als schematische Darstellung für die angeführte 
Schilderung Koren’s benutzt werden. In jeder einzelnen Periode 
treten die neuen Formen schwarmartig auf, während die Perioden 
selbst durch Ruhepausen getrennt sind. Nach der Selectionslehre sollen 
sich die Arten in neue umwandeln; nach der Mutationslehre geht die 
Stammart nicht unter, während die Extreme sich fortpflanzen. Im 
Gegentheil sehen wir bei den Öenotheren den Hauptstamm, die 
O. Lamarckiana, ungeschwächt sich vermehren; ihre Abkömmlinge 
haben die grösste Mühe, sich im Freien neben ihr zu behaupten. Die 
Paläontologie kennt aber, wie Koren hervorhebt, zahlreiche Fälle, 
wo die Stammart neben den Zweigarten bestehen bleibt, ja bisweilen 
noch persistirt, wenn diese wieder verschwunden sind. 

Die genetische Verbindung der einzelnen Typen lässt sich durch 
Experimente nachweisen, während sie in der Paläontologie offenbar 
nur aus den verwandtschaftlichen Beziehungen geschlossen werden 
muss. Sonst scheint alles dasselbe zu sein. „Die Schwärme von 
Varietäten und Arten liegen gleichsam stockwerkartig übereinander. 
Aehnliche Formen wiederholen sich, indem sie zu verschiedenen Zeiten 
aus dem konservativen Stammhalter hervorgehen, aber nicht, indem 
sie eine der anderen die Existenz gaben.“®” Die Paläontologie hat 
den grossen Vorzug, die aufeinander folgenden Stockwerke als solche 
unmittelbar nachweisen zu können, die vergleichende Wissenschaft 
leitet sie aus den systematischen Gruppirungen ab, aber das Experiment 
wird wohl stets sich nur auf ein einzelnes Stockwerk zu beschränken 
haben. 


! Cuarres A. Wuıte, The relation of biology to geological investigation. 
Report of the U.S. Nat. Mus. 1892. p. 245. 

2 Ders., The saltatory origin of species. Bull. Torrey Bot. Club. Aug. 1902. 

3 E. Koren, Jahrb. d. k. k. geol. Reichsamt. 1896. S. 40. 


DE VRIES, Mutation. II. 45 


106 Die geologischen Mutationsperioden. 


In der Paläontologie pflegt man die zeitlich aufeinander folgenden 
Einzelformen einer Gruppe, durch welche allmählich ein Typus um- 
gestaltet wird, nach dem Vorgange WaAGEn’s, als Mutationen zu be- 
zeichnen, während man für die gleichzeitig nebeneinander lebenden 
Gebilde, die Strahlen eines Fächers oder die Einheiten eines Schwarmes 
in unserem Bilde, Fig. 159, den Namen Varietäten anwendet. In 
diesem Sinne verhalten sich meine neuen Oenotheren zu ein- 
ander wie Varietäten, zu der Stammform aber wie Mutationen.! 
Doch dürfte die paläontologische Bezeichnungsweise sich in der experi- 
mentellen Wissenschaft als eine sehr unbequeme erweisen, und ist 
der ältere Begriff der Mutationen, wie ihn die Botaniker lange vor 
WaaGEN benutzten, jedenfalls vorzuziehen. Und was Varietäten sind, 
darüber lässt sich immer streiten. ? 


$ 14. Die biochronische Gleichung, 


Die Eigenschaften der Organismen sind nicht unzählbar. Mag 
uns der Bau einer höheren Pflanze oder eines höheren Thieres auch 
noch so verwickelt erscheinen, und mag die Zahl ihrer Factoren 
anfangs fast den Eindruck machen, unendlich zu sein, niemand wird 
bestreiten, dass bei eingehenderer Betrachtung die Organisation zwar 
keine einfache, aber doch eine sehr viel einfachere ist, als es auf 
den ersten Blick den Anschein hatte. 

Auf 25000 Arten von Vertebraten giebt es nur einige Hunderte 
von Organen, auf denen die Variabilität und der Formenreichthum 
beruhen, sagt CopE.? Betrachtet man die dichotomischen Bestimmungs- 
tabellen für die verschiedensten Gruppen von Thieren und Pflanzen, 
so ist man erstaunt über die geringe Zahl von Merkmalen, welche 
zur Identificirung einer Art erforderlich sind. Fasst man für eine 
einzelne Form die Diagnose der Art, Gattung, Familie, Ordnung u. s. w. 
zusammen, so gelangt man doch nur zu der Aufzählung einer ganz 
kleinen Reihe von Kennzeichen. Versucht man es, eine höhere Pflanze 
möglichst vollständig zu beschreiben, so gelangt man mit Mühe zu 
einigen Hunderten von Merkmalen, aber auch unter Berücksichtigung 


' Vergl. H. E. Zıesrer, Ueber den derzeitigen Stand der Descendenzlehre in 
der Zoologie, Jena 1902 und dens. im Zool. Centralblatt. 1902. Nr. 14/15. 

® Vergl. diesen Abschnitt $ 3, S. 643. SAGERET umschrieb die Mutationen 
als „Vari@tes, qui se forment sous nos yeux“. Ann. Sc. nat. 1826. p. 299. 

® E. D. Core, The primary factors of organic evolution. 1896. 


Die biochronische Gleichung. 707 


des inneren Baues,! der latenten Eigenschaften u. s. w. ist es sehr 
schwer, in die Tausende von Charakteren zu gelangen. Den ganzen 
Umfang dieser Schwierigkeit beurtheilt man am besten, wenn man 
berechnet, dass eine solche Einzelbeschreibung Hunderte von Druck- 
seiten erfordern würde. 

Die Zusammensetzung 'unseres Auges ist eine erstaunliche: die 
Reihe von Zwischenstufen zwischen ihm und dem einfachen Pigment- 
flecken ist ungemein gross, und nach der Selectionslehre würde es 
Millionen von Jahren erfordern, um auf dem Wege der gewöhnlichen 
Variabilität von jenen ersten Anfängen zu diesem hohen Grade der 
Organisation zu gelangen.” Aber Murpnuy, BRoors und viele Andere 
haben darauf hingewiesen, dass aus diesen Ueberlegungen noch keines- 
wegs gefolgert werden darf, dass es so geschehen sein muss.? Gerade 
im Gegentheil sollte die ausserordentlich lange Zeit, welche die Theorie 
erfordert, uns vermuthen lassen, dass irgend ein Fehler in die Be- 
weisführung sich eingeschlichen haben könne. 

Hier entfaltet die Mutationstheorie, von allgemeinen Gesichts- 
punkten betrachtet, vielleicht ihre grössten Vorzüge vor der herrschen- 
den Selectionslehre. Habe ich im ersten Abschnitt des ersten Bandes 
versucht, nachzuweisen, dass sie sich den Erfahrungsthatsachen in 
viel besserer Weise anschliesst, hier zeigt es sich, dass ihre Anwen- 
dung auf die grossen Probleme des Lebens frei ist von jenen unüber- 
windlichen Schwierigkeiten, welche von so vielen Forschern der Se- 
lectionslehre vorgeworfen wurden. 

Die Selectionslehre erfordert fast unendliche Zeiten für 
die Entwickelung der Organismen; für die Mutationslehre aber 
genügt die Zeit, welche die physikalische Geologie dem 
Leben zuweist, durchaus. Dieser Satz wurde wohl zuerst von 
Brooxs im Anschluss an Huxrey in völlig klarer Weise ausgesprochen, 
als er zeigte, wie alle diese Schwierigkeiten der Selectionslehre, 
welche nach manchen Forschern bis zu 2500000000 Jahren für 
den ganzen Evolutionsprocess des Lebens erfordert, beseitigt werden 
können, wenn man von Zeit zu Zeit und verhältnismässig plötzlich 
auftretende stossweise Umwandlungen annimmt. ® 

Für die Dauer des Lebens auf der Erde gelangen die hervor- 


! A. Gravis, Rech. anat. sur les org. veget. de ’Urtica dioica. Mem. sav. £tr. 
Acad. Belge. T. XLVII. 1884 und ders. Rech. anat. et phys. sur le Tradescantia 
virginica. Ebendaselbst. 1898. 

® Darwın, Origin of Species. p. 143. 

® W.K. Brooxs, Heredity. 1883. 2. Aufl. S. 283. 

* W.K. Broozs, Heredity. S. 286. 
45* 


708 Die geologischen Mutationsperioden. 


ragendsten Forscher zu einer Periode von etwa 24 Millionen Jahren. 
Haben nun die Vorfahren unserer Oenothera Lamarckiana, 
vom Anfang an, im Mittel in jedesmal 4000 Jahren auch 
nur eine Mutation durchlebt, welche sie um je eine einzige 
Eigenschaft reicher gemacht hat, so kann der Bau unserer 
Pflanze doch schon 6000 Charaktere aufweisen, während die 
vergleichende und beschreibende Wissenschaft kaum jemals 
eine so hohe Zahl für sie zusammenbringen wird. 

Diese sehr einfache Berechnung lehrt uns jedenfalls, dass es sich 
hier gar nicht um fast unendliche Grössen oder um unvorstellbare 
Verhältnisse handelt. Weder die Zahl der durchlaufenen Mutations- 
perioden, noch auch jene der darin erworbenen Charaktere braucht 
unserem Verständnisse unzugänglich zu sein. Vielmehr sind nach 
dieser Auffassungsweise die Erscheinungen solche, dass sie zu immer 
tieferer Erforschung anregen. 

Liegt auch das gewählte Beispiel uns am nächsten, so wollen 
wir an seiner Stelle doch die Beziehung der Organisationshöhe zu der 
Geschwindigkeit des Evolutionsprocesses von einem mehr allgemeinen 
Gesichtspunkte aus betrachten. Ich muss dazu die einzelnen Factoren 
in möglichster Kürze vorführen, und fange mit der biologischen 
Zeit an. 

Die biologische Zeit oder die Dauer des Lebens auf der Erde 
haben viele Forscher annähernd zu bestimmen versucht. Auf sehr 
verschiedenem Wege sind die besten unter ihnen dabei zu Ergeb- 
nissen gelangt, welche in höchst befriedigender Weise übereinstimmen. 
Dadurch erhalten aber die Berechnungen, welche ihrer Natur nach 
stets mehr oder weniger vage sind, doch einen hohen Grad von 
Ueberzeugungskratft. 

Ich entnehme das Folgende! theilweise den grundlegenden und 
anerkannten Forschungen Lord Kruvın’s, theilweise der klaren und 
übersichtlichen Darstellung, welche W. J. Sorzas in seiner Eröffnungs- 
rede als Vorsitzender der geologischen Abtheilung der British Asso- 
ciation in der Versammlung vom September 1900 gegeben hat, und 
zum übrigen Theile den neueren Forschungen von Duors. 

Lord Kevin stützte seine ersten Berechnungen auf die Zunahme 
der Temperatur in den Grubenschachten.”? Doch ist diese Zunahme 


! Eine ausführliche Uebersicht findet sich im Album der Natuur. Sept. 1901 
und in H. Cuarıron Bastıan, Studies on heterogenesis. London 1901. p. I—-X. 
Vergl. ferner Nature. Sept. 1900. Revue Seientifique. April 1901. 

? Sir Wıruıam Tuonsox (jetzt Lord Keıvın), The secular cooling of the earth. 
Transact. Roy. Soc. Edinburgh 1862. Vol. 23. 


Die biochronische Gleichung. 709 
nach späteren Untersuchungen eine sehr wechselnde. Die älteren 
Bestimmungen ergaben 25—37 oder sogar 50 Meter für jeden Grad 
Celsius; in der Gegend der nordamerikanischen Seeen findet man aber 
in einem Schachte von 1396 m eine Zunahme von 1°C. pro 122 m, 
und bei Przibram in Böhmen beobachtete man eine Zunahme von 
einem Grade auf jede 69 m. Da diese beiden späteren Beobachtungs- 
reihen in Gegenden gemacht worden sind, welche von zufälligen 
Wärmequellen jedenfalls weiter entfernt sind als die älteren Gruben, 
so ist anzunehmen, dass die Erde schon erheblich stärker abgekühlt 
ist, als man damals meinte, und die von Lord KELvın angenommene 
Dauer von 20—40 Millionen Jahren erscheint jedenfalls als nicht zu 
hoch gegriffen. 

G. Darwın berechnet, dass die Abtrennung des Mondes von der 
Erde vor mindestens 56 Millionen Jahren stattgefunden hat, und 
GEIKIE schätzte 100 Millionen Jahre als das Maximum für die Existenz 
der festen Kruste. Allgemein ist man der Ansicht, dass dieser Kruste, 
geologisch gesprochen, sehr bald nach ihrer Entstehung die Bildung 
des Meeres gefolgt ist, und dass auch weiter keine sehr lange Zeit 
erforderlich war, um das Wasser so weit abzukühlen, dass das Leben 
möglich wurde. 

Weitere Unterlagen für derartige Berechnungen giebt die Thätig- 
keit der Flüsse. Diese führen bestimmte gelöste Salze dem Meere 
zu. Man kann nun aus ihrem mittleren Gehalte an Kochsalz und 
aus dem Volumen des Wassers, das sie jährlich in’s Meer bringen, 
berechnen, um wie viel der Salzgehalt der Meere dabei zunimmt. 
Man berechnet ferner den ganzen Vorrath an gelöstem Salze in den 
Oceanen und findet durch Division, wie viele Jahre zur Anhäufung 
dieser Menge erforderlich sind. Jory fand in dieser Weise für die 
Flüsse ein Alter von 90 Millionen Jahren. Aber es ist höchst wahr- 
scheinlich, dass das Festland anfangs viel reicher an Kochsalz war, 
und dass die Flüsse es allmählich mehr oder weniger erschöpft 
haben. dass sie somit früher mehr Salz in’s Meer brachten als jetzt. 
SorLtas bringt denn auch das Ergebniss von JorLy auf höchstens 
55 Millionen Jahre zurück.! 

Euskne Duos hat den Kalkgehalt der Flüsse zum Ausgangs- 
punkt seiner Berechnungen gemacht.” Er geht davon aus, dass 


! Ueber diese Berechnungen vergleiche man auch E. Dvzoıs, Kon. Akad. v. 
Wet. Amsterdam. Jan. 1902. S. 503. 

® E. Dusoıs a. a. 0. S. 495 und ferner: a. a. O. Juni und Aug. 1900. Ders., 
Over den Kringloop der stof op aarde. Leiden 1899 und (ver den ouderdom 
der aarde, Kon. Ned. Aardryksk. Genootsch. 1900. 


110 Die geologischen Mutationsperioden. 


Kohlensäure die Quelle für die Assimilation der Pflanzen ist, und 
dass dieser Process der einzige ist, bei dem im Grossen freier Sauer- 
stoff entsteht. Seine Betrachtungen leiten zu der Vorstellung, dass 
der ganze Vorrath an Sauerstoff in der Atmosphäre in dieser Weise 
frei geworden sei. Die Kohlensäure aber wird durch vulkanische 
Wirkungen in die Luft gebracht. Hier angelangt, wird sie zum Theil 
von den Pflanzen zersetzt, zum Theil zerlegt sie selbst die Gesteine, 
und bildet namentlich mit dem Kalk und der Magnesia Salze, welche 
vom Regenwasser ausgelaugt und von den Flüssen dem Meere zu- 
geführt werden. Hier aber werden diese Salze wiederum in der 
Form von Korallenbänken, Muscheln u. s. w. festgelegt, und es ent- 
stehen die mächtigen Kalkschichten, welche einen so höchst bedeu- 
tenden Theil der festen Erdkruste bilden. Die Mächtigkeit, bezw. 
das Volum dieser Schichten lässt sich ganz gut schätzen, und giebt, 
dividirt durch die jährliche Zufuhr, eine Vorstellung von der Dauer 
des ganzen Processes. Führt man die Berechnung nur für den Kalk 
aus, so fand Duos 45 Millionen Jahre; für Kalk und Magnesia 
zusammen aber selbstverständlich eine kürzere Zeit, und zwar 
36 Millionen. 

Zwei weitere Berechnungsmethoden habe ich noch kurz zu er- 
wähnen. HrrmHortz fand, dass die Sonne nur etwa 20 Millionen 
Jahre mit annähernd derselben Energie geschienen haben kann wie 
jetzt, und für diese erste Bedingung des Lebens auf der Erde hat 
man also eine Dauer von etwa dieser Länge anzunehmen. Und die 
am meisten bekannte Schätzung aus der Gesammtdicke der geo- 
logischen Schichten und der Geschwindigkeit des Absatzes, von S0 km 
Schichtdicke und etwa 30 cm Zunahme pro Jahrhundert, führt zu 
der Annahme von 26 Millionen Jahren für die ganze Zeit. 

Etwa 20—40 Millionen bilden also wohl die Grenzen, 
zwischen denen die Dauer des Lebens auf der Erde liegt. Und 
Lord KeLvms, der vor wenigen Jahren die einschlägigen Daten kritisch 
zusammengestellt hat, gelangt zu dem Endschlusse, dass man, vor- 
läufig und mit aller Reserve, diese Dauer auf etwa 24 Mil- 
lionen Jahre feststellen darf.! 

Wir nehmen somit diese Zahl vorläufig und behufs einer mög- 
lichst klaren Vorstellung für unsere Berechnungen an. 

Die zweite Frage ist diese: Wie rasch sind die einzelnen 
Mutationsperioden muthmaasslich aufeinander gefolgt? Daten 
zur Ermittelung dieses Factors haben wir sehr wenig. Die Pflanzen- 


' Vergl. die Uebersicht in Phil. Mag. Jan. 1899. 


Die biochronische Gleichung. zıl 


theile, welche in den Gräbern der Pyramiden neben den Mumien und 
in anderen Denkmälern aus derselben Periode erhalten sind, wie 
Blumen, Blätter, Früchte, Getreide, Stroh und die Unkräuter der Aecker, 
deuten bekanntlich auf ein hohes Alter vieler noch jetzt lebender 
Arten hin. Sehr zahlreiche Arten sind zweifelsohne älter als die 
Pyramiden, und sind somit mindestens während etwa 4000 Jahren 
unverändert geblieben. Die Ueberbleibsel der Pfahlbauten,! die Ab- 
bildungen auf römischen Münzen und zahlreiche andere 'Thatsachen 
führen zu ähnlichen Schätzungen.” Andererseits führt die Seltenheit 
mutirender Pflanzen im Vergleich zu den immutablen, sowie auch die 
geringe Anzahl der artenreichen, schwarmartigen Gattungen und der 
anderen Gruppen im Verhältniss zu den gewöhnlichen Typen der 
europäischen und amerikanischen Floren auf ganz anderen Gründen 
zu Ermittelungen, welche die obigen Folgerungen nur stützen können. 

Wir dürfen also vorläufig wohl annehmen, dass zwischen zwei 
aufeinander folgenden Mutationen im Mittel einige wenige Jahrtausende 
vergehen. 

Allerdings liegt es auf der Hand, vorauszusetzen, dass die Ge- 
schwindigkeit des Evolutionsprocesses keineswegs immer dieselbe ge- 
wesen ist. Einerseits ist zu vermuthen, dass sie im Grossen und 
Ganzen im Anfang rascher war als jetzt.” Andererseits muss es 
Perioden grösserer Mutabilität und Perioden relativer Stauchung des 
Fortschrittes gegeben haben, vielleicht für das ganze Reich der Orga- 
nismen, gewiss aber in einzelnen Stämmen, wodurch einige ihre hohe 
Differenzirung in derselben Zeit erreicht haben, in der in anderen 
Stämmen der Fortschritt nur ein ganz unbedeutender war. Die 
Cambrische Periode theilt die biologische Zeit etwa in zwei gleich 
lange Hälften. Aus der Vorcambrischen Zeit sind uns keine fossilen 
Ueberreste bekannt; im Cambrium treten die wirbellosen Thiere in 
allen wichtigeren Gruppen plötzlich auf, und sind von Pflanzen auch 
die Algen reich vertreten. Nur die Stämme, welche sich auf dem 
Festlande entwickelt haben, gehören, wie es scheint, ganz der Nach- 
cambrischen Zeit an. 

In einer sehr anziehenden Schilderung hat Brooxs gelehrt, wie 
man sich diesen Uebergang aus der fossillosen in die fossilreiche 


1 Osw. Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten. Schweiz. Naturf. Gesellsch. 
1866. Nr. LXVIII, mit 1 Tafel. Ferner C. Schröter und J. Hrer, Lebensbild 
von OSWALD HEER. Zürich 1885. 

2 Beispiele über das Alter von Pflanzenarten findet man bei DE CANDoLLE, 
Geographie botanique II. 1063—1068, 1086 u. s. w. 

3 Vergl. hierüber meinen oben citirten Vortrag. S. 52—57. 


112 Die geologischen ie Sera 


Periode zu denken hat.! In der ersteren war das a re 
auf die oberen Schichten des Meeres beschränkt, so weit die Sonnen- 
strahlen hinabdringen und die Entwickelung kleiner Algen, diese fast 
einzige Ernährungsquelle des Meeres, ermöglichen konnten. Die Thiere 
verliessen damals dieses Gebiet noch nicht; dementsprechend waren 
sie meist klein und von weichem Bau, ohne Theile, welche fossil 
werden konnten. Erst die Entdeckung, wie Brooxs es nennt, der 
Möglichkeit des Lebens auf dem finsteren Meeresboden, auf Kosten 
der herabsinkenden Leichname der Schwebewelt, hat ausgedehnte und 
vielfach wechselnde Wohnstätten dem Leben entschlossen. Erst sie 
war somit die Veranlassung zu einer raschen und reichen Entwickelung 
in jenen zahlreichen Richtungen, welche jetzt noch die Hauptstämme 
der Lebewelt bilden. 

Neben dieser allgemeimen Periode rascherer Evolution nimmt 
BrooRs, mit anderen Forschern, auch noch specielle Zeitabschnitte 
grösserer Variabilität an. Namentlich die Entwickelung der Land- 
thiere und die des Menschen werden von ihm hervorgehoben (a. a. O. 
S. 217). Aber auch sonst deutet die Gruppirung des paläontologischen 
Materiales auf Perioden hin, in denen die Artbildung rascher ge- 
arbeitet hat.? 

Waren in solchen Perioden die einzelnen Mutationen grösser, 
oder folgten sie nur rascher aufeinander?? Diese Frage gehört der 
vergleichenden Anatomie und Systematik an, und braucht hier nur 
angedeutet zu werden. Einige Forscher sind der einen, andere der 
anderen Meinung. Nimmt man grössere Umbildungen für jede einzelne 
Mutation in solchen Perioden an, so kann man sie mit einem be- 
sonderen Namen belegen, und mit SCHNEIDER Descensen nennen.* 
Einen principiellen Gegensatz giebt es dabei nicht, auch können die- 
selben Umprägungen nach SCHNEIDER in gewissen Stämmen den Werth 
von Descensen erreichen, während sie in anderen nur von unter- 
geordneter Bedeutung bleiben. 

Es handelt sich für mich aber einstweilen nur um eine annähernde 
und mittlere Schätzung, und alles bis jetzt Bekannte deutet darauf 
hin, dass die Annahme einiger weniger Jahrtausende den wirklichen 
Verhältnissen am nächsten kommt. 


ı W.K. Brooxs, The foundations of Zoology. 1899. p. 215—237. 

® Die Mutationen und Mutationsperioden. S$. 56; ferner W. K. Brooks, 
Foundations of Zoology. p.218; Cn. A. Wuıte, The relation of biology. p. 296 ete. 

° E. Koken, Paläontologie und Descendenzlehre. 1901. 8. 30. 

* K. C©. Scnseider, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Jena 1902. 
S. 244, 248. 


Die biochronische Gleichung. 713 


Die dritte Frage ist die, nach der Anzahl der elementaren Eigen- 
schaften, welche eine höhere Pflanze oder ein Thier besitzt. Die 
Selectionslehre weist auf fast unendliche Complicationen hin. In meiner 
„Intracellularen Pangenesis“ habe ich auseinandergesetzt, dass 
gerade im Gegentheil die fragliche Zahl gar keine so ausserordent- 
lich hohe sein kann. Denn überall und stets sieht man dieselben 
Eigenschaften bei verschiedenen Organismen wiederkehren, manche 
sogar in weit auseinander liegenden Abtheilungen, selbst bei höheren 
Pflanzen und höheren Thieren. Ich erinnere nur an die Uebereinstimmung 
der chemischen Vorgänge bei der Verdauung im Magen und auf den 
Blättern der fleischfressenden Gewächse. Ranken und Schlingpflanzen, 
untergetauchte oder schwimmende Wasserpflanzen, heterostyle und 
cleistogame Blüthen, Parasitismus und Saprophytismus und zahllose 
andere Beispiele könnten angeführt werden. Ueberall macht die Natur 
den Eindruck, dass sie den ganzen erstaunlichen Reichthum ihrer 
Formen äus einer verhältnissmässig geringen Anzahl von elementaren 
Einheiten aufgebaut hat. Denn fast jede einzelne Eigenschaft findet 
man bei zahlreichen Arten, und ihre wechselnde Gruppirung und Ver- 
bindung mit den selteneren Faktoren bedingt offenbar die ausserordent- 
liche Mannigfaltigkeit der Organismenwelt. ! 

Diese Auffassung vereinfacht, wie man leicht sieht, die Probleme 
in hohem Grade. Auch haben sich ihr seitdem verschiedene Schrift- 
steller angeschlossen, und noch in 'dem verflossenen Jahre spricht 
sich SCHNEIDER hierüber klar aus, indem er auch für die Thhiere fest- 
stellt, dass „die Zahl der histologischen Charaktere keine übermässig 
grosse ist“. ? 

Wie viele elementare Eigenschaften besitzt aber im Mittel eine 
angiosperme Pflanze oder ein höheres Thier? Ich habe es versucht, 
für die ersteren Listen aufzustellen. Jede solche Liste besteht 
aus zwei Theilen. Die erste Hälfte umfasst die Eigenschaften, 
welche bis zu der Ausbildung der ganzen Hauptgruppe erworben 
waren, und ist also für jede Blüthenpflanze dieselbe. Die zweite 
Hälfte umfasst die späteren Merkmale, von den Gruppen und Ord- 
nungen bis zu den Arten und Varietäten abwärts. Man gelangt bei 
einer solchen Arbeit leicht zu einigen Hunderten von Einheiten, dann 
aber wird die Sache immer mühsamer, und stösst schliesslich auf 
vorläufig unüberwindliche Schwierigkeiten. Aber viel mehr als einige 


! Intracellulare Pangenesis. 8. 7. 
® A.a. 0. S. 248. 


% 
x 
a) 
x 


714 Die geologischen Mutationsperioden. 


wenige Tausende von Merkmalen würde man für eine einzelne Pflanze 
am Ende gewiss nicht zusammenbringen. 

Wir gelangen somit zu der folgenden Uebersicht: 

1. Die Anzahl der elementaren Eigenschaften einer 
höheren Pflanze, d.h. also der Mutationen, welche ihre Vorfahren 
vom Anfang an durchlaufen haben, ist am wahrscheinlichsten 
auf einige wenige Tausende zu stellen. 

2. Die mittleren Zeitintervalle zwischen zwei aufein- 
ander folgenden Mutationen sind gleichfalls auf einige wenige 
Jahrtausende zu schätzen. 

3. Daraus ergiebt sich, dass für die ganze Entwickelung des 
Pflanzenreiches und wohl auch des Thierreiches eine Zeitdauer von 
einigen Millionen Jahren wohl ausreicht, oder mit anderen Worten: 

4. Die Mutationslehre bedarf einer längeren Dauer des 
Lebens als der von Lord Kervın auf 24000000 Jahre ge- 
schätzten nicht. 

Diese Sätze können wir in einfachster Weise zusammenfassen, 
wenn wir sagen, dass das Product aus der Anzahl der elemen- 
taren Eigenschaften eines Organismus und dem mittleren 
Zeitintervall zwischen zwei auf einander folgenden Muta- 
tionen bei seinen Vorfahren der biologischen Zeit gleich 
ist.‘ Nennen wir die erstere Grösse M (die Mutationen), die Länge 
der Zeitintervalle Z und die biologische Zeit BZ, so haben wir also 


Mx%- BA 


Diese Gleichung habe ich die biochronische genannt.” Sie 
wird hoffentlich dazu beitragen können, die Bedeutung der elemen- 
taren Einheiten der Organismen klar zu machen, und diese dadurch 
immer mehr in den Vordergrund des Interesses und der Forschung 
zu bringen. Nur dieses soll ihr Zweck sein. 


' Es handelt sich’hier selbstverständlich stets nur um progressive Mutationen. 
®? Die Mutationen und die Mutationsperioden. S. 63. 


Literatur. 
Vorarbeiten und vorläufige Mittheilungen zu diesem Werke. 


I. Variabilität und Erblichkeit. 
a. Intracellulare Pangenesis. Jena 1889. 


b. Fluktuirende Variabilität. 

Ueber halbe Galtoncurven. Ber. d. d. bot. Ges. 1894. Bd. XII. Heft 7. — 
Bot. Jaarboek. 1895. VII. p. 74. — Archiv. Neerl. 1895. T. XXVIII. p. 442. 

Eine zweigipflige Variationseurve. Roux’ Archiv. f. Entwicklungsmechanik der 
Organismen. 1895. II. Heft 1. — Archiv. Neerl. 1895. 

Sur les Courbes Galtoniennes des monstruosites. Bull. scient. France et Bel- 
gique. 1898. T. XXVI. p. 395. 

Eenheid in veranderlijkheid. Album der Natuur. 1898. — Revue de l’Universite 
de Bruxelles. 1898. T. III. p. 5. — University Chroniele. 1898. I. p. 311. 

Over het omkeeren van halve Galton-curven. Bot. Jaarboek. 1898. X. p. 27. 

Ueber Curvenselection bei Chrysanthemum segetum. Ber. d. d. bot. Ges. 
1899. Bd. XVII. Heft 3. 

Alimentation et Selection. Vol. Jubil. Societe biol. Paris. 1899. p. 17. — 
Biol. Centralbl. 1900. XX. Nr. 6. 

Othonna crassifolia (L’Othon). Bot. Jaarboek. 1900. XII. p. 20. 


c. Zwangsdrehungen. 

Ueber die Erblichkeit der Zwangsdrehung. Ber. d. d. bot. Ges. 1889. 
VIIL"S. 7. 

Eenige gevallen van Klemdraai bij de Meekrap. Bot. Jaarboek. 1891. 
III. p. 74. 

Monographie der Zwangsdrehungen. Jahrb. f. wiss. Bot. 1891. XXI. 
S. 13—206, Taf. I—XI. 

Bijdragen tot de leer van den Klemdraai. Bot. Jaarboek. 1892. IV. p. 145. 

Eine Methode, Zwangsdrehungen aufzusuchen. Ber. d. d. bot. Ges. 1894. 
Bd. XII. Heft 2. 

On Biastrepsis in its relation to cultivation. Annals of Botany 1399. XII. 
p- 395. 


d. Erblichkeit der Monstrositäten. 


Sur un spadice tubuleux du Peperomia maculosa. Archiv. Neerl. 1891. 
IEZIORIV. °p: 258.0 
Over de erfelijkheid der fasciatiöen. Bot. Jaarboek. 1894. VI. p. 72. 


716 Literatur. 


Over de erfelijkheid van synfisen. Bot. Jaarboek. 1895. VII. p. 129. 

Erfelijke monstrositeiten in den ruilhandel der Bot. Tuinen. Bot. Jaarboek 
1897. IX. p. 66. 

Een epidemie van vergroeningen. Bot. Jaarboek. 1896. VIII. p. 66. 

Sur la eulture des monstruosites. Cps. rs de l’Acad. des Sc. Paris 1899. 

Sur la eulture des fasciations des especes annuelles et bisannuelles. Revue 
generale de Botanique. 1899. T. XI. p. 136. 

Ueber die Abhängigkeit der Faseiation vom Alter bei zweijährigen Pflanzen, 
Bot. Centralbl. 1899. LXXVII 

Ueber die Periodieität partieller Variationen. Ber. d. d. bot. Ges. 1899. XVII. 
Heft 2. S. 45. 

Over het periodisch optreden van anomalien op monstreuze planten. Bot. 
Jaarboek. 1899. XI. p. 46. 

Sur la periodieit& des anomalies dans les plantes monstrueuses. Archiv. Neerl. 
Serie II. T. IH. 

Over verdubbeling van Phyllopodien. Bot. Jaarboek. 1893. V. p. 108. 


. Mutabilität. 


Over steriele Maisplanten. Bot. Jaarboek. 1889. I. p. 141. 

Steriele Mais als erfelijk ras. Bot. Jaarboek. 1890. II. p. 109. 

De zaadkweekerijen te Erfurt. Het Nederlandsch Tuinbouwblad. 1891. p. 327. 

Gladiolus nanceianus. Het Nederlandsch Tuinbouwblad. Jan. 1892. VIII. 

Tulipa Greigi, ibid. Mei 1892. — Caladium, ibid. Juli 1892. — Caladium’s 
van Aurkep Breuv, ibid. Juli 1892. — Dubbele Seringen, ibid. Sept. 1892. 
— Grootbloemige Canna’s I et II, ibid. Dec. 1892. — Amaryllis, ibid. 
Sept. 1893. IX. 

Sur l’introduetion de l’Oenothera Lamarckiana dans les Pays-Bas. Ned. 
Kruidk. Archief. 1895. VI. p. 4. 

Sur l’origine exp@rimentale d’une nouvelle espece vegetale. Cps. rs. de l’Acad. 
de Paris. 1900. 

Sur la mutabilite de l’Oenothera Lamarckiana. Cps. rs. de l’Acad. de Paris. 1900. 

Recherches experimentales sur l’origine des especes. Revue generale de 
Botanique. 1901. T. XII. p.1. 

Die Mutationen und die Mutationsperioden bei der Entstehung der Arten. 
Vortrag in der Naturforscher-Vers. Hamburg 1901. Leipzig, Veit & Comp. 

Ueber tricotyle Rassen. Ber. d. d. bot. Ges. 1902. Bd. XX, Heft 2. 

On atavistie variation in Oenothera eruciata. Bull. Torr. Bot. Club. 1903. 


II. Elementare Bastardlehre. 


Avam’s Gouden regen (Cytisus Adami). Album der Natuur. 1894. 

Hybridising of monstrosities. Journ. Roy. Hortic. Soc. 1899. 

Sur la feeondation hybride de l’albumen. Cps. rs. de l’Acad. de Paris, 1899 
und Ref. Biol. Centralbl. 1900. 

Sur la f@eondation hybride de l’endosperme chez le Mais. Revue gen£rale 
de Botanique. 1900. T. XII. p. 129. ; 

Sur la loi de disjonetion des hybrides. Cps. rs. de l’Acad. de Paris. 1900. 

Das Spaltungsgesetz der Bastarde. Ber. d. d. bot. Ges. 1900. Bd. XVIIL 
Heft 3. 


er 


Literatur. al 


Ueber erbungleiche Kreuzungen. Ber. d. d. bot. Ges. 1900. Bd. XVII. 
Heft 9. 

Sur les unites des caracteres specifiques. Revue generale de Botanique. 
1900. T. XII. p. 257. 

The law of separation of characters in erosses. Journ. Roy. Hortie. Soc. 1901. 
RaXV. Parts. 

On artifieial atavism. Proceed. Americe. Hortie. Soc. 1902. 

La loi de Mexper et les caracteres constants des hybrides. Cps. rs. de 
l’Acad. de Paris. 1903. 

Anwendung der Mutationslehre auf die Bastardirungsgesetze. Ber. d. d. bot. 
Ges. 1903. Bd. XXI. 8.45. 

Befruchtung und Bastardirung. Ein Vortrag. 1903. Leipzig, Veit & Comp. 


Register. 


Abänderungen, spontane. I, 22. 39. 
Abänderungsspielraum. I, 105. 
Assano. 11, 3. 7. 73. 468. 499. 656. 676. 
ABBInKk-Spaınk. II, 638. 

Axb, d.h. a befruchtet durch b. II, 10. | 
A+b oder a-b. II, 10. 

Abgeleitete Formen. I, 455. 

Abies excelsa, Fasciation. II, 544. 

— Pinsapo x pectinata. II, 676. 
Absterben der Samen, Beschleunigung 
des. I, 186. 
Abutilon. I, 431. 
—, bunt. I, 599. 
Abweichung, anfängliche. 

Acacia. I, 258. 321. 

— cornigera. I, 629. 

— diversifolia. I, 426. 
— vertieillata. I, 629. 
Acacien, Phyllodien-tragende. 
Acclimatisiren. I, 67. 71. 149. 
Accumuliren. I, 369. 

Acer Negundo. II, 391. 

— Pseudo-Platanus, fasciirt. II, 553. 
— —, tetracotyl, Fig. II, 225. 

— —, trieotyl. II, 240. 

— — —, verbändert. II, 233. 

— —, trieotyle Bäumchen. IH, 231. 
— striatum variegatum. I, 611. 
Achillea Millefolium. I, 434. 
— —, einjährig. I, 619. 

— —, rosea. I, 637. 

— Ptarmica. I, 475. 
Aconitum Napellus, fasciirt. 
Actaea spicata alba. II, 485. 
Activer Zustand. II, 374. 
Adalia bipunctata. II, 660. 
Adirondack-Gebirge. II, 598. 
Adnation. I, 349. II, 522. 
Adventive Embryonen. II, 32. 
— Knospen. I, 521. 609. I, 17. 
Aegilops ovata. II, 70. 

— speltaeformis. II, 70. 


II, 52. 54. 


1.418. 


I, 629. 


II, 554. 


|— — torsa, Fig. 


— triticoides. II, 70. 


 Aeseulus Hippocastanum, bunt. I, 598. 
604. 609. 

— —, gefüllt. I, 551. 

— — inermis. I, 45. 

— —, Pelorien. I, 569. 

— —, tricotyl. II, 232. 


Aeusserungen latenter Eigenschaften. I, 
418. 

—, primäre. II, 112. 

—, secundäre. II, 112. 

Affinität, sexuelle. II, 57. 

Affoler. I, 353. 

Agave, bunt. I, 599. 

— vivipara. I, 426. 459. 

— striata aurea. 1, 601. 


Ageratum caeruleum nanum. I, 481. 
— mexicanum. I], 136. 475. 
Agrimonia Eupatorium. I, 369. 

— —, faseiirt. II, 554. 

Agrostemma coronaria. II, 386. 

— — bicolor. I, 454. 470. 

ı— Githago. I], 421. 

— —, faseüirt. I, 553. 


— — —, Fig. I, 550. 

— — x A.nicaeensis. II, 144. 152. 
IT DR. 

I, 456. 470. II. 144. 
I, 225. 389. 

I, 130. 


— nicaeensis. 
Agrotis segetum. 
Ahorn, geschlitztblättriger. 
Aırox. I], 318. 
Ajonc sans Epines. 
Albicatio. I, 601. 
Alnus. II, 13. 
— glutinosa, fasciirt. II, 553. 
— — laeciniata. I, 137. 
Aloe verrucosa. I, 459. 
Alpenpflanzen. I, 452. 
Althaea. II, 36. 

— rosea. I, 643. 
Alyssum maritimum. I, 600. 
— — nanum. II, 379. 
Amann. I, 374. 


11, 211. 


II, 523. 


' Amarantus caudatus, Fig. II, 368. 


mer 


Register. 


119 


Amarantus caudatus x viridis. II, 155. 

— speciosus, erstreifende Samen. II, 
287. 

— —, dreistrahliger Gipfel. 

— —, faseiirt. 11, 553. 554. 

— --, Gabelung, Fig. II, 227. 

—, Keimpflanzen, Fig. U, 226. 

—, pentacotyl. II, 223. 

— —, syneotyl. II, 325. 

—, trieotyl. II, 223. 224. 251. 

— —, Erbzahlen. II, 132. 

—, Trieotylen in der Endrispe. II, 287. 


II, 548. 


— —, Zwillinge. II, 225. 
— trieolor. I, 637. 
Amaryllis. II, 12. 93. 
— aulica. I, 36. 

— equestris. II, 94. 

— Graveana. II, 94. 

— Johnsonii. II, 75. 94. 
— solandraeflora. II, 36. 
— speciosissima. II, 93. 
— vittata. II, 93. 
Ameisen. II, 699. 
Ammon. I, 105. 108. 110. 


Amphisyneotylie. II, 319. 321. 342. 
Amplitude. I, 113. 
Amygdalus Persica laevis. 
Anagallis coerulea. I, 469. 
— —, Samen. II, 377, 
— grandiflora. II, 232. 235. 
— —, Becher. II, 324. 
— carnea. II, 379. 
—, syncotyl. II, 320. 
—, Zwangsdrehung. 
— phoenica x coerulea. II, 676. 
Analyse, hybridologische. II, 200. 
— von Artmerkmalen. II, 436. 
Anatomische Structur der Bastarde. 
IW,.4: 
Anderbecker Hafer. 
Androsace. I, 456. 
Anemone. II, 73. 
— coronaria, halbgefüllt. 
— — plena. I, 419. 
— magellanica x A. sylvestris. 
— nemorosa. I], 475. 
Anethum graveolens. 
— —, Curve. I, 397. 
Anfänge, erste. II, 668. 
Anlage, innere. I, 428. 
—, latent. II, 637. 
— zu Anomalien, latente. 
—, mutable. II, 503. 
—, vieariirende. II, 523. 
— , Zutagetreten latenter. 
Annte. II, 95. 
Anomalie. I, 413. 
—, erste Ändeutung der. 


T, 454. 


II, 324. 


I, 59. 133, 


I, 551. 
II, 73, 


I, 399. 


II, 551. 


I, 428. 


II, 16, 218. 
I Ar. 


 —, häufige. 
| —, taxinome. 


Anomalie aufzusuchen, Methode. II, 230. 
—, erbliche. I, 573. -» 
I, 432. 

I, 460. 
Anpassung, parallele. 
Anpassungen. II, 664. 
Ansteckung. I, 609. 
Antagonistisch. II, 141. 429. 
Antennaria alpina. II, 32. 
Anthemis nobilis. I, 475. 550. 


I, 457. 


Anthyllis Vulneraria alpestris. I, 452. 
Antirrhinum majus. II, 234. 

— — album. I, 494. 

— — Bastarde. II, 36. 

— —, Becher. II, 324. 

— —, Blüthenfarbe, Zerlegung. II, 196. 
— — Brillant. IH, 353. 

— —, bunt. I, 603. 

— —, Cotylbecher. II, 321. 

— —, dreizählige Individuen. II, 219. 
— —, erstreifende Samen. II, 287. 

— — Firefly, Reinheit. II, 381. 

— gelbe /Keiıme.2 1, EM. 

— gestreift, ‚1,351. 609. 

— — luteum, Reinheit. II, 381. 

— —, Pelorien, Fig. I, 138, 569. 

— — x Pelorien. II, 38. 160. 

— —, Schatten. HO, 293. 

— — striatum. I, 494. 

— —, terminale Blätter, Fig. II, 236. 
— —, tetracotyl. II, 228 

— —, trieotyl. I, 231. 297. 

— :—, trieotyle Rasse. II, 275. 

— — var. II, 48. 

— —, Zwergformen. I, 76. 

Apfel. I, 30. 126. 137. II, 13. 391. 
— mit Dornen, wilder. I, 636. 

— Holz-. I, 84. 

— St. Valery. II, 595. 

Apple, Wealthy. I, 127. 


Aquilegia atropurpurea x canadensis. 


II, 59. 84. 
— canadensis x vulgaris. II, 84. 
— chrysantha. I, 468. 
— — grandiflora alba. II, 393. 


—, Früchte von. I, 431. 

— vulgaris x canadensis inconstant. 
I,3. 

Arabis alpina, bunt. I, 604, 613. 

— ceiliata glabrata. I, 454. 

— dentata, zweijährig. I, 618. 

— hirsuta glaberrima. I, 454. 

ArcangELL. I, 609. 

Arctostaphylos alpina. II, 532. 

ÄRENMBERG, vonX. II, 90. 

Argemone grandiflora. II, 239. 

— mexicana. II, 239. 

Armoracia variegata. I, 607. 


720 


Arnieca montana, bunt. I, 603. 
Arum maculatum immaculatum. I, 454. 


Arundo Donax. I. 600. 
Art, Bild der. II, 463. 
—, ceollective. I, 452. 


—, Elemente der. I, 42. 


—, geographisches Centrum. I, 117. 

Artanfänge. I, 298. 

Artbegriff. II, 4. 

— in der Mutationslehre. II, 634. 
praktischer. II, 651. 


Artbildung aus Bastarden. I, 461. II, 493. 


I, 456. 460. 
II, 541. 704. 


—, degressive. 
iterative. 


—, Modalitäten der. II, 636. 

—, progressive. I, 456. II, 464. 
—, retrogressive. I, 456. II, 369. 
—, subprogressive. I, 458. 


II, 
1, 


138. 
488. 


Artbild, Zusammensetzung. 
Artcharakter, einheitlicher. 


Artcharaktere, Nützlichkeit der. I, 48. 

—, Zerlegung der, nach MeExper. Il, 173. 

—, — der. LS: 

Artentstehung, natürlicher Process der. 
, 359. 

Arten. I, 115. 

—, beginsende. I, 416. 450. 

— bildende Variabilität. I, 177. 180. 


, eollective. 

‚ Constanz ‘der. I, 268. 

‚ elementare. I, 451. 455. 

‚ entstehen plötzlich. I, 174. 

‚ Entstehung der. I], 149. II, 483. 

—, Entstehungsweisen neuer. I, 449. 

‚1-2, erblich. I, 178. 

‚ Existenzunfähige. I, 271. 

— in der Cultur. I, 124. 131. 

—, Lins£’sche. I, 43. 

—, neue, constant. I, 304. 

‚ nicht constante. I, 268. 365. 

—, Norm für die Entstehung der. 
182. 

— oder Varietäten, elementare. 

— sind Mischungen. II, 78. 

—, Systematischer Werth der neuen. 
I, 304. 

—, Uebersicht, Entstehung neuer. I, 460. 

— und Varietäten, Unterschied. I, 643. 

—, vorläufige. II, 653. 

Artkreuzungen. II, 468. 

Artmerkmale. I, 44. II. 5. 

—, Entstehung der. I, 42. 149. 

„ nutzlose. I, 147. 

Artemisia Absynthium. II, 234. 

— —, Verbänderung. U, 555 

Arruur. I], 647. 

Aschuerson. I, 477. II, 532. 

Ascidien. I], 152. 338. 349. 359. 


I, 
I, 176. 


I, 44. 116.120. I, 645. 


Register. 


II, 238. 
IT, 235. 


Ascidien, zweiblätterig. 
Asperula azurea, Fig. 
— — setosa. II, 236. 
— — —, trieotyl. II, 223. 

— —, verbändert. II, 234. 
Aspidistra elatior. I, 600. 
Aspidium lobatum. II, 521. 
Asplenium germanicum. II, 501. 
Aster tenellus. II, 239. 

—, syncotyl. II, 320. 

Tripolium. I, 375. II, 161. 549. 
— Adnation. I, 435. 

— x album. I, 153. 

—, Fasciation. II, 544. 

— faseiatum, Curve. II, 565. 
—, Reinheit. II, 385. 
—, verbänderte Rasse. 
—, zweijährig. I, 622. 
Asymmetrische Curve der Syneotylen. 


II, 558. 


1I, 332. 

Atavismus. I, 95. 138. 426. 441. 460. 
II, 15. 34. 428. 487. 607. 

—, Bastardirungs-. II, 200. 

— bei Bastarden. II, 42. 

— bei Kreuzungen. II, 201. 

— der Mischlinge. II, 472. 


durch Hybridirung. II, 490. 

— Kreuzung. H, 533. 

durch Samen. I, 482. 

—, experimenteller. I, 484. 

— im Gartenbau. II; 374. 

— in der Variabilität. .I, 483. 

—, Jugend-. I, 259. 

—, künstlicher. II, 206. 

—, morphologischer. II, 593. 

— nach Kreuzung, Tafel I. II, 43. 

—, physiologischer. |], 482. 

—, phylogenetischer. I, 483. 

— bei Plantago lanceolata ramosa. 
516. 

—, sogenannter. II, 374. 

—, systematischer Werth des. I, 14. 

—- unabhängig von Kreuzungen. II, 537. 

— von Oen. laevifolia. I, 220. 

Atavisten. II, 217. 

—, Auslese von. II, 338. 

—, Ausmerzen der. I, 57. 

—, Bedeutung der. II, 559. 587. 

—, beste Erben. II, 543. 

—, gute Erben. I, 587. 

—, Cultur von. I, 446. 

—, Curve. I, 483. 

—, Erblichkeit. I, 587. 

—, Erbzahlen der. U, 591. 

—, Nachkommen der. II, 567. 

Atavistische Rasse. II, 532. 

— Typus. II, 428. 

— Zuchtrassen. II, 337. 


I 


’ 


Register. [ 


Ataxinom. |], 459. 


Atropa Belladonna lutea. I, 454. II, 664. 
Aucuba japonica. bunt. I, 604. 609. 
Aufschiessen und Nachtfröste. I, 620. 
Aufsuchen mutabler Pflanzen. I, 357. 
—, Mutationen. I, 360. 

— neuer Formen. I, 133. 

Aulax Hieracii. I, 291. I, 491. 
Aurea-Formen. I, 610. 


Auslese. I, 416. 


—, Arten entstehen nicht durch. I, 140. 


— der Arten. I, 150. 

— -- der Hemisyneotylen. II, 335. 
— fortwährende. I, 610. 

—, natürliche. I, 110. 150. 298. 


— von Tricotylen. II, 240. 
Ausnahmen. II, 11. 
Ausnahmstypen von GÄRTNER. 
Aussaat, Grösse der. II, 119. 
Austausch der Anlagen. II, 695. 
Aussterben von Arten. II, 666. 
Austritt aus der Mutationsperiode. 
457. 


II, 54. 


II, 


Auswüchse auf Blättern. I, 459. 
Avena fatua. I, 71. 

Avunculär. II, 469. 495. 642. 
Avunculäre Kreuzungen. II, 469. 
Azalea indica, fasciiert. II, 553. 
— japonica, bunt. I, 609. 

— sinensis. II, 64. 

Baszr, von. II, 662. 

Ballota nigra variegata. I], 611. 
Balsamine. I, 88. 

—, gefüllt. I, 648. 

Baızey. ], 127. 481. UI, 7. 511. 671. 
Bananen. I, 137. 

—, rothe. I, 488. 

Bandgras. I, 598. 

Barbaraea vulgaris. I, 600. 

— —, bunt. I, 601. 608. 610. 
— — floribus plenis. I, 475. 
BarBIEr. 1, 317. 

Barros. 1], 618. 

Bary, pe. I, 123. 143. 287. 
Bastarde. 1, 3. 

—, abgeleitete. II, 11. 78. 

—, Ausseres der. U, 115. 


— bei den Orchideen. II, 61. 
bigenere. II, 655. 
constante. II, 480. 
einseitige. II, 20. 
Eizelle. II, 62. 

excessive Kraft der. 
falsche. I, 31. 

Fruchtbarkeit der. 
goneokline. II, 20. 
intermediäre. II, 19. 


II. 


Ce En u 2 Ahr Be LT} 


I, 12. 


| 


II, 56. 


| 


DE VRIES, Mutation. 


| Bastarde, Kreuzungen vermuthlicher. 
| E97: 
Luxuriiren der. 
mehrfache. 
Menpet’sche. 
mütterliche. 


I, IT, 14: 
j IT, 85. 
{ El, 137. 141. 
; 11, 79: 
‚ Nachkommen der. II, 56. 
‚ ohne Belege. II, 499. 
—, quaternäre. II, 87. 
‚ senäre. II, 87. 
‚ spontane. II, 9. 
‚ternäre. U, 85. 
‚ unechte. II, 31. 
,‚ Variabilität der. II, 47. 
; IR 79: 
11.01. 


väterliche. 
von Bastarden. 
I— — Mais. I, 69. 

| —, weiblich sterile II, 62. 
I 

| 


—, wildwachsende. II, 501. 
|—, Wuchs der. II, 14. 
|—, zweielterliche. II, 79. 


ı Bastardformen, inconstante. II, 74. 

| Bastardgeneration, Einförmigkeit. 

| 122. 

|—, erste. II, 143. 

|—, zweite. II, 151. 

 Bastardirung des Endosperms II, 158. 

|— durch Zufall. II, 656. 

—, Polymorphie durch. I, 35. 

ı—, typische Fälle Menper’scher. II, 369. 

Bastardlehre, gegenwärtiger Stand. II, 
Jar. 

'"Bastardrassen, constante. II, 66. 464.468. 

| —, eonstante Menper’sche. II, 492. 


I, 


ı— des Gartenbaues, variable. II, 88. 
—, Formenreichtum der. II, 91. 

'—, fruchtbare. II, 66. 

—, halbeonstante. II, 74. 

—, variable. II, 489. 

|—, wildwachsende. II, 73. 496. 


| Bastardspaltung, Oen. cruciata. II, 616. 

|, typische. II, 137. 

|—, vegetative. II, 674. 

Bastardvarietäten. II, 9. 

Bastıan. II, 708. 

BAraım. ], 618. 

BATESoNn. 1,.5.202 21. 36.7372.38. 45. 
46. 47. 65. 112. 123. 307. 402. 416. 
431. 553. 643. 647. II, 4. 8. 78. 139. 
373. 537. 662. 693. 

— and SaunDers. II, 193. 

ı Bathmism. I, 46. 

' Baumwolle, Früchte der. 

Becher. I, 337. 348. 422. 

Becherbildung. I, 45. 

ı— mit Syneotylie. II, 324. 

 Rechereotylen. II, 342. 

\ BEppıneHaAus. II, 90. 


I, 431. 
IT, 522. 


46 


12 


Culturbedingungen auf einem. 


Beet, I, 
106. 

— Mittelwerthe ganzer. I, 97. 

— Ungleichmässigkeit. I, 596. 


Befruchtung. II, 671. 
des Embryosackkernes II, 158 
—, doppelte. II, 158. 
— , künstliche. II, 119. 
‚ normale. II, 464. 695. 696. 
— und Kreuzung. II, 464. 

‚ Wesen der. II, 493. 
—, Ziel der. IL, 493. 
Be; gonia. I, 55. 425. 641. 
gefüllt. I, 550. 642. 
_ Phyllomaniaca. I, 459. 
— prolifera. II, 17. 
—, Samenknospen. 
Sedeni. I, 637. 
— semperflorens atropurpurea |], 

Br IE SEHE 

Behaarung, Latenz der. 
Beimischungen. II, 379. 
Beissner. 1, 258. 479. 484. 
Bellevue de Talavera. I, 
Berrı. II, 651. 652. 
Bellis perennis, gefüllte I, 


II, 12. 83. 97. 


II, 17. 
II, 61. 

= 435. 
E47. 


629. II, 533. 
125. 


549. II, 381. 


Benary. I], 549. 

Beobachtungen im Freien. I, 190. 
Berberis. I, 354. 484. 

== Neuberti, Fig. II, 50. 655. 


stenophylla 11, 12. 65. 
— Variabilität 11,003. 
vulgaris. II, 51. 

— purpurea II, 390. 


Bergamotte Sylvanche-Birne. I, 127. 
Bere, van Den. 1], 130. I, 53. 
Bernovzuı. II, 236. 


Berula angustifolia I, 258. 456. 484. II, 
534. 

Beschneiden. I, 644. 

— der Narben. II, 418. 

Beschreibungen, Werth der. 

BEsELER. I, 59. 82. 

Bestäubung, kärgliche. 

Beta. 1. 118, 

— patula. 1I, 663. 

— vulgaris Ciela. I, 453. 

— vulgaris saccharifera, bunt, Fig. 
686. 


IT, 69. 
1.418; 


II, 


Betula alba aspleniifolia. I, 136. 
— — atropurpurea. I], 488. 

— — bunt. I, 606. 

— — laciniata. Il, 382. 
Bewaffnung, Latenz der. II, 147. 
Bewirkung, direete. II, 667. 


Beyerinck. I, 290. 471. 
Bezy de Chaumontel-Birne. 
Biastrepsis Il, 574. 


1197, 


II, 17. 533. 679. | 


2 Register. 


| Bıttor. 


Bibliographie von Bastarden. II, 7. 
Bidens cernua. I, 357. 465. 
grandiflora. I, 547. 
—, Adnation. I, 435. 
—, Curve. I, 397. 404. 
leucantha, Synfise, Fig. 
tripartita I, 138. 465. 
Bild der Art. II, 462. 
Bildsamkeit II, 3. 
I, 567. 
Billbergia. II, 30. 
Biochronische Gleichung. 
Biologische Betrachtungen. 
— Zeit. II, 708. 
Biometrika. II, 660. 
Birnen. TI, 126.. II, 391. 
Bisceutella laevigata glabra. 
Bisexuell. II, 648. 
Bırter. II, 523, 601. 
Brankınsuip. I], 41. 112. 
Blatt, trichterförmiges. 
Blätter, bunte. II, 658. 
gelbgeränderte. I, 345. 
gespaltene. II, 232. 545. 588. 
in der Gabelung. II, 225. 
—, schildförmige. I, 337. 
z terminale. II, 236. 
,‚ zweigipfelige. I, 348. 

Bläitetellun. 11; 259. 
— bei Verbänderung. II, 546. 
—, Einfluss der Trieotylie. 1l, 228. 
—, Störungen. I, 323. 
Blechnum Spicant. 1,4921: 
Blenden. II, 9. 
Blendlinge. II, 7. 9. 648. 
Brev: .I, 35, ‚II, 42.16.32 
Blumen, gefüllte. I, 547. 
—, gestreifte. I, 489. II, 513. 
—, Kreuzungen gefüllter. II, 55. 
Blumenblätter, geschlitzte. II, 358. 
— mit Auswüchsen. I, 350. 
—, überzählige. I, 350. 
Blumenkohl. I, 89. 
Blutbuche. II, 390. 
—, Erblichkeit. I, 139. 
Blüthen auf Blättern. I, 459. 
— auf der Traube. Wahl der. 
— der Oenotheren, Öffnen der. 
—, Farbe der. II, 168. 
—, fleischfarbige. II, 196. 
— kleiner werden auf der Traube. 

413. 
—, polymere. 
—, punktirte. I, 492. 
—, seriale Achsel-. I, 350. 
Blüthenähren, gespaltene. II, 555. 
Blüthenfarbe, Latenz der. II, 146. 
—, Zerlegung der. I, 194. 


- II, 522. 


II, 707. 
18 


I, 45, 454. 


II, 236. 


- 


er 


aan 


VE N 


II, 415. 
I, 225. 


IB 


I, 339. 


kegvster. 


125 
Blüthenknospen, Abwerfen. II, 61. | Bursripge. 1, 89. 
Blüthenköpfehen, kammförmige. II, 549. Burk. II, 658. 669. 
Blüthenkörbchen, gefüllte. I, 547. Burkıtı. ], 112. 113. 643. II, 596. 
Blüthenstaub der Bastarde. II, 63. Buxus sempervirens, bunt. I, 604. 
— aus Knospen. II, 401. 
—, Keimkraft. II, 413. Cactus-Dahlia. I, 130. 
—, Quantität des II, 417. — peruvianus monstrosus. II, 552. 


—, Wirkung geringer Mengen. II, 416. 
Boehmeria biloba. I, 458. 
Bohnenerbse. II, 167. 

Bombyx. II, 34. 

Bonarous. I, 41. 

Bonner. I, 67. 101. 452. II, 523. 686. 
Bonte bladen. II, 685. 

Borner. I, 123. 

BorrapaAıte. Il, 653. 664. 

Bory DE Sr. Vincent. |, 12. 
Bourgeons multiples. I, 350. 

Brannza. II, 27. 
Brassica. I, 453. 

— Napus x B. Rapa. 
— — oleifera. I, 621. 
— oleracea. I, 135. 
— x Raphanus. II, 675. 

Braun. I, 479. 488. 566. 639. II, 571. 
— -ScHIMpEr'sche Reihe. I, 524. 
Braut. 1, 551.2 11, '381. 

Brıpemann, Kencery. 1, 647. 

Brıem. I. 618. 
Brırron and Brown. 
Bronantart. I, 566. 
Bronn. I, 662. 
Browallia erecta. I, 493. 
Broozs. II, 688. 707. 
Brunella hybrida. II, 502. 

— vulgaris. II, 203. 

-— z— alba, Reinheit. II, 385. 
— — pinnatifolia x B. alba. 
Brutknospe. I, 459. 
Bruynıne. 1, 646. 
Bryophyllum. I, 460. 
Buchhaltung. I, 9. U, 53. 
Buchweizen. I, 93. 

Buckeln. I, 219. 321. 

—, Bedeutung der. I, 221. 
Buckman. I, 65. 87. 
Burron. I], 12. 

Bun 12797. 

Bunt. II, 491. 

— oberhalb von Galle. 
—, seetorial. I], 612. 
—, Sorten, Pfropfen. 
— Varietäten. I, 104. 
Buntblätterigkeit. I, 597. 
—, Kreuzung. IH, 355. 

— und Lebenslage. I, 608. 
—, Vererbung. I, 609. 
BursanKk. LU, 53. 655. 


ah 


II, 598. 


II, 388. 


I, 291. 
I, 609. 


II, 680. 


Caladium. I, 35. I, 12. 95. 488. 
—, Bastarde. II, 16. 

— bicolor. II, 95. 

—, bunt. II, 16. 

— Houlleti. II, 95. 

— Verschaffelti. II, 95. 

—. Wendlandi. II, 95. 
Calamintha, Pelorien. I, 570. 
Calceolaria. I, 569. 688. 

— plantaginea. II, 17. 
Calendula offieinalis. I, 548. 


Calliopsis bicolor nana. I, 257. 

— Drummondi. II, 351. 

— tinetoria X brunnea. II, 156. 381. 
— —, Fig. IH, 38. 

— — fistulosa. II, 351. 381. 

—ı Be. 10 393; 


— — pumila purpurea. I, 139. 
Calluna vulgaris, bunt. I, 603. 
Caltha. I, 129. 

— palustris. I, 137. 426. 430. 475. 
— —, Curve. I, 429. 
Camellia japonica. I, 426. 
— — geestzeilt.. 1 641. 

—, gefüllt. I, 551. 
Campanula persieifolia alba. 
— pyramidalis alba. I, 468. 
— rotundifolia. I. 434. 629. 
CANDOLLE, DE. I, 21. 88. 116. 124. 308. 


I, 468. 


432. 453. 459. 475. 552. 567. II, 10. 
41. 95. 544. 652. 
—, Arpa., DE. I], 62. 
—, CAsımir, DE. |], 337. 
Canna. I, 42. 
—, Bastarde. II, 48. 
— hybrida, grossblumige. II, 96. 
—indiea I, 95: 
— „Madame Crozy“. II, 89. 96. 
— nepaulensis. II, 95. 
— Warezewiezi. II, 95. 


Cannabis sativa. II, 216. 

—, Ernte grosser Exemplare. II, 288. 
— ohne Plumula. II, 323. 

—, tetracotyl. II, 228. 

—, trieotyl. II, 224. 271. 281. 

—, trieotyle Kreuzungen. II, 300. 

Capsella Bursa Pastoris. I, 357. II, 663 


— = apetala.® I, A718: 
— Heegeri. 1, 358.477. 643. 
— rubella.. II, 657. 


— — x bursa pastoris. II, 60. 


46* 


724 Register. 
Careinus moenas. I], 402. 

Carlina acaulis. I, 636. 

— — caulescens. I, 452. 


Carpinus Betulus, bunt, Fig. 

— — heterophylla. I], 489. 

Carson. II, 664. 

CARRIERE. 1], 65, 257. 418. 485. 487. 611. 
II, 18. 196. 391. 

Carver. II, 485. 663. 

Caspary. I], 459. II, 553. 

Castanea vesca, beblätterte Kätzchen. | 
II, 638. 

— —, bunt. I], 604. 

Casuarina quadrivalvis torsa, Fig. 1], 
577. 

Catacorolla. I, 420, 425. 

Catananche coerulea alba. 

CATTANnEo. II, 666. 703. 

Cattleya. II, 35. 

ÜELAKOWSKY. 1, 429. | 

Celosia eristata. I, 88. 129. 370. 4383. | 
II, 392. 561. 

— — trieotyl. II, 240. 

— —, untere Samen. I, 647. 

— — variegata. I, 491. 

— —, vierstrahlig. II, 548. 

Centaurea Cyanus. I, 94. 643. 

— —, braun. I, 492. 

— —, gefüllt. I, 549. 

— nigra. 1], 357. 

— Scabiosa alba. I, 468. 

Centhranthus macrosiphon, Cotylbecher. 
I, 321. 

— —, 37°], Syneotylen. II, 320. 

— —, Zwangsdrehung. II, 324. 

Cephalotaxus pedunculata fastigiata, Fig. 
I, 486. 

Cerinthe. II, 239. 

— gymnandra, syncotyl. II, 320. 

Chamaedorea Ernesti Augusti. II, 50. 

— Schiedeana. II, 50. 

CHANDERE, I], 26. 

Changed conditions of life. 

Crantın. I, 95. 

Charaktere, ältere. II, 428. 

—, ungepaarte. II, 468. 

—, Werthschätzung der. 

Cnatf. 1], 581. 648. 

Cheiranthus Cheiri. 

— — nanus. I], 257. 

Chelidonium. I, 101. 

— Jlaciniatum. I, 45. 133. 456. 

— majus X C. laciniatum. II, 37. 145. 

II, 156. 203. 


1I, 681. 


I, 468. 


I, 145. 


II, 23. 
II, 95. 
I, 600. 


— —, latipetalum, Fig. I, 470. 
— —, Keimpflanzen von. I, 156. 
— — plenum. I, 647. 

en ie‘ 1,688; 


Chenopodium album, trieotyl. II, 240. 
243. 

— —, trisyneotyl. II, 323. 

Cheribonrohr. I, 104. 475. 

Chlorotische Triebe. I, 609. 

CHoLoDkKovskY. II, 668. 

Chromatophor. I, 599. 

Chrysanthemum. II, 88. 97. 

— carinatum. II, 393. 

— — aureum. I], 601. 

— coronarium. 1, 467. 470. 

— —, Fig. 1, 548. 

— — album. I, 469. II, 392. 

— — x album. II, 154. 

— indieum. I], 71. 549. 642. 

— inodorum. I, 528. 

— —, bunt erblich. I, 611. 

— — plenissimum. I, 524. 

— — —, Fig. ], 540. 

— — -—, trieotyl. II, 239. 

— Leucanthemum. I, 528. 

— —, fasciirt. I, 554. 

— Myeconis, trieotyl. II, 240. 

— Parthenium. I], 601. 

— segetum, bunt. I, 603. 

— — x (Ü. coronarium. - II, 337. 

— —, Curve. I, 107. 397. 

— — — der gemischten Saat, Fig. II, 
349. 

— —, fasciirt. II, 553. 

— — fistulosum. II, 349. 351. 384. 

— — —, Reinheit. II, 386. 

— —, gelbe Keime. I, 614. 

— —, Gloria. I, 523. 

— — grandiflorum. I, 523. 546. 

— —, Partialeurve. 1, 532. 


II, 548. 


|— — plenum. I, 523. 


— — —, Strahleneurve. I, 402. 536. 
— —, Variationseurve. II, 348. 

— —, Verzweigung. I, 544. 
—, Vergleichung mit Mais. 
— Strausfeder. I, 421. 
Cineraria eruenta. II, 342. 
— L, Nebenköpfchen. I, 547. 


I, 543. 


Cirsium. I, 17. 11, 54. 499. 
Citrus: II, 32 

—, Bastarde. II, 35. 50. 676. 
— trifoliata. II, 35. 


Clarkia elegans. I, 459. II, 238. 394. 
— —, syncotyl. II, 320. 

— pulchella. II, 178. 228. 268. 

— — xalba. II, 154. 

— — alba, tricotyl. II, 239. 

— —, Atavisten. II, 283. 

— — carnea. I], 470. II, 196. 

— —, Fig I, 274. 
— —, gelbe Keime. I, 614. 
— —, gestreift. I, 493. 


ie 


Register. 125 


Clarkia elegans, gestreiftblüthig. 1,511. | Correlation. I, 85. 113. 373. II, 493. 


— —, syncotyl. II, 320. 
— —, trieotyl. IH, 281. 


— —, tricotyle Rasse. II, 273. 147% 158.2. 1000.1933%7 313.24466116. 
Cros. I, 256. 340. 426. —, Spaltungen bei Erbsen. II, 167. 
Clematis recta. I, 475. Corydalis pumila. 11, 501. 
CocKAYNE. II, 664. — solida peloria. I, 139. 567. 
Cocospalme. II, 511. Corylus. I, 479. 
Coelebogyne. II, 32. — Avellana. I, 488. 
Coffea arabica. II, 236. | — tubulosa. I, 488. 
Collateral. II, 469. 495. 642. | Cosson EwArr. II, 43. 
Collaterale Kreuzungen. II, 469. | Costantın, J. I, 19. 62. 65. 71. 128. 
Colleetivarten. I, 33. 171619, 633. 
Collinsia bicolor. II, 235. | Costerus. I], 567. 568. 641. 
— —, Zwangsdrehung. II, 324.  Cotylbecher operirt. II, 322. 
— grandiflora. II, 234. | Cotylen, Stiele. II, 253. 
— —, Zwangsdrehung. II, 324. | Coureur, Le. I, 125. 
— heterophylla. II, 232. 234. 235. Crab. II, 592. 
— —, faseiirt. II, 553. Crataegus nigra, fasciirt. II, 553. 
— —, Zwangsdrehung. II, 324. |— Oxyacantha coceinea. II, 390. 
— violacea. II, 234. 235. Crepis biennis. I, 357. 
Combinationscurve. I, 415, 430. — — faseiata, Curve. II, 565. 
Combinationstypen. I, 416. II, 453, 481. — —, Faseiation. II, 544. 
Commelina tuberosa. I, 493. |— —, faseiiert. II, 549, 553. 
Compositen. I, 397. — —, verbänderte Atavisten. II, 560. 
Compositenköpfehen. I, 370. — — — Rasse. II, 556. 
ComteE. II, 89. Crinum. II, 72. 
Conditions of life, changed. I, 27. | Cronesteyn. I, 575. 
Coniferen. I, 487. Cross, a single. II, 14. 
—, bunt. I, 606. | Crousse. II, 89. 
Cox. II, 665. 668. ICrozy. I, 43. II, 48. 95. 
Conquest. I, 523. II, 531. | Cruciata-Merkmal. II, 593. 
Constanz, absolute. I, 464. "Cruciate und gestreifte Blumen. II, 607. 
— der Arten. I, 145. Örueiferen. 1, 457. 
— — Bastarde. II, 74.  Cryptomeria japonica monstrosa. II, 546. 
— — Mutationsbastarde. II, 422. |— —, Atavismus. II, 674. 
— neuer Varietäten. I, 463. ' Cueubalus viscosus. II, 646. 
—, nicht absolute. II, 526. Cuceumis. II. 61. 
— und Variabilität. I, 370. — sativus. I, 459. 
— von Oen. nanella x. II, 423. Cueurbita Pepo, verbreitert. II, 555. 
Continuirlich. I, 38. Cv£nor. II, 373, 693. 
Continuirliche Reihen. I, 305. Cultur, anfängliche. I, 64. 
Convallaria majalis, bunt. I, 599. 608. | —, Erfordernisse der. II, 330. 
Convarianten. I, 37. '— in Keimschüsseln. II, 253. 
Convolvulus tricolor. I, 494. — zweijährige. II, 549. 
— — grandiflorus. II, 393. N gen auf einem Beete. 
— — neu. II, 394. I, 106. 
Cook. I, 511. Culturen, Ausdehnung der. II, 262. 
Core. I, 46. I, 703. 706. Culturpflanzen, Fortschritt der. I, 55. 
Coreopsis tinetoria. I, 420. 467. | Cunnıneuam. TI, 43. II, 662. 
— —, Curve. I, 397, 404. Cuphea purpurea nana. I, 257. 
Coriandrum sativum, Aseidie. Fig. II, Curve, asymmetrische. I, 431. 

326. —, Dimorphie der. II, 283. 
— —, Curve der Individuen. I, 404. |—, doppelte halbe. I, 433. 
— —, Strahlencurve. I, 408. ı— der Halbrassen. I, 423. 
Corinthen. I, 137. —, halbe. I, 38. 45. 339. 343. 347. 
Cornus mas, gelber. II, 390. 428. 585. 
— sanguinea, bunt. I, 604. 609. ‚—, mehrgipfelige. I, 307. 


| CORRENS. 


Correlative Variabilität. I, 113. 
110232 8:520748.711331397142. 


726 


Curve, Schwankungen der. I, 377. 
— der Trieotylen, Schweif. II, 285. 
— — —, zweischenkelige. I, 283. 
Curvenselection. I, 526. 

Cuvette und Curve. I, 34. 
Cyelamen. I, 459. 

— latifolium. I, 134. 

— persicum. I, 425. 492. 

Cyperus alternifolius. I, 600. 
Cypripedium caudatum. II, 39. 

— —, pelorisch. I, 566. 
Cynips Kollari. I, 600. 
Cynoglossum offieinale. 
— — bicolor. I, 454. 
Cytisus Adami. II, 59, 676. 

— —, Samenknospen. II, 61. 
— Laburnum, Pelorien. I, 569. 
— — quereifolia. I, 489. 

— prostratus. I, 454. 


Dahlia. II, 88. 97. 

—, Atavismus. II, 673. 
—, Caetus-. I, 130. 
—, gefüllte. 1], 130. 
—, grüne. I, 137. 

— striata nana. I, 40. 467. 

— variabilis fistulosa. Fig. I, 480. 
— — ohne Plumula. II, 323. 

— —, syneotyl. II, 320. 
— — viridiflora. I, 473. 
Daisy, Hen and chicken. 


I, 357. 


II, 673. 
II, 381. 


Danebrog, dänisches Feldzeichen II, 164. 


Danıer. _I, 113. U, 679. 
Daphne Mezereum album. I, 454. 
Darwin. I, 12. 19. 65. 418. II, 13. 14. 


18. 44. 62. 160. 
Datteln ohne Kerne. 
Datura. I, 93. 

—, Bastarde. II, 12. 
— Bertolonii. II, 183. 201. 

— ferox x D. Bertolonii. II, 201. 
— — xD. laevis. II, 43. 

— laevis. II, 183. 239. 

— — xD. ferox. LI, 43. 

— quereifolia. 1I, 44. 

— Stramonium. I, 119. 225. 

— —, Abfallen der Blüten. 
— — inermis. I], 22. 470. 
— — xD. laevis. 1, 675. 
— — xD.S. inermis. II, 37. 

— — xD. Tatula. I. 42. 

— Tatula. I, 14. 22. 

— — xD. inermis. I, 183. 

— — inermis. ]J, 138. 

— — xD. Stramonium. II, 144. 
Daueus Carota. I, 65. 357. 

— —, einjährig. I, 621. 
Dauer des Fortschrittes. 


II, 669. 


IL, 61. 
II, 183. 


1.1.88, 


Register. 


Dauerformen. I, 145. 


Dauertypus. I, 109. 

Davenrorr. 1, 41. 112. 308. 374. 416. 

| Decaısse. I, 481. II, 391. 515. 

ı December, Aussaaten im. II, 130. 

Deeidirte Typen, Gärtner. Il, 27. 

Defarination. II, 147. 368. 

Degressive Merkmale. II, 367. 

Deilephila. II, 34. 

DerAce. II, 517. 535. 622. 670. 

DELBoEUF. I, 147. 179. 

Delila. II, 197. 

 Delphinium Ajacis. II, 380. 489. 

ı— Consolida. I, 468. 

— — striatum plenum, Fig. I, 490. 

— — zweijährig. I, 618. 

— hybridum. II, 485. 

Derrino. I, 131. 220. 258. 443. 456. 
566. II, 389. 

Demoor. II, 669. 

Denudation. II, 147. 368. 


Depigmentation. II, 146, 368. 
Descendenzlehre, experimentelle. I, 146. 
DesronTames. 1], 316. 

Devarianten. I, 37. 

Dextrin. II, 113. 159. 

Dianthus. II, 36. 

— barbatus. II, 232. 380. 

— — x chinensis, Inconstant. II, 75. 
— — nanus. I, 257. 

— — x prolifer. II, 27. 

— —, seetorial bunt. I, 612. 

— — torsus. II, 584. 
— —, trieotyl. IH, 231. 
— — var. I], 474. 

—, Bastarde. II, 59. 
-— Caryophyllus, gefüllt. 
— — nanus. I, 257. 
— chinensis x barbatus. 
— Greivi. I, 27. 

— Heddewigii. II, 381. 
— plumarius. II, 234. 235. 
— superbus x D. arenarius. 
— — x barbatus. II, 84. 
Dichtsaat. II, 550. 
Dickköpfe. I, 170. 
Differenzirung, zunehmende. II, 636. 
Digitalis. I, 129. II, 13. 36. 380. 
— lutea. II, 17. 548. 

— parviflora alba. I, 468. 


- 


I, 551. 


II, 84. 


IL; 78. 


— purpurea x lutea. II, 54. 59. 
— — monstrosa. I, 567. 

— , sterile Bastarde. II, 59. 
Dihybriden. II, 111. 180. 

Dill. I, 39. 

Dinardinen. II, 699. 
Dimorphie. II, 518. 522. 
Dixerer. II, 546. 


Ma VE Be ne 


ae 


nn 


1er 


en 


Register. 


727 


Diplaeus. II, 657. | 
Diepe. 1, 74. 82. | 
Dierer. I, 679. | 
Dipsacus laeiniatus. II, 348. | 
— laeciniatus torsus. II, 577. 


sylvestris, einjährig. I, 619. 

— torsus. II, 579. 

— — xD. fullonum. II, 592. 

— —, einjährig. II, 575. 

— —, Fig. LH, 570. 

— —, Querschnitt. 

—, trieotyl. 1, 231. 

— —, zweijährig. I, 620. 

Diseoidea-Formen. I, 465. 548. 

Diseontinuität. I, 65. 

Dorro. I, 46. 

Dominanz, unvollkommene. 

Dominirend. I, 141. 

Donkeuaar. 1, 130. II, 97. 

Doppelprüfung. II, 131. 

Doppelrassen. II, 522. 584. 586. 626. 
640. 

Doppelzählungen der Erbzahlen tricotyler 
Rassen. II, 137. | 

Dovner-Avanson. II, 675. 

Draba. II, 497. | 

— leptophylla. I], 121. | 

— verna. I, 15. 41. 143. 298. 355. 

Draeocephalum moldavieum. II, 230. 

I trieotyl. II, 231. 243. 287, 

— — , Zwangsdrehung, Fig. 

— speciosum. II, 230. 

DRECHSLER. 

Dreyer. II, 662. 

DrıescH. II, 662. 691. 

Drosera filiformis x D. intermedia. II, 26. 

— oboyata. II, 502. 

Drvery. 1, 647. 

Dusoıs. II, 708. 709. 

Duchesne. II, 42. 

Dvnamer. II, 485. 

Duncker. I, 5. 36. 47. 51. 112. 113. 114. 
123. 309. 374. 

Düngung. I, 633. II, 290. 

—, Crepis biennis fasciata. II, 561. 

— der Mutterpflanzen. I, 373. 

—, Einfluss auf Tricotylie. II, 314. 

—, Oen. Lamarckiana. I, 155. 

Düngungsverhältnisse. I, 100. 


II, 572. 


II, 162. 


Echium vulgare, fasciiert. II, 553. 


Eiche, bunt. II, 672. 
EıcHzer. 1, 568. 
Eigenbefruchtung. II, 606. 


Eigenschaft, Andeutung einer neuen. I, 
Shke 
—, ältere. 
—, invariable. 


133% 
I, 450. 


” 
’ 
’ 
’ 
’ 
| ’ 
|—, Liste der. 
, 
, 
’ 
) 
? 


|—, neue. 
ı Einjährigkeit. 


ı Einwanderung. 


| Eizellen der Hybriden. 


1482: | 


ı Eliterasse. 


Eigenschaften, Anzahl der elementaren. 
II, 467. 636. 

— in Gruppen, elementare. II, 115. 

constante. II, 461. 

Erblichkeit erworbener. I, 95. 

erworbene. I, 91. 95. 150. 

inconstante. II, 67. 

innere. II, 5. 461. 

latente. I, 421. 422. 

II, 24. 

semilatent. I, 422. 

unabhängig von einander. 

ungepaarte. II, 467. 

unisexuelle. II, 468. 

II, 669. 

—, unzerlegbare elementare. 

Einheiten. II, 5. 

— des natürlichen Systems. 

II, 488. 

I, 617. 

Einseitige Bastarde. II, 18. 73. 

I, 467. 

Einzelprüfungen, Mittel von zwei. 
129. 


1155435. 
unnütze. 
II, 442. 


1116. 


II, 


I 173: 

Election. II, 667. 

Elementare Eigenschaften, Anzahl der. 
eds: 


— Arten, constant. I, 175. 
— Eigenschaften. II, 5. 334. 
Elemente der Art. I, 3. 119. II, 3. 


El&ments. de l’espece. I, 453. 455. 
Elimination. II, 667. 

Elite. 1.782) 11,66% 

1.29: 

Eliterüben. I, 90. 

Eltern, genauere Kenntniss der. II, 15. 
Embryonen, adventive. II, 32. 

Eumery. II, 662. 668. 

Empetrum nigrum. I, 454. 
Empfindliche Periode. I, 114, 638, 
Endosperm, runzlig. II, 113. 
Endospermbastarde. II, 158. 

EnGLER. II, 40. 
Enothere od ırante. 
Ensınk. II, 584. 
Entblätterung. I, 341. 
Entstehen neuer Arten. I, 131. 
I, 334. 


I, 316. 


Entwickelungsstufen. 
Epi-Cattleya. I, 35. 
Epidendrum. II, 35. 
— O’Brienianum. II, 32. 

— radieans x E. evectum II, 72. 
Epidermis. II, 27. 

Epi-Laelia. II, 35. 

Epilobium hirsutum. TI, 641. 

— — erueiatum. II, 601. 

— —, faseüirt. II, 553. 


728 


Epilobium hirsutum, syncotyl. II, 320. 
— —, trieotyl. II, 240. 
— scaturigerum. II, 502. 


150) 


— tetragonum x E. montanum. II, 72. 


Epiphronites. II, 35. 
Equisetum Telmateja, Fig. II, 536. 
— —, Zwangsdrehung, Fig. II, 576. 


Erbgleich. II, 142. 397. 

Erbkraft der Cotylvarianten. II, 240. 
Erblichkeit, latente. I, 336. 

Erbse. I, 87. 

—, Erfurter Folger-. II, 167. 

—, Kneifel-. II, 167. 

—, purpurviolettschotige. II, 167. 


Erbungleich. II, 428. 
Erbungleiche Kreuzungen. II, 142. 
Erbzahl. II, 117. 347. 400. 

‚ Abhängigkeit von verschiedenen 
Ursachen. II, 411. 

—, Abnahme nach oben. 
— auf den Zweigen. II, 
— der Verbänderungen. 
— der Lata-Familie. II, 
— der Seitenzweige. II, 
—, hohe. II, 420. 

— in den ersten Samen. II, 286. 
— in der Traube. II, 412. 


399. 


11,41%. 
285. 
II #558. 
406. 
416. 


— künstlich zu verändern. II, 412. 
—, Methode der. II, 111. 

— tricotyler Rassen. II, 219. 285. 
— von Oen. lata. II, 401. 

— von Oen. nanella. II, 406. 


— von schwächeren Pflanzen. II, 414. 

Erdbeere „Reus van Zuidwijk“. I, 481. 

Erde in den Schüsseln sterilisirt. I, 196. 

Erfurt. II, 394. 

Erfurt's Handelsgärtnereien. 

Erica Tetralix, bunt. I, 603. 

Ericaceen, Tetraden. II, 64. 

—, weissbeerige. II, 532. 

Erigeron bellidiflorus. II, 548. 

Eritrichium nanum leiospermum. I, 454. 

Ernährung begünstigt die Anomalie. |, 
627. 11, 523. 

— des Samens. 

— und Zuchtwahl. I, 368. 

— — —, Curven. I, 384. 

Ernährungsmodifikationen. I, 91. 95. 

Ernährungszustand der Mutter. I, 96. 

Ernst. I, 476. 

Ernte, Anfangs-. II, 287. 

—, Beschränken der. II, 288. 

—, Einzel-. I, 117. 

—, grössere. II, 285. 

—, ideale. II, 120. 

—, Jahr der. II, 286. 

—, theoretische. II, 117. 

Erodium eicutarium. I, 454. 


1], 219. 


I, 373. 


Register. 


| Erodium eieutarium album. I, 469. 
 Erschüttern. I, 353. 
Erstarkungssprosse. I, 640. 

Erste Jahren der Cultur. I, 145. 
Erwachsene Blätter junger Rosetten. 1, 
207. 
Esimpler. 
Especes affınes. 

Essences speeifiques. II, 173. 

Eucalyptus eitriodora. I, 459. 

'— Globulus. I, 258. 629. 

Euoenothera. II, 58. 

Eupatorium ecannabinum, bunt mit Galle. 
I, 291. II, 490. 

Euphorbia exigua. 

— ipecacuanha. 

Euphrasia. I, 66. 

Euthymorphose. II, 664. 

Evolution disecontinue. I, 46. 

Evonymus japonicus, bunt. I, 604. 609. 

— —, faseiirt. II, 552. 553. 

Erythraea Centaurium album. 

Ewarr. J. Cossoxn. II, 490. 535. 


I, 648. 
I, 367. 


I, 453. 
II, 664. 
II, 497. 


II, 386. 


Explosion. II, 701. 
Fasee. II, 70. 
Fagus. I, 101. 


— , Blutbuche zu Buch am Irchel. I, 136. 

— sylvatica aspleniifolia. I, 136. 479. 
488. 3 

— —, Becher. I, 324. 

—, bunt. I, 606. 609. 

—, dreikeimblätterig, Fig. 

—, syncotyl. Fig. 11, 323. 

—, tricotyl. II, 240. 

Fahnenblätter. I, 257. 

Faırcuıud. I], 598. 

Falter. I, 307. 

Familie, Oen. Lamarckiana. I, 154—157. 


= II, 232. 


Familien. I, 359. 360. 

— bei der Cultur der Zuckerrüben. I, 
154. 

Farbe der Blüthen. II, 194. 

— der Samen. II, 193. 

Farbvarietäten. II, 195. 487. 

' Farne, kammförmige. II, 520. 

—, Varietates cristatae. I, 433. 

—, zerschlitzte. I, 647. 

Fasciirte Kaiserskronen. I, 129. 

Fasciation. I, 152. 324. 458. 

Faseiationen an Tricotylen. II, 234. 


—, Erblichkeit. II, 541. 
Fedia scorpioides. II, 236. 
 Fehlergrenze. 1, 131. 
Fehlerquelle. II, 11. 118. 

‚ Fiearia ranuneuloides. I, 643. 
Fichte, astlose. I, 475. 
Fieus-Arten, kriechende. 


I, 32. 


Register. 


- 


129 


Filament am Griffel angewachsen. I, 351. 
Fixiren. I, 369. 421. 493. II, 376. 390. 
— neuer Varietäten. II, 394. 
Fixirung. I, 601. 610. 
Flachs. I, 128. 
Frauaurtr. II, 498. 
Flechten. II, 523. 
FLEEMING JENKIN. 
Flieder. I, 130. 
-, gefüllter. I, 421. 
— —, Fig. 4, 55. 
Flora Europae. I, 19. 
Fıor. I, 686. 
Fluctuirende Variabilität. I, 37. 
HockR.. I, 599.” "IL, 3.2.97 62. 
497. 657. 
— über Menper. II, 138. 
Foraminiferen. II, 705. 
Forfieula. I, 402. 
Forma genuina. I, 452. 
Formen, Bildung neuer. I, 132. 
—, Reichthum an. II, 12. 
Formenkreis, äusserer. I, 429. 
— der Art. I, 514. 
— der Eltern. II, 12. 
—, dimorpher. II, 639. 
—, innerer. I, 429. 
Fortschritt, regressiver. 
—, stufenweiser. I, 7. 
Fornereitr. 1, 318. 
Fouraeor. I, 481. 
Fournıer. 11, 97. 
Fragaria. II, 30. 31. 73. 
— alpina. I, 135. 
—, Monats-Erdbeere. 
x Ananas. II, 32. 
chiloensis. Il, 32. 
Grayana. II, 32. 
indica variegata. 
vesca, I. 137. 
virginiana. II, 32. 
FRANK. |], 290. 
Franse der Blumenblätter. 
Fraxinus excelsior aurea. 
— —, fasciirt. II, 553. 
—, Ornus monophylla. 
Feeynoro, v. I], 567. 
Erres. I; 12. 123. 353. 
Fritillaria imperialis. II, 552. 
Fromentum. II, 655. 
Früchte, keimfähige Samen pro. II, 413. 
—, auf der Traube, Höhe der. II, 414. 
—, bunte. I, 600. 
—, fleischige. I, 84. 
—, fünffächerige. I, 347. 


I, 27. 


464. 


I, 414. 


9] 5 


Us 


I, 


II, 358. 
T, 601. 


II, 534. 


—, kleiner werden auf der Traube. 
IL, 413: 
—, fünf bis neunfächerige. I, 339. 


ı Früchte, sich nicht öffnende. I, 137. 
Fruchtbarkeit, verminderte. II, 58. 656. 
Fruchtknoten, gestielter, Fig. I, 349. 
—, unterständiger. II, 368. 
FruwirtH. I], 369, 618. 644. 
| Fuchsia. II, 88. 

— ceoceinea. II, 601. 

— macrostemma. II, 236. 
Fundorte, isolirte. I, 146. 


II, 683. 


Grabeläste. 
Gabelgerste, Fig. 
| Gabeliger Stengel. 
| GAaneram. |], 638. II, 469. 
Gaillon-Erdbeeren. I, 23—25. 135. 
Galeopsis Ladanum canescens. I, 454. 
ı Galium Aparine. II, 575. 

— — torsum. II, 586. 

—, gedrehtes. II, 571. 

— verum. II, 575. 
GALLARDO. I, 568. 
Gallen, Cinipiden. I, 290. 600. 
Gallenbildung. 1, 291. 

Gallenreiz. 1, 291. 

Garresio. II, 485. 670. 

Galeobdolon luteum, Pelorien. I, 570. 
Garton. I, 36. 60. 113. 374. 381. II, 687. 
—, Polyeder. I, 39. 

—, Mediane. I, 375. 

| Ganpocer. I], 122. 123. 287. 

| GARJEANNE. |, 432. 

 Garten-Pensees. II, 487. 

| Gartenvarietäten. I, 412. 

ı— durch Kreuzung entstanden. II, 363. 


112226: 
II, 40. 
I, 641. 


II, 541. 


—, plötzlich entstandene. I, 479. 

ı GÄRTNER. 11, 12. 21. 464. 646. 

'—, Cultur in Töpfen. II, 59. 

ı GÄRTNER’S Gattungstypus. II, 485. 

ı Gärtnereien. II, 169. 

|— von Erfurt. II, 378. 

| Gasca, La. 1], 125. 

(rattungen, geschaffen. I, 12. II, 484. 
ı—, künstliche. II, 655. 

ı Gattungsbastard. II, 9. 

|— bei Orchideen. II, 25. 
Gattungstypen. II, 36. 

Gaucutey. 1, 256. I, 523. 

| Gebrauchswerthrechnung. II, 125. 
Geburt, phylogenetische. II, 637. 
(Grefässeryptogamen, bunt. I, 606. 
Gefüllte Blumen. I, 133. 547. II, 18. 
GEHEER. 11, 521. 

GEIKIE. II, 709. 

Geilstellen. I, 81. 93. 


Geistige Anlage. 1, 109. 


(Grelasimus pugilator. II, 592. 
ı Gelbbunt. I, 599. 
| Gelbliche Keimpflanzen. II, 104. 


730 


Gemüsesamen, Entarten der. I, 89. 
(senerationen, Ueberspringen von. 11,560. 
(senista germanica. I], 454. 
Gentiana. I, 66. 
— punetata concolor. I, 454. 
GEOFFROY Saınt-Hırarre. 1, 11, 12. 
(reologie. II, 707. 
(Greometrischer Fortschritt. 
(reorgine. I], 40. II, 97. 
— Atavismus, grüne. II, 673. 
—, neue grüne. I, 473. 474. 
(seranium molle fasciatum. II, 558. 566. 
— pratense, sectorial. I, 493. 
GERAssIMow. II, 691. 
GERHARD. U, 97. 
Gerste. I, 371. I, 493. 
—, Chevalier-. I, 80. 
—, Schartigkeit der. 
—, Steuper’s. II, 41. 
Gesetze des Mutierens. I, 174. 
Gesneria Geroltiana. II, 236. 
Gestreifte Blumen. II, 513. 
— Varietäten. II, 531. 
Getreidearten. I, 77. 82. 
Getreidecultur, arctische 
grenzen. I], 71. 
—, nördliche Grenzen der. I, 87. 
(retreidekreuzungen. II, 33. 37. 192. 
(retreidezüchtung. I, 77. 

Geum. I, 36. 
— intermedium. 
12. 83. 685. 
— urbanum, bunt. I, 603. 608. 613. 

— :— x rivale. II, 59. 

(sewebe, secundäre. I, 618. 
Garn, A. I, 402. II, 216. 379. 
GipDEon, PETER M. 1, 127. 

Gilia tricolor alba. II, 390. 
Gizror, I, 318. II, 498. 

Giırarv, A. 1, 108. II, 209. 210. 


I, 420. 


II, 509. 


und Höhe- 


II, 26. 27. 36. 51. 68. 


Gladiolus. I, 55. 459. 489. II, 72. 642. 
— byzantinus. II, 90. 
— communis. II, 90. 


floribundus x G. cardinalis. II, 90. 


— hybridus Lemoinei. II, 90. 
— (sandavensis. II, 90. 
— purpureo- auratus. II, 91. 


—, winterhart. I, 91. 
Glaueium luteum, trieotyl. II, 239. 
(lechomahederaceum variegatum. 1,605. 


(rleditschia sinensis inermis. I, 481. 
Gleichung, biochronische. II, 706. 
Gloxinia superba. I, 421. 425. 

— — erecta. I, 566. 

Glücksklee. I, 574. 

(odetia amoena. I, 469. II, 239. 


Gopeox. 1, 15. 17. 126. 139..567.:611. 


II, 13. 26. 61. 71. 82, 84. 147. 364. 655. | Hedychium coronarium. 


GoeseL. 1, 137. 258. 369. 426. 428. 475. 
484. 549. 570. 629. 644. II, 138. 533. 
550. 


 GoETHE. II, 650. 

'@omphrena globosa. I, 494. 
Goneokline Bastarde. II, 18. 21. 
GrAAF, DE. II, 12, 36. 93. 
Gradations. I, 49. 


ı Hahnenfuss, knolliger. 


| Hays. 


Grannenweizen, rother. 
Gräser, vivipare. I, 426. 
Graveland, 'S. I, 187. 
Gravis. II, 707. 

GRAS, Asa. I, 813. 
Grenzbewohner. I, 363. 
Grenze verwandter Arten. 
Griffel. II, 16. 
(RISEBACH. II, 653, 
GröntLanD. IQ, 71. 
GROOMBRIDGE. |], 491. 
Gross, Em. I, 413. 
Grossarten. I], 117. 
Grossmutterwahl. II, 129. 242. 260. 664. 


II, 192. 193. 


I, 304. 


Groups, intergrading. I, 41. 


Gruppen von Pangenen. II, 690. 
Geruppy. II, 320. 

GuienArv. II, 61. 158. 

Gurice. I, 147. 

Gymnospermen. I, 457. II, 546. 


Gypsophila paniculata torsa. II, 586. 


Hacke. I, 112. 370. I, 662. 


HaaAGE und Scunipr. 
Hafer, Anderbecker. 
—, steriler. II, 669. 
—, Wassergehalt. I, 371. 

I, 582. 
Hahnenkamm. I,88. 433. II, 561. 
Halbe Curven, Fig. I, 429. 
Halbrasse. _I, 422. 424. II, 640. 
—, inconstante. II, 531. 
Halbrassen, tricotyle. II, 212. 238. 
Harrer in Brighton. I, 79. 389. 
Hamann. II, 662. 
Handelsrasse. I, 79. 
—, Regression. I, 61. 
Hanf, tricotyl. II, 272. 
Hanna. ]1, 78. 
Hannemann. 1], 318. 
Hansemann. II, 691. 
Hansteın. 1, 318. 
HARSHBERGER. II, 664. 
HARTMANN, von. I], 50. 
Hayorart. |], 111. 

II, 53. 160. 665. 
Heckensamen. II, 208. 
Hedera Helix var. arborea. I, 32. 
— — variegata, erblich. I, 611. 
I, 636, 


I, 549. . 
I, 59. 


II, 662. 


Register. 131 
HeeseErR. 1, 477. Hexacotylen. II, 223. 
Hexe, I, 7111. Hisßert. II, 97. 
Heidelbeere. II, 532. Hibiseus moscheutos. II, 664. 
Hrıne. I, 74. 82. Hieracium. I, 14. 24. 30. 36. 498. 
HemricHER. I, 429. 485. 639. II, 537.| 500. 
663. — aurantiacum. II, 36. 
Heınsıus. I, 496. 526. 612. II, 209. —-Bastarde. I, 15. 52. 
Helichrysum bracteatum. II, 228. 304. | — brachiatum. I, 501. 
— —, einfarbig. I, 392. — magyaricum. II, 36. 
— —, Fig. DJ, 275. — Pilosella. II, 36. 
— —, Phosphatdüngung. II, 291. — —, Stolonen. II, 429. 
— —, seetorial. I, 491. — —, bunt. I, 603. 
— —, syneotyl. II, 320. — setigerum. II, 36. 
Ey trieotyl. II, 239. ‚281. —, Stolonen von. II, 39. 
‚ tricotyle Rasse. II, 274. — umbellatum. II, 491. 549 
em Bastarde. II, 676. — —, Galle. I], 291. 
— vulgare. I, 102.. 355. — vulgatum. II, 491. 
Helianthus annuus. II, 547. 548 — —, Galle. I, 291. 
— —, bunt. I, 613. — —, oberhalb der Galle verbändert. 
— —, Faseiation. II, 324. 554. 1... 291. 
— — giganteus. I, 343. —, zusammengesetzte Bastarde. II, 87. 
— — ohne Plumula. II, 323. HırLvegrannd. I], 468. 617. 629. LI, 3. 
— —, syneotyle Cultur. I, 267. 7.13.2232 502 51252. 3312499.7530: 
— — syncotyleus. II, 214. Hilversum. I, 152. 18%. 
— — —, Cotylbecher. II, 321. —, Beschreibung des Fundortes. I, 187. 
— — —, Curve der Syneotylie. II, 332. | Himmelröschen, gedreht. II, 585. 
— — —, — nach Selection. II, 333. | Hippeastrum. II, 93. 
— — —, Fig. I, 340. Hırcacock. I, 313. 
— — —, Stammbaum. IH, 329. Hork. I, 309. 
— — variegatus. II, 214. Hochzucht in den Mittelrassen. II, 330. 
— — tuberosus, faseiirt. II, 554. ' Hochzuchten. II, 268. 
Heımnortz. II, 710. |Horrmann. I, 27. 62..137. 144. 464. 
Helwingia ruscifolia. I, 459. 468. 478. U, 55. 147. 390. 393. 
Hemipentacotyl. II, 215. ı—'s Schriften. I, 464. 
Hemisyneotyle Minus-Varianten. II, 344. | Hormeıster. 1, 135. 420. 468. 482. 552. 
Hemisyncotylen, Wahl der. II, 336. Horreman. U, 125. 
Hemisyneotylie. II, 319. Hollunder, Schwert-. II, 552. 
Hemitetracotyl. II, 215. Hoım. I, 618. 
Hemitricotyl. I, 215. Hoıusoe. 1, 467. II, 379. 
Hemitrieotyle Bastarde. II, 305. Holzäpfel. I, 84. 127. 
— Zuchtrassen. II, 224. Holzbirnen. I, 127. 
Hemitricotylen. II, 239. 293. Homo sapiens. I, 116. 
— als Bastarde. II, 222. Hooxer. I, 43. II, 391. 
—, tiefgespaltene. II, 253. Hopetown oats. I, 125. 
Henstow. II, 667. Hordeum distichum. II, 193. 
Heney. II, 56. — tetrastichum. II, 193. 
Hepatica triloba. I, 129. 475. — trifureatum. I, 139. II, 40, 378. 
Hersert. I, 26. 11, 72. 75. 93. 498. | Hornmehl. I, 386. II, 290. 
655. Hortensia. I, 488. 
Herrwis, OÖ. I], 42. 46. 109. II, 684. |—, Blaufärbung. I, 633. 
Herıtıer, L’. I, 316. | Hourte, van. 1, 605. II, 90. 
Herzflecken. I, 351. 361. HusrecHtr. II, 662. 
Hesperis matronalis, einjährig. I, 619. | Hurst. II, 3. 12. 14. 25. 31. 32. 35. 38. 
— — gestreiftblüthig. I, 506. 59. 61. 65. 72. 655. 
= -, faseiirt. IL 559. Hüllen aus Metallgaze. II, 152. 
Hirssz. - 1125." ı Hülse. I, 598. 
Heterogenesis. I, 50. ' Humulus japonicus lutescens. I, 601. 
Hevz£. 1, 621. — — variegatus. 1], 601. 


32 


Register. 


Hunger. |], 426. 
Hvs. I, 596. 
Hyaecinthus orientalis. 
Hybridation, fausse. II, 31. 

Hybride Pflanzen, Pollen. I, 299. 
Hybriden je zweier differirender Merk- 


I, 459. 489. 


male. II, 173. 
—, schwache. II, 14. 
— spontane. II, 497. 
Hybridologische Synthese. II, 537. 
Hybridus, Artname. II, 485. 
Hydrangea hortensis. I, 475. 
— —, bunt. I, 609. 
Hymenocallis. II, 30. 
Hyoseyamus albus. II, 239. 
—, Farbe der Blüthen. II, 162. 
— niger L. x H. pallidus Kit. II, 144. 
— pallidus. 1, 470. 
— — x H.niger. II, 162. 
— pietus. Il, 239. 
Hyperieum commutatum. II, 502. 
— perforatum. I], 433. 
— —, bunt. I, 603. 
Hypocotyle Knospe. I, 459. 
Hyssopus offieinalis albus. I, 469. 


II, 380. 
II, 382. 


Iberis coronaria. 
— umbellata rosea. 
Idioplasma. II, 684. 
Inne. 1, 464. 
Ilex Aquifolium. I, 138. 
— —, bunt. I, 598. 604. 609. 
Immutabilität. I, 17. 
Immutable u. mutable Perioden. I, 145. 
Impatiens Balsamina, Knospenvariation. 
l, 491. 
— — nana. I], 257. 
Inconstante Rassen. 11, 513. 
Inconstanz der Mittelrassen. 
— durch Kreuzung. II, 633. 
— der Oen. seintillans. I, 176. 
— in späteren Jahren. II, 517. 
Index Kewensis. I, 14. 
Individual differences. I, 21. 23. 
Individuelle Kraft. I, 115. 369. 
Individuen, sterile. I, 299. 
—, Ungleichheit aller. I, 149. 
Inkarnatklee, I, 571. 
Inseceten. I, 155. 
Instinkt. II, 668. 
Intermediär. II, 18. 
—, absolut. II, 24. 
Intracellulare Pangenesis. 


II, 519. 


I; 28. 42, 


45. 92.94. 108. 131.. 140. IL,. 462. 
683. 

Inzucht. II, 14. 

I918..1,: 101: 

— faleifolia. 1, 485. 


|— — abavia. 


ı Isolirung. 


| JANCzEWSKI, de. 


ı Jagtlust. 


| JANSE. 


| JOHANNSEN. 


ı— über Befruchtung. 


'Kampf um’s Dasein. 
P 


KAPTEYN. 


Iris, Kaempferi. I, 485. 
— pallida. I, 485. 

I, 485. 
— Pseudacorus. I, 468. 
— xiphoides. I, 491. 
Irmiscn. I, 617. 

I, 419. 

— neuer Formen. II, 507. 

— trieotyler Mittelrassen. II, 302. 
Iterative Artbildung. II, 704. 


537. 663. 


II, 


Jacaum. I, 14. 


- 


II, 73: 


Jägcı. I, 136. 

15187 

Jahre reich an Anomalien. 
Jahreszeit. II, 549. 
Janer. 1], 149. 

I, 566. 

I, 299. II, 68. 
155.371: 


I, 638. 


JENCIO. 
II, 5. 8. 10. 117. 
553. 684. 

II, 493. 


— — Gerste. II, 509. 
Jory. I], 481. II, 709. 
Jorvan. I, 89. 117. 120. 131. 132.23 


166. 287. 


—'sche Schule. I, 19. 


Jost. 1,553. 56%. 

Juer. II, 65. ö 

Jugendformen. I, 258. 362. 457. 484. 
629. 

' Jugendeigenschaften. I, 321. 

Jugendzustände. II, 533. 


Juglans regia laciniata. II, 383. 
Juncus spiralis. I, 459. 
Justicia superba, faseiirt. II, 554. 
Kämme in den Blüthen. I, 135. 
I, 149.269, ZI 
665. 667. 
11;.125. 
Kartoffeln. I, 61. 
Kartoffel, Keimpflanze. 
Kassowirz. II, 507. 671. 
Kastanie. I, 88. 
Keimesvariationen. 
Keimpflanzen, doppelte. 
—, gelbe. I, 345. 614. 
Keimprobe. I, 119. 
Keimprüfungen, Tabelle. 
—, Umfang der. I, 124. 
Keimung, Geschwindigkeit der. 
—, späte. I, 593. 

Kelch, laubartig. II, 587. 
Kelchzipfel, blumenblätterartig. 
Keırer. 11, 683. 


II, 678. 
I, 628. 


II, 673. 
II, 225. 


II, 126. 


I, 645. 


T, 350. 


Kervm. 1, 708. 


Register. 


Kerner. I, 132. U, 9. 15. 20. 26. 52. | 

65. 73. 501. | 

Kerria japonica, bunt. 

— — plena. I, 488. 

Kersten. II, 662. 

Kessingland. II, 193. 

KETELEER. ]I, 95. 

Kıckx. I. 638. 

Km. I, 111. 

Klatschmohn. II, 218. 

Kıesaun. 1], 117. U, 571. 

Klee, Kreuzung fünfblättriger. 

Kuinee. II, 496. 

KıorscHh. I, 13. 

Knäuel der Zuckerrübe. I, 646. 

Knicur. I, 94. 605. II, 13. 530. 

Knospen auf den Cotylen. I, 351. 

—, ruhende. I, 354. 

Knospenvariation. I, 39. 457. 551. 602. 
604. II, 604. 670. 

Kogtus. I, 104. 

Kocr#. I], 123. 

Kohl. II, 13. 

—, Chou de Milan des Vertus. 

— Panachüre. I, 609. 

—, Savoy-. I, 89. 

—, schottischer. I, 87. 

KonısrusGe. 1, 535. 

Kohlrabi. I, 135. 

Koxen. II, 704. 

Kolbenspelz, weisser. II, 192. 

Köruiker. ], 50. I, 662. 

Koıımann. 1, 37. 83. 109. 145. 

KöLreuter. I, 3. 7. 9. 17. 84. 

Köpfchen, dreistrahlig fasciirte. 

—, Verdoppelung der. II, 492. 

Korn, schwerstes. I, 646. 

Kornblume. I. 370. 

Körnıcke. II, 27. 559. 

Korschinsky. 1, 50. II, 660. 

Kotyledonen-Knospen. II, 550. 

Krasan. 1. 451. 

Krausige Blätter. 

Krebs. I, 664. 

Krerace. |], 549. 

Kreuzung. II, 464. 

—, eombinirte unisexuelle. II, 473. 

—, degressive Artbildung bei. II, 372. 

— der Abkömmlinge von. Lamarckiana 
mit älteren Arten. II, 473. 

— der trieotylen Mittelrassen. 

—, dihybride. II, 399. 420. 

—, entgegengesetzte. II, 658. 

—, Formenreichthum durch. I, 54. 

— gestreifter Blüthen. I, 351. 

—, monohybride. II, 114. 399. 

— mutabler Eigenschaften. II, 420. 

—, polyhybride. II, 473. 


I, 604. 609. 


II, 354. 


I, 185. 


II, 548. | 


I, 16. 


II, 293. 


ı Lapageria rosea. 


Kreuzung, reciproke. II, 58. 419. 471. 
479 


ı— stark variabler Eigenschaften. II, 


370. 
— syncotyler Rassen. II, 342. 
— und Selection. II, 53. 
— und Variabilität. II, 461. 


—, unisexuelle. II, 495. 642. 
—, Variabilität, durch zufällige. I, 56. 
— verschiedener Blüthen. II, 464. 


— von Halb- und Mittelrassen. II, 
346. 

—, wiederholte. II, 12. 79. 

Kreuzungsbeimischungen. I, 420. 

Kugel-Acacia. I, 475. 

Kuun & Co. I, 74. 645. 

Kümmerlinge. I, 94. 97. 369. 

Kuyper. II, 667. 

Laciniate Varietäten. II, 203. 

Laetuca. I, 101. 

— virosa X sativa. II, 75. 

Laelia. II, 35. 

— harpophylla x Paphiopedilum. II, 32. 

| Laevifolia-Familie. I, 186—195. 

| LAGERHEIM, von. II, 492. 549. 

Lamareor. I], 12. 145. 316. II, 667. 

Lamarckiana-Familie. I, 182. 

LAMBERT. II, 391. 

ı Lamium album, bunt. I, 613. 

— maculatum, Pelorien. I, 570. 

— purpureum, fasciirt. II, 553. 

Landweizen, rother. II, 37. 193. 


| Landwirthschaftliche Culturvarietäten. 


I, 58. 
Länge des Griffels. II, 658. 
Langetuar. ], 73. 89. II, 209. 
II,2% 
Lathyrus odoratus. I, 468. 
Latente Eigenschaften, Activirung. 
461. 
— — älter als die Arten. 
Latentwerden. I, 457. 
Latenz. I, 119. 131. II, 639. 
der Farbe. II, 147. 
—, Schema. I, 424. 
—, theilweise. II, 148. 
Latitüde. II, 117. 123. 
—, Tabelle der. II, 128. 
Laub, Abfallen des. II, 36. 
Laurent. I], 607. II, 664. 678. 
LAUTERBORN. II, 664. 
Lavatera pseudolbia x thuringiaca. 
1,72: 
Lavendula Spica. 
LAVERGNE, L£OoNcE DE. 
Laxtron. II, 53. 
Lecoqg. LH, 9. 489. 515. 


I, 


I. 573. 


I, 452. 
II, 209. 


134 

Lebensdauer von Oen., Variabilität in 
der. I, 190. 

Lebenslage. I, 94. 633. II, 289. 589. 


— aufdie Erbzahlen, Einflussder. II, 340. 
lebensmedien. I], 92. 113. 
Lebensumstände, Wirkung der. 1, 596. 


Leser, L. J., II, 225. 
Lesranp. II, 97. 

Lein. I, 89. II, 169. 
Leinsamen von Riga. I, 90. 
Lemoıse. I, 129. 421. II, 89. 


Le Monnier. II, 592. 


Leonurus Cardiaca, Pelorien. I, 569. 
Lepidoptera. II, 660. 

LeveııLe. I, 313. II, 652. 

Levkoje. I, 551. 580. 581. 647. II, 193. 


—, chamoisfarbig. II, 394. 
—, gefüllte. II, 587. 
Liebhaber. II, 395. 

Lienıer. I, 108. II, 210. 
Lilium. II, 30. 54. 

— candidum plenum. I, 472. 
— cruentum plenum. I, 638. 


— speeiosum album corymbiflorum. II, 
Linaria. 

italica. 
spuria. 


I, 12. 

I, 502. 
I, 553. 
vulgaris. I, 555. 
—, bunt. I, 603. 

—, Catacorolla. I, 563. 

—, gelbe Keime. I, 614. 
hemipeloria, Fig. 1, 556. II. 39. 
peloria. TI, 564. 

— anectaria. II, 39. 

—, Entstehung. I, 552. 


IT; #78; 


— — —, Mutation. I, 562. 

— — —, Stammbaum. I, 559. 
— — x perlutescens. II, 153. 161. 
— — x purpurea. II, 82. 

— — triealcarea. I, 470. 

— —, trieotyl. II, 267. 
Linpemurmm. II, 678. 

Linden mit Ascidien. I, 433. 
Linpen, von. I, 566. 

Linprey. I, 65. 86. 89. 453. 550. 
Linnf. I, 12. 

—'sche Arten. I, 33. 

— —, Entstehen der. I, 44. 

— über Hybriden. II, 484. 
Linum. I, 128. 

— crepitans. I, 137. 


— perenne X austriacum. 

— usitatissimum album. 
IL, 169. 

— —, Samenausstreuung. ], 137. 

Literatur über Bastarde, neuere. II, 7. 8. 

Loasa. I, 72. 


II, 75. 
I, 468. 469. 


Register. 


Lobelia. II, 36. 
— cardinalis x fulgens, Variabilität. 
IN RS ESE 

— x splendens, Variabilität. II, 75. 
Erinus. II, 239. 

fulgens x syphilitica. II, 54. 
syphilitica alba. I, 469. 
— x cardinalis. II, 54. 
Loeale Formen. I, 123. 
Locnow, von. II, 665. 
Löffelgerste. II, 378. 

—, Fig. Ho, 40. 

Lolium perenne ramosum. 
Lomaria procera. I, 43. 
Loupon. I, 479. 

Lonicera. I, 459. 

Lotus eornieulatus. I, 454. 
— — hirsutus. ], 454. 
— major, vierscheibig. 


I, 433. 


I, 574. 


Löw & Co. I, 135. 
Löwenmaul. II, 196. 218. 236. 487. 
Lupwic. I], 5. 36. 307. 374. 415. 524. 


Luffa. I, 26. 

— acutangula x eylindrica. II, 61. 
Lunaria biennis, bunt. I, 612. 

‚ Lupinus arborescens. II, 664. 
|— luteus, Pelorien. I, 569. 

— — torsus. II, 576. 

— —, zwangsgedrehter. I, 637. 


 Luzerne der Bretagne.. II, 209. 


Lycaste Skinneri. II, 32. 
Lyehnis. I, 144. 

— chaleedonica alba. I, 469. 
— Coeli-rosa torsa. II, 585. 
— dioiea L. I, 14. II, 645. 
— diurna, bunt. I, 603. 

— — x Flos eueuli. II, 27. 


— L. x L. vespertina L. II, 144. 
153. 

-—— — X Preslii. II, 178. 

fulgens, trieotyl. II, 231. 244. 

vespertina. II, 161. 232. 

— x diurna. II, 16. 161. 

— — —, Variabilität. II, 75. 

— glabra. I, 470. 478. II, 39. 191. 

— x glabra. II, 157. 

— glabra, einjährig. I, 619. 

— — x_L. diurna. II, 184. 190. 

— vespertina glabra x L. vespertina. II, 
167. 

— — xL. v. glabra. Il, 37. 

— — (behaart) x L. vesp. glabra. 
145. 

Lycopersicum. I, 481. 

| Lynch. : I, 468. II, 342. 

Lysimachia vulgaris. I, 290. 

— —, dreigliederig. I, 631. 

|— —, Knospen. I, 630. 


II, 


Register. 


Mac Dovsar. II, 604. 660. 


Mac Leo». I, 5. 94. 112. 369. 370. II, | 
209. | 

MACFARLANE. I]I, 3. 4. 8. 15. 22 26. 27. 
51. 62. 112. 468. 472. 642. 648. 663. 
685. 

Madia elegans. I, 60. 11, 351. 

air T, 470: 

— — Strahleneurve. I, 409. 

Magnolia. I, 422. 


— obovata, Becher. I, 429. 638. II, 522. 
Macnus. I, 477, 568.:642. II, 532. 
Mahonia aquifolia, Fig. II, 51. 
Mainstay. II, 193. - 
Mais, Acclimatisation. 
‚„ Bastarde. I, 69. 
‚ Harlekin-. II, 159. 
‚ Hühner-. I, 71. 
—, Miniatur-. I, 68. 
$) 
I 
’ 


De 


Riesen Pferdezahn-. 1, 
Retourseleetion. I, 88. 
steriler. I, 137. 475. 
— ‚Stammbaum eines Selectionsversuches. 
I, 58. 
—, verbänderte Kolben. II, 560. 
—, Umwandelung in badischen Mais. 
1.68. 
weisser Reis-. I, 68. 
Maiskolben des Handels. 
MaAumvaAun. II, 497. 
MaArtuus. I], 24. 
MANSHOLT VAN. 
Maple cutleaved. 
MaArcHANnT. I, 136. 
MARLIERE. II, 683. 
Marrubium remotum. 
Massartr. II, 523. 669. 
Masters. I], 340. 356. 460. II, 62. 236. 
595. 
Matricaria. I, 129. 
— Chamomilla discoidea. 
— — —, Fig. I, 379. 
— eximia. I], 601. 
— flore plenissimo. I, 542. 
Matthiola glabra. II, 193. 
— ineana. I], 144. 468. II, 193. 
— — nana. I, 25. 
Mäuse. IH, 373. 377. 
Mayer, A.G. U, 660. 
Medicago media. II, 52. 72. 
— lupulina, fünfzählig. I, 574. 
Meerrettig, bunt. I, 607. 


68, 


I, 68. 


1230. 
I, 130. 


II, 501. 


I, 138. 467. 


Mehrgipfelige Curve. I, 113. 
Mehrjährig werden. I], 618. 
Mehrjährige Rüben. I, 618. 


Melampyrum pratense, Fig. 
— —, Pelorien. I, 569. 
— —, tetracotyl, Fig. II, 235. 


II, 236. 


| 


Melilotus ceoerulea monophylla, Fig. 1, 
471. 


— — —. JH, 521. 

Melissa offieinalis villosa. I, 454. 
Melonen. 1, 19217 513: 

MeEnper, Speeies-Charakter. II, 173. 


—'sche Bastarde. II, 141. 


— — nicht absolut constant. II, 486. 
— —, Übersicht der. II, 367. 

—' Gesetze. II, 464. 

—'s Gesetze im Gartenbau. II, 374. 


— sche Spaltungen keine absolute. 
925. 


Ir 


— Spaltungsregel. II, 446. 
Mengenwerthigkeit. II, 149, 


Menschenrassen. I, 29. 


Mentha. II, 497. 

— aquatica, bunt. I, 608. 

— —, pelorisch. I, 566. 
Me&rar. I], 473. 

Mereurialis annua. II, 269. 281. 
— —, Atavisten. II, 283. 

— —, Becher. IH, 324. 


—, Blattstellung, Fig. I, 324. 
—, Cotylbecher. II, 321. 

—, diöeisch. I, 638. 
—, erstreifende Samen. 
—, fasciirt. II, 553. 
laeiniata. I, 136. 
—, trieotyl. II, 228. 

— Big. - DI, 232.933. 
—, trieotyle Rasse. II, 273. 

—, Zwangsdrehung. II, 325. 
Merkmale, Abschätzung der. II, 21. 
anscheinend recessive. II, 202. 
äussere. II, 5. 

7 differirende. II, 194. 

generative inconstante. JI, 74. 
phylogenetisch ältere. II, 370. 373. 
überschreitende. II, 15. 
Merkmalkategorien. II, 24. 
Merkmalspaare. II, 373. 641. 

—, scheinbare. II, 202. 

—, vieariirende. II, 639. 

Mespilus x Crataegus. II, 679. 


II, 287. 


Metamorphose, retogressive. I, 457. 
METZGER. I], 68. 

Meyen. 1, 598. 

MezzanA. II, 555. 

| Mıcnuaux. ], 316. 

 Micneris. II, 547. 

'Microlepis hirta eristata, Fig. II, 520. 
Migration. I, 67. 109. 146. 
Migrationstheorie. II, 507. 

| MıLLarper. II, 30. 51. 73. 
Mimulus. II, 669. 
Minus-Varianten. I, 413. II, 321. 


— — der Syncotylen. II, 334. 


736 


Minus-Zucehtwahl. II, 339. 


Mirabilis. II, 489. 


514. 


— Jalapa aurea. I], 601. 


— x longiflora. 


II, 27. 


— —, seetoriale Spaltung. I, 490. 
— longiflora x Jalapa. II, 61. 
Mischlinge. II, 7. 9. 


Mittelbildungen. II 


‚19. 293. 


— als Bastarde. 11, 222. 


Mittelrasse. I, 415. 
330. 640. 
—-, abnormale und 


422. 424. II, 


normale. II, 


— allmählich isolirt. II, 278. 


—, Empfindlichkeit. 
Erklärung. II, 


ideale. II, 212. 
Ineonstanz der. 


—, Liste. II, 526. 


’ 
, 
, 
—, erstes Auftreten. II, 531. 
) 
, 


II, 333. 


Erbzahl. II, 580. 


523. 


1I, 518. 


Isoliren. II, 240. 
Isolirung trieotyler. Tabelle. II, 281. 
— — auf einem Umwege. 


—, trieotyle. II, 247. 265. 
—, typische. I, 277. 
—, verbänderte. II, 555. 


Mohn. I, 128. 
Mohrrübe. I, 65. 
Mokry. I, 82. 
Moleeüle. I], 3. 
MouıscH. I], 609. 
Mor. I], 470. LI, 
MoruıArnd. II, 492. 
Monde ambiant. I, 


578. 


46. 


MonnIER, Le. II, 348. 


Monoeotylen. I, 45 


6. 457. 


Monohybride Kreuzungen. II, 114. 


Monohybriden. II, 


111. 


—, dritte Generation. II, 160. 
—, Ei- und Samenzellen. II, 172. 
—, Menper’sche, IH, 143. 

— mit ihren Eltern. Kreuzung der. II, 


175. 


—, spätere Generationen. II, 168. 
—, zweite Generation. II, 149. 
Monophyllie. II, 534. 

Monotypie. II, 400. 


Mons, van. I, 126. 
Monstera deliciosa. 


I, 629. 


II, 305. 


Regıster. 


282. 


519. 


Monstrositäten. I, 129, 337. II, 16. 17. 
— Literatur. I, 338. 339. 


Monstruosit&s taxinomiques. 
Moaum Tanoon. |, 


Morsan, Hunt. II, 

MorrEn. I, 599. 
236. 

Morus nigra, bunt. 

Mory. II, 34. 


465. 
662. 
GL IL, MR: 


II, 681. 


I, 337. 


230. 


Mürrer. I], 431. 468. 

—, Fritz. I], 52. 488. 641. 

—, Hermann. I], 431. 
Mürter-Tuursau. II, 669. 

Munrtine. I, 89. 128. 542. 636. 
Murgeck. II, 656. 

Murepny. 11, 707. 

Murr. I, 467. 

Muscari comosum plumosum. I, 475. 
— — —, Fig. D,'669. 


| Muscheln. 1, 307. 


Museum d’histoire naturelle, Herbar des. 
I, 316. 

Muster. II, 513. 

Mutabilität. I, 4. 

—, allseitige. I, 139—145. 269. 300. 

—, Anfang der. I, 356. 

—, Beziehung zwischen Variabilität und. 
II, 250. 

— der Oen. Lamarckiana. I, 181. 

—, experimentelle Behandlung der. |], 
356. 

—, parallele. II, 696. 

—, periodische. I], 181. 

—, richtungslose. I, 140. 365. 

—, unaufhörige. II, 698. 

— , Verlust der. 11, 458. 460. 

—, vermuthliche Ursachen. I, 358. 

Mutable Anlagen. II, 427. 

— und immutable Perioden. I, 181. 

Mutabler Zustand. II, 427. 

Mutante, Merkmale einer. I, 287. 

Mutanten aus Kreuzungen. I, 300. 

— — — mit älteren Arten. I, 211. 

— — O.Lamarckiana x O.nanella. I], 
211. 

— — Oen. rubrinervis x nanella. II, 
426. 

— — 0. seintillans. I, 210. 

— — neuen Arten von Oenothera. I, 
210. 

—, hoher Gehalt. I, 185. 

Mutation. I, 7. 16. 17. 18. 

— als Bastard. II, 504. 

—, Anlage. I, 332. 

— als erbliche Eigenschaft. I, 335. 

—, äussere Ursachen. II, 257. 

— bei Kreuzungen, Oenothera. II, 425. 

—, Chemische Natur der. ], 291. 

—, Eintreten von. I, 584. 

—, generative. II, 529. 

—, gleichnamige. I, 332. 

—, Grösse. I, 39. 

—, Hervorrufen von. I, 212. 

— im Freien und im Garten. I, 216. 

— im Gartenbau. II, 508. 

— in der Cultur. I, 132, 139. 

— in der Lata-Familie. I, 197, 301. 


Register. 


Mutation. in einer Cultur von ©. La- 
marckiana. I, 242. 

— — — Keimschüssel. 

— in Hilversum. I, 215. 


I, 205. 


—, Einfluss der Keimkraft. I, 360. 
— latent vererbt. I, 333. 
— nach Kreuzungen. II, 425. 


— ohne Periode. I, 563. 
—, periodische, I, 150. 
—, progressive. I, 5. 


—, progressive, retrogressive und de- 
gressive. II, 636. 

—, retrogressive. I, 5, 565. 

—, richtungslose. I, 150. 179. 181. 

—, Ursache. I, 290. I, 251. 

—, Verlorengehen. I, 336. 

— von Linaria, Vergleichung mit Oeno- 
thera. T, 564. 

— vor der Befruchtung. 

—, Wirkung guter Nährung. 

—, vegetative. II, 670 

—, zufällige. II, 528. 

Mutationsbastarde, constant. II, 429. 

Mutationsbeherrschung. I, 132. 

Mutationscoöffieient. I, 239. 240. 249. 
297. II, 509. 

—, Oen. rubrinervis. I, 

—, — nanella. I, 262. 

— von 100 °/,: II, 510. 

— von Linaria. I, 564. 

Mutationsperiode. I, 147. 352. 359. 

—, Austreten aus der. I, 352. II, 457. 

—, geologische. II, 541. 697. 

— der Tomaten. II, 510. 

Mutationsperioden, Ueberreste vergan- 


II, 504. 
I, 50. 


234. 


gener. I], 462. 
Mutationshypothese. I, 46—51. 
Mutationskreuzungen. II, 398. 
—, combinirte. II, 429. 

—, dihybride. II, 420. 
Mutationstheorie. I, 3. 
Mutationsvermögen. I, 212. 
—, Erlöschen des. II, 458. 


— nicht durch Kreuzung gesteigert. 
II, 425. 
Murten" IE 7.17: 131. .1AT. 


— in der Natur. I, 212. 


—, Latente Fähigkeit. I, 332. 
Myosotis alpestris aurea. I, 602. 
— — Victoria. I, 470. 

— azorica. I], 642. 


Myrtus communis tarantina, bunt. I, 609. 


Nachbarkreuzungen. II, 536. 
Nachbau. I, 88. 
—, Originalsaatgut. 
Nachträgliche Keimen. 
Nadelholzkunde. I, 258. 


DE VRIES, Mutation. II. 


I, 59. 
I, 183. 


737 


Nageur. 170355 es wis ler 

65. 417. 461. 463. 652. 
Namen, binäre. I. 456. 
Nanismus. I, 256. 
Narben, Ausbreiten der. 
—, Beschneiden. II, 417. 
—, Spaltung. I, 339. 


I, 319. 


Narbenstellung, schwankende. II, 49. 
Nasturtium palustre. I, 643. 
Natürliche Auslese. I, 181. II, 667. 
— — auf dem Acker. I, 85. 


Nature abhors perpetual selffertisilation. 
I, 108. 

Naturzüchtung, Allmacht der. I, 416. 

Navpm;. 1,26: 119201 4. 8. 12796 
44. 172. 498. 515. 656. 

NawascHm. IL, 158. 

Nebelflecke. I, 355. 

Nebelgruppe. I, 367. 

Nebenwurzeln. II, 17. 

Nectarine. I, 489. 

Neflier de Bronveaux. 

Neger. I, 517. 

Nelke, weizenährig. 

Nemophila insignis. I, 494. 

Neo-Lamarckismus. II, 661. 

Nepaulgerste. II, 40. 378. 

NEsTLer. II, 546. 

Neuheiten. I, 56. 131. 133. 482. II, 394. 


Il,. 679. 


I, 474. 


—, experimentelle. I, 524. 

— hervorzubringen. I, 413. 418. 535. 
—, Isolirung. II, 207. 

—, stark variable. I, 414. 

—, wenig variable. I, 414. 

—, Samen von. I, 57. 

New Zealand. I. 43. 


Nicandra physaloides. II, 351. 
Nieotiana. II, 30. 

— macrophylla, bunt. II, 356. 
— paniculata. II, 36. 

— ee Bangsdorfi. 11736: 

— — x vincaeflora. II, 27. 36. 


quadrivalvis x glutinosa. II, 27. 
— rustica. II, 36. 

— panieulata. II, 22. 

ur lein.sa 
— — X —, inconstant. 
—— texana. II, 45. 
Nieotunia. II, 655. 
Nigella damascena. II, 239. 
— — apetala. II, 390. 

— hispanica. II, 390. 

— — alba, tricotyl. I, 239. 
— sativa apetala. I, 138. 
Nıusson. II, 663. 
Nitella synearpa. I, 476. 
Noser. 175512117 123: 
Norr. II. 663. 669. 


11:75. 


47 


138 Register. 
Nomenclatur, binäre. 1, 13. 456. Oenothera eruciata Nutt. x O. biennis. 
— — und ternäre. I, 120. I, 42. 
— von ÖOenothera. I, 158. — —, Stammbaum. II, 606. 
Nomen speeificum. I, 13. — — varia. II, 100. 524. 599. 
Noruwang. I, 646. — — — x 0. biennis. HI, 101. 
Nuphar intermedium. II, 502. — — — x 0. Lamarckiana. H, 103. 
Nutiren. II, 30. — — — x 0. muricata. I, 103. 
Nutzlose und schädliche Abweichungen. —, einjährige Culturen. I, 366. 

I, 180. >” ein- und zweijährige Individuen. 

‚190. 

Oberhautzellen. II, 27. — elliptica. I, 156. 184. 193. 194. 195. 
Obstbäume. I, 126. 200. 215. 2830—284. 
Obstsorten, grossfrüchtige. II, 53. — —, Blüthe, Fig. I, 28, 282. 
Öceuliren. I, 113. |— —., Erbziffer. I, 284. 
Oelmadie. I, 407. — fatua, Fig. I, 301. 
Oelpflanzen. I, 621, —, gelbliche Keimlinge. II, 109. 


Oenothera albida. 
219. 242. 247— 250. 

—, Früchte. I, 320. 

—, Keimpflanzen. I, 302. 

—, Tafel II. I, 250. 

SAVE 197.488. 

—, weissgraue Farbe der Blätter. 
I, 236. 
—, analytische Tabelle. 
Berteriana. II, 263. 
biennis. I, 305. 327. 
—, Abnormalitäten. 
— aus Virginien. I, 318. 
—, Befruchtung. I, 320. 
—, Blüthen. 1], 309. 
— eruciata. II, 599. 
dreizählig. I, 347. 
dreizählige Blüthe. 
fasciirt. II, 554. 
‚ Grundform. I, 314. 
Keimpflanzen, Fig. 
Mutation. I, 332. 
Mutationsperiode. I, 315, 355. 
nanella. II, 476. 482. 
Nanellaproduction. 11. 459. 
ovale Blumenblätter. I, 222. 

—, Pollen. I, 292. 299. 
—, Blätter. I, 329. 
—, Blüthen. I, 307. 330. 
—. Krümmungen der. I, 318. 
— brevistylis. I, 153. 217. 223. 240. 

269. 336. II, 178. 206. 429. 457. 
— —, Hilversum 1902. II, 506. 
—, Früchte, Fig. II, 431. 
—, Fruchtknoten. II, 432. 


I, 322—326. 


11,31: 
I, 340. 


IL, 17. 


ww 


I, 328. 


eo 


- 


we w 


— —, Griffel und Narben. II, 431. 
— —, Reinheit. II, 161. 

— —, Verbänderung. I, 343. 
Oenothera campylocalyx. I, 340. 


— chrysantha Spach. I, 309. 
— cruciata Nutt. II, 100. 
— — —, Fig. H, 594. 


I, 160—161. 208. 209. 


ı— —, Becherbildung, Fig. 


gigas. I, 158—160. 180.207.225— 231. 
—, Constanz. I, 231. 
—, dreimal aufgetreten. 
- —, Erbzahl. II, 420. 
—, Fig. I, 226. 228. 230. 

—, Früchte, Fig. I, 321. 

— nanella. I, 160. 266. 

—, steril. II, 59. 

glauca, Fig. II. 320. 

—, Phosphat. II, 291. 

—, 16°/, syneotyl. II, 320. 

— syncotyl, Fig. I, 321. 

grandiflora Ait. I, 316. 
hirsutissima. I, 327. II, 473. 

hirtella, Ascidien. I, 349. 

—, Atavisten. II, 284. 

—, Fig. U, 310. 

—, Mutationsvermögen. II, 481. 

— x nanella, triecotyl. II, 315. 

—, Phosphatdüngung. II, 290. 

—, späte Aussaat. II, 291. 

—, tetracotyl. II, 228. 

—, Topfeultur. II, 292. 

—, trieotyl. II, 269. 281. 305. 

— —, Fig. 4, 216. 

—, trieotyle Mittelrasse, Fig. 1, 221. 

—, Trieotylenfürjeden Zweig. 11,287. 

—, Keimpflanzen, gelblich. II, 104. 
laevifolia. I, 153. 190. 217. 218. 240. 

336. II, 457. 

— — Hilversum 1902. 
—, Blüthen. I, 221. 
—-Familie, Stammbaum. 
—, ovale Blumenblätter. 
Lamarckiana. I, 213. 
—, Anfang der Versuche. 
—, Aufschiessen. I, 622. 
— aus O. seintillans. I, 276. 

— BB. mit Biennis-Blüthen. II, 108. 

471. 482. 


I, 231. 


II, 507. 


I, 192. 
I, 222. 


I, 158. 


I, 348. 
— —, Befruchtung. I, 320. 


Register. 


739 


Oenothera Lamarckiana bei London. 

I, 356. 

— —, Beschreibung. I. 316. 
— —, biennisblüthige. II, 108. 
‚ Blüthe, Fig. I, 152. 

> bunt. 015.603: 113; 355. 
—, Buntblätterigkeit. I, 345. 

,‚ Constanz aus Kreuzungen. II, 424. 
eruciata, Stammbaum. II, 625. 
Curve der Fruchtlänge, Fig. 1,379. 
Dicke des Stengels. I, 381. 
einjährig. I, 647. 
einmalige Mutation. 
Entstehung. II, 622. 
Faseiation. II, 549. 554. 
Fig. I, 227. 228. 230. 
Frucht, Fig. I, 378. 
Früchte. I, 320. 
Fruchtlänge. I, 377. 393. 
Fundorte. I, 358. 
gelbe Keime. I, 614. 


er 


De N EEE Ze 


II, 541. 


Are 


Sr Be T yore er) 


— —, gespaltene Blätter. I, 339. 
— — in Amerika. II, 539. 
— —, käuflich, Mutabilität. II, 459. 


Öenothera, Länge der Früchte. I, 312. 

— lata. I, 155. 168—170. 194. 195. 215. 
219. 287 — 298. 

— —, Hilversum 1902. 

— 2, Blätters Bıe) 


II, 505. 
I, 289. 


— —, blühender Zweig, Fig. I, 288. 
— —, Buckeln. I, 295. 

— —, Eigenschaften. I, 291. 

— —, Erbzahl. I, 400. 

— — Familie.‘ TI, 196. 

—ı 7, Erbzahlen. 17,406: 

— — —, Stammbäume. I, 202— 204. 
— —, Eie: I, 295. 


— Ernehte,) Fig. 17321: 

—, Keimpflanzen, Fig. T, 294. 

— —, Kreuzung mit 15—20°, Erben. 
I, 196. 

—  Kreuzungen., 11,475. 

—, Merkmale. I, 288. 

— nanella. I, 168. II, 421. 

— —, Narben. TI, 294. 

— x O. brevistylis. II, 435. 438. 

— x 0. cerueiata varia. II, 612. 

— x 0: aanella./ 117,548: 14231. 


I 
— —, Knospen aufKeimblättern. 1,351.|— — x O. nanella, Tafel I. II, 399. 
— —, Kreuzungen. II, 399. 538. — — x O0. odorata. I, 293. 
— —, kurzfrüchtige Rasse. I, 391. — — x rubrinervis. II, 422. 
— —, langfrüchtige Rasse. I, 389. — —, rein weiblich. I, 293. 
— — mit 40°, Mutanten. I, 185. — —, Staubbeutel, Fig. I, 292. 
— —, Mutanten, Kreuzungen. I, 212. | — leptocarpa. I, 156. 163. 183—184. 
— —, Mutationen. I, 240. 192. 208. 250— 254. 
— — nanella. I, 255. — -Literatur. I, 313. 
— —, Original-Exemplare. I, 317. | — longiflora, trieotyl. II, 240. 
— — x 0. biennis. II, 31. — macrantha. I, 316. 
— — x 0. brevistylis. IH, 37. 122.|—, Merkmale der neuen Arten. I, 319 
145. 157. bis 326. 
— — x 0. cruciata varia. II, 17. 616. | — minutiflora. I, 306. 
— — x 0. cruciata varia, steril, Fig. — mollissima, trieotyl. II, 240. 
1774.05: — 'muricata. I, 305.327. I, 28. 
— — x 0. muricata. II, 104. — — aus Canada. I, 318. 
— — x 0. muricata, Fig. II, 29. — — x biennis. II, 67. 
— — x 0. muricata, gelblich. II, 60.|— — x biennis x biennis. II, 80. 
— — x O.nanella, Erbzahlen. II, 410.|— -—- x biennis x O. Lamarckiana. II, 
— —, Pollen. I, 299. 86. 
— —, Polymerie der Blüthen. I, 346.|— — x biennis x muricata. II, 80. 
— —, pentacotyl. II, 223. — —, Blüthen. I, 306. 309. 
— —, Samen. I, 314. — 2x hirtella, frieotyl: SIE, 316. 
— —, Sandeultur. I, 625. — —., Kelchröhre. I, 311. 
— —, sectorial bunt. I, 612. — —, Kelchzipfel. I, 310. 
— — Seringe. I, 313—319. — —, Keimpflanzen, Fig. I, 328. 
— —, Stammbaum. I, 157. 184. — — x Lam., Blumen. H, 472. 
— —, symmetrische Blüthen. I, 318. | — —, Pollen. I, 299. 
— —, trieotyl. I, 341. —, Mutation in anderen Familien. T, 204. 
— —, Verbänderung. I, 342. — nanella. I, 155. 165—168. 207. 215. 
— —, verdoppelte Rosette. I, 344. 255— 268. 
— —, Wurzelblätter. I, 329. — — albida. I, 266. 
—, zwei Früchte in einer Blattachsel. | — —, atavistische Periode. I, 258. 
I, 349. — —, Blüthenknospen, Fig. I, 267. 


41* 


740 


Oenothera nanella, Combinationstypen. | 
I, 266. 

—, Constanz. I, 262. 

— x, Constanz. U, 423. 
— elliptica. I, 168. 266. 
—, Erbzahlen. II, 407. 
— -Familie. I, 193. 

—, junge Rosetten, Fig. 
—, Kreuzungen. II, 476. 
—, Mutation. I, 261. 262. 
—, Keimpflanze, Fig. I, 257. 
oblonga. I. 167. 266. 

x Lamarckiana. II, 460. 

x rubrinervis. II, 460. 

x rubiennis. II, 446. 

—, reciproke Erbzahlen. II, 411. 
—, Samenbeständigkeit. I, 262. 

— seintillans,. I, 266. 

—, Spaltungen der Bastarde. II, 443. 
oblonga. I, 163—165. 197— 200. 208. 
238— 247. 


— — aus 0. seintillans. I, 270. 
— —. Erbzahl. H, 419. 

— —, Früchte, Fig. I, 321. 

— —, Keimpflanzen. I, 302. 

— —, Mutanten. I], 241. 

— — Samenbeständigkeit. I, 247. 
— odorata Hort. I, 316. II, 470. 
— — Jacg. H, 5%. 

— — x biennis. II, 58. 

— — x muricata. II, 58. 

— parviflora. I, 330. 

— Pohliana. II, 435. 

— —, Stammbaum. II, 441. 

—, Pollen. I, 282. II, 417. 

— rubiennis eruciata. II, 600. 618. 
— — x 0. biennis. I), 107. 

— — x 0. eruciata varia. II, 107. 
— — x 0. Lamarckiana. II, 108. 
— — x 0. muricata. II, 108. 


x O. nanella. II, 108. 446. 
rubrinervis. I, 155. 161—163. 195. 
197. 199. 207. 215. 231—238. 

—, Bastbündel. I, 236. 

—, bunt. I, 612. II, 102. 

— x, Constanz. II, 424. 

—, Erbzahlen. II, 418. 
—, Farbe der Blätter. 
—, Früchte. I, 320. 
— x hirtella. II, 312. 
—, Hochblätter, Fig. I, 349. 

- —, Keimtopfeultur. I, 396. 

—, kleinblüthig. II, 449. 

—, Kreuzungen. II, 478. 

—, Mutabilität. II, 459. 

—, Mutanten. I, 234. 

—, Mutationscoeffieient. I, 234. 
— nanella. I, 461. II, 453. 


I, 236. 


Register. 


ÖOenothera rubrinervis x nanella. 
422. 447. 


I, 


— — — — nach Mexper. Il, 456. 
— — — — x nanella. II, 454. 
— — — —, Stammbaum. II, 451. 
— —, Sandeultur. I, 626. 

— —, Sprödigkeit. I, 232. 237. 

= _, trieotyl. I, 341. I 24. 
— —, trieotyle Cultur. I, 195. 

— — — Halbrasse, Fig. II, 221. 


— —, Zwergmerkmal nieht mutabel. II, 
458. 
—, Samen. I, 313. 

— seintillans. I, 170. 174. 
209. 268—280. II, 108. 
— —, 69 °/, erblich. I, 277. 

elliptica. I, 171. 

‚ Erblichkeit. I, 172. 

‚ Erbzahl. I, 419. 
‚ Erbziffern. I, 280. 

—, Früchte, Fig. I, 321. 
’ 
’ 


201. 207. 


Inconstanz. I, 270. 
Kreuzungen. II, 477. 
mit Biennis-Blüthen. 
—, Mutationscoefficient. 
— nanella. I, 171. 266. 
x nanella. II, 422. 
—, Rosette. Fig. I, 273. 

—, Tafel 5. I, 270. 

semilata. I, 175. 201. 254—255. 


II, 482. 
I, 274. 


— spathulata. I, 156. 192. 193. 215. 
— —, Fig. I, 300. 

—, Stammbaum. II, 470. 

—, Stengelblätter, Fig. I, 331. 

— suaveolens. I, 305. 316. 318. 473. 
— — x biennis. II, 469. 

— sublinearis. I, 156. 200. 285 —287. 
— —, Fig. I, 285. 

— subovata. I, 156. 197. 199. 301. 


—, Fig. I, 303. 
—, Synonymie. I. 318. 


— undulata, trieotyl. II, 240. 
—, Vergrünung. 1, 303. 

—, Vorblätter. I, 350. 

— vulgaris Spach. I, 309. 
—, Wurzelblätter, Fig. I, 330. 
ÖOgive nach Garton. 1, 36. 
Öse. II, 209. 

Olive. I, 88. 

Onagra. I, 305. 355. 

—, Bau der Blüthen. I, 315. 
— chrysantha Spach. I, 315. 
— gigas. I, 158. 

—, Mutationsgruppe. I, 315. 
—, Stammbaum. II, 469. 


— vulgaris Spach. I, 315. 
Oneidium unguiculatum. II, 32. 
Öranien. II, 391. 


Register. 


741 


Orchideen. II, 655. 
Orchideen-Bastarde. 
Orchis. II, 496. 
Organe, vegetative. II, 74. 
Origin of species. I, 17. 
Originalsaat. I, 89. 
Originalsaatgut. 1, 59. 
Orobanche Galii, Pelorien. 
Ostsee. I, 78. 

Ostwav’s Klassiker. II, 138. 
Othonna carnosa. I, 103. 

— cerassifolia. I, 103. 370. 
Oxalis. II, 54. 499. 

— artieulata x O. lasiopetala. 
—-Bastarde. II, 530. 
canescens. II, 16. 
— cornieulata. I, 43. 
hirta. II, 16. 
rubella, Bastarde. 


II, 31. 32. 35. 


I, 569. 


31.51. 


— 11,752: 
Paare von elementaren Eigenschaften. 
I, 373. 
Paeonia corallina leiocarpa. I, 454. 
Palaemonetes vulgaris. I, 309. 
Paläontologie. I, 49. | 
Panachirte Stengel. I, 600. 
Panachirung. I, 599. 
— der Blüthen. I, 492. 
Pangene. IH, 690. 
—, labile. I, 696. 
—, somatische. II, 691. 
Pangenesis. II, 660. 
—, Darwıns. I, 27. II, 682. 
—, Intracellulare. II, 688. 
Pangenesislehre. II, 684. 
Papagei-Tulpe. Fig. II, 537. 
Papaver Argemone. I, 431. 
— bracteatum, Herzflecken. 
— — monopetalum. I, 11. 
— Cardinal x Mephisto. II, 357. 
— commutatum. I, 470. 
— — polycephalum. I, 433. 582. 
— dubium. I, 123. 
— — glabrum. I, 454. 
— — x Rhoeas, steril. 
—, einjährige Arten. 
— nudicaule. II, 178. 
— — aurantiacum plenum. I, 551. 
— — coceineum flore pleno. II, 394. 
— —, gefüllt. IL, 377. 
— —, gestreift. II, 353. 
— —, Reinheit. II, 392. 
— —, sectorial. I, 491. 
— orientale. I, 454. 
— perennirende Arten. 
— Rhoeas. I, 228. 268. 
— — fl. pleno, trieotyl. I, 239. 
— —, gelbe Keimen. I, 614. 


II, 351. 


II, 60. 
II, 44. 


IT, 36. 


 Papilionaceen, Keimpflanzen. 
| Parasiten. 


| — Variation. 
| Passiflora racemosa x coerulea. 


|— —, bunt. 


Papaver Rloeas, pentacotyl. II, 223. 
lien I 

— —, trieotyl.. I, 281. 

— —, trieotyle Kreuzung. 
— — Rasse. II, 278. 
rupifragum, gelbe Keime. 
somniferum. II, 55. 361. 
— Cardinal x Mephisto. 
— Danebrog. I, 470. 

— — x Cardinal. II, 357. 


II, 301. 


D. 


1761 


) 


II, 357. 


— — — x Double grand violett. I, 
357. 

— — — x Mephisto. II, 166. 

— 7x Danebrog., 11,247! 

— — Danebrog x Schwan. II, 357. 

— —, gefüllt. II, 356. 

m seschlitzt. II, 358. 

— —inapertum.  I,. 137. 

— — Mephisto x Cardinal. II, 357. 


— — x Danebrog. II, 164. 201. 
— — x Danebrog, vierte Generation. 
IH, 168. 

— — x Schwan. II, 166. 
monstrosum. I, 97. 
nanum. I, 256. 
— album plenum, Fig. II, 76. 
‚ Reinheit. II, 382. 
(Schwan) x Mephisto. 


— — „ardoise“. II, 394. 
polycephalum. I, 88. 420. II, 47. 
— — Danebrog. IH, 360. 

— — monstrosum. I, 98. 

x P..8-nanım. II; 3% 

Schwan. II, 76. 
Schwan x Mephisto. 

,‚ sterile Bastarde. II, 59. 
— umbrosum, Samen. II, 377. 
Papaveracees. II, 165. 
Paphiopedilum. II, 61. 

— Harrisianum. II, 72. 

— vexillarium. II, 72. 


II, 357. 


1.258. 
Parallelismus zwischen sexueller und 
systematischer Verwandtschaft. II, 60. 
I, 290. 
Partielle Variabilität. 
117472: 


I, 37. 100. 


II, 54. 
I, 65. 87. 
I, 125. 


Pastinake. 
PATRICK SHIRREFF. 
PAur... I. 418. 
Pearson. I, 111. 112. 374. 416. 
Pedicularis palustris, faseiirt. 
Pelargonium. II, 88. 

— inquinans. I, 609. 

— zonale. .I, 137. 338. 

I, 608. 609. 


II, 554. 


742 Register. 

Pelargonium zonale, grün. I], 475. Phaseolus vulgaris x nanus. II, 191. 
— — trieolor. I, 642. Philageria Veitchi. i. I, 27. 
Peloria. I, 552. II, 17. Philesia buxifolia. II, 27. 

— anectaria. I, 553. 567. Phlox decussata, bunt. I, 608. 

— der Compositen. I, 465. — Drummondi. II, 380. 

—, Kreuzungen. II, 38. — — alba. I, 469. II, 379. 

— nectaria. I, 567. ' Phormium tenax, bunt. I, 599. 

— bei Labiaten. I, 569. Phosphorsäuredüngung. LI, 290. 


Pentacotylen. I, 215. 223. 227. 


Pentstemon gentianoides ohne Plumula. 


II, 323. 
— —, syneotyl. II, 320. 
— —, trieotyl. I, 244. 
Penzıe. I, 128. 340. 473. 553. 
—'s Teratologie. I, 572. 
Peperomia maculosa. II, 547 


Pfrm. 1], 611. 
Pepo Citrullus. II, 45. 
Pergamin-Düten. I, 155. 


Periode des Wachthums, grosse. II, 584. 
373. 59. 


—, empfindliche. I, 99 371. 
Periodieität. I, 441. 
— der Mutationen. II, 697. 

— des Getreides. I, 640. 

— in der Entwickelung. I, 639. 
— semilatenter Eigenschaften. 
Periodische Mutabilität. 


II, 286. 551. 


I, 145—146. 


Pfrtz. I, 431. 643. 647. 

Pescatorea. I, 566. 

Petalomanie. I, 475. 582. 

Petaquia saniculaefolia. 1, 459. 

Peter. 1], 3. 14. 24. 36. 51. :87. 112. 
468. 498. 499. 

—, über Atavismus. II, 45. 

Petersilientraube. I, 489. 

Petunia, gefüllt. I, 648. I, 377. 

— nyetaginiflora. II, 36. 72. 

— violacea. II, 36 

Peyrıtscn. I, 569. 636. 648. II, 17. 

Peziza. II, 342. 

Pfahlbauten. II, 711. 

PrErFER. 1, 662. 


Pferde, Stammbäume. 
Pritzer. 1, 568. 
Phacelia tanacetifolia. 
— —, Fig. U, 279. 
—, syneotyl, II, 820. 

— —, tricotyl. IH, 239. 281. 
— —, trieotyle Rasse. II, 278. 
— texana. II, 239. 
Phalaris arundinacea, bunt. 
Phaseolus eoceineus. I, 618. 
— lunatus. II, 663. 
— multiflorus. I, 618. 459. 
— nanus X P. multiflorus. 
— -Rübchen. I, 618. 

— vulgaris. I, 34. II, 194. 
— — x P. multiflorus. II. 27 


I, 48. 


II, 228. 268. 


II, 387. 


I, 638. 


I, 603. 608. 


| Puinivs. 


Phragmipedilum longifolium. 

— Sedenii. II, 32. 

Phragmites arundinacea variegata. |, 
598. 


II, 32. 


Phylogenetisch ältere Eigenschaften. 
II, 33. 141. 

|— — Kennzeichen. II, 472. 

Phytoptus. I, 290. 

Pieris hieracioides. II, 549. 

— —, einjährig. I, 619. 

— —, Faseiation. Il, 544. 


— —, faseiirte Rasse. Il, 559. 
_—-—, LE II, 325. 

I —, 8°, syneotyl. II, 320. 
Pilosclla. IL, 13: 
Piloselloiden. Eas2 

— -Bastarde. I, 14. 

—, Stammsippen. II, 46. 
Pinus. "I, 101: "Iu13. 

— Abies aclada. I, 455. 

— excelsa. I, 475. 

— Pinaster. I, 641. 


— sylvestris, dreinadelige Gruppen. |, 
641. 


Pistacia. II, 54. 


Pisum saecharatum. II, 145. 
— sativum, faseiirt. II, 559. 
— umbellatum. II, 145. 


Plantago lanceolata, bunt. I, 603. 

— —, gespaltene Blüthenähren. II, 554. 

— — ramosa. I], 514. 

_—— —, Kreuzung. 

— —, Schöpfe. 

— —, stipitata. 

— major, bunt. I, 603. 

— —, bracteata. I, 433. 11, 527. 

— — rosea. ]J, 129. 433. U, 527. 

—, Samenbeständigkeit der Atavisten. 
12519: 

—, Wurzelknospen. 

Prarte. II, 507. 661. 666. 

Platanthera bifolia. I, 14. 

Pleetogyne variegata. I, 607. 

Pleiomorphie. II, 518. 

Pleiopetal. I, 584. 

Pleiopetalie und Ernährung. I, 594. 

— und Witterungszustand. I, 593. 

Pleiotypie. II, 54. 400. 

Pleuronectus flesus. I, 309. 

I, 124. 


II, 358. 
I, 514. 
I, 428. 


RR 


© 


Register. 


743 


Prortz 137,092: Prämutation. I, 353. 461. Il, 427. 637. 
Plumula unter Druck. II, 322. Prämutationsperiode. I, 332—35. 
Plural-Variationen. I, 507. — Kreuzungen in der. II, 538. 
Plus-Varianten. II, 321. Prämutirte Pangene. II, 696. 
Plusia Gamma. I, 225, 389. Präponderanz älterer Merkmale. II, 428. 
Poa alpina vivipara. I, 426. —, Grade der. II, 24. 
— bulbosa vivipara. I, 426. Präpotenz. II, 143. 
Podocarpus Koraiana. I, 487. Prävalenz, schwankende. II, 48. 
Podolepis gracilis, trieotyl. II, 240. Prenn. I], 468. 
Pont. I, 153. 168: 223. 291. II, 436. | Primäre Aeusserungen. II, 112. 433. 
Poker. I, 316. 317. — Merkmale. II, 228. 
Poıteav. I], 126. Primordialblatt, dreizähliges. I, 578. 
Poxorny. I, 639. Primula. II, 13. 
Polemonium coeruleum album. II, 387. — acaulis. I, 456. 
— — —, Reinheit. II, 385. — — x pannonica. II, 63. 
— coeruleum x P. ce. album. II, 37. — japonica. Fasciation. II, 544. 
— disseetum album. I, 469. — offieinalis x P. acaulis. II, 84. 
— — x coeruleum. II, 387. — pubescens. II, 26. 
—, sterile Bastarde. II, 59. — sinensis. I, 425. 
Pollenkörner der Hybriden. II, 173. — variabilis. II, 84. 502. 
—, mutirte. II, 504. — veris L. I, 13. 
—, schwache. I, 417. Probe-Entnahme. II, 117. 
Pollen, hybrider. II, 88. Probstei. I, 77. 78. 
—, steriler. II, 99. Progressisten. I], 483. 
— sterile Körner. II, 63. ProskowErz, von. I, 82. 371. II, 53. 
Pollensäcke von Oen. lata. I, 168. 663. 
Porrock. I], 611. Prüfung auf Erbkraft. II, 664. 
Polycephalie. I, 97. II, 55. Prunus. II, 663. 
Polyeder. I, 39. 49. — Lauro-Cerasus. Curve der Varia- 
Polygonum amphibium. II, 522. bilität. I, 36. 
— ÖConvolvulus, bunt. I, 603. — Padus, Seitentrauben. I, 642. 
— —., syneotyl. II, 325. Przıeram. II, 709. 
— —, trieotyl. II, 245. Pterophorus microdactylus. I, 291. 
— — —, Fig. H, 322. Pyramiden. II, 711. 
— Fagopyrum. II, 232. Pyrethrum Parthenium aureum. I, 415. 
— —, Becher. Il, 324. — roseum. I, 475. 
— —, bunt. I, 603. — —, halbgefüllt. Fig. 1, 550. 
— —, gelbe Keime. I, 614. Pyrus auricularis. II, 679. 
— viviparum. I, 459. 
Polyhybriden. II, 111. 187. Quartil. I, 376. 
Polymorph. II, 518. Quereus. I, 419. II, 13. 
Polymorphie. I, 33. — peduneulata, bunt. I, 604. 606. 
Polyphyle Bastarde. II, 462. — — argenteo-pieta. I, 608. 
Polyphyletisch. I, 563. 575. II, 531. | — sessiliflora albovariegata, Fig. 1, 687. 
Polyphyletische Entwickelung. II, 511. | Quererer. ], 5. 34. 112—114. 374. 
Polystichum eristatum, gespalten, Fig. | —'sches Gesetz. I, 306. 

11.2520: 
Polypodium vulgare, gespalten. II, 521. | Rıarz. II, 664. 
Pomonomie belge. I, 126. Racısowskı. II, 90. 
Pop-corn. I, 68. Radis, wild. I, 65. 
Portulacca grandiflora. 1, 494. Ransay. 1, 237. 
Portunion moenadis. I, 402. Ranuneulus aconitifolius. I, 452. 
Potentilla anserina, vierzählig. I, 635. — acris. I, 475. 
— collina. I, 501. — — petalomana. I, 137. 
— Tormentilla. I, 122. | — arvensis. I; 454. 
Pouserr. I, 317. — — inermis. I], 138. 478. 
Prädominanz. I, 143. — asiaticus. 1, 582. 
—, schwankende. II, 48. — auricomus. I, 433. 


744 

— bulbosus Aleae. I, 582. 

— —, bandförmig. U, 543. 

— — semiplenus. I, 582. II, 261. 
— — —, Curve, Fig. I, 434. 

— — —, Lebenslage. I, 592. 


— —, Verzweigung. I, 591. 
Randblüthen. ]J, 370. 

Ränder der Aecker. I, 81. 93. 
Ranunkel. I, 88. 582. 
Raphanus Raphanistrum. 
—, Becher. 11, 324. 
—, Cotylbecher, Fig. 
—, faseiirt. II, 554. 
— x R. caudatus. I, 387. 
—, trieotyl. II, 240. 
Raps. I, 418. II, 413. 
Rasor. II, 601. 

Rassen, constante. I, 463. 
— der Hunde. I, 30. 

— des Handels, Regression. 


I, 421. 
= II, 322. 


I, 61. 


Register. 


—, Doppelte Bedeutung dieses Wortes. 


I, 29. 
—, erbliche. I, 418. 
—, inconstante. II, 391. 518. 
—, Landes-. I, 86. 
—, locale. I, 24. 149. 
—, nicht isolirbare. I, 570. 
—, Trieotyle Mittel-. I, 212. 
—, Unbeständigkeit. I, 84. 
—, veredelte. ü 39. 59. 369. 
Ratzegurg. I], 479. 567. 


Recessive Merkmale. II, 141. 203. 
Reciproke Kreuzungen. II, 470. 
Reduction zur Hälfte. II, 468. 
Reduced by half. II, 468. 

Reser. II, 498. 


Regeneration. II, 662. 


Regression. I, 60. 84. 114. 369. 413. 420. 


— bei Isolirung aus Gemischen. 
280. 
Regressisten. I, 483. 
Reihen. I, 363. 
, eontinuirliche. 
—, morphologische. 
—. paläontologische. 
—, polycentrische. 
— , ununterbrochene. 
von Individuen. 
teinheit. II, 376. 
— von Blumensamen. 
Reinheitsbestimmungen. 
Reinigen. II, 376. 
Reınke. 1], 258. U, 533. 
Reseda odorata. I, 419. 
tetinospora. I, 484. 
Retourselection. I, 115. 446. 
Retrogressiv und Menxpeı. II, 373. 
tetrogressive Merkmale. II, 367. 


II, 215 
II, 215. 
I, 142. 

I, 313. 
1'318. 

— I, 305. 
#57 


JI, 125. 


11, 


' Rhingia. 


ı — sanguineum. 
ı—, sterile Bastarde. 


Reversion to mediocrity. I, 68. 
Rhamnus Frangula. I, 391. 
Rhinanthus. I, 66. 

— major, bunt. I, 603. 

I, 468. 
Rhododendron intermedium. 
—, Tetraden. II, 64. 
Rhus typhina, bunt, Fig. 
Ribes aureum. I, 12. 
— Gordonianum. II, 12. 14. 59. 
— nigrum x Grossularia. II, 26. 
I, 12. 

IL 59. 


II, 502. 


II, 680. 


Rıcater. 1, 547. 
Right and left-handed. 
Riga-Lein. I, 90. 
Rımpav. I, 79. 476. 617. 620. 640. II, 3. 
34. 37. 40. 45. 73. 147. 192. 494. 559. 


II, 592. 


| —'s Weizenbau. I], 70. 
Rinderguano. I, 391. II, 290. 
Ringfaseiation. II, 547. 


| — rubiginosa. 


‚ Rosette, verbänderte. 


 Rosskastänie, bunt. 
' Rostarten, Nährpflanzen bei den. I, 122. 


Rispe, Unterbrechuugen in der. II, 311. 

Rısrer. I], 89. 

—'s Weizenbau. I, 70. 

Rıverr’s bearded Wheat. II, 40, 193. 

— Grannenweizen. II, 37. 

Rıvısre. 11, 669. 

Robinia Pseud-Acacia. I, 454. 

— —, fasciirt. II, 553. 

— inermis. I, 475. 

— monophylla. II, 390. 524. 

— rosea. I, 481. 

—, syneotyl. I, 320. 

—, tricotyl. II, 240. 

RopewArp. II, 125. 

Roge. I, 629. 

Roggen. II, 665. 

—, dreigabeliger. II, 542. 

—, Perenniren. I, 618. 

—, Schlanstedter Riesen-. 

—, steriler. I, 476. 

Roggenzüchtungen. II, 53. 

Roıre. 1, 70. 72. 501. 646. 

Rosa. I, 51. 489. 1I, 666. 703. 

— centifolia, Becher. I, 638. 

— gallica, Ascidien. I, 638. 

—, grüne. I, 475. 

I, 453. 

— spinosissima. I, 453. 

Rosen. I, 123. 143. 287. II, 497. 
II, 544. 

I, 598. 


1, 1. 


Rothbuche, geschlitztblätterige. II, 390. 


| Rothklee. I, 128. 

—, Erklärung des fünfblätterigen. II, 
77328: 

Roze, E. I, 133. 226. 


Register. 745 


Rübe, dreijährig. I, 617. | Samen- Auslese. I, 90. 

Rüben der Römer. I, 73. 124, —, erstreifende. II, 287. 

—, Vorwahl der. I, 76. —, gemischte. II, 392. 

—, Zuckergehalt von 40000. I, 74. —#kleinste.2 71, 579. 

Rubia tinetoria, verbändert. II, 545. —, schwere. I, 137. 

— —, Zwangsdrehung. II, 576. —, Selection nach Gehalt an kleinen. 
Rubus. 11, 3274197. II, 262. 

— frutieosus, bunt. I, 603. 604. 605. | —, Wahl der. I, 645. II, 286. 

— — laeiniatus. I, 139. II, 689. Samenbeständiskeit. I, 138. 

— Idaeus monophyllus. I, 455. Samenlappen, gespaltene. II, 223. 294. 


Rückschläge. I, 482. ı Samenproben, käufliche. II, 376. 
—, alljährliche. 11, 608. =, reine. 11. 169. 
—, vegetative. II, 536. Samenprüfungsstationen. II, 123. 
Rückschritt. I, 456. Samenschiessen. I, 617 
Rumex. I, 144. Samenwechsel. I, 89. 
Rünker, von. I, 9. 66. 76. 86. 89. 108. | Sammelarten. I, 8. 13. 121. 

129.21325 1647... 645... 01,541} Sanct-Barbara-Kraut. I, 610. 
Runkelrüben, Aufschiessen. 1, 621. Sandluzerne. II, 52. 
—, Bastarde der. II, 45. | Saponaria calabrica nana. II, 390. 
Russe. I, 350. — hybrida. II, 485. 

— offieinalis. I, 591. 640. 

Saatgut. I, 88. — — plena. I, 636. 
Saatwucherblume. I, 523. — —, sechszählig. I, 636. 
Saceulina careini. I, 402. — — torsa. II, 586. 
SACHS E 55122112485. Saprophyten. I, 457. 
SAGERET. II, 6. 9. 42. 45. 675. 706. Sarothamnus. 1, 258. 
Sagittaria sagittifolia. I, 629. ı— scoparius. II, 664. 
Saison-Dimorphismus. I, 66. 449.  Saturnia. II, 34. 
Sarıspury. 1, 51. | SAunDERS. II, 147. 373. 
Salix alba, fasciirt. II, 553. Savastano. II, 670. 
— Arbuseula x purpurea. II, 28. | Saxifraga Andrewsii. II, 27. 51. 
— aurita X, Fruchtknoten auf den An- — Brauni. II, 63. 

theren, Fig. II, 18. "— erassifolia. I, .45. 
— — x purpurea, Fig. II, 49. |— —, Becher. .I, 641. 
— —,Zwitterblüthen. I, 638. — deeipiens. I, 636. 
— babylonica crispa. I, 489. |— umbrosa. I, 459. 
— caprea x daphnoides. II, 87. Scabiosa atropurpurea. I, 601. II, 233. 
— ceinerea X incana. II, 87. 234. 382. 
— ceuspidata. II, 501. — — nana. II, 236. 
— Ehrhartiana. II, 501. — — -— purpurea. I, 139. 
— Lapponum x Silesiaca. II, 87. |— — torsa. II, 586. 
— purpurea x cinerea. II, 49. ı— —, Zwangsdrehung. II, 324. 
— —, fasciirt. II, 553. ı Seirpus lacustris. I], 459. 
— I Zxsyımınalen a 1 EAST ScHAAF. I], 646. 
—, Staubblätter, gegabelte. II, 49. SCHAAFHAUSEN. I, 26. 
—, Sterblichkeit der Männchen. II, 54. | Schatteneultur. II, 293. 
— triandra + viminalis. II, 50. Schätzungen. II, 115. 


-- von Merkmalen. II, 142. 
Scheitelwachsthum. Il, 546. 
Scheitelzelle. I, 606. 


Salpiglossis. II, 379. 
SALTER. 1, 104. 418. 606. II, 72. 
Salvia sylvestris. II, 502. 


— — alba. I, 469. SCHELLENBERG. I, 618. 

Sambucus nigra aurea. I, 601. Schildförmige Blätter. I, 459. 

— —, bunt. I, 609. Schirmstrahlen, Anzahl der. I, 371. 
— — fasciata. I, 552. ScHINDLER. I], 371. 617. 

— — laeiniata. I, 489. Stammpflanze, schlechte. II, 255. 

— racemosa serratifolia. II, 382. | SCHLECHTENDAHL. |], 598. 607. II, 601. 


Samen auf einer Pflanze, Vertheilung | Schlingpflanzen. I, 457. 
tricotyler. II, 286. Schnecken. I, 307. 


746 


Schösslinge. 
ScHRIBAUxX. I], 640. 
ScHRÖDER. II, 660. 


SCHRÖTER. I], 455. 464. 475. II, 711. 
ScHÜBELER. 1], 71. 87. 

Schüsseln, Aussaat in. I, 206. 
Schwächlinge. I, 585. 

Schwan. II, 382. 

Schwindel. I, 9. 

Scotr. ], 48. 141. 177. I, 704. 
Serophularia nodosa. II, 226. 234. 


— —, Bastard. II, 185. 

—, Ernte der späteren Jahre. II, 288. 
— —, erstreifende Samen. II, 287. 
—, Fig. II, 259. 

—, gelbe Keime. I, 614. 

—, Pelorien. I, 569. 

—, Sandeultur. II, 291. 

—, syncotyl. II, 325. 

—, tetracotyl. II, 228. 

—, trieotyl. II, 231. 

— =, Fig. II, 29, 

—, trieotyle Rasse. II, 258. 

— — — —, Fig I, 258. 

Secale. II, 542. 
Seetorial bunt. 


I, 606. 


Sectoriale Variation. I, 496. 513. 549. 
606. II, 675. 

Secundäre Aeusserungen. II, 112. 

— Merkmale. II, 229. 

Sedum erispum. I, 128. 

— cristatum. I, 128. 


— reflexum ceristatum. 

SEELHOBST, vonN. |], 371. 

Seitenknospe, schwache. I, 643. 

Seitenzweige. Früchte der. II, 416. 

—, Samen der. II, 341. 583. 

Seitenzwiebeln. I, 459. 

Selbstsaat. I, 645. 

Selection. I, 369. 

— auf die Dauer unfähig. I, 617. 

— — einem Umwege. II, 328. 

—, Aufhören der. I, 86—91. 

—, Bedeutung der. I, 114. 

—, Dauer der. I, 597. 

des Zuckerrohres. I, 104. 

—, die Wahl der am besten ernährten 
Individuen. I, 96. 

Selection, doppelte. II, 580. 

—, Grenze der. I, 83—86. 

— in einer Richtung. I, 63. 

—, Misslingen der. I, 570. 

—, mittelbare. II, 262. 

— und bessere Ernährung. 

—, unwillkürliche. I, 85. 

—, vegetative. I, 104. 

Selectionslehre. II, 665. 

—, Darwın’s. I, 20—28. 


I, 129. II, 559. 


Lest, 


Register. 


| Selectionslehre, Warrace's. 1, 28. 


Selectionsmethode, Verbesserung der. 
I, 85. 
Seleetionstheorie. I, 4. 8. 


Seleetionsverfahren, Dauer des. I, 62. 

Seleetionsversuche, misslungene. 11, 241. 

Semi-activ. II, 371. 374. 640. 

—-latent. II, 640. 

Semilatente Merkmale und Lebenslage. 
I, 627. 


Semilatenz, Schema. I, 424. 
SEMPER. I, 46. 
Sempervivum. II, 497. 

— Hüteri. II, 63. 


Senecio Jacobaea. 

— — discoideus, Fig. 

— — L.f.radiata, Fig. 

— sagittifolius. 1, 459. 

Sensible Periode. II, 567. 

Sepalodie der Krone. II, 595. 

Sepalodisch, breit-. II, 604. 

—, halb-. II, 604. 

SERRES, ÖOLIVIER DE. 1], 124. 

Sexualzellen. II, 671. 

—, mutirte. II, 541. 

Sexuelle Organe. II, 58. 

— Periode. U, 671. 

— Verwandtschaft. II, 654. 

SHIRREFFS Oats. I, 125. 

SHIRREFF, PATRICK. ], 79. 

Siebe. II, 377. 

Siegesbeckia. I, 459. 

Silene Armeria. II, 178. 203. 239. 

— — alba. I, 469. 

— — rosea. I, 469. 

— ee: 

— conica, tricotyl. II, 245. 

hirsuta. II, 239. 

—, syneotyl. II, 320. 

inflata. II, 228. 269. 

— —, Ernte der späteren Jahre. 
288. 

— —, erstreifende Samen. 

— —, Fig. II, 279. 

—, trieotyl. II, 281. 

—, tricotyle Rasse. 

— noctiflora. II, 236. 

—, bunt. I, 603. 613. 

torsa. II, 576. 

—, tricotyl. II, 240. 246. 

odontipetala, tricotyl, Fig. I, 222. 

orientalis alba, tricotyl. II, 239. 

vulgaris. II, 657. 

Sinapis alba, Cotylbecher. 

Single Variations. I, 414. 

Singular-Variationen. II, 508. 

Sisymbrium Alliaria. I, 357. 

Sium. I, 321. 456. 484. 


T, 121° 138. 
I, 466. 
I, 466. 


II, 


II, 287. 


II, 279. 


II, 321. 


Register. 


747 
Sium latifolium. I, 258. II, 533. Sraur. "I, 101. 11,523. 
Ser], 187.356. Stammbaum, Fortschritt im. I, 463. 
Smerinthus. II, 34. —, individueller. II, 242. 
Sociale Fragen. I, 108—112. 150. —, Lücken im. I], 44. 
Solanum, Adnation. I, 458. —, Oenothera. II, 469. 
— Dulcamara tomentosum. I], 454. — von O. Lam. II, 700. 


— nigrum x chlorocarpum. II, 155. 170. 
— —, Insectenbesuch. II, 170. 
— tuberosum, Keimpflanze. I, 628. 
Sorzas. II, 708. 
SoLMms-LAuBACcH. 
497. 663. 
Sommerblumen. I, 632. 
Sommerweizen, Wassergehalt. 
Sonchus palustris, verbändert. 
Sondershausen. I, 136. 
Sophora japonica pendula. 
— — variegata. I, 611. 
Sophronites. II, 35. 
SoucHer. IJI, 91. 
SracH. I, 309. 313. 
Spaltung der Blätter. 
— der tricotylen Bastarde. 
— in der vierten Generation. 
Spaltungsgesetz. II, 166. 173. 
Spaltungsgesetze, Menper’sche. II, 111. 
137. 
Spaltungsregel. 


I; 358: 4778643... II, 


ee 
II, 554. 


I, 481. 


II, 232. 
II, 299. 
II, 169. 


1.23: 


Species, immutable productions. I, 18. 
—, ineipient. I, 39. 

— tot numeramus. |], 13. 
Speciesbastard II, 9. 

Speeularia Speculum, vierzählig. I, 641. 
Spelz. I, 192. 

Spelzenmais. II, 41. 

SPENCER. I, 44. 95. 108. 150. II, 684. 
Spermatozoid von Mais. II, 158. 
Sphingiden. II, 34. 

Spinacia. I, 144. 

— oleracea, Becher. Il, 324. 

— —, trieotyl. II, 246. 

Spinat, dornloser. I, 139. 

—, Holländischer: II, 246. 


Spiraea callosa atropurpurea, fasciirt. 
II, 553. 
— —, bunt. I, 609. 


— opulifolia, bunt. I, 605. 


— sorbifolia, faseiirt. II, 553. 

— Ulmaria, bunt. I, 603. 

Spirogyra. II, 691. 

SPRENGER. I], 133. 

Sprödigkeit, Oen. rubrinervis. I, 161. 
Sprosse. I, 640. 
Sprungvariation. I, 4. 23. 39. 
Squarehead Wheat. II, 40. 193. 

St. Germain-Birne. I, 127. 


St. Hıraıme. II, 41. 


Stachelginster, dornloser. II, 206. 


| SURINGAR. 


Stammbäume. 
204. 361. 

—, schematische, Fig. II, 701. 

Stanpruss. II, 43. 106. 700. 

Standort, sonniger oder schattiger. I 
101. 

Standortrassen. I, 85. 

Statistische Methode. I, 308. 

Staubfäden in Carpelle umgebildet. II, 17. 

Staubgefässe in Carpelle, Umwandlung 


I, 157. 184. 192. 202. 


, 


dere 1.297. 
—, petalodische. I, 350. 549. 
Stechginster. II, 208. 
Stecklingseultur. I, 646. 
Stechpalme. I, 598. 
Stellaria graminea aurea. 1, 602. 
— Holostea apetala. I, 417. 


Stengelblätter von Oenothera. 
Sterblichkeit. II, 122. 
Sterile Samenknospen. 
— Varietäten. I, 137. 
— Maispflanzen. I, 137. 148. 
Sterilität. II, 57. 

StEuper's Gerste. II, 41. 
Stickstoffdüngung. II, 290. 
Stickstoffgehalt der Gerste. 
Stirp. I, 687. 
Stockwerke. II, 705. 
Stickstoffgehalt. II, 371. 
Stolonenlänge. II, 15. 
Stossweise Aenderungen. 
Strahleneurve. I, 397. 

— der Compositen. I, 427. 

Strahllose Blüthen, Compositen. I, 467. 
STRASBURGER. II, 390. 667. 
Strömehen von Protoplasma. 
Sub-activ. II, 372. 
Sub-latent. II, 372. 
Subprogressiv. I, 458. 
Subvariationen. I, 220. 457. 
Suceisa. II, 664. 
Superphosphat. II, 290. 
I, 568. 569. 
Survival of the fittest. 
Sutton. I, 549. 

Svalöf. II, 663. 
Symmetrie. I, 444. 565. 
Sympetalen. I, 11. 457. 
Symphytum, bunt. I, 608. 

— offieinale. II, 196. 

Synanthien. I, 340. 349. 

Syneotylen ohne Atavisten. 11,327—331. 


I, 209. 


II, 99. 


Bar. 


I, 414. 


II, 691. 


II, 601. 
I, 29. 44. 150. 


748 Register. 

Syneotylie. 11, 319. Tomate. I, 481. U, 510. 

—, erbliche, II, 324. ' Torenia. II, 669. 

Synfise der Blätter. II, 232. | Torkey. I, 313. 

Synthese, hybridologische. II, 200. — and Gray. H, 598. 

Syringa, gefüllte. I, 129. Torsion. II, 231. 573. 

— rothomagensis, Pollen. II, 65. Tournerorr. ], 12. 

— vulgaris azurea plena. I, 130. Tracy. II, 663. 

— — x $. vulgaris azurea plena, Fig. | Tradescantia repens, bunt. I, 599. 608. 

II, 55. — virginica. U, 707. 
—, weisse Blüthen. I, 633. Transformation. I, 178. 
Systematik und Mutationslehre. II, 634. | Transgressiv. I, 41. 309. 

Transgressive Variabilität. I, 305. 

Tagetes africana. I, 643. 308—313. 521. II, 306. 346. 
— —, gefüllt. I, 549. — — bei Syncotylie. II, 327. 
— patula nana. I, 139. 256. — —, Fig. U, 349. 
— signata nana. I, 256. — Variation. II, 296. 
Tanmes. I, 599. 641. II, 551. 583. Transmutationisten. I, 7. 18. II, 497. 
Tarascora Corn. I, 68. Transmutationslehre. I, 10—20. 
Taraxacum offieinale fasciatum. II, 549. | Trauben. II, 415. 

558. —, Astrachan-. I, 137. 
— —, Ringfaseiation. LI, 547. — ohne Kerne. II, 669. 
Taxus baccata fastigiata. I, 479. Trauereiche. I, 479. 
Teratologisches. I, 337. 425. Traueresche. II, 390. 
Terraccıano. 1], 582. Trauerweissdorn. I, 479. 
Tetracotylen. Il, 214. 227. 239. Trennung von der Halbrasse. Il, 282. 
—, Erblichkeit. II, 275. Treus. I, 291. II, 492. 
—, hoher Gehalt an. II, 274. Trevıranus. II, 485. 
Tetradentheilung.- II, 65. Trichterbildung. II, 547. 
Tetragonia expansa. I, 469. Trieotyle Halbrassen. II, 239. 
— —, Faseiation, Fig. Il, 234. 544. Mittelrassen. II, 247. 

558. 560. — —, lsolirung der. II, 265. 268. 

— —, Früchte. I, 432. — —, Mittelbare Isolirung der. II, 304. 
— —, trieotyl. II, 240. — Rassen. I, 212. 

— cristallina. I, 469. Trieotylen. U, 216. 

Tetragonolobus biflorus, vierscheibig. | —, Auslese von. II, 240. 

I, 574. — bei wildwachsenden Arten. II, 267. 
Tetrahybriden. II, 187. — im weiteren Sinne. II, 217. 
Tetrapoma. I, 643. — in käuflichen Samen. II, 239. 
Teucerium Polium. I, 452. Trieotylie. II, 294. 
Theatre d’agriculture. I, 124. — bei Oenothera. I, 340. 
TarmAur. 11, 95. —, fluctuirende Variation der, Fig. 11,217. 
TuıseLton Dyer. 1], 134. —, partielle Variabilität der. II, 285. 
Tuonson. II, 708. Trifolium incarnatum, Aseidien. I, 578. 
Thrineia hirta. I, 357. — —, gelbe Keime. I, 614. 
— —, fasciirte Rasse. II, 559. — —, Keimpflanze, Fig. I, 576. 
— —, trieotyl. II, 240. — —, monströse Keimpflanze,Fig. 1,580. 
— —, trisyneotyl. II, 323. — — quadrifolium. I, 570. 11, 262. 
Tuaurer. 1, 123. 143. 287. — pratense. I, 128. 
Thuya. I, 484. — — album. IE, 155; 
— orientalis. II, 391. — — x americanum album. II, 154. 
— pendula. II, 391. — —, bunt. I, 603. 
Thymus Serpyllum album, Reinheit. | — —, gefiedertes Blatt. I, 574. 

II, 385. — —,'gelbe Keime. I, 614. 
— —, Fig. ], 602. — — multifidum. II, 596. 
Tilia. I, 422. — — quinquefolium. I, 88. 435. 
—, Becher. I, 433. 637. — — —, Curve, Fig. I, 444. 
— parvifolia, Becherbildung, Fig. 1,338. | — — —, einjährig. I, 619. 
2206: +1,18, — — Fig. I 456. 


ass 


Register. 


Trifolium pratense quinquefolium, Keim- 


pflanze, Fig. I, 440. 
— — —, Kreuzung. I, 354. 


— — —, Periodieität, Fig. 1, 442. 
— — —, Sandboden, I, 447. 

— repens, Ascidien. I, 641. 

— — atropurpureum. I, 574. 

— — perumbellatum. Fig. I, 634. 
— —, vierblätterig. I, 574. 
Trihybriden. II, 115. 
Tripel-Hybriden. II, 462. 
Tri-Polyhybriden. II, 187. 
Trisyneotylie. II, 323. 

Tritieum turgidum. II, 40. 

— — compositum. I, 87. 

— vulgare. I, 70. 

Tritypie. II, 421. 

Mrocae. 11, 211. 

Tropaeolum. II, 663. 

— majus flore pleno. I, 475. 


—, Pelorien. I, 566. 

Trotzen. I, 618. 

Arotzer 15 617° 

TscHERMAK. II, 3. 18. 23. 113. 147. 148. 
168.177. 313. 


— über Menper's Versuche. II, 138. 
Tulpen. II, 497. 

—-Diebe. II, 537. 

—, gestreifte. . II, 513. 

Tussilago Farfara, bunt. I, 605. 


Typha latifolia. I, 41. 307. 


Uebergeführte Bastarde. II, 84. 
Ueberführen der einen Art in die andere. 


1579: 
Uebergänge. I, 362. 
Uebergangsformen. I, 307. 


Ueberschreiten der Rassengrenzen. 
346. 

Ueberspringen von Generationen. 11,560. 

Uebung. I, 96. 

Ugraesplanter. II, 379. 

Ulex. I, 258. 321. 

— europaeus, Fig. II, 208. 

— Galli. II, 209. 

— nanus. II, 209. 

Ulmus. II, 13: 

— campestris. 

— —, Becher. 

— —, bunt. 

— — variegatus, Fig. 

Umbelliferen. I, 397. 

Umlagerung einer Eigenschaft. II, 641. 

Unabhängigkeit der Charaktere, gegen- 


li, 


II, 240. 
I, 641. 
I, 604. 609. 
II, 686. 


seitige. II, 188. 
Ungepaarte Eigenschaften. II, 466. 
Ungleichschenklige Curve. I, 431. 
Ungleichzeugungen. I, 333. 


| Unisexuell. II, 642. 
 Unisexuelle Kreuzungen. 


' Unterarten. 


ı Uropedium Lindenii. 


| — urens, bunt. 


II, 461. 495. 
— —, eombinirte. II, 474, 

— Vererbung. II, 468. 

L, 115. 458, 

Uran. II, 52. 

I, 566. 
Ursprung, polyphyletischer. 
Urtica dioica. II, 707. 

I, 603. 

II, 586. 


11738 
I FAHe 
— — torsa. 


Vaceinien, hellfrüchtige. I, 477. II, 532. 
Vaccinium Myrtillus. II, 532. 


Valeriana alba, syneotyl. II, 325. 
— —, 3°), syneotyl. II, 320. 

— offieinalis torsa. II, 589. 
Ze Te: IE. 509: 
Vallisneria. I, 459. 


VAN DER VELDE. II, 669. 685. 
Variabilität, als Anpassung. I], 5. 
als Ernährungserscheinung. I, 368. 
— , allseitige. II, 668. 
—, artenbildende. I, 4. II, 704. 
—, Bedeutung des Namens. I, 32. 
bei den Bastarden, individuelle. II, 52. 
—, correlative. II, 695. 
der Bastarde. II, 46. 
der Blumenblätter. I, 306. 
dimorphe. II, 532. 
durch zufällige Kreuzungen. I, 56. 
—, einseitige Steigerung der. I, 416. 
Erhöhung der. II, 11. 
in Fächerform, Darstellung der. I, 38. 
‚ fluetuirende. II, 465. 666. 
‚ graduelle. I, 36. 
‚ Grösse der Samen und. I, 579. 
‚ individuelle. I, 35. 36. 306. 
‚ Kreuzung. II, 465. 
‚ lineare. I, 38. II, 666. 
,‚ oseillirende. II, 639. 
‚ partielle. I,5. I, 48. 51. 
—, planlose. II, 667. 
‚ Quelle der. II, 85. 
‚ räumliche und zeitliche. 
i 136. 
{ I, 491. 
, 
’ 
’ 


Taa7. 
reversible. 
sectoriale. 
statistische. I, 36. 

Steigerung der. II, 328. 
I, 39. 
IT, 


stossweise. 
, transgressive. 
430. 653. 
— und Mutabilität, Grenze der. I, 370. 
—, wahre Quelle der. II, 46. 
—, zunehmende. I, 419. 
Variabilitätscurven auf derselben Ab- 
seisse. I, 306. 
Varianten. I, 22. 37. 451. 


220. 308. 309. 


750 


Variation. 1, 30. 450. 
—, eontinuirliche. I, 37. 
,‚ desordonnee. II, 4. 
—, discontinuirliche. I, 5. 
‚lineare. I, 83. 413. 
‚ meristische. I, 37. 
— par secousses. I, 39. 
—, sectoriale. I, 496. II, 672. 
Variationen. I, 92. 
—, meristische. I, 47. 
—, Plural-. II, 508. 
—, Plus- und Minus-. I, 38. 
—, spontane. I, 4. 133. 
Variations, single. I, 7. 21. 39. 63. 116. 
—, taxinomiques. I, 459. 
Variationsbeherrschung. I, 115. 
Variationscurve, zweigipfelige. I, 401. 
Variationsumfang, Zunahme pro 1000 In- 
dividuen. I, 114. 
Variationsweite. I, 105. 376. 
Varietas aurea. I, 415. 424. 
— carnea. II, 196. 
— nana. I. 177. 
— petalomana. I, 424. 
Varietät als Individuum. 
—, OÖ. nanella. I, 255. 
Varietäten. I, 56. 118. 177. 450. 
—, abgeleitete. I, 452. 
— als beginnende Arten. I, 119. 
—, Constanz der weissblüthigen. II, 
380. 
—, durch Verlust entstandene. 
—, ebenbürtige. I, 452. 
echter wls#455: 
‚ Entstehung von. 
—, Garten-. I, 412. 
’ 
, 


I461. 


I, 523 


goldgelbe. I, 415. 

inconstante. II, 393. 

latente Eigenschaften. I, 489. 

— oder Arten, neue. ]J, 177. 

—, parallele. I, 454. 

—, Production neuer. |], 8, 

—, samenbeständig. I, 256. 268. 

— sind nur kleine Arten. II, 374. 647. 

—, stark fluetuirende. I, 414. 

—, sterile. I, 137. 471. 

—, verlassene. II, 380. 

Varietätenbastard. II, 9. 648. 

Varietates levissimas non curat botanieus. 
48, 

Varietätseigenschaften. II, 650. 

Varietätsmerkmale. II, 464. 

Varietes sont des hybrides. II, 486. 

Varieties are incipient species. I, 21. 

— are only small species. I, 119. 257. 


Variiren. II, 74. 
Vegetationskamm. II, 546. 
Vegetationslinie. II, 546. 


Register. 


I, 364. | 


549. II, 36. 93. 


| VerrcH. 1], 487. 

VELDE, VAN DER. 1, 645. 

Verbänderung. I, 339. 343. II, 233. 

Verbänderungen, Erblichkeit der. II, 
541. 559. 

| — im Herbst. 

—, käufliche. 

— und Cotylen. 

ı— von 0. brevistylis. 
Verbaseum. II, 36. 

— Iychniti-phoeniceum. 

ı— thapsiforme. I, 357. 
Verbena. I, 490. 

|— hybrida. I, 481. 

' Verdoppelung. II, 225. 

Veredelung. I, 54. 

Vererbung, einseitige. II, 467. 

Vergrünung. I, 290. II, 596. 

— an Oenotheren. I, 339. 

Verkoppelung. II, 180. 188. 193. 

Verlaubung. I, 303. 

Verror. I, 450. 473. IE 12 376: 

Verlust einer Eigenschaft. I, 416. 

— -Varietäten. II, 369. 374. 

Vermehrung. I, 100. 

—, starke. I, 354. 

| Veroniea Andersonii. II, 73. 

— Buxbaumii. I, 431. 643. 647. 

— longifolia x l. alba. II, 155. 161. 

— — (blau) x V.l.alba, einseitigweiss. 
IL 122. 


I, 344. 

II, 552. 

II, 562. 

II, 441. 


II, 22. 


— —,faseiirte Rasse. II, 559. 

— —,Fig. II, 546. 

— —,trieotyl. 11, 240. 

— seutellata pubescens. I, 454. 

ı— spiecata nitens. I, 454. 

— spuria. II, 485. 

| VERSCHAFFELT. I, 101. 112—113. 170, 
376. 

Verstärkung von Merkmalen. I, 458. 

Verstümmelung. I, 92. 

' Versuchsgarten. Il, 558. 

Verwandtschaft, sexuelle. II, 654. 

|—, weitere und engere. II, 10. 


| Verwandtschaftsgrade der Bastarde. II, 
24. 

ee I, 92. 
Verzweigung, erschwachende. 
Viburnum Opulus. I, 475. 
Vicariirend. II, 518. 
Vicariirende Eigenschaften. II, 626. 639 
Vicia lutea hirta. I, 454. 
Vieinismus. II, 283. 536. 
Vieinisten. II, 376. 383. 
Vieinovariiren. I, 23. II, 376. 383. 
—, direetes. I, 389. 

|—, indirectes. II, 389. 

ı Vielgestaltigkeit. I, 33. 


II, 591. 


Register. 


751 


Vırmorın. I, 65. 459. 489. II, 210. 376. 
514. 
— - ANDRIEUX. 
—, HENRI DE. 
—, Lovi1s DE. 
—, P. P. A. pe. 
— , Zuckerrüben. 
Vinca major, bunt. 
Viola. II, 662. 
— cornuta alba, Fig. I, 116. 
alba x sceotophylla, steril. 
altaica. II, 96. 
arvensis. I, 17. 121. 
cornuta x alba. II, 155. 
lutea.r IT, 96: 
— grandiflora. II, 487. 
—, Pelorien. I, 566. 
trieolor.0, 121,355. 11,796. 
—, gespaltener Blüthenstiel. II, 544. 
— maxıma. = TI, 632. IL, 481. 
— —, Sommerblüthen. I, 647. 
—, Unterarten. I, 16. 
ViırcHnow. I, 109. 
Viscaria oculata. II, 236. 
— — torsa. II, 585. 
Vitis. I, 489. II, 32. 
— aestivalis x V. labrusca. 
— York-Madeira. II, 51. 
Vıvıanp-Morer. I, 611. 
Vöcntine. 1, 318. 553. 
Vollständige Spaltung. II, 173. 
Vorbehalt. II, 541. 
Vrıes, Ernst ve. II, 599. 
Vrouik. I, 473. 567. 
Vtırremmn. I, 553. 


I, 135. 491. 
Tr 82: 
1,353: 
1,135: 
3: 
I, 609. 


II, 459. 


II, 60. 


II, 51. 


Waagen. I, 37. 49 II, 706. 
Wachsthum, Unterbrechung des. 
Wachsthumshemmung. II, 323. 
Wasner. I, 146. II, 507. 668. 
Wahl der Samen. I, 644. 

—, doppelte. II, 243 558. 
Wahlverwandtschaft. II, 654. 
WARKER. ], 470. 553. 
Warzace. I, 17. 62. 84. 119. 140. 
WarriıcH. II, 391. 

Warminec. I. 617. I, 5. 8. 667. 
Wasmann. II, 668. 699. 
Wasserdost. II, 491. 
Wasserschösslinge. I, 457. 
Wassersprosse. I, 354. 609. 
Warson. I, 87. 313. 319. I, 598. 
Weser. II, 3. 9. 31. 35. 158. 676. 
Weevers. II, 575. 

Weiden. II, 62. 72. 

—, Bastarde der. II, 13. 26. 

—, Pollen der. II, 62. 
Sterblichkeit. II, 54. 


I, 620. 


| 
| 


Weigelia amabilis. I, 430. 605. II, 575. 
IT pont 15604. 
— —, Curve. I, 429. 
Weintrauben. II, 391. 
Weissbunt. I, 599. 
Weisse. I, 347. 370. 
Weizen. II, 192. 
‚ Behaarter Land-. I, 70. 
‚ brauner sächsischer Land-. 
‚ Galland-. I, 70. 
—, rauher. I], 70. 
, 
’ 


II, 17. 


I, 82. 


Riverr’s Grannen-. I, 70. 
Stammformen. I, 124. 
I, 79. 
1.87. 
I, 90. 
Blue Stem x Fife. 


Talavera-. 
, verzweigter. 
—, Zeeländer-. 
Weizenbastarde , 


Er 


II, 160. 

Wervon. I, 5. 36. 142. 402. II, 139. 
173. 660. 

Werthigkeit. II, 23. 180. 

WesaAeL. I, 9. 


Wettkampf. I, 144. 
WETTSTEIN, von. 1, 66. 449. 618. II, 
27. 64. 497. 499. 507. 509.661. 667. 


Wheat, Hopetown-. I, 125. 
—, Mungoswells-. I, 125. 
—, Pedigree-. I, 79. 


Wurre. II, 510. 705. 
Wiıcaura. II, 6. 8. 12. 17. 20. 21. 26. 
28. 36. 44. 48. 54. 62. 69. 


Wiederholungsgenerationen. I, 640. 
"Wiederholungssprosse. I, 640. 
Wıremann. II, 13. 22. 417. 

Wısr, D. B. ], 130. 

Wırdenow. I, 316. 555. 

Wire. II, 679. 

Wiruıamson. 1, 419. 

WirrmorE. Il, 91. 

Wırson. II, 26. 683. 

Wimmer. II, 48. 

Winter. I. 433. 

Wirrmack. II, 40. 

Wirrtrock. II, 96. 487. 662. 663. 
Worrr. I, 636. II, 662. 667. 
Wunder- oder Smyrna-Weizen. I, 87. 
Wurzel, gebänderte. II, 553. 
Wurzelblatt von Oen. lata. I, 220. 


Wurzelknospen. II, 17. 


Xanthium canadense. I, 647. 

Xenien. II, 158. 177. 

Xylopleurum tetrapterum, trieotyl. 
240. 


Xylotrupes. 


Verkes. 
Youvnc. 


I, 
I, 402. 


II, 592. 
IT 761. 


752 Fa ieiei 


Yueea, bunt. I, 611. 
— pendula aurea. I, 604. 


Zahl der Individuen. I, 146. 
Zahlengruppen. II, 402. 

— der Mittelrassen. II, 277. 
Zählungen, Doppelmethode. II, 130. 
Zea Mays, Bastard, Fig. 11, 150. 
—, Bastarde. I, 157 

— , bunt. I, 604. 609. 
eoeruleoduleis. II, 177. 

— ceryptosperma. I, 45. II, 41. 
— cyanea x rubra. II, 160. 
duleis. II, 113: 

— graeillima. I, 68. 
„Harlekin“. II, 353. 

— rubra. II, 177. 

— — x vulgata. II, 160. 

—, 8—22-reihige Kolben. I, 
— saccharata. II, 159. 

x saccharata x saccharata, 
5091,72, 23776: 

tunicata. I, 45. II, 41. 
vulgata x eyanea. II, 160. 
— x duleis. II, 160. 

—, Zuchtwahl. I], 52. 

—, zweigeschlechtige Rispen. 
637. 
ZEINER. 


52. 


II, 558. 


Zerene grossulariata. II, 26. 
Zeugung, heterogene. II, 662. 
ZIEGLER. 1, 706. 

ZIMMERMANN. 1, 599. 

Zinnia elegans. I, 549. 643. II, 236. 
ZioBEre. |], 554. 

ZocHer & Co. I, 474. 487. 


Züchter, Erfahrungen der. I, 10. 54. 
Zuchtmethode. I, 58. 414. 
Zuchtrasse. I, 424. 597. 

—, atavistische. II, 337. 

—, hemisyneotyle. 1, 333. 336. 
Zuchtrassen, Kreuzung. II. 465. 
Zuchtrassen, verbesserte. II, 268. 
Zuchtthiere. I, 577. 
Zuchtwahl, empirische. 
—, gärtnerische. I, 56. 


E18 


Fig. 


| ee 


I, a 
| —, natürliche. 


| 
| 
| 
I 
| 


in er ende 13 
—60. 
IIRS. 
T, 110: 
— semilatenter Eigenschaften. 
und Ernährung. I, 368. 
—, Unterbrechung der. I, 86. 
—, vegetative. I, 60. 
—, Wahl der am besten 
Individuen. I, 627. 
Zuchtwahlproducte. I, 58. 
Zuckermais. II, 159. 
Zuckerrohr, Cheribon-. I, 104. 
—, vegetative Seleetion. I, 104. 
Zuckerrübe, Farbvarietäten. II, 664. 
—, Knäuel der. I], 645. 
—, verbändert. II, 554. 
—, Zuckergehalt der. I, 36. 
Zuckerrübenzüchtung der 
1:92: 
Zwangsdrehung. II, 230. 
—, abhängig von der Lebenslage FE 573. 
—, erblich. II, 568. 
in trieotylen Rassen. 
‚ Kreuzung. II, 592. 


I, 627. 


ernährten 


Gegenwart. 


II, 235. 


— nach rechts und links. II, 592. 
— und Syneotylie. II, 324. 
Zwangsdrehungen, seltene. II, 575. 


Zweijährigkeit. I, 616. 
Zweigipfelige Curve der. Trieotylen. II, 
278. 
Zweigvariation. I, 604. 
Zweizählige Blüthe, Fig. 
Zwerge. I, 177. I, 443. 
Zwergformen. II, 407. 
—, Oenothera. I, 165. 166. 
Zwerg-Nachtkerze. I, 256. 
Zwergvarietäten. 1, 256. II, 
Zwiebelgewächse. I, 61. 
Zwillinge. II, 225. 
Zwischenbildungen. II, 19. 
Zwischenformen. I, 334. 362. 
Zwischengenerationen. I, 90. 
Zwischenrasse. I, 415. 424. 
Zygopetalum Mackayi x Odontoglossum 
nobile. II, 32. 


II, 605. 
I, 17. 


258. 


T6. 


DE VRIES, Mutation II. Day 1. 


O. lata O. Lamarckiana O. nanella 


Oenothera lata = nanella. 
Die drei aus dieser Kreuzung entstehenden Formen. 


Verlag von Veit & Comp. in Leipzig. 


DE VRIES, Mutation I. Tap 2: 


Hyoscyamus pallidus x niger. 
A. A. niger. B. H. pallidus. 


Verlag von Veit & Comp. in Leipzig. 


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Dipsacus sylvestris torsus mit Atavisten. 


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